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Alphabetisierung von erwachsenen Migrantinnen und Migranten in Deutschland Die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur Lehrwerkauswahl Erstgutachterin: Prof. Dr. Britta Hufeisen Zweitgutachterin: Prof. Dr. Nina Janich Wissenschaftliche Hausarbeit für das Lehramt an Gymnasien im Fach Deutsch Eingereicht dem Amt für Lehrerbildung in Darmstadt am 11.11.2011 von Susanne Schröder WS 2011/2012

Alphabetisierung von erwachsenen Migrantinnen und ... · Anforderungen stellen verschiedene Personengruppen aus ihren Perspektiven an ein Alphabetisierungslehrwerk? Zur Beantwortung

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Alphabetisierung von erwachsenen Migrantinnen und Migranten

in Deutschland

Die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur Lehrwerkauswahl

Erstgutachterin: Prof. Dr. Britta Hufeisen

Zweitgutachterin: Prof. Dr. Nina Janich

Wissenschaftliche Hausarbeit für das Lehramt an Gymnasien im Fach Deutsch

Eingereicht dem Amt für Lehrerbildung in Darmstadt am 11.11.2011 von Susanne Schröder

WS 2011/2012

Seite 2

So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muß sie für fertig erklären,

wenn man nach Zeit und Umständen das Mögliche gethan hat.

(J.W. von Goethe)

Inhaltsverzeichnis Seite 3

Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .................................................................................... 7

Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................ 8

1 Einleitung ............................................................................................................................ 9

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland ..................... 13 2.1 Analphabetismus .................................................................................................................... 13

2.1.1 Begriffe und Definitionen .................................................................................................. 13 2.1.2 Ursachen von Analphabetismus und Literarität als Folge von Wanderung ...................... 17 2.1.3 Relevanz der Thematik ...................................................................................................... 20

2.2 Alphabetisierungsbemühungen ............................................................................................. 23 2.2.1 Die Alphabetisierungsbemühungen aus historischer Sicht ................................................ 23 2.2.2 Stand der Alphabetisierungsbemühungen hinsichtlich erwachsener Migrantinnen und Migranten ....................................................................................................................................... 26

2.2.2.1 Historische Entwicklung ........................................................................................................... 26 2.2.2.2 Weitere Entwicklung und Forschungslage in der Bundesrepublik Deutschland ...................... 27

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich ..................... 31 3.1 Grundlagen und Herausforderungen des Schriftspracherwerbs ...................................... 31

3.1.1 Der Stellenwert der Lautsprache und das phonologische Bewusstsein ............................. 31 3.1.2 Leistungen eines Schriftsprachlernenden .......................................................................... 33

3.2 Schriftspracherwerb im Erwachsenenalter ......................................................................... 35 3.2.1 Die Schriftspracherwerbsmodelle von Frith und Günther ................................................. 36 3.2.2 Adaption des Modells für die Erwachsenenbildung .......................................................... 38

3.3 Alphabetisierung in der Erst- oder Zweitsprache? ............................................................. 40 3.3.1 Alphabetisierung in der Erstsprache .................................................................................. 40 3.3.2 Alphabetisierung in der Zweitsprache ............................................................................... 42

3.4 Folgerungen für die Unterrichtspraxis ................................................................................ 44

4 Alphabetisierungspraxis .................................................................................................. 47 4.1 Konzepte, Curricula und Richtlinien ................................................................................... 47 4.2 Rahmenbedingungen ............................................................................................................. 49 4.3 Inhalte und Lernziele ............................................................................................................. 50 4.4 Methoden ................................................................................................................................. 50

4.4.1 Methoden aus der Alphabetisierung deutschsprachiger Illiterater .................................... 51 4.4.1.1 Eignung der Methoden für die Alphabetisierung illiterater Migrantinnen und Migranten ....... 52

4.4.2 Methoden zur Alphabetisierung illiterater Migrantinnen und Migranten ......................... 54 4.4.2.1 Lesen durch Schreiben .............................................................................................................. 54 4.4.2.2 Silbenmethode ........................................................................................................................... 55 4.4.2.3 Phonetische Methoden .............................................................................................................. 56 4.4.2.4 Ansatz nach Maria Montessori .................................................................................................. 57 4.4.2.5 Spielerisches Lernen ................................................................................................................. 59 4.4.2.6 Kontrastivmethode .................................................................................................................... 60

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht .............................. 63 5.1 Alphabetisierungslehrwerke im Migrationsbereich ........................................................... 63 5.2 Zur Bedeutung des Lehrwerks im Unterricht ..................................................................... 64 5.3 Lehrwerkforschung und Lehrwerkkritik ............................................................................ 66 5.4 Lehrwerkgenerationen ........................................................................................................... 70

Inhaltsverzeichnis Seite 4

5.5 Kriterienkataloge ................................................................................................................... 72 5.5.1 Das Mannheimer Gutachten .............................................................................................. 73 5.5.2 Der Stockholmer Kriterienkatalog ..................................................................................... 75 5.5.3 Fragen zur Beurteilung von Lehrwerken in Kursen, die vom Sprachverband DfaA gefördert werden ............................................................................................................................ 76 5.5.4 Qualitätsmerkmale von Lehrwerken .................................................................................. 78

5.6 Relevanz der Kriterien für ein Alphabetisierungslehrwerk .............................................. 79

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung ...................................................... 81 6.1 Gegenstand und Zielsetzung der Untersuchung ................................................................. 81 6.2 Das Forschungsdesign ............................................................................................................ 81 6.3 Datenerhebung und -aufbereitung ....................................................................................... 83

6.3.1 Interviewvorbereitung ........................................................................................................ 83 6.3.2 Durchführung und Transkription der Interviews ............................................................... 84 6.3.3 Datenauswertungsmethode und Vorgehen ........................................................................ 85

7 Datenauswertung .............................................................................................................. 87 7.1 Vorstellung der Interviewpartnerinnen ............................................................................... 87

7.1.1 Die Lernende ..................................................................................................................... 87 7.1.2 Die Kursleiterin ................................................................................................................. 87 7.1.3 Die Forschende .................................................................................................................. 87 7.1.4 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) .................................................. 88

7.2 Rahmenbedingungen für den Einsatz von Alphabetisierungslehrwerken ....................... 88 7.2.1 Kategorie 1: Zielgruppenspezifische Rahmenbedingungen .............................................. 88

7.2.1.1 Kategorie 1.1: Ausstattung und Kurssystematik ....................................................................... 88 7.2.1.2 Kategorie 1.2: Alphabetisierungssprache .................................................................................. 89 7.2.1.3 Kategorie 1.3: Alphabetisierungslehrwerke und Lehrwerkverwendung ................................... 90

7.2.2 Kategorie 2: Heterogenität ................................................................................................. 91 7.2.2.1 Kategorie 2.1: Herkunft, Lerngeschichte und Kurszusammensetzung ..................................... 91 7.2.2.2 Kategorie 2.2: Motivation ......................................................................................................... 92 7.2.2.3 Kategorie 2.3: Sprachkenntnis .................................................................................................. 92 7.2.2.4 Kategorie 2.4: Sprachspezifische Schwierigkeiten ................................................................... 93

7.2.3 Kategorie 3: Arbeitsatmosphäre ........................................................................................ 93 7.3 Anforderungen an ein Alphabetisierungslehrwerk ............................................................ 94

7.3.1 Kategorie 4: Allgemeine Lehrwerkgestaltung ................................................................... 94 7.3.1.1 Kategorie 4.1: Layout, Aufbau und Struktur ............................................................................. 94 7.3.1.2 Kategorie 4.2: Aufgaben- und Übungskonzeption .................................................................... 94 7.3.1.3 Kategorie 4.3: Bebilderung ....................................................................................................... 95 7.3.1.4 Kategorie 4.4: Mediales Angebot/Zusatzangebot ..................................................................... 95 7.3.1.5 Kategorie 4.5: Berücksichtigung von curricularen Vorgaben und Richtlinien ......................... 96

7.3.2 Kategorie 5: Inhaltskonzeption .......................................................................................... 96 7.3.2.1 Kategorie 5.1: Buchstaben und Laute ....................................................................................... 96 7.3.2.2 Kategorie 5.2: Themen .............................................................................................................. 97 7.3.2.3 Kategorie 5.3: Lernprogression ................................................................................................. 97 7.3.2.4 Kategorie 5.4: Landeskunde ...................................................................................................... 98 7.3.2.5 Kategorie 5.5: Lernen lernen und Grundbildung ...................................................................... 98 7.3.2.6 Kategorie 5.6: Alltagsrelevanz und Authentizität ..................................................................... 98 7.3.2.7 Kategorie 5.7: Selbstlernangebote ............................................................................................. 98

7.3.3 Kategorie 6: Sprachkompetenzen ...................................................................................... 99 7.3.3.1 Kategorie 6.1: Phonologische Bewusstheit ............................................................................... 99 7.3.3.2 Kategorie 6.2: Aussprache ........................................................................................................ 99 7.3.3.3 Kategorie 6.3: Orthografie ........................................................................................................ 99

Inhaltsverzeichnis Seite 5

7.3.3.4 Kategorie 6.4: Wortschatz ......................................................................................................... 99 7.3.3.5 Kategorie 6.5: Leseverständnis/Textarbeit .............................................................................. 100 7.3.3.6 Kategorie 6.6: Grammatik ....................................................................................................... 100 7.3.3.7 Kategorie 6.7: Sprachhandlungswissen ................................................................................... 101

7.3.4 Kategorie 7: Methodische Anforderungen ...................................................................... 101 7.3.5 Auswertung des Struktur-Lege-Verfahrens ..................................................................... 101

7.4 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse .......................................................... 104 7.5 Ein Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke .................................................... 108

7.5.1 Das Konzept des Kriterienkatalogs ................................................................................. 108 7.5.2 Ein Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke ..................................................... 110 7.5.3 Diskussion des Kriterienkatalogs .................................................................................... 115

7.6 Reflexion der methodischen Vorgehensweise .................................................................... 115

8 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................. 117

Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 120

Anhang ................................................................................................................................... 130

Übersicht Anhang Seite 6

Übersicht Anhang (auf CD-ROM)

A. Leitfäden ........................................................................................................................ 130 A.1. Leitfaden Lernende ............................................................................................................. 130

A.1.1. Verwendete Materialien: Arbeitsblatt 1 ......................................................................... 131 A.1.2. Verwendete Materialien: Arbeitsblatt 2 ......................................................................... 132

A.2. Leitfaden Kursleitende ....................................................................................................... 133 A.3. Leitfaden Forschende .......................................................................................................... 134 A.4. BAMF-Anfrage .................................................................................................................... 135

B. Hinweise zur Interviewtranskription .......................................................................... 137 B.1. Allgemeine Hinweise ........................................................................................................... 137 B.2. Transkriptionskonventionen .............................................................................................. 137

C. Transkripte .................................................................................................................... 138 C.1. Lernende ............................................................................................................................... 138 C.2. Interview Kursleitende ........................................................................................................ 145 C.3. Interview Forschende .......................................................................................................... 154 C.4. Interview BAMF: Schriftliche Stellungnahme ................................................................. 171

D. Fotos Struktur-Lege-Verfahren ................................................................................... 174 D.1. Kursleitende ......................................................................................................................... 174 D.2. Forschende ........................................................................................................................... 175

E. Kategorien der qualitativen Inhaltsanalyse ................................................................ 176 E.1. Übersicht über die Kategorien ........................................................................................... 176 E.2. Kategoriendefinitionen ....................................................................................................... 177

E.2.1. Allgemeine Hinweise ...................................................................................................... 177 E.2.2. Kategorie 1: Zielgruppenspezifische Rahmenbedingungen ........................................... 177 E.2.3. Kategorie 2: Heterogenität .............................................................................................. 178 E.2.4. Kategorie 3: Arbeitsatmosphäre ..................................................................................... 179 E.2.5. Kategorie 4: Allgemeine Lehrwerkgestaltung ................................................................ 180 E.2.6. Kategorie 5: Inhaltskonzeption ....................................................................................... 181 E.2.7. Kategorie 6: Sprachkompetenz ....................................................................................... 184 E.2.8. Kategorie 7: Methodische Anforderungen ..................................................................... 186 E.2.9. Kategorie 8: Sonstiges .................................................................................................... 186

E.3. Kategorienzuordnung ......................................................................................................... 187 E.3.1. Auswertung nach Interview und Zeilennummer ............................................................ 187 E.3.2. Auswertung nach Kategorie ........................................................................................... 226

!

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Seite 7

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Schriftsprachliche Kompetenzen..................................................................................16

Abbildung 2: Alphabetisierungsstand.................................................................................................22

Abbildung 3: Lese- und Schreibstrategien in ihrer Entwicklung........................................................38

Abbildung 4: Strukturbild Forschende..............................................................................................101

Abbildung 5: Strukturbild Kursleitende............................................................................................102

Tabelle 1: Die Kategorien des Mannheimer Gutachtens 2............................................................73

Tabelle 2: Die Kategorien des Stockholmer Kriterienkatalogs.....................................................75

Tabelle 3: Kategorien des Sprachverbandes DfaA e.V. ................................................................76

Tabelle 4: Kategorien der Qualitätsmerkmale von Lehrwerken....................................................77

Tabelle 5: Zusammenfassung der Kategorien................................................................................79

Tabelle 6: Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke.......................................................109

Abkürzungsverzeichnis Seite 8

Abkürzungsverzeichnis

BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung

Sprachverband DfaA Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e.V.

DaF Deutsch als Fremdsprache

DUK Deutsche UNESCO-Kommission

GER Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen

LEO Level One Studie

IALS International Adult Literacy Survey

PAGES Projekt Alphabetisierung und Grundbildung für Erwachsene im Sozialraum

UE Übungseinheiten

UIS UNESCO Institute for Statistics

UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

VHS Volkshochschule

1 Einleitung Seite 9

1 Einleitung

Vorher konnte ich gar nichts und jetzt kann ich S11 lesen (Forschende, Z. 162).

Dieses Zitat einer Teilnehmenden aus einem Alphabetisierungskurs für Migrantinnen und

Migranten veranschaulicht zum einen, wie notwendig das Lesen-und-Schreiben-Können

in der deutschen Gesellschaft ist, um sich im Alltag zu orientieren. Zum anderen

verdeutlicht es, dass bereits geringe Kenntnisse in der lateinischen Schrift große Erfolge

im Leben einzelner Personen bewirken können.

Eine Alltagsbewältigung, ohne lesen zu können, ist für die meisten von uns unvorstellbar.

Dabei geht es nicht zwangsläufig um die Lektüre von Schiller oder Goethe. Schließlich

beginnt ein normaler Tag häufig mit der Zeitung auf dem Frühstückstisch, dem Lesen der

Post oder der E-Mails. Ohne Schriftkenntnisse bleiben auch Fahrpläne oder Speisekarten

unverständlich. Damit verschönert das Lesen nicht nur die Freizeit, sondern es erfüllt vor

allem den Zweck der Informationsaufnahme.

Auch das Schreiben ist fester Bestandteil unseres Alltags: die schnelle Notiz, der

Einkaufszettel, die Beantwortung der Post oder der E-Mails. Und trotzdem leben in

Deutschland Menschen, die weder lesen noch schreiben können: Sie sind Analphabeten

(vgl. Döbert/Hubertus 2000, S. 6).

Analphabetismus ist immer noch ein Tabuthema in Deutschland. Während auf deutsche

bedingt funktionale Analphabetinnen und Analphabeten2 seit den 1980er Jahren durch

verschiedene Massenkampagnen aufmerksam gemacht wurde, ist die Form des primären

Analphabetismus3 bislang kaum im öffentlichen Bewusstsein thematisiert worden. In

Anbetracht dessen verwundert es kaum, dass illiterate Migrantinnen und Migranten als

Randgruppe noch weniger Beachtung finden. Sie haben aufgrund der mangelnden

sprachlichen und schriftsprachlichen Kenntnisse keine politische Lobby, die das Thema

öffentlich machen könnte (vgl. Linde 2001, S. 7). Auch in der bildungspolitischen

Fachöffentlichkeit wird das Problem Analphabetismus bei Einwanderern verschwiegen

und verdrängt:

Muttersprachliche Heterogenität im Kurs und das Fehlen von erwachsenengemäßen

Unterrichtskonzepten sowie die kaum vorhandenen Fortbildungsmöglichkeiten für

Kursleiter haben dazu beigetragen, dass die Alphabetisierungsarbeit bis heute keine

Beachtung gefunden hat (Feldmeier 2005b, S. 42).

Bezüglich der Analphabetismusforschung im Migrationsbereich lässt sich entsprechend

ein enormes Defizit feststellen, besonders im Bereich der Lehrwerkforschung und

-entwicklung. Bisher gibt es auf dem deutschen Markt nur etwa ein Dutzend 1 Nummer eines öffentlichen Verkehrsmittels. 2 Personen, die in der Schule nur rudimentäre Schriftsprachkenntnisse erworben haben (vgl. Kapitel 2.1.1). 3 Hierzu zählen Personen, die keine Schriftsprachkenntnisse besitzen (vgl. Kapitel 2.1.1).

1 Einleitung Seite 10

Alphabetisierungslehrwerke für erwachsene Migrantinnen und Migranten, von denen

kaum eines den Ansprüchen der Zielgruppe gerecht wird. Viele Ansätze sind der

Alphabetisierung von deutschen Erwachsenen oder aus der Grundschulpädagogik

entlehnt und bieten dementsprechend nicht die nötige Zielgruppenspezifizierung. Erst in

den vergangenen fünf Jahren wurden vereinzelt Projekte ins Leben gerufen, die sich mit

unterschiedlichen methodisch-didaktischen Aspekten der Alphabetisierung erwachsener

Migrantinnen und Migranten beschäftigen.

Welche Relevanz eine tiefgründige Lehrwerkforschung in der Alphabetisierung

ausländischer Einwanderer hat, erklärt sich unter anderem aus dem hohen Stellenwert, der

einem Alphabetisierungslehrwerk beigemessen wird. Institutionen, die vom Bundesamt

für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderte Alphabetisierungskurse für

erwachsene Migrantinnen und Migranten anbieten, sind verpflichtet, mit einem durch das

Amt zugelassenen Alphabetisierungslehrwerk zu unterrichten (BAMF 2011b). Des

Weiteren befürworten viele Anbieter von Alphabetisierungskursen, wie

Volkshochschulen, ein festes Lehrwerk in bestimmten Kursstufen, um Kurswechsel für

Teilnehmende einfacher zu gestalten. Diese Umstände tragen dazu bei, dass das Lehrwerk

ein elementarer Bestandteil des Alphabetisierungsunterrichts ist. Vor allem die

Beschaffenheit des Lehrwerks, das im Mittelpunkt des Unterrichtgeschehens steht, wirkt

sich auf die Qualität der Alphabetisierungskurse aus und fungiert als verstecktes

Curriculum. Eine weitere Erforschung und Entwicklung von

Alphabetisierungslehrwerken für erwachsene Migrantinnen und Migranten ist daher

erforderlich.

Die vorliegende Arbeit mit dem Thema Alphabetisierung erwachsener Migrantinnen und

Migranten in Deutschland. Die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur Lehrwerkanalyse

soll einen Vorstoß in diese Forschungslücke wagen und Alphabetisierungslehrwerke für

erwachsene Migrantinnen und Migranten thematisieren. Dementsprechend beziehen sich

alle folgenden Angaben auf illiterate erwachsene Migrantinnen und Migranten oder auf

Zweitschriftlernende. Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Ausarbeitung ist auf die

folgenden zwei Fragestellungen ausgerichtet: Welche Rahmenbedingungen ergeben sich

für Alphabetisierungslehrwerke aufgrund der Lehr- und Lernsituation? Welche

Anforderungen stellen verschiedene Personengruppen aus ihren Perspektiven an ein

Alphabetisierungslehrwerk?

Zur Beantwortung dieser Fragen werden im Rahmen des Forschungsanliegens

stellvertretend für vier Personengruppen jeweils eine Lernende aus einem

Alphabetisierungskurs, eine Kursleiterin eines Alphabetisierungskurses, eine Forschende

in der Thematik Alphabetisierung erwachsener Migrantinnen und Migranten und das

BAMF, als zuständige bildungspolitische Institution, zum Thema

1 Einleitung Seite 11

Alphabetisierungslehrwerke befragt. Ziel der Ausarbeitung wird es sein, anhand der

Forschungsergebnisse einen Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke zu

entwickeln.

Die vorliegende Ausarbeitung ist in zwei Haupteile untergliedert. In einem theoretischen

Abschnitt sollen die Grundlagen der Alphabetisierung und die Alphabetisierungsarbeit

erläutert sowie verschiedene Kriterienkataloge für den Fremdsprachenunterricht

vorgestellt werden. Zwar unterscheiden sich der Alphabetisierungs- und der

Fremdsprachenunterricht, etwa in den Voraussetzungen oder in der Progression, die

Kriterienkataloge sollen aber dennoch vorläufig zur Orientierung dienen, weil neben den

Unterschieden viele Aspekte auf den Alphabetisierungsunterricht übertragbar sind. Die in

den Kriterienkatalogen verwendeten Kriterien sollen anschließend im empirischen

Abschnitt dieser Arbeit anhand der erhobenen Daten auf ihre Relevanz für

Alphabetisierungslehrwerke überprüft und modifiziert werden.

Zur Einführung in die Thematik wird auf das Tabuthema Analphabetismus eingegangen

und die Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland werden erläutert. Die Aussagen

des ersten Kapitels beziehen sich auf die Arbeitsdefinitionen, die Ursachen von

Analphabetismus und die Relevanz der Thematik. Überdies werden die

Alphabetisierungsbemühungen aus historischer Sicht und ihr aktueller Stand dargestellt.

Im dritten Kapitel werden die grundlegenden Aspekte der Alphabetisierung im

Migrationsbereich vorgestellt. Hier wird zum einen auf die Grundlagen und

Herausforderungen des Schrifterwerbs eingegangen, zum anderen werden

Forschungsansätze zum Schriftspracherwerb im Erwachsenenalter erläutert. Im

Anschluss daran wird die Alphabetisierungssprache für in Deutschland lebende

Migrantinnen und Migranten diskutiert und die Ergebnisse werden hinsichtlich der

Unterrichtspraxis reflektiert. Nach der Darstellung der theoretischen Implikationen folgt

die Erläuterung praktischer Aspekte in der Alphabetisierungsarbeit. In diesem vierten

Kapitel stehen die curricularen Richtlinien, die Rahmenbedingungen, die Inhalte und

Lernziele sowie die Methoden im Alphabetisierungsunterricht im Mittelpunkt. Das letzte

Kapitel des theoretischen Abschnitts beschäftigt sich mit Alphabetisierungslehrwerken

und Kriterien für eine Lehrwerkanalyse. Bevor einzelne Kriterienkataloge vorgestellt

werden, soll die Bedeutung des Lehrwerks im Sprachunterricht thematisiert und die

Lehrwerkforschung und -kritik dargestellt werden. Abschließend werden die innerhalb

der Kriterienkataloge aufgegriffenen Kriterien zusammengefasst. Die Kriterien bilden

schließlich die Grundlage für den empirischen Teil der Ausarbeitung.

Im empirischen Teil dieser Ausarbeitung werden zunächst das bereits erläuterte

Forschungsanliegen und die Datenerhebung und -aufbereitung vorgestellt. Die

Auswertung der Ergebnisse und deren Diskussion erfolgen in dem sich anschließenden

1 Einleitung Seite 12

Kapitel. Die Daten werden mithilfe von leitfadengestützten Interviews erhoben und nach

Mayrings Methode der qualitativen Inhaltsanalyse (2010) ausgewertet. Der aus den

Ergebnissen entstandene Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke wird ebenfalls

in diesem Kapitel dargestellt und erläutert. Außerdem wird die methodische

Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung am Ende des siebten Kapitels reflektiert.

Im letzten Kapitel wird schließlich das Ergebnis dieser Arbeit zusammengefasst und der

weitere Forschungsbedarf formuliert.

Im Anhang befinden sich die erstellten Interviewleitfäden, die Transkriptionen der

Interviews und die Auswertung der Daten in tabellarischer Form. Da der Anhang sehr

umfangreich ist, wird er lediglich auf CD-ROM zur Verfügung gestellt.

Alle Einverständniserklärungen zur anonymen Verarbeitung der Daten liegen vor.

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 13

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland

Die historische und gesellschaftliche Existenz einer schriftlichen Form einer

Sprache zusätzlich zur gesprochenen Form führt dazu, zwischen literaten Menschen,

die eine Schriftsprache beherrschen, und illiteraten oder analphabetischen

Menschen, die keine Schriftsprache beherrschen, zu unterscheiden (Kamper 1994, S.

572).

In literaten Gesellschaften gehören schriftsprachliche Kenntnisse zu den grundlegenden

Fähigkeiten für die Regelung des menschlichen Alltags, und trotzdem leben auch in

Deutschland Analphabetinnen und Analphabeten (vgl. Linde 2001, S. 5).

Analphabetismus ist ein bislang wenig beachtetes Randthema in der deutschen

Öffentlichkeit, wenn nicht sogar ein Tabuthema (vgl. Roll/Schramm 2010, S. 5). In

diesem zweiten Kapitel soll daher nicht nur auf den Analphabetismus aufmerksam

gemacht, sondern auch für das Thema sensibilisiert werden. Zunächst werden daher die

zentralen Begriffe der Alphabetisierungsarbeit erläutert, bevor auf die Ursachen und

Folgen des Analphabetismus eingegangen wird. Neben der Relevanz der

Alphabetisierungsarbeit werden schließlich auch die vergangenen und aktuellen

Alphabetisierungsbemühungen dargestellt, um einen Überblick über die Entwicklung der

Alphabetisierungsarbeit zu geben.

2.1 Analphabetismus

2.1.1 Begriffe und Definitionen

„Illiterat oder analphabetisch4 zu sein, ist vom Begriff her eine Mangelbestimmung, das

Fehlen von Literarität, das Nichtverfügen über Schriftsprache“ (Kamper 1994, S. 573;

Hervorhebungen im Original). Wie bereits erwähnt, sind schriftsprachliche Kompetenzen

in literaten Kulturen die Grundlage der Alltagsbewältigung. Aus diesem Grund orientiert

sich auch die UNESCO-Definition an den Lebensumständen von Analphabetinnen und

Analphabeten: Sie sind „Personen, die nicht in der Lage [sind], einen kurzen einfachen

Text aus ihrem Alltag zu lesen, zu schreiben und zu verstehen“ (Sekretariat der Ständigen

Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 1989, S. 1).

Zurzeit wird unter dem Begriff Alphabetisierung jedoch weit mehr gefasst, als lesen und

schreiben zu können. Seit dem Beginn der 1990er Jahre werden grundlegende

Fähigkeiten, sogenannte basic skills, zunehmend bedeutend. Damit stehen 4 Literate Personen verfügen über schriftsprachliche Kompetenzen und haben grundlegende Fähigkeiten und

Kenntnisse, die von der jeweiligen Gesellschaft gefordert werden; illiterate oder analphabetische Personen haben in der Regel keine Schulbildung genossen oder besitzen nur rudimentäre schriftsprachliche Fähigkeiten. Die Prägung der Begriffe Literarität und Illiterarität fand vor allem durch internationale Vergleichsstudien wie IALS und PISA statt (vgl. Abraham/Linde 2009, S. 890).

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 14

Alphabetisierungskurse in der Verantwortung, neben dem Lesen und Schreiben auch

Grundkompetenzen, wie das Rechnen oder Lernstrategien und -techniken, zu vermitteln.

In der Forschung haben sich vier bedeutsame Definitionen von Analphabetismus

hinsichtlich schriftsprachlicher Kompetenzen5 konstituiert, die nach der Zeit oder dem

Kenntnisstand unterschieden werden (vgl. Abraham/Linde 2009, S. 890). Die Begriffe

primärer und sekundärer Analphabetismus beschreiben den Erwerbszeitpunkt: Primäre

Analphabetinnen und Analphabeten sind Personen, die keine Möglichkeit hatten, in ihrer

Kindheit die Schule zu besuchen oder schriftsprachliche Kompetenzen zu erwerben. Bei

primären Analphabetinnen und Analphabeten fehlen deshalb oft das ausgebildete

Sprachbewusstsein in der Erstsprache und die Erfahrung im Umgang mit Lehr- und

Lernmaterialien (vgl. Feldmeier 2009, S. 38). Primärer Analphabetismus ist ein

vorwiegendes Phänomen in Entwicklungsländern, betrifft – durch Migration bedingt –

aber auch die Industrieländer.

Von sekundärem Analphabetismus wird gesprochen, wenn die in der Schulzeit

erworbenen rudimentären Schriftsprachkenntnisse zu einem späteren Zeitpunkt wieder

verlernt oder sogar verdrängt werden. Zu einer Vermeidung des Schriftsprachgebrauchs

kann es unter anderem aufgrund von Diskriminierungsangst oder daraus erwachsenen

psychosomatischen Störungen kommen (vgl. Döbert-Nauert/Hubertus 2000, S. 23).

Migrantinnen und Migranten haben außerhalb ihres Herkunftslandes häufig wenige

Möglichkeiten, ihre bereits erworbenen schriftsprachlichen Fähigkeiten in der Erstsprache

einzusetzen, wodurch diese ebenfalls verlernt werden können.

Neben der Definition nach dem Erwerbszeitpunkt gibt es zwei weitere Definitionen, die

auf den Kenntnisstand der Schriftsprache abzielen. So werden unter dem Begriff totaler,

vollständiger oder natürlicher6 Analphabetismus Personen ohne jegliche

Schriftsprachkenntnisse gefasst (vgl. Abraham/Linde 2009, S. 891). Im Gegensatz zu

totalen haben funktionale Analphabetinnen und Analphabeten zumindest über einen

längeren Zeitraum die Schule besucht und rudimentäre Schriftsprachkenntnisse erwerben

können (vgl. Feldmeier 2009, S. 38). In der Definition des funktionalen Analphabetismus

ist die Schwelle zur Literarität variabel, da der Grad an schriftsprachlichen Kompetenzen

in Relation zur Gesellschaft gesehen wird. Sobald die literaten Kenntnisse einer Person

niedriger sind als die Normen, die eine Gesellschaft erfordert, liegt funktionaler

Analphabetismus vor. Durch Migration von einem eher oral-kulturell geprägten Land in

einen literaten Industriestaat kann es daher vorkommen, dass zuvor als alphabetisiert

5 Eine Unterscheidung nach mündlichen Kompetenzen kann nach dem Gemeinsamen Europäischen

Referenzrahmen (GER) (vgl. Trim/Quetz/Schieß 2007) auf der Niveau-Skala A1 bis C2 erfolgen. Für die Alphabetisierungsarbeit mit Erwachsenen sind lediglich die Kompetenzen bis einschließlich A2 relevant (vgl. ebd.; vgl. Feldmeier 2009, S. 45–46).

6 Begriff nach Linde (2001, S. 891): Da der Analphabetismus durch mangelnde Schulbildung nicht selbst verursacht ist, bezeichnet man ihn auch als natürlich.

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 15

betrachtete Personen zu funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten werden, da sich

die Anforderungen an literate Kenntnisse durch den Gesellschaftswechsel gewandelt

haben.

Döbert-Nauert bezieht in ihrer Definition daher auch die Tatsache des aktiven

Sprachgebrauchs mit ein:

Als funktionale Analphabeten werden [...] diejenigen bezeichnet, die aufgrund

unzureichender Beherrschung der Schriftsprache und/oder aufgrund der Vermeidung

schriftsprachlicher Eigenaktivität nicht in der Lage sind, Schriftsprache für sich im

Alltag zu nutzen (Döbert-Nauert 1985, S. 5).

Während Entwicklungsländer häufig von der Problematik des totalen Analphabetismus

betroffen sind, ist in den Industriestaaten aufgrund der Schulpflicht eher die Form des

funktionalen Analphabetismus verbreitet.

Auch wenn die Definitionen nach verschiedenen Betrachtungsweisen erschlossen werden

können, so sind doch die Bezeichnungen primäre/r und totale/r Analphabet/in im

Wesentlichen einheitlich: Es handelt sich bei primären oder totalen Analphabetinnen und

Analphabeten um Personen, die durch fehlende Schulbildung weder lesen noch schreiben

können.7 Funktionale Analphabetinnen und Analphabeten verfügen dagegen trotz

Schulbildung nur über rudimentäre schriftsprachliche Kompetenzen. Kommt es zur

bewussten Vermeidung der Lese- und Schreibfähigkeiten oder werden vorhandene

Kenntnisse nicht aktiv eingesetzt, wird von sekundärem Analphabetismus gesprochen.

Diese Personen werden im Folgenden als bedingt funktionale Analphabetinnen und

Analphabeten bezeichnet.8

Migrationsbedingt kann eine in einem nicht-lateinischen Schriftsystem vollständig

alphabetisierte Person jedoch trotz Erfüllung der gesellschaftlichen Normen zu einer

Analphabetin oder einem Analphabeten in einem Land mit lateinischem Schriftsystem

werden. In diesem Fall wird von einem Zweitschriftlernenden gesprochen. Im Vergleich

zu anderen Formen von Analphabetismus kann hier eine steilere Progression verfolgt

werden, da diese Personen über einen längeren Zeitraum die Schule besucht haben und so

zum einen bereits Lernstrategien und -techniken entwickeln konnten und sich zum

anderen bereits mit dem Konzept Schrift auseinandergesetzt haben (vgl. Feldmeier 2009,

S. 39).

7 Aus diesem Grund werden im Folgenden die Begriffe primärer und totaler Analphabetismus synonym verwendet. 8 Eine vollständig alphabetisierte Person wird dagegen als funktional alphabetisiert bezeichnet. Diese Bezeichnung

ist nicht mit dem Begriff funktionaler Analphabetismus zu verwechseln.

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 16

Auf Grundlage der gegebenen Definitionen ergibt sich für diese Arbeit folgendes Bild9:

In der deutschen Forschungsdebatte wird eine Alphabetisierung mit dem Erwerb von

Lese- und Schreibkompetenzen gleichgesetzt, während der englische Begriff literacy

neben diesen beiden Aspekten auch noch andere elementare Fähigkeiten, wie das

Rechnen und das Sprachverständnis, miteinschließt (vgl. Lenhart 2009, S. 599). Damit

wird der Begriff literacy der umfassenden Definition der UNESCO im weitesten Sinn

gerecht, die ebenso grundlegende Fähigkeiten beinhaltet: Analphabetinnen und

Analphabeten sind Personen,

die sich nicht beteiligen [...] [können] an all den zielgerichteten Aktivitäten ihrer

Gruppe und Gemeinschaft, bei denen Lesen, Schreiben und Rechnen erforderlich ist,

und an der weiteren Nutzung dieser Kulturtechniken für ihre weitere Entwicklung

und ihrer Gemeinschaft (Sandhaas 1989, S. 1).

Literacy ist ein sehr dehnbarer Begriff und wird zunehmend in Hinblick auf einfache

mediale Kenntnisse erweitert. Daher wird in der Forschung auch von basic literacy skills

gesprochen (vgl. Lenhart 2009, S. 599).

Im Deutschen hat sich neben dem Begriff des Alphabetisiertseins, der das Lesen und

Schreiben beinhaltet, der Begriff Grundbildung verankert, wofür sich in der Forschung

bislang noch keine einheitliche Definition herauskristallisiert hat. Grundsätzlich werden

hierunter jedoch die ergänzenden Beschreibungen verstanden, die das Wort literacy

beinhalten wie das Rechnen, das Sprachverständnis, aber auch Lernstrategien und

-techniken. In den 1990er Jahren wurde in Deutschland festgestellt, dass es für die

Integration in den Arbeitsmarkt weiterer Kenntnisse als jenen des Lesens und Schreibens

bedarf. Deshalb wird seit diesem Zeitpunkt die Berücksichtigung allgemeiner und

berufsrelevanter Inhalte in Alphabetisierungskursen gefordert. Die Entwicklung

entspricht in ihren Grundzügen der international geführten Debatte um adult basic

education (vgl. Abraham/Linde 2009, S. 891).

9 Für eine Erläuterung der Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) siehe

Trim/Quetz/Schieß (2007); das Niveau A1 beschreibt minimale Grundkenntnisse, ab einem Niveau von C2 wird von (fast) muttersprachlicher Kenntnis gesprochen (vgl. Kapitel 4.1).

28 Working Paper 29 - Das Integrationspanel

dung getroffen, der Einschätzung des Kursleitenden ein höheres Gewicht zu geben. Auch

können durch eine kombinierte Betrachtung fehlende Angaben ergänzt werden, so dass

für alle Teilnehmende eine Zuordnung möglich ist. Diese weicht daher in Einzelfällen von

den isolierten Angaben der Teilnehmenden bzw. Kursleitenden ab. Die Zuordnung der

einzelnen Personen zu den Kategorien primärer Analphabet, funktionaler Analphabet und

Zweitschriftlerner erfolgte anschließend anhand des in Tabelle 8 dargestellten Schemas.

Teilnehmende ohne schriftsprachliche Kenntnisse werden unabhängig vom jeweils

verwendeten Alphabet der Gruppe der primären Analphabeten zugeordnet. Die Gruppe

der funktionalen Analphabeten besteht aus drei Untergruppen. Zum Einen finden sich

hier funktionale Analphabeten, die bei Kursbeginn nur geringe oder nicht ausreichende

Schriftsprachkenntnisse auf Basis sowohl des lateinischen als auch des nicht-lateinischen

Alphabets besitzen. Zum Anderen ergibt sich eine Gruppe von Teilnehmern, die in einem

lateinischen Alphabet prinzipiell funktional alphabetisiert sind. Diese Gruppe zählt somit

zunächst nicht zur eigentlichen Zielgruppe des Alphabetisierungskurses. Es kann sich aber

bei dieser Untergruppe auch um eine zwar in der Herkunftssprache ursprünglich alpha-

betisierte Gruppe handeln, die aber – z.B. infolge des nachträglichen Verlusts von ehemals

erworbenen Fertigkeiten („Sekundärer Analphabetismus“) – bei Kurseinstieg nicht die

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme an einem allgemeinen Integrationskurs

oder anderen Integrationskursarten erfüllt. Die Gruppe der Zweitschriftlerner umfasst Teil-

nehmer, die in einem nicht-lateinischen Alphabet funktional alphabetisiert sind. Bei diesen

Teilnehmern steht also der Erwerb einer zweiten Schrift im Mittelpunkt des Kurses.

Tabelle 8: Operationalisierung von primären und funktionalen Analphabeten und von

Zweitschriftlernern

Schriftsprachliche Kenntnisse

Keine Kenntnisse Niveau A1 bis B1 Niveau B2 und höher

Bedingter funktionaler

Analphabet

(lateinisches Alphabet)

Alphabetisierungssprache

hat lateinisches Alphabet

Funktionaler Analphabet

(lateinisches Alphabet) Primärer Analphabet

Alphabetisierungssprache

hat nicht-lateinisches Alphabet

Funktionaler Analphabet

(nicht-lateinisches Alphabet) Primärer Analphabet Zweitschriftlerner

Tabelle 9 gibt einen Überblick über die Häufigkeit der jeweiligen Gruppen.

Der Anteil an primären Analphabeten liegt bei 37,0 Prozent. Durch die kombinier-

te Betrachtung von Angaben des Kursleitenden und der Teilnehmenden ergibt

sich – wie oben erläutert – ein etwas höherer Wert als bei der isolierten Betrach-

tung. In dieser Gruppe finden sich 41,4 Prozent aller weiblichen Teilnehmenden.

Hinzu kommt mit 41,6 Prozent die Gruppe der funktionalen Analphabeten, die

folgendermaßen differenziert werden kann: a) 19,0 Prozent funktionale Analpha-

beten, deren Schriftsprachkenntnisse in einem nicht-lateinischen Alphabet ein

Niveau von unter A1 bis B1 aufweisen und für die die lateinische Schrift eine Zweit-

schrift darstellt; b) 16,0 Prozent funktionale Analphabeten, die bei Kursbeginn

bereits geringe oder nicht ausreichende Schriftsprachkenntnisse auf Basis des

lateinischen Alphabets besitzen und die die älteste Gruppe sind, und c) mit 6,6

Abbildung 1: Schriftsprachliche Kompetenzen (Rother 2010, S. 28)

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 17

Seit dem World Education Forum Dakar im Jahr 2000 werden die Anforderungen an

Alphabetisierungskurse in Deutschland durch steigende gesellschaftliche Normen stetig

erhöht. Neben dem Schriftspracherwerb steht vor allem die Förderung von elementaren

Fähigkeiten im Vordergrund. Hierzu zählen neben minimalen medialen Kompetenzen

nun auch vermehrt sogenannte life skills, die ein wirtschaftlich erfolgreiches und

selbstbewusstes Auftreten auf dem Arbeitsmarkt implizieren (vgl. Lenhart 2009, S. 609–

610).

2.1.2 Ursachen von Analphabetismus und Literarität als Folge von Wanderung

Hintergrund von Analphabetismus können neben einem fehlenden Zugang zur Bildung

auch kulturelle sowie soziale, schulische und individuelle Faktoren sein. Der

Analphabetismus ist damit nicht allein auf individuelle Aspekte zurückzuführen, sondern

liegt auch in den allgemeinen Lebensumständen und schulischen Bedingungen begründet

(vgl. Linde 2001, S. 11). Insbesondere die Ursachen von funktionalem Analphabetismus

sind nicht nur in mangelhafter Schulbildung, sondern in einem Zusammentreffen von

schulischen, familiären und individuellen Faktoren zu sehen.10 Nach der schulischen

Laufbahn fehlt entweder die Möglichkeit zur Weiterbildung oder die rudimentären

Schriftsprachkenntnisse werden nicht aktiv eingesetzt und wieder verlernt (sekundärer

Analphabetismus) (vgl. Gläss 1990, S. 27; 30).

Primäre Analphabetinnen und Analphabeten sind dagegen häufig gewillt, die

Schriftsprache zu erlernen, konnten in ihrer Kindheit jedoch aus unterschiedlichen

Gründen keine schriftsprachlichen Kompetenzen erwerben. Als Gründe für den fehlenden

Schriftspracherwerb gaben nach Feldmeier (2010) Teilnehmende von

Alphabetisierungskursen an, dass sie keine Möglichkeit des Schulbesuchs gehabt hätten,

da die Infrastruktur keinen Schulbesuch erlaubte, sie andere Verpflichtungen im Haushalt

oder in der Betreuung der Geschwister zu erfüllen hatten, für den Lebensunterhalt der

Familie schon als Kind arbeiten mussten oder der Schulbesuch von den Eltern als negativ

bewertet und daher nicht erlaubt wurde. In der Regel kommen jedoch auch hier mehrere

Faktoren zusammen, sodass beispielsweise ein Schulbesuch in früher Kindheit nicht

möglich war und spätere Verpflichtungen gegenüber der Familie einen Besuch

verhinderten. Da die Ursachen von primärem Analphabetismus jedoch nicht bei den

Betroffenen selbst liegen, sind primäre Analphabetinnen und Analphabeten oft positiver

gegenüber dem Schriftspracherwerb eingestellt. Zum einen liegt die Schulbildung

außerhalb ihres Verantwortungsbereiches (vgl. ebd., S. 16), zum anderen haben sie keine

10 Für weitere Ursachen des funktionalen Analphabetismus deutscher Erwachsener siehe Fuchs-Brüninghoff

(1988). Sie nennt im Wesentlichen drei Gründe: Vernachlässigung, unterste Stellung in der Familienhierarchie oder die Annahme der Eltern, es liege eine Behinderung vor.

