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FACHBEITRAG 13 Optometrie 1/2000 selbst, sondern auch dann auftreten, wenn die Septen der Orbita durch Ent- zündungen, Blutungen oder Tumore ih- re Beweglichkeit eingebüßt haben. Die vier geraden Augenmuskeln set- zen am vorderen Auge in einem Abstand von 5 bis 8 mm vom Limbus an der Sklera an. Die Ansatzstellen liegen auf einer Spirale, die als Spirale von Tillaux bezeichnet wird. Die beiden schrägen Augenmuskeln erreichen das Auge von vorne an der medialen Seite der Orbita und ziehen dann schräg nach hinten, um dann hinter dem Äquator auf der tem- poralen Seite des Au- ges an der Sklera an- zusetzen. 1.1.1 Der Musculus rectus superior Der Musculus rectus superior entspringt am Zinnschen Ring unterhalb des M. levator palpebrae. Die Innervation erfolgt über den oberen Ast des Nervus oculomotorius. Die Länge des Muskels ist 42 mm, seine Breite be- trägt rund 9 mm. Seine Sehne hat eine Länge von ungefähr 5,8 mm. Er verläuft vom Zinnschen Ring nach vorne, wobei er zur lateralen Seite des Auges zieht. Oberhalb dieses Muskels befinden sich der Lidhebemuskel und der Nervus frontalis. Unterhalb des Muskels zieht die Sehne des Musculus obliquus supe- rior nach hinten. Beide sind durch Hemmbänder miteinander verbunden. Rund 10 mm bevor der Muskel an der Sklera ansetzt, durchtritt er die Pforte der Tenonschen Kapsel. In der Tenon- schen Kapsel liegt er der Sehne des M. obliquus superior auf. Der M. rectus superior inseriert in ei- ner konvexen Linie schräg zum Limbus. Der laterale Rand des Muskels hat den größten Abstand zum Limbus. Mehr als zwei Drittel des Muskels liegen lateral zum senkrechten Meridian des Auges. Die Besonderheiten der Anhaftung am Auge haben wiederum Auswirkungen auf die von diesem Muskel hervorgeru- fenen Augenbewegungen. Befindet sich das Auge in der Primärposition, so voll- führt der Muskel drei unterschiedliche Augenbewegungen. Der Muskel inse- riert im vorderen Teil des Auges, wobei 1 Anatomische Grundlagen 1.1 Die äußeren Augenmuskeln Das Auge wird durch sechs Augenmus- keln bewegt. Diese Muskeln sind der obere gerade Augenmuskel (Musculus rectus superior), der untere gerade Au- genmuskel (Musculus rectus inferior), der laterale gerade Augenmuskel (Mus- culus rectus lateralis), der mediale gera- de Augenmuskel (Musculus rectus me- dialis), der obere schräge Augenmuskel (Musculus obliquus superior) und der untere schräge Augenmuskel (Muscu- lus obliquus inferior). Die vier geraden Augenmuskeln und der obere schräge Augenmuskel sowie der Musculus levator palpebrae (Lidhe- bemuskel) haben ihren Ursprung in der Spitze der Orbita. Die Muskelansatzstel- len sind hier in Form eines Ringes (Zinnscher Ring oder Annulus tendine- us communis), der den Sehnervenkanal und die Fissura orbitalis superior um- gibt, angeordnet. Die Augenmuskel bilden von der Or- bitaspitze ausgehend einen Muskelko- nus, der sich nach vorne hin erweitert. Dieser Muskelkonus teilt die Orbita in einen intrakonalen und einen extrako- nalen Raum. Durch den Muskelkonus sowie durch die in der Orbita vorhande- nen Bindegewebsstrukturen (Septen) wird die Orbita gekammert. Augenbe- wegungsstörungen können nicht nur bei Veränderungen der Augenmuskeln Augenmuskeln und Augenbewegungen Dr. rer. nat. Andreas Berke, Studium der Physik und Biologie in Münster. Seit 1987 Dozent an der Höheren Fachschule für Augenoptik in Köln. Die äußeren Augenmuskeln, die wie die Skelettmuskeln der quergestreiften Muskulatur zugerechnet werden, weisen verschiedene Superlative auf. Sie zeigen bei lang andauernden Tätigkeiten die wenigsten Ermüdungserschei- nungen aller Muskeln. Ihr Blutzufluss und ihre Sauerstoffkapazität übersteigt die aller anderen Muskeln einschließlich des Herzmuskels. Ihre Nervenver- sorgung ist um ein Vielfaches dichter als die der Skelettmuskeln. Abb. 1: Muskelkonus und Fettgewebe der Orbita.

Augenmuskeln und Augenbewegungen - hfak.de · unteren Ast des Nervus oculomotorius. Der M. rectus lateralis zieht nahe der medialen Orbitawand nach vorne. Ober-halb des Muskels verläuft

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F A C H B E I T R A G

13 Optometrie 1/2000

selbst, sondern auch dann auftreten,wenn die Septen der Orbita durch Ent-zündungen, Blutungen oder Tumore ih-re Beweglichkeit eingebüßt haben.

Die vier geraden Augenmuskeln set-zen am vorderen Auge in einem Abstandvon 5 bis 8 mm vom Limbus an derSklera an. Die Ansatzstellen liegen aufeiner Spirale, die als Spirale von Tillauxbezeichnet wird. Die beiden schrägenAugenmuskeln erreichen das Auge vonvorne an der medialen Seite der Orbitaund ziehen dannschräg nach hinten,um dann hinter demÄquator auf der tem-poralen Seite des Au-ges an der Sklera an-zusetzen.

1.1.1 Der Musculusrectus superiorDer Musculus rectus

superior entspringt am Zinnschen Ringunterhalb des M. levator palpebrae. DieInnervation erfolgt über den oberen Astdes Nervus oculomotorius. Die Längedes Muskels ist 42 mm, seine Breite be-trägt rund 9 mm. Seine Sehne hat eineLänge von ungefähr 5,8 mm. Er verläuftvom Zinnschen Ring nach vorne, wobeier zur lateralen Seite des Auges zieht.Oberhalb dieses Muskels befinden sichder Lidhebemuskel und der Nervusfrontalis. Unterhalb des Muskels ziehtdie Sehne des Musculus obliquus supe-rior nach hinten. Beide sind durchHemmbänder miteinander verbunden.Rund 10 mm bevor der Muskel an derSklera ansetzt, durchtritt er die Pforteder Tenonschen Kapsel. In der Tenon-schen Kapsel liegt er der Sehne des M.obliquus superior auf.

Der M. rectus superior inseriert in ei-ner konvexen Linie schräg zum Limbus.Der laterale Rand des Muskels hat dengrößten Abstand zum Limbus. Mehr alszwei Drittel des Muskels liegen lateralzum senkrechten Meridian des Auges.Die Besonderheiten der Anhaftung amAuge haben wiederum Auswirkungenauf die von diesem Muskel hervorgeru-fenen Augenbewegungen. Befindet sichdas Auge in der Primärposition, so voll-führt der Muskel drei unterschiedlicheAugenbewegungen. Der Muskel inse-riert im vorderen Teil des Auges, wobei

1 Anatomische Grundlagen

1.1 Die äußeren Augenmuskeln

Das Auge wird durch sechs Augenmus-keln bewegt. Diese Muskeln sind derobere gerade Augenmuskel (Musculusrectus superior), der untere gerade Au-genmuskel (Musculus rectus inferior),der laterale gerade Augenmuskel (Mus-culus rectus lateralis), der mediale gera-de Augenmuskel (Musculus rectus me-dialis), der obere schräge Augenmuskel(Musculus obliquus superior) und deruntere schräge Augenmuskel (Muscu-lus obliquus inferior).

Die vier geraden Augenmuskeln undder obere schräge Augenmuskel sowieder Musculus levator palpebrae (Lidhe-bemuskel) haben ihren Ursprung in derSpitze der Orbita. Die Muskelansatzstel-len sind hier in Form eines Ringes(Zinnscher Ring oder Annulus tendine-us communis), der den Sehnervenkanalund die Fissura orbitalis superior um-gibt, angeordnet.

Die Augenmuskel bilden von der Or-bitaspitze ausgehend einen Muskelko-nus, der sich nach vorne hin erweitert.Dieser Muskelkonus teilt die Orbita ineinen intrakonalen und einen extrako-nalen Raum. Durch den Muskelkonussowie durch die in der Orbita vorhande-nen Bindegewebsstrukturen (Septen)wird die Orbita gekammert. Augenbe-wegungsstörungen können nicht nurbei Veränderungen der Augenmuskeln

Augenmuskeln undAugenbewegungen

Dr. rer. nat. Andreas Berke,Studium der Physik und Biologiein Münster.Seit 1987 Dozent an der Höheren Fachschule für Augenoptik in Köln.

Die äußeren Augenmuskeln, die wie die Skelettmuskeln der quergestreiftenMuskulatur zugerechnet werden, weisen verschiedene Superlative auf. Siezeigen bei lang andauernden Tätigkeiten die wenigsten Ermüdungserschei-nungen aller Muskeln. Ihr Blutzufluss und ihre Sauerstoffkapazität übersteigtdie aller anderen Muskeln einschließlich des Herzmuskels. Ihre Nervenver-sorgung ist um ein Vielfaches dichter als die der Skelettmuskeln.

Abb. 1: Muskelkonus und Fettgewebe der Orbita.

die Ansatzstelle am Auge höher ist alsder Ursprung des Muskels am Zinn-schen Ring. Seine primäre Wirkung istdie Supraduktion. Diese nimmt an Stär-ke zu, wenn sich das Auge in einerAbduktionsstellung befindet. Die Su-praduktion wird in einer Adduktions-stellung des Auges geringer. Bei voll-ständiger Adduktion findet keineSupraduktion mehr statt. Als sekundäreWirkungen des M. rectus superior sinddie Adduktion und die Inzykloduktionzu nennen. Die Inzykloduktion ist dieFolge des schrägen Ansatzes des Mus-kels am oberen Teil des Auges.

