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I taz.thema MITTWOCH, 13. FEBRUAR 2013 die verlagsseiten der taz.die tageszeitung www.taz.de | [email protected] | fon 030 • 25 90 23 14 | fax 030• 25 10 694 Impressum Redaktion: Lars Klaaßen | Foto-Red.: Ann-Christine Jansson | Anzeigen:Jan Kniggendorf taz.die tageszeitung taz Verlags- und Vertriebs GmbH | Rudi-Dutschke-Straße 23 | 10969 Berlin | V.i.S.d.P.: Ines Pohl BIOFACH & VIVANESS ANZEIGE land die wichtigsten Exporteure für den deutschen Markt. Angeblich ist das alles eben auch „bio“. Was aber bedeutet das? Kann man dem asiatischen Biobetrieb in gleichem Maße vertrauen wie dem Biobauern im Nachbardorf? Allein in Deutsch- land konkurriert bereits eine un- übersichtliche Vielzahl von über 100 Biosiegeln. So prangt auf rund 66.000 Produkten das sechseckige staatliche Biosiegel, seit 2010 gibt es auch noch das EU-Biologo, es zeigt zwölf Sterne in Form eines Blatts auf grünem Grund. Dazu kommen die Siegel der Bioverbände, deren Mitglie- der meist noch strengere Aufla- gen erfüllen müssen. Schaut man über die Grenzen Europas hinaus, wird man mit völlig unbekannten Abkürzun- gen und Labeln konfrontiert: US- DA Organic heißt das staatliche Siegel in den USA, in Japan JAS. „Verbraucher müssen diese Sie- gel nicht kennen“, beruhigt Peter Röhrig, stellvertretender Ge- schäftsführer beim Bund Ökolo- gische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW). „Alle Biolebensmit- tel, die in die EU importiert wer- den, müssen die Anforderungen des EU-Siegels erfüllen.“ Diese auf Produkte mit den Siegeln von Verbänden wie Demeter oder Bioland zurückgreifen. Die Kontrolle beim ausländi- schen Produzenten obliegt legiti- mierten Zertifizierungsstellen. Dass diese Kontrollen nicht per- fekt sind, zeigte sich Ende 2011 in Eine Frage der Qualität GLOBALISIERUNG Biolebensmittel kommen aus aller Welt. Für Käufer stellt sich die Frage: An welchen Kriterien werden die Produkte gemessen und wer garantiert deren Einhaltung? VON MIRKO HEINEMANN Die Äpfel kommen aus Neusee- land, die Sonnenblumenkerne aus China, der Weizen aus Ka- sachstan. Türkische Linsen, bul- garische Gurken und ägyptische Kartoffeln liegen inzwischen in den Regalen der Biosupermärk- te. Immer mehr Lebensmittel aus ökologischem Anbau werden importiert. Die meisten stam- men aus europäischen Nachbar- ländern. So kommt etwa ein Drit- tel der Biomilch aus Dänemark und Österreich, rund ein Fünftel des Bioschweinefleischs aus den Niederlanden, Österreich, Däne- mark und Italien. Soja wird etwa aus Kasachstan, Argentinien, In- dien und Brasilien importiert. Biokartoffeln stammen vorwie- gend aus Israel, Ägypten und Ös- terreich. Aus Deutschland stam- men nur die Hälfte aller Bioäpfel, neben Italien und Österreich sind Argentinien und Neusee- Betrüger offenbar auch von- seiten der Zertifizierungsstelle, ein Regionaldirektor wurde ver- haftet. „Die Überwachung der Kon- trollstellen gehört zu den wich- tigsten Bestandteilen des Sys- tems“, so Stephan Dabbert von der Universität Hohenheim. Der Wissenschaftler hatte im Rah- men eines Forschungsprojekts im vergangenen Jahr die europä- ischen Kontrollmechanismen analysiert und einen Sechs- Punkte-Plan zur Verbesserung erstellt. Darin mahnt er eine ein- heitliche Überwachung der Kon- trollstellen an, mehr Transpa- renz und eine bessere Akzeptanz des Ökosiegels der Europäischen Union: „Die Gemeinschaft braucht ein europäisches Forum, in dem sie sich