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 18

Ängste vor einem erneuten Scheitern oder anhaltender Diskriminierung entwickelt, wie es

auf bedingt funktionale Analphabetinnen und Analphabeten häufig zutrifft (vgl. Döbert-

Nauert/Hubertus 2000, S. 70). Allerdings sind auch Einwanderer, als Folge fehlender

Arbeit im Migrationsbereich, mangelnder Integration und infolgedessen auch mangelnder

Orientierung im Alltag ausgesetzt und von Diskriminierung und Stigmatisierung

betroffen (vgl. Harnisch 1984, S. 14). Um der Entwicklung von Ängsten und einer

negativen Lerneinstellung vorzubeugen, sollten daher die Themen Diskriminierung und

Stigmatisierung in Alphabetisierungskursen für Migrantinnen und Migranten diskutiert

werden.

Durch Migration verändert sich „die Struktur des Alltagslebens [...] besonders im

Hinblick auf die Anforderungen im Schriftsprachbereich“ (Szablewski-Çavus 1991, S.

43). Der Wechsel von einer ländlichen Umgebung zum Beispiel, in der nur wenige

Nachbarn über schriftsprachliche Kenntnisse verfügen, in eine industriell geprägte

Gesellschaft, in der die Fähigkeit lesen und schreiben zu können als selbstverständlich

angesehen wird, führt zu einem zuvor kaum bedeutenden Defizit, mit dem

Schreibunkundige nun konfrontiert werden (vgl. Szablewski-Çavus 2001, S. 21).

Insbesondere bei aus oralen Kulturen stammenden Migrantinnen und Migranten können

in einer neuen literaten Gesellschaft Identitätskonflikte entstehen. Auch diese sollten zum

Gesprächsgegenstand in Alphabetisierungskursen werden, denn das Erlernen der

Schriftsprache ist, wie bereits erwähnt, in einer literaten Kultur ein notweniges Instrument

zur Bewältigung des Alltags (vgl. Neuner 1996, S. 22 u. vgl. Barkowski u. a. 1979, S. 5).

Die Anforderung an den Gebrauch von Schriftsprache ist in Deutschland weit höher als in

den meisten Herkunftsländern illiterater Migrantinnen und Migranten. Vor allem die

Kommunikation mit den öffentlichen Institutionen, die durch die Einwanderung nötig

wird, erfordert schriftsprachliche Kenntnisse, da der größte Teil der Kommunikation

schriftlich und über zum Teil komplizierte Formulare verläuft. Der schriftliche Kontakt

bietet sich aber auch aufgrund des oft noch niedrigen Sprachniveaus an, um

Missverständnisse auszuschließen. Können keine Helfer, zum Beispiel Freunde oder

Verwandte, die Behördengänge unterstützen, sind illiterate Einwanderer auf sich allein

gestellt. Schwierig wird es auch, wenn sich illiterate Migrantinnen und Migranten

aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht über die gewünschte Fahrkarte oder ein

Lebensmittel im Supermarkt informieren können und ihnen zusätzlich die schriftlichen

Hinweise fremd bleiben. Auch der Kontakt zu den Angehörigen gestaltet sich schwierig,

weil er häufig auf Briefen oder E-Mail-Verkehr basiert. Der früher11 noch sehr teure

telefonische Kontakt ist heute dank Flatrates und Internettelefonie kostengünstig. Aber

11 Bis in die 1990er Jahre haben viele Betroffene Kassetten besprochen und diese mit der Post verschickt (vgl.

Szablewski-Çavus 1991, S. 45).

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 19

auch der Vertrag mit dem Telefonanbieter muss beispielsweise erst abgeschlossen werden

und dies zumeist unter Nutzung schriftsprachlicher Kommunikation. Nicht zuletzt

gestaltet sich die Informationsbeschaffung mit elektronischen Medien schwierig, wenn

die deutsche Sprache nicht beherrscht wird. Für das Empfangen zusätzlicher, heimischer

Fernsehsender wird in der Regel eine eigene Satellitenschüssel benötigt, die in einfachen

Wohnungen nicht zur Grundausstattung gehört. Als Informationsquelle bleiben somit vor

allem Internetseiten und Printmedien (vgl. Szablewski-Çavus 1991, S. 43–45; vgl.

Szablewski-Çavus 2001, S. 22).

Die Situation illiterater Migrantinnen und Migranten in Deutschland unterscheidet sich

daher sowohl von den deutschen, meist bedingt funktionalen, Analphabetinnen und

Analphabeten als auch von den Illiteraten im Herkunftsland: Deutschsprachige

Analphabetinnen und Analphabeten beherrschen die Sprache als (mündliches)

Kommunikationsmittel und haben Strategien gefunden, um nicht aufzufallen: „Können

Sie mir sagen, was dort geschrieben steht? – Ich habe meine Brille vergessen.“ In den

Herkunftsländern vieler illiterater Migrantinnen und Migranten ist es dagegen akzeptierte

Realität, dass einige Personen nicht lesen und schreiben können, weshalb

Schriftsprachkenntnisse weniger vorausgesetzt werden.

Literate Gesellschaften setzen sich vor allem aus humanistischen oder emanzipatorischen

Gründen für illiterate Migrantinnen und Migranten und für illiterate Angehörige von

Randgruppen ein. Mit der zunehmenden Forderung nach Grundkompetenzen nehmen

ökonomische Faktoren ebenfalls starken Einfluss auf die Alphabetisierungsarbeit.

Grundlegend wird jedoch die Alphabetisierung aufgrund des Menschenrechts „auf

Bildung und Zugang zur Kultur“ (Kamper 1994, S. 572) verfolgt.

Die Motivation, sich die Schriftsprache anzueignen, liegt bei den Betroffenen selbst.

Größter Motivationsgrund für Betroffene ist die Erwartung, die eigene Situation

verbessern zu können:

Je nach gesellschaftlichem Umfeld kann es um individuellen Aufstieg oder

Verhinderung von Abstieg gehen, um das Erlangen von sozialem Prestige oder das

Ablegen eines Stigmas, um Zugang zu politischen, kulturellen, spirituellen und

ökonomischen Möglichkeiten (ebd.).

Aber auch andere Gründe wie Hilfestellungen bei Schularbeiten geben zu können,

selbstbewusster zu werden, sich vor Vertragsbetrug zu schützen, seine eigenen Gedanken

aufschreiben zu können oder gar anderen das Lesen und Schreiben beizubringen, können

sich motivierend auf den Alphabetisierungsprozess auswirken (vgl. Lenhart 2009, S.

602). Schließlich können auch ganz einfache Dinge motivierend sein, zum Beispiel ein

Rezept lesen zu wollen oder die Handarbeitsanleitung verstehen zu können (vgl.

Szablewski-Çavus 1991, S. 50).

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 20

2.1.3 Relevanz der Thematik

Aktuell wird die weltweite Illiteraritätsrate vom Institute for Statistics der UNESCO

(UIS) auf 16,6 Prozent (796 Mio.) geschätzt (vgl. UIS 2010, S. 227).12 Seit der letzten

Dekade zeichnet sich damit eine rückläufige Tendenz ab, denn im Jahr 2000 wurde noch

von einer Analphabetenquote von 20,6 Prozent (876 Mio.) ausgegangen (vgl. Linde 2001,

S. 12). Doch trotz vielfältiger Bemühungen bleibt die Alphabetisierung aller ein nur

schwer erreichbares Ziel: Noch immer kann einer von sechs Menschen auf der Erde

weder lesen noch schreiben.

Zu den am stärksten von Analphabetismus betroffenen Regionen weltweit zählen die

Entwicklungsländer, in welchen aufgrund mangelnder Schulbildung vor allem die Form

des primären Analphabetismus weit verbreitet ist (vgl. Lenhart 2009, S. 599). Es sind

insbesondere Mädchen und Frauen sowie ältere Menschen, die keinen Zugang zur

Bildung bekommen (vgl. Linde 2001, S. 12); ihr Anteil an der Analphabetenquote liegt

heute noch bei etwa 65 Prozent: „The share of illiterate women has not changed over the

past twenty years: women still represented two-thirds of the world’s [...] illiterates“ (UIS

2010, S. 3).

Auch wenn die Mehrzahl primärer Analphabetinnen und Analphabeten in den

Entwicklungsländern anzusiedeln ist, so wird die Thematik vor allem in Hinblick auf die

Immigration für die Industrieländer bedeutend (vgl. Linde 2001, S. 13). In Deutschland

ist das Migrationsvolumen sehr hoch und die bei der Einwanderung mitgebrachten

Bildungsvoraussetzungen sind äußerst unterschiedlich:

Von 1954 bis 1999 sind 54 Millionen Fort- und Zuzüge zu verzeichnen. Jährlich

wandern ca. 550.000 Ausländer ein und aus, so dass eine Fluktuationsrate der

Ausländer von ca. 15 Prozent jährlich entsteht (Hamburger 2009, S. 882).

Da keine konkreten Studien über die Einwanderung von illiteraten Migrantinnen und

Migranten nach Deutschland veranlasst wurden, liegen nur Schätzungen vor. Zwei Jahre

nach dem Anwerbestopp von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern13 sehen Biermann und

Graschy zwischen sechs und acht Prozent Illiterate unter den Arbeitsmigranten (vgl.

Biermann/Graschy 1975, S. 88), während Dierks und Zander zur selben Zeit davon

ausgingen, dass „mehr als ein Drittel aller ausländischer Arbeiter nicht oder nur

rudimentär lesen und schreiben können“ (Dierks/Zander 1975, S. 105). Schramm schätzt

den Anteil an Illiteraten unter den Immigrantinnen und Immigranten in Deutschland 1996

auf zwölf Prozent (vgl. Schramm 1996, S. 4; 9). Auch wenn diese Zahlen recht hoch

erscheinen, wird angenommen, dass der Anteil der illiteraten Immigrantinnen und 12 Die Zahlen beziehen sich auf erwachsene illiterate Personen. Werden die illiteraten Kinder unter 15 Jahren

mit in die Statistik einbezogen, so erhöht sich die Gesamtzahl der Analphabetinnen und Analphabeten weltweit auf 927 Mio. (vgl. ebd.) .

13 Die Bundesagentur für Arbeit hat bis 1973 massiv Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter angeworben.

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 21

Immigranten im Vergleich zum durchschnittlichen Schnitt des Heimatlandes geringer ist

(vgl. Harnisch 1984, S. 13).

Die Analphabetenzahlen sind nach dem Anwerbestopp vor allem durch den Zuzug von

aus ländlichen Regionen stammenden, illiteraten Ehefrauen erneut angestiegen. Überdies

besteht einerseits die Gefahr des sekundären Analphabetismus im Zielland (vgl. Schramm

1996, S. 8), andererseits einer Herabstufung zum funktionalen Analphabetinnen und

Analphabeten je nach Grad der Schriftsprachbeherrschung (vgl. Harnisch 1984, S. 13).

Die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) nimmt an, dass zwischen 0,75 und 3

Prozent der Deutschen Analphabetinnen und Analphabeten sind (vgl. Linde 2001, S. 8).

Die UIS-Statistik von 2009 spricht sogar für eine Alphabetisierungsrate von 99 Prozent,

was vice versa einer Analphabetenquote von einem Prozent entspricht (vgl. UIS 2009).

Das Problem dieser Statistiken ist jedoch einerseits, dass sie sich ausschließlich auf die

deutsche, schulpflichtige Bevölkerung beziehen, sodass es sich überwiegend um bedingt

funktionale Analphabetinnen und Analphabeten handelt. Das impliziert andererseits, dass

der Anteil derer, die aufgrund mangelnder Schulbildung über keine schriftsprachlichen

Kenntnisse verfügen und/oder keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wie illiterate

Immigrantinnen und Immigranten, nicht erfasst werden. So können an dieser Stelle weder

konkrete Zahlen von primären noch von funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten

dargelegt werden (vgl. Kamper 1994, S. 578). Zuverlässige Hinweise auf eine

tatsächliche Größenordnung14 können letztendlich nur die Teilnehmerzahlen von

Alphabetisierungskursen geben (vgl. Linde 2001, S. 8).

Von den im Jahr 2010 begonnenen Integrationskursen in Deutschland sind 19 Prozent

Alphabetisierungskurse. Damit stellen die Alphabetisierungskurse den höchsten

Teilnehmeranteil der angebotenen Spezialkurse. Von insgesamt 83.818 Teilnehmenden

an Integrationskursen zwischen 2005 und 2010 besuchten 7.865 (9,4 Prozent) Illiterate

und Zweitschriftlernende Alphabetisierungskurse (vgl. BAMF 2011c, S. Tab. 9; 17; Abb.

11).

Folgende Tabelle, die aus dem vom BAMF herausgegebenen Integrationspanel

übernommen wurde, gibt einen Überblick über den Alphabetisierungsgrad von

Kursteilnehmenden.

14 Es wird an dieser Stelle von Hinweisen gesprochen, da auch die durch Alphabetisierungskurse erfassten

Zahlen, keinen Gesamtüberblick bieten können, sondern nur Tendenzen anzeigen. Wie hoch die Zahlen jener Analphabetinnen und Analphabeten in Deutschland sind, die nicht an Kursen teilnehmen, ist schwer auszumachen.

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 22

29 Working Paper 29 - Das Integrationspanel

Prozent kommt eine kleine Gruppe von zwar in lateinischer Schrift schon einmal

mehr oder weniger Alphabetisierten hinzu, die zunächst vordergründig nicht

der Zielgruppe an Alphabetisierungskursteilnehmenden entspricht. Es zeigt sich

aber, dass in dieser Gruppe vermehrt türkische Frauen sind, die häufiger getrennt

lebend sind, eine höhere Anzahl Kinder aufweisen, deren mündliche Deutsch-

kenntnisse trotz durchschnittlicher Aufenthaltsdauer sehr schlecht sind und die

somit die deutsche Sprache im Alltag äußerst selten nutzen. Es handelt sich somit

um eine zwar in der Herkunftssprache ursprünglich alphabetisierte Gruppe, die

aber anscheinend bei Kurseinstieg nicht die Voraussetzungen für eine erfolgrei-

che Teilnahme an einem allgemeinen Integrationskurs oder anderen Integrati-

onskursarten erfüllt. Möglicherweise könnte diese Gruppe aber auch erfolgreich

an einem Frauenintegrationskurs teilnehmen.

Der Anteil an Zweitschriftlernern liegt bei 21,4 Prozent. In dieser Gruppe findet

sich ein Drittel aller männlichen Teilnehmenden. Diese sind im Vergleich zu den

anderen Gruppen mit einem Durchschnittsalter von 40,6 Jahren auch am jüngs-

ten.

Zusammengefasst finden sich in den Kursen also nach Einschätzung der Kursleitenden ca.

37 Prozent primäre Analphabeten, ca. 42 Prozent funktionale Analphabeten und ca. 21 Pro-

zent Zweitschriftlerner.

Tabelle 9: Alphabetisierungsstand der befragten Kursteilnehmenden nach Geschlecht und Alter

Anzahl

Prozent

gesamt

Prozent

männlich

Prozent

weiblich

Mittelwert

Alter

Primäre Analphabeten 185 37,0% 27,2% 41,4% 41,2

Funktionale

Analphabeten…

… mit nicht-lateinischer Schrift in der Herkunftssprache 95 19,0% 25,7% 15,9% 41,7

… mit lateinischer Schrift in der Herkunftssprache 80 16,0% 11,0% 18,1% 43,7

…bedingt funktionale Analphabeten 33 6,6% 2,9% 7,4% 42,2

Zweitschriftlerner 107 21,4% 33,1% 17,3% 40,6

Gesamt 500 100,0% 100,0% 100,0% 41,6

Angaben in Spaltenprozent

Tabelle 10 zeigt die Verteilung des Alphabetisierungsstands nach den 6 häufigsten

Herkunftssprachen. Teilnehmende mit kurdischer Herkunftssprache sind zu 68,2 Prozent

primäre Analphabeten. Auch Teilnehmende mit der Herkunftssprache Arabisch sind in et-

was über der Hälfte der Fälle primäre Analphabeten; weitere 21,7% der Teilnehmenden mit

arabischer Herkunftssprache sind hingegen vollständig alphabetisierte Zweitschriftlerner.

Teilnehmende mit türkischer, albanischer bzw. persischer Herkunftssprache sind mehrheit-

lich funktionale Analphabeten. Teilnehmende mit russischer Herkunftssprache wiederum

gehören mehrheitlich zur Gruppe der vollständig alphabetisierten Zweitschriftlerner.

Zur Erstellung dieser Statistik wurden Aussagen von Kursleitenden sowie -teilnehmenden

gleichermaßen herangezogen. Insgesamt liegt der Anteil der primären Analphabetinnen

und Analphabeten auf Grundlage dieser Aussagen bei 37,0 Prozent (vgl. Rother 2010, S.

27–28).

Die Gruppe der funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten macht 41,6 Prozent aus,

wobei diese Gruppe weiter differenziert wurde: Erstens handelt es sich um funktionale

Analphabetinnen und Analphabeten, deren Schriftsprachkenntnisse in einem nicht-

lateinischen Alphabet sehr gering sind, sich also unter einem Niveau von A1 bis B1

befinden. Der Anteil dieser vorgestellten Gruppe liegt bei 19,0 Prozent. 16,0 Prozent

funktionale Analphabetinnen und Analphabeten sind der zweiten Abstufung zuzuordnen.

Hierbei handelt es sich um funktionale Analphabetinnen und Analphabeten mit

lateinischer Schrift in der Herkunftssprache, die keine ausreichenden schriftsprachlichen

Kompetenzen aufweisen können. Schließlich gibt es die bedingt funktionalen

Analphabetinnen und Analphabeten, die 6,6 Prozent ausmachen. Diese Gruppe ist

ursprünglich alphabetisiert, erfüllt jedoch aufgrund unterschiedlicher Umstände die

Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nicht (vgl. ebd.,

S. 28–29). Der Anteil der Zweitschriftlernenden, die in einer nicht-lateinischen Sprache

vollständig alphabetisiert sind, liegt bei 21,4 Prozent (vgl. ebd., S. 29).

Insgesamt lässt sich feststellen, dass der größte Anteil der weiblichen Lernenden primäre

Analphabetinnen und Analphabeten sind, während der größte Anteil männlicher

Teilnehmender zu den Zweitschriftlernenden zählt. Auch hier spiegelt sich das Bild

wider, dass Frauen einen geringeren Zugang zu Bildung in ihren Herkunftsländern

haben.15

Diese Zahlen belegen die Notwendigkeit von Alphabetisierungskursen für die Zielgruppe

der erwachsenen Migrantinnen und Migranten mit Alphabetisierungsbedarf und

unterstreichen die Relevanz dieser Thematik. Inwiefern die Relevanz der

15 Leider lassen sich die Zahlen der männlichen und weiblichen Teilnehmenden in den einzelnen Kursen

aufgrund der Angabe in Spaltenprozent nicht zueinander in Bezug setzen.

Abbildung 2: Alphabetisierungsstand (Rother 2010, S. 29)

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 23

Alphabetisierungsarbeit sich in den Alphabetisierungsbemühungen widerspiegelt, soll im

Folgenden dargestellt werden.

2.2 Alphabetisierungsbemühungen

Nachdem die Definitionen und Ursachen von Analphabetismus vorgestellt wurden, sollen

nun die historischen und aktuellen Bemühungen der Alphabetisierungsarbeit dargestellt

werden.

2.2.1 Die Alphabetisierungsbemühungen aus historischer Sicht

Die letzte statistische Erfassung der Kategorie Analphabet in Deutschland im Jahr 1912

hatte eine Analphabetismusquote zwischen 0,01 und 0,02 Prozent zum Ergebnis. Aus

diesem Grund galt der Analphabetismus für die folgenden 40 Jahre als vollständig

bekämpft (vgl. Gläss 1990, S. 19). Dies verwundert kaum, wenn bedacht wird, dass um

die Jahrhundertwende das Unterschreiben mit dem eigenen Namen oder das Lesen des

Kleinen Katechismus bereits das entscheidende Kriterium für das Alphabetisiertsein einer

Person war (vgl. Kamper 1994, S. 573). Erst im Zuge der Rekrutierungen für den

Militärdienst im Zweiten Weltkrieg war insbesondere im englischsprachigen Raum

aufgefallen, dass viele Personen aus der einheimischen Bevölkerung trotz Schulpflicht

nur mangelhaft lesen und schreiben konnten, also selbst „grundlegende schriftliche

Instruktionen“ (Gläss 1990, S. 9) nicht zu verstehen wussten. Erst als dies zu einem

gravierenden Problem in der hoch technisierten Kriegsführung wurde, kam dem Thema

Analphabetismus erneute Beachtung zu (vgl. Kamper 1994, S. 575). Als funktional

alphabetisiert, galt nun die Person, die sich im Alltagsleben einer Gesellschaft

zurechtfindet und die gesellschaftlich-geprägten Normen erfüllt:

a person is functionally literate when he has acquired the knowledge and skills in

reading and writing which enables him to engage effectively in all those activities in

which literacy is normally assumed in his culture or group (Gray 1969, S. 24).

Mit Gründung der UNESCO nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Thematik weltweit

in Fachkreisen diskutiert. So wurde nach 1945 die Bekämpfung des Analphabetismus und

das Erreichen einer weltweiten allgemeinen Literarität16 eines der Hauptziele der

UNSECO, um den betroffenen Personen ein aktives (Sprach-)Handeln in der eigenen

Kultur zu ermöglichen (vgl. Gläss 1990, S. 9). Trotz der Fülle von funktionalem

Analphabetismus in den westlichen Ländern herrschte grundsätzlich die Annahme, dass

16 Unter allgemeiner Literarität oder Basisliterarität wird auch eine allgemeine Grundbildung verstanden, die

neben dem Lesen und Schreiben auch geringfügige Fähigkeiten in Rechnen, Denken, Sprechen und Zuhören umfasst (vgl. Kamper 1994, S. 573 u. vgl. Kapitel 2.1.1).

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 24

das Schulsystem in den Industriestaaten ein erfolgreiches Konzept sei und zur

vollständigen Alphabetisierung und Grundbildung führe. Daher galt das westliche

Bildungssystem als erstrebenswertes Ziel aller illiteraten Länder (vgl. Kamper 1994, S.

573). Unberücksichtigt blieb dabei, dass es ebenso oral-geprägte Länder gibt, deren

kulturelles System auf der mündlichen, nicht auf der schriftlichen Sprache basiert.

Auf der ersten Internationalen Weltkonferenz für Erwachsenenbildung (1949) wurde die

Alphabetisierung aller Menschen, insbesondere durch das in den Menschenrechten

verankerte Recht auf Bildung, begründet (vgl. Lenhart 2009, S. 602). 1961 wurde die

erste große Offensive gegen den Analphabetismus durch die UNESCO beschlossen. Zwei

Mrd. Dollar wurden in die Alphabetisierungsarbeit investiert, mit dem Ziel 330 Mio.

Menschen, also die Hälfte der weltweit geschätzten Analphabetinnen und Analphabeten,

innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zu alphabetisieren (vgl. Gläss 1990, S. 11).

Das Programm scheiterte bereits drei Jahre später, da es sich vor allem in oralen

Kulturen, denen die hiesige Form der Informations- und Lesekultur fremd ist, nicht

etablieren konnte. Es wurde nicht berücksichtigt, dass der Stellenwert der Schriftsprache

in oral geprägten Kulturen nicht dem der westlichen Industrienationen entspricht. Für die

aus oral geprägten Kulturen stammenden Personen gab es daher keine Anreize, die

Schriftsprache zu erlernen. Es mangelte in dieser ersten Phase der internationalen

Alphabetisierungsarbeit (1950er Jahre)17 jedoch auch an spezifischen Lehr- und

Lernmaterialien und an ausgebildeten Lehrkräften.18

Nach einer Bestandsaufnahme und Auswertung der bis dahin getroffenen Maßnahmen

wurde der Begriff funktionaler Analphabetismus eingeführt (vgl. Kamper 1994, S. 573),

was in den 1960er Jahren die zweite Phase der Alphabetisierungsbemühungen einleitete.

Das Individuum wurde im UNESCO Experimental World Literacy Programme nun

weniger in den Mittelpunkt gestellt, vielmehr wurde der Mensch in seiner sozialen und

beruflichen Rolle innerhalb der Gesellschaft betrachtet. Die Alphabetisierungsarbeit

definierte sich daher nicht mehr allein durch die Vermittlung von Lese- und

Schreibkenntnissen, sondern auch durch die Schulung von Grundkompetenzen (vgl. Gläss

1990, S. 11). Der Fortschritt des Individuums sollte der Gesellschaft in ökonomischer

Hinsicht zugutekommen und die Entwicklung des Ziellandes vorantreiben (vgl. Kamper

17 In dieser Arbeit werden die Alphabetisierungsbemühungen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten

Weltkrieg beschrieben. Lenhart (2009) unternimmt in seinem Handbuchartikel eine Unterteilung in sechs Zeitabschnitte, die jeweils ein bis zwei Dekaden andauern und jeweils von einer richtungsweisenden Konferenz geprägt sind. Der Übersichtlichkeit halber wird hier auf eine Erläuterung der einzelnen Konferenzen verzichtet und ein allgemeiner Überblick über die Entwicklungen und Tendenzen einzelner Zeiträume gegeben. Das Augenmerk liegt daher verstärkt auf der Wandlung der Alphabetisierungsbemühungen und weniger auf dem Ausdruck dieser Wandlung.

18 Die Methoden wurden daher aus der allgemeinen Schulbildung für Grundschulkinder entnommen (vgl. Gläss 1990, S. 10–11).

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 25

1994, S. 573). Zum ersten Mal wurden auch neu entwickelte Alphabetisierungsmethoden,

wie das Konzept von Paulo Freire, diskutiert.19

Erst in den 1970er Jahren erkannte die Erwachsenenbildung die Alphabetisierung als

notwendiges Praxisfeld (vgl. Linde 2001, S. 8). In der Bundesrepublik Deutschland galt

die Alphabetisierungsarbeit dennoch weiterhin als ein Thema, das ausschließlich

Entwicklungsländer betrifft. Dies änderte sich in Deutschland erst gegen Ende der

siebziger Jahre, als sich die Beschäftigungssituation drastisch verschlechterte.

Insbesondere Personen mit wenig schriftsprachlichen Kenntnissen verloren im

Konkurrenzkampf ihre Arbeitsplätze, auch weil sich bei einer Neueinstellung der Grad

der Sprachbeherrschung als Kriterium gut einsetzen ließ. Des Weiteren wurden durch den

technologischen Fortschritt die Arbeitsplätze für Ungelernte reduziert (vgl. Bastian 1991,

S. 6). Wenn zuvor der Analphabetismus kaum öffentlich diskutiert wurde (vgl. Schramm

1996, S. 1), da der Mangel an orthografischen Kenntnissen und geringer Grundbildung –

zumindest in ökonomischer Hinsicht – bis zum Anwerbestopp von Gastarbeiterinnen und

Gastarbeitern 1973 wenig problematisch war (vgl. Gläss 1990, S. 20), so erwuchsen nun

aus der Analphabetenzahl Schwierigkeiten (vgl. Kamper 1994, S. 575).

In das öffentliche Bewusstsein gerückt ist die Thematik in der Bundesrepublik

Deutschland jedoch erst in den 1980er Jahren. Vor allem von den Massenmedien wurden

schockierende Berichte über Analphabetismus „als Sensation aufgemacht“ (Bastian 1991,

S. 6). Auch das Adolf-Grimme-Institut klärte im Auftrag des Bundesministeriums für

Bildung und Wissenschaft20 die deutsche Öffentlichkeit in Massenkampagnen über die

Notwendigkeit der Alphabetisierung auf (vgl. Lenhart 2009, S. 608 u. vgl. Gläss 1990, S.

16). Die Zielvorstellung des Kampagnen war klar: „die Analphabeten soll[t]en zu

Alphabeten, die illiteraten zu literaten Menschen werden“ (Kamper 1994, S. 575) und das

durch Lernangebote für Erwachsene. Auf der Udaipur-Konferenz wurde 1982 eine

weitere weltweite Offensive für die Ausrottung des Analphabetismus beschlossen, da

dieser eine Bedrohung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung darstelle (vgl.

Lenhart 2009, S. 607).

Erst im Alphabetisierungsjahr 1990 wurde der humanistische Aspekt, das heißt das

Grundrecht auf Bildung, wieder in den Vordergrund gestellt (vgl. Kamper 1994, S. 573).

Es wurde von der UNESCO erneut ein Zehn-Jahres-Aktionsplan zur Alphabetisierung ins

19 In dem von Paulo Freire entwickelten Alphabetisierungsmodell der Bewusstseinsbildung steht die

gesellschaftliche Lage der Illiteraten im Vordergrund. Die Alphabetisierung soll erwachsene Lernende dazu befähigen, sich aktiv und engagiert in die Gesellschaft einzubringen (vgl. ebd.). Siehe hierzu Freire (1973) und Kapitel 4.4.1.

20 heute Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 26

Leben gerufen, der später bis 2015 ausgedehnt werden sollte, und das Ziel verfolgte, die

weltweiten Analphabetenzahlen um die Hälfte zu reduzieren (vgl. Gläss 1990, S. 14).21

2.2.2 Stand der Alphabetisierungsbemühungen hinsichtlich erwachsener Migrantinnen und Migranten

Nachdem nun ein Gesamtüberblick über die deutschen und weltweiten

Alphabetisierungsbemühungen gegeben wurde, soll der Fokus im Folgenden

insbesondere auf der Zielgruppe erwachsener illiterater Migrantinnen und Migranten

liegen. Auch hier wird zunächst die historische Entwicklung und im Anschluss die

aktuelle Forschungslage dargestellt.

2.2.2.1 Historische Entwicklung

Auf den besonderen Förderungsbedarf von erwachsenen Migrantinnen und Migranten

gab es bis 1990 nur zögerliche Reaktionen.

Angebote für funktionale Analphabeten deutscher Muttersprache blendeten den

spezifischen Förderungsbedarf von Migranten mit geringer Bildungserfahrung bis in

die 1990er Jahre mehr oder weniger bewusst aus (Roll/Schramm 2010, S. 5).

Pöter beklagte noch 1990, dass die Alphabetisierungsarbeit im Migrationsbereich trotz

der Öffentlichkeitsarbeit im (damals noch laufenden) internationalen Jahr der

Alphabetisierung kaum Beachtung findet (vgl. Pöter 1990, S. 2). Die Feststellung der 42.

Internationalen Erziehungskonferenz in Genf (1990), dass primärer Analphabetismus in

der Bundesrepublik Deutschland kaum relevant ist, bestätigt dies. Die vielen

Migrantinnen und Migranten in Deutschland, die in ihren Herkunftsländern keine oder

nur mangelnde Schulbildung genießen konnten und für die eine Alphabetisierung zum

Leben in unserer literaten Gesellschaft notwendig ist, sind bis heute eine kaum beachtete

Randgruppe (vgl. Schramm 1996, S. 3).

Die meisten ausländischen Einwanderer unterscheiden sich in ihrer Lernbiografie stark

von der einer deutschen bedingt funktionalen Analphabetin oder eines bedingt

funktionalen Analphabeten. Dies betrifft die Ursachen des Analphabetismus (s. Kapitel

2.1.2) und die darauf zurückzuführende Selbstwahrnehmung: Migrantinnen und

Migranten sehen, wie bereits erwähnt, ihre Situation nicht als selbst verschuldet an und

21 Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass die massiven Ziele der UNESCO auch in der Kritik

stehen. Es wird darauf verwiesen, dass die öffentliche Bekennung als Analphabet/in zur Diskriminierung führen könne. Außerdem seien andere Hilfestellungen in der Dritten Welt notwendiger als die Alphabetisierung. Die Gesundheitsversorgung und die Infrastruktur seien vorrangig (vgl. Lenhart 2009, S. 601). „In nichtliteraten Umwelten könne Alphabetisierung schließlich Entfremdung verursachen, die Kultur oraler Tradition werde zerstört“ (ebd.). – Diese Kritik soll aber nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, da die Alphabetisierung von Migrantinnen und Migranten in Deutschland für die Alltagsbewältigung und die Integration in die literate Gesellschaft notwendig ist.

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 27

sind dem Lernen daher eher positiv gegenüber eingestellt. Des Weiteren besitzen viele

illiterate Migrantinnen und Migranten zu Beginn der Kurse noch keine ausreichenden

lautsprachlichen Kenntnisse. Aus diesen Gründen sind Migrantinnen und Migranten in

Alphabetisierungskursen, die für Deutsche konzipiert wurden, zugleich unter- und

überfordert. Die diskutierten Probleme wie Lernschwierigkeiten, Motivationsgewinnung,

Umgang mit Diskriminierung sowie Stigmatisierung und schließlich Abbau von Ängsten,

sind für die ausländische Zielgruppe nur peripher relevant, da sie nicht ihre

Lebenssituation widerspiegeln. Auf der anderen Seite werden sprachliche

Schwierigkeiten, die aufgrund des Lernens in der Zweitsprache auftreten, nicht

aufgegriffen (vgl. ebd., S. 12–13). Dennoch wurden gemeinsame Alphabetisierungskurse

für illiterate Migrantinnen und Migranten und Einheimische über einen langen Zeitraum

durchgeführt, jedoch mit mäßigen Erfolgen.

Die Notwendigkeit von zielgruppenspezifischen Kursen wurde schon früh vom

Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer e.V. (Sprachverband DfaA)

erkannt. Seit 1986 wurden vom Sprachverband DfaA Sprachkurse für Gastarbeiterinnen

und Gastarbeiter angeboten, an denen vor allem Frauen teilnahmen. Des Weiteren gab es

Fraueninitiativen, die eine verstärkte Abhängigkeit vom Ehemann – auch aufgrund

fehlender Sprach- und Schriftsprachkenntnisse – nach der Einwanderung zu verhindern

suchten (vgl. Harnisch 1984, S. 14). Dennoch blieb die Forderung nach einem weiteren

Ausbau der Kurse aufgrund der hohen Zahlen von Betroffenen weiter bestehen.

Aufgrund mangelnder Wahrnehmung im politischen Bewusstsein wurden die

Alphabetisierungsbemühungen im Migrationsbereich kaum gefördert. Der in den 1980er

Jahren öffentlich gewordene bedingt funktionale Analphabetismus zog noch bis Ende der

neunziger Jahre die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Aufgrund fehlender

Forschung gab es ebenso wenig Konzepte für die Alphabetisierung von erwachsenen

Ausländerinnen und Ausländern wie qualifizierte Lehrkräfte. Zudem kam es zu einem

ständigen Wissens- und Erfahrungsverlust durch eine hohe Lehrkraftfluktuation, vor

allem ausgelöst durch schlechte Arbeitsbedingungen. Überdies waren und sind die Lehr-

und Lernmaterialien für funktionale deutsche Analphabetinnen und Analphabeten für eine

Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch aufgrund der mangelnden inhaltlichen und

methodischen Ausrichtung auf die Zielgruppe nur bedingt einsetzbar (vgl. Schramm

1996, S. 16).

2.2.2.2 Weitere Entwicklung und Forschungslage in der Bundesrepublik Deutschland

Der Mangel an wissenschaftlicher Forschung lässt sich für den gesamten Bereich der

Alphabetisierung feststellen. In den 1980er Jahre wurde die Forschungsdiskussion von

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 28

Fragen über einen angemessenen und erwachsenen Schriftspracherwerb dominiert.

Erwachsenenbildung war gerade erst als Praxisfeld erkannt worden und

Rahmenbedingungen mussten erschlossen werden, nachdem sich herausgestellt hatte,

dass sich Materialien aus der Grundschule oder der Legasthenietherapie für die

Alphabetisierung Erwachsener nicht eignen. Auf der Suche nach befriedigenden

Spracherwerbstheorien wurden linguistische und entwicklungspsychologische Ansätze

einbezogen (vgl. Bastian 1991, S. 10). Schließlich wurden drei Ansätze zum

Schriftspracherwerb formuliert, die in dem „heute üblichen methoden-integrierenden

Alphabetisierungsunterricht nebeneinander zum Einsatz kommen“ (Schramm 1996, S.

19). Hierzu gehören der sprachsystematische Ansatz (auch Morphemmethode), der

Spracherfahrungsansatz und der Fähigkeitenansatz nach Kamper (s. Kapitel 4.4.1).

In den 1980er Jahren konzentrierte sich die Forschung auf das Gespräch über Sprache

und Lernen, insbesondere auf die psychische Belastung, die durch Stigmatisierung und

Ausgrenzung hervorgerufen wird. Thematisiert wurde vor allem die Notwendigkeit, neu

erworbene Kenntnisse in den Lebensstil eines Einzelnen zu integrieren. Aber auch

Präventionsmaßnahmen und Aspekte der Grundbildung wurden diskutiert (vgl. Bastian

1991, S. 18–22).

Während es zumindest einige Forschungsdiskussionen in Bezug auf bedingt funktionale

Analphabetinnen und Analphabeten gibt, sind im Migrationsbereich bislang nur

vereinzelte Ergebnisse zu verzeichnen. In den 1990er Jahren waren wissenschaftliche und

didaktische Diskussionen über die Alphabetisierungsarbeit mit ausländischen

Erwachsenen noch in den Anfängen. Noch 1996 formuliert Schramm die Situation als

„eklatante[s] Forschungsdefizit“ (Schramm 1996, S. 17). Erste Veröffentlichungen im

Migrationsbereich kamen vor allem von den Kursleitenden selbst. Thematisiert wurden

die Teilnehmerwerbung, die Unterrichtsdiskussion und organisatorische Fragen. Häufig

wurden auch selbst entwickelte Lehr- und Lernmaterialien oder Unterrichtsabläufe

veröffentlicht (vgl. Bastian 1991, S. 12). Der Schwerpunkt der Diskussion lag damit auf

methodisch-didaktischen Fragen. Die Veröffentlichungen setzten sich insbesondere mit

der Übertragbarkeit der Schriftspracherwerbsmethoden für erwachsene Deutsche auf den

Migrationsbereich auseinander (s. Kapitel 4.4.1.1). Erst seit wenigen Jahren werden auch

vermehrt eigene oder modifizierte Methoden in der Forschung diskutiert (s. Kapitel

4.4.2).

Nicht zuletzt haben Studien, wie die International Adult Literacy Survey (IALS), dazu

beigetragen, dass auch die Migrantenalphabetisierung zunehmend in das

bildungspolitische Bewusstsein gerückt ist. Die IALS ist die erste vergleichende Studie,

die 1995 von mehreren internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Agenturen

und nationalen Regierungen zur Situation der Alphabetisierung von Erwachsenen

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 29

durchgeführt worden ist. Die Studie hatte zum Ziel, die teilnehmenden Länder22 über die

Schriftkundigkeit sowie Lese-Distributionen der erwachsenen Einwohner zu informieren

(vgl. Kirsch 2001, S. 1).23 Für Deutschland stellte sich heraus, dass 14,4 Prozent der

deutschen Erwachsenen nur über schwache schriftsprachliche Fertigkeiten verfügen (vgl.

ebd.). Auch in anderen Industrieländern wurden zum Teil erhebliche Mängel in der

Schriftkundigkeit der erwachsenen Bevölkerung festgestellt. Damit weist die IALS als

erste Studie auf den dringenden Bedarf der Alphabetisierung – auch in Industrieländern –

hin. Aktuell wird in der Level-One Studie (LEO) die Literaritätsrate der deutsch

sprechenden Bevölkerung untersucht (vgl. Universität Hamburg 2011).

Seit der Jahrhundertwende ist die Weltalphabetisierungsdekade der Vereinten Nationen

(2003-2012) maßgebend für die Alphabetisierungsprojekte in Deutschland (vgl. DUK

2011a). Im Programm Bildung für alle (Education for all) haben sich auf dem

Weltbildungsforum Dakar (2000) 164 Länder verpflichtet, sechs Bildungsziele bis zum

Jahr 2015 zu erreichen. Darunter fällt auch die Sicherung der Grund- und Weiterbildung

sowie die Reduzierung der weltweiten Illiteraten um die Hälfte (vgl. DUK 2011b). Zur

nationalen Umsetzung haben sich in Deutschland das BMBF, die Deutsche UNESCO-

Kommission, der Deutsche Volkshochschulverband, der Bundesverband

Alphabetisierung und Grundbildung e. V., der Verlag Ernst Klett Sprachen, die

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die Stiftung Lesen

zusammengeschlossen und auf einer Fachtagung zu Beginn der UN-Weltdekade die

Bernburger Thesen verfasst (vgl. BMBF 2011). Die neun Bernburger Thesen bringen

zum Ausdruck, dass das Thema Analphabetismus stärkerer Öffentlichkeitsarbeit bedarf,

dass weitere Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen geschaffen werden müssen,

dass Analphabetismus auch in der Lehrerausbildung thematisiert werden muss, dass zur

Umsetzung der Ziele im Rahmen der Weltalphabetisierungsdekade eine zentrale

Informationsstelle eingerichtet werden muss, und schließlich dass Betroffene ermutigt

werden sollen, in der Öffentlichkeit ihre Interessen zu vertreten (vgl. Genz 2004, S. 20).

2006 schrieb das BMBF die mit 30 Mio. Euro ausgestattete Förderinitiative

Alphabetisierung und Grundbildung für insgesamt 24 Verbundvorhaben mit dem Ziel

aus, den Forschungsstand im Bereich Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit mit

Erwachsenen zu verbessern. In diesem Rahmen sind Einrichtungen wie das Portal ich-

will-lernen.de vom Deutschen Volkshochschulverband oder das ALFA-Mobil vom

Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. entstanden (vgl. BMBF 2011).

Besonders hervorgehoben werden soll im Rahmen dieser Arbeit das noch laufende

Projekt Alphamar. Das Projekt der Universität Marburg in Kooperation mit dem BMBF 22 Unter den teilnehmenden OECD-Ländern befanden sich neben Deutschland die Schweiz, Frankreich, die

Niederlande, Polen, Schweden, die USA und Kanada. 23 Für das Vorgehen der Studie siehe Tuijnman (1998, S. 49–53).

2 Analphabetismus und Alphabetisierungsbemühungen in Deutschland Seite 30

beschäftigt sich mit verschiedenen Alphabetisierungsmethoden und bezieht sich

ausschließlich auf den Migrationsbereich. Es hat zum Ziel, die Eignung von

unterschiedlichen Methoden zur Alphabetisierung in Hinblick auf ausländische, illiterate

Erwachsene zu untersuchen. Das Ergebnis wird zum Ende dieses Jahres erwartet,

Teilpublikationen sind jedoch bereits erschienenen (vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010).