Der Musculus rectus superior und derMusculus levator palpebrae stammenbeide vom gleichen mesenchymalenGewebe ab. Beide Muskeln sind auf dermedialen Seite eng miteinander verbun-den. Sie führen assoziierte Bewegungenaus. Beim Blick nach oben, der durchKontraktion des Musculus rectus supe-rior zustande kommt, kontrahiert derMusculus levator palpebrae, so dass sichdas Oberlid weiter nach oben bewegt.

1.1.2 Der Musculus rectus inferiorDer Musculus rectus inferior ist unter-halb des Sehnervenkanals im mittlerenBereich des Zinnschen Ringes befestigt.Er zieht von diesem Ursprung entlangdes Orbitabodens unter einem Winkelvon rund 25° nach vorne lateral. Zu-

nächst befindet sich der Muskel in un-mittelbarer Nähe des Gaumenbeins. Jeweiter sich der Muskel nach vorne er-streckt um so mehr entfernt sich derMuskel vom Orbitaboden und schließtsich dafür dem Auge an. Dieser Muskelist mit einer Länge von 40 mm der kür-zeste der Augenmuskeln. Seine Sehnemisst in der Länge rund 5,5 mm. SeineBreite beträgt rund 9 mm. Er inseriert ineiner konvexen schrägen Linie an derSklera. Die Innervation erfolgt über denunteren Ast des Nervus oculomotorius.

Die primäre Wirkung in Primärposi-tion des M. rectus inferior ist eine Infra-duktion, da der Muskel unten am vorde-ren Teil des Auges liegt. Die Fähigkeitzur Infraduktion nimmt in Abduktions-stellung des Auges zu und bei Addukti-on des Auges ab. Bei vollständiger Ad-duktion vollführt der Muskel keine In-fraduktion. Als sekundäre Wirkungenführt der Muskel zu einer Adduktionund einer Exzykloduktion. Die Exzyklo-duktion ist die Folge des schrägen Mus-kelansatzes am Auge.

1.1.3 Der Musculus rectus lateralisDer Musculus rectus lateralis hat seinenUrsprung am lateralen Bereich desZinnschen Ring dort, wo dieser die Fis-sura orbitalis superior überbrückt. Einezweite Ansatzstelle des Muskels bestehtan der Orbitafläche des großen Keil-beinflügels lateral zum ZinnschenRing. Der Muskel verläuft zunächst inunmittelbarer Nachbarschaft zur latera-len Orbitawand, von der er nur durch ei-ne dünne Schicht Orbitafettes getrenntist. Über Bindegewebsfasern ist derMuskel mit dem Musculus obliquus in-ferior verbunden. Im vorderen Bereichder Orbita verändert er seine Richtungnach medial und tritt durch die Tenon-sche Kapsel. Die Länge des Muskelswird mit 48 mm angegeben. Der Ansatzfolgt einer nahezu senkrechten Linie,die symmetrisch zum horizontalen Me-ridian des Auges liegt. Die Muskelhülledes M. rectus lateralis bildet Fortsätzeaus, die gemeinsam mit der Verdickungder Tenonschen Kapsel das laterale Hal-teband des Auges bilden. Der Muskelwird durch den Nervus abducens inner-viert.

Der Musculus rectus lateralis hat mit12 mm die längste Abrollstrecke alleräußeren Augenmuskeln. Die beiden Or-bitae sind nicht parallel zur Frontalebe-ne im Schädel lokalisiert, sondern wei-sen eine divergente Stellung auf. Die Or-bitaachsen sind um rund 22° gegenüberder Sehachse nach lateral verkippt. Dadie beiden Augen in der Primärpositionum diesen Betrag in nasaler Richtunggedreht sind, benötigt der Musculus rec-tus lateralis eine entsprechend längereAbrollstrecke.

Der Musculus rectus medialis ver-läuft in der Primärposition parallel zursagittalen und senkrecht zur vertikalenDrehachse des Auges. Die Wirkung desMusculus rectus medialis besteht nahe-zu ausschließlich in einer Abduktion.

1.1.4 Der Musculus rectus medialisDer Musculus rectus medialis ist dergrößte, schwerste und stärkste der sechsAugenmuskeln. Dies ist erforderlich, dadas Auge zur Erreichung der Primärpo-

Abb. 2: Ansatzstellen der vier geraden Augenmuskeln(rechts M. rectus medialis; im Uhrzeigersinn folgenM. rectus inferior, M. rectus lateralis und M. rectussuperior). Die gestrichelte Linie ist die Spirale vonTillaux. Die Zahlen geben den Abstand der Ansatz-stellen vom Limbus, die Breite sowie die Länge derSehnen an (Angaben in mm).

Abb. 3: Kernspin-Tomografie der Orbita mit demMusculus rectus medialis und Musculus rectus late-ralis.

Abb. 4: Orbitaachse und Gesichtslinie: Beide Linienbilden einen Winkel von 22,5° zueinander. Damitdas Auge in die Primärposition gelangen kann, musses eine Adduktion um diesen Winkel durchführen.

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15 Optometrie 1/2000

Muskel Ansatzstelle vom Länge (mm) Länge der Breite derLimbus (mm) Sehne (mm) Sehne (mm)

M. rectus superior 7,7 42 5,8 10,6M. rectus lateralis 6,9 48 8,8 9,2M. rectus inferior 6,5 40 5,5 9,8M. rectus medialis 5,5 40 3,7 10,3

Tabelle 1: Maße der geraden Augenmuskeln

sition eine ständige Adduktion um un-gefähr 22° durchführen muss. SeineLänge beträgt 40 mm und seine Breiterund 9,7 mm. Er entspringt vom unte-ren und medialen Bereich des Zinn-schen Ringes. Häufig ist er mit den Hül-len des Sehnervs verwachsen. Die In-nervation des Muskels erfolgt über denunteren Ast des Nervus oculomotorius.Der M. rectus lateralis zieht nahe dermedialen Orbitawand nach vorne. Ober-halb des Muskels verläuft der Musculusobliquus superior. Unterhalb des Mus-kels liegt der Orbitaboden. Auf der me-dialen Seite des Muskels befindet sichOrbitafett, an das sich die Siebbeinplatteder lateralen Orbitawand anschließt.Auf der lateralen Seite ist der M. rectusmedialis durch das Orbitafett vom Seh-nerven getrennt. Die Ansatzstelle an derSklera befindet sich in einem Abstandvon 5,5 mm zum Limbus. Er inseriert ineiner nahezu senkrechten geraden Liniean der Sklera. Die Insertion ist symme-trisch zum horizontalen Meridian. DieAnsatzstelle des Muskels an der Sklerakann durch die Bindehaut hindurch ge-sehen werden.

Die Wirkung des Musculus rectusmedialis ist nahezu ausschließlich dieAbduktion, da auch dieser Muskel paral-lel zur sagittalen und senkrecht zur ver-tikalen Drehachse angeordnet ist.

1.1.5 Der Musculus obliquus superiorDer Musculus obliquus superior ist derlängste und dünnste der Augenmus-keln. Seine Länge wird maßgeblichdurch seine Sehne bestimmt, die vonder Trochlea zurück zum hinteren Teildes Auges zieht. Der Muskel hat seinenUrsprung am Keilbein medial vom Seh-nervenkanal außerhalb des ZinnschenRinges. Er zieht von hier zwischen demOrbitadach und der medialen Orbita-wand zur Trochlea.

Der Muskel geht rund 1 cm vor derTrochlea in eine Sehne über. An derTrochlea wird die Sehne um rund 55°nach hinten umgelenkt. Nach demDurchtritt durch die Tenonsche Kapselverläuft die Sehne unterhalb des M. rec-tus superior. Sie fächert sich im hinterenoberen Teil des Auges auf. Die Innerva-tion des M. obliquus superior erfolgtüber den Nervus trochlearis.

Da der M. obliquus superior am hin-teren Teil des Auges ansetzt, wird bei ei-ner Kontraktion dieses Muskels der hin-tere Teil des Auges nach oben und dervordere nach unten bewegt. Diese Infra-duktion ist die primäre Wirkung desMuskels. Mit zunehmender Abduktionnimmt die Fähigkeit zur Infraduktionab. Der schräge Ansatz der Sehne desMuskels am hinteren oberen Quadran-ten des Auges hat eine Inzykloduktion

zur Folge. Befindet sich das Auge in ei-ner Adduktionsstellung, so ist der M. ob-liquus superior der einzige Muskel mitder Fähigkeit zur Infraduktion. Die se-kundäre Wirkung dieses Muskels ist dieAbduktion.

Die Trochlea ist der funktionelle Ur-sprung des Musculus obliquus superior.Sie ist ein rund 3 mm starker Knorpel-ring, der an der Fossa lacrimalis desStirnbeins im oberen medialen Ab-schnitt des Orbitadaches befestigt ist.Die Innenseite der Trochlea ist mit einerglatten Membran ausgekleidet, die einreibungsarmes Gleiten der Sehne er-möglicht. Von der Außenseite derTrochlea zieht ein straffes Bindegewebe,das als Hülle der Sehne fungiert, nach la-teral. Diese Hülle verbindet sich mitdem oberen Halteband und dem Ring-band.

1.1.6 Der Musculus obliquus inferiorDer Musculus obliquus inferior ist dereinzige der äußeren Augenmuskeln,der seinen Ursprung nicht in der Spitzeder Orbita hat. Er hat seinen Ursprungan der lateralen Seite der Fossa lacrima-lis. Einige Muskelfasern setzen an derFaszie des Tränensacks an. Der Muskelverläuft auf der Unterseite des Augeszwischen dem Musculus rectus inferiorund dem Orbitaboden. Der Muskel in-seriert hinter dem Äquator im infero-temporalen Quadranten am Auge. DieInsertion erfolgt in der Nähe der Maku-la (rund 2 mm unterhalb und lateral vonder Makula). Die Länge des Musculusobliquus inferior beträgt 38 mm. SeineSehne ist mit nur 1 mm Länge die kür-zeste Sehne aller äußeren Augenmus-keln. Der Muskel wird vom unteren Astdes Nervus oculomotorius innerviert.