regelmäßig darü- ber austauschen kann, wie genau im Detail die Ökokontrollverord- nungen umgesetzt wurden“, meint Dabbert. Wichtig seien au- ßerdem bessere Informationen über die Anforderungen des Kontrollsystems für Ökounter- nehmer. Dies betreffe insbeson- dere die neuen Mitgliedstaaten. Stellt sich die Frage, ob die zu- nehmenden Importe der Idee von biologischer Landwirtschaft nicht entgegenstehen, die gern mit kurzen Vertriebswegen und regionalen Produkten wirbt, um die Umwelt zu schonen. Das Pro- blem: Selbst wenn die Verbrau- cher es wünschten – die heimi- sche Biobranche könnte die stark steigende Nachfrage derzeit gar nicht befriedigen. „Das liegt vor allem daran, dass die Rahmenbe- dingungen für die Bioproduk- tion schwieriger geworden sind. Biogasanlagen werden zurzeit so stark bezuschusst, dass sie die Biobauern beim Wettbewerb um Ackerflächen ausstechen. Und in einigen Bundesländern wurde die Ökoförderung gedrosselt“, er- läutert Peter Röhrig vom BÖLW. Zahlreiche Biowaren müssten daher bereits importiert werden. Für die Zukunft wird der Im- port noch wichtiger werden. Im Jahr 2015 soll die derzeitige Rege- lung auslaufen, dass bei der Füt- terung von Bioschweinen und Bi- ogeflügel nach EG-Ökoverord- nung noch bis zu 5 Prozent kon- ventionelle Eiweißkomponen- ten erlaubt sind. Danach sollen die Tiere zu 100 Prozent mit Bio- futter versorgt werden. Bis dahin erwartet der BÖLW, dass mehr Le- guminosen, die als Futter einge- setzt werden, importiert werden. Alles bio & Bauern in Bildern Vom 13. bis zum 16. Februar fin- det in Nürnberg die Doppelmes- se Biofach & Vivaness statt, die sich selbst als „Weltleitmesse für Bioprodukte“ bezeichnet. Hier kommen rund 2.400 Aussteller und 40.000 Besucher zusam- men. Die Veranstaltung ist ein guter Anlass, den Blick auf eine Branche zu werfen, die weltweit beachtliche Wachstumszahlen vorweisen kann und ungebro- chen an Bedeutung gewinnt. Die vier Sonderseiten zum Thema Biofach & Vivaness sind mit einer Fotoserie bebildert, die junge US-Amerikaner zeigt: Menschen, die als Ökobauern ak- tiv geworden sind. Viele ehema- lige Studenten wollen mit ihrem Engagement auf dem Land einen alternativen Lebensstil praktizie- ren: Nachhaltige Landwirtschaft als besserer Weg im Vergleich zu herkömmlichen Betrieben ist ihr zentrales Motiv. Zahlreiche US-Farmen sind in den vergangenen Jahren in eine wirtschaftliche Krise ge- raten. Mit ökologischem Ehr- geiz soll auch diese ökonomi- sche Misere überwunden wer- den. Darüber hinaus wollen die jungen Idealisten aber auch persönlich einen neuen Schritt wagen: zurück zur Na- tur. Aliza Eliazarov, freiberufli- che Dokumentar- und Presse- fotografin mit Hauptsitz in New York (Brooklyn), hat die Vertreter dieser neuen Gene- ration von Ökobauern be- sucht und porträtiert. Ihre Fo- tos wurden bereits internatio- nal ausgestellt. ALLE FOTOS: ALIZA ELIAZAROV/ REDUX/LAIF ANZEIGE entsprechen denen des staatli- chen deutschen Siegels. So dür- fen Lebensmittel auch nach EU- Verordnung immerhin 0,9 Pro- zent gentechnisch verändertes Material enthalten. 95 Prozent der Inhaltsstoffe müssen aus ökologischem Anbau kommen. Wer es strenger haben will, muss Italien. Dort hatten Kriminelle 700.000 Tonnen konventionelle Lebensmittel kurzerhand als Bio- produkte deklariert. Mehl, Soja und Trockenfrüchte im Wert von 220 Millionen Euro wurden in mehrere europäische Länder verkauft, auch nach Deutsch- land. Unterstützung hatten die ANZEIGE

