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Mai 2011 Extraausgabe Kreuzigungsgruppe Auferstehungskirche Rottach-Egern Evang.-Luth. Kirchengemeinde Tegernsee Rottach-Egern Kreuth Gemeindebrief

Auferstehungskirche Rottach-Egern, Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern

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Auferstehungskirche Rottach-Egern, Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern

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Mai 2011

ExtraausgabeKreuzigungsgruppeAuferstehungskirche Rottach-Egern

Evang.-Luth. KirchengemeindeTegernseeRottach-EgernKreuth

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KreuzigungsgruppeAuferstehungskirche Rottach-Egern

Evang.-Luth. Kirchengemeinde

Tegernsee

Rottach-Egern

Kreuth

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„Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten … er ist nicht hier.“

Mit diesen Worten am leeren Grab beginnt in Markus 16,6 das bis heute andauernde „Skandalon des Kreuzes“. Gott wirkt nicht so, wir wir es erwarten, Gott hält sich nicht an unsere Regeln, Gott ist immer wieder neu, immer wieder anders. Immer wieder ver- oder zerstört er unsere gewohnten Bilder und Blickwinkel, mit denen wir uns in unserem Leben einzurichten suchen.

Das Volk war über die Lehre Jesu entsetzt (z.B. Mt.7,28), über seine Wunder (z.B. Mt.12,23), über seine Macht (z.B. Mk.6,51), 28x taucht das Wort Entsetzen in den Evangelien auf. Was unsere Bibel damit zum Ausdruck bringt, ist, dass die Begegnung mit diesem Gott den ganzen Menschen in Bewegung setzt, dass er alles hinterfragt, dass es nicht um eine intellektuelle Spielerei geht, sondern um „alles oder nichts“. Entsetzen und sich dann Neuorientieren – ein wesentliches Merkmal unseres Glaubens.

Die Kunstgeschichte hat diese Bewegung aus unserer Heiligen Schrift über Jahrhun-derte hinweg nachvollzogen. Alle Darstellungen, die wir vom Gekreuzigten kennen, waren in ihrer Zeit immer überfordernd – blutüberströmte Kreuzigungsszenen des Barock sind nur ein Beispiel.Das verstörende, aufrüttelnde Moment in der Kunst wird vor allem seit dem letzten Jahr-hundert sichtbar. Angesichts der dauernden Schrecken ist für viele Künstlerinnen und Künstler eine realistische Darstellung kaum mehr möglich. Eine Annäherung gelingt nur noch über die Reduzierung auf Formen und Symbole.

Das Kreuz ist kein Schmuckstück, sondern Symbol eines grauenhaften Todes, aus dem unser Gott dennoch in der Lage ist, neues Leben zu schaffen. Welch größere, ergreifen-dere Kraft, kann es geben.

Als wir uns als Kirchengemeinde vor über 6 Jahren auf den Weg gemacht haben, die ursprünglich geplante aber nie verwirklichte Kreuzigungsgruppe über dem Hauptportal unserer Auferstehungskirche zu realisieren, war der Strudel, in den uns diese Aufgabe ziehen würde, nicht abzusehen. Fassungslosigkeit und Überforderung waren unsere Begleiter. Wir standen vor Modellen und Entwürfen, die uns in Form und Inhalt an-

strengten, die wir emotional und intellektuell nicht begreifen konnten, die uns nicht berührten, oder zu sehr, die wir uns nicht an unserer Kirche vorstellen konnten.

Denn das ergab sich als Verpflichtung: Eine historisierende Darstellung der Kreuzigungs-gruppe konnte es nicht sein. Die Verwirklichung des Architektenplans unserer Kirche mit einem vorhandenen Entwurf aus den 50er Jahren hätte jede Weiterentwicklung ge-leugnet. Die Kirche von O.A. Gulbransson war schon zur damaligen Zeit eine Revolution. Dem Geist der Kirche als aufrüttelndes, theologisches Bauwerk wird nur eine zeitgemäße Darstellung gerecht. Es kann nur wie damals sein: An den Grenzen des Machbaren, mit echter Tiefe, mit großem Ernst und ohne die bestehende Architektur der Kirche zu gefährden.