Muskel Länge Länge der Sehne(mm) (mm)

M. obliquus superior 38 0 bis 2

M. obliquus inferior 30 10 mm Muskel -> Trochlea2 mm innerhalb Trochlea18 mm Trochlea -> Ansatzstelle

Tabelle 2: Maße der schrägen Augenmuskeln

Abb. 5: Ansatzstellen des Musculus obliquus superior(Angaben in mm).

Die Primärwirkung dieses Muskelsist die Supraduktion, da der Muskel amhinteren unteren Teil des Auges ansetzt.Mit zunehmender Adduktion wird dieFähigkeit zur Supraduktion stärker. InAbduktionsstellung hat der Muskel kei-ne Fähigkeit zur Supraduktion. Die se-kundären Wirkungen sind Abduktionund Exzykloduktion (nur in Abdukti-onsstellung).

2 Histologie der äußeren Augenmuskeln

Die äußeren Augenmuskel werden wiedie Skelettmuskeln der quergestreiftenMuskulatur zugeordnet. Sie unterschei-den sich jedoch in zahlreichen Eigen-schaften von den Skelettmuskeln.Während eine Nervenfaser häufig mehrals 100 Muskelfasern der Skelettmusku-latur versorgt, kommen auf eine Ner-venfaser nur 5 bis 10 Muskelfasern deräußeren Augenmuskeln. Die große Prä-zision und die hohe Geschwindigkeitder Augenbewegungen sind das Resul-tat dieser dichten Innervation der Au-genmuskeln. Die Muskelfasern der Au-genmuskeln haben Durchmesser vonbis 40 �m, während die Skelettmuskelnbis zu 100 �m dick sein können.

Im Querschnitt lassen sich in denäußeren Augenmuskeln eine orbitaleund eine bulbäre Zone voneinander un-terscheiden. Die äußere orbitale Zonegrenzt an die Orbita. Beim Musculus ob-liquus superior umhüllt die orbitale Zo-ne die innere bulbäre Zone vollständig.Bei den anderen Augenmuskeln um-hüllt die orbitale Zone die bulbäre Zone,die zum Augapfel und zum Innern desMuskelconus hin orientiert ist, c-för-mig. Die Muskelfasern der orbitalen Zo-ne haben Durchmesser von 5 bis 15 �m,während die Muskelfasern der bulbären

Zone mit 10 bis 40 �m deutlich dickersind. Innerhalb der beiden Zonen lassensich die Muskelfasern aufgrund ihrerStruktur und ihrer Kontraktionseigen-schaften weiter differenzieren.

Eine klassische Differenzierung derMuskelfasern basiert auf der Anord-nung der Myofibrillen innerhalb derMuskelfasern und der Art der Innerva-tion der Muskeln. Muskelfasern mitgroßem Durchmesser und regelmäßi-ger Anordnung der Myofibrillen werdender Fibrillenstruktur zugeordnet. DieseMuskeln sind überwiegend für schnel-le, ruckartige Kontraktionen (schnellzuckende Muskelfasern) geeignet. IhreInnervation erfolgt an einer Stelle, dermotorischen Endplatte. Diese Art derInnervation wird auch als »en plaque«bezeichnet.

Muskelfasern mit unregelmäßigerAnordnung der Myofibrillen gehörender Felderstruktur an. Sie sind fürlangsame oder tonische Kontraktionengeeignet. Ihre Innervation erfolgt nichtan einer Stelle der Muskelfaser, sondern

ist diffus über die Muskelfaser verteilt.Dieses Innervationsschema ist auch als»en grappe« bekannt. Tonische Muskel-fasern sind weniger ermüdbar alsschnell zuckende Muskelfasern.

Es werden 6 verschiedene Muskelfa-sertypen der äußeren Augenmuskelnunterschieden. Die Muskelfasertypen 1und 2 sind Muskelfasern der orbitalenZone, die Typen 3 bis 6 sind Muskelfa-sern der bulbären Zone. Die Einteilungder Muskelfasern erfolgt anhand derAnordnung der Myofibrillen (Fibrillen-struktur oder Felderstruktur), anhandder Innervation (einfach oder diffus) so-wie anhand der zeitlichen Eigenschaf-ten der Kontraktion (schnell oder lang-sam). Das Konzept, dass schnell zucken-de Muskelfasern für Sakkaden undlangsame oder tonische Muskelfasernfür Folgebewegungen und die Haltear-beit der Augenmuskeln verantwortlichsind, gilt als überholt. Es wird heute da-von ausgegangen, dass alle Muskelfa-sertypen bei allen Formen der Augenbe-wegungen eingesetzt werden.

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16Optometrie 1/2000

Abb. 6: Ansatzstellen des Musculus obliquus inferior(Angaben in mm).

Abb. 7: Feinstruktur der äußeren Augenmuskeln. Links: Fibrillenstruktur; rechts: Felderstruktur.

Muskelfaser Typ 1 Typ 2 Typ 3 Typ 4 Typ 5 Typ 6(orbital) (orbital) (bulbär) (bulbär) (bulbär) (bulbär)

Innervation einzeln diffus einzeln einzeln einzeln diffus

Durchmesser (�m) 25 19 27 35 47 36

Häufigkeit (%) 80 20 33 25 32 10

Struktur Fibrille Feld Fibrille Fibrille Fibrille Feld

Kontraktion schnell tonisch schnell schnell schnell tonisch

Tabelle 3: Eigenschaften der Muskelfasern der äußeren Augenmuskeln

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17 Optometrie 1/2000

Die Muskelfasern des Typ 1 sind ein-fach innervierte orbitale Muskelfasernmit Fibrillenstruktur. Sie stellen rund80 % der Muskelfasern der orbitalenZone dar. Die schnell zuckenden Mus-kelfasern sind für den größten Teil derKraftanstrengungen der Augenmus-keln verantwortlich. Die mehrfach in-nervierten Muskelfasern der orbitalenZone vom Typ 2 besitzen die Felder-struktur. Sie stellen rund 20 % der orbi-talen Muskelfasern dar. Es handelt sichum langsame, tonische Fasern.

Die bulbären Fasern des Typ 3 sind ro-te Muskelfasern. Es handelt sich um Fa-sern der Fibrillenstruktur. Sie stellen un-gefähr ein Drittel der bulbären Faserndar. Sie sind schnell zuckend. Aufgrundihres hohen Anteils an Myoglobin undMitochondrien sind sie sehr ausdau-ernd. Die bulbären Fasern des Typ 4 stel-len rund ein Viertel der bulbären Mus-kelfasern dar. Diese Fasern mit Fibril-lenstruktur sind als schnell zuckendeMuskelfasern beschrieben worden. Diebulbären Fasern des Typ 5 sind weißeMuskelfasern mit Fibrillenstruktur. Eshandelt sich bei ihnen um schnellzuckende Muskelfasern, die aber auf-grund ihrer schnellen Ermüdung nichtimmer eingesetzt werden. Ihr Anteil anden bulbären Fasern beträgt rund 30 %.Die mehrfach innervierten Fasern desTyp 6 mit Felderstruktur bilden rund10 % aller bulbären Muskelfasern. Eshandelt sich hier um langsame, tonischeMuskelfasern.

Neben diesen auch als extrafusaleMuskelfasern bezeichneten Muskelfa-sern, die zu Augenbewegungen heran-gezogen werden, gibt es auch intrafusa-le Muskelfasern. Diese propriozeptivenFasern wirken als Muskelspindeln, dieden Kontraktionszustand der Augen-muskeln registrieren und an das Gehirnweiter melden. Die Muskelspindeln re-gistrieren Verlängerungen der Augen-muskeln. Weiterhin sind die Golgi-Or-gane (Sehnenrezeptoren) in den Sehnender Augenmuskeln als propriozeptiveStrukturen vorhanden, die Längenver-änderungen der Sehnen registrieren.

Die Augenmuskeln werden durch dieMuskeläste der Arteria ophthalmica ver-sorgt. Weiterhin sorgen Äste anderer Ar-

terien der Orbita (z. B. Arteria lacrimalis,Arteria infraorbitalis, Arteria supraorbi-talis) für die Blutversorgung der Augen-muskeln. Die Muskelfasern der orbita-len Zone besitzen ein sehr dichtes Ka-pillarnetz. Dies hat zur Folge, dass dieAugenmuskel stärker durchblutet sindals beispielsweise der Herzmuskel. Be-sonders die einzeln innervierten schnellzuckenden Muskelfasern der orbitalenZone haben einen hohen Sauerstoffbe-darf. Die Blutgefäße treten im mittlerenDrittel in die Augenmuskeln ein undverzweigen sich danach.

Die Muskelfasern der orbitalenSchicht sind in einzelnen Bündeln an-geordnet. Ein aus Kollagenen, großenelastischen Fasern, Blutgefäßen undNerven gebildetes Perimysium umgibtdie Muskelfasern. Dieses Perimysiumgeht in das Epimysium über, das den ge-samten Muskel nach außen abgrenzt.Die äußeren Augenmuskel verfügenüber einen außerordentlich hohen An-teil elastischer Fasern. Diese dienenwahrscheinlich der Feinregulierung derMuskelkontraktion. Die äußeren Au-genmuskeln verfügen weiterhin überzahlreiche Makrophagen und T-Lym-phozyten. Dies macht die Augenmus-keln bei Immunerkrankungen, wie z. B.der Basedowschen Erkrankung, anfälligfür Entzündungsreaktionen.