Allesbio&BauerninBilderndownload.taz.de/BioFach_Feb_13.pdf · 2013. 2. 21. · kommen rund 2.400 Aussteller und 40.000 Besucher zusam-men. Die Veranstaltung ist ein ... 2010 sollen

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  • Itaz.thema MITTWOCH, 13. FEBRUAR 2013

    die verlagsseiten dertaz.die tageszeitung

    www.taz.de | [email protected] | fon 030 • 25 90 23 14 | fax 030• 25 10 694 Impressum Redaktion: Lars Klaaßen | Foto-Red.: Ann-Christine Jansson | Anzeigen:Jan Kniggendorftaz.die tageszeitung taz Verlags- und Vertriebs GmbH | Rudi-Dutschke-Straße 23 | 10969 Berlin | V.i.S.d.P.: Ines Pohl

    BIOFACH &VIVANESS

    ANZEIGE

    land die wichtigsten Exporteurefür den deutschenMarkt.

    Angeblich ist das alles ebenauch „bio“. Was aber bedeutetdas? Kann man dem asiatischenBiobetrieb in gleichem MaßevertrauenwiedemBiobauern imNachbardorf? Allein in Deutsch-land konkurriert bereits eine un-übersichtliche Vielzahl von über100 Biosiegeln. So prangt aufrund 66.000 Produkten dassechseckige staatliche Biosiegel,seit 2010 gibt es auch noch dasEU-Biologo, es zeigt zwölf Sternein Form eines Blatts auf grünemGrund. Dazu kommen die Siegelder Bioverbände, deren Mitglie-der meist noch strengere Aufla-gen erfüllenmüssen.

    Schaut man über die GrenzenEuropas hinaus, wird man mitvöllig unbekannten Abkürzun-genund Labeln konfrontiert: US-DA Organic heißt das staatlicheSiegel in den USA, in Japan JAS.„Verbraucher müssen diese Sie-

    gel nicht kennen“, beruhigt PeterRöhrig, stellvertretender Ge-schäftsführer beim Bund Ökolo-gische Lebensmittelwirtschafte.V. (BÖLW). „Alle Biolebensmit-tel, die in die EU importiert wer-den, müssen die Anforderungendes EU-Siegels erfüllen.“ Diese

    aufProduktemitdenSiegelnvonVerbänden wie Demeter oderBioland zurückgreifen.

    Die Kontrolle beim ausländi-schenProduzentenobliegt legiti-mierten Zertifizierungsstellen.Dass diese Kontrollen nicht per-fekt sind, zeigte sich Ende 2011 in

    Eine Frage der QualitätGLOBALISIERUNG Biolebensmittel kommen aus aller Welt. Für Käufer stellt sich die Frage: Anwelchen Kriterien werden die Produkte gemessen und wer garantiert deren Einhaltung?

    VON MIRKO HEINEMANN

    Die Äpfel kommen aus Neusee-land, die Sonnenblumenkerneaus China, der Weizen aus Ka-sachstan. Türkische Linsen, bul-garische Gurken und ägyptischeKartoffeln liegen inzwischen inden Regalen der Biosupermärk-te. Immer mehr LebensmittelausökologischemAnbauwerdenimportiert. Die meisten stam-men aus europäischen Nachbar-ländern. SokommtetwaeinDrit-tel der Biomilch aus Dänemarkund Österreich, rund ein Fünfteldes Bioschweinefleischs aus denNiederlanden, Österreich, Däne-mark und Italien. Soja wird etwaaus Kasachstan, Argentinien, In-dien und Brasilien importiert.Biokartoffeln stammen vorwie-gend aus Israel, Ägypten undÖs-terreich. Aus Deutschland stam-mennurdieHälfteallerBioäpfel,neben Italien und Österreichsind Argentinien und Neusee-

    Betrüger offenbar auch von-seiten der Zertifizierungsstelle,ein Regionaldirektor wurde ver-haftet.

    „Die Überwachung der Kon-trollstellen gehört zu den wich-tigsten Bestandteilen des Sys-tems“, so Stephan Dabbert vonder Universität Hohenheim. DerWissenschaftler hatte im Rah-men eines Forschungsprojektsimvergangenen Jahr die europä-ischen Kontrollmechanismenanalysiert und einen Sechs-Punkte-Plan zur Verbesserungerstellt. Darinmahnt er eine ein-heitliche Überwachung der Kon-trollstellen an, mehr Transpa-renz und eine bessereAkzeptanzdesÖkosiegels der EuropäischenUnion: „Die GemeinschaftbrauchteineuropäischesForum,in demsie sich regelmäßig darü-ber austauschenkann,wiegenauimDetail dieÖkokontrollverord-nungen umgesetzt wurden“,meint Dabbert.Wichtig seien au-ßerdem bessere Informationenüber die Anforderungen desKontrollsystems für Ökounter-nehmer. Dies betreffe insbeson-dere die neuenMitgliedstaaten.

    Stellt sich die Frage, ob die zu-nehmenden Importe der Ideevon biologischer Landwirtschaft

    nicht entgegenstehen, die gernmit kurzen Vertriebswegen undregionalen Produkten wirbt, umdie Umwelt zu schonen. Das Pro-blem: Selbst wenn die Verbrau-cher es wünschten – die heimi-scheBiobranchekönntedie starksteigende Nachfrage derzeit garnicht befriedigen. „Das liegt vorallemdaran, dassdieRahmenbe-dingungen für die Bioproduk-tion schwieriger geworden sind.Biogasanlagenwerden zurzeit sostark bezuschusst, dass sie dieBiobauern beimWettbewerb umAckerflächen ausstechen. Und ineinigen Bundesländern wurdedieÖkoförderunggedrosselt“, er-läutert Peter Röhrig vom BÖLW.Zahlreiche Biowaren müsstendaherbereits importiertwerden.