Wir sind einen weiten Weg gegangen und laden Sie nun ein, diesen Weg nachzu-verfolgen. Um der Bedeutung unseres Vorhabens gerecht zu werden und allen die Möglichkeit zu geben, sich neu vom Kreuz Christi berühren und ansprechen zu lassen, haben wir diese Extraausgabe des Gemeindesbriefes gestaltet.Wir laden Sie ein zu einem Dialog über Form und Inhalt. Wir freuen uns auf das Gespräch mit Ihnen.

Vor dem guten Beginn aber auch noch ein Wort zur Frage nach der Finanzierung: Es wird kein Geld verwendet, das für die Sanierung unserer Kirchen bestimmt ist. Zu un-serer großen Freude übernimmt die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee gemeinsam mit unserer Landeskirche und einem privaten Sponsor die Kosten für das Kunstwerk. Dafür danken wir sehr herzlich!

Für den Kirchenvorstand der Kirchengemeinde Tegernsee, Rottach-Egern und Kreuth,

Pfarrer Dr. Martin Weber

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Kreuzigungsgruppe über dem Portal

der Auferstehungskirche in Rottach-Egern

Vor 7 Jahren entdeckten wir bei den Vorarbeiten für unsere Festschrift zum 50igsten Kirchweihjubiläum am 5.7.2005 bei den Plänen von Olaf Andreas Gulbransson eine Kreuzigungsgruppe, eingezeichnet über dem Portal der Auferstehungskirche. Die Konsolen für das geplante Triptychon von Christus mit Maria und Johannes unter dem Kreuz wurden bereits eingemauert und sind leer geblieben.

Der Wunsch des Erbauers ließ sich wohl aus finanziellen Gründen nicht erfüllen: Unter dem Kreuz sollte der Besucher in die Kirche treten und vom Licht durchfluteten hohen Glasfenster des Auferstandenen empfangen werden, dem berühmten Werk von Josef Oberberger. Wir wollten diese Konzeption von O.A.G. nachvollziehen und damit für unsere Kirche die ikonographische Bedeutung vollenden, die im Gesamtkunstwerk Auferstehungskirche ablesbar und bestimmend ist.

Ein langer Weg lag vor uns: Ein aufgefundenes Modell samt Skizzen von Bildhauer Helmut Ammann schien die Lösung; die künstlerische Zusammenarbeit von Gulbransson und Ammann ist bekannt, das Modell lässt sich ohne Veränderung auf die vorhandenen Konsolen projizieren – die Fotomontage schien überzeugend. Wir hatten mehrfach darüber berichtet und informiert. Bei der weiteren Planung wurde klar, dass die Aus-

führung nur mit einem erfahrenen Künstler möglich sein würde. Unumgänglich würde die Skulptur damit von der Handschrift dieses Künstlers mitgeprägt und damit eine Verfremdung der Konzeption von Ammann bedeuten.

Mit dieser Erkenntnis beschlossen wir, ein Modell für das Triptychon von einem kompetenten Künstler unserer Zeit erstellen zu lassen und beauftragten dazu Leonard Lorenz – er hat Ammann noch persönlich gekannt, mit ihm ausgestellt und Ammann

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schätzte den jungen Kollegen hoch. Von verschiedenen Entwürfen und Modellen zeigen wir eines aus der engeren Wahl: Dieses Modell lässt im Gegensatz zu der Darstellung von Helmut Ammann den Christus schon als Überwinder des Kreuzes ahnen und Maria und Johannes aus ihrer Kreuzesnot befreien.