Ein weiteres Projekt, das sich unter anderem mit Lehr- und Lernmaterialien für den

Alphabetisierungsunterricht beschäftigt, ist das Köln-Siegener-Verbundprojekt Projekt

Alphabetisierung und Grundbildung für Erwachsene im Sozialraum (PAGES).

Beide Forschungsprojekte haben den Schwerpunkt weiterhin im methodisch-didaktischen

Bereich. Während die Schrifterwerbsdebatte in der Alphabetisierung deutscher

Erwachsener weitestgehend abgeklungen ist, steckt die Erforschung im Migrationsbereich

noch in den Anfängen. Es besteht deshalb trotz der genannten positiven Entwicklungen

weiterhin ein – um es mit Schramms Worten auszudrücken – „eklatante[s]

Forschungsdefizit“ (Schramm 1996, S. 17).

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 31

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich

Das zweite Kapitel hat eine Übersicht über das Thema Analphabetismus und die

historischen sowie aktuellen Bemühungen in der Alphabetisierungsarbeit gegeben.

Darauf aufbauend sollen nun die theoretischen Grundlagen im Migrationsbereich erläutert

werden. Hierzu werden zunächst die Grundlagen und Herausforderungen des

Schriftspracherwerbs dargestellt, bevor auf den Schriftspracherwerb im Erwachsenenalter

und dessen Voraussetzungen eingegangen wird. Schließlich wird der Frage

nachgegangen, in welcher Sprache Migrantinnen und Migranten in Deutschland

alphabetisiert werden sollten.

3.1 Grundlagen und Herausforderungen des Schriftspracherwerbs

Lesen und Schreiben zu können, ist für die meisten funktional alphabetisierten Personen

zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Vorstellung, dass der Schriftspracherwerb für

alle Schriftunkundigen, auch für Muttersprachlerinnen und Muttersprachler, eine große

Herausforderung darstellt, können sie kaum noch nachvollziehen. Lediglich in Fragen der

Orthografie oder beim Verfassen eigener Texte stellt das Schreiben für Schriftkundige

häufig noch ein Problem dar (vgl. Szablewski-Çavus 2002, S. 247).

Das Schreibproblem von Illiteraten beginnt bereits weit vor dem Schriftspracherwerb.

Welche Leistungen Teilnehmende mit Migrationshintergrund in Alphabetisierungskursen

tatsächlich erbringen – und dies auch noch in einer für sie fremden Sprache – soll das

folgende Kapitel aufzeigen. Überdies soll für die Schwierigkeiten des

Schriftspracherwerbs in der Zweitsprache sensibilisiert werden.

3.1.1 Der Stellenwert der Lautsprache und das phonologische Bewusstsein

Das Schriftsystem spiegelt unsere Lautsprache wider, indem Grapheme systematisch

Phonemen zugeordnet sind.24 Als phonologische Bewusstheit wird dabei die Fähigkeit

bezeichnet, die phonologischen Elemente der Sprache zu identifizieren, zu differenzieren

und zu manipulieren (vgl. Grosche 2009, S. 18).

24 Im Deutschen genügt jedoch nicht das Erlernen der einfachen Phonem-Graphem-Korrespondenzen. In

opaken Schriftsystemen, wie dem Deutschen, sind neben diesen alphabetischen Strategien auch morphematische, zum Beispiel die Auslautverhärtung und Umlautschreibung, sowie ästhetische Prinzipien, etwa das Verbot der Doppelschreibung von /i/ und /u/, wichtig. Überdies sind weitere Prinzipien zu finden, etwa das Homonymie-Prinzip, also die Gleichschreibung von semantisch unterschiedlichen, aber gleich klingenden Wörtern und das syllabische Prinzip, zum Beispiel das Fugen-h oder die Worttrennung am Zeilenende (vgl. Heyn 2010a, S. 50).

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 32

Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne zielt dabei auf größere sprachliche

Einheiten (Wörter und Silben), während phonologische Bewusstheit im engeren

Sinne die Bewusstheit für einzelne Laute meint (ebd.).25

Das Erreichen phonologischer Bewusstheit ist eine Vorbedingung, um die alphabetische

Schrift zu lernen, da nur mithilfe der Lautidentifizierung und -differenzierung die

Fähigkeit erlangt wird, Grapheme systematisch zuzuordnen. Bei Kindern findet diese

Bewusstwerdung über Sprache zum Teil bereits im Vorschulalter statt und wird vom

Kindergarten und/oder Elternhaus gefördert (vgl. Feldmeier 2010, S. 24). Für den

Leselernprozess von Kindern bestätigten mehrere Studien die Bedeutung der Ausbildung

eines phonologischen Bewusstseins (Ehri u. a. 2001; Landerl/Wimmer 2008). Auf dieser

Grundlage wird angenommen, dass die phonologische Bewusstheit auch für den

Leselernprozess von Erwachsenen eine wichtige Rolle spielt. Mehrere unabhängige

Studien haben die Ausprägung der phonologischen Bewusstheit bei lesekundigen und

nicht-lesekundigen Erwachsenen untersucht und dabei festgestellt, dass sowohl primäre

Analphabetinnen und Analphabeten (Adrian/Alegria/Morais 1995; Jimenez/Venegas

2004; Reis u. a. 2007) als auch funktionale Analphabetinnen und Analphabeten

(Binder/Borecki 2008) deutliche Defizite in ihrer phonologischen Bewusstheit haben.

Die Forschenden nennen zwei mögliche Gründe für die Defizite in der phonologischen

Bewusstheit: zum einen eine bisher fehlende oder unzureichende Förderung des

phonologischen Bewusstseins und zum anderen eine Störung des phonologischen

Bewusstseins etwa durch eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. Bei primären

Analphabetinnen und Analphabeten ist das gering ausgeprägte phonologische

Bewusstsein meistens auf eine fehlende Schulbildung und den fehlenden

Schriftspracherwerb zurückzuführen. Durch den Ausbau der phonologischen Bewusstheit

im Alphabetisierungsunterricht, etwa durch Artikulationstraining26, kann der

Schriftspracherwerb effektiv unterstützt werden (vgl. Grosche 2009, S. 19). Bei

funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten können beide Faktoren, das heißt eine

unzureichende Schulbildung und Ausbildung der phonologischen Bewusstheit oder eine

Lese-Rechtschreib-Schwäche, eine Ursache sein. Kann eine unzureichende Ausbildung

des phonologischen Bewusstseins, etwa durch Vergleiche mit gleich gut lesenden

Kindern, ausgeschlossen werden, ist es wahrscheinlich, dass eine Lese-Rechtschreib-

Schwäche die Teilnehmenden von einem leichten und effektiven Lesen abhält. Das

bedeutet, dass sie zusätzliche pädagogische Hilfe im Bereich der phonologischen

25 Diese Arbeit bezieht sich, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt, auf die phonologische Bewusstheit

im engeren Sinne. 26 Für ein Konzept zur Umsetzung des Artikulationstrainings und der Sprachvermittlung im Allgemeinen

siehe Heyn (2010a, S. 49–59).

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 33

Bewusstseinsförderung benötigen, da sie die phonologischen Prinzipien der

Schriftsprache nicht weitestgehend selbstständig entdecken können (vgl. ebd., S. 19–20).

3.1.2 Leistungen eines Schriftsprachlernenden

Um Lesen und Schreiben zu erlernen, werden verschiedenste grundlegende Fähigkeiten

gefordert, welche die meisten Lernenden in Alphabetisierungskursen aufgrund

mangelnder Förderung und Schulbildung nicht besitzen. Hierzu gehört vor allem eine

differenzierte akustische und visuelle Wahrnehmungsfähigkeit (vgl. Feldmeier 2004a, S.

105).

Der geschulte Lesende verfügt über ein hoch entwickeltes Wahrnehmungsvermögen. Er

kann optisch zwischen Buchstaben differenzieren, die aus begrenzten Bestandteilen

bestehen und sich nur um wenige Merkmale unterscheiden. Dabei kann er sie auch noch

erkennen, sobald sich ihre Lage im Raum verändert oder ihre Größe variiert. Nicht zuletzt

verfügt er über eine gute Figurwahrnehmung, die es ihm erlaubt, sich unter vielen Reizen

auf ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu konzentrieren (vgl. ebd., S. 110–111).

Bei primären Analphabetinnen und Analphabeten sind diese Fähigkeiten nicht

ausgebildet. Für eine korrekte Laut-Buchstaben-Zuordnung müssen die Laute in der

Fremdsprache einerseits richtig gehört, andererseits visuell korrekt wahrgenommen

werden. Dabei fällt es vielen Lernenden schwer, ähnliche Laute, wie [b] und [p], oder

optisch ähnliche Grapheme, wie /n/ und /h/, zu unterscheiden. Die Differenzierung

zwischen den einzelnen Buchstaben oder Lauten ist daher ein wichtiger Aspekt in der

Alphabetisierung.

Den größten Schwierigkeitsgrad beim Lesen bildet die Synthese, das Zusammensetzen

der Laute, und die Zuordnung einer Wortbedeutung aus dem Gedächtnis. Besonders die

geringe Spracherfahrung in der Zweitsprache und die ungewohnten Lautverbindungen

erschweren das Lesen für illiterate Migrantinnen und Migranten.

Ähnlich verhält es sich mit dem Schreiben. Eine Linie mit einem Stift zu ziehen, wird den

Leserinnen und Leser dieses Textes wahrscheinlich einfach erscheinen. Tatsächlich ist die

Fähigkeit, einen Stift sachgerecht zu führen, alles andere als einfach. Der Grund, warum

die in Industriestaaten aufgewachsenen Menschen den Stift halten können, hängt mit

einer frühen Auseinandersetzung mit dem Konzept Schrift zusammen: Kinder erlernen

schon sehr früh, geprägt durch das Elternhaus oder durch den Kindergarten, den Umgang

mit Stift und Papier (vgl. ebd., S. 112–113; vgl. Szablewski-Çavus 2002, S. 247–248).

Ohne diesen Umgang würden die hierfür notwendigen motorischen Fähigkeiten nicht

erlernt. Bei primären Analphabetinnen und Analphabeten ergeben sich deshalb häufig

Schwierigkeiten in der Stiftführung oder -haltung: „Striche können nicht gerade gezogen

werden, Bleistiftspitzen brechen ständig ab, Unter- und Oberarm verkrampfen sich“

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 34

(Feldmeier 2004a, S. 105). Im Alphabetisierungsunterricht müssen somit erst die

notwendigen feinmotorischen Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Muskelbewegungen, die

Druckausübung und die Koordination von Hand und Arm trainiert werden, damit der

Schriftspracherwerb überhaupt ermöglicht werden kann. Wie trainingsbedürftig die

Bewegungsabläufe beim Schreiben sind, kann der geübte Schreibende beim Schreiben

mit der schwachen Hand27 feststellen: Das Schreiben fällt plötzlich viel schwerer und das,

obwohl die Buchstabenkenntnisse vorhanden sind.

Noch schwieriger gestaltet sich die visuo-motorische Koordination, das heißt das

Zusammenspiel der Schreibbewegung mit der visuellen Kontrolle über Richtigkeit und

Lesbarkeit (vgl. ebd.). Szablewski-Çavus (2002, S. 248) bezeichnet diesen Vorgang als

Rückkopplungssystem. Beispielsweise entstehen bei den ersten Schreibversuchen von

Analphabetinnen und Analphabeten häufig Schwierigkeiten, die Buchstaben in der

Raumlage zu unterscheiden: /b/, /p/, /d/, /q/ sind oftmals auf falscher Höhe

niedergeschrieben (vgl. Feldmeier 2004a, S. 105). Der geübte Schreibende kann die

Bedeutung der Ausbildung eines Rückkopplungssystems beim Schreiben mit

geschlossenen Augen nachvollziehen. Fehlt die visuelle Kontrolle über die

Schriftführung, verschwindet das Gefühl über die Raumlage der Buchstaben: ein Beweis

dafür, dass diese Fähigkeit einst erworben wurde (vgl. Szablewski-Çavus 2002, S. 248).

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass vor dem Beginn des Schreibens

motorische Fähigkeiten in Form der Stifthaltung und -führung und visuo-motorische

Fähigkeiten, die der Lesbarkeit dienen, ausgebildet werden müssen.28

Insgesamt muss der Lernende aus neuropsychologischer Sicht die folgenden Leistungen

erbringen, um das Lesen und Schreiben zu erlernen.

- Erworben werden muss ein bisher unbekanntes sprachliches Zeichensystem mit

bestimmten räumlichen Eigenschaften.

- Erworben werden muss ein Mechanismus der Umkodierung von zwei

Zeichensystemen (Phonemen und Graphemen) aufgrund definierter

Zuordnungsregeln.

- Entwickelt werden muss eine neue Form der Motorik (Graphomotorik) und der

entsprechenden Mechanismen, schriftliche, lautliche und gedankliche Vorlagen

in entsprechende Schreibbewegungsmuster umzusetzen (die Schreibmotorik

bildet hierbei die entsprechende Voraussetzung).

27 Damit ist bei Rechtshändern die linke Hand, bei Linkshändern die rechte Hand gemeint. 28 Die Ausgangssituation einer/s Schriftsprachlernenden kann sich die/der geübte Schreibende durch das

Schreiben mit der schwachen Hand und (zusätzlich) geschlossenen Augen vorführen.

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 35

- Ebenfalls erworben werden müssen Dekodierungsmechanismen, um das

Sinnerfassen von Sprachsignalen auf graphemischer Ebene zu vollziehen (ebd.,

S. 252–253; vgl. auch Weigl 1974, S. 118).

Im Folgenden soll nun der hier bereits dargestellte Schriftspracherwerb näher betrachtet

werden.

3.2 Schriftspracherwerb im Erwachsenenalter

In der Regel basiert der Schriftspracherwerb bei Kindern auf der jeweils am weitesten

entwickelten Sprache, das heißt der Erstsprache. Dieses in den Industrieländern leitende

Prinzip kann jedoch nicht immer bei Migrantinnen und Migranten vorausgesetzt werden

(vgl. Szablewski-Çavus 2001, S. 21).

Weit bevor deutsche Kinder in die Schule kommen, haben sie sich in der Regel mit

Schrift auseinandergesetzt; sie haben Konzepte und Fähigkeiten im schriftsprachlichen

Bereich entwickelt und somit ihr phonologisches Bewusstsein parallel zum Spracherwerb

ausgebildet. Feldmeier spricht dabei von ungesteuerten Schriftsprachkompetenzen. In

dieser Entwicklungsphase sind bei Kindern besonders Reime und zahlreiche Sprachspiele

beliebt (vgl. Feldmeier 2010, S. 24).

Beim Unterricht mit Migrantinnen und Migranten kann die phonologische Bewusstheit

allerdings nicht vorausgesetzt werden. Die Lautidentifikation und -diskrimination können

Personen, „die noch nie eine Schrift erlernt haben, nicht von vornherein, und gleichzeitig

kann ein Versäumnis auf dieser Ebene lange Zeit Probleme bereiten“ (Ritter 2008, S.

167). Dies macht die Ausbildung eines phonologischen Bewusstseins in

Alphabetisierungskursen notwendig, insbesondere wenn in der Zweitsprache Deutsch

alphabetisiert wird.

„Über den parallelen Erwerb einer Erstschrift und einer Zweit- (oder Dritt-)Sprache sind

bisher noch keine Angaben greifbar“ (ebd., S. 166). Es gibt keine Studien darüber, ob die

Schriftsprache im ungesteuerten Spracherwerb bis zum Niveau einer funktional

alphabetisierten Person reichen kann. Brügelmann (1989) geht von der Möglichkeit aus,

dass der vollständige ungesteuerte Erwerb schriftsprachlicher Kompetenzen theoretisch

möglich ist. Weitere Autorinnen und Autoren sehen im ungesteuerten Erwerbsmuster

auch die Voraussetzung für eine Alphabetisierung Erwachsener (vgl. Feldmeier 2010, S.

24). Daher muss im Unterricht mit erwachsenen Teilnehmenden nachgefragt werden,

welche Kompetenzen die Lernenden bereits mitbringen (vgl. ebd., S. 24; 26).

Für Analphabetinnen und Analphabeten ist es eine große Überwindung, eine neue

Sprache zu erlernen, denn sie sind zunächst nur auf das lautsprachliche Lernen

beschränkt. Sind bereits geringe Vorkenntnisse vorhanden, so lässt sich ein

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 36

Zusammenhang zwischen der Beherrschung von Schrift- und Lautsprache ausmachen.

Defizite in schriftsprachlichen Kenntnissen können durch mündliche Sprachkenntnisse

zumindest zum Teil ausgeglichen werden. Aber auch Personen, die bereits in einem

anderen Schriftsystem alphabetisiert sind, finden sich in der Regel in der deutschen

Umgebung schneller zurecht und können schnellere Fortschritte erzielen (vgl.

Szablewski-Çavus 2001, S. 21–22). Zwar ist ein vollständiger Spracherwerb, der nur auf

lautlicher Ebene stattfindet, möglich, Praxisfälle haben aber gezeigt, dass in solchen

Fällen das Niveau der Syntax auf einem niedrigen Grad stagniert (vgl. Szablewski-Çavus

1991, S. 47).

Außerdem unterlaufen im ungesteuerten Spracherwerb oft Formfehler, die in der

gesprochenen Sprache nicht wahrgenommen werden und für das Sprachverständnis nicht

relevant sind. In der Schriftsprache kommen diese Fehler jedoch deutlich zum Ausdruck.

Für das Erlernen der Schriftsprache sind Verfestigungen der nicht-sprachkorrekten

Formen, Fossilierungen, oder der Gebrauch von Interimsprache, die eigenen sprachlichen

Regeln folgt, zusätzlich erschwerend (vgl. Lonnecker/Schödder 2005, S. 4).

Aus diesem Grund sind besonders im Grad der (laut-)sprachlichen und in der bereits

entwickelten schriftsprachlichen Kompetenz, zum Beispiel durch ungesteuerten Erwerb,

Unterschiede im Kenntnisstand der Lernenden zu erwarten. Wahrscheinlich ist, dass

Erwachsene auch über alle von Kindern gesteuert oder ungesteuert erworbenen

Kompetenzen verfügen müssen, um lesen und schreiben zu können. Ob der

Schriftspracherwerb von Kindern und Erwachsenen, vor allem in der Zweitsprache,

analog verläuft, wurde bisher nicht erforscht. Große Unterschiede bleiben aber in der

„kognitiven Reife, Einstellung und Motivation zu erwarten“ (Feldmeier 2010, S. 33–34).

3.2.1 Die Schriftspracherwerbsmodelle von Frith und Günther

Da es, wie bereits erwähnt, keine Studien über den Schrifterwerbsprozess bei

Erwachsenen, insbesondere nicht in der Zweitsprache, gibt, sollen hier die Annahmen

von Frith (1985) und Günther (1995) über den frühkindlichen Schrifterwerb vorgestellt

und für die Erwachsenenbildung adaptiert werden.

Das Modell von Frith beschreibt den Spracherwerb von englischsprachigen Kindern in

mehreren Phasen. Zwar ist eine Übertragbarkeit auf die Erwachsenenbildung im

Migrationsbereich nicht hinreichend belegt, dennoch bestätigen Kurvers & Zouw (1990)

die von Frith dargestellten Erwerbsstufen für den schriftlichen Zweitspracherwerb von

Erwachsenen im Niederländischen.

Auch das Stufenmodell von Günther (1995) über die kindliche Entwicklung von Lese-

und Schreibstrategien gibt Aufschluss über die Vorbedingungen zum Erlernen einer

Schrift. Dabei orientiert sich das Modell an den fünf von Frith vorgeschlagenen

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 37

Erwerbsphasen. Es zeigt, dass der Schriftspracherwerb kein geschlossener oder zeitlich

begrenzter Vorgang ist und vor allem, dass eine Alphabetisierung weit mehr ist als der

Erwerb von Buchstabenkenntnissen: Auch orthografische Kenntnisse sowie Lese- und

Schreibstrategien sind notwendig (vgl. Ritter 2010, S. 1121).

Beide Autoren benennen fünf Phasen im frühkindlichen Erwerbsprozess: die symbolisch-

prälaterale, die logografische, die alphabetische, die orthografische und die post-literale

Phase. Den Kern des Modells bilden bei Frith vor allem die Phasen zwei bis vier.

In der symbolisch-prälateralen Phase entwickeln Kinder ein Verständnis für die

Symbolhaftigkeit von Schriftsprache. Dies geschieht zunächst über Bilder. An das

Konzept des Lesens wird durch Bilderbücher oder das Vorlesen durch die Eltern

herangeführt. Viele Kinder beginnen in dieser Phase das Lesen zu imitieren, indem sie

eine bekannte Geschichte nacherzählen, während sie vorgeben, wirklich zu lesen (vgl.

Feldmeier 2010, S. 29).

In der logografischen Phase werden bereits visuell bekannte Wörter wiedererkannt. Ohne

Buchstabenkenntnisse zu besitzen, beginnen Kinder einzelne Wörter durch besondere

visuelle Ausprägungen zu erkennen. Die Wörter werden daher nicht phonologisch

synthetisiert, sondern aus dem inneren Lexikon heraus erkannt. Unbekannte Wörter

können deshalb nicht gelesen werden. Es gibt also nur einen Sichtwortschatz, der sich auf

wenige bekannte Wörter begrenzt. Durch das Abmalen dieser Wörter entwickelt sich

langsam der zugehörige Schreibwortschatz (vgl. ebd., S. 30).

Durch den Schulunterricht lernen die Kinder Phonem-Graphem-Korrespondenzregeln:

Sie erschließen das Buchstaben- und Lautinventar der deutschen Sprache und lernen die

Laut-Buchstaben-Zuordnung kennen. Damit befinden sie sich in der alphabetischen Phase

(vgl. ebd.). In dieser lautgetreuen Phase des Schreibens profitieren Sprach- und

Schriftspracherwerb voneinander: Eine phonologische Bewusstheit wird aufgebaut, das

bedeutet Hören und Aussprache sowie phonologische und phonetische Spracharbeit

unterstützen sich gegenseitig (vgl. Ritter 2010, S. 1122). Ist das phonologische

Bewusstsein gut ausgebildet, insbesondere im Bereich der Synthese und Analyse, können

erste fremde, aber lautübereinstimmende Wörter gelesen und (orthografisch korrekt)

geschrieben werden, wie beispielsweise das Wort Bus. Das Kind hat nun das

Synthetisieren gelernt und muss nicht mehr auf die aufwendige Praxis der visuellen

Einprägung einzelner Wörter zurückgreifen. Wörter, die nicht mit den Lauten

übereinstimmen, sind allerdings noch sehr schwierig zu lesen und zu schreiben (vgl.

Feldmeier 2010, S. 30), denn die Laut-Buchstaben-Beziehungen müssen langsam und

bewusst aufgebaut werden, um eine implizite Regelbildung und Strategieableitung zu

ermöglichen (vgl. Ritter 2010, S. 1122). Während die Schreibstrategie also eine

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 38

alphabetische ist, ist die Lesestrategie noch eine logografische29 (vgl. ebd. u. s. Abbildung

3).

In der folgenden orthografischen Phase laufen die synthetischen Prozesse bereits

automatisch ab, sodass sich das Kind auf größere Strukturen konzentrieren kann. Nun

werden orthografische Muster allmählich als Ganzes identifiziert und im Idealfall erkennt

das Kind das Wort bereits, ohne es (er-)lesen zu müssen (vgl. Feldmeier 2010, S. 30). Es

beginnt der Kompetenzerwerb im eigenständigen Schreiben und dem Lesen authentischer

Texte (vgl. Ritter 2010, S. 1122).

Schließlich wird Schrift in der post-literalen Phase zum Kommunikationssystem und die

Unterschiede von (Laut-)Sprache und Schriftsprache werden wahrgenommen und

verstanden. Letztendlich ist erst diese Phase die Voraussetzung für den Erwerb der

Schreibkompetenz (vgl. Feldmeier 2010, S. 30).

Innerhalb dieser Phasen entwickeln sich

jeweils eigene Lese- und Schreib-

strategien (Abbildung 3).

Der Wunsch zu lesen entwickelt die

logographische, der Wunsch zu

schreiben die alphabetische und der

wiederholte Wunsch (schneller) zu

lesen letztendlich die orthographische

Strategie (ebd., S. 31).

Allerdings durchlaufen nicht alle

Lernenden die Phasen in der genannten Reihenfolge und Zeit, sodass es immer wieder

individuelle Abweichungen gibt (vgl. ebd., S. 32).

Im Folgenden soll versucht werden, das vorgestellte Modell auf den Erwerbsprozess bei

Erwachsenen zu übertragen.

3.2.2 Adaption des Modells für die Erwachsenenbildung

Das Wiener Rahmencurriculum Deutsch als Zweitsprache & Alphabetisierung (Fritz u. a.

2006) greift das Modell von Frith und Günther auf und versucht es auf die

Erwachsenenbildung zu übertragen. Dem Wiener Modell liegen jedoch keine

wissenschaftlichen Studien zugrunde. Die Verfasserinnen und Verfasser begründen den

Einsatz des Modells in der Erwachsenenbildung ausschließlich aus ihren eigenen

Erfahrungen heraus (vgl. Feldmeier 2010, S. 31).

29 Erschließung des Wortes durch das Sprachbild oder den Kontext.

Abbildung 3: Lese- und Schreibstrategien in ihrer Entwicklung (Feldmeier 2010, S. 31)

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 39

In Wien gibt es eine hohe Nachfrage nach Alphabetisierungskursen. Dabei wird, wie auch

bei deutschen Alphabetisierungskursen im Migrationsbereich, primär auf einen

kombinierten Ansatz von Schrift- und Sprachunterricht gesetzt, der die gezielte

Förderung der Deutschkenntnisse verfolgt (vgl. Ritter 2008, S. 165).

Das im Curriculum vorgeschlagene Kursmodell besteht aus vier Niveaus. Die Einstufung

der Teilnehmenden verläuft zunächst über die schriftsprachlichen Kenntnisse. Dabei

werden sie der symbolisch-prälateralen, der logografischen, der orthografischen und der

alphabetischen Phase zugewiesen. Zusätzlich enthält jede dieser Stufen zwei parallele

Angebote: Einen Kurs für Sprachunkundige und einen für Teilnehmende, die Deutsch

sprechen können (vgl. ebd.). Damit ist es das erste Modell, das sowohl nach

schriftsprachlichen als auch nach sprachlichen Kenntnissen der Teilnehmenden

differenziert. Ob sich dieses Modell, das sich in Wien bewährt hat, allerdings auf

Deutschland übertragen lässt, muss noch erforscht werden.

Bei der Alphabetisierung in der Zweitsprache entsteht eine besondere Herausforderung,

da die Unterrichtssprache gar nicht oder nur wenig beherrscht wird. Die kritischen Phasen

sind daher nach Ritter (2010, S. 1122–1123) vor allem zu Beginn des

Schriftspracherwerbs anzusiedeln, also genau dort, wo es um das Verständnis des

alphabetischen und um die Aneignung des phonematischen Prinzips geht.

Erst die Sicherheit beim Wahrnehmen der Lautgestalt des gesprochenen Wortes

(Phoneme) und die Fähigkeit, dieser Lautgestalt bestimmte graphische Zeichen

(Grapheme) zuordnen zu können, bilden eine stabile Basis für die Alphabetisierung

(ebd., S. 1122).

Um den späteren Verlust von Schriftsprachkenntnissen zu vermeiden, muss in der

orthografischen Phase insbesondere bei Migrantinnen und Migranten eine Hilfestellung

zum Einsatz des Erlernten in der Praxis gegeben werden. Deshalb sollte die Phase der

Absicherung und Automatisierung nicht unterschätzt werden (vgl. ebd.).

Bisher wurde vor allem der Schriftspracherwerb in Erwachsenenalter thematisiert. Wie

aus dem Wiener Curriculum aber auch hervorgeht, nehmen die sprachlichen

Kompetenzen von Migrantinnen und Migranten einen ebenso wichtigen Stellenwert im

Alphabetisierungsunterricht ein. Da Ausländerinnen und Ausländer durch die Migration

bedingt, jedoch theoretisch vor der Wahl mehrerer möglicher Alphabetisierungssprachen

stehen, soll nun herausgestellt werden, ob in der Erst- oder Zweitsprache alphabetisiert

werden sollte.

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 40

3.3 Alphabetisierung in der Erst- oder Zweitsprache?

Rein formell betrachtet ist eine Alphabetisierung in jeder der mehr als 6000 Sprachen auf

der Welt möglich. Jedoch muss die Infrastruktur dafür gegeben sein: Es müssen geeignete

Lehr- und Lernmaterialien, ausgebildete Kursleitende und lerngerechte Räumlichkeiten

sowie entsprechende Ausstattungen zur Verfügung stehen (vgl. Ouane 2002, S. 71). Sind

diese Voraussetzungen erfüllt, kann prinzipiell in jeder Sprache alphabetisiert werden:

Doch in welcher Sprache soll alphabetisiert werden?

Während in der Regel eine Alphabetisierung im frühen Kindesalter in der Erstsprache,

das heißt in der am weitesten entwickelten Lautsprache, stattfindet, so ist dies bei

sprachlichen Minderheiten nicht immer gegeben. Als Folge von Wanderung wird

Literarität oft notwendig und die Frage, ob in der Erstsprache oder in der Zweitsprache

alphabetisiert werden soll, drängt sich auf. Die Problematik, zwischen mehreren

möglichen Alphabetisierungssprachen zu wählen, bezieht sich allerdings nicht allein auf

Migrantinnen und Migranten. In vielen Ländern, insbesondere Entwicklungsländern, in

denen mehrere Sprachen gesprochen werden, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der

Alphabetisierungssprache. Soll zum Schutz von Sprachminderheiten und aufgrund der

Identitätsverstärkung in der Muttersprache alphabetisiert werden oder ist es doch

sinnvoller, in der Zweitsprache lesen und schreiben zu lernen, weil so die wirtschaftliche,

politische und kulturelle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird (vgl.

Schramm 1996, S. 29–30)? Zur Beantwortung dieser Frage werden die folgenden

Unterkapitel auf die Gründe für eine Alphabetisierung in der Erstsprache und auf jene für

eine Alphabetisierung in der Zweitsprache eingehen. Abschließend sollen die daraus

resultierenden Konsequenzen für die Unterrichtspraxis gezogen werden.

3.3.1 Alphabetisierung in der Erstsprache

Sprache dient als ein Indikator kultureller Zugehörigkeit und Identität und ist daher ein

Recht der Menschenwürde. Die UNESCO plädiert für eine Alphabetisierung in der

Muttersprache30, da die Sprachenvielfalt schützenswert und als ein gemeinsames Erbe der

Menschheit anzusehen ist (vgl. ebd., S. 72). Des Weiteren sind lesen und schreiben

kulturgebundene Aktivitäten. Nur die Alphabetisierung in der Muttersprache kann den

Zugang zur Schriftkultur der Heimat gewährleisten und damit auch die Einsicht in die

kultureigenen Sprach- und Schreibstile geben, die es in der Zweitsprache Deutsch

möglicherweise nicht gibt (vgl. Schramm 1996, S. 31).

30 Das Statement bezieht sich insbesondere auf sprachliche Minderheiten in den Entwicklungsländern. Durch

die Alphabetisierung in der Amtssprache kann es zu Entfremdung bis hin zu Identitätskonflikten kommen (vgl. Ouane 2002, S. 73).

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 41

Das Angebot zum Schriftspracherwerb in der Muttersprache nimmt also nicht nur

die kulturelle Identität der Kursteilnehmer ernst, sondern ermöglicht auch die

schriftsprachliche Erfahrung kulturgeprägter Identität (ebd.).

Die Stärkung der eigenen Identität kann aufgrund des zuvor bereits erwähnten

Identitätskonfliktes im Zielland besondere Bedeutung erlangen. Die ständige

Konfrontation mit anderen Lebensstilen und Weltanschauungen und das Fehlen von

Bezugspersonen machen diesen kulturellen Aspekt der erstsprachlichen Alphabetisierung

bedeutungsschwanger (vgl. ebd.).

Verhoeven hält zwei Funktionen von Schriftsprachen für biliterate Minderheiten fest:

The primary function of the use of the majority language will be intergroup

interaction in the communitiy; functions of the use of the minority language will be

intergroup communication and expressing one’s ethnicity (Verhoeven 1987, S. 19).

Damit steht die Motivation der Lernenden, eine Schriftsprache erlernen zu wollen, im

Vordergrund: Wenn sie lesen und schreiben lernen wollen, um den Kontakt ins

Heimatland nicht zu verlieren und sich mittels Printmedien über die Lage im Heimatland

informieren wollen, weil sie langfristig eine Rückkehr in das Herkunftsland planen, so ist

in jedem Fall eine Alphabetisierung in der Erstsprache sinnvoll (vgl. ebd., S. 32).

Gleichzeitig scheint es, als sei die Hemmschwelle, einen Kurs zu besuchen, niedriger,

wenn dieser in der Erstsprache angeboten wird. Das Selbstvertrauen in die eigenen

sprachlichen Kenntnisse ist größer und die Angst vor lebensfremden Mitlernenden ist

geringer. Natürlich können in der Muttersprache auch schnellere Fortschritte erzielt

werden, da die Unterrichtssprache von Anfang an verstanden wird. So können die

erklärten sprachlichen Phänomene schnell begriffen werden, ohne dass zuvor die

Erläuterung noch sprachlich verstanden werden muss. Aufgrund der Beherrschung der

Lautsprache ist weiterhin anzunehmen, dass Probleme in der Laut-Buchstaben-Beziehung

nur aufgrund von der Hochsprache abweichenden Dialekten auftreten. In der Zielsprache,

die auf einem niedrigen Sprachniveau oder gar nicht beherrscht wird, haben Lernende

schneller Schwierigkeiten mit der Aussprache und mit der Zuordnung der Laut-

Buchstaben-Beziehung (vgl. ebd.).

Auch ohne vorliegende Forschungsarbeiten zu diesem Thema besteht in der Diskussion

doch ein Konsens darüber, dass eine Alphabetisierung in der Zweitsprache für die

Lernenden schwerer ist (vgl. Szablewski-Çavus 1991, S. 56).

Wird eine Untersuchung aus dem Kindesspracherwerb durch Cummins (1982)

herangezogen, so findet dieser Konsens Bestätigung. Cummins leitet auf der Grundlage

einer großen Diskrepanz in einer Untersuchung von schlechten Schulleistungen

ausländischer Kinder, die in der Zweitsprache unterrichtet wurden und solchen, die an

erfolgreichen Immersionsprogrammen teilnahmen, die Schwellen-Hypothese ab. Die

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 42

Schwellenhypothese oder auch threshold-Hypothese nimmt an, dass ein Mindestmaß an

muttersprachlicher Kompetenz vorliegen muss, um eine Zweitsprache zu erlernen. Erst

ein hohes Niveau in der Muttersprache führt auch zu einem Erfolg in der Zweitsprache.

Da die Erstsprache damit zur Voraussetzung der weiteren Sprachentwicklung wird,

erscheint die Förderung der Muttersprache für einen effektiven Zweitspracherwerb

besonders wichtig (vgl. Szablewski-Çavus 1991, S. 56).

Auf den Spracherwerb im Erwachsenenalter lässt sich die Schwellenhypothese jedoch nur

bedingt übertragen, denn die kognitive Entwicklung ist bereits abgeschlossen. Für Kinder

ist Sprache etwas Abstraktes; Erwachsene, die in einer literaten Welt leben, haben jedoch

bereits genaue „Vorstellungen über Schrift und Funktionen“ (Schramm 1996, S. 35).

Wenn noch bewiesen werden muss, dass der muttersprachliche Schriftspracherwerb

einfacher ist, so steht fest, dass sich bestimmte Sprachen aufgrund von linguistischen

Aspekten leichter erlernen lassen als das Deutsche. Die goodness-of-fit-Hypothese geht

davon aus, dass sich Sprachen mit einfachen Phonem-Graphem-Korrespondenzen leichter

erlernen lassen als jene mit komplexen Systemen. Im Gegensatz zum Deutschen besteht

beispielsweise im Türkischen ein 1:1 Verhältnis in der Laut-Buchstaben-Beziehung (vgl.

ebd., S. 36–37). Aus diesem Grund hat der Sprachverband DfaA seit 1986 Kurse in

türkischer Muttersprache angeboten.31 Für das Deutsche zeigt Bergk (1980, S. 144)

dagegen, dass ein einliniges Verhältnis in der Laut-Buchstaben-Beziehung nur in sechs

Fällen gegeben ist, woraus Forderungen nach einer Rechtschreibreform resultierten.

Eine Alphabetisierung in der Erstsprache kann also grundsätzlich in Erwägung gezogen

werden. Doch welche Argumente sprechen für eine Alphabetisierung in der

Zweitsprache?

3.3.2 Alphabetisierung in der Zweitsprache

Für eine Alphabetisierung in der Zweitsprache können ebenfalls linguistische Argumente

angeführt werden. Liegt der Erstsprache kein Schriftsystem zugrunde, wie beispielsweise

bei den Berbersprachen, die von vielen nordafrikanischen Migrantinnen und Migranten

gesprochen werden, wird die Frage nach der Alphabetisierungssprache irrelevant, da nur

in der Zweitsprache alphabetisiert werden kann. Es sollte ebenfalls in der Zweitsprache

alphabetisiert werden, „wenn die Nationalsprache eines Heimatlandes für den Sprecher

der Minderheitensprache aus politischen Gründen negativ besetzt ist“ (s. Schramm 1996,

S. 39).

Überdies gibt es auch Sprachen, deren Phonem-Graphem-Korrespondenz noch komplexer

und unregelmäßiger ist als die des Deutschen. Das gilt auch für nicht-lateinische

31 Allerdings ergab sich auch hier das Problem mangelnden Personals sowie Lehr- und Lernmaterials (vgl.

Szablewski-Çavus 2001, S. 23).

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 43

Schriftsysteme wie logografische Schriften32 (vgl. ebd.). Verhoeven geht aufgrund

verschiedener Forschungsarbeiten davon aus, dass die Erlernbarkeit alphabetischer

Schriften einfacher sei, da logografische Schriften ein gutes Gedächtnis für Symbol und

Bedeutung erforderten (vgl. Verhoeven 1987, S. 14).

Personen mit einem starken Dialekt (Diglossie) kann es schwer fallen, in der Hoch- oder

Amtssprache des Herkunftslandes alphabetisiert zu werden. Wenn die Hochsprache des

Herkunftslandes ebenso fremd ist wie die zu erlernende Zweitsprache und zwangsläufig

Schwierigkeiten in der Laut-Buchstaben-Zuordnung, also beim Begreifen des

alphabetischen Prinzips, zu erwarten sind, kann ebenfalls aus linguistischen Gründen eine

Alphabetisierung in der Zweitsprache in Betracht gezogen werden (vgl. Genuneit 2002,

S. 31). Dies betrifft insbesondere viele arabische und asiatische Sprachen (vgl. ebd., S.

40).

Häufig werden von Kursleitenden allerdings praktische Gründe angeführt: Für

muttersprachliche Kurse fehlen ebenso geeignete Lehrpersonen wie passende

Unterrichtsmaterialien. Wenn dies noch ein zu bewältigendes Problem darstellt, so ist der

ökonomische Faktor jedoch entscheidend, denn für viele Nationalitäten wird es aufgrund

zu geringer Teilnehmerzahlen keinen sprachhomogenen Kurs geben. Der Sprachverband

DfaA hat beispielsweise erst ab einer Teilnehmerzahl von zwölf Personen

türkischsprachige Alphabetisierungskurse angeboten (vgl. Szablewski-Çavus 2001, S.

22).

Ouane (1990, S. 19) weist darauf hin, dass die Alphabetisierung nur dann motivierend ist,

wenn daraus Chancen im Zielland eröffnet werden, sei es auf politischer, wirtschaftlicher

oder gesellschaftlicher Ebene. Da der deutsche Alltag stark von Schriftkenntnissen

geprägt ist, kann hier eine besonders hohe Motivation erwartet werden. Die Motive

können so für den Lernprozess nutzbar gemacht werden (vgl. Schramm 1996, S. 42).

Die erwachsenen Lerner verknüpfen die Alphabetisierung mit dem Wunsch

vermehrt am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der

Gemeinschaft teilzunehmen (Szablewski-Çavus 1991, S. 56).

Überdies ist eine häufige Konfrontation mit dem Erlernten die Bedingung für den Erhalt

der Schriftsprachkenntnisse. Neu Alphabetisierte benötigen den ständigen Schriftkontakt,

der dazu anregt, die erworbenen Kenntnisse anzuwenden (vgl. ebd.). Ist die Erstsprache

nur wenig literat-kulturell geprägt, wie etwa das Kurdische, kann die in der Sprache

erworbene Lesefähigkeit aufgrund mangelnder schriftlicher Texte wieder verlernt

werden; sekundärer Analphabetismus tritt ein. Auch in diesem Fall sollte in der

Zweitsprache alphabetisiert werden (vgl. Schramm 1996, S. 42).

32 Hierzu zählt zum Beispiel das Chinesische.

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 44

Das ausschlaggebende Argument für eine Alphabetisierung in der Zweitsprache ist das

größere Kommunikationspotenzial, denn Sprache ist vor allem ein

Kommunikationsmittel. Sprache verschafft immer einen Zugang zur Gemeinschaft, zu

einer community (vgl. Ouane 2002, S. 73) und dient als alltägliche Informationsquelle

und Orientierungshilfe. Die alltägliche Konfrontation mit Schrift beginnt bereits mit dem

Lesen von Hinweisschildern oder dem Lesen von Fahrplänen und ist für Migrantinnen

und Migranten besonders bedeutend für die notwendigen Behördengänge (vgl.

Szablewski-Çavus 1991, S. 43–44). Unter den bereits im vorigen Kapitel besprochenen

Verwendungsformen von Schrift im Alltag kann man so „möglicherweise der

Alltagsbewältigung mithilfe einer deutschen Lese- und Schreibfähigkeit Priorität vor der

Beschäftigung mit Fragen kultureller Identität, wie sie die Muttersprache erlaubt,

einräumen“ (Schramm 1996, S. 42). Sofern die Migrantinnen und Migranten langfristig

einer Erwerbstätigkeit in Deutschland nachkommen wollen, die über einfachste

Tätigkeiten hinausreicht, so ist es möglicherweise sinnvoll, bereits zu Beginn auf Deutsch

das Lesen und Schreiben zu vermitteln, denn das Lernen schriftsprachlicher Fertigkeiten

beansprucht mehrere Jahre (vgl. ebd.). Die Kurszeit kann im Fall der zweitsprachlichen

Alphabetisierung zusätzlich zum Ausbau der sprachlichen Kompetenzen genutzt werden.