    Für die Zukunft wird der Im-port noch wichtiger werden. ImJahr 2015 soll die derzeitige Rege-lung auslaufen, dass bei der Füt-terungvonBioschweinenundBi-ogeflügel nach EG-Ökoverord-nung noch bis zu 5 Prozent kon-ventionelle Eiweißkomponen-ten erlaubt sind. Danach sollendie Tiere zu 100 Prozentmit Bio-futter versorgtwerden.BisdahinerwartetderBÖLW,dassmehrLe-guminosen, die als Futter einge-setztwerden, importiertwerden.

    Alles bio & Bauern in Bildern

    Vom 13. bis zum 16. Februar fin-det in Nürnberg die Doppelmes-se Biofach & Vivaness statt, diesich selbst als „Weltleitmesse fürBioprodukte“ bezeichnet. Hierkommen rund 2.400 Ausstellerund 40.000 Besucher zusam-men. Die Veranstaltung ist einguter Anlass, den Blick auf eineBranche zu werfen, die weltweitbeachtliche Wachstumszahlenvorweisen kann und ungebro-chen an Bedeutung gewinnt.

    Die vier Sonderseiten zumThema Biofach & Vivaness sindmit einer Fotoserie bebildert, diejunge US-Amerikaner zeigt:Menschen, die alsÖkobauern ak-tiv geworden sind. Viele ehema-lige Studenten wollenmit ihremEngagement auf demLandeinenalternativenLebensstil praktizie-ren: Nachhaltige Landwirtschaftals besserer Weg im Vergleich zu

    herkömmlichen Betrieben istihr zentrales Motiv.

    Zahlreiche US-Farmen sindin den vergangenen Jahren ineine wirtschaftliche Krise ge-raten. Mit ökologischem Ehr-geiz soll auch diese ökonomi-scheMisereüberwundenwer-den. Darüber hinaus wollendie jungen Idealisten aberauch persönlich einen neuenSchritt wagen: zurück zur Na-tur.

    Aliza Eliazarov, freiberufli-che Dokumentar- und Presse-fotografin mit Hauptsitz inNew York (Brooklyn), hat dieVertreter dieser neuen Gene-ration von Ökobauern be-sucht und porträtiert. Ihre Fo-tos wurden bereits internatio-nal ausgestellt.ALLE FOTOS: ALIZA ELIAZAROV/

    REDUX/LAIF

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    entsprechen denen des staatli-chen deutschen Siegels. So dür-fen Lebensmittel auch nach EU-Verordnung immerhin 0,9 Pro-zent gentechnisch verändertesMaterial enthalten. 95 Prozentder Inhaltsstoffe müssen ausökologischem Anbau kommen.Wer es strenger habenwill, muss

    Italien. Dort hatten Kriminelle700.000 Tonnen konventionelleLebensmittelkurzerhandalsBio-produkte deklariert. Mehl, Sojaund Trockenfrüchte imWert von220 Millionen Euro wurden inmehrere europäische Länderverkauft, auch nach Deutsch-land. Unterstützung hatten die

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  • II MITTWOCH, 13. FEBRUAR 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG taz.thema | BIOFACH & VIVANESS

    Aufbau Ost

    VON OLE SCHULZ

    Rumänien verfügt bis heuteüber eine der größten landwirt-schaftlichen Nutzflächen Euro-pas und verzeichnet seit demEintritt in die EU 2007 hoheWachstumsraten im Agrarsek-tor.Das gilt auch fürdenökologi-schen Landbau, weshalb Rumä-nien auf der diesjährigen Bio-fach-Messe als „Land des Jahres“präsentiert wird.

    Der ökologische Landbau inRumänienhatnachAngabendesBranchenverbands Asociatia BioRomania in jüngster Vergangen-heit extrem zugelegt. Demnachist die ökologisch bewirtschafte-te Fläche in Rumänien in zehnJahren um mehr als das Acht-fache auf heute über 250.000Hektar angewachsen. Produziertwird dabei vor allem für den Ex-port: Laut Asociatia Bio Romaniawurde 2011 Bioware imWert vonetwa 200 Millionen Euro ausge-führt, 2010 sollen es erst rund100 Millionen gewesen sein. Al-lerdings kommt ein von EkoCon-nect verfasster Länderreport Ru-mänien aus demVorjahr zu demSchluss, dass genaue Werteschwer zu ermitteln seien. Lautder gemeinnützigen Organisati-on, die den Wissensaustausch inWest- und Osteuropa auf demGebiet des ökologischen Land-baus fördert, werden „die tat-sächlich ins Ausland verkauftenBiomengennichtzentralerfasst“.