Die Einbeziehung der Landeskriche in diesem Stadium ergab, dass die denkmalge-schützte Auferstehungskirche eines der berühmtesten Bauwerke ihrer Zeit ist mit maßgeblich überregionaler Bedeutung. Folglich muss für den Plan ein Wettbewerb verschiedener Künstler ausgeschrieben werden.In diese Planungsphase brach die Katastrophe unaufschiebbarer Groß – Sanierungs – Maßnahmen für unsere Kirche und die Notwendigkeit ihrer Schließung bis diese aus-geführt sind. Seither mussten alle Kräfte für die Möglichkeit der Finanzierung dieser Baumaßnahmen eingesetzt werden. Unser neu gegründeter Kirchbauverein ist dafür eine wesentliche Hilfe.

Dank einer zweckgebundenen Spende für die Planung unserer Kreuzungsgruppe – 2008 – und maßgeblicher Beteiligung der Landeskirche war es dann noch möglich, die erfor-derlichen Kosten für den Wettbewerb von fünf eingeladenen Künstlern aufzubringen.

Es waren:o Meide Büdel, Nürnbergo Thomas Leu, Halleo Christian Rösner, Nürnbergo Egon Stöckle, Hohenfurcho Robert Weber, Grafing

Die Ausschreibung des Wettbewerbes an die namhaften Künstler erfolgte im Dezem-ber 2009. Die Formulierung des Wettbewerbsauftrages machte klar, wohin der Weg führen sollte: „Es werden keine Kopien historischer Kreuzigungsgruppen gewollt. Es ist Aufgabe der Künstler, den Kreuzestod Christi an dieser Stelle (Ortsbezug) in heute gültiger zeitgenössischer Formensprache zu gestalten. Auf die Integration in das historische Gesamtkunstwerk Auferstehungskirche einschließlich Ikonographie, Umgebung, Friedhof, ist zu achten. Es muss eine Stimmigkeit mit der Architekturerzielt werden. Der Charakter der Kirche muss in der neuen Gestaltungsweise getrof-fen werden… Die Konsolen sind eine architektonische Vorgabe bzw. ein Angebot. Es muss aber kein unmittelbarer Bezug erfolgen…Aufgabe ist, den Kreuzestod Christi heute darzustellen, zu interpretieren, in künstlerisch freier Weise an dieses Thema heranzugehen und dennoch den Charakter der Kirche nicht zu verändern.“

Der Abgabetermin für die Arbeiten (anonym, unter Nummer) war 7. Juni 2010, die Sitzung des Preisgerichtes am 9. Juni 2010.

Teilnehmer der Jurysitzung waren:Fachpreisrichtero KR Helmut Braun, München (LandesKirche-Kunst Referat)o Prof. Werner Knaupp, Nürnbergo Stefan Lautner, München (LKBR, ständig anwesender Stellvertreter)o Prof. Dr. Peter Poscharsky, Nürnbergo Prof. Dr. Klaus Raschzok, Ansbach

o Frau Barbara Bourjau, Kirchengemeindeo Herr Claus Cnyrim, Kirchengemeinde, ständig anwesender Stellvertretero Frau Dr. Ingrid Strauß, Kirchengemeindeo Pfarrer Dr. Martin Weber, Kirchengemeinde

Als Vorsitzender der Fachjury wurde einstimmig Prof. Werner Knaupp gewählt. In einer über 5stündigen Sitzung erlebten wir, dass Begegnung und Auseinandersetzung mit den Kunstwerken unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten veränderten: 4 Darstellungen

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des Gekreuzigten mit Maria und Johannes konnten uns nicht überzeugen – sie kreis-ten noch um das Christusbild des historischen Geschehens. Einstimmig wurde dem Entwurf 347582 – Meide Büdel – der erste Rang zugeordnet. Dieser Entwurf trifft eine Christusbewusstheit des 21. Jahrhunderts und verwirklicht diese ohne Bruch mit der christlich-geistig-architektonischen Sprache des sakralen Bauwerkes. Der künstlerische Gestaltungsprozess des Entwurfes erschließt eine neue Dimension der Wahrnehmung, fordert eine Bewusstmachung christlicher Transparenz und induziert kreative Schau. Ihr Entwurf wurde in einer Klausurtagung vom Kirchenvorstand ebenfalls einstimmig bei einer Enthaltung angenommen.