3 Der Bandapparat des Auges

3.1 Die Tenonsche Kapsel

Die Tenonsche Kapsel (Fascia bulbi) isteine dünne fibröse Hülle. Sie beginnt et-wa 2 mm hinter der Hornhaut und um-gibt das Auge bis zum Sehnerven. Hierist sie fest mit dem Sehnerven verwach-sen. Im vorderen Abschnitt wird dieTenonsche Kapsel dünner und gehtschließlich in das subkonjunktivale Bin-dehautgewebe über. Zwischen demLimbus und den Ansatzstellen deräußeren Augenmuskeln werden dieVerbindungen schwächer. Zwischen Te-nonscher Kapsel und der Bindehaut be-steht der subkonjunktivale Raum. Vonder Sklera ist die Tenonsche Kapseldurch den episkleralen Raum (Tenon-scher Raum) getrennt. Auf der Außen-

seite ist die Tenonsche Kapsel in engerVerbindung mit dem retikulären Binde-gewebe der Orbita.

Da Auge und Tenonsche Kapsel anmehreren Stellen miteinander verwach-sen sind, ist eine unabhängige Bewe-gung des Auges innerhalb der Tenon-schen Kapsel nur bei kleineren Augen-bewegungen möglich. Bei größeren Au-genbewegungen bewegen sich Augeund Tenonsche Kapsel gemeinsam.

Im hinteren Bereich des Auges trittdie Tenonsche Kapsel durch Bindege-websfasern in enge Verbindung mitdem Fett der Orbita. Unterhalb des Au-ges ist die Tenonsche Kapsel verdicktund bildet hier das Lockwoodsche Liga-ment, mit dem der Augapfel innerhalbder Orbita fixiert wird. Im Bereich desAugenäquators geht die Tenonsche Kap-sel in das Ringband über, das den ge-samten Augapfel ringförmig umgibt.

3.2 Die Muskelhüllen

Die äußeren Augenmuskel durch-stoßen die Tenonsche Kapsel, tretendurch den episkleralen Raum hindurchund inserieren dann in der Sklera. Siekönnen daher in einen außerhalb der Te-nonschen Kapsel gelegenen extrakap-sulären Teil und einen innerhalb der Te-nonschen Kapsel gelegenen intrakap-sulären Teil untergliedert werden.

In ihrem extrakapsulären Teil sind dieAugenmuskel von einer Muskelschei-de (Fascia muscularis) umgeben. DieseMuskelscheide, die eine Fortsetzung derTenonschen Kapsel ist, hat ihren Anfangan der Eintrittsstelle des Muskels in dieTenonsche Kapsel. Ihre Länge beträgtca. 10 bis 12 mm. In ihrem hinterenDrittel werden die Muskeln von einemPerimysium umgeben, das aus retiku-lären, kollagenen und elastischen Fa-

Abb. 8: Intermuskuläre Membranen.

sern besteht. Diese Fasern sind mitei-nander verwoben und strahlen in dasFettgewebe der Orbita hinein.

Die Muskelscheiden der vier geradenAugenmuskeln sind über die so genann-te intermuskuläre Membran (Membra-na intermuscularis), die vom ZinnschenRing ausgeht und sich nach vorne hinzunehmend verdichtet, miteinanderverbunden. Die Membrana intermuscu-laris trennt das Fettgewebe der Orbita ineinen intrakonischen und einen extra-konischen Teil. Innerhalb der Tenon-schen Kapsel sind die geraden und dieschrägen Augenmuskeln durch dieMembran intermuscularis miteinanderverbunden. Die Muskelhüllen liegenhier nicht als Muskelscheiden, sondernals ein umhüllendes Perimysium vor.Innerhalb der Tenonschen Kapsel sindweiterhin die Adminicula zu erkennen.Dies sind dünne Bindegewebsstränge,die von den Rändern der Augenmuskelnzum Augapfel ziehen.

Die Membrana intermuscularis hatEinfluss auf die Bewegungen der vierMuskeln. Der Abstand der Augenmus-keln bleibt bei allen Augenbewegungenkonstant. Sie verhindern, dass der Mus-culus rectus medialis und lateralis bei ei-ner Supraduktion sich nach oben verla-gern. Von den Muskelscheiden gehenzahlreiche Fortsätze aus, die ein ver-flochtenes Netzwerk von fibrösen Bän-dern die Muskeln miteinander verbin-den und diese mit den Knochen der Or-bita verbinden.

Die Muskelscheide des Musculus rec-tus superior ist im vorderen Abschnittmit der Muskelscheide des darüber be-findlichen Musculus levator palpebraeverschmolzen. Diese enge Verbindungbeider Muskel führt zu einer assoziier-ten Bewegung beider Muskeln. BeimBlick nach oben, wenn also der Muscu-lus rectus superior aktiv ist, bewegensich die Oberlider weiter nach oben.

Die Muskelscheide des Musculus ob-liquus superior geht an der Trochlea ineine Sehnenscheide über. Die Sehne desMusculus obliquus superior ist durchbindegewebsartige Fasern mit der Seh-nenscheide verbunden, so dass die Seh-ne innerhalb der Sehnenscheide nureingeschränkt frei beweglich ist.

Die Muskelhülle des Musculus rectusinferior teilt sich in zwei Schichten. Dieobere Schicht verschmilzt mit der Te-nonschen Kapsel. Der untere rund 12mm lange Teil dieser Muskelhülle ziehtnach vorne in das Unterlid und endetdort im Bindegewebe zwischen dem Tar-sus und dem Musculus orbicularis. Die-ser Teil der Muskelhülle ist Bestandteildes Lockwoodschen Ligamentes. DerMusculus obliquus inferior ist über festeBindegewebsfasern fest mit dem Mus-culus rectus inferior verbunden.

Von den Muskelscheiden des Muscu-lus rectus medialis und lateralis ziehendichte Fasern in das Ringband der Te-nonschen Kapsel hinein. Diese Fasernsind Bestandteile der Hemmbänder desAuges.

3.3 Haltebänder und Hemmbänder

Die Haltebänder zwischen der Periorbi-ta und dem Ringband der TenonschenKapsel sowie die Fasern, die von der Te-nonschen Kapsel zu den Hüllen der Au-genmuskeln ziehen, bilden ein dichtesund hochkomplexes Bindegewebe. Hal-tebänder und Ringband bilden den Hal-teapparat des Auges. Das Auge ist überdiesen Halteapparat in der Orbita befes-

tigt. Hierdurch ist gewährleistet, dassdas Auge bei allen Augenbewegungenseine Lage in der Orbita nur wenig ver-ändert.

Das obere Halteband (Retinaculumsuperius) wird von Fasern, die vor demEintritt der Sehne des Musculus obli-quus superior in die Tenonsche Kapselzum Orbitadach ziehen, von dessenSehnenscheide und dem Ringband ge-bildet. Das untere Halteband (Retinacu-lum inferius) beginnt hinter dem Sep-tum orbitale an der unteren lateralen Or-bitawand. Von hier zieht es nahezu waa-gerecht zur Kreuzungsstelle des Muscu-lus rectus inferior und des Musculus ob-liquus inferior. Im Bereich dieser Kreu-zungsstelle ist das untere Haltebandstark verdichtet. Teile des unteren Halte-

bandes sind über den unteren Teil des la-teralen Haltebandes mit der lateralenOrbitawand und über das Ringband mitden horizontalen Haltebändern verbun-den.

Das laterale Halteband (Retinaculumlaterale) setzt rund 5 mm hinter dem la-teralen Orbitarand an der Periorbita an.Es befindet sich in Höhe des Musculusrectus lateralis hinter dem palpebralenLidligament. Der untere Teil des latera-len Haltebandes ist Teil des Lockwood-schen Ligamentes. Das mediale Halte-band (Retinaculum mediale) erstrecktsich nach vorne bis zum Tränensack.

Die Muskelhüllen des Musculus obli-quus inferior und des Musculus rectusinferior sowie die Fortsätze, die sich vonhier zu den Muskelhüllen des Musculusrectus lateralis und Musculus rectus me-dialis erstrecken, bilden das Lockwood-

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Abb. 10: Intrakapsulärer Bandapparat.

Abb. 9: Unterer Bandapparat des Auges.

sche Ligament. Das Lockwoodsche Liga-ment umfasst auch Fortsätze von derPeriorbita, dem Septum orbitale sowieBindegewebsfasern vom Tarsus des Un-terlides, die in die Orbita hineinziehen.Das Lockwoodsche Ligament wirkt wieeine Hängematte, auf der das Auge ruht.

Der Musculus rectus medalis und la-teralis sind an der Periorbita durch dasmediale und laterale Hemmband befes-tigt. Das mediale Hemmband ist an dermedialen Orbitawand hinter dem Sep-tum orbitale befestigt. Das lateraleHemmband ist am lateralen Tuberku-lum des Jochbeins hinter dem Septumorbitale befestigt. Das mediale Hemm-band ist stärker ausgebildet als das late-rale. Die Hemmbänder werden bei Dre-hungen des Auges gespannt und be-grenzen dadurch die Exkursionsfähig-keit des Auges. Beispielsweise wird beieiner Abduktion, d. h. bei einer Kontrak-tion des Musculus rectus lateralis, dasrelativ unelastische mediale Hemm-band gedehnt und begrenzt dadurch dieAbduktion des Auges. Durch diesenHemmmechanismus wird verhindert,dass bei zu großen Drehungen des Au-ges Blutgefäße und Nerven durch Zer-rungen oder Abknicken geschädigt wer-den.

Für vertikale Augenbewegungen undVerrollungen des Auges stehen keine ei-genen Hemmbänder zur Verfügung.Vertikale Augenbewegungen führen zueiner Verkippung des Ringbandes umeine Achse, die durch das mediale undlaterale Hemmband führt. Das obereund untere Halteband begrenzen dieVerkippung des Ringbandes und hem-men so die vertikalen Augenbewegun-gen. Zykloduktionen der Augen werdendurch das Ringband begrenzt. Die Hal-tebänder wiederum hindern das Ring-band an zu großen Rotationen.

