18
1 Andrea Sommer-Mathis Festlicher Prunk mit tragischem Ausgang. Die habsburg-lothringischen Hochzeitsfeierlichkeiten in der Tiroler Landeshauptstadt 1765 Kaum hatte man sich am Wiener Hof von den Festivitäten anlässlich der zweiten Eheschließung des Thronfolgers und späteren Kaisers Joseph II. mit der bayerischen Prinzessin Maria Josepha erholt 1 , so sollte im Sommer desselben Jahres 1765 auch die Vermählung seines jüngeren Bruders Leopold entsprechend gefeiert werden 2 ; formell war er durch die in Madrid vollzogene Procura-Hochzeit bereits seit Februar 1764 mit der spanischen Prinzessin Maria Ludovica, einer Tochter König Karls III. von Spanien und Maria Amalias von Sachsen, verheiratet. Auch wenn Leopold als Nachfolger seines Vaters zum Großherzog von Toskana designiert war, so sollten sich die Festlichkeiten für ihn doch von denen eines gekrönten Königs Joseph war 1764 in Frankfurt am Main zum Römischen König gekrönt worden in Aufwand und Prunk unterscheiden, und das ließ sich durch eine Verlegung der Hochzeit aus der kaiserlichen Residenzstadt Wien in ein Kronland leichter bewerkstelligen. In Frage kamen Graz, Mailand und schließlich auch Innsbruck. Obwohl vieles für Graz gesprochen hätte, entschied sich Maria Theresia für Innsbruck und erklärte im Oktober 1764: „Es bleibt bey Innsprugg, wie es r e s o l v i ret, und seynd wichtige Ursache, die mich d e c i d i ret haben, eine so weite, kostbahre ungelegene Reiße zu unternehmen; […].“ 3 Die Monarchin war sich demnach durchaus dessen bewusst, dass sie mit ihrer Entscheidung für Innsbruck sowohl körperliche Strapazen als auch zusätzlichen finanziellen Aufwand auf sich nahm, doch wollte sie die Tiroler Landeshauptstadt, deren Glanzzeit als Residenz damals schon lange zurücklag, durch eine längere Anwesenheit des Wiener Hofes wieder aufwerten und gleichzeitig auch das Ansehen des Statthalterpaares Cassian Ignaz Graf und Sophie Amalie Gräfin Enzenberg anheben. 4 Schon im Mai 1764 hatte Maria Theresia in einem Brief an die Gräfin Enzenberg ihre Vorstellungen von den in Innsbruck geplanten Festveranstaltungen konkretisiert: 1 Vgl. Andrea Mathis, „Tu felix Austria nube“ aus theaterwissenschaftlicher Sicht. Theatrale Festveranstaltungen anläßlich der Hochzeiten Maria Theresias und ihrer Kinder, Wien, phil. Diss. 1981, S. 123159; Andrea Sommer-Mathis, Tu felix Austria nube. Hochzeitsfeste der Habsburger im 18. Jahrhundert (dramma per musica, 4).Wien 1994, S. 104118. 2 Ausführliche Darstellung der Hochzeitsfestivitäten in Mathis 1981: 160199, Sommer-Mathis 1994: 119130. 3 ÖStA, HHStA, ZA SR 52: Vortrag des Obersthofmeisteramtes über die Hofkonferenz vom 5. Okt. 1764. 4 Vgl. Renate Zedinger, Franz Stephan von Lothringen (17081765). Monarch, Manager, Mäzen (Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 13), Wien/Köln/Weimar 2008, S. 280 281.

Andrea Sommer-Mathis Festlicher Prunk mit tragischem ... · 1 Andrea Sommer-Mathis Festlicher Prunk mit tragischem Ausgang. Die habsburg-lothringischen Hochzeitsfeierlichkeiten in

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

1

Andrea Sommer-Mathis

Festlicher Prunk mit tragischem Ausgang. Die habsburg-lothringischen

Hochzeitsfeierlichkeiten in der Tiroler Landeshauptstadt 1765

Kaum hatte man sich am Wiener Hof von den Festivitäten anlässlich der zweiten

Eheschließung des Thronfolgers und späteren Kaisers Joseph II. mit der bayerischen

Prinzessin Maria Josepha erholt1, so sollte im Sommer desselben Jahres 1765 auch die

Vermählung seines jüngeren Bruders Leopold entsprechend gefeiert werden2; formell war er

durch die in Madrid vollzogene Procura-Hochzeit bereits seit Februar 1764 mit der

spanischen Prinzessin Maria Ludovica, einer Tochter König Karls III. von Spanien und Maria

Amalias von Sachsen, verheiratet. Auch wenn Leopold als Nachfolger seines Vaters zum

Großherzog von Toskana designiert war, so sollten sich die Festlichkeiten für ihn doch von

denen eines gekrönten Königs – Joseph war 1764 in Frankfurt am Main zum Römischen

König gekrönt worden – in Aufwand und Prunk unterscheiden, und das ließ sich durch eine

Verlegung der Hochzeit aus der kaiserlichen Residenzstadt Wien in ein Kronland leichter

bewerkstelligen. In Frage kamen Graz, Mailand und schließlich auch Innsbruck. Obwohl

vieles für Graz gesprochen hätte, entschied sich Maria Theresia für Innsbruck und erklärte im

Oktober 1764: „Es bleibt bey Innsprugg, wie es r e s o l v i ret, und seynd wichtige Ursache,

die mich d e c i d i ret haben, eine so weite, kostbahre ungelegene Reiße zu unternehmen;

[…].“3 Die Monarchin war sich demnach durchaus dessen bewusst, dass sie mit ihrer

Entscheidung für Innsbruck sowohl körperliche Strapazen als auch zusätzlichen finanziellen

Aufwand auf sich nahm, doch wollte sie die Tiroler Landeshauptstadt, deren Glanzzeit als

Residenz damals schon lange zurücklag, durch eine längere Anwesenheit des Wiener Hofes

wieder aufwerten und gleichzeitig auch das Ansehen des Statthalterpaares Cassian Ignaz Graf

und Sophie Amalie Gräfin Enzenberg anheben.4

Schon im Mai 1764 hatte Maria Theresia in einem Brief an die Gräfin Enzenberg ihre

Vorstellungen von den in Innsbruck geplanten Festveranstaltungen konkretisiert:

1 Vgl. Andrea Mathis, „Tu felix Austria nube“ aus theaterwissenschaftlicher Sicht. Theatrale

Festveranstaltungen anläßlich der Hochzeiten Maria Theresias und ihrer Kinder, Wien, phil. Diss. 1981, S.

123–159; Andrea Sommer-Mathis, Tu felix Austria nube. Hochzeitsfeste der Habsburger im 18. Jahrhundert

(dramma per musica, 4).Wien 1994, S. 104–118. 2 Ausführliche Darstellung der Hochzeitsfestivitäten in Mathis 1981: 160–199, Sommer-Mathis 1994: 119–130.