Entwurf 347852 – Erläuterung von Meide Büdel

„Eine Kreuzigungsgruppe ist für mich in erster Linie die Darstellung Jesu Christi in seiner Bereitschaft, das Leid und jede Qual der Menschen auf sich zu nehmen – in seinem Kampf mit dem Tod und der Einsamkeit in demselben.

Alles andere tritt durch diesen konzentrierten Moment in den Hintergrund. Aus diesem Grund möchte ich auch die beiden seitlich stehenden Figuren nicht bildhaft gestalten oder gar personifizieren.

Johannes und Maria sind meiner Ansicht nach symbolisch für den trauernden Menschen an und für sich. Deshalb möchte ich auch in meinem Entwurf die Möglichkeit schaffen, in diesen Positionen den Menschen als solchen sehen zu können.

Der konzentrierte Mittelpunkt meines Entwurfs ist eine sich öffnende Form aus Eiche oder Lärche. Sie teilt sich in zwei kubische Blöcke, die mit Feuer geschwärzt sind. Der Körper wird durch zwei starke Riemen aus Gummi festgehalten und damit quasi in die Kirchenwand hineingedrückt.Die Riemen sind mit vier Sechskantschrauben in der Wand verankert (der Holzkörper wird ebenfalls in der Wand verschraubt).

Alle anderen „Informationen“ treten dagegen wie gesagt in den Hintergrund. Das Kreuz ist nur durch eine schmale weiße Linie in der Wand skizziert, es durchdringt am Fußende, bedingt durch die Wandneigung, die Fassade und tritt oberhalb der kubischen Form aus derselben wieder heraus.

Das Gleiche gilt für die beiden Sockel (und den unterhalb der Kreuzlinie), auf denen üblicherweise Johannes und Maria stehen. Nur durch schmale Linien wird angedeutet, dass hier der trauernde Mensch sein könnte.

Alle Linien sind schmale, mattweiß lackierte und bündig in die Wand eingesetzte Metallbänder.

Die vorhandenen Sockel müssten entfernt werden.

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Entwurf 347852Meide Büdel – Würdigung KR Helmut Braun

„Das Kreuz wird im Entwurf durch eine schmale vertikale Linie als Einschnitt in die Wand dargestellt. Aufgrund der Wandneigung tritt der obere Teil des Balkens aus der Fassade heraus. Der konzentrierte Mittelpunkt ist eine aufbrechende Holzform, die durch zwei Riemen aus Gummi und vier Schrauben gehalten ist. Die Standorte von Maria und Johannes werden nur durch bündig eingesetzte Metallbänder angedeutet.

Die Arbeit wirkt aktiv in den Organismus „Gesamtkunstwerk Auferstehungskirche“ hinein. Sie verschmilzt formal und inhaltlich mit dem Vorhandenen. Der Entwurf stellt eine Konzentration auf die Kreuzigung und auf den Todesmoment Christi dar. Eine große Dramatik entsteht in der Unterbrechung der feinen, sehr subtil ausgebildeten Ver-tikale durch den aufgesprengten und angesengten Holzblock, der für den absoluten Nullpunkt steht. Die Idee, mit der Neigung der Fassade zu spielen, oberhalb der „Todeszone“ eine kleine Vertikale noch mal aus der Fassade auftauchen zu lassen, ist bestechend. Dies kann auch als Hinweis auf die Auferstehungsthematik im Inneren der Kirche gelesen werden. Dass die Plätze von Maria und Johannes frei bleiben, ist die Konsequenz der ikonographischen Bildsprache und entspricht dem Duktus der Arbeit: ein Angebot an den Betrachter, sich aktiv mit der Arbeit und dem Thema auseinan-derzusetzen. Insgesamt ist die Arbeit gut lesbar und komplex deutbar. So steht sie der Denkweise von Joseph Beuys und der Gestaltungskraft der Arte Povera nahe.