Der Bandapparat des Auges dient derBefestigung des Auges innerhalb derOrbita. Weiterhin geht von ihm eineSchutzwirkung auf das Auge aus. Vonbesonderer Bedeutung aber ist der Ein-fluss des Bandapparates auf die Augen-bewegungen. Es verhindert, dass dasAuge sich bei Augenbewegungen in dieAugenhöhle hinein verlagert und dasssich das Auge in Richtung der Zugrich-

tung eines Muskels verlagert. Somit istgewährleistet, dass die Lage des Dreh-punkts des Auges bei allen Augenbewe-gungen nahezu unverändert bleibt. DieHemmbänder sorgen dafür, dass die Au-genbewegungen gedämpft werden. DieKontraktion der Augenmuskeln wirddurch die Elastizität der Bänder in eineglatte Bewegung umgewandelt.

4 Die Terminologie der Augenbewegungen

Alle Augenbewegungen lassen sich aufRotationen um drei Achsen reduzieren.Zur Beschreibung der Augenbewegun-gen ist daher ein dreidimensionales Ko-ordinatensystem erforderlich. Die dreiKoordinatenachsen werden auch alsFicksche Achsen bezeichnet. Die x-Ach-se und die z-Achse liegen frontoparallelin der Ebene von Listing, wobei die z-Achse senkrecht und die x-Achse waage-recht verläuft. Die sagittale y-Achse bil-det im Augendrehpunkt die Senkrechteauf diese Ebene. Alle Augenbewegun-gen werden auf diese Koordinatenach-sen bezogen.

4.1 Duktionen

Die Drehbewegungen des Einzelaugeswerden als Duktionen bezeichnet. Hori-zontalduktionen sind die Folge einerDrehung des Auges um die senkrechtez-Achse. Bei einer Duktion des Augeszur Nase hin spricht man von einer Ad-duktion, eine Duktion in die entgegen-

gesetzte Richtung als von der Nase weg,ist eine Abduktion. Drehung des Augesum die horizontale x-Achse sind Verti-kalduktion. Bewegt sich das Auge nachoben, liegt eine Supraduktion vor. BeimBlick nach unten spricht man von einerInfraduktion. Eine Drehung um die y-Achse ist eine Zykloduktion. Bei einerInzykloduktion wird der obere Umfangder Hornhaut zur Nase gedreht, wäh-rend bei einer Exzykloduktion die Dre-hung des oberen Umfangs der Horn-haut von der Nase weg erfolgt.

4.2 Versionen

Versionen sind konjugierte Bewegun-gen beider Augen um die gleichen Ach-sen und in gleicher Richtung. Werdenbeide Augen um die senkrechte z-Achsenach links gedreht, so ist dies eine Lävo-version. Das linke Auge vollführt in die-sem Fall eine Abduktion, während dasrechte Auge eine Adduktion ausführt.Eine Dextroversion besteht aus einerAdduktion des linken Auges und einerAbduktion des rechten Auges. Beide Au-gen drehen sich in diesem Fall um die z-Achse nach rechts. Eine Blickbewegungbeider Augen nach oben ist eine Supra-version, die Blickwendung nach unteneine Infraversion. Bewegt sich der Um-fang beider Hornhäute nach rechts, sovollführen die Augen eine Dextrozy-kloversion. Beide Augen führen eineDrehung nach rechts um die y-Achsedurch. Lävozykloduktionen, d. h. dieVerrollungen beider Augen nach links,kommen durch eine Exzykloduktion deslinken Auges und eine Inzykloduktiondes rechten Auges zustande.

4.3 Vergenzen

Vergenzen sind Drehungen beider Au-gen um die gleichen Koordinatenachsenbei entgegengesetzter Drehrichtung.Sie sind also disjugierte Bewegungen.Die Konvergenz ist eine Adduktion bei-der Augen aus der Parallelstellung he-raus, so dass sich die Gesichtslinien bei-der Augen vor den Augen schneiden.Eine Divergenz besteht aus einer Ab-duktion beider Augen aus der Parallel-stellung heraus. Eine Vertikalvergenz

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Abb. 11: Ficksche Achsen und Listingsche Ebene. DerUrsprung des Koordinatensystems liegt im mechani-schen Augendrehpunkt. Die Listingsche Ebene wirdvon der x-Achse und z-Achse aufgespannt.

liegt vor, wenn ein Auge nach oben unddas andere Auge nach unten blickt. Einepositive Vertikalvergenz liegt vor, wenndas rechte Auge eine Supraduktion unddas linke Auge eine Infraduktion aus-führt. Eine negative Vertikalvergenzliegt im entgegengesetzten Fall vor. Zy-klovergenzen kommen durch Verrol-lungen beider Augen um die y-Achse inentgegengesetzter Richtung zustande.Eine Inzyklovergenz ist die Folge einerInzykloduktion beider Augen, eine Ex-zykloduktion liegt vor, wenn beide Au-gen eine Exzykloduktion ausführen.

4.4 Primärposition undKardinalbewegungen

Die Primärposition ist die Nullstellungbeider Augen, von der ausgehend dieAugenbewegungen beschrieben wer-

den können. Sie stellt sich ein, wenn dieAugen bei aufrechter Körper- und Kopf-haltung geradeaus in die Ferne blicken.Sie ist die Augenstellung, von der aushorizontale und vertikale Duktionendurchgeführt werden können, ohnedass daraus eine Tertiärstellung der Au-gen resultiert. Die Primärposition darfauf keinen Fall als eine Ruhelage der bei-den Augen interpretiert werden.

Ausgehend von der Primärpositionkann das Auge Horizontalduktionenum die senkrechte z-Achse und Verti-kalduktionen um die waagerechte x-Achse durchführen. Diese Augenbewe-gungen aus der Primärposition, dienach oben, unten, rechts oder links er-folgen, sind die Kardinalbewegungendes Auges. Die Kardinalbewegungenenden in einer Augenstellung, die als Se-kundärstellung bezeichnet wird. Ein

Objekt, das in der Primärposition aufden waagerechten oder vertikalen Meri-dian abgebildet wird, wird auch in derSekundärposition auf einen solchenMeridian abgebildet.

Führt das Auge aus der Sekundärstel-lung heraus, die durch eine reine Verti-kalduktion erreicht wurde, eine Hori-zontalduktion durch, gelangt es in dieTertiärstellung. Eine Tertiärstellung lässtsich aus der Primärposition auch durcheine Duktion um schräge Achsen errei-chen.

5 Mechanische Grundlagen der Augenbewegungen

Die Kraft, die ein Muskel auf das Augeübertragen kann, hängt von der Zahl sei-ner Muskelfasern ab. Ein dicker Muskelist daher kräftiger als ein dünner Mus-kel. Die Kraft wird durch Kontraktionder Muskelfasern hervorgerufen. Nebenden kontraktilen Eigenschaften verfü-gen die Muskelfasern auch über elasti-sche Eigenschaften. Bei Dehnung einesMuskels erhöht sich die Spannung indem Muskel. Kontraktile und elastischeKräfte bilden die gesamte Muskelkraft.So lange der Agonist höhere Kontrakti-onskräfte ausübt als der Antagonist anSpannungen entgegensetzt, kann sichdas Auge in Zugrichtung des Agonistenbewegen. Die Grenze der Exkursions-fähigkeit eines Muskels ist dadurch defi-niert, dass der Agonist nicht mehr in derLage ist, die Spannung seines Antago-nisten weiter zu erhöhen. Bei weitererKontraktion übersteigen die Span-nungskräfte die kontraktilen Kräfte.

Das Verhältnis von Länge zu Breiteder äußeren Augenmuskel beträgt rund10:1. Die Augenmuskel sind also langeund dünne Muskeln. Sie müssen dahernur eine geringe Eigenmasse beschleu-nigen. Der Einfluss eines Augenmus-kels auf die Augenbewegungen hängt

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Bewegung Bezeichnung Alternative Bezeichnung

Medial Adduktion –

Lateral Abduktion –

Oben Supraduktion Elevation, Sursumduktion

Unten Infraduktion Depression, Deorsumduktion

Rotation (obere HH medial) Inzykloduktion Intorsion, Inzyklorotation

Rotation (obere HH lateral) Exzykloduktion Extorsion, Exzyklorotation

Tabelle 4: Monokulare Augenbewegungen: Terminologie

Muskel Primärwirkung Sekundärwirkung

M. rectus medialis Adduktion –

M. rectus lateralis Abduktion –

M. rectus superior Supraduktion Adduktion, Inzykloduktion

M. rectus inferior Infraduktion Abduktion, Exzykloduktion

M. obliquus superior Infraduktion, Inzykloduktion Abduktion

M. obliquus inferior Supraduktion, Exzykloduktion Abduktion

Tabelle 5: Primär- und Sekundärwirkungen der Augenmuskeln

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von seiner Ansatzstelle und seiner Ei-genmasse ab. Je weiter der Muskel vorneam Auge ansetzt und je massereicher erist, desto effizienter wirkt der Muskel.Unter diesen Gesichtspunkten ist derMusculus rectus medialis, der am wei-testen vorne am Auge ansetzt, und derder dickste Muskel ist, der wirksamsteder sechs äußeren Augenmuskeln.

Das Auge kann sich theoretisch umbeliebig viele Rotationsachsen drehen.Der Schnittpunkt aller möglichen Rota-tionsachsen ist der Augendrehpunkt.Unter physiologischen Bedingungenverändert der Augendrehpunkt seineLage um höchstens 0,1 mm innerhalbder Orbita. Bei pathologischen Verände-rungen der Orbita, der Augenmuskelnoder des Gehirns können jedoch Verla-gerungen des Drehpunktes um mehre-re Millimeter beobachtet werden.

Die Richtung der Zugkraft, die ein Au-genmuskel auf das Auge ausübt, hängtvom Ursprung des Muskels in der Orbi-ta und seiner Ansatzstelle am Auge ab.Die Muskelebene wird durch 3 Punktedefiniert, und zwar durch den Muskel-ursprung, die Ansatzstelle und den Dreh-punkt. Die Rotationsachse des Augessteht im Drehpunkt senkrecht auf derMuskelebene. Die Kräfte, die vom Mus-kel auf das Auge übertragen werden,greifen an der Oberfläche des Auges an.Sie erzeugen ein Drehmoment, das sichals Produkt der am Auge angreifendenKräfte und des Hebelarms ergibt. Wirk-same Kräfte sind die durch die Kontrak-tion des Muskels ausgeübten Zugkräfte,die elastischen Kräfte der Muskelfasernsowie die elastischen Kräfte des passivenorbitalen Gewebes.