3 ÖStA, HHStA, ZA SR 52: Vortrag des Obersthofmeisteramtes über die Hofkonferenz vom 5. Okt. 1764.

4 Vgl. Renate Zedinger, Franz Stephan von Lothringen (1708–1765). Monarch, Manager, Mäzen (Schriftenreihe

der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 13), Wien/Köln/Weimar 2008, S. 280–

281.

2

Vom Hof werden eine Oper und eine italienische Komödie mitkommen. Gern würde ich

sehen, wenn Damen, Herren oder Kinder kleine, nicht zu lange Stücke in französischer

oder deutscher Sprache spielen könnten. Gut wäre ein größerer Ballsaal, auch für

Maskenfeste. Jeder könnte erscheinen, wie es ihm gefällt, im Taftdomino oder in anderer

Verkleidung über kleinen Paniers. E i n S c h a r f s c h i e ß e n, bei dem der Hof Preise

verteilen könnte. E i n e w a h r e B a u e r n h o c h z e i t. Derartige kleine

Unterhaltungen kosten nicht viel, sind aber mal was anderes. Ich wünsche, daß die

Lebensmittel infolge unserer Ankunft nicht teurer werden, und daß Euer Gemahl an kleine

Geschenke für die Stadt und ihre Bürger denkt, damit der Aufenthalt ihrer Herrschaft bei

ihnen in guter Erinnerung bleibt […].5

Die Einbindung ‚kostengünstiger‘ lokaler Attraktionen, wie sie Preisschießen oder

Bauernhochzeiten darstellten, sollte im traditionellen höfischen Festprogramm, das aus

Opern, Theateraufführungen und Bällen bestand, für Abwechslung sorgen.

Die Vorbereitungen lassen sich anhand der Zeremonialprotokolle6 bis in den Oktober 1764

zurückverfolgen. Maria Theresia war auf Sparsamkeit bedacht und wollte die Anzahl der

Personen, die sie nach Innsbruck begleiten sollten, möglichst klein halten, nicht nur, um die

Reisekosten zu reduzieren, sondern auch deshalb, weil in Innsbruck ohnehin großer

Quartiermangel herrschte. Auch auf Kleiderluxus sollte verzichtet werden, und die Hofdamen

wurden dazu angehalten, sich auf „ein einziges reiches Kleyd“7 für den Tag der Trauung zu

beschränken.

Im März 1765 wurde der Theaterintendant Johann Wenzel Graf Sporck aufgefordert, eine

Liste der Sänger, Tänzer, Musiker, Schauspieler und des übrigen Bühnenpersonals zu

erstellen, die nach Innsbruck mitreisen sollten.8 Man überlegte, wie diese am besten zu

befördern wären – ob zu Land oder zu Wasser – und entschied sich für den Landweg. Ihre

Unterbringung in Innsbruck stellte kein unerhebliches Problem dar, es handelte sich

schließlich um 135 Personen. Daher überlegte man, ob es nicht vernünftiger wäre, die

erforderlichen Betten in Innsbruck zu kaufen oder auszuleihen, statt sie von Wien aus

mitzuführen, und bedachte auch, dass die Leute meist nur über ein Bett verfügten und sich

daher, wenn dieses nach Innsbruck abtransportiert würde, bis zu ihrer Abreise mit einem

primitiveren Ersatz oder gar mit einem Strohlager begnügen müssten. 9

5 Brief Maria Theresias an Gräfin Enzenberg vom 10. Mai 1764, in: Carl Rothe (Hrsg.), Maria Theresia. Die

Mutter und die Kaiserin. Briefe der Maria Theresia an ihre Kinder und Vertrauten. Aus dem Franz. übertragen,

Wien/München 1968, S. 177. 6 ÖStA, HHStA, ZA Prot. 29 (1763/64) und ZA SR 52.

7 ÖStA, HHStA, ZA SR 52: 1. März 1765, zit. n. Monika Kollreider, Hofreisen Maria Theresias, Wien, phil.

Diss. 1965, S. 168. 8 Vgl. ÖStA, HHStA, Ält. ZA, Kart. 71 (1765/66): 27. März 1765 Vorgetragene Puncten von S

r Fürstl. Gnaden

den Herrn Obristen Stallmeister Fürsten von Auersperg bey der den 24ten

dieses Monats Martij vorgewesenen

Zusamentrettung. 9 Vgl. ÖStA, HHStA, ZA SR 52: Vortrag des Obersthofmeisteramtes vom 30. April 1765.

3

Sporck erklärte sich außer Stande, die Reisekosten für das Theater- und Musikpersonal aus

seinem Budget zu übernehmen, und die Künstler kämpften auch selbst um angemessene

Reisediäten und verwiesen auf ihre prekäre Situation: Sie seien fast alle keine ‚echten‘

Hofkünstler mehr, sondern vom Hofkapellmeister bzw. Theaterintendanten nur für eine

bestimmte Zeit engagiert worden, nach der sie wieder entlassen würden. Ihre Verträge galten

daher nur für Wien, und sie hätten keinerlei Verpflichtung, den Hof auf seinen Reisen zu

begleiten. Aus diesem Grund wollten sie die Fahrt nach Innsbruck auch nur dann mitmachen,

wenn sie entsprechende Reisediäten erhielten.10

Erst im Juni 1765 konnte man sich einigen,

und die Künstler erhielten Taggelder, die zwischen vier und einem Gulden variierten.

Schließlich machten sie sich in vier Abteilungen zwischen dem 17. und dem 20. Juni 1765 auf

den Weg nach Innsbruck, um dort noch vor Ankunft des Hofes mit den Proben beginnen zu

können.11

Zur selben Zeit rüstete man sich auch in Innsbruck selbst für den hohen Besuch. Straßen und

Brücken mussten saniert, der Stadtgraben trocken gelegt und zugeschüttet werden; ein altes

Stadttor wurde abgerissen und seine Quadersteine für die Errichtung der steinernen

Triumphpforte verwendet, die heute noch von den Ereignissen des Jahres 1765 zeugt.12

Der mehrwöchige Aufenthalt des kaiserlichen Hofes in der im 18. Jahrhundert nur mehr

selten besuchten Innsbrucker Residenz stellte eine logistische Herausforderung für alle

Beteiligten dar. Obwohl die Hofburg durchaus geräumig war, bot sie nicht genug Platz für

den gesamten mitreisenden Hofstaat, und ein Teil musste in Gasthäusern und bei

Privatpersonen, auch außerhalb Innsbrucks, einquartiert werden.

