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Anti-CD4-Therapie in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis – sind die Würfel schon gefallen?

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G. KeyßerU. AlpermannG.-R. Burmester

Anti-CD4-Therapie in der Behandlungder rheumatoiden Arthritis ±sind die WuÈrfel schon gefallen?

Z Rheumatol 57:320–325 (1998)© Steinkopff Verlag 1998 WORKSHOP „BIOLOGISCHE“ THERAPIEVERFAHREN

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Dr. med. G. Keyßer (✉) · Dr. U. AlpermannProf. Dr. G.-R. BurmesterUniversitatsklinikum ChariteMedizinische Klinik mit SchwerpunktRheumatologie und Klinische ImmunologieMedizinische Fakulta¨tder Humboldt-Universita¨t zu BerlinSchumannstraße 20/21D-10117 Berlin

Anti-CD4-treatmentof rheumatoid arthritis –is the battle already lost?

Zusammenfassung Die Hypothesevon der rheumatoiden Arthritis (RA)als T-Zell-vermittelter Erkrankunghat zur Entwicklung zahlreicherTherapieansa¨tze gefuhrt, welche aufdie Modulation der Funktion akti-vierter T-Zellen gerichtet sind. Andie Behandlung der RA mit Anti-korpern gegen das CD4-Moleku¨lauf T-Zell-Oberfla¨chen haben sichHoffnungen auf einen therapeuti-

schen Durchbruch geknu¨pft. Nachguten Ergebnissen in offenen Stu-dien haben Doppelblindversucheden Nachweis der Wirksamkeit die-ser Therapie jedoch bisher nicht er-bringen konnen. Die Gru¨nde fur die-ses Scheitern sind vielfa¨ltig und be-inhalten neben grundsa¨tzlichenZweifeln an der T-Zell-Hypotheseder RA auch Schwierigkeiten beimStudiendesign und pharmakologi-sche Probleme. Eine endgu¨ltige Be-wertung der Wirksamkeit einer anti-CD4-Therapie wird erst nach Ab-schluß von Studien mit nichtdeple-tierenden anti-CD4-Antiko¨rpernmoglich sein.

Summary The hypothesis of rheu-matoid arthritis (RA) as a T cellmediated disease has led to the de-velopment of numerous therapeuticapproaches that target the functionof T cells. The development ofmonoclonal antibodies against the Tcell surface molecule CD4 has

raised hopes to achieve a majorprogress in the treatment of RA.However, after encouraging resultsin early open studies, double blindtrials were unable to demonstratethe efficacy of anti-CD4-therapy inRA. There are numerous reasons toexplain the failure of this treatmentapproach. Besides the fact that theT cell hypothesis of RA hasrepeatedly been challenged, pharma-cological problems or an inappro-priate selection of outcome criteriahave to be considered. The finalevaluation of anti-CD4 therapyin RA will be possible only afterthe testing of newly developednon-depleting anti-CD4 anti-bodies.

Schlusselworter RheumatoideArthritis – anti-CD4-Antikorper

Key words Rheumatoid arthritis –anti-CD4 antibodies

Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA, Syno-nym: chronische Polyarthritis) mit monoklonalen Anti-korpern gegen das CD4-Moleku¨l auf T-Helferzellen istkennzeichnend fu¨r einen tiefgreifenden Wandel bei derTherapie rheumatischer Erkrankungen: Auch in derVergangenheit wurden bereits Medikamenten auf demBoden einer pathogenetischen Hypothese entwickelt,wie das Sulfasalazin, welches eine antibakterielle undanti-entzu¨ndliche Komponenten in einem Moleku¨l ver-einigt. Durch die Entwicklung monoklonaler Antiko¨rper(mAb) war nun erstmals der Schritt auf die molekulare

Ebene gelungen, ein gezielter Eingriff in immunpatholo-gische Ablaufe bei der RA. Damit konnte die rheumato-logische Grundlagenforschung ihren Stellenwert fu¨r dieErarbeitung therapeutischer Alternativen in der Rheuma-therapie nachdru¨cklich unterstreichen.