Die Augenmuskeln sind so am Augeinseriert, dass bei den Augenbewegun-gen, die von den Augenmuskeln auf dasAuge übertragenen Kräfte tangential aufdas Auge einwirken. Der Tangential-punkt ist der Punkt, an dem der Augen-muskel erstmalig Kontakt mit dem Au-ge hat. Die Tangente in diesem Punkt andas Auge definiert die Richtung derKraft, die von dem Muskel auf das Augeausgeübt wird. Der Abstand des Tangen-tialpunktes vom Drehpunkt ist der wirk-same Hebelarm. Die Strecke zwischendem Ansatzpunkt des Muskels und dem

Tangentialpunkt ist die Abrollstreckedes Muskels. Die Lage des Tangential-punktes ändert sich, wenn der Muskelkontrahiert oder entspannt ist und sichdas Auge dadurch bedingt dreht. Aus dervariablen Lage des Tangentialpunktesfolgt dann, dass die Länge der Abroll-strecke ebenfalls veränderlich ist. Sie istam längsten bei einer Relaxation und amkürzesten bei einer Kontraktion desMuskels. Die Länge der Abrollstreckebestimmt letztendlich die Kontraktions-fähigkeit eines Muskels.

Im Tangentialpunkt werden kontrak-tile und elastische Kräfte wirksam. BeiKontraktion eines Muskels (Agonist)wird sein Antagonist gedehnt. Diedurch die Dehnung des Antagonistenhervorgerufene elastische Spannungwirkt der Kontraktion des Agonistenentgegen. Diese elastische Spannung

versucht, das Auge wieder in seine Aus-gangsposition zurück zu begeben.

Bei der Drehung des Auges werdenauch die Bindehaut, der Bandapparatdes Auges, Nerven und Blutgefäße derOrbita gedehnt oder gestaucht. Diesespassive orbitale Gewebe leistet derMuskelkontraktion Widerstand. Teil-weise wirken auch diese elastischenKräfte des passiven orbitalen Gewebestangential am Auge. Die Bindehaut liegtdem Auge auf und dämpft daher durchtangential zum Auge wirkende Zugkräf-te die Augenbewegungen. Hemmbän-der andererseits wirken nicht tangentialzum Auge. Sie sind so am Auge befes-tigt, dass der Hebelarm, über den sie aufdas Auge einwirken, bei kleineren Be-wegungen des Auges nur kurz ist. Somitüben die Hemmbänder nur geringeDrehmomente auf das Auge aus. Beigrößeren Augenbewegungen hingegennimmt die Länge des Hebelarms erheb-lich zu. Die hierdurch bedingten großenDrehmomente dämpfen daher größereAugenbewegungen in stärkerem Maße.

Bewegt sich das Auge innerhalb derOrbita nicht, so bedeutet dies nicht, dassauf das Auge keinerlei Kräfte wirken.Vielmehr ist die Summe aller Drehmo-mente gleich 0. Auch in der Primärposi-tion stehen alle Augen unter einer Vor-spannung. In den Sehnen wirken dannSpannungskräfte zwischen 5 und 10mN. Diese Spannungskräfte sind durchdie elastischen Eigenschaften der Au-genmuskeln, die isometrische Kontrak-tion der Augenmuskeln und die elasti-schen Kräfte des passiven orbitalen Ge-webes bedingt. Diese Ausführungenzeigen, dass es nicht sinnvoll erscheint,eine Ruhelage für das Auge zu definie-ren.

Augenbewegungen erfolgen gegenSpannungen des okulomotorischenSystems. Die Spannung, die den Augen-bewegungen entgegenwirkt, bestehtaus der Eigenelastizität der Augenmus-keln und der Elastizität des passiven or-bitalen Gewebes. Die Spannungen wer-den umso größer, je weiter sich das Augedreht. Es wird angenommen, dass proGrad Exkursionswinkel die Spannun-gen um 1 mN zunehmen. Gelangt dasAuge in den Grenzbereich seiner Exkur-

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Abb. 12: Abrollstrecken des Musculus rectus medialis.Die Rotationsachse steht senkrecht auf dem Augen-drehpunkt.

Muskel Abrollstrecke (mm)

M. rectus superior 8,7

M. rectus inferior 9,4

M. rectus lateralis 14,0

M. rectus medialis 6,3

M. obliquus superior 5,1

M. obliquus inferior 16,8

Tabelle 6: Abrollstrecken der Augenmuskeln

sionsfähigkeit, so nehmen die Span-nungen wesentlich stärker zu. Die elas-tischen Spannungen verteilen sich je zueiner Hälfte auf die elastischen Eigen-schaften der Muskeln und die des passi-ven orbitalen Gewebes.

6 Neurophysiologie der Augenbewegungen

6.1 Die Steuerung der Augenmuskelndurch das Gehirn

Weite Teile des Gehirns sind an derSteuerung und Kontrolle der Augenbe-wegungen beteiligt. Die magnozellu-lären Ganglienzellen der Netzhaut sindfür die Verarbeitung von Bewegungenkonzipiert. Sie leiten die Bewegungsin-formationen entlang der Sehbahn biszur primären Sehrinde. Von hier wirddie Bewegungsinformation zu verschie-denen Feldern der Großhirnrinde wei-tergeleitet.

Die supranukleäre Steuerung der Au-genbewegungen ist hierarchisch aufge-baut. Im Großhirn werden zwei Syste-me der Okulomotorik unterschieden.Das Zentrum der Sakkaden liegt imfrontalen Augenfeld (Brodman Area 8).Von hier ziehen Nervenbahnen über dasZwischenhirn zur paramedianen ponti-nen Formatio retikularis. Letztere ist eineAnsammlung großer Neurone im Hirn-stamm, die sich von den Kernen des Ner-vus trochlearis bis zu denen des Nervusabducens erstrecken. Blickfolgebewe-gungen gehen von der parieto-temporo-okzipitalen Übergangszone im Bereichdes parietalen, temporalen und okzipi-talen Lappens aus. Von hier ziehen ent-sprechende Nervenfasern zum Mittel-hirn und weiter bis zur paramedianenpontinen Formatio retikularis.

Horizontale und vertikale Blickbewe-gungen werden von den supranu-kleären Blickzentren des Hirnstamms

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13 a

13 b

13 c

Abb. 13: Hirnaktivitäten bei prismatischer Belastung.A: ohne Prismen; B: Prisma 4 cm/m Basis innen; C:Prisma 2 cm/m Basis oben. Die oberen beiden Reihenstellen die Hirnströme des Frontallappens dar. Die 3.und 4. Reihe entsprechen dem präzentralen Bereichdes Gehirns. Die 5. und 6. Reihe repräsentieren dieHirnströme des parietalen Lappens. Die unteren bei-den Reihen geben die Aktivität des Okzipitallappenswieder.

von Agonisten und Antagonisten sindder Musculus rectus superior und derMusculus rectus inferior für Supraduk-tionen und Infraduktionen sowie derMusculus obliquus superior und Mus-culus obliquus inferior für die Zyklo-duktionen. Das Gesetz von Sherringtonist aber nur für die Beschreibung der Au-genbewegungen eines Auges, d. h. fürDuktionen, anwendbar.

Der Musculus rectus superior und derMusculus obliquus inferior rufen bei ei-ner Kontraktion eine Supraduktion her-vor. Sie sind daher Synergisten für dieSupraduktion. Sie sind jedoch keineSynergisten für Horizontalduktionenund Zykloduktionen. Die adduzierendeWirkung des Musculus rectus superiorbeim Blick nach oben wird durch die ab-duzierende Wirkung des Musculus obli-quus inferior aufgehoben. In gleicherWeise wird die durch den Musculus rec-tus superior hervorgerufene Inzyklo-duktion durch die Exzykloduktion desMusculus obliquus inferior beim Blicknach oben neutralisiert. Als resultieren-de Wirkung stellt sich dann bei Kontrak-tion der beiden genannten Muskeln eineSupraduktion ein.

Bei Lähmung eines Muskels wird dasAuge sich in die Richtung, die der Wir-

kungsrichtung des Antagonisten desgelähmten Muskels entspricht, abwei-chen. Eine Lähmung des Musculus rec-tus lateralis wird daher zu einer Adduk-tion des Auges führen.

Beim Menschen sind die Augen nichtin der Lage, sich einzeln und unabhän-gig voneinander zu bewegen. Selbst beiBlinden bewegen sich beide Augen alsAugenpaar gemeinsam. Eine Dextrover-sion, d. h. eine Blickwendung beider Au-gen zur rechten Seite, kommt durch die

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gesteuert. Horizontale Augenbewegun-gen werden von der ipsilateralen para-medianen pontinen Formatio retikula-ris aus kontrolliert. Vertikalbewegun-gen nach unten werden von der mesen-cephalen Formatio retikularis im Über-gangsbereich zwischen Mittelhirn undZwischenhirn gesteuert. Vertikalbewe-gungen nach unten haben ihren Aus-gangspunkt im Prätectum. Die parame-diane pontine Formatio retikularisscheint aber auch an der Steuerung dervertikalen Augenbewegungen beteiligtzu sein. Über Nervenbahnen sind diemesencephale und die paramedianepontine Formatio retikularis miteinan-

der verbunden. Die Kerne der verschie-denen Hirnnerven, die zu den Augen-muskeln führen, sind über das medialeLängsbündel (Fasciculus longitudinalismedialis) miteinander verknüpft.