    Beste Voraussetzungen

    Wenn auch keine exakten Werteüber die Bio-Exporterlöse vorlie-gen: Rumänien hat „hervorra-gende geografische Vorausset-zungen für den Ökolandbau“,sagt Stefan Simon.Der Fachbera-ter vonNaturland hat seineMas-terarbeit über den ökologischenLandbau in Rumänien geschrie-ben und dafür mehrere Monateim Land verbracht. Die naturbe-lassenen Regionen der Karpatenund der Bukowina böten etwagute Bedingungen für die Her-stellung von Biohonig und Kräu-tern aus der Wildsammlung, soSimon, während die fruchtbarenSchwarzerdeböden südlich derKarpaten für Qualitätsweizen,Sonnenblumen, Mais und Sojageeignet seien.

    Die Chancen, die sich dabeifür den ökologischen Landbauergeben, haben inzwischen auchausländischeFirmenerkannt. Zuden Vorreitern zählt das öster-reichische Unternehmen Son-nentor, das bereits vor Rumä-niens EU-Eintritt im Land tätigwurde. „DasReservoirunberühr-

    ter Landstriche in Siebenbürgenund Transsylvanien ist einTraum“, sagt JohannesGutmann,Sonnentor-Gründer und -Ge-schäftsführer. Sonnentor gibtseit 2006 vor Ort rund 100Men-schenArbeit, welche unter ande-rem biozertifizierte Wildbeeren,Ringelblumen, Sanddorn undDuftrosen für die Sonnentor-Tees anbauen. Im letzten Jahrhatder rumänische Unternehmens-zweig knapp 300.000 Euro um-gesetzt – ohne jegliche Förde-rungvonseitenderrumänischenRegierung. Laut Gutmann hatman das auch erst gar nicht ver-sucht, denn es würden nur sol-che ausländische Investoren, dieMillionen mitbringen, „ordent-lich gefördert“. An kleineren Pro-jekten, wie dem von Sonnentor,bestünde seitens der rumäni-schenBehördendagegennurwe-nig Interesse.

    Zu wenige Fachkräfte

    Auch Stefan Simon kritisiert,dass notwendige Strukturen fürdie langfristige Entwicklung desökologischenLandbaus inRumä-nien noch nicht geschaffen wor-den seien: Einerseits fehle so-wohl an fachlicher Ausbildungals auch an moderner Ausstat-tung der Bauern, andererseitswürden die EU-Fördergelderzum Teil nicht ankommen. Eko-Connect betont ebenfalls die He-rausforderungen: So erschwer-ten ungeklärte Eigentumsver-hältnisse oft die Beantragungvon EU-Unterstützung. Außer-dem gebe es einen „klaren Man-gel an verarbeitenden Betrie-ben“. Und gerade Kleinstbetrie-be, die insbesondere indenBerg-regionen Rumäniens noch weitverbreitet sind, könnten sich diekostspielige Ökozertifizierungkaum leisten.

    Immerhin gibt es Anzeichenfür eine Verbesserung der Rah-menbedingungen: So wird seit2010 eine Umstellungsförde-rung für den ökologischen Land-baugezahlt,undseit2011bekom-men die Landwirte auch wiedereine Förderung für die Beibehal-tung der Bioproduktion. In derFolge verdreifachte sich alleinzwischen 2010 und 2011 die Zahlzertifizierter Biobetriebe aufüber 9.800.

    Weil die Nachfrage aus demAusland nach Biorohstoffen ausRumänien weiter hoch ist unddas Angebot bei Weitem über-steigt, ist von einem weiterenWachstum des ökologischenLandbaus auszugehen. Zudemverfügt in der EU kein Land überähnlich großeReservennicht ge-nutzten Ackerlandswie Rumäni-en – laut Eurostat lagen diese2009 bei fast einerMillion Hekt-ar. Damit die rumänischen Öko-bauern mehr an der Wertschöp-fung beteiligt werden, ist es lautStefan Simon nun vor allemwichtig, „dass mehr biologischerzeugte Rohwaren im Land ver-arbeitet werden“.