Pathogenetischer Hintergrund

Die RA ist eine chronisch progrediente Erkrankung, diezur Zersto¨rung von Gelenkknorpel sowie angrenzenden

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Knochen- und Bindegewebsstrukturen durch eine ent-zundlich veranderte Synovialmembran fu¨hrt. Trotz derprominenten Gelenksymptomatik muß die RA aufgrundgeneralisierter Immunpha¨nomene und der vielfa¨ltigenEinbeziehung parenchymato¨ser Organe als Systemer-krankung angesehen werden.

Die auslosende Ursache der RA ist unbekannt. Bak-terielle oder virale Infektionen als Auslo¨ser der RAwerden seit Jahrzehnten diskutiert (16). Es existierenzahlreiche Parallelen zwischen der RA und chronischenbakteriellen Erkrankungen wie Tuberkulose, Syphilisund Lepra, so die Produktion von Rheumafaktoren unddie Bildung von Granulomen. Es gibt jedoch fu¨r eineubertragbare Ursache der RA oder eine direkte Infekti-on der Synovialmembran keinerlei Belege. Hypothesendaruber, wie Mikroorganismen indirekt zur Chronifizie-rung und Versta¨rkung eines entzu¨ndlichen Gelenkpro-zesses beitragen ko¨nnten, beinhalten die Ablagerungvon Immunkomplexen im Gelenk, die Transformationsynovialer Zellen durch ein Virus (26) oder die Indukti-on von Autoimmunreaktionen durch Mikroben.

Typisch, wenn auch nicht spezifisch fu¨r die RA, istAnwesenheit von lymphozyta¨ren Infiltraten, die u¨ber-wiegend aus CD4-positiven T-Zellen, oft vom Memory-Typ, bestehen (10). Die Infiltrate ko¨nnen bei massiverAuspragung der Synovialmembran das Erscheinungs-bild eines sekunda¨ren lymphatischen Organs geben.Diese Beobachtung fu¨hrte zur Autoimmunhypothese derRA. Es gilt als sicher, daß sekunda¨re Autoimmunpha¨no-mene einen aggravierenden Einfluß auf die RA haben(17). So nimmt die Erkrankung beim Auftreten vonRheumafaktoren – als klassische Autoantiko¨rper – einenschwereren Verlauf. Eine Vielzahl von Autoimmunpha¨-nomenen ist bei RA Patienten beschrieben worden.Autoantikorper – wie Anti-Filaggrin-Antiko¨rper (12) –finden sich signifikant geha¨uft bei RA Patienten. Dasgleiche gilt fur Autoantigene, die von T-Zellen von RA-Patienten spezifisch erkannt werden, wie ein unla¨ngstidentifiziertes 68kD Antigen (2). Normales Knorpelge-webe entha¨lt moglicherweise sequestrierte Antigene, mitdenen das Immunsystem unter physiologischen Bedin-gungen nicht in Kontakt kommt (17). Die Freisetzungdieser Antigene – z.B. durch eine Infektion – oder dieKreuzreaktivita¨t zwischen mikrobiellen und Knorpelan-tigenen konnte eine Autoimmunreaktion auslo¨sen. ImTierexperiment la¨ßt sich eine Arthritis durch Immunisie-rung mit dem knorpelspezifischen Kollagen Typ II in-duzieren (8). Fu¨r die humane RA la¨ßt sich jedoch eineAutoreaktivitat gegenu¨ber Kollagen Typ II nur bei etwa10% der Patienten nachweisen (17). Die Bedeutung an-derer Knorpelbestandteile wie Proteoglycane oder Ag-grecan als Autoantigene bedarf ebenfalls der Kla¨rung.

Unabhangig von der Art des initiierenden Antigensimplizieren sowohl die Infektions- als auch die Autoim-munhypothese eine Beteiligung von CD4-positiven T-Zellen an der Pathogenese der RA. Dafu¨r gibt es auch

ohne definitives Antigen schlu¨ssige Argumente, wie diestarke HLA-assoziation der RA, die Übertragbarkeit ei-ner tierexperimentellen Arthritis durch T-Helferzellenund die Wirksamkeit T-Zell-orientierter Therapien wieCyclosporin A.