Augen- und Blickbewegungen wer-den auch über das im Innenohr befind-liche Gleichgewichtsorgan gesteuertund koordiniert. Das Vestibularorgansteht mit den Nervenkernen der Augen-und Halsmuskeln über das medialeLängsbündel in Verbindung. Bei jederKopfbewegung erfolgen so reflektori-sche Augen- und Blickbewegungen (ve-stibuläre kompensatorische Blickbewe-gungen), um den gesehenen Gegen-stand zentral zu fixieren.

Das Kleinhirn wirkt schließlich mo-dulierend und korrigierend auf die Sak-kaden und Folgebewegungen ein.

6.2 Die Gesetze von Hering undSherrington

In jeder Position des Auges befindet sichjeder der sechs äußeren Augenmuskelin einem Zustand der Kontraktion oderEntspannung. Keiner der Augenmuskelist allein aktiv. Die Muskel sind entwederals Agonisten, Antagonisten oder Syner-gisten tätig.

Bei Rotationen der Augen um dieFickschen Achsen erfährt der Agonisteine Kontraktion, während sein Gegen-spieler oder Antagonist entspannt wird.Dies wird durch das Gesetz der rezipro-ken Innervation von Sherrington be-schrieben. In dem Maße, in dem derAgonist aktiviert wird, wird der Antago-nist gehemmt. Bei einer Adduktion tre-ten der Musculus rectus medialis alsAgonist und der Musculus rectus latera-lis als sein Antagonist auf. Andere Paare

Abb. 14: Steuerung der Augenbewegungen durch dieHirnrinde. In der primären Sehrinde erfolgt die Ana-lyse der gesehenen Objekte. Von hier ziehen Nerven-bahnen zu verschiedenen Arealen der Hirnrinde. DerFrontallappen enthält drei Areale, die Sakkaden aus-lösen. Der obere Schläfenlappen dient der Zuwen-dung von Aufmerksamkeit auf Aspekte der visuellenUmwelt. MT (mittlere temporale Area) und MST(mediale superiore Area) lösen Folgebewegungen ausund sind am optokinetischen Nystagmus beteiligt.

Abb. 15: Steuerung der Augenbewegungen durch denHirnstamm. Der rostrale interstitielle Kern des me-dialen longitudinalen Fasciculus (riMLF) ist für ver-tikale Sakkaden und rasche Bewegungen beim Nys-tagmus verantwortlich. Die paramediane retikuläreFormation (PPRF) steuert die horizontalen Sakka-den und koordiniert horizontale Augenbewegungen.Der Nucleus präpositus hypoglossi (NPH) sorgtdafür, dass sich nach dem Puls einer Augenbewegungdie Stufe einstellt, die das Verharren in der neuen Po-sition ermöglicht. III: Oculomotoriuskern, IV: Tro-chleariskern, VI: Abducenskern.

Abb. 16: Gesetz von Sherrington: Elektrische Aktivitäten von Agonist und Antagonist bei einer Abduktion undAdduktion. Linke Hälfte maximale Adduktion; der M. rectus lateralis zeigt keine Aktivität, während der M.rectus medialis maximale Aktivität zeigt. Rechte Hälfte: maximale Abduktion.

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Abduktion des rechten Auges und dieAdduktion des linken Auges zustande.Dies bedeutet, dass der Musculus rectuslateralis des rechten Auges und derMusculus rectus medialis des linkenAuges in gleicher Weise aktiviert werdenmüssen. Gleichzeitig müssen deren An-tagonisten, der Musculus rectus media-lis des rechten Auges und der Musculusrectus lateralis des linken Auges, ent-spannt werden. Das Heringsche Gesetzbesagt, dass die beiden Agonisten bzw.die beiden Antagonisten jeweils in glei-cher Weise innerviert werden.

6.3 Innervationsschemata derAugenbewegungen

Jeder Augenmuskel wird von rund 1000Nervenfasern, den so genannten Moto-neuronen, versorgt. Die Motoneuroneverzweigen sich innerhalb der Muskelnund innervieren dann zwischen 5 und10 und im Extremfall 40 Muskelfasern.Alle Muskelfasern, die von einem Moto-neuron innerviert werden, bilden einemotorische Einheit.

Das Gehirn verfügt über zwei Mög-lichkeiten, um die Kraftentfaltung einesMuskels zu steigern. Einerseits könnenMuskelfasern, die in Ruhe waren, zu-sätzlich aktiviert werden; andererseitskönnen Muskelfasern, die zwar schonaktiv sind, aber noch über Funktionsre-serven verfügen, stärker aktiviert wer-den. Dies sei anhand eines Beispiels er-läutert.

Bei einer Sakkade werden im Verlaufdes Bewegungsablaufes alle motori-schen Einheiten aktiviert. Ausgehendvon der OFF-Stellung des betroffenenMuskel, d. h. bei Ruhestellung allerMuskelfasern, werden zuerst die roten,einfach innervierten bulbären Muskel-fasern (Typ 3) und die einfach innervier-ten orbitalen Muskelfasern (Typ 1) ange-sprochen. Hat das Auge die Primärposi-tion erreicht, treten die diffus innervier-ten Muskelfasern hinzu (Typ 2 und 6).Daran schließen sich die übrigen Mu-kelfasern an. Die Muskelfasern des Typ1 und 3 sind an nahezu allen Sakkadenbeteiligt. Die einzelnen Muskelfasernwerden offensichtlich von einer be-stimmten Augenposition aus angespro-

chen. Niederschwellige motorische Ein-heiten sprechen frühzeitig an, wennsich das Auge noch in der Nähe der OFF-Stellung befindet. Hochschwellige mo-torische Einheiten reagieren erst dann,wenn das Auge bereits größere Bewe-gungen ausgeführt hat.

Das Gehirn kennt keine Muskeln, eskennt nur Bewegungen. Die Befehle, dievom Gehirn an die Muskeln übermitteltwerden, sind in der Anzahl der elektri-schen Entladungen pro Zeiteinheit ko-diert. In der extremen ON-Position, d. h.wenn alle motorischen Einheiten akti-viert sind, treffen ungefähr 300 Entla-dungen pro Sekunde am Muskel ein. Beigrößeren Sakkaden kann diese Fre-quenz auf 600 Entladungen pro Sekun-de erhöht werden.

Für jede Position der Augen besteht inden sechs äußeren Augenmuskeln einbestimmtes Innervationsschema. Die-ses wird vom Gehirn immer dann, wennsich das Auge in dieser Position befin-det, in gleicher Weise an die Muskeln ge-leitet. Bei gleicher Augenstellung sindimmer die gleichen Motoneurone ingleicher Weise aktiv. Offensichtlichspielt der Weg, wie das Auge in diese Po-sition gelangt ist, keine Rolle.

6.4 Sakkaden

Eine Sakkade ist eine schnelle Augenbe-wegung, die der Fixation eines neuenFixationsobjekts dient. Sakkaden tretenauch als schnelle Phase des Nystagmusund beim REM-Schlaf in Erscheinung.Eine Sakkade nimmt ungefähr 200 msin Anspruch; dabei werden Winkelge-schwindigkeiten von mehr als 600 Gradpro Sekunde erreicht. Bis zur Hälfte derDauer einer Sakkade erfolgt eine Be-schleunigung der Bewegung. Danachwird die Bewegung verzögert, um ab-rupt in der neuen Position der Augen zustoppen. Die Präzision der Sakkaden istsehr hoch. Sie erreichen die angestrebteAugenposition mit einer Genauigkeitvon (± 1°. Auslöser einer Sakkade ist dieDiskrepanz zwischen dem Netzhautortdes neuen Fixationsobjektes und der Fo-vea. Es bedarf rund 70 ms, bis die visuel-le Information über die Sehbahn und dieverschiedenen beteiligten Areale der

Großhirnrinde zu den okulomotori-schen Zentren des Stammhirns weiter-geleitet worden sind. Während dieserZeitspanne kann die Sakkade durch wei-tere visuelle Informationen modifiziertwerden. Nachdem die Sakkade aus-gelöst worden ist, ist keine weitere Ein-flussnahme auf den Bewegungsablaufmöglich.

Bei einer Sakkade müssen die Augen-muskeln verschiedene Kräfte überwin-den. Zunächst muss die visköse Rei-bung der orbitalen Gewebe überwun-den werden, um das Auge auf großeWinkelgeschwindigkeiten zu beschleu-nigen. Nachdem das Auge seine endgül-tige Position erreicht hat, müssen dieelastischen Zugkräfte des Orbitagewe-bes neutralisiert werden, damit das Au-ge in der neuen Position verharrenkann.

Eine Sakkade setzt sich aus zwei In-nervationsphasen zusammen. Die In-nervationsänderung der Augenmus-keln während der ersten schnellen Pha-se der Sakkade wird als Puls bezeichnet.

Es werden alle Muskelfasern des Ago-nisten aktiviert, während die Muskelfa-sern des Antagonisten gehemmt wer-den. Der Puls dient der Überwindungder viskoelastischen Kräfte. Nach demPuls stellt sich eine Innervation ein, beider der Agonist stärker und der Antago-nist weniger stark als vor der Sakkade in-nerviert wird. Diese Innervationsände-rung wird als Stufe bezeichnet.

Das Innervationsschema des Pulsesgeht für horizontale Sakkaden von der

Abb. 17: Elektrische Aktivität bei einer Sakkade. DieSakkade beginnt mit einem ca. 125 ms währendenAnstieg der elektrischen Aktivität des Muskels (Puls).Hieran schließt sich die Stufe an. Diese stellt den In-nervationsunterschied des Muskels zwischen Aus-gangs- und Endposition dar.

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paramedianen pontinen Formatio reti-kularis des Hirnstammes aus. Der Pulsvertikaler Sakkaden wird vom rostraleninterstitiellen Kern des medialen Längs-bündels im Mittelhirn ausgelöst. Schrä-ge Sakkaden werden vom medialen un-teren Anteil der paramedianen ponti-nen Formatio retikularis, der die vertika-len und horizontalen Sakkaden koordi-niert, ausgelöst. Die neue Position desAuges am Ende einer Sakkade wird vonNeuronen der paramedianen pontinenFormatio retikularis kontrolliert. Wei-terhin sind andere als Integrator tätigeKernbereiche innerhalb der Brücke(Nucleus praepositus hypoglossi) unddes Mittelhirns (Nucleus interstitialisCajal) an der Ausbildung des Innervati-onsschemas der Stufe beteiligt. Der Pulswird von diesen Integrationszentren ineine Stufe überführt.