    RUMÄNIEN Das Land desJahres der Biofach 2013legt stark zu:Die ökologischbewirtschaftete Flächehat sich in zehn Jahrenmehr als verachtfacht

    aller Kunden gewesen, wird zi-tiert, und das seien nur halb sovielewie Supermarktkunden all-gemein. Eine peinliche Posse ausder Kategorie „Statistiken, dieman gern fälschen würde“.

    Die Zufriedenheit mit den Bi-osupermarktkunden ist also re-lativ hoch. Entsprechend ist eswenig verwunderlich, dass sichdie gesamte Ökobranche weiterwächst, wenngleich auf niedri-gemNiveau.Nacheinigen JahrenmiteherverhaltenemWachstumkonnte die Branche 2011 wiederstärker zulegen. In Deutschland,europaweit Spitzenreiter in Sa-chen Bio, stieg laut Bund Ökolo-gischer Lebensmittelwirtschaft(BÖLW) der Umsatz von Bionah-rungsmitteln um 9 Prozent auf6,6MilliardenEuro,derBioanteilam Lebensmittelmarkt beträgtdamit 3,7 Prozent. Die Daten für2012 wird der BÖLW zur Biofach-Messe bekanntgeben. Die Num-mer zwei auf dem Biosektor inEuropa ist Frankreich. Dort wur-den 2011 rund 4 Milliarden EuroUmsatzmitBiolebensmittelnge-macht, ein Zuwachs von 11 Pro-zent. Ein Rekordwachstum von

    17 ProzentverzeichnetendieNie-derlande,dieUSA8Prozent.2010gaben die US-Amerikaner rund20,15 Milliarden Euro für Biole-bensmittel aus – und damit erst-mals mehr als die Europäer.

    In Deutschland überstieg dieAnbaufläche für den Ökoland-bau im Jahr 2011 erstmals dieSchwelle von einer Million Hekt-ar. Laut Erhebung der Agrar-markt Informationsgesellschaft

    AMI und MEG (Marktinfo Eier &Geflügel) legten sie 6,8 Prozentder deutschen Eier. Im Verhält-nis dazu legte der Absatz von Bi-ohähnchen als Schlachtgeflügelnur um 0,8 Prozent im zu, daswaren insgesamt580.000Hähn-chen. Nach Ansicht der AMI liegtdie Ursache in den „hohenPreisaufschlägen gegenüber derkonventionellen Variante“, diesich beim Verbraucher nichtdurchsetzen lassen. Bei Biorind-fleisch lag der Anteil indes bei3,6 Prozent, bei den -schweinenist die Nachfrage deutlich höherals das Angebot. Weil Zuchtbe-triebe für die Ferkelproduktionfehlen, sind die Bioschweinebe-stände 2011 nur leicht auf122.000Tieregestiegen. 250.000Bioschweine dürften inDeutsch-land geschlachtet worden sein,0,7 Prozent der gesamtenSchweine in Deutschland.

    Die Zahlen machen klar, dassvon einemBoom in der Biobran-che derzeit nicht die Rede seinkann. Offenbar favorisieren dieVerbrauchernachwievorgünsti-geAngebote.VoralleminSachenFleisch ist der Preis offenbar im-mer noch das schlagende Argu-ment. Auch die politischen Rah-menbedingungen sind schwieri-ger geworden. Die Fördergelderfür die Umstellung auf ökologi-sche Landwirtschaft sind gesun-ken, wie eine Studie der Univer-sität Bonn ergab – im Vergleichzu den Jahren 2004 bis 2009 imBundesdurchschnitt um rund11 Prozent. Verbände beklagenaußerdem den Wettbewerb umAckerflächen, der sich im Zugeder Förderung von Biogasanla-gen verschärft habe.

    Der Ökomarkt in ZahlenÖKONOMIE Bio boomt. Doch die politischen Rahmenbedingungen werden schwieriger.So sind etwa die Fördergelder für die Umstellung auf Ökolandwirtschaft gesunken

    US-Amerikaner gebenfür Biolebensmittelerstmals mehr Geldaus als Europäer

    VON MIRKO HEINEMANN

    Bio oder nicht bio? Wie sehr dasThemaheute noch für politischeZwecke instrumentalisiert wird,zeigte jüngst wieder die Bericht-erstattung über eine Lebensmit-tel-Umfrage. Kurz vor der Berli-ner Lebensmittelmesse GrüneWochehattedasBundesagrarmi-nisterium Infratest Dimap be-auftragt, herauszufinden, ob dieDeutschenmit ihren Lebensmit-telnzufriedensind.Sindsie, fandInfratest heraus, über90Prozentlobten die Vielfalt und die Qua-lität der Nahrungsmittel inDeutschland. Auch das ThemaBiolebensmittel kam zur Spra-che, 52ProzentderBefragten lob-ten die Qualität in Bioläden. EinSpringer-Redakteur machte dar-aus die Überschrift: „Nur jederZweitemitQualität vonBiolädenzufrieden“. So stand es in derBer-liner Morgenpost. Dabei betonteder Verfasser der Agenturmel-dung, dass sich über ein Drittelder befragten Verbraucher garkeine Meinung bilden konnten.„Unzufrieden“ mit der Qualitätin Bioläden seien nur 10 Prozent