Aus diesem Grund ist auch das Konzept für einen bundesweiten Alphabetisierungskurs

(2009) auf die Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch und damit auf einen

integrativen Ansatz zur Förderung schriftsprachlicher und sprachlicher Kompetenzen

ausgerichtet.33 Bei Migrantinnen und Migranten, die dauerhaft in Deutschland bleiben

wollen, ist Alphabetisierung kein Selbstzweck. Neben der Schrift muss aus den oben

genannten Gründen auch die deutsche Sprache erlernt werden. Bei der in dieser

Ausarbeitung betrachteten Zielgruppe wiegen die Argumente für eine Alphabetisierung in

der Zweitsprache Deutsch daher stärker.

3.4 Folgerungen für die Unterrichtspraxis

In den vorangegangen Kapiteln wurde dargelegt, dass es sowohl Argumente für eine

Alphabetisierung in der Erstsprache als auch Argumente für eine Alphabetisierung in der

Zweitsprache gibt. Doch welche ist die bessere Alphabetisierungssprache für

Migrantinnen und Migranten in Deutschland?

Unter schulorganisatorischen Aspekten bietet sich eine Alphabetisierung in der

Zweitsprache an. Zwar fehlen hier häufig auch noch Lehr- und Lernmaterialien sowie

ausgebildete Kursleiterinnen und Kursleiter, jedoch gibt es massivere Schwierigkeiten,

geeignetes Personal und Lehrwerke für eine Alphabetisierung in der Erstsprache zu 33 Weitere Erläuterungen zu curricularen Richtlinien erfolgen in Kapitel 4.1.

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 45

finden. Vor allem die Lehr- und Lernmaterialen aus den Herkunftsländern sind für eine

erstsprachige Alphabetisierung in Deutschland nicht verwendbar, weil sie den

Lebenskontext der Migrantinnen und Migranten nicht widerspiegeln und zum Teil

demokratischen Grundanforderungen widersprechen (vgl. Szablewski-Çavus 1991, S.

52–53). Außerdem ist es schwierig, außerhalb von Ballungsgebieten ausreichend

Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Alphabetisierungskurse zu gewinnen, damit der

Kurs finanziell unterstützt werden kann. Wird in multinationalen Kursen unterrichtet,

werden durch die höhere Teilnehmerzahl ein größeres Angebot und eine größere

Binnendifferenzierung nach dem Lernstand möglich (vgl. Schramm 1996, S. 44).

Unter affektiven Gesichtspunkten ist jedoch eine Alphabetisierung in der Erstsprache

sinnvoller: Die Identität der Lernenden wird gestärkt und sie bekommen mehr

Selbstvertrauen. Zusätzlich ist die Hemmschwelle geringer, sich zu einem Kurs

anzumelden. Überdies sind auch die Ehepartner gegenüber einem Alphabetisierungskurs

in der Erstsprache oftmals weniger misstrauisch. Nur selten möchten Betroffene bewusst

nicht mit Landsleuten zusammen unterrichtet werden, um ihre Anonymität zu wahren

(vgl. ebd.).

Der Streitpunkt liegt primär in kognitiven beziehungsweise linguistischen Aspekten. Es

wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass das Erlernen der schriftsprachlichen

Fertigkeiten in der Erstsprache leichter ist. Die Erlernbarkeit der Schriftsprache ist, wie

dargelegt wurde, allerdings unterschiedlich schwer. Soweit einfachere Phonem-Graphem-

Korrespondenzregeln in der Erstsprache als in der Zweitsprache vorliegen, sind in dieser

die schriftsprachlichen Kompetenzen leichter zu erwerben. Verhält es sich aber

umgekehrt und die Laut-Buchstaben-Beziehungen in der Zweitsprache sind leichter zu

erfassen, da das System der Erstsprache sehr komplex ist, so muss eine Alphabetisierung

in der Zweitsprache bedacht werden. Dazu gehört auch die Alphabetisierung in der

Zweitsprache, wenn der Erstsprache ein nicht-lateinisches Schriftsystem zugrunde liegt

oder ein stark von der Hochsprache abweichender Dialekt gesprochen wird (vgl. ebd.).

Schließlich werden die motivationalen und funktionalen Aspekte zum Zünglein an der

Waage. Wird eine Kommunikation innerhalb der ethnischen Gruppe oder eine

sprachliche Integration zur Alltagsbewältigung im Zielland durch den Betroffenen

angestrebt?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nicht pauschal über die

Alphabetisierungssprache entschieden werden kann, sondern jeder Einzelfall differenziert

betrachtet werden muss (vgl. ebd.). Je nach Interessenlage und Standpunkt wird eine

Beantwortung der Frage, in welcher Sprache alphabetisiert werden soll, unterschiedlich

ausfallen: Linguisten, Pädagogen, Bildungspolitiker oder Ökonomen werden jeweils

eigene Standpunkte vertreten. Die entscheidende Frage bleibt letztendlich, welche

3 Theoretische Grundlagen der Alphabetisierung im Migrationsbereich Seite 46

Kursform umsetzbar ist und was die Teilnehmenden selbst wollen (vgl. Ouane 2002, S.

71; 74).

4 Alphabetisierungspraxis Seite 47

4 Alphabetisierungspraxis

Im vorangegangenen Kapitel wurden theoretische Grundfragen, wie die Voraussetzung

des Schriftspracherwerbs, erläutert und die Frage, in welcher Sprache alphabetisiert

werden soll, diskutiert. Nun werden die Rahmenbedingungen von BAMF-geförderten

Alphabetisierungskursen34, wie sie im Konzept dargelegt werden, vorgestellt. Damit greift

dieses Kapitel inhaltlich bereits einige Aspekte von Alphabetisierungslehrwerken für

Migrantinnen und Migranten, die im nächsten Kapitel erörtert werden sollen, auf.

4.1 Konzepte, Curricula und Richtlinien

Für den Bereich der Alphabetisierung in der Zweitsprache Deutsch gab es bis vor

wenigen Jahren keine verbindlichen Richtlinien auf bundesweiter Ebene. Da die meisten

Alphabetisierungskurse in der Erwachsenenbildung von nichtstaatlichen Institutionen,

wie dem Deutschen Volkshochschulverband getragen werden, wurden meist interne

Reglungen über Umfang, Ablauf und Inhalt der Kurse getroffen. Dies führte zu großen

Unterschieden in den Qualitätsstandards der angebotenen Alphabetisierungskurse. Um

diesen Missstand zu beheben, hat das BAMF ein Konzept zur bundesweiten Förderung

von Alphabetisierungskursen35 (Feldmeier 2009) vorgelegt, in welchem Anregungen zur

Gestaltung und Umsetzung von Alphabetisierungskursen im Migrationsbereich gegeben

werden. Mit diesem Konzept „wird Lehrkräften, Kursträgern sowie weiteren Beteiligten

und Interessierten eine verbindliche Grundlage für die Gestaltung des Unterrichts zur

Verfügung gestellt“ (ebd., S. 19). Im BAMF-Konzept werden der Umfang und die

Struktur von Alphabetisierungskursen, die Zielgruppenbeschreibung und die Einstufung

von Lernenden dargestellt. Schließlich erfolgen beschreibende Erläuterungen zu Zielen,

Inhalten und Methoden von Alphabetisierungskursen.

Das Konzept sieht ein vierstufiges System vor, das Lernende durchlaufen sollen. Auf

einem Basis-Kurs bauen die Aufbaukurse A bis C auf. So soll gewährleistet werden, dass

die schriftsprachlichen und sprachlichen Kompetenzen auf jeder Lernstufe erweitert

werden und dass die Lernerautonomie verstärkend gefördert wird. Unter den

schriftsprachlichen Kompetenzen wird dabei die Einführung einzelner Buchstaben bis zur

eigenständigen Produktion von Texten verstanden, unter sprachlichen Kompetenzen wird

die Förderung allgemeiner und kommunikativer Kompetenzen gefasst. Überdies versteht

der Autor des Konzeptes unter dem Begriff Lernerautonomie die Vermittlung von

Lerntechniken und -strategien sowie von Lehrwerkwissen. Bei der Themenauswahl wird

34 Diese Arbeit bezieht sich ausschließlich auf BAMF-geförderte Alphabetisierungskurse, da das BAMF der

größte Träger von Alphabetisierungskursen in Deutschland ist. 35 Im Folgenden BAMF-Konzept genannt.

4 Alphabetisierungspraxis Seite 48

auf das Rahmencurriculum für Integrationskurse – Deutsch als Zweitsprache (Buhlmann

u. a. 2007) verwiesen. Neben anderen Materialien bietet das Konzept auch eine

Vorschlagsliste für den Einsatz von Lehrwerken. Feldmeier weist jedoch darauf hin, dass

Lehr- und Lernmaterialien vor allem in Hinblick auf die Lerngruppe ausgewählt werden

müssten (vgl. Feldmeier 2009).

Das BAMF-Konzept gibt zwar eine verbindliche Orientierung für alle

Alphabetisierungskurse vor, ist jedoch nicht die einzige Richtlinie, die zur Durchführung

von Alphabetisierungskursen herangezogen werden kann.36 Für den Bereich der

Alphabetisierung in der Erwachsenenbildung gelten übergeordnet zunächst die

einschlägigen Curricula für den Fremdsprachenerwerb. So stützt sich das BAMF-Konzept

im Wesentlichen auf den GER. Der GER nimmt eine Niveaustufung von A1 bis A2, B1

bis B2 und C1 bis C2 vor. Das Niveau A1 beschreibt dabei einen Lernenden, der bisher

noch kaum Kontakt zur Zielsprache hatte und sehr einfache Sätze verstehen und

verwenden kann, während bei dem höchsten Niveau von einer kompetenten

Sprachverwendung im Sinne eines Muttersprachlers ausgegangen wird (vgl.

Trim/Quetz/Schieß 2007). Beim Niveau A1 wird jedoch eine funktionale

Alphabetisierung bereits vorausgesetzt. Ein Curriculum zur Alphabetisierung müsste aus

diesem Grund noch unterhalb des A1-Niveaus angesetzt werden. Auch das oben bereits

genannte Rahmencurriculum für Integrationskurse setzt bereits eine funktionale

Alphabetisierung voraus und ist in seiner Progression für Analphabetinnen und

Analphabeten zu steil.

Mit der Einführung der Integrationskurse (mit Alphabetisierung) im Jahr 2005 wurden die

Rahmenbedingungen für Alphabetisierungskurse festgelegt. Aus diesen Bemühungen

sind das Vorläufige Konzept für einen Integrationskurs mit Alphabetisierung (2007) und

schließlich das Konzept für einen bundesweiten Alphabetisierungskurs (BAMF-Konzept)

(2009) entstanden. Welche Vorgaben darin zu den Rahmenbedingungen, den Inhalten

und Lernzielen sowie zu den Methoden gemacht werden, soll im Folgenden erläutert

werden.

36 Im Bereich der Alphabetisierung erwachsener Migrantinnen und Migranten in der Zweitsprache lassen sich

neben dem BAMF-Konzept im deutschsprachigen Raum noch drei Curricula nennen, die alle als Regelwerk einzelner Institutionen erschienen sind. Dabei handelt es sich um ein Curriculum zur Durchführung von niederschwelligen Sprachkursen (Sprenger/Rieker 2005), das von der Volkshochschule in Essen herausgeben wurde, um das Wiener Rahmencurriculum für Deutsch als Zweitsprache und Alphabetisierung (Fritz u. a. 2006) und um das Alphabetisierungscurriculum für AsylbewerberInnen (Eyawo-Hauk u. a. 2004) aus der Schweiz. Das zurzeit am besten aufgebaute und lernzielorientierte Curriculum ist jedoch ein niederländisches Curriculum: Raamerk Alfabetisering NT2 (Cito, B.V. 2008). Es bietet ausreichend Freiraum für ein prozessorientiertes und autonomes Lernen und unterstützt den Lernenden, indem es Kann-Beschreibungen als Hilfestellung bietet. Für eine weitere Übersicht von Curricula im Bereich Deutsch als Zweitsprache, für Integrationskurse, für Alphabetisierung in der Erstsprache und für Alphabetisierung in der Zweitsprache kann der Aufsatz Konzepte, Curricula und Ziele in der Alphabetisierung von erwachsenen Analphabeten nicht deutscher Muttersprache (2010) von Alexis Feldmeier herangezogen werden.

4 Alphabetisierungspraxis Seite 49

4.2 Rahmenbedingungen

Das BAMF-Konzept gibt verbindliche Richtlinien über den Umfang und die Dauer der

Alphabetisierungskurse vor und gibt des Weiteren Empfehlungen zur Gestaltung der

Kursinhalte und Auswahl der Methoden.

Mit dem neu vorliegenden BAMF-Konzept wurde die Förderungshöchstdauer auf 1245

Übungseinheiten (UE) hochgesetzt und damit bei Bedarf um 300 UE erhöht. Die

Grundförderung, auf die Teilnehmende Anspruch haben, liegt aktuell bei 945 UE, die in

neun, beziehungsweise bei 1245 UE in zwölf Kursabschnitten mit jeweils 100 UE

erfolgen. Die empfohlene Wochenstundenanzahl liegt dabei zwischen 12 und 16 UE.

Zusätzlich findet ein Orientierungskurs mit jeweils 45 UE statt (vgl. Feldmeier 2009, S.

15–16). Feldmeier (2005a, S. 38) geht von mindestens vier Jahren bis zur funktionalen

Alphabetisierung aus.

Ob Personen einen Anspruch zur geförderten Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs

haben, wird durch das Einstufungsverfahren zum Integrationskurs festgestellt. Als

teilnahmeberechtigt gelten sowohl primäre und funktionale Analphabetinnen und

Analphabeten als auch die Gruppe der Zweitsprachlernenden, für die ein Besuch eines

Integrationskurses aufgrund ihrer fehlenden Kenntnisse in der lateinischen Schrift nicht

sinnvoll wäre. Aus ökonomischen Gründen werden die drei genannten Gruppen

gemeinsam in Integrationskursen mit Alphabetisierung unterrichtet. Die Teilnehmerzahl

ist auf maximal zwölf Personen beschränkt (vgl. Feldmeier 2009, S. 15).

Das BAMF-Konzept legt als Gesamtziel des Integrationskurses ein Sprachniveau von B1

fest, stellt jedoch auch heraus, dass dieses Ziel von primären und dem größten Teil der

funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten nicht erreicht werden kann, weshalb das

zu erreichende Sprachziel für Integrationskurse mit Alphabetisierung auf A.2.2

festgesetzt wird. Für den Anteil der primären Analphabetinnen und Analphabeten wird

ein Niveau von A.2.1 angestrebt. Das erreichte Sprachniveau wird durch einen skalierten

Sprachtest Deutsch-Test für Zuwanderer (A2/B1) nach der Absolvierung der

Grundförderungsdauer (900 UE) und, falls ein Mittelstufenniveau (B) nicht erreicht

wurde, ein weiteres Mal nach der maximalen Förderungsdauer (1200 UE) festgestellt. In

der Regel folgt nach der Teilnahme am Orientierungskurs (945/1245 UE) der

bundeseinheitliche Test zum Orientierungskurs. Um eine Förderung des BAMF zu

erhalten, sind die Teilnehmenden verpflichtet, regelmäßig an den Kursen und an den

abschließenden Tests teilzunehmen (vgl. Feldmeier 2011, S. 12–13; 16–17).

Die Kursleitenden in Alphabetisierungskursen müssen für eine Tätigkeit als Lehrkraft in

Integrationskursen zugelassen sein und sollten einen Lehrgang zur

Alphabetisierungsarbeit sowie weitere Qualifizierungsmaßnahmen besucht haben. Des

Weiteren sollen die Kursleitenden bereits zuvor niederschwellige Integrationskurse

4 Alphabetisierungspraxis Seite 50

geleitet haben. Außerdem wären weitere Sprachkenntnisse für einen sprachkontrastiven

Unterricht von Vorteil (vgl. ebd., S. 18).

4.3 Inhalte und Lernziele

Mit der Alphabetisierungsarbeit werden dem BAMF zufolge drei Ziele angestrebt.

Zum Ersten soll versucht werden, dem Ziel der funktionalen Alphabetisierung

möglichst nah zu kommen. Zum Zweiten soll die soziale Integrationsfähigkeit der

Teilnehmenden durch Autonomie fördernde und an Nachhaltigkeit orientierte

Unterrichtsmethoden gestärkt werden. Zum Dritten wird – eng gekoppelt an die

beiden erstgenannten Ziele – die Vermittlung von Deutschkenntnissen bis zur

Niveaustufe A.2.2 nach dem GER angestrebt (Feldmeier 2009, S. 45).

Allerdings werden die zu erreichenden Sprachziele beim drittgenannten Ziel je nach

Kompetenz zu Beginn des Kurses abgestuft. Als realistisches Ziel für Teilnehmende, die

zu Beginn des Kursbesuches primäre Analphabetinnen und Analphabeten waren, gilt

daher die Niveaustufe A2.1 (vgl. ebd.).

In einem Alphabetisierungskurs werden einerseits Schriftsprachkenntnisse erworben,

andererseits aber auch Sprachkenntnisse. Diesem doppelten Erwerb von mündlichen und

schriftsprachlichen Kompetenzen müssen die Kurse gerecht werden. Des Weiteren dürfen

die Inhalte der Kurse nicht denen der folgenden Integrationskurse widersprechen. Aus

diesem Grund sollen Kursleitende die Themen aus den Integrationskursen aufgreifen, die

für die jeweiligen Teilnehmenden relevant sind. Dies können zum Beispiel Themen wie

Essen und Trinken oder sich vorstellen sein (vgl. ebd., S. 43).

Im Basiskurs ist der Inhalt vor allem auf die Vermittlung von Buchstabenkenntnissen und

die zugehörigen Lautwerte fixiert. Die darauffolgenden Kurse sollen einen Sicht- und

Aufbauwortschatz vermitteln, den selbstständigen Umgang mit der Schriftsprache fördern

und schließlich die erworbenen Kenntnisse für den weiteren Spracherwerb nutzbar

machen (vgl. ebd., S. 50; 84; 94).

4.4 Methoden

In Alphabetisierungskursen hat sich bislang keine Unterrichtsmethode als besonders

erfolgreich durchsetzen können. Einerseits ist die Zielgruppe illiterater Migrantinnen und

Migranten sehr heterogen, was eine starke Binnendifferenzierung im

Alphabetisierungsunterricht notwendig macht, andererseits fehlen auch Ausbildungs- und

Fortbildungsangebote für Kursleitende, damit überhaupt neue methodische Ansätze in die

Alphabetisierungspraxis einfließen können. Überdies findet ein „Austausch der

4 Alphabetisierungspraxis Seite 51

Lehrenden untereinander [...] allenfalls in lokalen Rahmen statt“ (Heyn/Rokitzki/Teepker

2010, S. 46).

4.4.1 Methoden aus der Alphabetisierung deutschsprachiger Illiterater

In der Alphabetisierungspraxis wurden bisher vor allem drei aus der erstsprachlichen

Erwachsenenalphabetisierung stammende methodische Ansätze aufgegriffen und an die

ausländische Zielgruppe angepasst. Hierzu zählen der sprachsystematische Ansatz, der

Fähigkeitenansatz und der Spracherfahrungsansatz (vgl. Bastian 1991; vgl. Feldmeier

2004b).

Der sprachsystematische Ansatz möchte die Sprache als komplexes System vermitteln. Er

orientiert sich im Wesentlichen an der strukturalistischen Linguistik und wird als

sogenannte Morphemmethode in der Forschung diskutiert (vgl. Bastian 1991, S. 11). Eine

Studie von Pilz und Schubenz (1979), bei der die Legastheniebehandlung im

Vordergrund stand, bestätigt, dass sich die deutsche Sprache, ohne Fremdwörter und

Eigennamen, auf etwa 3.000 Morpheme zurückführen lässt. In einer Häufigkeitsrangliste

mit 1651 untersuchten Morphemen stellten sie heraus, dass schon 35 Morpheme bis zu 50

Prozent eines Fließtextes repräsentierten; 200 Morpheme würden ausreichen, um einen

Fließtext zu 80 Prozent zu verstehen (vgl. Pilz/Schubenz 1979, S. 17–18). Damit gibt die

Methode den Lernenden ein transparentes Gerüst zur Behebung der Lese- und

Schreibschwierigkeiten an die Hand.

Im Alphabetisierungsunterricht mit deutschsprachigen Teilnehmenden werden die

Morpheme als sogenannte Bausteine eingeführt, mit deren Hilfe Wörter zerlegt werden

können, wodurch sie verständlicher werden. Ziel der Vorgehensweise ist es, dass die

Teilnehmenden die selbstständige Zerlegung von Wörtern erlernen, um diese besser lesen

zu können. Dabei werden die einzelnen Wörter in die Grobkategorien Anfangsbausteine

(ver-, be-), Hauptbausteine (kauf-, Hand), Zwischenbausteine, meistens Fugenvokale, und

Endbausteine (-ig, -ung) unterteilt (vgl. Feldmeier 2004b, S. 9). Da sich diese

Vorgehensweise auch von der in der Grundschule angewandten, akustischen Methode

unterscheidet, scheint sie vor allem für angstbesetzte Lernende geeignet zu sein (vgl.

Schramm 1996, S. 19).37

Die zweite Methode ist der Spracherfahrungsansatz oder Language Experience

Approach, der in den USA zunächst als lesemethodischer Ansatz entwickelt wurde.

Dieser versucht auf Grundlage der Sprachakttheorie, das Kommunikationsbedürfnis der

Lernenden zu nutzen. Im Mittelpunkt des Unterrichts stehen die erstellten Texte der

37 Zur Erläuterung von Problemen in der Alphabetisierungspraxis deutschsprachiger Teilnehmerinnen und

Teilnehmer siehe Feldmeier (2004b). An dieser Stelle wird auf eine ausführlichere Diskussion verzichtet, da der Fokus dieser Ausarbeitung auf der Alphabetisierungsarbeit mit erwachsenen Migrantinnen und Migranten liegt.

4 Alphabetisierungspraxis Seite 52

Lernenden, die aus dem eigenen Erfahrungsbereich stammen und einen konkreten Sinn

haben. Das Ziel des Ansatzes ist es, dem Lernenden durch eigene inhaltliche

Gestaltungsmöglichkeiten die Angst vor der Schriftsprache zu nehmen (vgl. Schramm

1996, S. 19 u. vgl. Bastian 1991, S. 11), „denn es wird davon ausgegangen, dass eine

ungeeignete Sprache bei der Alphabetisierung von Kindern dazu beiträgt, funktionalen

Analphabetismus zu fördern“ (Feldmeier 2004b, S. 9).

Der letzte Ansatz, der in diesem Zusammenhang erläutert werden soll, ist der

Fähigkeitenansatz von Kamper. Kamper geht davon aus, dass Unkenntnisse in der

Schriftsprache auf eine mangelnde Grundbildung, insbesondere fehlende Lernstrategien

und -techniken, zurückgeführt werden können. Sie geht von differenzierten visuellen,

auditiven und kinästhetischen Wahrnehmungen seitens der Lernenden aus. Das Konzept

stützt sich vor allem auf das Erlernen von vier grundlegenden Fähigkeiten: Einprägen und

Erinnern, Kontrollieren, Verstehen der Informationen und logisches Schlussfolgern (vgl.

Bastian 1991, S. 11 u. vgl. Schramm 1996, S. 20). In einer Studie Kampers (1987, S. 22)

stellte sich heraus, dass 42 von 44 Personen massive Schwierigkeiten in mindestens

einem der Bereiche hatten. Über sich wiederholende Handlungen sollen die Fähigkeiten

automatisiert werden und sich, im Idealfall unbewusst, zu einer Kompetenz entwickeln

(vgl. Feldmeier 2004b, S. 11).

Ein weiterer sehr verbreiteter Ansatz in der Alphabetisierung von Erwachsenen ist

außerdem die Silbenmethode nach Paulo Freire, die bereits Ende der Sechziger entwickelt

wurde. Die verwendeten Wörter im Alphabetisierungsprozess werden nicht nur nach

phonetischen und phonemischen Aspekten, sondern auch nach der Bedeutsamkeit für den

Lernenden ausgewählt. Anhand von sogenannten Schlüsselwörtern werden dann

nacheinander „die Konsonanten in der Verbindung mit allen Vokalen“ (Schramm 1996,

S. 23) eingeführt. Der Ansatz ist zwar nicht für Sprachen mit komplizierten

Silbenstrukturen geeignet, kann aber bei romanischen Sprachen gut eingesetzt werden.

Die Methode hat vorwiegend in herkunftssprachlichen Alphabetisierungskursen Anklang

gefunden (vgl. ebd.). Für die Zweitsprache Deutsch hat Boulanger (2001) versucht, das

Konzept Freires zu übertragen. Dabei bezieht sie sich jedoch ausschließlich auf

Migrantinnen und stellt politische Aspekte in den Mittelpunkt des

Alphabetisierungsunterrichts.

4.4.1.1 Eignung der Methoden für die Alphabetisierung illiterater Migrantinnen und Migranten

Keine der zuvor aufgeführten Methoden für deutsche (bedingt) funktionale

Analphabetinnen und Analphabeten eignen sich für den Anfangsunterricht mit

ausländischen Erwachsenen. Sowohl der sprachsystematische Ansatz als auch der

4 Alphabetisierungspraxis Seite 53

Fähigkeitenansatz setzen bereits Buchstabenkenntnisse voraus, welche die meisten

illiteraten Migrantinnen und Migranten, insbesondere jene aus Herkunftsländern mit

einem nicht-lateinischen Schriftsystem, nicht haben. Der Spracherfahrungsansatz

erfordert zwar keine schriftsprachlichen Kenntnisse, dafür aber die Beherrschung der

Alphabetisierungssprache in einem hohen Maße. Aber auch deutsche Sprachkenntnisse

sind bei vielen Teilnehmenden an Alphabetisierungskursen in der Zweitsprache Deutsch

nicht oder kaum vorhanden (vgl. Feldmeier 2004a, S. 128).

Trotzdem haben die wesentlichen Aspekte der Methoden den zweitsprachlichen

Alphabetisierungsunterricht stark geprägt. So wird der Fähigkeitenansatz von Magin

(1991, S. 99) für die Zielgruppe der primär-illiteraten Migrantinnen und Migranten

aufgrund seiner Konzentration auf die Teilfertigkeiten als geeignet angesehen. Vor allem

die Ausbildung einer optischen und akustischen Unterscheidungsfähigkeit und die

Schulung von feinmotorischen Bewegungen, die für eine Stiftführung Voraussetzung

sind, sind gerade im Migrationsbereich, wo es oftmals an Schulerfahrung fehlt,

notwendig. Feldmeier (2004a, S. 129) kritisiert den Ansatz dennoch als ungeeignet für

eine Alphabetisierungsarbeit mit Migrantinnen und Migranten. Es sei nicht unmittelbar

davon auszugehen, dass die Gruppe der ausländischen Analphabetinnen und

Analphabeten Lernschwierigkeiten hätten. Aus diesem Grund fordert er

Diagnoseverfahren zur Feststellung von unzureichend ausgebildeten Fähigkeiten, die

beispielsweise die akustische Wahrnehmungsfähigkeit in der jeweiligen Erstsprache mit

einbeziehen (vgl. ebd. u. vgl. Feldmeier 2004b, S. 15). Schramm (1996, S. 23) geht

dagegen davon aus, dass eine fehlerhafte Lautdiskriminierung vielmehr auf Interferenzen

der Erstsprache zurückzuführen ist als auf eine mangelnde lautliche Analysefähigkeit.

Insgesamt lässt sich trotz der Kritik festhalten, dass der Ansatz Kampers wertvolle

Hinweise auf die Ausbildung elementarer Fähigkeiten gibt, die insbesondere in der

Alphabetisierung von erwachsenen Migrantinnen und Migranten Berücksichtigung finden

sollte (vgl. ebd.).

Als konzeptioneller Aspekt findet der Spracherfahrungsansatz auch in der

Erwachsenenalphabetisierung im Migrationsbereich positive Resonanz, da dieser die

Spracherfahrung in der Herkunftssprache und die aktuelle Lebenssituation als Migrantin

oder Migrant in einem neuen Land mit einbezieht (vgl. Magin 1991, S. 85). Besonders

die Ausrichtung am Alltagsleben der Kursteilnehmenden stellt nicht nur eine

Orientierungshilfe dar, sondern hilft auch bei der Bewältigung von

Diskriminierungserfahrungen im Zielland. Überdies orientiert sich die Methode an der

Umgangssprache der Teilnehmenden und nicht an der Standardsprache, sodass sie sich

besser mit dem Spracherwerb identifizieren können (vgl. Schramm 1996, S. 22).

4 Alphabetisierungspraxis Seite 54

In einem fortgeschrittenen Alphabetisierungskurs wird im Allgemeinen auch der

sprachsystematische Ansatz als positiv bewertet. Sogar Feldmeier, der die anderen bereits

genannten Methoden skeptisch beurteilt, sieht in diesem Zusammenhang in der

Morphemmethode die „einzig brauchbare Unterrichtsmethode“ (Feldmeier 2004a, S.

130). Ihre Vorteile lägen in der Einsicht in die Bausteinstruktur der deutschen Sprache

und in der Schreibweise von Komposita, in der Verbesserung des Ausdrucks und der

Aussprache sowie in der Vermittlung von grammatikalischen Inhalten (vgl. ebd.).

Dennoch ist dieser Ansatz nicht für Sprachanfängerinnen und Sprachanfänger geeignet,

da er eine hohe Sprachbeherrschung insbesondere im semantischen Bereich voraussetzt

(vgl. Albert u. a. 2009, S. 35).

4.4.2 Methoden zur Alphabetisierung illiterater Migrantinnen und Migranten

Mit dem Marburger-Projekt Alphamar – Alphabetisierung erwachsener Einwanderer, das

seit 2008 im Rahmen der UN-Alphabetisierungsdekade vom BMBF gefördert wird,

befassen sich erstmals Forscherinnen mit der Erprobung von Alphabetisierungsmethoden

im Migrationsbereich.38 Im Folgenden soll ein Überblick39 über

Alphabetisierungsmethoden im Migrationsbereich gegeben werden.

4.4.2.1 Lesen durch Schreiben

Die Methode Lesen durch Schreiben wurde von Jürgen Reichen (2001) für

Grundschulkinder entwickelt und ist inzwischen an deutschen Grundschulen als

Erstlesemethode etabliert. Die Methode orientiert sich stark an reformpädagogischen und

lernpsychologischen Prinzipien. Eine Anlehnung an Maria Montessori wird vor allem in

den Zielen der Methode, der Motivation des Lernenden und der Selbstbestimmung

deutlich, die zu mehr Eigenverantwortung und Selbstbewusstsein führen sollen. In der

Unterrichtspraxis wechseln sich gemeinsame Unterrichtsphasen und die Form des

Werkstattunterrichts, in dem sich die Lernenden die Lerninhalte aus einem großen

Angebot von Lernmaterialien frei auswählen dürfen, ab. Zudem sind für die Methode

Lesen durch Schreiben Übungen zur differenzierten Wahrnehmung und

Konzentrationsübungen charakteristisch (vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 51–52).

Im Mittelpunkt des Schriftspracherwerbs nach Reichen stehen der Aufbau der Schrift

durch die Lautanalyse, die Lautdiskrimination und die Lautzerlegung. Wichtigstes

Hilfsmittel ist hier eine Anlauttabelle mit verschiedenen bildlichen Lautrepräsentanten,

die solange verwendet wird, bis der Lernende diese nicht mehr braucht. Die 38 Ein Methodenhandbuch und die Projektergebnisse werden zum Ende des Jahres veröffentlicht. 39 Die Ausführungen sind nicht vollständig, sondern sind eine Auswahl, der zurzeit meist diskutierten

Ansätze. Alle genannten Methoden und die zuvor erläuterte Morphemmethode werden im Projekt Alphamar untersucht.

4 Alphabetisierungspraxis Seite 55

Teilnehmenden lernen zunächst die Lautsprache phonetisch aufzuschlüsseln, um einzelne

Wörter schreiben zu können. Dabei werden die einzelnen Phoneme den entsprechenden

Graphemen zugeordnet. Schon zu Beginn des Schrifterwerbs wird thematisiert, dass es

keine einlinigen Phonem-Graphem-Korrespondenzen im Deutschen gibt (vgl. ebd., S.

52). Sobald Lernende die Wörter mittels der Lautsprache schreiben können, folgt

automatisch die Lesefertigkeit. Die Teilnehmenden lernen also durch das eigene

Schreiben das Lesen (vgl. Reichen 2001, S. 12; 106).

Um die Methode für den Alphabetisierungsunterricht mit Migrantinnen und Migranten

einsetzen zu können, muss sie in den Materialien erwachsenengerechter gestaltet werden

und der deutschlernenden Zielgruppe angepasst werden, da Reichen auf dem

Spracherfahrungsansatz aufbaut. Im Werkstattunterricht kann dagegen durch eine freie

Auswahl von Arbeitsblättern unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen eine

Binnendifferenzierung erreicht werden (vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 53; vgl.

Albert u. a. 2009, S. 35).

4.4.2.2 Silbenmethode

Die Silbenmethode wird im Projekt Alphamar eingesetzt und ist eine Kombination der

aus der Grundschulpädagogik stammenden Silbenmethode mit der Schlüsselwortmethode

nach Paulo Freire (1973) (vgl. auch Boulanger (2001); s. Kapitel 4.1.1). Im Mittelpunkt

der synthetisch-phonologischen Methode steht die Silbengliederung. Diese wird durch

Klatschen während des Sprechens oder durch das Schreiten in Silben erlernt, bis die

Lernenden den Sprachrhythmus verinnerlicht haben.

Dieser Ansatz versucht, Körpermotorik, Sprechmotorik, Sprache und Atmung

gleichermaßen zu aktivieren und zu integrieren und fördert sowohl das spontane als

auch das deutliche und rhythmische Sprechen (Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 53).

Mithilfe des erlernten Sprechrhythmus wird das silbengliedernde Lesen gelehrt und das

rhythmisch-silbierende Sprechschreiben eingeübt. Aufbauend auf der Einübung von

einfachen Konsonant-Vokal-Verbindungen wird anstelle von einzelnen Buchstaben das

automatisierende Lesen geübt. In einem folgenden Schritt wird an Konsonant-Vokal-

Konsonant-Verbindungen gearbeitet. Von diesen Klangsilbenreihen ausgehend wird

schließlich das Lesen und Schreiben einfacher ganzer Wörter und Sätze geübt. Die

methodische Arbeit kann dabei zunächst mit Silbenkärtchen und Silbenpuzzles, später

auch mit einem Silbenschieber durchgeführt werden. Die Silben werden als kurstragendes

Element solange wie nötig grafisch hervorgehoben (auch durch die Teilnehmenden

selbst), um den Leseprozess zu fördern. Die Unterrichtspraxis wird durch

4 Alphabetisierungspraxis Seite 56

Freiarbeitsmaterialien gefördert, die eine Binnendifferenzierung innerhalb der Zielgruppe

ermöglichen (vgl. ebd., S. 53–54).

Im Unterschied zur Methode Freires können die Themen und Schlüsselwörter aufgrund

der geringen Beherrschung einer gemeinsamen Kommunikationssprache von den

Teilnehmenden nicht diskutiert und gemeinsam beschlossen werden. Zusätzlich gibt es

im Deutschen sehr viele komplexe Silben, die für eine beginnende Alphabetisierung nicht

geeignet sind, auch wenn die Vokabel als alltagsrelevant erscheint, so zum Beispiel

Herbst. Aus diesem Grund setzen die Projektleitenden zuvor bestimmte und für eine

Alphabetisierung geeignete Lernwörter ein (vgl. ebd., S. 54).

4.4.2.3 Phonetische Methoden

Phonetische Methoden gehören ebenfalls zu den synthetischen Methoden. Die Basis der

Methode bilden einzelne Laute, die auf unterschiedliche Weise vermittelt werden.

Prinzipiell wird „einer begrenzten Anzahl immer wiederkehrender Laute die

dazugehörige, begrenzte Anzahl optischer Zeichen“ (Pavlik 1984, S. 17; zitiert nach ebd.)

zugeordnet. Dabei stehen die Graphematik und die Phonetik im Vordergrund, Phonem-

Graphem-Korrespondenzen werden aufgebaut. Ziel der Methode ist es zunächst, dass

Lernende Laute zu Wörtern zusammensetzen können oder einzelne Laute in Wörtern

bestimmen können. Da das Deutsche nur teilweise lautgetreu verschriftet wird, muss zu

gegebener Zeit auf die Komplexität der Laut-Buchstaben-Zuordnung hingewiesen

werden. Zu Beginn sind aber vor allem Verweise darauf, „dass bestimmte Buchstaben

sowohl einen langen als auch kurzen Vokal repräsentieren können“ (ebd.) notwendig

(vgl. ebd., S. 54–55).

Eine Anlauttabelle kann dazu dienen, dass die Phoneme und ihre zugehörigen Grapheme

besser behalten werden können. Jedoch müssen die Teilnehmenden zunächst für die

Lautdiskriminierung sensibilisiert werden, insbesondere wenn Laute der Zielsprache nicht

im Phoneminventar der Erstsprache enthalten sind. Deshalb sollte im

Alphabetisierungsunterricht mit leichten, also gut verstehbaren Lauten begonnen werden.

„Zur Lauterkennung und Positionierung der Laute im Wort ist die Entwicklung eines

phonologischen Bewusstseins unabdingbar“ (Albert u. a. 2009, S. 35 u. vgl. Kapitel

3.1.1). Um die Lautunterscheidung zu veranschaulichen, kann es auch hilfreich sein, die

Artikulationsbewegungen bewusst zu machen. Diese sogenannte phonomimische

Vorgehensweise kann ebenfalls in der Silbenmethode (s. Kapitel 4.4.2.3) eingesetzt

werden. Als Merkhilfe für die verschiedenen Artikulationsorte können Anlaute, Sinnlaute

oder Lautgebärden eingesetzt werden. Bei der Verwendung von Interjektionen und

anderen Alltagslauten, wie beispielsweise Tiergeräuschen, muss allerdings bedacht

4 Alphabetisierungspraxis Seite 57

werden, dass bestimmten Lauten in unterschiedlichen Kulturen verschiedene

Bedeutungen zukommen (vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 54–55).

4.4.2.4 Ansatz nach Maria Montessori

Eine der vom Alphamar-Projekt untersuchten Methoden ist der Ansatz nach Maria

Montessori. Die Methode des spontanen Schreibens zeichnet sich vor allem durch den

Einsatz verschiedener haptischer Materialien aus, die verschiedene Fertigkeiten wie die

Feinmotorik, die Laut-Buchstaben-Zuordnung oder die Wortsynthese trainieren (vgl.

Albert u. a. 2009, S. 35). Ziel sei es, „eine größere Freiheit und Selbstständigkeit der

Lernenden, eine erfahrbare Konkretisierung von Unterrichtsinhalten und nicht zuletzt ein

ausgewogenes Verhältnis von Kopf- und Handarbeit zu erreichen“ (Rokitzki 2010, S. 59).

Im Projekt werden nur die Elemente aus dem Montessori-Ansatz ausgewählt, die auch

nachhaltig in einem Alphabetisierungskurs mit Migrantinnen und Migranten umgesetzt

werden können. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf dem Sprach- und

Schriftspracherwerb (vgl. ebd., S. 96; 108; vgl. Feldmeier 2009, S. 45).

Montessori erarbeitete zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Grundbildungskonzept für

Kinder und für erwachsene Analphabetinnen und Analphabeten, in dem insbesondere die

Sprachförderung, das Erstlesen und die Hinführung zum Schreiben elementar waren. Sie

vertrat die Auffassung, dass viele Bemühungen von Erwachsenen um das Kind die

kindliche Neugier und damit auch die kindliche Entwicklung sowie die Lernlust

behindern. Daraus folgend sei es die Aufgabe der Lehrperson, den Lernprozess

bestmöglich vorzubereiten, ohne aktiv in den Lernprozess einzugreifen (vgl. Montessori

1998, S. 120). Im Zentrum der Arbeit Montessoris stehen die Interessen der Lernenden.

So sind die einzelnen Materialien vor allem auf eine Visualisierung von Abstrakten und

eine Stärkung der Lernerautonomie ausgelegt.

Der Schriftspracherwerb nach Montessori verläuft über mehrere Stufen:

Vorbereitung der Hand, Kennenlernen der Buchstaben durch die (lautliche) Analyse

von Wörtern und die eigenständige Synthese von Buchstaben zu Wörtern

(Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 48).

Auch die einzelnen Unterrichtsstunden verlaufen nach einer sogenannten Drei-Stufen-

Lektion. Dabei handelt es sich um

eine Übungsabfolge mit frei wählbaren Inhalten, bei der in drei Schritten –

Assoziation, Perzeption und Sprache – Lernstoff präsentiert, vom Lerner zunächst

wiedererkannt und dann selbst produziert werden soll (Rokitzki 2010, S. 95).

Die haptischen Übungen sollen zum einen Abstraktes besser veranschaulichen und somit

dem Verständnis dienen, andererseits sind sie auch eine Vorbereitung auf die motorischen

4 Alphabetisierungspraxis Seite 58

Bewegungsabläufe beim Schreiben. Vor allem primären Analphabetinnen und

Analphabeten mangelt es häufig an Stifterfahrung, was sich, wie bereits erläutert, in

Schwierigkeiten äußert, mit dem Stift vorgegebene Buchstabenformen korrekt

nachzuzeichnen, die Größenverhältnisse beizubehalten oder gerade auf der Linie/den

Linien zu schreiben. Um eine Stifterfahrung zu gewinnen, verwendet Montessori

metallene Einsatzfiguren, mit denen gemalt wird. Separat wird der Bewegungsablauf

beim Schreiben zunächst ohne Stift eingeübt. Hierzu fahren die Finger der

Teilnehmenden Buchstaben aus Sandpapier nach oder es wird in einem Sandtablett

geschrieben. Durch das Nachfahren mit dem Finger und ein gleichzeitiges Lautieren

werden die Buchstaben nicht nur im sogenannten Muskelgedächtnis gespeichert, sondern

es wird auch das Lautgedächtnis geschult (vgl. ebd., S. 97–100; vgl.

Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 49; vgl. Albert u. a. 2009, S. 35). Die Anlautmethode

muss im Deutschen jedoch ergänzt werden, da die Phonem-Graphem-Korrespondenz sehr

komplex ist (vgl. Rokitzki/Roder/Teepker 2010, S. 18).

Um die Silben- und Wortsynthese zu schulen, verwendet Montessori ein bewegliches

Alphabet (zum Beispiel aus Holzbuchstaben), mit dem das Vokabular des Kurses

zunächst lautierend, später orthografisch nachgestellt wird. Eine besondere Schwierigkeit

in dieser Vorgehensweise liegt für Teilnehmende darin, dass die Buchstaben nicht nur

linear, sondern in alle Richtungen bewegt werden können, sodass mehrere

Platzierungsmöglichkeiten entstehen (vgl. Rokitzki 2010, S. 101–103; vgl. Heyn 2010b,

S. 49).

Erst nachdem alle drei Fähigkeiten gesondert eingeübt wurden, sind die Teilnehmenden

bereit, das Erlernte beim Schreiben anzuwenden. Montessori ist der Auffassung, dass

diese Vorgehensweise den Schrifterwerb stark erleichtert, da sie die Komplexität des

Schreibens reduziere (vgl. Rokitzki 2010, S. 103).