Puls und Stufe müssen exakt aufei-nander abgestimmt sein, damit das Augedie neue Position präzise erreichenkann und dort so lange verweilt, bis es zueiner neuen Sakkade kommt. Ist derPuls zu groß, so schießen die Augenüber das Ziel hinaus, und müssen erstdurch eine Driftbewegung zurück be-wegt werden, um das eigentliche Ziel zuerreichen. Ist der Puls zu klein, so er-reicht das Auge sein Ziel nicht und musserst durch eine weitere Driftbewegungsein Ziel erreichen. Die gegenseitige Ab-stimmung von Puls und Stufe erfolgtdurch das Kleinhirn.

6.5 Folgebewegungen

Folgebewegungen dienen der Abbil-dung eines bewegten Objektes inner-halb der Fovea. Der Stimulus der Folge-bewegung ist die Bewegung des Bildesim Bereich der Fovea. Nach einer Latenz-zeit von rund 130 ms setzt die Folgebe-wegung ein. Die neuronale Steuerungder Folgebewegungen ist bisher nur an-satzweise geklärt.

6.6 Vergenzbewegungen

Ziel der Vergenzbewegungen ist es, dieAugen so auszurichten, dass das Fixati-onsobjekt auf korrespondierende Netz-hautstellen beider Augen abgebildetwird. Vergenzbewegungen könnendurch verschiedene Ursachen ausgelöstwerden. Die akkommodative Vergenzwird durch Annähern oder Entfernendes Objektes vom Auge ausgelöst. Diefusionale Vergenz hat ihre Ursache inder Abbildung des Fixationsobjektes aufdisparate Netzhautstellen. Durch die fu-sionale Vergenzbewegung wird das Ob-jekt auf korrespondierende Netzhaut-stellen abgebildet. Die fusionale Ver-genz hat eine Latenzzeit von rund 20 ms,während die Latenzzeit der akkommo-dativen Vergenzbewegungen mit rund200 ms zehnmal länger ist.

Ebenso wie bei den Sakkaden lassensich bei Vergenzbewegungen Puls undStufe unterscheiden. Der Puls, der mit

einer schnellen Veränderung der toni-schen Innervation einhergeht, dientzunächst der Überwindung der visko-elastischen Widerstände innerhalb derOrbita und der Beschleunigung des Au-ges. Der Musculus rectus medialis er-fährt bei der Konvergenz eine erhöhteInnervation, während sein Antagonist,der Musculus rectus lateralis, eine Hem-mung erfährt. Die Stufe gewährleistetschließlich, dass die neue Vergenzstel-lung aufrecht erhalten bleibt. Eine Ver-genzbewegung tritt in der Regel nichtisoliert auf, sondern ist meistens mit ei-ner Sakkade verbunden. Eine isoliertablaufende Vergenzbewegung ist einelangsame Augenbewegung, währendsie in Verbindung mit einer Sakkadesehr schnell ablaufen kann.

Verschiedene Neurone sind in derSehrinde nachgewiesen worden, die aufjeweils spezifische Querdisparationenreagieren. Exzitatorische Neurone, dieauf Querdisparationen von bis zu maxi-mal drei Winkelminuten reagieren, wer-den als T0-Neurone (Tuned Zero-Neuro-ne) bezeichnet. Neurone, die auf Quer-disparationen von 3 bis 30 Winkelminu-ten mit einer Steigerung ihrer Aktivitätreagieren, sind die TF-Neurone (TunedFar-Neurone) bzw. die TN-Neurone (Tu-ned Near-Neurone). TF-Neurone reagie-ren auf ungekreuzte und TN-Neuronereagieren auf gekreuzte Querdisparatio-nen. TI-Neurone (Tuned Inhibited-Neu-rone) reagieren hingegen auf Quer-disparationen von weniger als sechsWinkelsekunden mit einer Suppres-sion. Bei größeren Querdisparationenzeigen diese Zellen eine erhöhte Akti-vität. NE-Neurone (Near-Neurone) wer-den binokular durch Objekte, die vordem Fixationspunkt liegen, erregt undvon Reizen, die hinter dem Fixations-punkt liegen, gehemmt. FA-Neurone(Far-Neurone) werden von Reizen, diehinter dem Fixationspunkt liegen, er-regt und von davor liegenden Objektengehemmt.

Das visuelle System steuert die Ver-genzbewegungen so, dass ein Maxi-mum an binokularen Neuronen in derSehrinde aktiviert wird. Dies ist auf-grund der statistischen Verteilung derbinokularen Neurone dann der Fall,

Abb. 18: Steuerung von Sakkaden. A: Horizontale Sakkade. Horizontale Sakkaden werden vom Frontallappender gegenüber liegenden Hirnhälfte ausgelöst. Eine schnelle Augenbewegung nach links hat ihren Ursprung imrechten Frontallappen und dem rechten Colliculus superior (CS). Von hier erreicht das Signal zur Auslösungeiner Sakkade die paramediane retikuläre Formation (PPRF) der linken Hirnhälfte. Von der PPRF gehen dieSignale für die Augenbewegungen an die Kerne des N. abducens und N. oculomotorius. B: Vertikale Sakkaden.Diese Sakkaden werden von den Frontallappen und Colliculi superiores (CS) beider Hirnhälften ausgelöst. Dieentsprechenden Signale erreichen den rostralen interstitiellen Kern des medialen longitudinalen Fasciculus(riMLF) des Mittelhirns. Von hier gehen die Signale zu den Kernen des N. trochlearis und N. oculomotorius.

wenn Neurone aktiviert werden, die aufverschwindende oder sehr geringeQuerdisparationen ansprechen.1

6.7 Mikrobewegungen

Auch bei der Fixation eines Objektes istdas Auge nicht vollkommen in Ruhe; esführt verschiedene Mikrobewegungendurch. Driftbewegungen sind langsameMikrobewegungen mit einer Amplitudevon 2,5 Winkelminuten und einer Win-kelgeschwindigkeit von bis zu 8 Winkel-minuten pro Sekunde. Mikrosakkadenerfolgen mit einer Amplitude von ma-ximal 50 Winkelminuten. Die Winkel-geschwindigkeit der Mikrosakkadennimmt linear mit deren Amplitude zu.Bei einer Amplitude von 50 Winkelmi-nuten beträgt die Winkelgeschwindig-keit ungefähr 8 Grad pro Sekunde.

Driftbewegungen und Mikrosakka-den sind zufällige Schwankungen desVergenzzentrums. Sie sind für die dau-erhafte Fixation eines Objektes unab-dingbare Voraussetzung. Diese Mikro-bewegungen verhindern die Lokaladap-tation. Wird ein Objekt dauerhaft auf einund denselben Netzhautort abgebildet,so verschwindet nach wenigen Sekun-den dieses Bild aus der Wahrnehmung.Da durch die Mikrobewegungen das Ob-jekt ständig auf verschiedene Rezepto-ren innerhalb der Fovea abgebildet wird,

stellt sich keine Lokaladaptation ein.Während der Fixation sind Mikrosak-kaden und langsame Driftbewegungender Augen nicht exakt konjugiert. Diesführt bei der Fixation zu ständig verän-derlichen horizontalen und vertikalenVergenzfehlern. Ebenso kann eine un-genaue Kompensation von Kopf undKörperbewegungen durch die äußerenAugenmuskeln zu Disparationen derNetzhautbilder beider Augen führen.Diese Vergenzfehler wirken sich so lan-ge nicht störend auf das Sehen aus, wiedie Objekte in beiden Augen innerhalbder Panum-Bereiche abgebildet werden.

Als dritte Mikrobewegung existiertder Mikrotremor. Diese Mikrobewe-gung tritt mit einer Amplitude von ma-ximal einer Winkelminute und einerFrequenz von bis zu 10 Winkelminutenpro Sekunde auf. Die Frequenz des Mi-krotremors beträgt bis zu 30 Hz. Der Mi-krotremor ist die Folge der spontanen

Aktivitäten der Augenmuskeln. Er stelltein Rauschen der Muskeln dar, das aberauf das Sehen keine nachteiligen Aus-wirkungen hat.

F A C H B E I T R A G

27 Optometrie 1/2000

Abb. 19: Nachbildmethode zur Veranschaulichungvon Mikrobewegungen. Zunächst wird der hellePunkt 15 Sekunden lang monokular fixiert. An-schließend wird der schwarze Punkt fixiert. Die Fluk-tuationen des Nachbildes des Gitters sind auf dieMikrobewegungen des Auges zurückzuführen.

1 Neurone der Sehrinde, die der Informations-verarbeitung eines Netzhautortes dienen, kön-nen zu Modulen zusammengefasst werden.Diese Module bilden funktionelle Einheiteninnerhalb der Sehrinde. Das Referenzauge pro-jiziert in die Sehrinde auf eine Gruppe vonNeuronen. Auf diese Gruppe binokularer Neu-rone ist vom Partnerauge nicht nur der korres-pondierende Netzhautort geschaltet, vielmehrist ein größeres Netzhautareal, das demPanum-Bereich um den korrespondierendenNetzhautort herum entspricht, auf die gleicheGruppe binokularer Neurone geschaltet. Diebinokularen Neurone dieser Gruppe sind ent-sprechend der Querdisparationen, auf die siespezifisch reagieren, gaußverteilt. Das Maxi-mum der Verteilungskurve ist für die Neurone,die auf exakt korrespondierende Netzhautort,also auf verschwindende Querdisparationenansprechen, gegeben. Dem Maximum der Ver-teilung ist im Außenraum der Horopter zuge-ordnet. Mit zunehmender Querdisparationnimmt die Zahl der entsprechend sensitivenbinokularen Neurone ab.