Die kaiserlichen Appartements für Maria Theresia und Franz Stephan sollten ursprünglich im

neu erbauten Südtrakt der Hofburg eingerichtet werden, doch fürchtete man, dass dieser im

Hochsommer zu heiß und luftlos sein würde; man konnte ja nicht ahnen, dass der Sommer

1765 kalt und regnerisch sein würde. Jedenfalls wurde das Kaiserappartement schließlich –

„mit doppelten Spesen“ – im altertümlichen Rennwegtrakt untergebracht, wo man jedoch

Unterschiede in der Raumhöhe und im Fußbodenniveau in Kauf nehmen musste. Das galt

auch für den Verbindungsgang zwischen der Hofburg und dem Theater, den so genannten

„Fröhlichsgang“, den man während der Festtage häufig frequentierte.13

Der Kaiser äußerte

10

Vgl. ÖStA, HHStA, ZA SR 52: Vortrag des Obersthofmeisteramtes vom 5. Juni 1765 11

Vgl. ÖStA, HHStA, Ält. ZA, Kart. 71: Allerunterthänigste Anzeige des Allergehorsamsten Obristen Hof-

Meister-Amts vom 8. Juni 1765. 12

Vgl. Wienerisches Diarium 1765. Num. 27. Mittwochs=anhang den 3. April 1765 (Inspruck den 23. März). 13

Vgl. zur Einrichtung der Innsbrucker Hofburg anlässlich der Hochzeit von 1765 Lieselotte Hanzl-Wachter,

Hofburg zu Innsbruck. Architektur, Möbel, Raumkunst. Repräsentatives Wohnen in den Kaiserappartements von

Maria Theresia bis Kaiser Franz Joseph (Museen des Mobiliendepots, 17), Wien/Köln/Weimar 2004, S. 51–54;

Bruno Bernard / Renate Zedinger, „Schicksalsstadt Innsbruck. Corneille de Neny, Sekretär Maria Theresias,

4

sich dazu mit einem Vergleich: Diese Passage gleiche dem Land Tirol, „da man immer auf

und ab steigen muß“.14

Wichtigster Repräsentationsraum war der so genannte „Riesensaal“, der als Festsaal,

Audienzzimmer und Schauplatz der öffentlichen Mittagstafeln fungierte. Die „gar zu nacketen

Gemälde“ der Herkules-Darstellungen an den Wänden erregten aber bei Maria Theresia

Anstoß, und daher man ließ sie mit Stofftapeten überziehen.15

Im Zuge des großen Umbaus

wenige Jahre nach der Hochzeit wurden die Fresken zur Gänze entfernt und durch

Familienporträts ersetzt.16

Die aus insgesamt etwa 450 Personen bestehende Hochzeitsgesellschaft benötigte elf Tage für

die Reise von Wien nach Innsbruck. In 60 Kutschen mit 368 Zugpferden, die mehrfach

ausgewechselt werden mussten, ging die Fahrt über Graz, Leoben, Klagenfurt und Brixen in

die Tiroler Landeshauptstadt. Am 15. Juli 1765 erreichte die kaiserlich-königliche Kavalkade

endlich Innsbruck. Dann hieß es warten, denn die spanische Braut war noch unterwegs. Der

Römische König Joseph nützte die Wartezeit zu einer Inkognito-Reise in die Tiroler Erblande,

aber auch in Innsbruck war für Abwechslung gesorgt. Während Maria Theresia mit ihren

ältesten beiden Töchtern und dem Bräutigam Leopold das Damenstift in Hall besuchte,

besichtigte der Kaiser die Wunderkammer in Schloss Ambras – und abends traf man einander

im Hoftheater oder in der Reitschule bei einer der zahlreichen Veranstaltungen, sei es der

Aufführung einer italienischen Komödie, einer Opera buffa, eines Balletts, einer Pantomime

oder den Kunststücken eines Seiltänzers.17

Die spanische Braut war zwar bereits am 14. Juni 1765 aus Aranjuez aufgebrochen und hatte

sich in Cartagena eingeschifft, war aber erst am 17. Juli – nach einmonatiger stürmischer

berichtet von den Ereignissen im Sommer 1765“, in: Harald Heppner / Wolfgang Schmale (Hrsg.), Festung und

Innovation (Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 20), Bochum

2005, S. 129–130; Zedinger 2008: 281–282. 14

Zit. n. Oswald Trapp, „Maria Theresia und Tirol“, in: Walter Koschatzky (Hrsg.), Maria Theresia und ihre

Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740–1780 aus Anlaß der Wiederkehr des Todestages der Kaiserin,

Salzburg–Wien 1979, S. 132. 15

Rudolf Graf Khevenhüller-Metsch / Hanns Schlitter (Hrsg.), Aus der Zeit Maria Theresias. Tagebuch des

Fürsten Johann Josef Khevenhüller Metsch 1742–1776, Bd. 6, Wien 1925, S. 110 (Fußnote zum 15. Juli 1765). 16

Vgl. Benedikt Sauer, Hofburg Innsbruck, Wien/Bozen 2010, S. 45–49. 17

Zu den Ausgaben für diese Unterhaltungen vgl. ÖStA, HKA, HZAB 386: Particular Rechnung der

Kaiserlich=Königlichen Theatral Cassa in Wienn über die Auf allerhöchst=, Kaiser=Königlichen Befehl zu

Einrichtung deren bey glorreichester Vermählung Ihrer Königl:en

Hoheiten des durchl:n Erzherzogs v:

Österreich Petri Leopoldi und der durchl:ten

Infantin v: Spanien Maria Louisa zu Inspruck in Tyrol von Hof aus

abgehaltenen Festivitaeten sowohl= als zu einem bey erfolgender Retour alhier in Wienn von denen durchl:sten

jungen Herrschaften abzuhalten angetragen gewesten= wegen dem betrübtesten Ableiben Weyl: Sr: May: des

Kaisers Francisci Imi

aber gänzl: unterbliebenen Festin: nicht minder zu Legung eines eingelegten neuen

Fußboden in denen Redouten Saalen u: Spiel Zimmer invermeltermassen auf Verrechnung erhalten= und

wiederum verwendete Gelder.

5

Seefahrt – in Genua eingetroffen, wo sie vom österreichischen Hofstaat empfangen und in

Richtung Alpen begleitet wurde.18

Maria Ludovica wurde unterwegs auch mit Theateraufführungen unterhalten, wobei unter

anderem Werke von Pietro Metastasio auf dem Programm standen: in Genua die frühe Oper

Siroe, re di Persia19

, in Mantua L’isola disabitata.20

Metastasio erhielt übrigens im selben Jahr 1765 auch vom spanischen Hof den ehrenvollen

Auftrag, das Libretto zu einer weiteren Hochzeitsoper für den Prinzen von Asturien, den

späteren König Karl IV. von Spanien, und Prinzessin Maria Luisa von Parma, zu verfassen;

diese festa teatrale trug den Titel La pace fra le tre dee und wurde, von Nicola Conforto

vertont, in Madrid aufgeführt21

.