Alle Arbeitsmaterialien weisen einen hohen Grad an Ästhetik auf, weshalb sie ohne

Weiteres für den Alphabetisierungsunterricht mit Erwachsenen adaptiert werden können.

Zur Konkretisierung und Visualisierung werden darüber hinaus auch Farben und Formen

eingesetzt. So sind beispielsweise die Konsonanten rot und die Vokale blau dargestellt

sowie verschiedene Wortarten mit unterschiedlichen geometrischen Formen

gekennzeichnet (vgl. Albert u. a. 2009, S. 34–35; vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S.

49).

Der Aspekt der Lernerautonomie wird im Alphabetisierungskurs vor allem an frei

wählbaren Übungsmaterialien mit Selbstkorrekturmöglichkeiten realisiert. Jedoch müssen

die Lernenden schrittweise zum selbstständigen Arbeiten hingeführt werden. Vor allem

Teilnehmende aus Ländern mit einem stark lehrerzentrierten Unterricht, in denen die

Lehrkraft eine Kontrollinstanz innehat, müssen erst mit der Form von Freiarbeit vertraut

4 Alphabetisierungspraxis Seite 59

gemacht werden. Da die Materialien je nach Sprach- und Schriftsprachkompetenz

unterschiedlich einsetzbar sind, wird zudem eine starke Binnendifferenzierung ermöglicht

(vgl. Rokitzki 2010, S. 105–106).

Erfahrungen aus dem Projekt haben gezeigt, dass die Methoden sowohl schreiberfahrene,

als auch schreibunerfahrene Lernende ansprechen (vgl. ebd., S. 107).

4.4.2.5 Spielerisches Lernen

Spiele im Unterricht dienen „der Entspannung, der Vertiefung von Wissen und der

Abwechslung“ (Albert u. a. 2009, S. 35). Es wird in jeder Gesellschaft und in jedem Alter

gespielt, in der Vergangenheit und Gegenwart (vgl. Jentges 2007, S. 1). Deshalb kann das

Spielen im Alphabetisierungsunterricht als Chance verstanden werden, heterogene

Gruppen durch das Spielen zusammenzuführen, um Ängste und Hemmungen abzubauen

(vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 56; vgl. Feldmeier 2004c, S. 38). Weitere Vorteile

von Spielen liegen in der Förderung der Konzentrationsfähigkeit und der Motivation

sowie des sozialen Lernens (vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 56).40

Aus der Entwicklungspsychologie ist bekannt, dass Kinder durch das Spielen ihre

Eindrücke und Erlebnisse aus der Umwelt verarbeiten. Auch neuere Erkenntnisse aus der

Hirnforschung beweisen hohe Lerneffekte durch das Spielen, wobei der

Informationsverarbeitung eine besondere Rolle zugeschrieben wird (vgl.

Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 56). Somit können mögliche Bedenken, Spielen bringe

keinen sprachlichen Fortschritt und sei nicht erwachsenengerecht, widerlegt werden (vgl.

Feldmeier 2004c, S. 38). Stattdessen ist davon auszugehen, dass Sprachlernspiele die

Vernetzung von sprachlichen Sequenzen im Gehirn fördern können (vgl.

Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 56).

Durch die spielerische Vermittlung oder Festigung von Lehrinhalten können beim

Teilnehmenden positive Effekte auf emotionaler Ebene erzielt werden. Für den

Lernenden steht bei dieser Vermittlungsmethode das Spielziel im Vordergrund (nicht das

Lernziel). Die Sprache wird nicht mehr in der Sprachlernsituation gelernt, sondern wird

zu einem nötigen Kommunikationsmittel, um sich über das Spiel zu verständigen (vgl.

ebd.). Die gesprochene Sprache ist im Alphabetisierungsunterricht aber nur ein Mittel,

das zum Spielziel führt. Die didaktischen Ziele liegen in den Lehrinhalten des Spiels und

in der Ausbildung elementarer Fähigkeiten verborgen. Dies kann beispielsweise die

Festigung der Buchstabenkenntnisse oder eine bessere Unterscheidung dieser sein (vgl.

Feldmeier 2004c, S. 38–39). Insgesamt lassen sich

40 Kritiker zweifeln dagegen die Übertagbarkeit des Gelernten auf reale Anwendungssituationen an und

verweisen auf die Schwierigkeit, Korrekturmaßnahmen vorzunehmen ohne den Spielverlauf zu unterbrechen oder zu stören (vgl. Renner 1995, S. 51; vgl. Ehnert 1982, S. 204–205; 210).

4 Alphabetisierungspraxis Seite 60

verschiedene Spieltypen und -formen […] für unterschiedliche Lernziele

(Grammatik, Wortschatz, Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen, Phonetik,

Landeskunde etc.) effektiv anwenden und sind somit insbesondere im Bereich der

Alphabetisierung vielfältig einsetzbar (Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 56–57).

Zu beachten ist beim Einsatz von Spielen im Unterricht jedoch, dass sie

erwachsenengerecht konzipiert wurden. Denn Lernende in Alphabetisierungskursen

können deutlich zwischen kindlichem und erwachsenengerechtem Vorgehen

unterscheiden. Deshalb schlägt Feldmeier (2004c, S. 38) eine Orientierung an

Gesellschafts- und Brettspielen vor, die zum einen den Zufallsfaktor haben und zum

anderen Strategiewissen erfordern. Durch diese Kombination können sowohl

leistungsstarke als auch leistungsschwache Lernende von dem Sprachlernspiel profitieren,

ohne dass es zur Demotivation kommt. Weitere Spielformen, wie Rollenspiele, sind

aufgrund der geringen Sprachkompetenz vieler Lernerinnen und Lerner erst für

fortgeschrittene Alphabetisierungskurse geeignet (vgl. ebd., S. 38–39; vgl.

Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 56).

Zu beachtende Faktoren beim Einsatz von Spielen im Unterricht sind aus der

Perspektive der Lerner ihr Alter, Sprach- und Lernniveau, ihre Schulform, Herkunft

sowie interkulturelle Merkmale. Aus der Lehrerperspektive müssen Gruppengröße,

Spielorganisation (Zeitmangel), benötigte Lehrmaterialien sowie Lerninhalte und

Ziele berücksichtigt werden (Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 57).

Des Weiteren ist bei der Zielgruppe der Migrantinnen und Migranten zu berücksichtigen,

dass ebenso wie bei den Lernerfahrungen womöglich keine oder nur geringe Erfahrungen

im Umgang mit Spielen vorhanden sind. Deshalb ist es wichtig, die Lernenden langsam

an das Spielen zu gewöhnen und positive Erfahrungen sammeln zu lassen (vgl. Feldmeier

2004c, S. 39). Einige Spielbeispiele für den Alphabetisierungsunterricht finden sich unter

anderem bei Maurer-Kartal (1991), Gehrt (1991) und Szablewski-Çavus (1992).

Das spielerische Lernen ist eine Methode, die nicht kurstragend angewandt werden kann,

da ein ausnahmsloses Lernen mit und in Spielen die positive Wirkung zerstört und die

Ernsthaftigkeit des Lernens infrage stellen kann. Sie bietet sich jedoch kursbegleitend an,

um den lehrerzentrierten Unterricht immer wieder aufzubrechen, Lerninhalte spielerisch

zu vermitteln und zu festigen sowie die Teilnehmenden zu motivieren und in ihrem

Vorgehen zu stärken (vgl. Albert u. a. 2009, S. 35).

4.4.2.6 Kontrastivmethode

Eine Alphabetisierung in der Erstsprache ist für den Lernenden aufgrund der bereits

beherrschten Lautsprache und des Vokabulars einfacher (vgl. Kapitel 3.3.1). In

Deutschland ist eine erstsprachliche Alphabetisierung, wie bereits erläutert, jedoch nur

4 Alphabetisierungspraxis Seite 61

selten möglich. Einerseits können erstsprachliche Kurse zumeist aus ökonomischen

Gründen nicht angeboten werden, andererseits wollen oder müssen die Teilnehmenden

von Integrationskursen mit Alphabetisierung die deutsche Sprache lernen, um sich im

Alltag orientieren und in die Gesellschaft integrieren zu können (vgl. Kapitel 2.1.2 u.

3.3.2).

Wenn Lernende einen Alphabetisierungskurs beginnen, haben sie oftmals keine oder nur

eine geringe schulische Vorbildung, das heißt, sie haben weder das Sprachsystem ihrer

Herkunftssprache noch jenes der Zielsprache erfasst (vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010,

S. 50). Nach Cummins (1982) ist aber gerade das Wissen über sprachliche Phänomene in

der Erstsprache die Voraussetzung für einen gelingenden Zweitspracherwerb. Der

kontrastive Ansatz versucht daher über sprachliche Phänomene der Herkunftssprache

bestimmte sprachliche Phänomene in der Zielsprache zu erklären und somit über das

System der Erstsprache jenes der Zweitsprache zu verdeutlichen (vgl.

Heyn/Rokitzki/Teepker 2010, S. 50). Ziel des sprachkontrastiven

Alphabetisierungskonzepts ist es demnach nicht, in der Erstsprache zu alphabetisieren,

sondern den Zweitspracherwerb zu fördern (vgl. Feldmeier 2005b, S. 43).

Das kontrastive Alphabetisierungskonzept basiert auf den Überlegungen, dass die

Erstsprache in Form von Transferprozessen den Fremd- und Zweitspracherwerb

beeinflusst. Negative und positive Transferprozesse aus der Erstsprache können im

Unterricht auf unterschiedliche Weise berücksichtigt und thematisiert werden und finden

somit im Gegensatz zu traditionellen Alphabetisierungskursen überhaupt erst Beachtung.

Überdies kann eine kontrastive Veranschaulichung struktureller und phonetischer

Parallelen der Sprachen den Zweitspracherwerb erleichtern (vgl. Buschfeld/Schöneberger

2010, S. 64–65).

Je nach den jeweiligen Übereinstimmungen und Unterschieden beteiligter

Schriftsysteme beim Zweitschrifterwerb kann man auf zu nutzendes transferierbares

Wissen (Gleiches), verbleibende Lernaufgaben (Neues) sowie mögliche und auf das

Erst-Schriftsystem rückführbare Schwierigkeiten (Interferenzen) schließen

(Berkemeier 2003, S. 299).

Besonders das Phoneminventar (korrekte Lautfindung), das Schriftsystem (Interferenzen)

und die Grammatik (Sensibilisierung für Sprachwissen) eignen sich für eine kontrastive

Alphabetisierungsarbeit (vgl. Albert u. a. 2009, S. 35). So kommt es beispielsweise in der

Alphabetisierungspraxis häufig dazu, dass Teilnehmende ihr Lautsystem dem der

Erstsprache angleichen. In der Umsetzung werden also Laute über- oder

unterdifferenziert und fehlerhaft in die Schriftsprache umgesetzt (vgl.

Buschfeld/Schöneberger 2010, S. 65). Auch Heyn (2010, S. 51) bemerkt, dass das

4 Alphabetisierungspraxis Seite 62

Phoneminventar unserer Muttersprache unsere Wahrnehmung für Laute [...] prägt.

Wenn in der Muttersprache ein bestimmter Laut nicht vorhanden ist bzw. kein

Phonem darstellt, ist die entsprechende Laut-Buchstaben-Zuordnung erschwert.

Ein Beispiel hierfür sind Schwierigkeiten der arabischen Lernenden mit den Vokalen.

Während das Arabische insgesamt sechs Vokalphoneme41 besitzt (vgl. ebd., S. 116–117),

existieren in der deutschen Sprache dreimal so viele Vokalphoneme (vgl. Belke 2001, S.

121), weshalb den Lernenden aus dem Arabisch sprechenden Raum eine Unterscheidung

der Vokalphoneme schwerfällt.

Feldmeier (2005b, S. 45) sieht in einer sprachkontrastiven Vorgehensweise ein

Alternativkonzept zu den anderen Alphabetisierungsmethoden, das in besonderer Form

den Bedürfnissen der heterogenen Gruppe von erwachsenen ausländischen

Analphabetinnen und Analphabeten nachkommt. Warum diese Methode bisher kaum

Berücksichtigung gefunden hat, erklärt der Autor mit fehlenden

Fortbildungsmöglichkeiten für Kursleitende und wenig geeigneten

Unterrichtsmaterialien. Das Köln-Siegener Verbundprojekt Projekt Alphabetisierung und

Grundbildung für Erwachsene im Sozialraum (PAGES) greift die Kritik Feldmeiers auf,

entwickelt in einem Teilkonzept Literarcy entwickeln bedarfsorientierte

Unterrichtsmaterialien und führt Schulungen für Kursleitende durch. Ziel der Schulungen

ist es, „einen strukturellen Überblick über die häufigsten Herkunftssprachen vor allem auf

morpho-syntaktischer sowie phonologischer Ebene zu vermitteln“

(Buschfeld/Schöneberger 2010, S. 65).

Neben dem PAGES-Projekt greift auch das Marburger Projekt Alphamar die kontrastive

Alphabetisierung als Methode im Untersuchungsdesign auf, bezeichnet die Methode

jedoch als Rückgriff auf das muttersprachliche System (vgl. Heyn/Rokitzki/Teepker 2010,

S. 50). Die Methode dient der Vermittlung einzelner sprachlicher Phänomene, kann

jedoch aufgrund der verschiedenen Erstsprachen nicht unterrichtstragend eingesetzt

werden (vgl. Albert u. a. 2009, S. 35).

41 /a/, /i/ und /u/ in der langen und kurzen Form (vgl. Feldmeier 2004a, S. 117).

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 63

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht

An dieser Stelle soll auf die Lehr- und Lernmaterialien für den

Alphabetisierungsunterricht und auf die Lehrwerkanalyse eingegangen werden. Damit

wird nun nach theoretischen und praktischen Aspekten, die einen Überblick über die

Alphabetisierungsarbeit mit Migrantinnen und Migranten geben konnten, auf das zentrale

Thema dieser Arbeit eingegangen, welches in der empirischen Untersuchung weiter

verfolgt werden soll. Hierzu wird auf die Bedeutung des Lehrwerks, die

Lehrwerkforschung und -kritik sowie auf einzelne Kriterienkataloge eingegangen.

5.1 Alphabetisierungslehrwerke im Migrationsbereich

Erst 1985 wurde mit Deutsch lesen und schreiben (Anschütz/Wrobel 1985) ein erstes

Lehrwerk veröffentlicht, das sich an ausländische Jugendliche und Erwachsene mit

mangelnden schriftsprachlichen Fähigkeiten wendet. In seiner Konzeption richtet es sich

sowohl an primäre und funktionale Analphabetinnen und Analphabeten als auch an

Zweitschriftlernende. Wie bei vielen – auch noch heute auf dem Markt befindlichen –

Lehrwerken setzt es jedoch bereits ein hohes Niveau bei der Buchstabenkenntnis und der

Synthesefähigkeit voraus, weshalb es für die Zielgruppe der Analphabetinnen und

Analphabeten mit geringer und keiner Schulbildung nicht geeignet ist. Das erste

Lehrwerk, das sich an eben diese Zielgruppe und an Zweitschriftlernende richtet, erschien

1992 unter dem Titel Das Alpha-Buch (Brandt/Brandt/Frohn 1992). Die eingängigsten

Materialien für den zweitsprachlichen Alphabetisierungsunterricht wurden jedoch über

einen langen Zeitraum von den Kursleitenden selbst entwickelt und zum Teil in

Zeitschriften, wie beispielsweise Materialdienst Alphabet veröffentlicht.

Die Liste an Lehrwerken, die für eine Alphabetisierung von Migrantinnen und Migranten

durch das BAMF zugelassen sind, ist bis heute wenig umfangreich. Aktuell sind für eine

durch das BAMF geförderte zweitsprachliche Alphabetisierung insgesamt 15 Lehrwerke42

zugelassen, was im Grunde auch die gesamte Marktsituation widerspiegelt.

Viele der zuvor genannten Lehrwerke sind jedoch nur für höhere Kursstufen und nicht für

den Basisbereich geeignet. Hierzu gehört zum Beispiel Berliner Platz, welches kein

Alphabetisierungslehrwerk, sondern ein DaZ-Lehrwerk ist und daher in seiner

Progression bereits wesentlich steiler ist. Zwar handelt es sich bei den genannten

42 Im Detail sind dies Alpha-Basis-Projekt (Drittner 2007 u. a.), Alpha Fibel (Santak 2008), Alphaplus

(Hubertus/Yasaner 2011), Berliner Platz. Einsteigerbuch (Burger 2005), Das Alpha-Buch (Brandt/Brandt/Frohn 2007), Der Einstieg (Funk/Kuhn/Maenner 2008), Der Vorkurs (Bastani/Ragg 2009), Erste Schritte (Orth-Chambah/Weers/Zschärlich 2009), Hamburger ABC (Wäbs/Schimkat/Könnecke 2000), Ihr Start ins Deutsche (Matthes 2009), Kompakt Set Alpha (Aragdoli 1997-1998), Lesen und Schreiben (Lonnecker/Schödder 2001), Mosaik (Knechtel 2006), Projekt Alphabet Neu (Volkmar-Clark 2004), Schritte plus Alpha (Böttinger 2011) und weitere entsprechende Zusatzmaterialien (vgl. BAMF 2011b).

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 64

Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache ausschließlich

um die jeweiligen Vorkurse, in der Regel sind diese jedoch – wenn überhaupt – erst im

Übergang zum Integrationskurs oder für Zweitschriftlernende mit Vorerfahrung effektiv

im Unterricht einsetzbar.

Institutionen, die BAMF-geförderte Alphabetisierungskurse anbieten, sind verpflichtet,

mit einem der oben genannten Lehrwerke zu arbeiten, um Fördergelder beanspruchen zu

können. Damit kommt den Alphabetisierungslehrwerken ein großer Stellenwert in der

Alphabetisierungspraxis zu, da auf den Lehrwerken basierend gelehrt und gelernt wird

(ebd.). Zwar wird eine Unterstützung durch weitere Materialien begrüßt, die

kurstragenden Materialien sind jedoch die Lehrwerke selbst (vgl. Feldmeier 2009, S. 14).

Welche zentrale Bedeutung das Lehrwerk im Unterricht einnimmt und wie es diesen

maßgeblich lenkt, soll im Folgenden erläutert werden.

5.2 Zur Bedeutung des Lehrwerks im Unterricht

„Das Lehrwerk bestimmt wie kein anderer Faktor das, was im [...] Unterricht geschieht“

(Kast/Neuner 1996, S. 8). Es ist neben der Lehrperson der Mittelpunkt des

Unterrichtsgeschehens im institutionalisierten Sprachunterricht und gilt als

„Umschlagplatz curricularer Ideen“ (Heuer/Richard M. Müller 1973, S. 7).

Im Lehrwerk werden zum einen fachdidaktische, zum anderen fachmethodische Elemente

aufgenommen und zusammengeführt. Zu den fachdidaktischen Elementen eines

Lehrwerks zählen die Lernziele, die Lehrstoffauswahl und -aufbereitung sowie die

Progression, während unter fachmethodischen Aspekten die Gestaltung der

Unterrichtsphasen, die Sozialformen, die Unterrichtsmedien und die allgemeine

Unterrichtsorganisation gefasst werden (vgl. Neuner 1996, S. 8). Sowohl aufgrund der

Fachdidaktik als auch aufgrund der Methodik in einem Lehrwerk kann auf die jeweilige

aktuelle Fachdiskussion im Zeitraum der Veröffentlichung geschlossen werden.

Lehrwerke sind somit ein Indikator für Tendenzen und Veränderungen in der

Lehrwerkforschung.

Lehr- und Lernmaterialien können starken Einfluss auf den Sprachunterricht ausüben.

Doch auch ohne eine direkte Orientierung am Lehrwerk geben Lehr- und Lernmaterialien

den Lehrstil bereits weitestgehend vor: Sie legen die Ziele des Unterrichts unter

Berücksichtigung curricularer Vorgaben fest, bestimmen die Auswahl, die Gewichtung

und die Progression des Lehr- und Lerninhalts, übernehmen teilweise Entscheidungen

über Unterrichtsphasen und -verfahren einschließlich der Sozialformen und treffen auch

Entscheidungen über die Auswahl von Medien und deren Einsatz (vgl. Kast/Neuner 1996,

S. 8). Sobald keine Lehrpläne oder curriculare Richtlinien vorhanden sind, wird das

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 65

Lehrwerk oft selbst zur Richtlinie (vgl. Krumm/Ohms-Duszenko 2001, S. 1030),

ansonsten spiegelt es bereits die curricularen Richtlinien wider.

Die Entscheidung für ein bestimmtes Lehrwerk beeinflusst nicht nur Lehrende und ihren

Unterricht, sondern auch Lernende (vgl. Brill 2005, S. 17). Lehrwerke stellen verlässliche

Korrektheitsmodelle dar und dienen der Vermittlung von Arbeitstechniken und

Lernstrategien (vgl. Knapp-Potthoff 1999, S. 99).

Das Lehrwerk [vermittelt also] zwischen dem Lehrplan (fachdidaktische und

fachmethodische Konzeption), der Lehrsituation (institutionelle Bedingungen/

Lehrer) und den Lernenden bzw. der Lerngruppe (Kast/Neuner 1996, S. 8–9).

Übertragen auf die Alphabetisierungspraxis bedeutet dies, dass ein im Unterricht

verwendetes Lehrwerk bereits den Lehr- und Lernstil bestimmt. Durch die Vorgabe

ausgewählter Lehrwerke kann das BAMF somit die Kursinhalte und -abläufe

weitestgehend bestimmen und die Einhaltung der curricularen Richtlinien prüfen. Es

findet somit automatisch eine allgemeine Qualitätsüberprüfung statt.

Mehr als die bisherige Funktion des Lehrwerks ist seine aktuelle und zukünftige Situation

umstritten. Einerseits wird die mediale Erweiterung der Lehrwerke auf Grundlage der

stetigen Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien diskutiert,

andererseits steht die Lernerautonomie in Lehrwerken in der anhaltenden

autonomieorientierten Didaktikdiskussion im Mittelpunkt, so auch im BAMF-Konzept

(vgl. Brill 2005, S. 19).

Für einige Wissenschaftler hat vor allem das Lehrbuch aufgrund der neuen medialen

Einsatzmöglichkeiten seinen Platz verloren. So lehnt Wolff (1996) beispielsweise den

Einsatz von Lehrwerken im Unterricht aufgrund neuerer kognitiver und konstruktiver

Lerntheorien ab:

Lehrwerke haben keine Funktion mehr im Unterricht. An die Stelle von in

Lehrwerken aufbereiteten Wissensinhalten sollen authentische Materialien treten,

die dem Lernenden die Chance geben, sein eigenes Wissen mit dem angebotenen

Wissen verbinden zu können (ebd., S. 549).

Er schreibt den elektronischen Medien mehr Freiheit für den Lernenden im Sinne der

Lernerautonomie zu. Hess kritisiert dagegen den ausschließlichen Einsatz der Neuen

Medien. Wie viele andere Kritiker ist er der Auffassung, dass es einer Systematisierung

des Lehrstoffs bedürfe, vor allem wenn es den Anfängerunterricht betreffe:

Gerade die Uferlosigkeit der ‚neuen Medien’ verlangt nach einer systematischen

Steuerung und Integration in einem größeren Kontext des Lehrens und Lernens, der

von Lehrern, nicht Lernern geleistet werden muß (Hess 1998, S. 60;

Hervorhebungen im Original).

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 66

Zwischen diesen beiden Polen der Forschungsdiskussion scheint die Vielzahl der

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Lehrwerk weiterhin als Grundlage des

Sprachunterrichtes zu sehen. Gleichzeitig erkennen sie die Neuen Medien als eine

positive Erweiterung an. Tatsächlich ist festzustellen, dass nebst der

Lehrwerkentwicklung im Printbereich auch die Erstellung von elektronischen Medien

vorangetrieben wird, sodass inzwischen fast alle Lehrwerke als integrierte oder

zusätzliche Elemente CD-ROMs, DVDs oder Ähnliches anbieten und somit als

Medienverbund fungieren (vgl. Brill 2005, S. 24). Funk sieht die Vorteile von

elektronischen Medien durch die weitere Bereitstellung von Aufgaben und Übungen,

einen aktuelleren Zugriff auf landeskundliche Informationen und durch den Kontakt mit

anderen Lehrenden und Lernenden (vgl. ebd., S. 21).

Krumm und Ohms-Duszenko (2001, S. 1039) sind der Auffassung, dass die Funktion des

Lehrwerks innerhalb der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften im Allgemeinen bisher

einen zu geringen Stellenwert eingenommen hat. Auch im Alphabetisierungsbereich gibt

es bislang kaum Weiterbildungsmaßnahmen, die das Lehrwerk thematisieren.43 Aufgrund

der medialen Erweiterung in Lehrkonzepten und des noch nicht zufriedenstellenden

Forschungsstandes fordern die Autoren daher auf, die Lehrwerkanalyse und -kritik fest in

die Ausbildung zu integrieren (vgl. ebd.). Die vorliegende Arbeit möchte dieser

Aufforderung nachkommen, weshalb im Folgenden näher auf die Lehrwerkforschung und

-kritik eingegangen wird.

5.3 Lehrwerkforschung und Lehrwerkkritik

Die Lehrwerkforschung analysiert die Wirkungen von Lehr- und Lernmaterialien und die

Erprobung von Lehrwerken im Rahmen ihrer Entwicklung. Trotz eines steigenden

Interesses an Lehrwerken infolge der kommunikativen Wende in den 1970er Jahren, ist

die Lehrwerkforschung im deutschsprachigen Raum bisher kaum entwickelt. Der

Umbruch von Lehrwerken, die der traditionellen Grammatik-Übersetzungsmethode

verpflichtet waren, hin zu kommunikativ orientierten Lehr- und Lernmaterialien „erfolgte

unter großem Praxisdruck und ohne vorlaufende Erprobung oder Begleitforschung“ (ebd.,

S. 1036). So konnte sich zwar die Lehrwerkkritik etablieren, die Lehrwerkforschung

dagegen hat bis heute einen kaum befriedigenden Forschungsstand erreicht (vgl. ebd.).

Die bisher gering entwickelte Lehrwerkforschung bezieht sich überdies nur auf

Lehrwerke im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Eine weitere Vertiefung, zum Beispiel

hinsichtlich Alphabetisierungslehrwerken, fand nie statt. Die Lehrwerkforschung und 43 Auch der neu entwickelte und von der Forschung begrüßte Masterstudiengang Alphabetisierung und

Grundbildung an der Pädagogischen Hochschule in Weinberg bietet keine Lehrveranstaltung an, die explizit die Lehrwerkkonzeption oder den Lehrwerkeinsatz im Alphabetisierungsunterricht thematisiert.

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 67

-entwicklung wird daher dem Stellenwert des Lehrwerks im Alphabetisierungsunterricht

bislang nicht gerecht. Viele der aufgeführten Lehrwerke orientieren sich in ihrer

Konzeption an deutschen funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten oder an der

Grundschulpädagogik und sind somit für Migrantinnen und Migranten mit

Alphabetisierungsbedarf in der Progression zu steil. Dennoch soll an dieser Stelle die

Entwicklung der Lehrwerkforschung und -kritik erläutert werden, da sie wertvolle

Orientierungspunkte, auch für den Alphabetisierungsbereich, bietet.

Die Lehrwerkforschung hat ihre Anfänge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

1976 stellte Quetz in einer Unterrichtsstudie fest, dass in den untersuchten Kursen in bis

zu zwei Drittel der Unterrichtszeit das Lehrbuch eingesetzt wird. Wenn das Lehrerheft

zusätzlich mit ausführlich anleitenden Fragestellungen gestaltet sei, so Quetz, würden

sich entwickelnde kommunikative Phasen der Kursteilnehmenden oftmals durch

intervenierende Fragen seitens der Lehrperson unterbrochen. Des Weiteren stellt er fest,

dass vor allem erwachsene Lernende bemüht seien, das Thema in die Realität zu

übertragen. Fehle aber „der Realitätsbezug oder ist der Kursteilnehmer ihn nicht im

Unterricht seines Kursleiters gewöhnt und wird plötzlich aufgefordert ihn herzustellen,

ergeben sich Verständnisschwierigkeiten, gelegentlich sogar ‚Fehler’“ (Quetz 1976, S.

32).

Eine Untersuchung von Koskenniemi und Komulainen (1983) im finnischen Raum

bestätigt diese Erkenntnisse:

[Die] Verwendung von Gedrucktem scheint als Ergebnis das Verschwinden von

schülerzentrierten und kooperativen Aktivitätsformen gehabt und eine deutliche

Einseitigkeit im Gebrauch von Aktivitätsformen hervorgebracht zu haben (ebd., S.

17).

Die Untersuchung macht außerdem deutlich, dass Lehrende kaum bereit sind aus eigener

Initiative den Spielraum, den die Lehrwerke vorgeben, zu vergrößern.

Beide Studien bestätigen eine starke Orientierung sowohl der Lehrenden als auch der

Lernenden am Lehrwerk. Die Lehr- und Lernmethoden in Lehrwerken nehmen also eine

zentrale Position im Unterricht ein und bestimmen die Freiheit, eigene Aspekte

einzubringen, mit (vgl. Krumm 1985, S. 14).

Die darauf folgenden Untersuchungen, wie beispielsweise die linguistisch fundierte

Lernobjektanalyse von Achtenhagen und Wienhold (1975), betrachteten vorrangig nur

die Eigenschaften der Sprachstruktur und vernachlässigten dabei den Lernkontext und die

Lernenden.

Während die Lehrwerkforschung in den letzten beiden Jahrzehnten wenig Beachtung

fand, so ist die Lehrwerkkritik zumindest in den aktuelleren Erscheinungen von Kast und

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 68

Neuner (1996) sowie von Brill (2005) thematisiert worden. Doch auch hier ergibt sich das

Bild einer fehlenden Spezifizierung hinsichtlich Alphabetisierungslehrwerke. Ebenso wie

die Lehrwerkforschung ist die Lehrwerkkritik vor allem auf den Bereich Deutsch als

Fremdsprache fokussiert.

Die Lehrwerkkritik definiert sich durch kritische Auseinandersetzung mit Lehrwerken

und soll die Fachdidaktik in ihrer Rolle zwischen Theorie und Praxis bereichern, indem

sie eine objektivierte Betrachtung ermöglicht und die Effizienz neuer Lehrwerke fördert

(vgl. Heuer/Richard M. Müller/Schrey 1973, S. 9).

[Die] Lehrwerkkritik versucht, vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse,

unterrichtliche Erfahrungen und didaktische Zielvorstellungen in einer

hermeneutischen Lehrwerkanalyse zu bündeln (ebd.).

Auch wenn die Lehrwerkkritik interdisziplinär angelegt ist, unterliegt sie der subjektiven

Interpretation. Ihr Ziel ist es, die zugrunde liegenden Prämissen einzelner Lehrwerke, wie

zum Beispiel die Zielgruppe, die Lernziele, Methode und das Verständnis von Sprache,

transparent zu machen. Besonders, weil bei jeder Auswahl eines Lehrwerks, sei es durch

eine Lehrperson oder eine Institution, bewusst oder unbewusst Kriterien zur Auswahl und

Beurteilung herangezogen werden (vgl. Krumm/Ohms-Duszenko 2001, S. 1033).

Während zu Beginn der 1940er Jahre eine lebhafte Auseinandersetzung über Lehrwerke

herrschte (vgl. Rösler 1984, S. 86–87), gab es nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges

kaum noch Beiträge zur Fachdiskussion. Moderne Fremdsprachen wurden in den

fünfziger Jahren und zu Beginn der sechziger Jahre fast ausschließlich im Rahmen der

höheren Bildung unterrichtet. Die Zielgruppe des Unterrichts war demnach eine stets

leistungsstarke und homogene Elite (vgl. Neuner 1996, S. 9). Einerseits war eine

Lehrwerkanalyse somit aufgrund einer fehlenden heterogenen Zielgruppe, andererseits

aber auch aufgrund allgemein vorherrschender gesellschaftlicher und institutioneller

Bedingungen überflüssig. Die fachdidaktischen Ziele des Unterrichts waren durch den

Konsens geprägt, dass das Sprachenlernen elitär sei, und wurden weiter nur durch

einzelne institutionelle Vorgaben beeinflusst. Aufgrund der kaum umstrittenen

konzeptionellen Positionen in der Forschung, wie beispielsweise der ausschließlichen

Verwendung der Grammatik-Übersetzungsmethode, konnten sich viele Lehrwerke bis in

die 1960er Jahre durch eine Monopolstellung am Markt behaupten (vgl. ebd., S. 10).

Die Fachdiskussion um Lehrwerkanalysen und -kritik setzte erst in den 1960er Jahren als

Ausdruck einer stark veränderten Bildungs- und Schulpolitik ein. Neben Veränderungen

im Schulsystem wie die Erweiterung des Gymnasiums, der Ausbau der Realschule und

die Entwicklung von der Volks- zur Hauptschule wurde auch das Fremdsprachenangebot

an Schulen der Bundesrepublik Deutschland ausgeweitet (vgl. ebd., S. 11).

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 69

Die Ausweitung des Fremdsprachenangebots führte schließlich zu differenzierten Lehr-

und Lernzielen sowie -verfahren. Erkenntnisgewinne in den Fachwissenschaften und im

Spracherwerb führten gleichzeitig zu einem Umbruch. Neue Schulen der Linguistik

drängten sich in den Lehrwerkmarkt, die eine neue Konzeption der Vermittlung und

Beschreibung von Sprache bewirkten. So wurde die Grammatik-Übersetzungsmethode,

die sich am System der Schulgrammatik orientierte und vor allem an der kognitiven

Vermittlung der Standardsprache interessiert war, durch die audiolinguale/audiovisuelle

Methode ersetzt. Mit dem Einzug der audiolingualen/audiovisuellen Methode in den

Fremdsprachenunterricht, die der strukturalistischen Linguistik und behavioristisch

ausgerichteten Lerntheorien nahe ist, entstand ein sprunghaft zunehmendes Interesse an

der Lehrwerkforschung (vgl. Rösler 1984, S. 87).

In den späten 1960er und in den 1970er Jahren kam es schließlich zur kommunikativen

Wende. Der kommunikative Ansatz wurde entwickelt, dem die Pragmalinguistik und ein

kognitiv-kreatives Lernkonzept zugrunde liegen. Die Lehrwerkforschung wurde nun

fester Bestandteil fachdidaktischer Lehre und Forschung: Arbeitskreise zur

Lehrwerkanalyse wurden gegründet und Lehrwerkgutachten erstellt (vgl. Neuner 1996, S.

11). So entstand bereits 1969 der von Heuer und Müller initiierte Arbeitskreis

Lehrwerkforschung und Lehrwerkkritik (Heuer/Richard M. Müller 1973, S. 7). Ihr Ziel

war es, einen Fortschritt in der Fremdsprachenforschung und Lehrwerkgestaltung zu

erreichen (vgl. Krumm/Ohms-Duszenko 2001, S. 1034). Heuer und Müller betrachteten

einzelne Aspekte der Lehrwerke wie die Situationsbezogenheit, die Aussprache und die

Grammatik. Das Konzept der Kontextualisierungsprobe wurde von der Lehrwerkkritik

Deutsch als Fremdsprache aufgegriffen und bis heute geprägt. Eine authentische

Lernsituation ist daher auch ein Aspekt neuerer Kriterienkataloge (vgl. Krumm 1985, S.

14–15).

In den 1980er Jahren kam es zu einer weiteren Ausarbeitung der ersten Ansätze vor allem

im Bereich Erziehungswissenschaften (vgl. Krumm/Ohms-Duszenko 2001, S. 1036). Die

Lehrwerkanalysen spezifizierten sich zunehmend auf einzelne Aspekte von Lehrwerken.

So rückten vor allem Untersuchungen zur Grammatik und Landeskunde (z.B. Ammer

1988) in den Vordergrund. Das rege Interesse an Lehrwerkanalysen ist jedoch mit dem

Beginn der neunziger Jahre zurückgegangen. Eine heute gängigere Form als die

Erstellung von Gutachten sind die Rezensionen des Unterrichtmediendienstes des

Deutschen Volkshochschulverbands. Sie werden unter bestimmten transparenten

Kriterien verfasst und lassen sich daher als Lehrwerkkritiken einordnen (vgl.

Krumm/Ohms-Duszenko 2001, S. 1034).

Die Entwicklung der Lehrwerkforschung und -kritik folgt mit einer Verzögerung den

sprachdidaktischen Entwicklungen, die wiederum jeweils von aktuellen psychologischen

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 70

und linguistischen Theorien geprägt sind (vgl. Krumm 1985, S. 14). Dadurch wird

deutlich, dass „Lehrpläne, Lehrziele und -inhalte, Lehrmethoden – und auch Lehrwerke –

‚Kinder ihrer Zeit’“ (Neuner 1996, S. 14) sind. Es kommt also immer zu einem Umbruch

in der Lehrwerkentwicklung, wenn die gesellschaftlichen und institutionellen

Bedingungen mit der jeweiligen linguistischen Schule und den

spracherwerbstheoretischen Bedingungen korrespondieren (vgl. ebd., S. 13).

5.4 Lehrwerkgenerationen

In der Lehrwerkforschung werden seit dem Zweiten Weltkrieg im Bereich Deutsch als

Fremdsprache drei, vier oder fünf Lehrwerkgenerationen unterschieden, wobei im

Forschungsverlauf jeweils eine Generation hinzugefügt wurde. Unter dem Begriff

Lehrwerkgenerationen werden, zumindest in wissenschaftlicher Hinsicht44, bestimmte

methodisch-didaktische Entwicklungen im Bereich Deutsch als Fremdsprache

verstanden, die sich in Lehrwerken gewisser Zeiträume widerspiegeln (vgl. Brill 2005, S.

48). Allen methodisch-didaktischen Überlegungen liegen wiederum

sprachwissenschaftliche und lerntheoretische Annahmen zugrunde (vgl. Götze 1996, S.

29).

Eine erste Einteilung von Lehrwerken nach methodischen Überlegungen hat Neuner

(Neuner 1982, S. 70) vorgenommen. Er beschreibt drei Lehrwerkgeneration in jeweils der

Zeitspanne einer Dekade. Die erste Lehrwerkgeneration nach dem Zweiten Weltkrieg

stammt aus den 1950er Jahren und verfolgte die Grammatik-Übersetzungsmethode (vgl.

Brill 2005, S. 54). Die metasprachliche Formulierung des Regelwissens nach der

traditionellen Schulgrammatik stand im Vordergrund des Unterrichts, mit dem Ziel die

Übersetzungsfähigkeit zu erlangen. Als Grundlage diente daher die geschriebene

Standardsprache (vgl. Huneke/Steinig 2010, S. 191). Die gesprochene Sprache fand

dagegen wenig Beachtung. Als prägendes Lehrwerk für diese Generation wird die

Deutsche Sprachlehre für Ausländer (Griesbach/Schulz 1961) angeführt (vgl. Götze

1996, S. 29).

In den 1960er Jahren veränderte sich die Lehrwerkmethodik. Unter dem Einfluss des

Behaviorismus und des linguistischen Strukturalismus setzte sich die

audiolinguale/audiovisuelle Methode durch (vgl. Brill 2005, S. 54). Während in den

fünfziger Jahren die Erstsprache die Unterrichtssprache war, wurde ab den sechziger

Jahren ausschließlich in der Zielsprache unterrichtet. Übersetzungen wurden abgelehnt

und grammatische Regeln nicht gelehrt. Vor allem durch das sogenannte Pattern-Drill- 44 Das Verständnis der Wissenschaft zum Begriff Lehrwerkgeneration unterscheidet sich deutlich von jenem

der Verlage. Oftmals werden hier überarbeitete und/oder erweiterte Auflagen von Lehrwerken als neue Generation bezeichnet, was dem Werbeaspekt zugutekommen soll.

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 71

Verfahren wurden den Lernenden alltägliche Kommunikationsmuster eingeschärft. Im

Gegensatz zu der ersten Phase der Lehrwerkgenerationen standen nun die

Kommunikation und somit die gesprochene Umgangssprache im Vordergrund (vgl.

Huneke/Steinig 2010, S. 194). Es handelte sich dabei um „für den Unterricht konstruierte

Gespräche, die nicht selten ihren wirklichen Zweck, nämlich grammatische Phänomene

(Passiv, Perfekt usw.) in dialogischer Form zu präsentieren, kaum verbergen konnten“

(Götze 1996, S. 29). Als Beispiel nennen Krumm und Ohms-Duszenko (2001) das

Lehrwerk Vorwärts International (Arnold 1980 u. a.).

Die dritte beschriebene Generation folgt dem kommunikativ-pragmatischen Ansatz, der

sich seit Mitte der 1970er Jahre entwickelt hat, und setzt den Lernenden in den

Mittelpunkt. Diese Phase ist durch die pragmatische Wende in der Lehrwerkentwicklung

sowie durch den Einbezug der kommunikativen Kompetenz gekennzeichnet.

Erfolgreiches Sprachhandeln wurde als ein Teil des sozialen Handelns verstanden. Neben

den Kommunikationssituationen stand auch die Sprachreflexion anstelle der traditionellen

Grammatikvermittlung im Vordergrund. In Deutschland wurde der Fokus stark an der

Sprechakttheorie (Searle 1969) ausgerichtet, was dazu führte, dass fast ausschließlich die

kommunikativen Funktionen angesprochen wurden und die Sprache lediglich zu einem

einfachen Informationsträger wurde. In dieser dritten Phase wird das Lehrwerk Deutsch

aktiv (Neuner 1979 u. a.) angesiedelt (vgl. Götze 1996, S. 30).

Neuner hat mit seinen drei Lehrwerkgenerationen das Gerüst für die vier (1990) und

später fünf Generationen (1996) nach Götze gelegt. Dabei entspricht die vierte

Generation von Götze (1990) der späteren fünften Lehrwerkgeneration in der

Veröffentlichung von 1996.

In der neuesten Version zählen zur vierten Lehrwerkgeneration jene Werke, die

adressatenspezifisch ausgerichtet sind und solche, welche die ethnozentrische Sicht auf

Grundlage der interkulturellen Germanistik (Wierlacher 1987) überwinden wollen. Als

grammatisches System wird die Valenzgrammatik eingeführt. Als ein interkulturell

ausgerichtetes Lehrwerk können Sprachbrücke (Mebus/Pauldrach/Rall 1987 u. a.) und

Sichtwechsel/Sichtwechsel neu (Bachmann 1995 u. a.) genannt werden (vgl. Götze 1996,

S. 30).

Die fünfte Lehrwerkgeneration betont die kognitiven Lehrverfahren, setzt eine stärkere

Akzentuierung aller Grundfertigkeiten und versucht ebenso die ethnozentrische Sicht zu

überwinden. Die Valenztheorie dient weiterhin als grammatischer Ansatz (vgl. Brill 2005,

S. 54–55). Als Beispiel wird das Lehrwerk Die Suche (Eismann u. a. 1993 u. a.)

angeführt.