    AMI stieg dabei die Anzahl derBetriebe, die Ökolandbau betrei-ben,umrund500auf22.506undmachen damit 7,5 Prozent allerLandwirtschaftsbetriebe aus.Mitder hohen Nachfrage nach Bio-milch sind mehr Biobetriebe indie Biomilchproduktion einge-stiegen, die Zahl der Milchkühehat sich auf 139.000 Stück er-höht. Die Biomilchanlieferunghat sich im Jahr 2011um10,4Pro-zent erhöht, so dass 2,2 Prozentder gesamten Milch von Biobe-trieben stammten.

    Vor allem in der Eierproduk-tion gab es deutliche Zuwächse.Wegen der hohen Nachfragewurden in großem Stil Biolege-hennenställe gebaut, 2011 gab es2,9 Millionen Biolegehennen –ein Viertel mehr als im Jahr zu-vor. Danach wurden 7,3 ProzentderHennen inDeutschlandnachBiorichtlinien gehalten. Laut ge-meinsamer Auswertung von

    Mike Hvizda undRyan Ferdinand mitSchweinen in Freilandhaltung

    ARCHE NaturprodukteBernstorffstraße 1

    Tegel • 13504 Berlin

  • MITTWOCH, 13. FEBRUAR 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG IIItaz.thema | BIOFACH & VIVANESS

    VON KNUT HENKEL

    „Frutas Marinas del Mar“ stehtauf dem großen Schild am Stra-ßenrand ein paarKilometer süd-lich vom Strandbad Jaco. „Hierwird heute geerntet“ erklärt Re-né Diers und deutet auf dieSchleuse, wo ein kleiner Kranwa-gen mit einem Netz steht. In einpaar Minuten wird das Wasseraus dem fünf bis sechs Hektargroßen Teich abgelassen. MitdemNass werden einige TonnenGarnelen in das Netz gespült.„Alle sechsMonate lassenwir dieTeiche trockenlaufen“, schildertDiers das Vorgehen. Der sport-lich wirkende Mann von Endedreißig ist der Manager von Cos-ta Ricas modernster Garnelenfa-brikundkoordiniert seiteinpaarMonaten auch die Arbeit bei Fru-tas Marinas del Mar.

    Die Farmmit rundvierzig Tei-chen auf 180 Hektar Fläche ge-hört zu den größten Garnelen-Farmen Costa Ricas. Weit im Sü-den der Pazifikküste Costa Ricashat sich das Unternehmen ange-siedelt. Vor sieben Jahren ist dasUnternehmen von Naturlandzertifiziert worden und gehörtseitdem zu den großen Lieferan-ten der Ristic AG aus Oberferrie-denbeiNürnberg. Für dasUnter-

    nehmen ist René Diers vor Ortund kontrolliert nicht nur Quali-tät und Gewicht der Meeres-früchte, sondernnimmt auch re-gelmäßig die Produktionsbedin-gungen bei den Ristic-Lieferan-ten in dem kleinen mittelameri-kanischen Land in Augenschein.

    Ein Mitarbeiter der Garnelen-Farm reicht Diers einen Kescher,in dem sichmehrere der kleinenKrustentiere winden, hoch-schnellen und von den Maschenschließlich gehalten werden.Zwischen sieben und achtGramm schwer sind die Exemp-lare, schätzt der Fachmann undinsgesamtrechnenDiersunddieAngestelltenderFarmmiteinemFang von rund fünf Tonnen.

    Zwei Zyklen gibt es bei derGarnelenzucht in Costa Rica. ImFebruar/März und im Juli/Au-gust werden die Larven ausge-setzt und dann auf ihr Erntege-wicht aufgepäppelt – ganz ohne

    weis auf das langfristige Engage-ment ist es auch. Ein Übriges tundie guten Erfahrungen der loka-len Farmer, die den Franken eingutes Zeugnis ausstellen.