In Bozen erfolgte am 31. Juli 1765 die erste Begegnung von Erzherzog Leopold und Maria

Ludovica, die einander bisher nur vom Porträt her kannten. Von Leopold selbst ist zwar kein

Urteil über seine Braut überliefert, doch der Obersthofmeister Johann Joseph Fürst

Khevenhüller-Metsch fand sie sogar noch hübscher als auf den Bildern. Er meinte zu diesem

ersten Zusammentreffen:

Die Surprise muste desto wahrer sein, weil mann uns dise Princessin als hässlich, rothharicht

und übl erzogen beschriben hatte. Au premier abord glaubte ich unsere verstorbene

Erzherzogin22

zu sehen, welcher sie ville Anmahnung gibt, ausser daß sie sehr blond ist,

mithin auch einen schöneren und lichteren Teint hat. Die Manieren aber und die Démarche

seind fast die nemmliche der höchstseeligen Frauen und die Lebhafftigkeit scheinet nicht

minder zu sein, mais pas la même force d’esprit.23

Gemeinsam setzte man die Reise nach Stift Wilten fort, wo sich auch Maria Theresia und die

übrigen Mitglieder der kaiserlichen Familie zur Begrüßung der Braut einfanden. Der Prälat

des Klosters sorgte mit der Aufführung des deutschen Singspiels Die durch die Todesfurcht

vertriebene Saufsucht des liederlichen Hansen sowie einer Bauernhochzeit und mehreren

18

Zu den Hochzeitsfestlichkeiten in Spanien vgl. Wienerisches Diarium 1765: Num. 27. Mittwochs=anhang den

4. April 1765 (Madrid 28. Febr.), Num. 38. Samstag den 11. Maji 1765 (Madrid 9. April), Num. 61. Mittwoch

den 31. Julii 1765 (Madrid vom 2. Julii); Anna Mur i Raurell / Karl Friedrich Rudolf, „La boda entre el

Archiduque Pedro Leopoldo y la Infanta Maria Luisa“, in: Duelos de Amor y Lealtad: Comedia escrita por D.

Pedro Calderón de la Barca, Bd. 2, Madrid 2000, S. 239–261. 19

Vgl. zu den Festlichkeiten in Genua Wienerisches Diarium 1765: Num. 45. Mittwoch den 5. Junii 1765

(Genua 9. May), Num. 50. Samstag den 22. Junii 1765 (Genua 22. May), Num. 55. Mittwoch den 10. Julii 1765

(Genua 12. Junii); Gazette de Vienne 1765, N. 61. Supplement du 31. Juillet 1765 (Extrait d’une Lettre de

Genes, du 18. Juillet), N. 64. Du Samedi 10 Aout 1765 (De Genes, le 21 Juillet); Mathis 1981: 178–179;

Sommer-Mathis 1994: 123. 20

Vgl. zu Mantua Mathis 1981: 180; Sommer-Mathis 1994: 123–124. 21

Jacques Joly, Les fêtes théâtrales de Metastase à la cour de Vienne (1731–67), Clermont-Ferrand 1978, S.

411–428. 22

Gemeint ist die erste Frau Josephs II., Isabella von Parma, die wegen ihrer Schönheit von allen bewundert,

jedoch bereits 1763, nach nur dreijähriger Ehe, im zweiten Kindbett verstorben war. 23

Khevenhüller-Metsch / Schlitter 1925:118 (2. Aug. 1765).

6

Preisschießen für die Unterhaltung seiner Gäste.24

Nach der Rückkehr nach Innsbruck

besuchte die kaiserliche Suite noch am selben Abend eine Opera buffa-Vorstellung in der

Reitschule, die Khevenhüller als ein „zimlich schlechte Spectacle“25

kritisierte, das nur zur

Überbrückung für die Zeit geeignet sei, in der das große Hoftheater wegen der

Vorbereitungen für die Festoper Romolo ed Ersilia nicht bespielt werden konnte.

Am 5. August 1765 war es endlich so weit: Dem feierlichen Einzug in die Stadt durch die

steinerne Triumphpforte folgten die Vermählungsfeierlichkeiten in der Pfarrkirche St. Jakob

und anschließend die Hochzeitstafel im Riesensaal der Hofburg. Eigentlich hätte zuvor noch

ein Feuerwerk abgebrannt werden sollen, das aber wegen Regenwetters verschoben werden

musste.26

Tags darauf fand im Hoftheater die Premiere der Hochzeitsoper Romolo ed Ersilia statt. Die

offiziellen Zeitungen des Kaiserhofes, das Wienerische Diarium27

und die Gazette de

Vienne28

, berichteten voll Begeisterung von dem theatralischen Ereignis, während

Khevenhüller ganz anderer Meinung war:

Das Spectacle hatte aber keinen sonderbahren Applauso, obschon der Libretto vom Abbate

Metastasio, die Musique vom Hasse und die Ballets vom Hilverding componiret waren; dem

ersteren stellte man aus, daß keine neue Gedancken darinnen befindlich, der zweiten, daß sie

etwas traurig und alt-vätterisch ausgefallen und in denen lezteren zu ville und zu

gezwungene Pantomimes angebracht wären.29

Verwunderlich ist dabei, dass Khevenhüller den Titel der Oper mit Partenope bezeichnete,

die aber erst 1767, also zwei Jahre später, aus Anlass einer weiteren Hochzeit am Kaiserhof in

Wien zur Aufführung gelangen sollte.30

Beide Opern – Partenope wie Romolo ed Ersilia –

entsprachen dem Typus der spätbarocken höfischen Festopern, wie sie Maria Theresia für

solch wichtige dynastische Anlässe, wie sie die Vermählungen ihrer zahlreichen Kinder

darstellten, nach wie vor bevorzugte. Dass sie dem Zeitgeschmack nicht mehr ganz

entsprachen, zeigt die Tatsache, dass sie bei den zeitgenössischen Komponisten keinen

Anklang fanden – anders als die frühen Opern des Tandems Metastasio-Hasse, die in

zahllosen Neuvertonungen auf den Bühnen ganz Europas gespielt wurden.