Diese Lehrwerkgeneration ist in der Forschung umstritten. Huneke und Steinig

übernehmen weitestgehend die Einteilung durch Götze, aber „ob man mit Götze (1994)

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 72

davon ausgehen sollte, daß hier eine fünfte Generation von DaF-Lehrwerken entsteht,

bleibt abzuwarten“ (Huneke/Steinig 1997, S. 156). Auch Krumm und Ohm-Duszenko

sehen die Abgrenzung der neuen Lehrwerkgeneration kritisch (vgl. Krumm/Ohms-

Duszenko 2001, S. 1032).

Weitere Autoren beschreiben zwar ebenfalls eine fünfte Lehrwerkgeneration, jedoch

unter anderen Gesichtspunkten. So prognostiziert Müller (1996) das Entstehen einer

neuen Lehrwerkgeneration, die nicht von der kognitiven Wende ausgeht, sondern die

kulturelle Didaktik in den Mittelpunkt stellt. Auch das Schlagwort autonomes Lernen

steht im Raum, eine fünfte Lehrwerkgeneration zu kennzeichnen (vgl. Brill 2005, S. 59).

Nach Rösler (1999) unterscheidet sich die fünfte Lehrwerkgeneration von ihren

kommunikativen und interkulturellen Vorgängergenerationen durch die explizite

Aufnahme des autonomen Lernens in die Konzeption der Lehrwerke.

Lehrwerke spiegeln [also] in der Regel den jeweiligen Stand der

fremdsprachendidaktischen Diskussionen und sind insoweit Manifestationen der im

Erscheinungszeitraum herrschenden methodischen Vorstellungen von Deutsch-

unterricht (Krumm/Ohms-Duszenko 2001, S. 1031).

Ähnlich verhält es sich mit den Fragekatalogen, die im Folgenden vorgestellt werden

sollen. Sie orientieren sich ebenso wie die Lehrwerke an den methodisch-didaktischen

Schwerpunkten und Entwicklungen ihrer Entstehungszeit und sind daher mit Bedacht zu

betrachten.

5.5 Kriterienkataloge

Im Folgenden werden verschiedene Kriterienkataloge vorgestellt, die für den Bereich

Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache entwickelt wurden. Dies ist der

Tatsache geschuldet, dass es bislang keine Spezifizierungen im Bereich der

Alphabetisierung gab. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der

Fremdsprachunterricht mit der Alphabetisierungspraxis gleichzusetzen ist. Die

Alphabetisierung in der Zweitsprache steht dem Fremd- und Zweitspracherwerb nahe, die

Vorgehensweise ist im Vergleich jedoch wesentlich kleinschrittiger. Denn im

Fremdsprachenbereich wird eine funktionale Alphabetisierung bereits vorausgesetzt, was

eine Vermittlung von sprachlichem Wissen vereinfacht. Im Alphabetisierungslehrwerk

müssen aber neben sprachlichen auch schriftsprachliche Kenntnisse erworben werden.

Die nachfolgenden Kriterienkataloge dienen zunächst als Orientierung, da es in

Alphabetisierungskursen für Migrantinnen und Migranten neben dem Erwerb der

schriftsprachlichen Kenntnisse auch um das Sprachlernen geht. Die Aspekte des

Schriftspracherwerbs bleiben dabei zunächst außen vor und werden im empirischen Teil

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 73

dieser Arbeit näher betrachtet. Damit soll gewährleistet werden, dass der

Kriterienkatalog, der infolge dieser Ausarbeitung entstehen soll, auch den tatsächlichen

Bedürfnissen illiterater Migrantinnen und Migranten entspricht.

Die Kategorien der Kriterienkataloge werden der Übersichtlichkeit halber tabellarisch

dargestellt. Auf Beurteilungen, die anhand dieser Kriterienkataloge entstanden sind, wird

nicht eingegangen. Abschließend werden die Kriterien der Kataloge zusammengetragen

und gesammelt dargestellt.

5.5.1 Das Mannheimer Gutachten

Das Mannheimer Gutachten zu ausgewählten Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache ist

der erste Kriterienkatalog für eine Analyse von Lehrwerken des Deutschen und ist in zwei

Bänden (1977 und 1979) erschienen. Im Juli 1974 vergab das Auswärtige Amt an eine

Kommission aus neun Forschenden die Aufgabe, einen Kriterienkatalog zu entwickeln

und Gutachten zu bestimmten Lehrwerken des Deutschen als Fremdsprache zu erstellen

(vgl. Engel u. a. 1977, S. 1). Dabei bezieht sich das Gutachten nur auf Lehrwerke, die im

deutschen Sprachraum erstellt und veröffentlicht wurden, sich in ihrer Vermittlung

ganzheitlich auf Deutsch als Fremdsprache beziehen und für Lernende ab der

Sekundarstufe II geeignet sind. Keine Berücksichtigung haben kontrastive und regionale

Lehrwerke gefunden (vgl. ebd., S. 3).

Das Mannheimer Gutachten versteht sich als Hilfsmittel zur Auswahl und zum Gebrauch

von Lehrwerken und zugleich als Theorieelement in der Lehrwerkbeurteilung, das auf

Ergebnissen und Diskussionen in der Lehrwerkkritik aufbaut. Es gibt Informationen über

vorhandenes Lehrmaterial in der Bundesrepublik Deutschland und verweist auf die

Einsatzmöglichkeiten sowie auf mögliche Schwierigkeiten (vgl. Engel u. a. 1979, S. 1 u.

5).

Der zweite Band ist eine Fortführung und Ergänzung des ersten Bandes, wobei versucht

wurde, Ergänzungsvorschläge und Kritik in den Kriterienkatalog einzuarbeiten sowie die

Beurteilung von Lehrwerken zu vervollständigen (vgl. ebd., S. 1). Daher wird im

Folgenden ausschließlich die Kriterienliste, die im zweiten Band des Mannheimer

Gutachtens veröffentlicht wurde, herangezogen.

Beide Werke setzen ihren Schwerpunkt auf die Bereiche Didaktik, Linguistik und

Themenplanung. Inhaltlich werden sowohl das Sprachsystem als auch die Möglichkeiten

zur Sprachverwendung berücksichtigt (vgl. Engel u. a. 1977, S. 1; 10). Die Bereiche

Didaktik, Linguistik und Themenplanung sind nicht isoliert voneinander zu betrachten,

sondern haben Schnittstellen. Ebenso überschneiden sich zum Teil die

Grammatikvermittlung, die Ausspracheschulung und die Übungsgestaltung.

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 74

Das Mannheimer Gutachten geht davon aus, dass alle Sprachlehrveranstaltungen erstens

die Kommunikationsfähigkeit fördern, sich zweitens einer spezifischen Zielgruppe

anpassen und drittens der Motivation und Aktualität sowie einem adressatengerechten

Lernrhythmus gerecht werden müssen. Unter der Beachtung dieser Aspekte werden

insgesamt 16 Kategorien für die Beurteilung von Lehrwerken herangezogen.

Die einzelnen Kategorien werden im Folgenden – wie auch bei den weiteren

Kriterienkatalogen – in tabellarischer Form dargestellt, da so eine bessere Übersicht über

die verschiedenen Kategorien hergestellt werden kann und eine Vergleichbarkeit

ermöglicht wird. In der linken Spalte sind jeweils die einzelnen Kategorien unter

Nennung der Überkategorie angegeben, in der rechten Spalte sind die einzelnen

inhaltlichen Schwerpunkte der Kategorien aufgelistet.

Mannheimer Gutachten 2

Kategorien Kategorieninhalte

Kategorie 1: Untersuchte Materialien

notwendige Informationen über das Lehrwerk

Kategorie 2: Lernziele und Methoden

Zielsetzungen und Grundlagen des Lehrwerks: Lernziele, angestrebter Abschluss, Zielgruppe, gegebene Lernvoraussetzungen, Positionsvertretung zu Fachwissenschaft, Lerntheorie und Methodik

Kategorie 3: Struktur des Lehrwerks

Aufbau und Struktur des Lehrwerks: Aufbau der einzelnen Elemente und ihr Verhältnis zueinander

Kategorie 4: Unterrichtsorganisation

Verhältnis von Einheiten und Lektionen zueinander, Ermittlung der vorherrschenden Unterrichtsform

Kategorie 5: Sprachdidaktische Konzeption

Methodik, Vermittlung verschiedener Fertigkeiten, Progression

Kategorie 6: Übungen

Aufgaben- und Übungstypologie (Einsatz und Häufigkeit)

Kategorie 7: Motivierung/Aktivierung des Lernenden

keine nähere Erläuterung

Kategorie 8: Deutsche Sprachverwen-dung und Textverwendung

Umfang der Sprachvermittlung. Authentizität und Angemessenheit der Sprache

Kategorie 9: Grammatik

Einbezug der Grammatik, linguistische Theorie, Terminologie

Kategorie 10: Phonetik und Graphematik

Aussprache, Orthografie und Interpunktion

Kategorie 11: Morphologie und Lexik

Morphologie, Wortklassen, Syntax

Kategorie 12: Kommunikative Kategorien/Sprechakte

keine nähere Erläuterung

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 75

Kategorie 13: Kontrastivität

keine nähere Erläuterung

Kategorie 14: Thematische Zielangabe

Zusammenhänge zwischen Sprach- und Kulturvermittlung, Adressatenangemessenheit

Kategorie 15: Kommunikation/Gesell-schaft/Situationen

Textsortenwahl, Handlungen, Situations- und Adressatenbezogenheit, Darstellung gesellschaftlicher Wirklichkeit in Verbindung mit landeskundlichen Informationen

Kategorie 16: Interkulturelle Kommuni-kation/Kulturrelativierung/ Deutschlandbild

Vermittlung von kulturellem Wissen auf der internationalen, europäischen und nationalen Ebene

Tabelle 1: Die Kategorien des Mannheimer Gutachtens 2 (Engel u. a. 1979)

5.5.2 Der Stockholmer Kriterienkatalog

Der Stockholmer Kriterienkatalog setzt einheitliche Beurteilungsmaßstäbe für die

Auswahl von Lehrwerken in nordischen Ländern fest und ist zusammen mit dem

Mannheimer Gutachten einer der bekanntesten Kriterienkataloge zur Lehrwerkanalyse. Er

wurde in zwei Seminaren zum Thema „Lehrwerkanalysen“ von 1983 bis 1984 entwickelt,

die unter der Leitung von Hans-Jürgen Krumm als Kooperationsprojekt zwischen der

Universität Uppsala und dem Goethe Institut Stockholm stattfanden (vgl.

Fortbildungsabteilung Universität Uppsala/Goethe-Institut 1985, S. 1).

Die teilnehmenden Fachdidaktikerinnen und -didaktiker, Lehrbuchautorinnen und

-autoren sowie Verlagslektorinnen und -lektoren aus Finnland, Norwegen, Schweden und

Island nennen als primäres Ziel des Kriterienkatalogs die Bereitstellung objektiver

Kriterien zur Beurteilung von Lehrwerken für den Lehrenden. Die Kriterien sollen die

Auswahl von Lehrwerken für den Unterricht vereinfachen und erleichtern. Des Weiteren

sollen sie den Lehrbuchverlagen und Autoren eine Orientierung bieten, welche

fremdsprachdidaktischen Anforderungen Theoretikerinnen und Theoretiker stellen und

welche Bedürfnisse Kursleitende und Kursteilnehmende haben. Nicht zuletzt soll der

Stockholmer Kriterienkatalog auch die Forschungsdiskussion in der

Fremdsprachendidaktik anregen und somit zu einer Verbesserung von Theorie und Praxis

führen (vgl. ebd.).

Der Stockholmer Kriterienkatalog unterteilt seine Fragestellung in neun Kategorien.

Neben dem Kriterienkatalog bietet das Werk des Weiteren eine Übersicht über

Deutschlehrwerke in den Ländern Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden.

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 76

Stockholmer Kriterienkatalog

Kategorien Kategorieninhalte

Kategorie 1: Aufbau des Lehrwerks

Bestandsaufnahme: fester Bestandteil/Zusatz Feste Bestandteile: Textteil, Arbeitsteil oder Arbeitsbuch, Grammatikteil, Wörterverzeichnis, Audioquellen Zusatz: Bildmaterial, weitere Audioquellen, Lösungen zu Aufgaben und Tests

Kategorie 2: Layout

Äußere Gestaltung und Übersichtlichkeit der Lektionen und Seiten, pädagogische Beurteilung der grafischen Gestaltung/Bebilderung

Kategorie 3: Übereinstimmung mit dem Lehrplan

Konzeptionelle Entsprechung der curricularen Richtlinien

Kategorie 4: Inhalte/Landeskunde

Überprüfung der sachlichen Korrektheit, der Altersgerechtigkeit, der Ausgewogenheit, der Problemorientierung, des Unterhaltungswertes, der abwechslungsreichen Gestaltung u. der kulturellen Kontrastivität der gegebenen Informationen. Überprüfung der Themenbereiche: Menschen, die im Lehrwerk vorgestellt werden, der dargestellte Alltag, Geografie und Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Literatur, Geschichte, Landeskunde

Kategorie 5: Sprache

Orientierung an der Standardsprache, Sprachvielfalt, Situationsangemessenheit, Authentizität sprachlicher Äußerungen, kommunikative Absicht, Berücksichtigung kulturell-sprachlicher Unterschiede, ausreichendes Material zur Rezeption und Produktion der Zielsprache

Kategorie 6: Aussprache und Intonation

Authentizität der Audioquellen, Betrachtung von Sprachvarianten, Berücksichtigung einer systematischen Vermittlung, Berücksichtigung schwieriger Laute, Intonationshilfen

Kategorie 7: Grammatik

vorherrschendes Grammatikmodell, verwendete Terminologie, systematische Übersichten, Gestaltung der Regeln, Progression der Grammatik, Verwendung der Grammatik in Texten

Kategorie 8: Übung

Eindeutigkeit der Formulierungen von Arbeitsanweisungen, verwendete Übungstypen und -formen, die Gewichtung der Fertigkeiten, sprachlicher und thematischer Zusammenhang zwischen Lehrwerksteilen, Binnendifferenzierung, ausreichend Wiederholungen

Kategorie 9: Perspektive der Schülerinnen und Schüler

Frage nach Schwierigkeiten, Über- oder Unterforderungen, Abwechslungsreichtum von Inhalten, Textsorten und Übungen, Freiraum für eigene Erfahrungsgeschichte, Erkennbarkeit von Lernzielen und Lernfortschritten, Selbstlernangebote

Tabelle 2: Die Kategorien des Stockholmer Kriterienkatalogs (Fortbildungsabteilung Universität Uppsala/Goethe-Institut 1985)

5.5.3 Fragen zur Beurteilung von Lehrwerken in Kursen, die vom Sprachverband

DfaA gefördert werden

Der Sprachverband für ausländische Arbeitnehmer e.V. hat bereits 1979 sieben Kriterien

für die Zulassung eines Lehrwerkes für die vom Verein geförderten Sprachkurse

festgelegt (vgl. Barkowski u. a. 1979). Ziel der angebotenen Sprachkurse war es, eine

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 77

leichtere berufliche und soziale Integration für ausländische Arbeitnehmerinnen und

Arbeitnehmer zu ermöglichen.

1990 gab der Sprachverband DfaA eine Erweiterung der Kriterienliste heraus, um auf

Veränderungen in der fachdidaktischen Praxis reagieren zu können (vgl. Gadatsch u. a.

1990). Es bedurfte einer größeren Differenzierung und einer Überprüfung aller Teile

eines Lehrwerks auf die Praxis- und Adaptionstauglichkeit, um der Zielsetzung weiterhin

gerecht zu werden (vgl. ebd., S. 49).

In den neuen Kriterien steht die Zielgruppe erwachsener Arbeitnehmerinnen und

Arbeitnehmer, die als Zweitsprache Deutsch erlernen, im Vordergrund. Für jeden

Sprachkurs sollte das Lehrwerk anhand der Lerngruppe gewählt werden, entscheidende

Kriterien waren dabei unter anderem die Vorbildung, die Nationalität, der Beruf, das

Alter (vgl. ebd., S. 50). Die Aspekte der gesellschaftlichen Situation, der

Arbeitsplatzsituation und somit der Lernvoraussetzungen der Lernenden werden

besonders herausgestellt. Des Weiteren setzt der Sprachverband DfaA einen Schwerpunkt

auf den kommunikativen Aspekt unter Einbezug des ungesteuerten Spracherwerbs und

auf die Umsetzbarkeit der Rahmenbedingungen des Lehrwerks im Unterricht. Das

bedeutet, dass die organisatorischen und inhaltlichen Vorgaben des Sprachverbandes

eingehalten werden mussten (vgl. ebd., S. 48–49).

Die Kriterienliste zur Zulassung von Lehrwerken für die Sprachkurse des

Sprachverbandes DfaA besteht aus acht Kategorien und den allgemeinen Angaben zum

Lehrwerk, die hier als eigenständige Kategorie wiedergegeben wird.

Sprachverband DfaA e.V.

Kategorien Kategorieninhalte

Kategorie 1: Allgemeine Angaben

Zielgruppe, Umfang, Ziele und didaktisch-methodischer Anspruch des Lehrwerks

Kategorie 2: Bikulturelle Identität der Zielgruppe

Themenbereiche im Lehrwerk, Darstellung der Themen und Personengruppen, Angemessenheit und Authentizität für die Zielgruppe, Identifizierungsmöglichkeit mit den dargestellten Themen, Auseinandersetzung mit unterschiedlichen „Lebensweisen, Werthaltungen und Verkehrsformen“ (ebd., S. 50)

Kategorie 3: Gesellschaftliche Situation der Lernenden

Thematisierung und Problematisierung der Lebenssituation in Deutschland, Thematisierung der gesellschaftlichen Situation, Möglichkeiten der Themeneinbringung durch die Lernenden

Kategorie 4: Heterogene Lernvoraussetzungen

Binnendifferenzierung aufgrund der heterogenen Kurszusammensetzung: Voraussetzungen an Sprachkenntnissen und sprachliches Ziel, verständliche Angaben und Hilfestellungen, Präsentation der Übungs- und Aufgabentypen, Grammatikmodell, methodische Vermittlungshilfe, erwachsenengerechte grafische Gestaltung, ausreichend Übungs- und Hörangebote, Anpassung an die Bildungsvoraussetzungen

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 78

Kategorie 5: Unterrichtlicher und nicht- unterrichtlicher Spracherwerb

Einbezug des ungesteuerten Spracherwerbs in den Lern- und Vermittlungsprozess, Steilheit und Angemessenheit der Progression, Transparenz der Lernziele und Lernschritte, Berücksichtigung der Bedürfnisse und Lerngewohnheiten der Zielgruppe

Kategorie 6: Kommunikationssituation

Ausreichend Sprachanlässe, Berücksichtigung kommunikativer Bedürfnisse, Anregungen für Gesprächssituationen

Kategorie 7: Belastung durch die Arbeitsplatzsituation

Angebote zum autonomen Lernen und zum selbstständigen Nacharbeiten aufgrund der belastenden Arbeitsplatzsituation

Kategorie 8: Rahmenbedingungen des Unterrichts

räumliche und technische Umsetzungsmöglichkeit, Umsetzungsmöglichkeit für Kursleitende: Unterstützung durch Handreichung mit Erläuterung der methodisch-didaktischen Vorgehensweise

Kategorie 9: Perspektive der Schülerinnen und Schüler

Urteil der Lernenden

Tabelle 3: Kategorien des Sprachverbandes DfaA e.V. (Gadatsch u. a. 1990)

5.5.4 Qualitätsmerkmale von Lehrwerken

Die aktuellste Kriterienliste zur Beurteilung von Lehrwerken stammt von Funk (2004).

Der Katalog stellt ein offenes Arbeitsinstrument dar, das sich nicht auf Vollständigkeit

beruft und als Strukturierungs- und Beurteilungshilfe für Kursleitende fungieren soll. Im

Mittelpunkt steht vor allem die Fertigkeitenausbildung.

Qualitätsmerkmale von Lehrwerken

Kategorien Kategorieninhalte

Kategorie 1: Mediale Ausstattung und Konzeption

Mediale Ausstattung und Lehrwerkskonzeption

Kategorie 2: Curriculare Kalibrierung

Erfüllung der curricularen Voraussetzungen Orientierung am GER und Profile deutsch, auch Einbeziehung anderer relevanter Curricula und institutsspezifischer Vorgaben

Kategorie 3: Passung in Bezug auf die eigene Institution

Angemessener Umfang für die eigene Zielgruppe Qualifikation im Umgang mit den Lehr- und Kernmaterialien muss gewährleistet sein

Kategorie 4: Fertigkeit Hören

Quantität und Qualität der Übungen von Fertigkeiten, Vorhandensein von vorbereitenden, steuernden und überprüfenden Übungen, Training der jeweiligen Fertigkeit und der Sprachsensibilisierung aktives Sprachtraining Portfolioarbeit/persönliches Schreiben

Kategorie 5: Fertigkeit Lesen

Kategorie 6: Fertigkeit Sprechen

Kategorie 7: Fertigkeit Schreiben

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 79

Kategorie 8: Übungs- und Aufgabenfunktion

Integration des Fertigkeitentrainings in die Übungs- und Aufgabenkonzeption, Berücksichtigung des kommunikativen Aspektes

Kategorie 9: Grammatik und Phonetik

Bindung zwischen Sprachhandlung/Bedeutung und Grammatik: Gemeinsames Training der grammatischen Kompetenz mit sprachlicher Handlungskompetenz? Berücksichtigung der natürlichen Erwerbssequenzen, Hilfestellung bei autonomer Erarbeitung grammatischer Phänomene, Vermittlung der Phonetik und anderer sprachlicher Phänomene im Kontext

Kategorie 10: Wortschatzarbeit

Unterscheidung von aktivem und passivem Wortschatz, Orientierung des Wortschatzangebots an Profile Deutsch, Mitbestimmung seitens der Lernenden, Training in konkreten Handlungskontexten, Einführung von Lernstrategien

Kategorie 11: Inhalt/Landeskunde

Vermittlung expliziter und impliziter Landeskundekenntnisse entlang der Themenvorgaben für die einzelnen Niveaustufen, interkulturelle Sensibilisierung und Berücksichtigung der Lernmotivation

Kategorie 12: Evaluation/Selbstevalua-tion

Evaluation/Selbstevaluation

Tabelle 4: Kategorien der Qualitätsmerkmale von Lehrwerken (ebd.)

5.6 Relevanz der Kriterien für ein Alphabetisierungslehrwerk

Die dargestellten Kriterienkataloge legen unterschiedliche Schwerpunkte und sind am

methodisch-didaktischen Konzept ihrer Entstehungszeit orientiert.

Das Mannheimer Gutachten wurde als erster wichtiger Kriterienkatalog im

Fremdsprachenbereich vielfach rezipiert, aber auch kritisiert. Insbesondere die subjektive

Erstellung der Kategorien wurde bemängelt. Während die Qualitätsmerkmale von

Lehrwerken, die Funk veröffentlich hat, weitestgehend unkommentiert blieben, ist der

Stockholmer Kriterienkatalog einer der wichtigsten Kriterienkataloge auf dem Gebiet der

Fremdsprachdidaktik. Der Katalog des Sprachverbandes DfaA ist bereits auf die

Zielgruppe von Migrantinnen und Migranten zugeschnitten, bezieht sich jedoch nicht nur

auf Analphabetinnen und Analphabeten, sondern im Allgemeinen auf Gastarbeiterinnen

und -arbeiter.

Alle Kataloge haben ähnliche Kategorien in Bezug auf Lehrwerke verwendet. Neben

bestimmten Basiskategorien, die in jedem Kriterienkatalog aufgegriffen wurden, sind

vereinzelte Kategorien zu finden, die besonders stark die Schwerpunktsetzung der

Autorinnen und Autoren widerspiegeln. Insbesondere der Kriterienkatalog des

Sprachverbandes DfaA unterscheidet sich von den anderen Katalogen, weil er stark die

Situation der Lernenden mit einbezieht, vernachlässigt demgegenüber aber Aspekte zur

Sprache und Sprachvermittlung. Funk ist dagegen eine offenere Struktur der

5 Lehr- und Lernmaterialien für den Alphabetisierungsunterricht Seite 80

Qualitätsmerkmale wichtig, weshalb die eigene Evaluation sogar in die Kategorien mit

aufgenommen wurde.

Bei einem Abgleich der einzelnen Kategorien ergibt sich folgendes Gesamtbild:

Zusammenfassung der Kategorien

Kategorie 1: Bestandsaufnahme

Kategorie 9: Textverwendung

Kategorie 2: Aufbau und Struktur

Kategorie 10: Authentizität und Situationsbezogenheit

Kategorie 3: Themen, Landeskunde und Grundbildung

Kategorie 11: Fertigkeiten

Kategorie 4: Grammatik

Kategorie 12: Curriculare Vorgaben und Richtlinien

Kategorie 5: Phonetik

Kategorie 13: Layout/Gestaltung

Kategorie 6: Wortschatz

Kategorie 14: Mediale Unterstützung

Kategorie 7: Methoden und Sozialformen

Kategorie 15: Selbstlernangebote

Kategorie 8: Aufgaben- und Übungstypologie

Kategorie 16: Urteil der Lernenden

Tabelle 5: Zusammenfassung der Kategorien

Die aufgelisteten Kategorien sind die meist genannten Kriterien aus den vorgestellten

Kriterienkatalogen für den Fremdsprachenunterricht. Sie bilden zunächst die Basis für die

folgende empirische Untersuchung, bevor sie mithilfe der erhobenen Daten hinsichtlich

der Anforderungen an Alphabetisierungslehrwerke modifiziert werden. Eine weitere

Ausführung der Kategorien wird an dieser Stelle nicht erfolgen, da sie lediglich auf den

Fremdsprachenbereich ausgerichtet sind. Dafür soll den Ergebnissen der vorliegenden

Untersuchung, die sich auf ein Alphabetisierungslehrwerk im Migrationsbereich

beziehen, mehr Beachtung zukommen.

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung Seite 81

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung

6.1 Gegenstand und Zielsetzung der Untersuchung

Nachdem im vorangegangenen ersten Teil dieser Ausarbeitung die Relevanz für eine

Alphabetisierung von illiteraten Migrantinnen und Migranten aufgezeigt und der hohe

Stellenwert von Lehrwerken im Alphabetisierungsunterricht hervorgehoben wurde, wird

im zweiten Teil dieser Arbeit eine empirische Untersuchung zu

Alphabetisierungslehrwerken im Migrationsbereich erfolgen, da es bislang wenig

Forschung in diesem Bereich gibt. Exemplarisch werden zum einen die Voraussetzungen

und Rahmenbedingungen für den Lehrwerkeinsatz im Alphabetisierungsunterricht

erfasst, zum anderen wird herausgestellt, welche Anforderungen Lernende, Kursleitende,

Forschende und das BAMF an ein Alphabetisierungslehrwerk stellen. Aus den

Ergebnissen der empirischen Untersuchung soll ein Kriterienkatalog für

Alphabetisierungslehrwerke entstehen, der sowohl die Alphabetisierungspraxis

bereichern als auch wichtige Hinweise für die Lehrwerkentwicklung bereitstellen soll.

Im Folgenden wird die methodische Vorgehensweise und die Durchführung der

empirischen Untersuchung beschrieben.

6.2 Das Forschungsdesign

Zur Durchführung einer empirischen Untersuchung können sowohl quantitative als auch

qualitative Verfahren eingesetzt werden. Die Wahl der methodischen Vorgehensweise

hängt dabei vom zu erforschenden Gegenstand ab. Während sich die quantitative

Sozialforschung mit der systematischen Messung von zählbaren und damit quantitativ

auswertbaren Daten beschäftigt (vgl. Flick/Kardoff/Steinke 2004, S. 14), will die

qualitative Sozialforschung „an konkreten sozialen Problemen ansetzen, [...] Forschung

für die Betroffenen machen und dabei ein offenes, gleichberechtigtes Verhältnis“

(Mayring 2002, S. 146) zwischen den beteiligten Personen durch eine angemessene und

alltagsnahe Kommunikations- oder Interaktionssituation herstellen (vgl. ebd.). Die

qualitative Sozialforschung entsteht damit im Gegensatz zur quantitativen aus der Realität

heraus (vgl. Lamnek 2010, S. 127).

Da bislang keine Analysen oder Studien zu Alphabetisierungslehrwerken im

Migrationsbereich vorliegen, auf die sich die diese Ausarbeitung stützen könnte, wird

ausschließlich eine qualitative Vorgehensweise als zweckmäßig betrachtet. Für einen

quantitativen Ansatz fehlen weitestgehend die theoretischen Grundlagen. Mit dieser

Entscheidung wird den Einzelmeinungen der befragten Personen ein größerer Stellenwert

zugesprochen und somit eine größere Vielfalt in den Aussagen erlangt. Die qualitative

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung Seite 82

Vorgehensweise ermöglicht es des Weiteren, das Forschungsfeld mit einem höheren Maß

an Flexibilität und Offenheit zu ergründen (vgl. ebd., S. 23). Da aufgrund der fehlenden

Forschung nur vage Hypothesen in Bezug auf die Rahmenbedingungen und

Anforderungen formuliert werden können, ist eine offene Vorgehensweise gegenüber

einem standardisierten Vorgehen von Vorteil. Dadurch bleibt das Forschungsanliegen

variabel und anpassungsfähig. Wie aus den vorangegangenen Erläuterungen bereits

ersichtlich wurde, werden die klassischen Gütekriterien Validität, Reliabilität und

Objektivität werden in der qualitativen Forschung um neuere Gütekriterien, wie

intersubjektive Nachvollziehbarkeit und Offenheit, erweitert (vgl. ebd., S. 127–131).

Im Rahmen der qualitativen Sozialforschung werden unterschiedliche

Erhebungsmethoden eingesetzt, die oftmals miteinander kombiniert werden. Neben

Fallstudien, Beobachtungen oder auch Textanalysen machen qualitative Interviews, wie

sie in dieser Arbeit angewendet werden, einen beachtlichen Anteil der Forschungspraxis

aus (vgl. Friebertshäuser 2003, S. 371). Qualitative Interviews sind vor allem dazu

geeignet, die subjektive Wahrnehmung zu erfassen. Da es das Forschungsanliegen ist,

zunächst exemplarisch die Rahmenbedingungen und Anforderungen an ein

Alphabetisierungslehrwerk herauszustellen, wird die qualitative Inhaltsanalyse als eine

geeignete Methode angesehen.

Bei qualitativen Interviews ist vor allem die Art der Gesprächslenkung zu unterscheiden.

Während narrative Interviewformen vor allem auf einen freien Gesprächsfluss der

Interviewpartner setzen, weisen andere Verfahren, die beispielsweise mit

Interviewleitfäden arbeiten, einen höheren Steuerungsgrad auf. Je nach Grad der

Vorstrukturierung variiert das narrative Potenzial eines Interviews (vgl. Marotzki 2003, S.

114). Die vorliegende Ausarbeitung verwendet in den Interviews mit der Lernenden, der

Kursleitenden und der Forschenden ausschließlich halbstrukturierte Leitfaden. Leitfäden

dienen während eines Interviews als Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen, um eine

breite Abdeckung des Forschungsinteresses gewährleisten zu können, sind aber

gleichzeitig flexibel handhabbar. Durch die Verwendung von habstrukturierten Leitfäden

wird zum einen die Vergleichbarkeit der Interviews untereinander gewährleistet, zum

anderen aber auch ein narrativer Spielraum für die Gesprächspartnerin oder den

Gesprächspartner gelassen. Überdies werden Interviewende durch eine intensive

Vorbereitung der Leitfäden zu kompetenten Gesprächspartnerinnen und -partnern (vgl.

ebd.).

Neben den drei qualitativen Interviews wurde eine schriftliche Befragung mit dem BAMF

durchgeführt. Eine schriftliche Stellungnahme wurde unumgänglich, nachdem das BAMF

ein angefragtes Gespräch absagte. Um trotzdem eine Vergleichbarkeit der Daten erlangen

zu können, wurden die ursprünglichen Leitfadenfragen so ausformuliert, dass produktive

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung Seite 83

Antworten zu erwarten waren. Die gestellten Fragen wurden möglichst offen gehalten,

um eine Beeinflussung des Gesprächs durch die Art und Weise der Fragestellung zu

vermeiden.

Zusätzlich zu den Interviews wurde ein Struktur-Lege-Verfahren angewandt. Dies ist eine

einfache Methode, um vorhandene Begriffe zu strukturieren und zu hierarchisieren. Dabei

werden Karten mit bekannten Begriffen eingesetzt, die von der interviewten Person in

eine für sie angemessene Struktur gebracht werden sollen. Adjektivkarten können die

hierarchische Struktur weiter hervorheben (vgl. Scheele 1992, S. 12). In dieser Arbeit

wurden die im fünften Kapitel zusammengefassten Kategorien der Kriterienkataloge als

Begriffe eingesetzt. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die Ergebnisse

direkt vergleichbar sind und die Einstellung zu einem Thema gut erfasst werden kann.

Im Folgenden soll die Vorgehensweise bei der Datenerhebung und -aufbereitung

detailliert beschrieben werden und somit transparent gemacht werden. Dabei werden

sowohl die Interviewvorbereitung und -durchführung als auch die Auswertungsmethode

erläutert.

6.3 Datenerhebung und -aufbereitung

6.3.1 Interviewvorbereitung

Bereits vor der Untersuchung dienten mehrere Hospitationen in Alphabetisierungskursen

als Vorbereitung für die Bearbeitung des Themas und der Interviewdurchführung. Die

gewonnenen Informationen wurden als Hintergrundinformation für die Erstellung der

Arbeit verwendet, flossen jedoch nicht in das Auswertungsmaterial ein.

Vor der Entwicklung der Leitfäden wurde Kontakt zu geeigneten Gesprächspartnerinnen

und Gesprächspartnern aus den zuvor beschriebenen Personengruppen aufgenommen.

Einem Gespräch zum Themenkomplex Alphabetisierungslehrwerke haben eine Lernende,

eine Kursleiterin und eine Forschende bereitwillig zugestimmt. Das BAMF hat sich zu

einer schriftlichen Stellungnahme bereit erklärt.

Die Vertreterinnen der Personengruppen wurden nach den folgenden Kriterien

ausgewählt. Dass alle interviewten Personen weiblich sind, ist daher zufällig bedingt.

a) Die potenziellen Gesprächspartnerinnen und -partner sollten einer der vier

Personengruppen (Lernende, Kursleitende, Forschende, BAMF) angehören und

mit der interessierenden Thematik vertraut sein.

b) Aus jeder Personengruppe sollte eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter

interviewt werden.

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung Seite 84

c) Die potenziellen Gesprächspartnerinnen und -partner sollten zu einem Interview

mit Tonbandaufnahme bereit sein, das zwischen einer halben und ganzen Stunde

andauert. Des Weiteren sollten sie gewillt sein, über die Thematik

Alphabetisierungslehrwerke aus ihrer Position zu sprechen.

Als Orientierungshilfe im Gesprächsverlauf sind, wie bereits erwähnt, auf Grundlage des

theoretischen Vorwissens halbstrukturierte Leitfäden entwickelt worden. Alle Leitfäden

bestehen aus wenigen Fragen zur Person und deren Tätigkeitsbereich sowie weiteren

Fragen zur Thematik. An die thematischen Fragen angliedernd wurde ein Struktur-Lege-

Verfahren eingesetzt, um die aus den beschriebenen Kriterienkatalogen (s. Kapitel 5.5)

stammenden Kategorien hinsichtlich ihrer Bedeutung im Alphabetisierungsunterricht

hinterfragen zu können. Des Weiteren konnte mittels der Strukturkarten ein

hierarchisches Bild entstehen. Die Struktur-Lege-Technik wurde bei der Forschenden und

der Kursleiterin ergänzend zum Interview eingesetzt. Bei der Lernenden wurde auf dieses

Verfahren verzichtet, da die Begriffe sehr abstrakt sind und kein Vorwissen zu

Lehrwerken und deren Aufbau vorhanden war. Stattdessen wurde bereits im Interview

kontrastiv vorgegangen, indem die Lernende zwei Beispielseiten (s. Anhang A.1) aus

unterschiedlichen Lehrwerken betrachten sollte. In der schriftlichen Befragung des

BAMF wurden ebenfalls wenige Fragen zur Institution und mehrere thematische Fragen

gestellt. Das BAMF wurde außerdem gebeten, schriftlich auf die einzelnen Kategorien

des Struktur-Lege-Verfahrens einzugehen und diese hinsichtlich der Bedeutung für die

Alphabetisierungspraxis zu strukturieren und zu hierarchisieren.45

6.3.2 Durchführung und Transkription der Interviews

Bevor die erarbeiteten Leitfäden in den Interviews eingesetzt wurden, wurde eine

Pilotierung durchgeführt, um einerseits die Verständlichkeit der Fragen zu prüfen und

andererseits zu gewährleisten, dass die Fragen offen gestellt sind.

Die Interviews mit der Kursleiterin und der Lernenden wurden in der Volkshochschule

durchgeführt, während das Gespräch mit der Forschenden in ihrer Wohnung stattfand.

Die schriftliche Stellungnahme vom BAMF wurde als E-Mail-Anhang zugesandt.

Die Gespräche mit der Kursleiterin und der Forschenden dauerten zwischen 40 und 50

Minuten, das mit der Lernenden etwa 20 Minuten. Die unterschiedlichen Zeiten sind

darauf zurückzuführen, dass die Lernende einerseits weniger über

Alphabetisierungslehrwerke Auskunft geben konnte als die anderen Befragten,

andererseits darauf, dass hier kein Struktur-Lege-Verfahren aus den eben genannten

Gründen durchgeführt wurde. Überdies lief das Interview mit der Lernenden aufgrund 45 Die halbstrukturierten Leitfäden und die Anfrage für eine schriftliche Stellungnahme an das BAMF

befinden sich im Anhang (s. Anhang A).

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung Seite 85

von Verständnis- und Ausdrucksproblemen strukturierter ab, der Redeanteil der

Interviewerin ist im Vergleich zu den anderen durchgeführten Interviews deutlich höher.

Während der Interviewdurchführung wurde eine zurückhaltende und interessierte Haltung

eingenommen. Wendungen, Einschübe und Abschweifungen seitens der

Interviewpartnerinnen wurden zugelassen, um eine angenehme Gesprächsatmosphäre

beizubehalten und den Gesprächszufluss nicht zu unterbrechen.

Die Interviews wurden mit einer Tonaufnahmesoftware (Audacity) über ein MacBook

aufgenommen und im Anschluss transkribiert.46 Die Interviewinhalte wurden wörtlich mit

Wortwiederholungen oder -abbrüchen und Fülllauten wiedergegeben und auch in dieser

Form für Zitate verwendet.47 Nach dem Abschluss der themenorientierten Fragen wurden

nur die relevanten Abschnitte des Struktur-Legeverfahrens nach dem zuvor genannten

Verfahren und unter Angabe der Zeit transkribiert. Nicht transkribiert wurden beim

Struktur-Lege-Verfahren die Anweisungen der Interviewerin und längere Sprechpausen,

in denen die Strukturkarten von der Gesprächspartnerin gelegt wurden.

6.3.3 Datenauswertungsmethode und Vorgehen

Die Auswertung qualitativer Interviews soll eine Vergleichbarkeit der gewonnenen

Informationen ermöglichen, indem Gemeinsamkeiten und Unterschiede gegenübergestellt

werden und anschließend auf einer überindividuellen Ebene interpretiert werden. Das für

diese Ausarbeitung angewandte Verfahren orientiert sich an der qualitativen

Inhaltsanalyse nach Mayring (2010).48 Damit wird eine systematische Auswertung der

Daten ermöglicht und Transparenz in der Vorgehensweise geschaffen.

Im Verlauf des Auswertungsprozesses wurden zunächst die erhobenen Daten, also die

transkribierten Textpassagen, paraphrasiert und durch die Auslassung überflüssiger

Passagen verdichtet. Diese Vorgehensweise orientiert sich an dem ersten Schritt der

zusammenfassenden Inhaltsanalyse und wird bei Mayring auch als Reduktion bezeichnet

(vgl. ebd., S. 70). Dadurch wurde eine Übersichtlichkeit geschaffen und die Aussagen der

Gesprächspartnerinnen auf das Wesentliche reduziert.

Nachdem die Daten in dieser Form vorbereitet waren, wurden die verschiedenen

Textstellen mithilfe eines erstellten Kategoriensystems codiert. Dieser Schritt orientiert

sich an Mayrings struktureller Inhaltsanalyse. Das Kategoriensystem bestand zunächst

aus den Kategorien der vorgestellten Kriterienkataloge, die in Kapitel 5.5 ausführlich

46 Die Transkriptionsprotokolle und das schriftliche Interview haben einen Umfang von 45 Seiten (s. Anhang

C) und wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) ausgewertet. 47 Die Kommentare der Interviewerin wurden bei einer Wiedergabe der Textpassagen im Fließtext

herausgenommen und durch [...] gekennzeichnet. 48 Nach dieser Methode werden alle Befragungen ausgewertet. Die kleinste Kodiereinheit bezieht sich dabei

auf sinnhaltige Wortgruppen und die größte auf eine vollständige Äußerung zu einem Thema ohne Unterbrechung.

6 Charakterisierung der empirischen Untersuchung Seite 86

dargestellt wurden. Nach der ersten Durchsicht wurden weitere Kategorien induktiv

hinzugefügt und zum Teil bereits bestehende Kategorien verändert (s. Anhang E.1). Das

so entstandene Kategoriensystem wurde schließlich in einem Kategorieleitfaden definiert

(s. Anhang E.2). Auf Grundlage dieser Definitionen wurden allen Textpassagen einzelne

Kategorien zugeordnet. Bis auf eine Ausnahme, die im Anhang farbig hervorgehobenen

wurde, konnten alle Textpassagen eindeutig zugeordnet werden (s. Anhang E.3).

Um die Intersubjektivität des Forschungsvorhabens gewährleisten zu können, wurden die

Daten anhand des Kategorieleitfadens durch eine weitere unabhängige Person

ausgewertet. Die Kategorienzuordnung stimmte mit 97,4 Prozent überein, weshalb die

intersubjektive Nachvollziehbarkeit als gewährleistet angesehen wird.

Schließlich wurden die Ergebnisse der einzelnen Kategorien zusammengefasst und

hinsichtlich der zugrunde liegenden Fragestellung diskutiert.