Der Entwurf bringt in seiner klar formulierten Gestaltung den Aspekt einer neuen „Zeitschicht“ in den Kontext des Kirchengebäudes hinein. Der Entwurf zeigt eine Ausein-andersetzung mit dem Bestand in einer Weise, die keine Konkurrenzsituation entstehen lässt, sondern eine Einfügung erreicht. Die Arbeit hat wegen ihrer Abwendung von traditioneller Ikonographie, ihrer Transformation in neu gefundene Bildelemente und ihrer konzentrierten Zurückhaltung in der Darstellung das Potential, nicht nur künftig auf Dauer den vorhandenen Kirchenbau mitzuprägen, sondern ein wichtiger Beitrag zum Christusbild des 21. Jahrhunderts zu sein.“

Zur Biographievon Meide Büdel

Meide Büdel wurde 1961 in Bad Mergentheim geboren. Sie besuchte die Fachschule für Holzbildhauer in Oberammergau (1979 – 1982) und studierte Bildhauerei an der Akademie für Bildende Künste Nürnberg (1982 – 1988); dies bestimmte ihre Material-bezogenheit zwischen Holz und Metall. Vielfache Aufträge, Ausstellungen, Lehrtätig-keiten, Veröffentlichungen und Auszeichnungen kennzeichnen ihren Schaffensweg. Sie ist freischaffende Künstlerin und lebt in Nürnberg.

Große und Lebensraum gestaltende Arbeiten im öffentlichen Raum zeigen ihre unver-kennbare Handschrift: Monumentale Kraft – immer bereit, in dynamischer Bewegung wahrgenommen zu werden – eindringlich klare Formensprache und ein geistig spiritueller Grund verkörpern ihre Werke. Ihre schöpferische Dialogfähigkeit mit dem Gegebenen ließ ihre Kunst auch im sakralen Bereich wirken, ihn gewichten und neu orientieren. Am großen Thema „Kunst und Kirche“ – heute – gestaltet sie prägend mit. 2008 wurde sie mit dem Kunstpreis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern aus-gezeichnet.

Ihr Werk ist nicht leicht zu ermessen, Gefälligkeit kennt es nicht, die Künstlerin geht ihren Weg, „…der nicht immer ungeteilte Zustimmung erfahren muss, sondern im besten Falle diskutiert ist und dann akzeptiert wird…“ So schreibt Bernd Goldmann, Direktor des Internationalen Künstlerhauses „Villa Concordia“ Bamberg zu ihren Arbeiten anlässlich der Verleihung des Kunstpreises 2008. Das Wahrnehmen ihrer Kunst bewirkt unmerklich eine Veränderung des Betrachters.

Meide Büdel zitiert im Vorwort zu ihrem Katalog „Objekte und Installationen“ Albert Camus mit den Worten: „Im übrigen ist nichts schwerer zu begreifen als ein symbolisches Kunstwerk. Ein Symbol wächst über den, der es gebraucht, stets hinaus und lässt ihn tatsächlich mehr ausdrücken.“ Dies dürfte auch als Schlüsselerlebnis stehen für unsere Entscheidung zur Gestaltung der Auferstehungskirche.

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Das Kreuz im Wandel der Zeit

Für die Akzeptanz der Gestaltung von Meide Büdel ist es hilfreich, sich die Veränderung des Gottesbildes der Christen und damit den Wandel der Kreuzesdarstellungen in der Zeit vor Augen zu halten.

Annähernd 1000 Jahre war das Kreuz ein mit Juwelen – Edelsteinen und Perlen – ge-schmücktes Kreuz in feinster Filigran-Goldarbeit. Die Vierung als Zentrum wurde dem Haupt Christi zugeordnet und wurde am kostbarsten gestaltet, sie wurde als Kompass– Rose zur Wahrnehmung des Lebensweges verstanden. Erst gegen Ende des 1. Jahrtau-sends wurde diese kosmische Kreuzgestaltung mit einer Darstellung des Gekreuzigten verbunden, teils noch als eher schemenhaftes Zeichen. Den plastischen Korpus Christi am Kreuz erschafft die Romanik. Das berühmte Kreuz der HeiligKreuzkirche in Schaftlach gehört zu den frühesten Darstellungen: es wurde im Zuge seiner Restaurierung als ottonisches Kreuz um 1000 bis 1020 entstanden datiert. Das Gesicht mit weit geöffneten Augen strahlt Hoheit und Lebendigkeit aus, der Körper ist unversehrt, die Arme segnend, das Lendentuch kostbar geschnitzt und bunt gefasst, der Korpus ursprünglich vor einem farbigen Kreuzbalken postiert – das Bild des siegreichen, gekrönten Christus.