Es erschien daher naheliegend, durch die Hemmungvon CD4 als Schlu¨sselmoleku¨l der Antigenpra¨sentationden immunpathologischen Prozeß der Arthritis zu unter-brechen.

Funktion des CD4-MolekuÈls

Makrophagen, dendritische Zellen und andere antigen-prasentierende Zellen sind in der Lage, Mikroorganis-men aufzunehmen, intrazellula¨r zu verdauen und alsAntigenfragmente den T-Zellen zu pra¨sentieren(s. Abb. 1). T-Zellen erkennen ausschließlich Antigene,die an HLA-Molekule antigenpra¨sentierender Zellen ge-bunden sind. Fu¨r die spezifische Bindung des Antigensist der T-Zell-Rezeptor (TZR) verantwortlich. Der TZRist klonal, d.h., jede Zelle produziert nur einen be-stimmten Rezeptor. Funktionell ko¨nnen CD4-positive T-Helferzellen und CD8-positive zytotoxische T-Zellenvoneinander unterschieden werden. Die CD4+ T-Zellenerkennen ihr Antigen in Verbindung mit HLA-Klasse IIMolekulen, wahrend die CD8+ T-Zellen das Antigen inVerbindung mit HLA-Klasse I Moleku¨len erkennen.

Das CD4-Moleku¨l ist ein Oberflachenmoleku¨l von T-Zellen. Als Glycoprotein geho¨rt es der Immunglobulin-Superfamilie an und besitzt ein Molekulargewicht von55 kD. Es besteht aus vier extrazellula¨ren Domanen, ei-nem hydrophoben Abschnitt, mit dem es in der Zell-membran verankert ist, und einem zytoplasmatischenAbschnitt, mit dem es an die Thyrosin-Kinase p56lck

bindet (4). Das CD4-Moleku¨l bindet als Ko-Rezeptorbeim Vorgang der Antigenpra¨sentation an das antigen-beladene HLA-Klasse II-Moleku¨l. Durch die Weiterlei-

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Abb. 1 Die Funktion des CD4-Moleku¨ls bei der Antigenpra¨sentati-on. TZR: T-Zell-Rezeptor, APZ: Antigenpra¨sentierende Zelle, CD28/B7: Co-Stimulatorische Moleku¨le bei der Antigenpra¨sentation, p56lck:Thyrosin-Kinase

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tung des Signals ins Zellinnere lo¨st es die Transkriptionvon aktivierenden Genen aus, die zur T-Zell-Proliferati-on und zur Produktion von Zytokinen fu¨hren. Außer-dem wirkt es als Adha¨sionsfaktor, indem es die Bin-dung zwischen dem TZR und dem HLA-Klasse II-Mo-lekul stabilisiert.

Wirkmechanismus von anti-CD4-AntikoÈrpern

Murine (d.h. von der Maus stammende) Antiko¨rper ge-gen CD4 sind in der Lage, die spezifische Immunant-wort nachhaltig zu unterdru¨cken. So wird die antigen-spezifische T-Zell-Proliferation, z.B. gegen Tetanusto-xoid in vitro durch anti-CD4-Antiko¨rper blockiert. DieAbwesenheit des CD4-Signals fu¨hrt zur Anergie oderToleranzinduktion gegen das entsprechende Antigen.

Der Wirkmechanismus von anti-CD4-Antiko¨rpernbesteht einerseits in der Blockade der Adha¨sion zwi-schen T-Zelle und antigenpra¨sentierender Zelle. Außer-dem gibt es Hinweise fu¨r eine Pra¨aktivierung der Thy-rosinkinase p56lck, die eine nachfolgende Aktivierungdurch den TZR verhindert (Übersicht in (4).