7 Datenauswertung Seite 87

7 Datenauswertung

Im Folgenden sollen die Ergebnisse der zuvor vorgestellten Untersuchung präsentiert

werden. Die einzelnen Kategorien werden innerhalb ihrer Oberkategorien und unter der

jeweils relevanten Fragestellung erläutert. Im Anschluss wird das Struktur-Lege-

Verfahren unter dem Aspekt der Hierarchisierung noch einmal gesondert aufgegriffen.

Die Aussagen der Interviewpartnerinnen während des Struktur-Lege-Verfahrens sind in

der Ergebnisdarstellung bereits enthalten.

7.1 Vorstellung der Interviewpartnerinnen

7.1.1 Die Lernende

Die Lernende nimmt seit über einem Jahr (15 Monate) an einem BAMF-geförderten

Integrationskurs mit Alphabetisierung an einer Volkshochschule teil. Sie stammt aus

Mazedonien und lebt seit 25 Jahren in Deutschland. In ihrem Heimatland hatte sie keine

Möglichkeit, die Schule zu besuchen. Vor zehn Jahren hat sie bereits einen

Alphabetisierungskurs besucht, diesen jedoch wieder abgebrochen, weil sie nichts

verstanden hat. Sie hat 18 Jahre lang an einem Flughafen als Servicekraft gearbeitet und

später zwei Jahre lang in der Lebensmittelbranche. Durch einen Bandscheibenvorfall ist

sie arbeitslos geworden, wünscht sich jedoch wieder in der Lebensmittelbranche tätig

werden zu können. Für eine Wiedereinstellung benötigt sie nun schriftsprachliche

Kenntnisse, weshalb sie den Kurs besucht. Ihre (laut-)sprachlichen Kenntnisse sind gut,

sodass ein Interview ohne Dolmetscher möglich war.

7.1.2 Die Kursleiterin

Die Kursleiterin ist an einer Volkshochschule tätig und unterrichtet in Integrationskursen

mit Alphabetisierung illiterate Migrantinnen und Migranten seit 1997. Seit 2004 ist sie in

Alphabetisierungskursen von Stufe eins bis zwölf hauptberuflich tätig. Neben

Alphabetisierungskursen hat sie auch schon Lernende in Integrationskursen unterrichtet.

7.1.3 Die Forschende

Die Forschende ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer deutschen Universität und

arbeitet im Fachgebiet Deutsch als Fremdsprache zum Themenschwerpunkt

Alphabetisierung von illiteraten Migrantinnen und Migranten. Zwischen 2003 und 2008

war sie hauptberuflich in Alphabetisierungskursen an einer Volkshochschule tätig. Seit

2008 arbeitet sie an einem Projekt ihres Fachgebietes und gibt nur noch projektbegleitend

Alphabetisierungskurse.

7 Datenauswertung Seite 88

7.1.4 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bezeichnet sich als

Kompetenzzentrum in Fragen zur Integration und Migration. Sein Leitbild lautet: Den

Menschen im Blick. Schützen. Integrieren. Die Institution entscheidet über Asylanträge

und erfüllt weitere Aufgaben in den Kompetenzbereichen Migration, Integration und

Rückkehrförderung. Zugleich analysieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die

Migrationsströme in Deutschland und der Welt (BAMF 2011a).

Im Rahmen dieser Arbeit ist das BAMF ein wichtiger Gesprächspartner, weil es für die

Integration von Zuwanderern zuständig ist und hierfür ein nationales

Integrationsprogramm in Form von Integrationskursen oder Integrationskursen mit

Alphabetisierung entwickelte. Überdies müssen die Alphabetisierungslehrwerke für

geförderte Alphabetisierungskurse durch das BAMF zugelassen werden.

Die folgenden Abschnitte gehen vertiefend auf die beiden Fragestellungen der

vorliegenden Untersuchung ein.

7.2 Rahmenbedingungen für den Einsatz von Alphabetisierungslehrwerken

Welche (Arbeits-)Voraussetzungen und Rahmenbedingungen muss ein Lehrwerk

berücksichtigen, damit es effektiv und gezielt im Alphabetisierungsunterricht eingesetzt

werden kann? Dies ist die erste Fragestellung des Forschungsanliegens. Herausgefunden

werden sollen die Arbeitsvoraussetzungen und Rahmenbedingungen in der

Alphabetisierungspraxis, damit die Anforderungen an ein Alphabetisierungslehrwerk als

realistisch oder zurzeit noch nicht umsetzbar eingestuft werden können. Dies ist von

zentraler Bedeutung, damit der Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke, der auf

Grundlage der Ergebnisse entstehen soll, in der Alphabetisierungspraxis eingesetzt

werden kann. Hierzu muss er die realen Bedingungen widerspiegeln.

Im Zuge dieser Fragestellung werden die zielgruppenspezifischen Rahmenbedingungen,

die Heterogenität in Alphabetisierungskursen und schließlich die Arbeitsatmosphäre

thematisiert.

7.2.1 Kategorie 1: Zielgruppenspezifische Rahmenbedingungen

7.2.1.1 Kategorie 1.1: Ausstattung und Kurssystematik

Die räumliche und technische Ausstattung unterscheidet sich hinsichtlich der

kursdurchführenden Institution. Als Grundausstattung werden von der Kursleiterin und

der Forschenden ein Raum mit Tischen und Stühlen, in denen alle Teilnehmenden Platz

finden, und eine Tafel genannt. Für eine mediale Abwechslung stehen häufig auch ein

7 Datenauswertung Seite 89

Flipchart oder ein Overhead-Projektor zur Verfügung. Um auditive Medien in den

Alphabetisierungsunterricht integrieren zu können, werden ein Kassettenrekorder und ein

CD-Spieler gestellt oder von den Kursleitenden in Eigenverantwortung organisiert. Die

Kursleitende berichtet zusätzlich von separat zur Verfügung gestellten Computern mit

Lernsoftware.

Die Forschende bemängelt, keine festen Räume zu haben, in denen die Kurse stattfinden.

In der Regel müssten die Teilnehmenden vor Kursbeginn an der Rezeption den Raum

erfragen, was eigene Schwierigkeiten mit sich bringe. Da es nicht immer einen festen

Raum gebe, seien auch keine Gestaltungsmöglichkeiten, etwa durch Anlauttabellen,

gegeben. Für eine Materialaufbewahrung fehlten überdies häufig Schränke.

Hinsichtlich personeller Anforderungen wünscht sich die Forschende eine bessere

methodische Schulung der Kursleitenden, um eine individuellere Förderung der

Teilnehmenden durch das Vermittlungswissen zu ermöglichen.

Kurswechsel sind vom BAMF nach Stundenanzahl und bereits erworbenen Scheinen

festgelegt, unabhängig von den tatsächlichen Kenntnissen der Teilnehmenden. Die

Forschende kritisiert dieses System, da es die Bedürfnisse der Lernenden nicht

berücksichtige. Denn so kann es sein, dass aufgrund der Sprach- und

Schriftsprachkenntnis einer/s Teilnehmenden ein Kurs in einer niedrigeren Stufe sinnvoll

wäre, die bisherigen Stunden eine niedrige Einstufung jedoch nicht erlaubten.

7.2.1.2 Kategorie 1.2: Alphabetisierungssprache

Die Alphabetisierung findet in BAMF-geförderten Kursen in der Zweitsprache Deutsch

statt. Das BAMF begrüßt jedoch eine Sprachvielfalt bei den Kursleitenden, um

zunehmend sprachkontrastive Konzepte einsetzen zu können. Damit kommt es der

Forderung nach dem Recht auf den Zugang zur Erstsprache nach. Eine sprachkontrastive

Vorgehensweise ermöglicht überdies eine individuellere Betreuung der Teilnehmenden.

Jedoch können Kursleitende nicht alle Herkunftssprachen beherrschen, was zu

Einschränkungen in der Anwendbarkeit führt:

Natürlich wäre es besser man selber könnte da .. ein . hm mehrere Sprachen

sprechen [...] und so auf die Teilnehmer einzugehen. Aber das ist auch nicht Sinn

der Sache, (.h) es ist nun mal Deutschunterricht (Kursleitende, Z. 134-137).

Überdies berichtet die Forschende, die selbst sprachkontrastiv unterrichtet, dass die

Lernenden auch in der Zweitsprache Deutsch alphabetisiert werden wollen, um

kommunizieren und sich orientieren zu können. Sie spricht von Erfahrungen, dass der

Einsatz von erstsprachlichen Materialien auch zu Ablehnung führen kann, weil die

Motivation sehr groß ist, Deutsch zu lernen:

7 Datenauswertung Seite 90

Ganz oft war die Reaktion so hm: „Das will ich doch gar nicht lernen, das brauche

ich hier nicht!“ [...]. Sie brauchen das nicht, sie wollen hier in Deutschland klar

kommen und deswegen wollen sie die deutschen Buchstaben lernen (Forschende, Z.

380-383).

7.2.1.3 Kategorie 1.3: Alphabetisierungslehrwerke und Lehrwerkverwendung

Alphabetisierungslehrwerke haben aus der Sicht des BAMF die Aufgabe, zu einem

angemessenen Sprachniveau zu führen. Als realistisches Sprachziel wird ein Niveau von

A2.1 bis A.2.2 angesehen. Neben dem Spracherwerb des Deutschen steht der

Schriftspracherwerb im Mittelpunkt der Integrationskurse mit Alphabetisierung. Ihr Ziel

ist es, einer funktionalen Alphabetisierung möglichst nah zu kommen. Die vermittelten

Inhalte dürfen dabei nicht im Widerspruch zu den Integrationskursen stehen, die nach

dem Abschluss des Alphabetisierungskurses von den Teilnehmenden besucht werden

müssen. Die Alphabetisierungslehrwerke, die in BAMF-geförderten

Alphabetisierungskursen zum Einsatz kommen dürfen, werden dem BAMF vom

Arbeitskreis Alpha empfohlen und nach der Integrationsverordnung für den

Alphabetisierungsunterricht zugelassen. Die zugelassenen Lehrwerke werden auf der

Website des BAMF veröffentlicht und in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Für den Primärunterricht mit Migrantinnen und Migranten sind nur wenige der

aufgelisteten Lehrwerke einsetzbar. Diese Situation wird vor allem von der Kursleiterin

kritisiert. Sie sieht insbesondere im Basisbereich eine starke Vernachlässigung der

Lehrwerkentwicklung und -forschung:

Was hm die Lehrwerke an sich angeht, da ist natürlich im Alphabetisierungsbereich

hm generell einiges (betont) aufzuholen und auch [...] hm innovativere, innovative,

kreative Ideen sind da von Nöten, ja [...] und hm ja, schade, dass dieser Basisbereich

gerade so . vernachlässigt wird (Kursleitende, Z. 185-189).

Ihr ist besonders die Basisarbeit im Primärbereich wichtig, da diese die Grundlage für den

weiteren Schriftspracherwerb bildet. Sie vergleicht die Arbeit im

Alphabetisierungsbereich mit dem Hausbau: Nur wenn das Fundament solide ist, kann

darauf ein Haus mit mehreren Stockwerken gebaut werden.

Sowohl die Kursleiterin als auch die Forschende sprechen davon, dass die von

Volkshochschulen empfohlenen Lehrwerke nicht den aktuellen didaktisch-methodischen

Erkenntnissen entsprechen und daher im Alphabetisierungsunterricht wenig praktikabel

sind.

Die Forschende verweist darauf, dass sich Institutionen auf ein Lehrwerk festlegen

müssen, um Kurswechsel problemlos zu ermöglichen. Auch vom BAMF werde

7 Datenauswertung Seite 91

vorgeschrieben, ein Lehrwerk verpflichtend zu verwenden. Die Kursleitenden sind daher

gezwungen, überwiegend mit einem festen Lehrwerk zu arbeiten:

Und jetzt dann seit 2005, da wurde sich auf ein Buch festgelegt, hm, das musste

dann bearbeitet werden, also es musste gekauft werden, wenn ne BAMF-Kontrolle

kam oder kommt, ist ja immer noch so, dann muss auch sicher sein, dass mit dem

Buch auch gearbeitet wird, dass es irgendwie auf den Tischen da ist [...] und

teilweise ist es einfach so, dass man damit einfach nicht arbeiten kann [...]. Also ich

hab dann teilweise wochenlang mit dem Buch gearbeitet, damit die Teilnehmer es

nicht umsonst gekauft haben, mir nur gedacht bringt nichts, [...] hilft nicht

(Forschende, Z. 263-272).

Zwar werden durch das BAMF regelmäßig neue Lehrwerke zugelassen, die einzelnen

Festlegungen durch die Institute werden allerdings selten überholt. Im Fall der

Kursleiterin sieht die VHS es als Aufgabe der Kursleitenden an, sich um aktuelle

Materialien zu bemühen. Vor dem neuen Kurs wird den Lernenden das von dem Institut

empfohlene Lehrwerk mitgeteilt, das zu besorgen ist. Die Anschaffung eines zweiten,

aktuelleren Lehrwerks ist den Teilnehmenden aus finanziellen Gründen oftmals nicht

möglich. Damit bleibt die Kursleitung in der Verantwortung, zusätzliches Arbeitsmaterial

zu erstellen oder auf eigene Kosten zu kopieren.

7.2.2 Kategorie 2: Heterogenität

7.2.2.1 Kategorie 2.1: Herkunft, Lerngeschichte und Kurszusammensetzung

Die Zusammensetzung der Alphabetisierungskurse ist zumeist heterogen. An den Kursen

nehmen sowohl Personen mit keiner oder geringer (drei bis fünf Jahre) Schulbildung als

auch Zweitschriftlernende teil. Mit geringer Schulbildung seien die Voraussetzungen für

den Schriftspracherwerb ähnlich schwierig wie für vollständige Analphabetinnen und

Analphabeten, berichtet die Forschende. Allerdings sei eine Vorbildung, wie sie

Zweitschriftlernende oft haben, nicht unbedingt entscheidend für den

Alphabetisierungserfolg, denn auch Zweitschriftlernende könnten mitunter

Schwierigkeiten mit dem Erwerb des lateinischen Alphabets haben. Die Forschende

spricht insbesondere Schwierigkeiten an, Lernbehinderungen, beispielsweise eine Lese-

Rechtschreib-Schwäche, zu diagnostizieren und von anderen noch nicht ausgebildeten

Fähigkeiten zu unterscheiden.

Ebenso wie die Kurszusammensetzung ist auch der Lernfortschritt heterogen. Jede Person

nähert sich unterschiedlich schnell den sprachlichen Zielen an. Die wenigsten schaffen es,

in einer bestimmten Zeit funktional lesen und schreiben zu können, um einen Sprachkurs

zu besuchen. Andere sitzen über einen sehr langen Zeitraum in Alphabetisierungskursen

und werden immer wieder zurückgestuft. Hierfür gibt die Forschende aus ihrer Erfahrung

7 Datenauswertung Seite 92

unterschiedliche Gründe an, die vor allem auf die individuellen Lebensgeschichten und

-situationen der Lernenden zurückzuführen seien:

Also der Teilnehmer, der bringt vielleicht bestimmte Lernprobleme mit, aber der

bringt vielleicht auch ne ganze Geschichte mit, vielleicht Traumata, viele sind hm

jetzt durch den Ehegat/ Ehe/ hm /gattennachzug, die werden ja schon in der Heimat

quasi hm müssen sie schon ein gewisses Niveau erreichen, aber ja. Da hat man

einfach Teilnehmer wie auch immer sie hergekommen sind mit Kriegserfahrungen

[...], mit hm Erfahrungen, die Partner sind . tot aus unterschiedlichen Gründen [...],

teilweise erschossen worden oder im Krieg oder irgendwie anders gestorben,

Kinder, die noch in der Heimat sind und die man jahrelang nicht sieht, hm,

Probleme mit dem Visum [...] mit Aufenthaltsgenehmigungen, kein Job, wissen

nicht wie sie sonst hm wie sie sich überhaupt zurecht finden sollen, also es gibt, es

gibt da natürlich ganz viele Sachen und wenn ich so ein Trauma hab oder solche

Schwierigkeiten hab, kann ich mich nicht auf lesen und schreiben konzentrieren [...].

Also das hab ich ganz ganz oft gesehen, das war sehr sehr schwierig (Forschende, Z.

310-326).

7.2.2.2 Kategorie 2.2: Motivation

Die Lernende ist motiviert, lesen und schreiben zu lernen, um in ihrem ehemaligen Beruf

in der Lebensmittelbranche wieder arbeiten zu können. Da sie gute Sprachkenntnisse

besitzt, kann sie sich auch ohne Schriftsprache im Alltag verständigen. Allerdings ist es

ihr wichtig, eigenständiger zu sein. Bisher ist sie auf äußere Hilfe angewiesen, um zum

Beispiel ihre Post lesen zu können:

Es kommt ein Brief zu Hause, versteh ich gar nichts, gehst bei Freunde oder meinen

Sohn und (.h) ist schon .. wenn die Kinder Zeit, okay, wenn wegen Arbeit keine

Zeit, dann muss ich warten bis Wochenende (Lernende, Z. 209-211).

Die Forschende erläutert ebenfalls an einem Beispiel, dass für viele Teilnehmende auch

vermeintlich ganz kleine Fortschritte, zum Beispiel in der Buchstabenkenntnis, von

großer Bedeutung in ihrem Alltagsleben sind. So freute sich eine ihrer Teilnehmenden,

die sehr langsam lernte, darüber, dass sie nun die einzelnen S-Bahn- und U-

Bahnnummern lesen und somit unterscheiden kann: „Vorher konnte ich gar nichts und

jetzt kann ich S1 lesen“ (Forschende, Z. 162).

7.2.2.3 Kategorie 2.3: Sprachkenntnis

Die Lernende berichtet von geringen Sprachkenntnissen der Teilnehmenden zu Beginn

der Kurse. Das Lernen in der Zweitsprache Deutsch gestaltet sich daher zunächst

schwierig:

7 Datenauswertung Seite 93

Hier gibt=es viele Probleme. Herr E. zum Beispiel, nicht viel verstanden, der andere

dort (zeigt auf die Person) auch nicht viel verstanden. Die Frau S. hat auch nicht viel

verstanden. Sie hat von Anfang an immer geredet mit uns Türkisch, das war schon ..

# [Interviewerin: schwer.] (Lernende, Z. 167-171).

Zum Ende der Kurse wird vom BAMF ein Sprachniveau von A2.2 nach dem GER für die

meisten Lernenden als realistisch angesehen. Für primäre Analphabetinnen und

Analphabeten ohne Lernerfahrung wird ein Sprachniveau von A2.1 angesetzt. Für

funktionale Analphabetinnen und Analphabeten mit mehreren Jahren Schulerfahrung und

Zweitsprachlernende liegt das sprachliche Ziel vom BAMF sogar oberhalb von A2.2.

7.2.2.4 Kategorie 2.4: Sprachspezifische Schwierigkeiten

Schwierigkeiten im Sprach- und Schriftspracherwerb treten vor allem beim Erlernen der

lateinischen Schrift und in der Aussprache auf. Sowohl die Kursleiterin als auch die

Forschende berichten, dass es vielen Teilnehmenden besonders schwer fällt, Laute, die

nicht zum Phoneminventar der Herkunftssprache gehören, auszusprechen und

voneinander zu unterscheiden. Hierzu gehören häufig die Umlaute. Verwechselt werden

häufig auch Buchstaben, die ähnlich aufgebaut sind, so wie /b/, /p/, /d/ und /q/.

Neben diesen allgemeinen Beobachtungen erläutert die Forschende, dass verschiedene

Teilnehmergruppen spezifische Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb haben, die sie

auf Interferenzen der Erstsprache zurückführt. Während es den marokkanischen

Teilnehmenden beispielsweise schwer fällt, Vokale zu unterscheiden wie /i/ und /e/, /o/

und /u/, haben thailändische Lernende oftmals Schwierigkeiten das /l/ vom /n/ zu

unterscheiden.

7.2.3 Kategorie 3: Arbeitsatmosphäre

Viele der Lernenden sehen den Alphabetisierungskurs als ihr soziales Umfeld an, so die

Forschende. Damit der Schriftspracherwerb erfolgreich ist, muss vor allem ein angstfreier

Raum geschaffen werden, denn die Heterogenität im Kurs kann durchaus zu Konflikten

führen. In den Kursen treffen viele unterschiedliche Personen aus den verschiedensten

Herkunftsländern, Kulturen und Religionen aufeinander, die zumeist noch nie in einer

Lernsituation waren.

Die Aufgabe von Kursleitenden ist es daher, eine angenehme und sorgenfreie

Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Gelingt dies, können sich die Kursteilnehmenden wie die

hier befragte Teilnehmende, die mit dem Kursbesuch zufrieden ist, über eine positive

Lernatmosphäre freuen.

7 Datenauswertung Seite 94

7.3 Anforderungen an ein Alphabetisierungslehrwerk

Welche Anforderungen verschiedene Personen an ein Lehrwerk stellen, ist die zweite

zentrale Frage, der in dieser Ausarbeitung nachgegangen werden soll. Die im Folgenden

erläuterten Kategorien sind jene auf die Alphabetisierungslehrwerke adaptierten Aspekte,

die in die Erstellung des Kriterienkatalogs für Alphabetisierungslehrwerke mit einfließen

werden. Insgesamt werden die Ergebnisse der Kategorien Allgemeine

Lehrwerkgestaltung, Inhaltskonzeption, Sprachliche Kompetenzen und Methodische

Anforderungen dargestellt.

7.3.1 Kategorie 4: Allgemeine Lehrwerkgestaltung

7.3.1.1 Kategorie 4.1: Layout, Aufbau und Struktur

Der Aufbau und die Struktur eines Lehrwerks sind sowohl der Kursleiterin als auch der

Forschenden wichtig. Insbesondere ein ansprechendes Layout, das nicht überladen,

jedoch klar strukturiert ist, wird befürwortet. Außerdem fordert die Kursleiterin einen

angemessenen und nicht zu großen Umfang der Lehrwerke:

Die Lehrwerke sind leider oft so konzipiert, dass [...] einfach zu viel Masse, dass das

zu verdichtet ist, zu viel Masse auf einmal (Kursleitende, Z. 253-255).

Anstatt auf Masse setzt auch die Forschende auf Flexibilität. Sie schlägt vor, thematische

Grundeinheiten zu konzipieren, die einerseits in der Reihenfolge flexibel sind und

andererseits bei Bedarf durch Zusatzmaterialien erweitert werden können. Dadurch

bestehe die Möglichkeit einer Binnendifferenzierung nach Kenntnissen und Bedarf.

Beide sind sich darüber einig, dass sprachliche Phänomene langsam und systematisch

vom Kleinen zum Großen eingeführt werden sollten.

Dass man vielleicht erst mal mit Buchstaben arbeitet, dann mit Silben arbeitet, dann

mit Wörtern und am Ende mit Texten (Forschende, Z. 631-633).

Dabei hebt die Kursleiterin insbesondere einen langsamen Aufbau der Buchstabe-Wort-

Satzbedeutung hervor. Ebenso sollte vor der Einführung von orthografischen und

grammatischen Schwerpunkten ein Grundwortschatz erarbeitet worden sein, auf welchem

aufgebaut werden kann.

7.3.1.2 Kategorie 4.2: Aufgaben- und Übungskonzeption

Auf den Bereich Aufgaben- und Übungskonzeption geht vor allem die Forschende näher

ein. Sie kritisiert, dass in Alphabetisierungslehrwerken kaum unterschiedliche

Aufgabentypen und -formen zum Einsatz kämen. Außerdem seien die Aufgaben und

Texte oftmals nicht der Zielgruppe illiterater Migrantinnen und Migranten angepasst.

7 Datenauswertung Seite 95

Vielfältige Aufgabentypen seien aber notwendig, um die unterschiedlichen Fertigkeiten

zu trainieren und um die einzelnen Lerntypen im Alphabetisierungsunterricht

berücksichtigen zu können. Durch eine Flexibilität in der Aufgabenform werde daher eine

Anpassung an die jeweilige Kursgruppe ermöglicht.

7.3.1.3 Kategorie 4.3: Bebilderung

In der Befragung befürwortet die Lernende eine Bebilderung im Lehrwerk als

Hilfestellung. Insbesondere bei der Einführung von einzelnen Buchstaben helfe ihr eine

visuelle Darstellung.

Also mit die Bildbeispiel bei D [AB 2; S.Sch.] [...] finde ich sehr gut, wo die Dose

ist gemalt. Die fangt an mit D Dose, ne (Lernende, Z. 142-143).

Außerdem beuge die Bebilderung Verwechslungen der Buchstaben vor, indem sie sich

anhand des visuellen Lautrepräsentanten die Unterschiede bewusst machen könne. Des

Weiteren würde sie sich auch über Farbbeispiele freuen, die das Verstehen weiter

förderten. Farbbeispiele seien insbesondere für Teilnehmende mit geringen sprachlichen

Kenntnissen geeignet.

Auch die Kursleiterin bestätigt, dass Lernanfänger primär auf visuelles Material

angewiesen sind, da die deutschen Sprachkenntnisse zu Beginn der

Alphabetisierungskurse oftmals noch sehr gering sind. Daher fordert sie eine verstärkte

kontextbezogene Bebilderung in Lehrbüchern vor allem im Basisbereich. Sie wünscht

sich neben visuell aufbereitetem Basisvokabular zu den einzelnen Themenkomplexen

auch eine Skizzierung der Schreibabfolge bei der Buchstabeneinführung, da es vielen

Teilnehmenden schwerfalle, die Schreibabfolge zu verinnerlichen.

Insgesamt soll eine Bebilderung in Lehrwerken zu einem besseren Verständnis und zur

Identifizierung dienen.

7.3.1.4 Kategorie 4.4: Mediales Angebot/Zusatzangebot

Neben der visuellen Unterstützung durch eine Bebilderung in Lehrwerken sollen auch

verschiedene Medien vielfältig zum Einsatz kommen. So können natürlich neben

visuellen auch audio-visuelle Mittel zur Vertiefung eines Unterrichtsthemas oder zur

Wortschatzarbeit herangezogen werden.

Durch Zusatzangebote könnten einzelne Themenkomplexe individuell vertieft werden. So

schlägt die Forschende ein Lehrwerk vor, das individuell durch weitere Arbeitsblätter, die

zum Beispiel über eine Internetplattform verfügbar sind, erweitert werden kann.

7 Datenauswertung Seite 96

7.3.1.5 Kategorie 4.5: Berücksichtigung von curricularen Vorgaben und Richtlinien

Seit 2007 ist das BAMF-Konzept eine verbindliche Vorgabe für den

Alphabetisierungsunterricht. In einem vom BAMF zugelassenen Lehrwerk muss das

BAMF-Konzept daher zwingend Berücksichtigung finden, erklärt das BAMF in seiner

Stellungnahme.

Die Kursleiterin kennt das Konzept jedoch nicht oder versteht es möglicherweise nicht als

curriculare Vorgabe. Sie sieht aufgrund der starken Heterogenität innerhalb der

Lerngruppen keine Möglichkeit, ein allgemeingültiges Curriculum zu verfolgen.

Curriculare Richtlinien sind für mich jetzt de facto nicht so wichtig, weil es hm

immer wieder heterogene Gruppen sind [...], für die man kein allgemein hm hm

gültiges Curriculum entwickeln kann (Kursleitende, Z. 324-327).

Die Forschende ist der Auffassung, dass das BAMF-Konzept viele nützliche

Informationen für Kursleitende beinhalte. Dennoch übt sie Kritik am Umfang des BAMF-

Konzeptes. Sie sieht hierdurch die Gefahr, dass Kursleitende die gegebenen

Empfehlungen zur Umsetzung des Unterrichts als Zwang verstünden und sich

infolgedessen mehr an den Richtlinien orientierten als an den Teilnehmenden im Kurs. In

der Auffassung der Forschenden sollte das BAMF-Konzept vielmehr als

Orientierungshilfe dienen, muss in der Umsetzung aber vor allem den Bedürfnissen der

Lernenden entsprechen.

Das heißt so was finde ich schon gut, wenn (betont) es eben alpha gerecht ist [...],

wenn man ein Lehrwerk, ein Curriculum hat, dass hm also Lehrwerk Schrägstrich

Curriculum hat, dass hm einem die Freiheiten gibt, solange an dem Thema zu

bleiben, wie es für den für die Gruppe sinnvoll ist [...] und nicht sagt "Oh hoppla, es

ist schon Tag drei, ich muss jetzt auf Seite fünfzehn sein", ja [...] Und das der

Gruppe leider nichts bringt oder man sagt ich muss jetzt zwei Lehrwerke

durchbringen in der Zeit X hm, das kann nicht sein, wenn wir so was machen, dann

können wir die Leute gleich in ein Sprachkurs schicken [...], dann brauchen wir

keine Alphabetisierung zu machen (Forschende, Z. 703-714).

7.3.2 Kategorie 5: Inhaltskonzeption

7.3.2.1 Kategorie 5.1: Buchstaben und Laute

Wie es bereits in der Kategorie Bebilderung angedeutet wurde, sind

Buchstabenverwechslungen eine häufige Schwierigkeit im Schriftspracherwerb. Die

Lernende und die Forschende berichten über Schwierigkeiten, ähnliche Buchstaben, wie

/d/, /b/, /p/ und /q/, voneinander zu unterscheiden. Daher fordert die Kursleitende dazu

7 Datenauswertung Seite 97

auf, der Buchstabenunterscheidung mehr Beachtung zu schenken. Nach der Einführung

der einzelnen Buchstaben sollte die Buchstabenunterscheidung in Lehrwerken in jedem

Fall gesondert thematisiert werden. Überdies sollte auch die Unterscheidung von großen

und kleinen Buchstaben Beachtung finden.

7.3.2.2 Kategorie 5.2: Themen

Neben unterschiedlichen Aufgabentypen und -formen plädieren alle Befragten für den

Einsatz unterschiedlicher Themeneinheiten, die für die Lernenden von Relevanz sind.

Denn vor allem Themen, welche die Teilnehmenden selbst betreffen, tragen dazu bei, für

den weiteren Sprach- und Schriftspracherwerb zu motivieren.

Die Kursleiterin sieht die im Alphabetisierungsunterricht angesprochenen Themen als

essenziell an, weil sie als Orientierungshilfe im Alltag fungieren können. Vor der

inhaltlichen Besprechung eines Themas erarbeitet die Kursleitende mit ihren

Teilnehmenden zunächst das Basisvokabular. Als Beispiele für alltagsrelevante Themen

im Unterricht nennt sie Verkehr und Transport oder Arbeit und Beruf. Oftmals würden

die Lernenden auch relevante Themen mit in den Unterricht bringen, die dann

aufgegriffen werden können, so zum Beispiel Arztbesuche.

Die Lernende ist mit den im Unterricht angesprochenen Themen zufrieden und kann sich

damit identifizieren.

7.3.2.3 Kategorie 5.3: Lernprogression

Die Lernende bringt innerhalb des Interviews mehrfach zum Ausdruck, dass ihr ein

langsames Vorgehen in der Vermittlung wichtig ist, damit sie ausreichend Zeit hat, alles

zu verstehen.

Langsam ist besser #. Da lernt man mehr (Lernende, Z. 123).

Auch die Kursleitende betont für den Basisbereich die Notwendigkeit einer langsamen

Einführung jedes Buchstabens, bevor auf Unterscheidungen und Feinheiten eingegangen

werden kann. Lehrwerke, die mehrere Buchstaben gehäuft präsentieren, lehnt sie daher

ausdrücklich ab.

Überdies sollte die Themenprogression in Lehrwerken für den Kursleitenden frei wählbar

sein, um Binnendifferenzierungen zu ermöglichen. Die Forschende wünscht sich auch

hier eine stetige Orientierung an der eigenen Zielgruppe.

7 Datenauswertung Seite 98

7.3.2.4 Kategorie 5.4: Landeskunde

Die Kursleitende wünscht sich mehr landeskundliche Themen. Sie empfindet

insbesondere die Themen, die Grundbildung und die Landeskunde als einen essenziellen

Bestandteil eines Lehrwerks.

7.3.2.5 Kategorie 5.5: Lernen lernen und Grundbildung

Der Fokus bei einer Alphabetisierung liegt auf dem Lesen und Schreiben lernen. Dass

auch andere Kompetenzen wichtig sind, darüber sind sich die Kursleiterin und die

Forschende einig. Lernende haben oftmals keine Lernerfahrungen, daher muss das

Lernen und das Verhalten in einer Lernsituation erst erlernt werden. Überdies müssen

auch verschiedene Fähigkeiten erst erlernt werden, dazu gehört auch der Umgang mit

einem Lehrwerk.

Zusätzlich sollte im Lehrwerk beachtet werden, dass im Alphabetisierungsunterricht nicht

nur Inhalte, sondern zunächst auch grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt

werden müssen. Zur Grundbildung gehören unter anderem der Umgang mit Medien, zum

Beispiel die Benutzung eines Computers, das Rechnen, der Umgang mit Tabellen und die

Schulung der Logik.

7.3.2.6 Kategorie 5.6: Alltagsrelevanz und Authentizität

Die Kursleiterin fordert mehr alltagsrelevante Themen in Alphabetisierungslehrwerken,

um das Kommunikationspotenzial zu erhöhen und eine Orientierungshilfe geben zu

können. Der Alphabetisierungsunterricht soll so bei der Alltagsbewältigung helfen und

eine Alltagskommunikation ermöglichen. Auch die Teilnehmenden selbst würden immer

wieder alltagsrelevante Themen in den Kurs einbringen und somit den Kurs mitgestalten.

Überdies begrüßt die Forschende die Einbringung von zielgruppenspezifisch relevantem

Vokabular und eine authentische Textgestaltung in Lehrwerken, welche die Bedürfnisse

der Lernenden widerspiegeln.

7.3.2.7 Kategorie 5.7: Selbstlernangebote

Im Interview berichtet die Lernende, dass sie gerne Selbstlernangebote in Lehrwerken

annimmt oder andere Schreibaufgaben zu Hause macht, um das neu Erlernte nicht sofort

wieder zu vergessen. Da sie alleinstehend ist, müssen die Aufgaben verständlich

konzipiert sein, da ihr niemand bei der Aufgabenbewältigung helfen kann. Bei

Schwierigkeiten spricht sie die Kursleitende an und fragt gezielt nach.

Auch die Forschende ist der Ansicht, dass eine regelmäßige Auseinandersetzung mit dem

Erlernten wichtig ist, um dem Verlernen vorzubeugen. Des Weiteren sieht sie in den

7 Datenauswertung Seite 99

Selbstlernangeboten aber auch die Möglichkeit, das selbstständige Lernen und eine

selbstständige Fehlerkorrektur zu fördern, die den Grundstein für das weitere Lernen

bilden. Neben der Forschenden setzt auch das BAMF auf Autonomie fördernde und an

Nachhaltigkeit orientierte Unterrichtsmethoden, welche die soziale Integrationsfähigkeit

der Teilnehmenden stärken sollen.

7.3.3 Kategorie 6: Sprachkompetenzen

7.3.3.1 Kategorie 6.1: Phonologische Bewusstheit

Alle Befragten halten den Aufbau des phonologischen Bewusstseins für einen

elementaren Bestandteil der Alphabetisierung. Besonders wichtig sei es, im

Alphabetisierungskurs die Laut-Buchstaben-Zuordnung in der Fremdsprache zu schulen.

Zurück zur Laut-Buchstaben-Zuordnung, das muss natürlich in beide Richtungen

funktionieren, ich muss auch ein Laut hören und ihn zu Papier bringen [...]. Dazu,

wenn man den Laut hört, muss man ihn natürlich auch in der Fremdsprache hören

und richtig hören (Forschende, Z. 73-77).

Die Basis der Alphabetisierung sind Laute, deshalb ist die Laut-Buchstaben-Zuordnung

der Forschenden zunächst wichtiger als die Orthografie. In ihrem Unterricht bleiben

orthografische Fehler daher zunächst unkommentiert, solange die Laute grafisch korrekt

zugeordnet werden. Eine Schulung des phonologischen Bewusstseins kann durch

Aussprache- und Hörtraining erfolgen. Ziel der Übungen ist es, sich ausdrücken zu

können und verstanden zu werden.

7.3.3.2 Kategorie 6.2: Aussprache

Auch das Aussprachetraining empfindet die Forschende als wichtig, damit sich die

Teilnehmenden verständlich ausdrücken können.

7.3.3.3 Kategorie 6.3: Orthografie

Erst wenn ein Basisvokabular vorhanden ist und ein phonologisches Bewusstsein

geschaffen wurde, sollte im Unterricht auf orthografische Feinheiten eingegangen

werden, so die Forschende. Denn trotz orthografischer Fehler sei das Lesen und

Verstehen des Textes möglich.

7.3.3.4 Kategorie 6.4: Wortschatz

Für die Kursleiterin steht die Bearbeitung des Basisvokabulars zu Beginn jedes neuen

Themas im Vordergrund. Dabei setzt sie auf eine systematische Vermittlung des

7 Datenauswertung Seite 100

Vokabulars, das heißt auf eine aufeinander aufbauende Wortschatzvermittlung unter

bestimmten Themen.

Der Wortschatz im Lehrwerk sollte ihrer Ansicht nach keine Fremdwörter und keine

regionalen Ausdrücke anderer Gebiete beinhalten, da Lernende im Primärbereich keine

Verwendung für diese haben. Die Kursleiterin echauffiert sich über Lehrwerke, die nicht

auf zielgruppenspezifisches Vokabular achten, da es in den Kursen darum gehe,

möglichst schnell ein Kommunikationspotenzial zu erreichen.

Die Forschende verweist ebenfalls auf die Schwierigkeiten der Wortauswahl und erklärt

das Dilemma zwischen der Wahl einfacher, für die Alphabetisierung aus linguistischer

Sicht geeigneter Wörter und für die Teilnehmenden alltagsrelevanter Wörter

folgendermaßen:

Und da hat man ja oftmals ganz große Probleme in Lehrwerken, dass man irgendein

Buchstaben einführen möchte und man sucht lauter Wörter mit den Buchstaben und

Sie haben auch schon einige Lehrwerke aufgeschlagen […], dann sehen Sie, dann

stolpern Sie manchmal über Wörter, die zwar ganz toll darein passen Lama […], ist

ein einfaches tolles Wort, aber braucht man das hier? # […] Das heißt, das ist

natürlich immer ein bisschen, das ist ein bisschen grenzwertig, wo man entscheiden

muss: Ich nehm das Wort jetzt trotzdem rein, weil oder ich lass es eben raus, weil es

nicht relevant ist [...]. Das ist natürlich sehr sehr schwierig (Forschende, Z. 685-

696).

Für sie stellt die Ausbildung eines Wortschatzes die Basis für spätere Textarbeiten dar.

7.3.3.5 Kategorie 6.5: Leseverständnis/Textarbeit

Die Teilnehmenden sollten langsam an Texte herangeführt werden, denn Leseanfänger

schrecken oftmals vor einer großen Textmenge zurück, berichtet die Kursleitende.

Die Forschende schlägt daher vor, zunächst das Lesen mit Worten und einfachen Sätzen

zu üben und dann zu kleineren Texten überzugehen. Die Texte müssten in jedem Fall

leicht lesbar und an die Zielgruppe angepasst sein. Neben dem Lesen der Texte müsse

auch das Textsortenwissen erlernt werden.

7.3.3.6 Kategorie 6.6: Grammatik

Um grammatische Phänomene erläutern zu können, muss erst ein Grundwortschatz und

ein Grundvokabular vorhanden sein. Überdies müssen auch die Wortarten erkannt

werden, damit bestimmte grammatische Phänomene vermittelt werden können, so die

Forschende. Der Kursleiterin zufolge gestaltet sich vor allem die Artikelverwendung

schwierig, da es in vielen Herkunftssprachen keinen oder nur einen Artikel gibt.

7 Datenauswertung Seite 101

7.3.3.7 Kategorie 6.7: Sprachhandlungswissen

Die Sprachanwendung beziehungsweise -handlung muss trainiert werden. Die Lernenden

müssen erkennen, wann beispielsweise die Du- oder Sie-Form verwendet wird, berichtet

die Forschende.

7.3.4 Kategorie 7: Methodische Anforderungen

Die Forschende plädiert für Methodenvielfalt und ihr sind die Methoden und

Sozialformen am wichtigsten an einem Lehrwerk, wie auch aus dem Struktur-

Legeverfahren hervorgeht. Auch in dem Projekt, an dem sie beteiligt war, hat sich

besonders die Methodenvielfalt im Lehrwerk als sehr bedeutend herausgestellt, da

verschiedene Methoden verschiedene Kompetenzen fördern. Durch Methodenwissen

kann die Lehrkraft einzelne Teilnehmende gezielt fördern.

Methoden führen durch Systematisierungen zur Grammatik, so zum Beispiel die

Kontrastivmethode oder die Morphemmethode. Sie führen überdies auch durch

Systematisierungen zur Orthografie, zum Beispiel durch Aussprache- und Hörtraining.

Die Forschende propagiert eine sprachkontrastive Vorgehensweise, um die

Regelhaftigkeit der Sprache zu verdeutlichen, da die Auseinandersetzung mit der

Erstsprache und der Fremdsprache zu einem Konzept von Sprache führe. Der kontrastive

Ansatz könne bestimmte sprachliche Phänomene über die Erstsprache bewusst machen

und bei der Schulung der Laut-Buchstaben-Zuordnung eingesetzt werden. So helfe zum

Beispiel der Einsatz von (selbst gestalteten) zweisprachigen Bildwörterbüchern die

Schriftsystematik zu erkennen. Sie schränkt diese Vorgehensweise jedoch auch ein, denn

im Plenum sei ein kontrastives Vorgehen schwierig, da mehrere Herkunftssprachen

gesprochen würden.

Die Kursleitende wünscht sich die Vermittlung einfacher grammatikalischer Strukturen

durch Handlung und Anwendung.

Mit den methodischen Anforderungen wurden nun die Ergebnisse der Untersuchung

vollständig dargestellt, es folgen die Auswertung des Struktur-Legeverfahrens und die

Diskussion der Ergebnisse.

7.3.5 Auswertung des Struktur-Lege-Verfahrens

Mit dem Struktur-Lege-Verfahren wurde das Ziel verfolgt, die einzelnen Elemente von

Alphabetisierungslehrwerken zu strukturieren und zu hierarchisieren.

Beide Strukturbilder, die im Rahmen dieser Arbeit erhoben werden konnten,

unterscheiden sich bereits im Ansatz. Während die Forschende das Lehrwerk anhand der

Methodik aufbaut, geht die Kursleitende über vier Säulen vor.

7 Datenauswertung Seite 102

Die Forschende stellt die Methoden und Sozialformen in den Mittelpunkt. Sie setzt direkt

unter die Methoden sprachliche Komponenten und die Umsetzung durch eine mediale

Unterstützung und Selbstlernangebote. Links davon befinden sich die allgemeinen

Gestaltungscharakteristika, die Themen und die Struktur des Lehrwerks. Hier befinden

sich auch die Karten mit den Themen Fertigkeiten und curriculare Richtlinien. Dieser

linke Block wurde kaum im Interview genannt und nicht als ausschlaggebend für ein

Alphabetisierungslehrwerk erachtet. Die äußere Position macht dies zusätzlich deutlich.