Die Gotik erlebte den Gekreuzigten als den zu Tode gemarterten Menschen am Kreuz – Cruzi fixus – und verwirklichte ihr gewandeltes Gottesbild. Es ist beeindruckend, dies am Schaftlacher Kreuz ablesen zu können; diese Epoche hat „ihren Christus“ einfach über den Christus der Vorzeit gemalt: Leid und Tod wurden anstelle des Sieges dargestellt, die Augen geschlossen, gebrochen; Blutspuren über Gesicht und Hals von einer Dornen-krone, die blutende Wunde über der Brust, Blutspuren an den Knien, das ursprünglich kostbare farbige Lendentuch weiß übermalt, anstelle des farbigen Kreuzbalkens ein grobes dunkles Bretterkreuz. Im Wandel der Zeit war ein neues Christusbild entstanden und forderte eine neue Kreuzdarstellung.

Die Barockzeit verdeutlichte diesen Wandel nach ihrem Stil – jede weitere Kulturepoche suchte ihre Schau zu verwirklichen.

Gemmenkreuz, Reichskreuz aus dem 11. Jahrh. Lotharkreuz, ca. 990 n. Chr., Gravur des Gekreuzigten Schaftlacher Kreuz, Ottonisches Kruzifix, Ende 10. Jahrh. – vor und nach der Restaurierung

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Auch die Lebensphasen des Künstlers spiegeln sich in seinem Werk – werfen wir nur ei-nen kurzen Blick auf Kreuzesdarstellungen von Helmut Ammann seit der Zeit der Erbau-ung unserer Auferstehungskirche 1955 bis zur Jahrtausendwende. In seinem Tagebuch schreibt er 1966 zu „Betrachtungen über Voraussetzungen zeitgenössischer Kunst…Von Generation zu Generation muss die Welt neu gesehen, neu aufgefasst, neu benannt wer-den…“ Seine Kreuzesdarstellungen machten immer den Wandel der Zeit mit.

Der 3 Generationen ältere Helmut Ammann suchte bereits Zeichen für Theologie und Glauben. „Spalte das Holz und ich bin dort“ – so ein apokryphes Wort Christi. Für dieses Wort schuf der Künstler in einer Holzplastik (1980) ein Signet: Ein schwarz getönter Lindenholzblock, aufgebrochen zum Kern im hellen Holz.. Zu dem Wort Christi schreibt er „…Also, es ist nichts zu tun als aufzutun…“ (Biografie S. 139, Helmut Amman, Bildhauer – Maler –

Grafiker, Biografie Callwey Verlag 1997)

1. Kreuzigungsgruppe St. Stephan Würzburg 2. Mahnmal zum Kriegergedenken

auf dem Friedhof in Pöcking (1983)

3. Granitkreuz (1985)

4. Letzte

Bronzeplastik:

das Kreuz, die

aufgebrochene,

verwundete Erde

aufnehmend

und bergend im

christlichen Symbol.

5. Holzplastik,

Helmut Ammann,

1980

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Meide Büdel gestaltet den Mittelpunkt ihres Entwurfes als „…sich öffnende Form aus Eiche oder Lärche“; diese Form spaltet „sich in zwei kubische Blöcke, die mit Feuer geschwärzt sind.“ Diesen „Corpus“ fesselt sie – bindet ihn – mit zwei starken Riemen und vier Sechskantschrauben an die Kirchenwand. Welche Aussage!