Anti-CD4-Antikorper bewirken eine ausgepra¨gteLymphopenie, hervorgerufen durch die Abnahme derCD4-positiven Subpopulation. Dieser Mechanismus la¨ßtsich nicht allein durch die Bindung der anti-CD4-Anti-korper und die sterische Behinderung der Bindung desTZR an das HLA-Moleku¨l erklaren. Es gibt Hinweisedafur, daß die Bindung von chima¨ren anti-CD4-Anti-korpern an T-Zellen zur Apoptose fu¨hrt (5). Dabeispielt die Vernetzung von anti-CD4-Antiko¨rpern durchImmunglobulin-Rezeptoren von Makrophagen offenbareine maßgebliche Rolle (5). Die Hypothese, daß sol-cherart die antigenspezifische, d.h. krankheitsverur-sachende T-Zell-Subpopulation gezielt ausgeschaltetwerden konnte (7), ist bisher nicht schlu¨ssig bewiesenworden.

Effekte von CD4-AntikoÈrpern in Tiermodellen

Die Behandlung von Ma¨usen mit CD4-Antiko¨rpernfuhrte zur spezifischen Toleranz gegen experimentellapplizierte Antigene, sowohl auf der Ebene der humora-len wie der zellula¨ren Immunantwort (1).

Anti-CD-4-Antikorper konnen den Ausbruch der kol-lagen-induzierten Arthritis der Maus unterdru¨cken, dieeinmal etablierte Erkrankung jedoch nicht einda¨mmen(23). Anders ist dies bei der Adjuvans-Arthritis derRatte: hier ließ sich auch die etablierte Erkrankungdurch eine anti-CD4-Therapie gu¨nstig beeinflussen (22).Interessanterweise konnten sich die Entzu¨ndungszeichennicht durch eine anti-CD8-Therapie unterdru¨cken lassen

– ein Befund, der die Rolle der CD4-positiven Zellen indiesem Arthritismodell unterstreicht (22). Die Erkran-kungsaktivita¨t korreliert im Tiermodell negativ mit derZahl der zirkulierenden CD4-positiven T-Zellen. Anti-CD4-Antikorper wirken synergistisch mit Rezeptorkon-strukten, die das Makrophagen-Zytokin TNF-a eliminie-ren (29).

CD4-Antikorper haben sich außerdem als effektivbei einer Reihe anderer Autoimmunerkrankungen erwie-sen, so bei der experimentellen allergischen Enzephalo-myelitis (3) und im murinen Modell der Lupusnephritis(30).

Klinische Anwendung

Pharmakologie der anti-CD4-Antiko¨rper

In der Behandlung der RA wurden sowohl murine alsauch sog. chima¨re Antikorper eingesetzt. Letztere be-stehen im wesentlichen aus humanen IgG. Lediglich dieantigenbindende Region ist noch murinen Ursprungs.Ein Vorteil chimarer Antikorper ist die Unterdru¨ckungeiner Immunantwort gegen das Fremdeiweiß des Ma¨u-se-Immunglobulins. Die Bildung humaner anti-Maus-Antikorper schwa¨cht bei wiederholter Anwendung dieWirksamkeit der anti-CD4-Antiko¨rper ab und birgtzusatzlich die Gefahr anaphylaktischer Reaktionen insich (7). Die Halbwertzeit chima¨rer Antikorper ist zu-dem 5–6-fach la¨nger als die von Maus-Antiko¨rpern (7).Allerdings induzieren auch chima¨re Antikorpern dieBildung humaner anti-Chima¨ren-Antikorper.

Anti-CD4-Antikorper sind nach i.v.-Infusion inner-halb von 3–24 Stunden nicht mehr in der Zirkulationnachweisbar. Die starken Schwankungen erkla¨ren sichoffensichtlich aus Unterschieden zwischen den einge-setzten Antiko¨rpern (4). Ein sog. cell coating, d.h. die„Beschichtung“ der CD4-Rezeptoren auf zirkulierendenLeukozyten, erfolgt rasch nach Infusion (4). Die Be-handlung mit anti-CD4-Antiko¨rpern fuhrte in den mei-sten Studien zu einer signifikanten Verminderung derAnzahl zirkulierender CD4-positiver T-Zellen, die biszu 30 Monaten nach der Behandlung andauerte (20).Dabei gab es wiederum deutliche Unterschiede in derDepletionssta¨rke, abha¨ngig vom verwendeten Antiko¨r-per (4). Generell wurden die ausgepra¨gtesten Vermin-derungen CD4-positiver Zellen mit chima¨ren Antikor-pern beobachtet, bedingt durch die la¨ngere Halbwerts-zeit (4).