Unter dem oberen sprachkonzeptionellen Block liegen die Karten zur Wortschatz- und

Textarbeit, die beide situationsbezogen und authentisch sein sollten, und zur Aufgaben-

und Übungstypologie. Hier wird deutlich gemacht, dass die Wortschatzarbeit im größeren

Umfang und die Textarbeit erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollten.

Die Kursleitende arbeitet mit vier Säulen. Ganz zentral liegen der Aufbau und die

Struktur des Lehrwerks, dann folgen in der mittleren Säule ebenfalls

sprachkonzeptionelle Aspekte. Rechts daneben liegen die Methoden, die Aufgaben- und

Übungstypologien sowie die Themen.

Abbildung 4: Strukturbild Forschende (s. Anhang D2)

7 Datenauswertung Seite 103

Hieran wird deutlich, dass die Kursleiterin die sprachkonzeptionellen Aspekte und die

Methodik auf einer Ebene sieht, die Methodik also nicht, wie die Forschende, als

zentralen Ausgangspunkt begreift. Ganz außen rechts liegen die curricularen Richtlinien,

welche die Kursleitende als nicht beachtenswert einstuft. Ein ähnliches Bild hat sich auch

bei der Forschenden ergeben. Ganz außen links stehen dagegen die Wünsche, welche die

Kursleitende an ein Lehrwerk hat. Hierzu gehören eine Alltagsrelevanz der Themen, ein

langsamer Aufbau von der Wort-Satz-Bedeutung, ein für Lernanfänger primär visuelles

Material und die Vermittlung grammatischer Strukturen durch Handlung und

Anwendung. Unter dem Mittelteil liegt ein Block mit gestalterischen und

umsetzungsbedingten Aspekten.

Hierunter befindet sich aber

auch die Grammatik. Dies ist

darauf zurückzuführen, dass

grammatische Phänomene erst

aufgegriffen werden können,

wenn die oberen

sprachkonzeptionellen Fähig-

keiten weiter ausgebildet

wurden. Neben den Aspekten,

welche die Kursleiterin ergänzt

hat, empfindet sie insbesondere

den Wortschatz, die Phonetik

und die Grammatik als

besonders wichtig. Ebenso

wichtig sind die Themen, die

Aufgabentypologie, die mediale

Unterstützung und die

Fertigkeiten. Eine Vermittlung

von gestalterischen Aspekten,

zum Beispiel am Computer,

findet die Kursleiterin dagegen

weniger relevant.

Abbildung 5: Strukturbild Kursleitende (s. Anhang D1)

7 Datenauswertung Seite 104

7.4 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Im Folgenden sollen die zuvor vorgestellten Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert

werden. Das BAMF setzt die Arbeit mit einem durch das Amt zugelassenen und von der

jeweiligen Institution festgelegten Alphabetisierungslehrwerk voraus und überprüft den

Einsatz eines zugelassenen Alphabetisierungslehrwerks und damit auch die Einhaltung

der vorgegebenen curricularen Richtlinien in regelmäßigen Kontrollen. Damit hat das

Lehrwerk einen wichtigen Stellenwert im Alphabetisierungsunterricht. In den hier

beschriebenen Fällen wird die Festlegung auf ein Lehrwerk innerhalb der Institution trotz

neuer weitreichender didaktisch-methodischer Erkenntnisse in der Lehrwerkforschung

nicht erneut überdacht. Dies hat zur Folge, dass die Kursleitenden verpflichtet sind,

überwiegend mit methodisch veralteten Materialien zu arbeiten. Diese Diskrepanz muss

durch den Einsatz zusätzlicher Lehr- und Lernmaterialien aufgefangen werden –

inwieweit das geschieht liegt allerdings im Ermessen und in der Bereitschaft der

Kursleiterin oder des Kursleiters.

Entsprechend der Richtlinien des BAMF wird in der Zweitsprache Deutsch, mit dem Ziel

ein sprachliches Niveau zwischen A2.1 und A2.2 zu erreichen, unterrichtet. Die

Alphabetisierung in der Zweitsprache entspricht nach Aussagen der Forschenden

weitestgehend den Teilnehmerwünschen. Bei einer Konfrontation mit der

Herkunftssprache sind sie weniger interessiert, weil sie die deutsche Sprache und Schrift

lernen wollen. Damit kann auch aus wissenschaftlicher Sicht eine Alphabetisierung in der

Zweitsprache befürwortet werden (s. Kapitel 3.3), nicht zuletzt auch, weil es die Aufgabe

der Alphabetisierungskurse ist, einen integrativen Ansatz zu verfolgen, also sowohl

schriftsprachliche Kenntnisse zu vermitteln als auch das Kommunikationspotenzial für

die Betroffenen zu erhöhen. Da die Teilnehmenden laut GER auch ein Recht auf den

Zugang zur Erstsprache haben, begrüßt das BAMF vermehrt eine sprachkontrastive

Vorgehensweise. Durch einen sprachkontrastiven Ansatz können Lernende nicht nur die

Schrifterfahrungen in ihrer Herkunftssprache sammeln, sondern auch die Zielsprache

anhand des eigenen Sprachsystems besser verstehen (s. Kapitel 4.4.2.7).

Die Aussagen der interviewten Personen zeigen überdies, dass sich die Ausstattung der

Unterrichtsräume je nach durchführender Institution unterscheidet. Grundsätzlich kann

lediglich von einer einfachen Grundausstattung, einem Raum mit Tischen und Stühlen,

einer Tafel und einem weiteren Medium wie ein Flipchart oder ein Overhead-Projektor,

ausgegangen werden. Audio-visuelle Medien sind oftmals nicht verfügbar. Damit stehen

zur methodischen Umsetzung der einzelnen Unterrichtsphasen nur begrenzte

Möglichkeiten zur Verfügung. Materialintensive Methoden sind nicht nur aufgrund der

begrenzten Ausstattung nicht umsetzbar, sondern auch, weil kein Stauraum für

Materialien vorhanden ist. Erschwerend kommt hinzu, dass durch ständige Raumwechsel

7 Datenauswertung Seite 105

und begrenzte Zeitslots, in denen die Räumlichkeiten genutzt werden dürfen, keine

zeitaufwendigen Vorbereitungen für den Unterricht getroffen werden können. Zeitlich

vorbereitungsintensive Methoden, wie zum Beispiel die Alphabetisierung nach Maria

Montessori, sind daher nicht regulär im Unterricht einsetzbar (s. Kapitel 4.4.2.5).

Übertragen auf ein Alphabetisierungslehrwerk bedeutet dies schließlich, dass einerseits

keine audio-visuellen Medien für die Umsetzungen von Aufgaben und Übungen

vorausgesetzt werden dürfen und andererseits, dass eine ausschließliche Vermittlung

mithilfe sehr zeit- und materialaufwendiger Methoden im Unterricht nicht umsetzbar ist.

An dieser Stelle sind vor allem finanzielle Mittel nötig, um die vorherrschende Situation

ins Positive zu verändern. Ohne eine solche Unterstützung bleibt der

Alphabetisierungsunterricht zwangsläufig weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Als ein weiteres Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Umfang eines

Alphabetisierungslehrwerkes beschränkt sein sollte. Zum einen werden die Lernenden

durch eine zu große Masse eingeschüchtert, zum anderen ist die Lernprogression sehr

flach, weshalb ein zu großer Umfang nicht notwendig ist. Anstelle eines großen Umfangs

sind vor allem Zusatzangebote zu den einzelnen Lektionen erwünscht, wodurch das

Alphabetisierungslehrwerk an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gewinnen kann.

Kursleitende können so je nach den Bedürfnissen der Kursteilnehmenden die

vorgegebenen Themen ausweiten oder vernachlässigen. In einem modernen Lehrwerk

bietet sich neben Materialien in Druckform auch die Bereitstellung verschiedenster

Zusatzmaterialien auf einer Internetplattform an.

Außerdem hat sich herauskristallisiert, dass das Lehrwerk ansprechend und übersichtlich

gestaltet sein sollte. Es bestehen bei den Teilnehmenden häufig Schwierigkeiten, die

räumliche Lage und die Buchstaben im Einzelnen zu erkennen (s. Kapitel 3.1). Gerade in

Lehrwerken für illiterate Migrantinnen und Migranten sind überflüssige Details deshalb

nicht nur nutzlos, sondern vor allem irritierend. Aus diesem Grund sollte das Layout

möglichst klar strukturiert sein, gleichzeitig aber auch die Zielgruppe ansprechen.

Insbesondere bietet sich eine erwachsenengerechte Bebilderung des Lehrwerks an, um

das Verständnis zu unterstützen. Einerseits können Buchstaben durch Lautrepräsentanten

verkörpert werden, die dann in Form eines Bildes bei der Buchstabeneinführung

zusätzlich visualisiert werden können (Methode nach Reichen, s. Kapitel 4.4.2.2),

andererseits kann auch der Wortschatz durch eine Bebilderung besser veranschaulicht

werden. Eine Bebilderung des Wortschatzes ist vor allem für jene Migrantinnen und

Migranten von Bedeutung, die nur geringe Kenntnisse in der Zielsprache haben. Der

visuelle Einsatz ermöglicht somit eine Vermittlung, die keiner großen sprachlichen

Erläuterung bedarf. In fortgeschrittenen Lehrwerken kann diese Hilfestellung zunehmend

abgebaut werden. In diesem Fallbeispiel hat die Lernende eine Bebilderung befürwortet,

7 Datenauswertung Seite 106

obwohl sie gute Sprachkenntnisse besitzt. Sie hat die Darstellung von Lautrepräsentanten

begrüßt, damit sie sich die Lautunterschiede bewusst machen und somit einer

Verwechslung der Buchstaben vorbeugen kann.

In diesem Zusammenhang hat sich in der vorliegenden Untersuchung gezeigt, dass in

einem Basislehrwerk die Buchstaben zunächst einzeln eingeführt werden sollten.

Alternativ kann je nach Methode auch mit Silben gearbeitet werden (s. Kapitel 4.4.2).

Wichtig ist es, die Schreibreihenfolge und die räumliche Lage für die Lernenden greifbar

zu machen, weil im Primärbereich die größten Fehlerquellen liegen (s. Kapitel 3.1).

Nachdem alle Buchstaben eingeführt wurden, bietet es sich an, die

Buchstabenunterscheidung zu thematisieren, da diese den Teilnehmenden besonders

schwer fällt. Neben der grafischen Unterscheidung sollten aber auch Übungen zur

Lautunterscheidung vorgeschlagen werden. Dieser Aspekt findet in den bisherigen

Lehrwerken zu wenig Beachtung. Dabei ist die Ausbildung eines phonologischen

Bewusstseins der Schlüssel für den weiteren Lernerfolg. Eine Ausbildung kann nur durch

häufiges Hör- und Aussprachetraining erfolgen. Daher sollten

Alphabetisierungslehrwerke Hör- und Ausspracheübungen zumindest in der

Lehrerhandreichung thematisieren und Audioquellen zur Verfügung stellen. Sobald die

Teilnehmenden über ausreichend Basiswissen verfügen, sollten auch orthografische und

grammatikalische Aspekte aufgegriffen werden.

Neben der Einführung von Buchstaben besteht ein Lehrwerk oder gegebenenfalls die

Lehrwerkfortsetzung aus verschiedenen Themeneinheiten. Sie dienen vor allem der

besseren Alltagskommunikation und der Orientierung. Aus diesem Grund ist es besonders

wichtig, dass die im Lehrwerk angesprochenen Themen auf die Zielgruppe zugeschnitten

sind, also alltagsbezogen und authentisch sind (Kapitel 2.1.2). Dies gilt natürlich auch für

andere Inhalte, beispielsweise für Texte. Gelingt eine zielgruppenspezifische

Themenwahl, erhöht dies auch die Motivation bei den Lernenden, weil sie sich mit den

angesprochenen Themen identifizieren können. Themen für Alphabetisierungslehrwerke

im Migrationsbereich könnten zum Beispiel Verkehr, Beruf oder Arzt sein. In einem

Lehrwerk für fortgeschrittene Lernende ist es auch sinnvoll, landeskundliche Themen

aufzugreifen. Diese fehlen nach Aussage der Kursleitenden bislang vollständig.

Werden in einem Lehrwerk erste Texte eingeführt, so sollte nach Angaben der

Gesprächspartnerinnen sehr feinfühlig an sie herangeführt werden. Am besten gelinge

dies im schrittweisen Aufbau von Wörtern zu Sätzen und schließlich zu kleineren Texten.

In der Befragung der Interviewpartnerinnen wurde vor allem zum Ausdruck gebracht,

dass eine Flexibilität innerhalb der Themenprogression gewünscht ist. Außerdem sollte

auch die Grundbildungsarbeit einen größeren Stellwert innerhalb von Lehrwerken

einnehmen, da neben dem Sprach- und Schriftspracherwerb auch andere Kompetenzen

7 Datenauswertung Seite 107

wie das Rechnen, Tabellenlesen oder logisches Denken wichtig sind. Besonders in

ökonomischer Hinsicht ist der Grundbildungsanteil in Alphabetisierungskursen für

Teilnehmende wichtig, da bereits einfache Tätigkeiten wie zum Beispiel die Arbeit als

Reinigungskraft bereits das Tabellenlesen voraussetzen. Auch die explizite

Sprachverwendung sollte thematisiert werden, zum Beispiel die Verwendung der Du- und

Sie-Form.

Um eine Nachhaltigkeit des Unterrichts erzielen zu können, ist das autonome Lernen

entscheidend. Aus diesem Grund müssen Alphabetisierungslehrwerke über ausreichend

Selbstlernangebote verfügen, die für die Lernenden in ihrer Umsetzung auch verständlich

sind. Insbesondere die Entwicklung zu einer selbstständigen Fehlerkorrektur ist für die

Nachhaltigkeit des Erlernten relevant.

Neben dem phonologischen Bewusstsein gab es in den Interviews die meisten Angaben

zu den Methoden. Lehrwerke sollten demnach grundsätzlich eine methodische Vielfalt

aufbieten, da durch unterschiedliche Methoden unterschiedliche Kompetenzen vermittelt

werden. Der Einbezug von Sprachkontrastivität kann vor allem durch Zusatzmaterialien

gewährleistet werden.

Ein weiterer Aspekt, der diskutiert werden sollte, ist die Heterogenität in

Alphabetisierungskursen für Migrantinnen und Migranten. In dieser Untersuchung

wurden die Aussagen von Szablewski-Çavus und anderen Autoren (Kapitel 2.1.2), dass

eine große Heterogenität in den Kursen vorherrsche, bestätigt. Die Heterogenität betrifft

viele Bereiche wie Alter, Herkunft und Herkunftssprache sowie Vorbildung, die Rother

(2010) bereits im Integrationspanel erstmals für in Deutschland angebotene Kurse

aufschlüsselte, aber auch die Kultur und die Religion. Kulturelle und religiöse Aspekte

müssen insbesondere in den Themen Berücksichtigung finden, damit sich niemand

persönlich angegriffen fühlt. Ähnliches gilt für die Vermittlung. So ist es in der Phase der

phonologischen Bewusstseinsausbildung zum Beispiel nicht ratsam, die Zunge

herauszustrecken, um die Artikulationsorgane besser beschreiben zu können, da dies in

vielen Kulturen als sehr unhöflich gilt. Die Unterschiede in der Vorbildung und

sprachspezifische Schwierigkeiten erfordern eine starke Binnendifferenzierung im Kurs.

Es ist die Aufgabe der Lehrkraft, die verschiedenen Lerntypen in einem Kurs zu ermitteln

und die Aufgaben- und Übungstypen dahin gehend zu auszuwählen. Eine

Binnendifferenzierung in einem Lehrwerk kann die Lehrkraft in dieser Aufgabe

unterstützen, indem unterschiedliche Methoden sowie Aufgaben- und Übungstypen zur

Auswahl geboten werden. Außerdem sollte dem unterschiedlichen Lernfortschritt durch

eine weitere Binnendifferenzierung begegnet werden. So sind Zusatzmaterialien und

Wiederholungsaufgaben zu einzelnen Lektionen besonders für Langsamlernende

nützlich. Für sprachspezifische Schwierigkeiten, die auf der Herkunftssprache beruhen,

7 Datenauswertung Seite 108

wären sprachkontrastive Zusatzmaterialien für unterschiedliche Sprachgruppen

wünschenswert.

Natürlich wirken sich auch die unterschiedlichen Sprachkenntnisse belastend auf den

Unterricht aus. Bevor überhaupt erst sprachliche Phänomene erklärt werden können,

muss ein Grundwortschatz vorhanden sein, der zunächst einmal das Gesagte verständlich

macht. Ein gesonderter Wortschatzteil, der bebildert ist, bietet sich daher an. Der

Wortschatz soll zum einen für die Alphabetisierung geeignet sein, zum anderen jedoch

auch möglichst alltagsrelevant für die Teilnehmenden sein. Hieraus ergibt sich ein

Dilemma, das es zu lösen gilt. Wichtig ist dabei vor allem, dass die Lehrwerke keine

Fremdwörter oder fremd-regionalen Ausdrücke enthalten.

Einige Teilnehmende, wie auch die hier interviewte Lernende, haben bereits eine gute

Sprachkenntnis, die sie sich ohne schriftsprachliche Kenntnisse angeeignet haben. Die

Sprache zeichnet sich hier aber durch eine gering ausgebildete Syntax aus (s. Kapitel

2.1.2). Daher ist bei einem Lehrwerk für den fortgeschrittenen Alphabetisierungsbereich

ein größerer Einbezug der Syntax wichtig, um auch dem ungesteuerten Spracherwerb

begegnen zu können.

Die größte Anforderung an ein Alphabetisierungslehrwerk ist in Anbetracht dieser

Diskussion die Anpassung an die Zielgruppe und die Ermöglichung eines

binnendifferenzierten Vorgehens in allen Bereichen. Die vorgestellten Ergebnisse sollen

im Folgenden verwendet werden, um daraus einen Kriterienkatalog für

Alphabetisierungslehrwerke zu entwickeln.

7.5 Ein Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke

Als Grundlage des Kriterienkatalogs wurden die im fünften Kapitel vorgestellten

Kataloge für den Bereich Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache

herangezogen. Im Anschluss wurden sie hinsichtlich der Ergebnisse der vorliegenden

Untersuchung modifiziert. Im Folgenden soll nun der hiermit erarbeitete Kriterienkatalog

für Alphabetisierungslehrwerke vorgestellt werden.

7.5.1 Das Konzept des Kriterienkatalogs49

Der erstellte Kriterienkatalog ist ein erster Versuch, die Vielschichtigkeit von

Alphabetisierungslehrwerken zu erfassen. Er beansprucht keine Vollständigkeit und sollte

bei seiner Anwendung hinsichtlich der eigenen Rahmenbedingungen und der Zielgruppe

weiter spezifiziert werden. Der Kriterienkatalog soll daher als offenes Arbeitsinstrument 49 Das Konzept und die Struktur des Kriterienkatalogs für Alphabetisierungslehrwerke orientieren sich im

Wesentlichen an Funks (2004) Verfahrensvorschlag zur Prüfung von Qualitätsmerkmalen von Lehrwerken.

7 Datenauswertung Seite 109

verstanden werden und als Strukturierungs- und Beurteilungsleitlinie für Institutionen und

Kursleitende dienen. Durch eine offene Gewichtung der Gütekriterien können potenzielle

Nutzerinnen und Nutzer die Gewichtung einzelner Aspekte eigenständig vornehmen.

Dies geschieht, ebenso wie die abschließende Bewertung, in einem Dreischrittsystem (0 =

unwichtig; 1 = wichtig; 2 = sehr wichtig).

Vorschlag zum Umgang mit dem Beurteilungsraster:

1. Lesen Sie die Kriterien sorgfältig durch. Klären Sie zunächst Unklarheiten, bevor

Sie gegebenenfalls die Kriterienliste individuell erweitern. Sofern Sie die

Beurteilung in einem Team vornehmen, sollten Sie die Unklarheiten und die

Erweiterungen abschließend diskutieren. Es ist sinnvoll, bereits vor der Bewertung

Ausschlusskriterien zu bestimmen, beispielsweise wenn keine Zulassung durch das

BAMF besteht.

2. Legen Sie im Anschluss die Gewichtung der einzelnen Themenkomplexe fest und

übertragen Sie diese auf das Raster. Arbeiten Sie in einem Team, sollten Sie die

Gewichtung zusammen diskutieren. Die Bewertung wird nur vergleichbar, wenn

die einzelnen Gewichtungsfaktoren übereinstimmen.

3. Im dritten Schritt erfolgt schließlich die individuelle Bewertung des vorliegenden

Lehrwerks nach den festgelegten Kriterien. Ist die Bewertung erfolgt, wird bei

jeder Kategorie die Zahl der Gewichtung mit jener der Bewertung zu einer Summe

addiert. Die Gesamtpunktzahl eines Lehrwerks wird über die vertikale Addition der

einzelnen Summen festgestellt.

Mit dieser Vorgehensweise werden Lehrwerke in den einzelnen Kategorien und in

der Gesamtaufstellung vergleichbar. Voraussetzung ist jedoch, wie oben bereits

erwähnt, eine gleiche Gewichtung der Kriterien.

4. Die Ergebnisse sollen im Anschluss reflektiert oder in einer Gruppe diskutiert

werden. Die Entscheidung für oder gegen ein Lehrwerk sollte aber nicht

ausschließlich auf Grundlage des Beurteilungsrasters erfolgen, sondern auch

bezüglich der erwarteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgewogen werden.

Eine Diskussion in einer Gruppe kann zu einer angemessenen Entscheidung

beitragen.

7 Datenauswertung Seite 110

Dreischritt für die Beurteilung: Gewichtung nach eigenem Ermessen: 0 = unwichtig 1 = wichtig 2 = sehr wichtig Bewertung: 0 = nicht vorhanden/schlecht 1 = gut 2 = ausgezeichnet

7.5.2 Ein Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke

Kriterien/Qualitätsmerkmale Gewichtung nach eigenem Ermessen Bewertung Summe

Kategorie 0: Bestandsaufnahme --- --- ---

- Für eine Bestandsaufnahme sind folgende Aspekte zu beachten: o Titel o Zielgruppe o Angestrebtes Sprachniveau o Didaktisch-methodischer Anspruch des Lehrwerks/Lernziele o Zulassung durch das BAMF o Preis-/Leistungsverhältnis

Kategorie 1: Allgemeine Gestaltung

1. Aufbau und Struktur

- Zu den festen Bestandteilen eines Alphabetisierungslehrwerks sollten zählen: o Buchstabeneinführungsteil o Orthografie- und Grammatikteil (ggf. nicht im Basisbereich) o Wörterverzeichnis o Audioquellen

- Als Zusatzmaterial sind wünschenswert: o Lehrerhandbuch o Zusatzmaterialien in Form von Ergänzungsaufgaben und -übungen zu den

einzelnen Lektionen o bebildertes Wörterbuch zum Lehrwerk o weitere visuelle (z.B. Anlauttabellen), auditive (z.B. Hörübungen für Laute) oder

ggf. auch audio-visuelle Medien (nur bei vorhandener Umsetzungsmöglichkeit!) - Ist der Gesamtumfang angemessen? - Ist der Aufbau der Einheiten und Lektionen angemessen?

7 Datenauswertung Seite 111

- Ist das Verhältnis der einzelnen Einheiten und Lektionen zueinander stimmig?

2. Gestaltung und Bebilderung

- Ist das Lehrwerk äußerlich ansprechend gestaltet? - Sind die Einheiten und Lektionen übersichtlich und ansprechend gestaltet? - Sind die einzelnen Seiten im Lehrwerk klar strukturiert? - Werden überflüssige Zusatzinformationen und Details vermieden? - Wurden Bilder (z.B. Anlautrepräsentanten) bei der Buchstabeneinführung eingesetzt? - Wird der Wortschatz durch Bebilderung verständlich gemacht? - Sind die Bilder mit den gegebenen Informationen (z.B. Buchstaben, Wörter, Sätze oder

kleinen Texte) abgestimmt? - Ist die visuelle Gestaltung erwachsenengerecht?

Kategorie 2: Inhaltskonzeption

1. Inhalte und Landeskunde

- Sind die gegebenen Texte und Informationen im Lehrwerk: o sachlich korrekt o erwachsenengerecht und der Zielgruppe angemessen o authentisch o problem- und situationsorientiert o unterhaltend o abwechslungsreich o eine Abbildung der gesellschaftlichen Wirklichkeit o ein Teil kommunikativer Handlung

- Weisen die Texte und Informationen ausreichend Kommunikationspotenzial auf und regen zur weiteren Kommunikation an?

- Sind die behandelten Themen für die Zielgruppe passend? - Gibt es Identifikationsmöglichkeiten mit den angesprochenen Themen? - Müssen die Themen chronologisch erarbeitet werden oder lässt das Lehrwerk Flexibilität in

der Themenwahl zu? - Werden kulturelle Aspekte aufgegriffen und kontrastiv dargestellt? - Werden gesellschaftliche und kulturelle Normen vermittelt und problematisiert? - Werden landeskundliche Aspekte aufgegriffen?

7 Datenauswertung Seite 112

- Vermitteln die Landeskunde ein zutreffendes Deutschlandbild?

2. Buchstaben und Laute

- Wird die Laut-Buchstaben-Zuordnung im Lehrwerk thematisiert? - Wird eine geeignete Buchstabenprogression wird im Lehrwerk verfolgt? - Werden die Buchstaben zunächst einzeln eingeführt? - Wird die Buchstabenunterscheidung thematisiert?

3. Grundbildung und Lernen lernen

- Wird die Grundbildung ausreichend beachtet? - Gibt es Übungsmöglichkeiten zum Rechen, Logiktraining oder Ähnliches?

Kategorie 3: Sprachkompetenzen

1. Sprache

- Wird der Spracherwerb ausreichend berücksichtigt? - Gibt es ausreichend Material zur Reflexion und Produktion von Sprache? - Orientiert sich das Lehrwerk an der Standardsprache? - Werden die Zusammenhänge zwischen Sprache und kulturellem Verständnis thematisiert und

problematisiert? - Wird die Handlungs- und Anwendungsorientierung von Sprache thematisiert?

2. Hörverständnis und Aussprache

- Werden Phonem-Graphem-Korrespondenzen systematisch vermittelt? - Gibt es visuelle Intonationshilfen (z.B. Trennung von Komposita/farbliche Markierung von

Silben oder Morphemen)? - Werden besonders schwierige Laute berücksichtigt?

o Geschieht dies sprachkontrastiv? o Geschieht dies binnendifferenziert nach der Herkunftssprache?

- Klingen die Audioaufnahmen authentisch? - Gibt es verschiedene Sprecher?

7 Datenauswertung Seite 113

3. Wortschatz

- Erhöht das ausgewählte Vokabular das Kommunikationspotenzial/Ist das Vokabular für die Zielgruppe angemessen?

- Werden einfache Wörter für die Alphabetisierung herangezogen? - Werden Fremdwörter und fremd-regionale Ausdrücke vermieden? - Sind die herangezogenen Wörter für die Lernenden von Relevanz?

4. Orthografie/Grammatik

- Ist die Vorgehensweise angemessen? - Ist der verfolgte Grammatikansatz für die Zielgruppe geeignet? - Werden Orthografie und Grammatik systematisch vermittelt? - Wird bei der Vermittlung sprachkontrastiv vorgegangen? - Wird eine flache Progression verwendet? - Gibt es ausreichend Wiederholungsschleifen und Vertiefungen? - Werden orthografische Besonderheiten thematisiert? - Welche Terminologie wird verwendet?

Kategorie 4: Vermittlung

1. Methodik

- Gibt es eine Methodenvielfalt? - Welche methodischen Ansätze werden verfolgt? - Sind die Methoden im gegebenen Kursrahmen umsetzbar?

2. Aufgaben und Übungen

- Gibt es ausreichend Aufgaben und Übungen? - Wird dadurch eine Binnendifferenzierung gewährleistet? - Gibt es ein ausreichendes Angebot an systematischen Wiederholungen? - Werden unterschiedliche Aufgaben- und Übungstypen eingesetzt (Förderung der vier

Fertigkeiten: Sprechen, Hören, Schreiben, Lesen)? - Sind die Arbeitsanweisungen einfach und verständlich? - Werden sich wiederholende Aufgabentypen und ihre Arbeitsanweisungen durch ein Symbol

7 Datenauswertung Seite 114

oder Bild dargestellt, damit die Anweisung jederzeit verstanden werden kann? - Sind die Übungsformen/Sozialformen abwechslungsreich (z.B. Einzelarbeit, Partnerarbeit

etc.)? - Fördern die Übungen ein selbstständiges Arbeiten?

3. Selbstlernangebote

- Gibt es ausreichend Selbstlernangebote? - Sind die Selbstlernangebote von den Lernenden selbstständig durchführbar? - Gibt es Möglichkeiten zur Selbstkorrektur?

Kategorie 5: Perspektive der Lernenden

- Ist die Intensität der Ausbildung angemessen (Überforderung/Unterforderung)? - Ist das Lehrwerk abwechslungsreich gestaltet? - Wird die Heterogenität der Zielgruppe ausreichend berücksichtigt?/ Erfolgt eine ausreichende

Binnendifferenzierung? - Können Lernziele und Lernfortschritte erkannt werden (Motivation)?

Evaluation/Selbstevaluation Summe:

Tabelle 6: Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke

7 Datenauswertung Seite 115

7.5.3 Diskussion des Kriterienkatalogs

Ein Kriterienkatalog bietet eine Orientierungshilfe, kann aber nicht die endgültige

Entscheidung für ein Lehrwerk abnehmen (vgl. Kast/Neuner 1996, S. 22). Auch hier soll

die Anwendung des Katalogs vielmehr einer tiefgründigen Beschäftigung mit

verschiedenen Aspekten dienen, um eine vielschichtige Entscheidung zu ermöglichen.

Das vorgegebene Beurteilungsraster soll daher weitgehend eine Vollständigkeit der

Beurteilung absichern, ohne dabei eine Entscheidung vorzugeben.

Überdies sind solche Kataloge zwar versucht eine objektivierte Betrachtung herzustellen

(Kast/Neuner 1996; vgl. Ucharim 2009, S. 163), dennoch lässt sich – trotz des Einbezugs

der Forschungsergebnisse – in der Zusammenstellung der einzelnen Kriterien und dem

Einbezug bestimmter Fragen meine subjektive Wertung erkennen. Um dennoch eine

möglichst neutrale Betrachtung zu ermöglichen, ist das Beurteilungsraster so angelegt,

dass eine Gewichtung der einzelnen Kriterien nach eigenem Ermessen erfolgen soll.

Somit können auch individuelle Ansprüche an ein Alphabetisierungslehrwerk

berücksichtigt werden. Letztendlich ist die Lehrwerkbeurteilung von vielen

verschiedenen Faktoren abhängig. Deshalb ist es auch ein Anliegen, dass der entwickelte

Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke von den potenziellen Nutzerinnen und

Nutzern vor der Anwendung weiter auf die eigenen Rahmenbedingungen und die eigene

Zielgruppe spezifiziert wird.

7.6 Reflexion der methodischen Vorgehensweise

Die Umsetzung des Forschungsanliegens ist meines Erachtens gut gelungen. Leider war

die Stellungnahme des BAMF wenig ausführlich, so dass die Position der übergeordneten

Institution nur peripher in das Forschungsergebnis einfließen konnte. Im Wesentlichen

wurde in der Stellungnahme nur auf einzelne Kapitel des BAMF-Konzeptes (Feldmeier

2009) verwiesen, was jedoch die gestellten Fragen nicht konkret beantwortete. Ich bin der

Überzeugung, dass das Scheitern des schriftlichen Interviews nicht an den formulierten

Fragen lag, sondern darauf zurückzuführen ist, dass das BAMF sich nicht frei zu Themen

äußert. Für die methodische Durchführung dieser Arbeit wäre es daher von Vorteil

gewesen, wenn sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des BAMF zu einem

persönlichen Gespräch bereit erklärt hätte.

Insbesondere ist es schade, dass die einzelnen Lehrwerkelemente – trotz klarer

Aufforderung – nicht strukturiert und hierarchisiert wurden, sodass die Äußerung des

BAMF nicht denen der Forschenden und der Lehrenden gegenübergestellt werden

konnte. Dies hätte noch einmal die Multiperspektivität in den Anforderungen an ein

Lehrwerk verdeutlichen können. Durch das Fehlen einer Stellungnahme des BAMF

7 Datenauswertung Seite 116

könnte auch der zusätzliche Einsatz des Struktur-Lege-Verfahrens als Ganzes infrage

gestellt werden, da es nur bei der Hälfte der Gesprächspartnerinnen zum Einsatz kam.

Dennoch konnte es dazu beitragen, zwei unterschiedliche Standpunkte von Beteiligten,

die im unmittelbaren Praxisfeld tätig sind, aufzuzeigen, weshalb die Ergebnisse nicht

vorenthalten werden sollten.

Überdies ist festzustellen, dass einzelne Auswertungskategorien weniger ergiebig

beziehungsweise komplex waren als andere. Dies ist auf die unterschiedlichen durch die

Gesprächspartnerinnen angesprochenen Aspekte zurückzuführen. Einige Unterkategorien

sind aber in ihrer Aussage so knapp, dass sie möglicherweise auch mit einer anderen

Kategorie hätten zusammengefasst werden können. Dies trifft zum Beispiel auf die

Unterkategorie Landeskunde (Kategorie 5.4) zu, bei der die Ergebnisse auch in die

Kategorie Themen (Kategorie 5.2) gepasst hätten. Im Fall der Kategorie Landeskunde

(Kategorie 5.4) gab es wenige Äußerungen in den Interviews zu dem Themenbereich. Die

Kursleiterin stellte diesen Aspekt jedoch als besonders wichtig heraus, weshalb eine

eigene Unterkategorie erstellt wurde. Ebenso hätte die Kategorie Aussprache (6.2)

inhaltlich auch zu einer erweiterten Kategorie Phonlogische Bewusstheit (Kategorie 6.1)

gepasst. Unter der Kategorie Aussprache sind zwar mehrere Äußerungen zu fassen, diese

konnten jedoch hinsichtlich der Interpretation zusammengefasst werden.

Auch wenn eine bessere Verteilung der Komplexität innerhalb der Kategorien zu

begrüßen gewesen wäre, ist diese natürlich, wie oben bereits erwähnt, von den Aussagen

der Gesprächspartnerinnen und -partner abhängig. Letztendlich ist eine kleinschrittige

Vorgehensweise für das Untersuchungsdesign, das in einem Kriterienkatalog mündet,

angemessen. Überdies ändern sich die Ergebnisse der Untersuchung nicht durch eine

veränderte Darstellung.

8 Zusammenfassung und Ausblick Seite 117

8 Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit wurde die eingangs erläuterte Aussage, dass Lehrwerke einen

hohen Stellenwert im Alphabetisierungsunterricht einnehmen, bestätigt. Das Lehrwerk

steht im Zentrum des Alphabetisierungsunterrichts und beeinflusst durch seine

Konzeption die sprachliche und methodische Vermittlung des Lehr- und Lerninhalts.

Implizit verfährt es dabei bereits nach den vorgegebenen curricularen Richtlinien.

Zwei Fragestellungen waren grundlegend für die vorliegende Ausarbeitung. Zum einen

sollten die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für den Lehrwerkeinsatz im

Alphabetisierungsunterricht mit erwachsenen Migrantinnen und Migranten erfasst

werden, zum anderen sollten die Anforderungen an ein Alphabetisierungslehrwerk

exemplarisch aus den Perspektiven der Lernenden, der Kursleitenden, der Forschenden

und des BAMF erfasst werden. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung flossen in

einen Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke ein, der das Ziel dieser Arbeit

darstellte.

Der erste Teil dieser Ausarbeitung gab einen Überblick über die theoretischen und

praktischen Aspekte der Alphabetisierungsarbeit mit erwachsenen Migrantinnen und

Migranten. Die Leserin und der Leser dieser Arbeit wurden in die gängigen Definitionen

der Analphabetismusforschung eingeführt und haben einen Einblick in die historischen

und aktuellen Alphabetisierungsbemühungen erhalten. Überdies wurden die Grundlagen

des Spracherwerbs und des Schriftspracherwerb im Erwachsenenalter thematisiert. Neben

diesen theoretischen Aspekten wurde im Kapitel Alphabetisierungspraxis auf die

Rahmenbedingungen, Inhalte und Methoden des Alphabetisierungsunterrichts

eingegangen. In diesen Kapiteln wurde deutlich, dass die Zielgruppe ausländischer

Einwanderer nicht mit deutschen funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten oder

Grundschulkindern vergleichbar ist. Bestimmte Fähigkeiten oder Fertigkeiten können

nicht vorausgesetzt werden, weshalb die Kurse immer dem Kenntnisstand der Lerngruppe

angepasst werden müssen. Schließlich bildete die Besprechung von

Alphabetisierungslehrwerken und Kriterienkatalogen die Basis für den empirischen Teil

dieser Arbeit.

Die Betrachtung der ersten Fragestellung des Forschungsanliegens, welche die

Rahmenbedingungen von Alphabetisierungskursen betraf, hat ergeben, dass sich

Lehrwerke im methodischen Vorgehen und beim Einsatz verschiedener Sozialformen nur

an einer materiellen Grundausstattung orientieren dürfen, da diese in den meisten

Institutionen begrenzt ist. Des Weiteren ist ein zeitlich vorbereitungsintensiver

Methodenaufbau nicht umsetzbar, da die Kursleitenden an enge Zeitslots gebunden sind,

in denen sie sich in den Kursräumen aufhalten können. Neben diesen methodischen

Implikationen wurde herausgestellt, dass die Kurszusammensetzung, sowohl hinsichtlich

8 Zusammenfassung und Ausblick Seite 118

des sprachlichen als auch des schriftsprachlichen Kenntnisstandes, heterogen ist. Dies

verdeutlicht die Notwendigkeit einer starken Binnendifferenzierung nach dem Lernstand

und sprachspezifischen Schwierigkeiten im Alphabetisierungslehrwerk für erwachsene

Migrantinnen und Migranten.

Die Beschäftigung mit der zweiten Fragestellung, welche auf die Anforderungen eines

Alphabetisierungslehrwerkes im Migrationsbereich abzielte, ermöglichte es, die

strukturellen, inhaltlich-methodischen und sprachlichen Anforderungen an ein

Alphabetisierungslehrwerk zu erfassen. So hat sich auf struktureller Ebene

herauskristallisiert, dass Alphabetisierungslehrwerke einen begrenzten Umfang und einen

flexibel gestaltbaren Aufbau haben sollten. Gerade die Flexibilität ermöglicht eine

weitere Anpassung an die jeweilige Teilnehmergruppe und damit die geforderte

Binnendifferenzierung.

Außerdem sollten unter sprachlichen Gesichtspunkten die Grundlagen der

Alphabetisierung mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Bislang wurde die Laut-

Buchstaben-Zuordnung gegenüber der Einführung einzelner Buchstaben stark

vernachlässigt, obwohl sie das Fundament des Schriftspracherwerbs bildet. Überdies

sollte in Alphabetisierungslehrwerken auch die Buchstabenunterscheidung, die den

Lernenden zu Beginn des Schriftspracherwerbs noch sehr schwer fällt, Berücksichtigung

finden. Ein weiterer Aspekt war die Forderung nach abwechslungsreichen methodischen

Ansätzen sowie Aufgaben- und Übungsformen. Nur durch eine vielseitige methodische

Vermittlung ist es möglich, dass alle benötigten Fähigkeiten ausgebildet und die

Fertigkeiten erlernt werden.

So wie die vorangegangen Aspekte sollte auch die Inhaltskonzeption stärker auf die

Zielgruppe der erwachsenen Migrantinnen und Migranten ausgerichtet sein. Dass in

Lehrwerken immer noch Themen aufgegriffen werden, die nur peripher für die

Zielgruppe von Relevanz sind, ist nicht tragbar. Schließlich ist es das Ziel der Kurse, das

Kommunikationspotenzial zu erhöhen und damit eine Orientierungsmöglichkeit in

Deutschland zu schaffen. Nur unter der Voraussetzung des Spracherwerbs kann

letztendlich eine vollständige Integration in die Gesellschaft gelingen.

Alle Aspekte, die zusammenfassend noch einmal hervorgehoben wurden, verdeutlichen

auf drastische Weise, welcher Forschungs- und Entwicklungsbedarf für

Alphabetisierungslehrwerke noch besteht. Dies wird vor allem an der Diskrepanz

zwischen den bisher veröffentlichten Alphabetisierungslehrwerken und den in dieser

Ausarbeitung erfassten Anforderungen deutlich. Prägnant war auch die Forderung nach

einer stärkeren Binnendifferenzierung und Zielgruppenspezifik. Einzelne Projekte wie

Alphamar oder PAGES weisen in die richtige Richtung, können aber nicht alleine dieses

eklatante Forschungsdefizit beheben.

8 Zusammenfassung und Ausblick Seite 119

Diese Arbeit hat mit der Entwicklung eines Kriterienkatalogs auf Grundlage der

Forschungsergebnisse einen Beitrag dazu geleistet, die Forschung im Migrationsbereich

weiter voranzubringen. Der Kriterienkatalog für Alphabetisierungslehrwerke ist

hinsichtlich der Qualitätsmerkmale offen und der jeweiligen Kurssituation und Institution

anpassbar. Seine Aufgabe ist es, unerfahrenen Lehrkräften einen Leitfaden zur

Beurteilung eines Alphabetisierungslehrwerks in die Hand zu geben und langjährigen

Kursleiterinnen und -leitern eine mögliche Betriebsblindheit zu nehmen. Außerdem soll

durch die entwickelten Qualitätsmerkmale für Alphabetisierungslehrwerke die

Lehrwerkentwicklung angeregt werden. Allerdings sollte in dieser Arbeit deutlich

geworden sein, dass es das Lehrwerk nicht geben kann, da die Lehrwerkbeurteilung von

vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. Die Festlegung für ein Lehrwerk sollte erst

nach tiefgründigen Überlegungen, möglichst im Team, und unter Einbezug der

Kursteilnehmenden geschehen.

Der Kriterienkatalog gibt zwar eine Bewertungsmatrix vor, hebt damit aber letztendlich

die Forschungsdefizite nicht auf und kann keine weitere Forschung ersetzen. Es ist

wünschenswert, dass die vorliegenden Ergebnisse dieser Arbeit einen Einfluss auf die

Lehrwerkforschung und -entwicklung nehmen und kommende Alphabetisierungslehr-

werke effizienter werden. Denn wie für die Teilnehmende eines Alphabetisierungskurses,

die zu Beginn dieser Arbeit zitiert wurde, die Fähigkeit, Linie „S1“ lesen zu können,

bereits ein beachtlicher Erfolg ist, ist für die Alphabetisierungspraxis im

Migrationsbereich jedes noch so kleine Forschungsvorhaben ein großer Gewinn.

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