24

Vgl. ÖStA, HHStA, ZA SR 52: Die vollständige Reise Beschreibung […], 4. Aug. 1765; Ält. ZA, Kart. 69:

Zer.prot., 4. Aug. 1765; Mathis 1981: 182; Sommer-Mathis 1994: 124. 25

Khevenhüller-Metsch / Schlitter 1925:119 (4. Aug. 1765). 26

Vgl. ÖStA, HHStA, ZA SR 52: Die vollständige Reise Beschreibung […], 5. Aug. 1765. 27

Wienerisches Diarium 1765, Num. 65. Mittwochs=anhang den 14. Augusti 1765 (Insbruck den 7. Augusti). 28

Gazette de Vienne 1765, N. 64. Supplement du 10. Aout 1765 (D’Inspruck le 10. et 14 Août): PRÉCIS de

ROMULUS ET HERSILIE Opera Italien Par M l’Abbée Metastasio representé à Inspruck le 6. Aout 1765. À

l’occasion du Mariage de Leurs Altesses Royales Monseigneur l’Archiduc LEOPOLD ET Madame

l’Archiduchesse Infante MARIE-LOUISE; vgl. Mathis 1981: 183–185; Sommer-Mathis 1994: 124–127. 29

Khevenhüller-Metsch / Schlitter 1925:120–121 (6. Aug. 1765); Elisabeth Großegger, Theater, Feste und

Feiern zur Zeit Maria Theresias 1742–1776 (Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse der ÖAW, 476 /

Veröffentlichungen des Instituts für Publikumsforschung, 12), Wien 1987, S. 241. 30

Vgl. Mathis 1981: 237–241; Sommer-Mathis 1994: 140–141.

7

Romolo ed Ersilia ist eine typische Sängeroper mit zahlreichen Koloraturarien in der üblichen

Da capo-Form mit langen Instrumentaleinleitungen.31

Die Arien waren entsprechend der

Rollenhierarchie auf die sechs Sänger – die Hälfte davon Kastraten – aufgeteilt: es waren dies

der Altkastrat Gaetano Guadagni, die Soprankastraten Luca Fabris und Porfirio Pacchierotti,

die Sopranistinnen Anna de Amicis und Teresa Dupré geb. Sartori und der Tenor Domenico

Panzacchi –. Die beiden Protagonisten Romolo (Gaetano Guadagni) und Ersilia (Anna de

Amicis) hatten nicht nur die meisten Arien und Rezitative zu singen, sondern auch das einzige

Duett der Oper. Der Chor des römischen Volkes bestand aus fünf Bassisten, fünf Tenören,

sechs Kontra-Altisten und sechs Sopranen, die sich aus Sängern des Kirchenchores der

Innsbrucker Pfarrkirche St. Jakob rekrutierten.

Im Anschluss an die Opernaufführung wurde ein so genanntes „heroisches Ballett“ mit dem

Titel Enea in Italia32

mit der Musik von Florian Gassmann und der Choreographie von Franz

Hilverding aufgeführt, das von Mitgliedern des Wiener Ballettkorps getanzt wurde.

Die Ausstattung von Oper und Ballett stammte von den Brüdern Fabrizio und Bernardino

Galliari, die zunächst als Fresko- und Dekorationsmaler, ab den 30er-Jahren des 18.

Jahrhunderts auch als Theatermaler hauptsächlich in Mailand und Turin, aber auch an anderen

Opernhäusern in und außerhalb Italiens tätig waren. Nach ihrem Erfolg mit den

Bühnenbildern zu Romolo ed Ersilia wurden sie 1767 auch nach Wien engagiert, wo sie nicht

nur die erwähnte Festoper Partenope33

, sondern auch Glucks zweite Reformoper Alceste

ausstatteten. In der Pinakothek von Bologna haben sich einige Skizzen Fabrizio Galliaris

erhalten, die Romolo ed Ersilia zugeordnet werden konnten.34

Am Tag nach der Uraufführung von Romolo ed Ersilia fand ein großer Galaball bei Hof statt.

Tags darauf wurde mit der Preisgabe von Wein, Brot und Gedenkmünzen sowie einer

festlichen Beleuchtung der Innsbrucker Altstadt auch der Stadtbevölkerung gedacht; das

schon für den ersten Tag der Hochzeitsfestlichkeiten geplante Feuerwerk musste neuerlich

wegen Schlechtwetters verschoben werden. Nach dem allabendlichen Theaterbesuch

besichtigte die kaiserliche Hofgesellschaft die Illumination, die Khevenhüller in seinen

Tagebuchaufzeichnungen als „ungemain lugubre“ bezeichnete; auch der Triumphbogen habe

31

Partitur in ÖNB, Musiksammlung, Mus.Hs. 17.288 und Mus.Hs. 17.289 (Stimmhefte). 32

Gazette de Vienne 1765, N. 67. Supplement du 21. Aout 1765: PRECIS d’ENEE EN ITALIE. Ballet Heroique

exécuté à Inspruck le 6. Aout 1765 à l’occasion du Mariage de Leurs Altesses Royales Monseigneur l’Archiduc

LEOPOLD Et Madame l’Archiduchesse Infante MARIE-LOUISE. 33

Vgl. Maddalena, Leonie de, „Die Gebrüder Galliari und die Festopern Metastasios. Unter besonderer

Berücksichtigung der festa teatrale Partenope (1767)“, in: Andrea Sommer-Mathis / Elisabeth Th. Hilscher

(Hrsg.), Pietro Metastasio – uomo universale (1698–1782). Festgabe der ÖAW zum 300. Geburtstag von Pietro

Metastasio (Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse der ÖAW, 676), Wien 2000, S. 143–156. 34

Vgl. Maddalena, Leonie de, „I fratelli Galliari e le scenografie per l’opera Romolo e Ersilia“, in: Grafica

d’arte 17 (1994), S. 34–37.

8

„mit denen kurzen Wachß-Kertzen einer Chapelle ardente oder castro doloris“35

geglichen.

Diese Äußerungen Khevenhüllers sind – wie die zur Opernaufführung – durchaus kritisch zu

lesen, denn sie sind zweifellos erst nach dem tragischen Ausklang der Hochzeitsfestlichkeiten

durch den Tod des Kaisers entstanden.

Auch an den folgenden Tagen gab es weitere Unterhaltungen verschiedenster Art für die

hohen Gäste. Neben gesungenen poetischen Improvisationen zur Laute fand bei den Jesuiten

ein Schäferspiel36

statt; die Festoper Romolo ed Ersilia wurde zwei Mal wiederholt; der

spanische Botschafter veranstaltete einen Maskenball und ein Souper, und schließlich konnte

auch das projektierte Feuerwerk abgebrannt werden, wurde jedoch wieder durch einen

Platzregen in seiner Wirkung beeinträchtigt.

Da der junge Ehemann von einer lästigen Darmerkrankung heimgesucht wurde, die so heftig

war, dass man an die Erteilung der Sterbesakramente dachte, mussten die Vergnügungen

kurzfristig eingestellt werden; erst am 17. August konnte eine Wiederholung von Romolo ed

Ersilia stattfinden. Schon an diesem Tag klagte der Kaiser über Beklemmungen, Atemnot und

Übelkeit, versuchte sie aber vor seiner Gemahlin und dem Hof zu verbergen.