Die Gabe von anti-CD4-Antiko¨rpern fuhrte bei Pa-tienten mit RA nicht nur zu einer Abnahme der zirku-lierenden Lymphozyten, sondern auch zu einer Reduk-tion von Monozyten im peripheren Blut (15). Parallelkam es zu einer signifikanten Abnahme von Makropha-gen-Zytokinen wie Interleukin-1 (IL-1) und IL-6 (15).

322 Zeitschrift fur Rheumatologie, Band 57, Heft 5 (1998)© Steinkopff Verlag 1998

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Klinische Ergebnisse

Die erste klinische Studie, die anti-CD4-Antiko¨rper beiRA-Patienten anwendete, wurde im Jahre 1989 publi-ziert und umfaßte eine Population von 8 Patienten (7mit RA, einer mit Psoriasis arthropathica) (14). In die-ser offenen Studie wurden u.a. signifikante Verbesse-rungen des Ritchie-Index und der Morgensteifigkeit be-obachtet. In 7 weiteren offenen Studien wurden insge-samt 129 RA-Patienten mit anti-CD4-Antiko¨rpern be-handelt (Übersicht in 9). Dabei kamen sowohl reineMaus-Antikorper als auch chima¨re Antikorper zur An-wendung. In allen offenen Studien ergaben sich mehroder minder eindeutige Hinweise fu¨r die Wirksamkeitder Therapie. Demgegenu¨ber konnten drei Doppelblind-studien keinen Effekt der Behandlung gegenu¨ber Place-bo nachweisen (6, 21, 28).

Bei kurzzeitiger Behandlung u¨ber 14 Tage korrelierteeine Verbesserung klinischer Symptome mit der Abnah-me der zirkulierenden CD4-Lymphozyten. Im Gegen-satz dazu war in la¨ngerfristigen Doppelblindstudienauch dann keine klinische Verbesserung im Vergleichzu Placebo nachweisbar, wenn es zu einer signifikantenAbnahme der zirkulierenden T-Lymphozyten im peri-pheren Blut der Patienten kam (6).

Die ernuchternden Resultate der Doppelblindstudienunterstreichen einmal mehr die Wichtigkeit eines gutkontrollierte Studiendesigns in der Behandlung der RA.Die Erwartungshaltung, die sich an die Verwendungvon modernen Therapieverfahren knu¨pft, kann bei Pa-tienten und Ärzten zur Fehleinscha¨tzung von Therapie-effekten fuhren (sog. „expectation bias“) (9).

Es gibt mehrere Erkla¨rungsmo¨glichkeiten fur die bis-her entta¨uschenden Ergebnisse der anti-CD4-Therapie.Die grundlegendste Erkla¨rung ware, daß die Theorievon der RA als T-Zell-vermittelte oder -induzierte Er-krankung nicht stimmt. Diese Auffassung wird tatsa¨ch-lich von renommierten Wissenschaftlern vertreten, wel-che die T-Zellinfiltrate der Synovialmembran als Epi-phanomen interpretieren und den pathogenetischenHauptmechanismus in prima¨ren Veranderungen der sy-novialen Deckzellen sehen (11, 13).

Es gibt jedoch auch bei Anerkennung der T-Zell-Hy-pothese Begru¨ndungen fu¨r das bisherige Versagen derTherapie mit anti-CD4-Antiko¨rpern: Anti-CD4-Antikor-per konnten die „falsche“ T-Helfer-Zellsubpopulationunterdrucken. CD4-positive Zellen lassen sich aufgrundihrer Zytokinproduktion in zwei verschiedene Unter-gruppen einteilen: Th1 Zellen produzieren hauptsa¨chlichInterleukin (IL)-2 und Interferon-c; Th2 Zellen produ-zieren hauptsa¨chlich IL-4 und IL-5. Zytokine der Th1Zellen sind zur Abwehr intrazellula¨rer Erreger notwen-dig. Fur die Pathogenese der RA gibt es jedoch An-haltspunkte, daß Th1 Zytokine sowie TNF-a zur Auf-rechterhaltung der chronischen Entzu¨ndung beitragen,wahrend Th2 Zytokine, IL-10 und TGF-b, entzundungs-

hemmend wirken (25). Die Gabe von anti-CD4-Anti-korpern vermindert zwar die Zahl zirkulierender „nai-ver“ T-Zellen, scheint jedoch keinen Einfluß auf dieAktivitat von Th1-Zellen zu haben (24).