Wenn wir heute nach einer Kreuzesdarstellung suchen, dann müssten wir erkennen: Frühchristliche juwelengeschmückte kosmische Kreuze können nicht gemeint sein, auch ein sieghafter romanischer Kruzifixus ist nicht möglich; ein schmerzgequält – ge-storbener gotischer Kruzifixus soll es nicht sein; ein barocker überemotional leidender Kruzifixus kann es auch nicht sein; ebenso kein fast zur Unkenntlichkeit Zerstörung verkörpernder Kruzifxus des 20. Jahrhunderts. Jede Zeit nimmt die Gestaltung gemäß ihrer Innenschau vor. Ein Weg zurück ist nicht möglich. Das bedeutet nicht Verlust von Tradition sondern Tradition im Sinne von Max Frisch verstanden: „…sich an die Aufgaben seiner Zeit wagen mit dem gleichen Mut, wie die Vorfahren ihn gegenüber ihrer Zeit hatten. Alles andere ist Imitation…“

Unsere Zeit sucht nach Zeichen, Symbolen und Übersetzungen der Botschaft des Kreuzes, sucht nach Gestaltungsmitteln freier Form – versucht zu entkörperlichen, um zum Geist vorzudringen.

Meide Büdel zeigt in ihrem Werk einen Weg, abseits der traditionellen Ikonographie: Anstelle einer Verkörperlichung setzt sie ein Zeichen, sie erschließt eine neue Dimension der Wahrnehmung, fordert Bewusstmachung christlicher Transparenz, induziert kreative Schau und trifft damit eine Christusbewusstheit des 21. Jahrhunderts. Dabei fügt sich ihre Darstellung ohne Bruch und ohne Verletzung harmonisch in das architektonisch -ikonographische Kunstwerk Auferstehungskirche. Sie hat die christliche Botschaft in ein Signum transzendiert mit Schau und Werksprache des 21. Jahrhunderts. Ihr Entwurf machte uns sprachlos – er ist in seiner Gestaltung so kühn und fremd wie seiner-zeit das Bauwerk der Auferstehungskirche empfunden wurde und teils auch heute noch

„Gekreuzigter“

Werner Knaupp

N.K.H. Bayreuth, 1977

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empfunden wird.Wir gehen keinen leichtfertigen Weg und natürlich kann es einem Suchenden auch ein ungangbarer Weg sein. Wir wollen Sie auf diesen Weg mitnehmen und laden herzlich ein:

Veranstaltungen

22. Mai 2011 – 11:15 uhr auferstehungskirche in rottach-egernim Anschluss an den Gottesdienst Vorstellung des Modells im Beisein der Künstlerin und des Kunstreferats der Landeskirche für alle Interessierten.

22. Mai 2011 – 18:30 uhrauferstehungskirche in rottach-egernVorstellung des Modells im Beisein der Künstlerin und des Kunstreferats der Landes-kirche für die Mitglieder des Kirchbauvereins und Interessierte.

23. Juli 2011 – 10:00 uhrEinladung zu einer Fahrt ins Atelier der Künstlerin, sowie Besichtigung einiger ihrer Werke im öffentlichen Raum in Nürnberg. Anmeldung bitte im Pfarramt.

27. Oktober 2011 – 19:30 uhrauferstehungskirche in rottach-egern Vortrag zur theologischen (Be-)Deutung vom Kreuz sowie seiner Darstellung in der Moderne. Referentin: Regionalbischöfin Susanne Breit-Kessler, in Anwesenheit der Künstlerin Meide Büdel und dem Ehrenvorsitzenden des Vereins für christliche Kunst und Kirche Prof. Dr. Peter Poscharsky.

31. Oktober 2011 – 17:00 uhr Auferstehungskirche in Rottach-EgernWiedereröffnung der Kirche mit einem ökumenischen Gottesdienst zum Thema „Kreuz“ mit GR Dekan Walter Waldschütz und Pfarrer Dr. Martin Weber.

Herausgeber:Evang.-Luth. Kirchengemeinde Tegernsee

Hochfeldstraße 2783684 Tegernsee

Redaktion und Text: Dr. Ingrid StraußBarbara Bourjau

Dr. Martin Weber

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