Am Abend des 18. August 1765 wollte er das neue Ballett Iphigénie in der Choreographie

von Gasparo Angiolini sehen, das im Anschluss an die Aufführung von Goldonis Komödie Il

tutore gegeben wurde. Der Kaiser sei dabei – nach Aussage Khevenhüllers – „meistentheils in

der grossen mittern Loge gebliben und al solito mit dem Perspectiv in der Hand, um gegen

das Théâtre und die Gallerien, wo sich die Dames befanden, genauer sehen zu können“.37

Kurz nach neun Uhr verließ der Kaiser seine Loge, um über den „Fröhlichsgang“ in die

Hofburg zurückzukehren, doch sollte er sein Appartement nicht mehr erreichen. An der

Treppe, die zu den Gemächern seines Sohnes führte, brach er zusammen und erlag nur wenig

später einem Schlaganfall.38

Gegen Mitternacht wurde er zunächst behelfsmäßig aufgebahrt und am folgenden Morgen

von einem Maler, wahrscheinlich dem Lothringer Gabrielle Bertrand, porträtiert. Gleichzeitig

traf man im Riesensaal Vorkehrungen, um den Verstorbenen dort öffentlich aufzubahren.39

35

Khevenhüller-Metsch / Schlitter 1925:121 (8. Aug. 1765); Großegger 1987: 242 (8. Aug. 1765). 36

Das von/ Gott gesegnete Beylager/ Des Durchleuchtigsten/ Erzherzogs von Oesterreich/ Petri Leopoldi

Josephi/ Königlicher Hoheit/ Durch/ Ein Schäferspiel/ vorgestellt/ In der/ I. aufgesuchten;/ II. gefundenen;/ III.

heimgeführten/ Braut Isaaks Rebecka./ Zur unterthänigsten Freudbezeigung und Dankgeflissenheit/ Von dem/

Collegio der Gesellschaft Jesu zu Innsbruck/ auf deutscher Schaubühne aufgeführet/ Nebst einem/ in

deutsch=lateinisch= und griechischer Sprache/ verfertigten Singspiel/ Mit Begnehmigung hoher Behörde/ Im

1765sten

Jahre./ Gedruckt in der K.K. Hofbuchdruckerey mit Wagnerischen Schriften. 37

Khevenhüller-Metsch / Schlitter 1925:124 (18. Aug. 1765); Großegger 1987: 243 (18. Aug. 1765). 38

Zu den näheren Umständen des Todes vgl. den Bericht des Sekretärs Corneille François de Neny in: Bernard /

Zedinger 2005: 145–146; vgl. auch Wienerisches Diarium 1765, Num. 69. Mittwochs=anhang den 28. Augusti

1765 (Inspruch 21. Augusti). 39

Vgl. Hanzl-Wachter 2005: 54–55.

9

Nach drei Tagen wurde der Leichnam Franz Stephans in Hall eingeschifft und nach Wien

transportiert, wo er nochmals drei Tage lang aufgebahrt und dann in der Kapuzinergruft

beigesetzt wurde.40

Am 30. August traten Erzherzog Leopold – immer noch von seiner Darmerkrankung

gezeichnet – und Maria Ludovica als neues Großherzogspaar von Toskana ihre Reise nach

Florenz an, wo sie am 13. September feierlich einzogen.

Auch Maria Theresia konnte an den Trauerfeierlichkeiten in Wien nicht teilnehmen, sondern

blieb bis zum 2. September in Innsbruck, wo sie die wesentlichen Anordnungen zur

Einrichtung einer Hofkapelle im Sterbezimmer Franz Stephans und zur Gründung des

Adeligen Damenstifts traf.41

In Wien war die Todesnachricht bereits am 21. August 1765 eingetroffen; umgehend ordnete

man strenge Hoftrauer bis Ende 1766 an und stellte alle öffentlichen Theater- und

Musikaufführungen ein.42

Die französischen Schauspieler des Hofburgtheaters wurden

entlassen, die deutschen des Kärntnertortheaters zwar auf Wunsch Josephs II. behalten,

jedoch auf halbe Wochengage gesetzt; den Opernsängern und Tänzern wurde hingegen

freigestellt, auf die Aufhebung der Hoftrauer zu warten oder sich nach anderen

Auftrittsmöglichkeiten umzusehen – was die meisten verständlicherweise taten, um sich ihren

Lebensunterhalt zu sichern.

Der kaiserliche Hofdichter Metastasio musste zwar nicht um seine Anstellung bangen, doch

konnte nun seine neue kleine Festoper La corona, die nach Rückkehr des Hofes zum

Namenstag Franz Stephans in Wien präsentiert werden sollte, nicht mehr aufgeführt werden.

Dabei waren sowohl die Musik von Gluck als auch die Dekorationen bereits fertiggestellt,

und Metastasio war jeden Tag nach Schönbrunn gefahren, um die Oper mit den

Erzherzoginnen einzustudieren.43

Die Hoftrauer wurde nach den ersten sechs Monaten im Abstand von sechs Wochen

gelockert; der letzte offizielle Trauertag bei Hof war der 15. Oktober 1766, während im

öffentlichen Leben der Stadt die Trauerzeit schon nach sieben Monaten zu Ende gegangen

war, und Theater und Musik schon längst wieder Einzug in der Stadt gehalten hatten.

Im selben Jahr 1766 begann in Innsbruck die entscheidende Neugestaltung der Hofburg,

wobei u.a. der Riesensaal zu einem prachtvollen habsburg-lothringischen Ahnensaal

40

Vgl. zu Tod und Begräbnis Zedinger 2008: 289–296. 41

Vgl. Hanzl-Wachter 2005: 55–56.; Sauer 2010: 38–39. 42

ÖStA, HHStA, ZA Prot. 30, S. 172: „Noch diesen Nachmittag [sind] alle ofentliche Schau-Spielle, und

Musicken, verbothen, und eingestellet worden.“; vgl. zur Hoftrauer und ihren Auswirkungen auf das

Theaterleben: Gustav Zechmeister, Die Wiener Theater nächst der Burg und nächst dem Kärntnerthor von 1747

bis 1776 (Theatergeschichte Österreichs, III/2), Wien/Köln/Graz 1971, S. 269–271. 43

Vgl. zu La corona Joly 1978: 396–410.

10

umgestaltet wurde. Auch die steinerne Triumphpforte bekam auf Wunsch Maria Theresias ein

neues Aussehen und erinnert heute noch mit ihren beiden Fassaden sowohl an die freudigen

als auch an die tragischen Ereignisse des Jahres 1765.

Literaturverzeichnis

Quellen

Romolo et Ersilia/ Dramma per musica/ Rappresentato in occasione/ Delle felicissime Nozze/

Delle/ AA.LL.RR./ l’Arciduca Leopoldo d’Austria/ e/ l’Infanta D. Maria Luisa/ di Borbon/

Celebrate in Inspruch/ Alla presenza degli/ Augustissimi Regnanti/ L’Anno MDCCLXV./ in

Vienna,/ Nella Stamperia di Ghelen.