Eine andere Erkla¨rung konnte in Schwa¨chen des De-signs der entsprechenden Studien liegen. Nicht immerkorrelieren die klinischen Zeichen einer Entzu¨ndung –Schmerz, Überwa¨rmung und Schwellung – mit der Ak-tivitat der Destruktion. Eine Analyse der Histologie vonSynovialbioptaten von Patienten, die mit anti-CD4-Anti-korpern behandelt wurden, konnte einen signifikantenRuckgang synovialer Entzu¨ndungsaktivita¨t nachweisen(27), ohne daß bei den betreffenden Patienten ein klini-sches Ansprechen zu verzeichnen war. Allerdings kames dabei nicht zu einer deutlichen Abnahme von CD4-positiven Zellen in der Synovialmembran, trotz Abnah-me der CD4-positiven Zellen im peripheren Blut. Auchwenn sich radioaktiv markierte anti-CD4-Antiko¨rper inder Synovialmembran anreichern (18) bleibt so dieFrage offen, ob die CD4-Therapie direkt im Gelenkwirksam werden kann.

Perspektiven der anti-CD4-Therapie

Auch wenn die Monotherapie der RA mit anti-CD4-An-tikorpern bisher keine signifikanten Erfolge zeigenkonnte, ist das letzte Wort u¨ber dieses Behandlungsver-fahren noch nicht gesprochen. Einerseits hat sich in denletzten Jahren herauskristallisiert, daß nicht-depletieren-de anti-CD4-Antikorper, die das CD4-Moleku¨l lediglichblockieren, ohne eine Lymphozytendepletion herbeizu-fuhren, besser vertra¨glich sind (19). Mit Sicherheit be-sitzen diese nicht-depletierende Antiko¨rper andere biolo-gische Wirkungen. Ihre klinische Wirksamkeit ist nochnicht sicher erwiesen. Entsprechende Studien sind je-doch bereits eingeleitet worden.

Unklar ist außerdem, ob anti-CD4-Antiko¨rper in ei-ner Kombinationstherapie potenzierende Effekte auf denKombinationspartner haben ko¨nnten. In der Studie vonMoreland et al. erhielten die Patienten zusa¨tzlich zu denanti-CD4-Antikorpern Methotrexat (21). Die Kombina-tion von diesem stark makrophagen-wirksamen Pra¨paratmit anti-CD4-Antikorpern fuhrte nicht zu einem Thera-piegewinn. Im Gegensatz dazu fand sich im Tiermodellein synergistischer Effekt von anti-CD4-Antiko¨rpernund TNF-a-Rezeptor-Konstrukten (29). Eine derartigeKombination ist fur die humane RA bisher nicht unter-sucht worden.

Schluûwort

Die Behandlung von RA-Patienten mit anti-CD4-Anti-korpern hat den erhofften Durchbruch in der Rheuma-

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therapie bisher nicht erreichen ko¨nnen. Dennoch sinddie Erkenntnisse, die bei den bisherigen Studien auf pa-thogenetischem und pharmakologischem Gebiet gewon-nen wurden, in ihrem Wert nicht hoch genug einzu-schatzen. Antikorper gegen Zytokine wie TNF-a habennach bisherigen Studien hervorragende Ergebnisse ge-zeigt und damit unterstrichen, daß der Grundgedankeder anti-CD4-Therapie, der gezielte Eingriff in immuno-

logische Vorga¨nge durch monoklonale Antiko¨rper, rich-tig war. Die Erfahrungen mit der anti-CD4-Therapie be-legen erneut, daß auch die schlu¨ssigste Hypothese inder Medizin, entspringe sie nun „basis-immunologi-schem“ oder „ganzheitlich philosophischem“ Hinter-grund, sich der Pru¨fung durch den klinischen Großver-such stellen muß.

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