Enea in Italia./ Ballo eroico/ in occasione delle felicissime Nozze/ delle/ AA.LL.RR./

L’Arciduca Leopoldo/ d’Austria/ e/ l’Infanta D. Maria Luisa/ di Borbon/ eseguito a Inspruch/

l’anno 1765.

Das von/ Gott gesegnete Beylager/ Des Durchleuchtigsten/ Erzherzogs von Oesterreich/ Petri

Leopoldi Josephi/ Königlicher Hoheit/ Durch/ Ein Schäferspiel/ vorgestellt/ In der/ I.

aufgesuchten;/ II. gefundenen;/ III. heimgeführten/ Braut Isaaks Rebecka./ Zur

unterthänigsten Freudbezeigung und Dankgeflissenheit/ Von dem/ Collegio der Gesellschaft

Jesu zu Innsbruck/ auf deutscher Schaubühne aufgeführet/ Nebst einem/ in

deutsch=lateinisch= und griechischer Sprache/ verfertigten Singspiel/ Mit Begnehmigung

hoher Behörde/ Im 1765sten

Jahre./ Gedruckt in der K.K. Hofbuchdruckerey mit Wagnerischen

Schriften.

Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA), Ältere

Zeremonialakten, Kart. 69 (1765, I–VIII), 70 (1765, IX–XII), 71 (1765/66).

ÖStA, HHStA, Zeremonialprotokoll 29 (1763/64), 30 (1765)

ÖStA, HHStA, Hofzeremonielldepartement, Sonderreihe Vermählungen (ZA SR) 52:

Besonderes Kay: Königl: Hof=Protocollum Ceremonial de Annis 1764 et 1765. Die

Innsprugger Hof Reiße, und daselbst vorgegangene höchste Vermählung S.r Königl. Hoheit

des durchläuchtigsten zu Hungarn und Böheim Königl. Prinzen, Erzherzogen zu Oesterreich

Peter Leopold mit der durchläuchtigsten Spanischen Infantin Maria Ludovica Königl. Hoheit,

dann das allda sich so unvermuthet ereignete höchstseel. Hinscheiden Weyl. S.r Röm. Kay.

Maytt. Francisci des Ersten betreffend.

ÖStA, HHStA, Familienakten, Kart. 45 (1763/64), 46 (1765/66)

ÖStA, Hofkammerarchiv (HKA), Hofzahlamtsbuch (HZAB) 386: Particular Rechnung der

Kaiserlich=Königlichen Theatral Cassa in Wienn über die Auf allerhöchst=,

Kaiser=Königlichen Befehl zu Einrichtung deren bey glorreichester Vermählung Ihrer

Königl:en

Hoheiten des durchl:n Erzherzogs v: Österreich Petri Leopoldi und der durchl:

ten

11

Infantin v: Spanien Maria Louisa zu Inspruck in Tyrol von Hof aus abgehaltenen

Festivitaeten sowohl= als zu einem bey erfolgender Retour alhier in Wienn von denen

durchl:sten

jungen Herrschaften abzuhalten angetragen gewesten= wegen dem betrübtesten

Ableiben Weyl: Sr: May: des Kaisers Francisci Imi aber gänzl: unterbliebenen Festin: nicht

minder zu Legung eines eingelegten neuen Fußboden in denen Redouten Saalen u: Spiel

Zimmer invermeltermassen auf Verrechnung erhalten= und wiederum verwendete Gelder.

Wienerisches Diarium 1764 und 1765

Gazette de Vienne 1765

Literatur

Arneth, Alfred Ritter von (Hrsg.), Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und

Freunde, Bd. 2, Wien 1881.

Bernard, Bruno / Zedinger, Renate, „Schicksalsstadt Innsbruck. Corneille de Neny, Sekretär

Maria Theresias, berichtet von den Ereignissen im Sommer 1765“, in: Heppner, Harald /

Schmale, Wolfgang (Hrsg.), Festung und Innovation (Jahrbuch der Österreichischen

Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 20), Bochum 2005, S. 127–146.

Großegger, Elisabeth, Theater, Feste und Feiern zur Zeit Maria Theresias 1742–1776

(Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse der ÖAW, 476 / Veröffentlichungen des Instituts für

Publikumsforschung, 12), Wien 1987.

Hanzl-Wachter, Lieselotte, Hofburg zu Innsbruck. Architektur, Möbel, Raumkunst.

Repräsentatives Wohnen in den Kaiserappartements von Maria Theresia bis Kaiser Franz

Joseph (Museen des Mobiliendepots, 17), Wien/Köln/Weimar 2004.

Hanzl-Wachter, Lieselotte, „Ausstattung und Einrichtung der Hofburg zu Innsbruck im späten

18. und 19. Jahrhundert“, in: Noflatscher, Heinz / Niederkorn, Jan Paul (Hrsg.), Der

Innsbrucker Hof. Residenz und höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19. Jahrhundert

(Archiv für österreichische Geschichte 138), Wien 2005, S. 109–121: 109–113.

Joly, Jacques, Les fêtes théâtrales de Métastase à la cour de Vienne (1731–67), Clermont-

Ferrand 1978.

Khevenhüller-Metsch, Rudolf Graf / Schlitter, Hanns (Hrsg.), Aus der Zeit Maria Theresias.

Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller Metsch 1742–1776, Bd. 6, Wien 1925.

Kollreider, Monika, Hofreisen Maria Theresias, Wien, phil. Diss. 1965.

Koschatzky, Walter (Hrsg.), Maria Theresia und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von

1740–1780 aus Anlaß der Wiederkehr des Todestages der Kaiserin, Salzburg–Wien 1979.

Krapf, Michael / Reiter, Cornelia (Hrsg.), Das Zeitalter Maria Theresias. Meisterwerke des

Barock (Ausstellung, Musée national d’histoire et d’art Luxemburg, 18. Nov. 2006–11. Feb.

2007), Luxemburg 2006.

12

Die Kunstdenkmäler der Stadt Innsbruck. Die Hofbauten (Österreichische Kunsttopographie,

47), Wien 1986.

Kunz, Harald, „Höfisches Theater in Wien zur Zeit der Maria Theresia“, in: Jahrbuch der

Gesellschaft für Wiener Theaterforschung 1953/54 (Wien 1958), S. 3–113.

Maria Theresia und ihre Zeit (Ausstellung, Schloss Schönbrunn, 13. Mai–26. Okt. 1980),

Salzburg/Wien 1980.

Maddalena, Leonie de, „I fratelli Galliari e le scenografie per l’opera Romolo e Ersilia“, in:

Grafica d’arte 17 (1994), S. 34–37.

Maddalena, Leonie de, „Die Gebrüder Galliari und die Festopern Metastasios. Unter

besonderer Berücksichtigung der festa teatrale Partenope (1767)“, in: Sommer-Mathis /

Hilscher, Elisabeth Th. (Hrsg.), Pietro Metastasio – uomo universale (1698–1782). Festgabe

der ÖAW zum 300. Geburtstag von Pietro Metastasio (Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse

der ÖAW, 676), Wien 2000, S. 143–156.

Mathis, Andrea, „Tu felix Austria nube“ aus theaterwissenschaftlicher Sicht. Theatrale

Festveranstaltungen anläßlich der Hochzeiten Maria Theresias und ihrer Kinder, Wien, phil.

Diss. 1981.

Mellace, Raffaele, Johann Adolf Hasse (L’amoroso canto, 1), Palermo 2004.

Mellace, Raffaele, L’autunno del Metastasio. Gli ultimi drammi per musica di Johann Adolf

Hasse (Historiae Musicae Cultores, CX), Firenze 2007.

Mur i Raurell, Anna / Rudolf, Karl Friedrich, „La boda entre el Archiduque Pedro Leopoldo y

la Infanta Maria Luisa“, in: Duelos de Amor y Lealtad: Comedia escrita por D. Pedro

Calderón de la Barca, Bd. 2, Madrid 2000, S. 239–261.

Muraro, Maria Teresa (Hrsg.), Metastasio, e il mondo musicale, Firenze 1986.

Noflatscher, Heinz / Niederkorn, Jan Paul (Hrsg.), Der Innsbrucker Hof. Residenz und

höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19. Jahrhundert (Archiv für österreichische

Geschichte 138), Wien 2005.

Pangels, Charlotte, Die Kinder Maria Theresias. Leben und Schicksal in kaiserlichem Glanz,

München 1980.

Peham, Helga, Leopold II. Herrscher mit weiser Hand, Graz 1987.

Rothe, Carl (Hrsg.), Maria Theresia. Die Mutter und die Kaiserin. Briefe der Maria Theresia

an ihre Kinder und Vertrauten. Aus dem Franz. übertragen, Wien/München 1968.

Sala di Felice, Elena, Metastasio. Ideologia, drammaturgia, spettacolo, Milano 1983.

Sala di Felice, Elena / Caira Lumetti, Rossana (Hrsg.), Il melodramma di Pietro Metastasio.

La poesia, la musica, la messa in scena e l’opera italiana nel Settecento, Roma 2001.

Sauer, Benedikt, Hofburg Innsbruck, Wien/Bozen 2010.

13

Schlachta, Astrid von, „Nur ein Blick ‚durch ein verborgenes fenster‘? Repräsentation und

Wandel am Innsbrucker Hof (1648–1800)“, in: Noflatscher, Heinz / Niederkorn, Jan Paul

(Hrsg.), Der Innsbrucker Hof. Residenz und höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19.

Jahrhundert (Archiv für österreichische Geschichte 138), Wien 2005, S. 53–88: 82–85.

Senn, Walter, Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Geschichte der Hofkapelle vom 15.

Jahrhundert bis zu deren Auflösung im Jahre 1748, Innsbruck 1954.

Simek, Ursula, Das Berufstheater in Innsbruck im 18. Jahrhundert. Theater im Zeichen der

Aufklärung in Tirol (Theatergeschichte Österreichs, II/4), Wien 1992.

Sommer-Mathis, Andrea, Tu felix Austria nube. Hochzeitsfeste der Habsburger im 18.

Jahrhundert (dramma per musica, 4).Wien 1994.

Sommer-Mathis, Andrea / Hilscher, Elisabeth Th. (Hrsg.), Pietro Metastasio – uomo

universale (1698–1782). Festgabe der ÖAW zum 300. Geburtstag von Pietro Metastasio

(Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse der ÖAW, 676), Wien 2000.

Strohm, Reinhard, Die italienische Oper im 18. Jahrhundert (Taschenbücher zur

Musikwissenschaft, 25), Wilhelmshaven 1979

Strohm, Reinhard, Dramma per musica. Italian Opera Seria of the Eighteenth Century, New

Haven/London 1997.

Trapp, Oswald, „Maria Theresia und Tirol“, in: Walter Koschatzky (Hrsg.), Maria Theresia

und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740–1780 aus Anlaß der Wiederkehr des

Todestages der Kaiserin, Salzburg–Wien 1979, S. 131–137.

Wandruszka, Adam, Leopold II. Erzherzog von Österreich, Großherzog von Toskana, König

von Ungarn und Böhmen, Römischer Kaiser, 2 Bde., Wien–München 1963/65.

Zechmeister, Gustav, Die Wiener Theater nächst der Burg und nächst dem Kärntnerthor von

1747 bis 1776 (Theatergeschichte Österreichs, III/2), Wien/Köln/Graz 1971.

Zedinger, Renate, Hochzeit im Brennpunkt der Mächte. Franz Stephan von Lothringen und

Erzherzogin Maria Theresia (Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur

Erforschung des 18. Jahrhunderts, 3), Wien/Köln/Weimar 1994.

Zedinger, Renate, Franz Stephan von Lothringen (1708–1765). Monarch, Manager, Mäzen

(Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 13),

Wien/Köln/Weimar 2008.

Zedinger, Renate / Schmale, Wolfgang (Hrsg.), Franz Stephan von Lothringen und sein Kreis

(Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 23),

Bochum 2009.

14

Bilder:

Abb. 1: Erzherzog Leopold und Prinzessin Maria Ludovica, aus: Benedikt Sauer, Hofburg

Innsbruck, Wien/Bozen, 2010, S.24.

15

Abb. 2: Titelblatt der Prunkausgabe von "Romolo ed Ersilia".

16

Abb. 3: Frontispiz und Titelblatt des ersten Bandes der venezianischen Ausgabe der Werke

Pietro Metastasios (Opere del Signor Ab. Pietro Metastasio ... Venedig: Antonio Zatta 1781),

aus: Sommer-Mathis, Andrea / Hilscher, Elisabeth Th. (Hrsg.), Pietro Metastasio - uomo

universale (1698-1782). Festgabe der ÖAW zum 300. Geburtstag von Pietro Metastasio

(Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse der ÖAW, 676), Wien 2000

17

Abb. 4: Johann Adolf Hasse (Kupferstich von Lorenzo Zucchi nach einem Gemälde von

Pietro Antonio Rotari), aus: Sommer-Mathis, Andrea / Hilscher, Elisabeth Th. (Hrsg.), Pietro

Metastasio - uomo universale (1698-1782). Festgabe der ÖAW zum 300. Geburtstag von

18

Pietro Metastasio (Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse der ÖAW, 676), Wien 2000, Abb.

36.

Abb. 5: Kaiser Franz I. auf dem Totenbett, aus: Benedikt Sauer, Hofburg Innsbruck,

Wien/Bozen, 2010, S.33.