    Die Perspektiven sind da,doch die Farmer sind teilweisenoch recht zögerlich. Umstel-lung und Zertifizierung kostenGeld, und auch die Ristic AGmusste sichbei der Investition indie Fabrik und den Aufbau desGeschäfts in Costa Rica Unter-stützungholen.RunddreiMillio-nen US-Dollar wurden schließ-lich investiert. Über ein PublicPrivate Partnership holte mansich Expertise und günstige Kre-ditkonditionen. Für die Experti-se sorgt dabei mit Ingo Wehrt-mann ein Friese, der an der Uni-versität von San José Meeresbio-logieunterrichtet. „Wirhabenda-mals mit dem Wildfang begon-nenunddie Scherbretter neu ge-staltet“, erinnert sich derWissen-schaftler. Die Scherbretter, diemit dem Netz über den Meeres-

    Krustentiere? Aber korrekt!COSTA RICA Drei von vier Garnelen, die hierherkommen, wurden ökologisch gezüchtet undverarbeitet. Eine deutsche Firma ist seit 2002 vor Ort aktiv und hat eine Fabrik aufgebaut

    Mangrovenwälderwerden für dieLarvenzucht nichtumgepflügt

    Medikamente und ohne dieMangrovenwälder umzupflügenwie in anderen Regionen. „Dergroße Unterschied zur konventi-onellen Produktion ist die deut-lich niedrigere Besatzquote“, er-klärt Diers, der heutemit Micha-el Struffert aus der Zentrale vorOrt ist. StrufferthatdieProdukti-on in Costa Rica aufgebaut unddie Vision einer nachhaltigen,den Bestand erhaltenden Garne-lenfischerei in Mittelamerikaseit 2002 realisiert.

    Die Keimzelle war der Fangvonwildlebenden Krustentierenan der Pazifikküste rund umPuntarenas. Dort in der Freihan-delszone steht auchdiemoderneFabrik, überder indickenLettern„Rainbow Export Ristic“ steht.Seit 2006 steht das schmuckeweiße Gebäude hier, wo je nachBedarf zwischen siebzig und ein-hundertfünfzigArbeiternandenSortier-undSchältischenstehen.„Tendenziell können wir bis zuvierhundert Leute anstellen“, er-klärt Struffert, der von vornher-ein so geplant hat, dass die Pro-duktion langsam ausgeweitetwerden kann. Das ist der Fall.

    Zwischen 2010 und 2012 wur-de die Erntemenge von knapp600 auf 1.200 Tonnen verdop-pelt. Davon gehen 80 Prozent anden Stammsitz. Von dortwerdendie Ristic-Garnelen in Deutsch-land und Europa an Discounterund Supermärkte vertrieben.DerRestbleibt inderRegionoderwird in die USA exportiert. Dortfasste die Ristic AG mit den Bio-garnelen aus Costa Rica in denletzten beiden Jahren Fuß.

    Die Nachfrage ist da. Derzeitlaufen die Verhandlungen mitder letzten großen Farm in CostaRica, die Produktion auf Bio um-zustellen. Dann würden nichtmehr drei von vier Gambas ausCosta Rica nach Biokriterien pro-duziert, sondern jede einzelne.Das ist das Ziel von Struffert, dermit der Entwicklung sehr zufrie-den ist und den Garnelen-Far-mern auch bei der Umstellunghilft. Dabei geht der Blick auchüber die Grenzen des Landes hi-naus, denn in Nicaragua, Ecu-ador oder Honduras werden dieKrustentiere ebenfalls gezüch-tet, wenn auch konventionell.Grund genug für Struffert undDiers, in der Region zu reisen,Kontakte zu anderen Farmenaufzubauen und ihr alternativesModell vorzustellen.

    Feste Abnahmepreise und eingarantierter Absatz sind dabeigute Argumente, und der Ver-

    Ausgezeichnete Flaschen:Bioweine auf der Biofach

    Das Jahr 2012wirdwohl als gutesWeinjahr in die Erinnerung ein-gehen. Die Erwartungen vonWinzern, Händlern und Kundenan den neuen Jahrgang sind je-denfalls groß. Knapp 200 Aus-steller, darunter viele Winzerund Winzergenossenschaften,werdenaufder kommendenBio-fach die Früchte ihrer Arbeit insGlas füllen.

    Bereits im Dezember hat eineExpertenjuryaus 14Weinbaulän-dern rund 600 Bioweine für deninternationalen Preis „MundusVini Biofach“ verkostet und aninsgesamt 240 Weine Medaillenverliehen. Die Bewertungskrite-rien der 300 Juroren entspra-chendenVorgabendes Internati-onalen Önologen-Verbandes:Insgesamt bis zu 100 Punkte gabes für Aussehen, Geruch undGe-schmacksowie fürdieHarmonieund den Gesamteindruck. Auchin diesem Jahr liegt Frankreichmit 61 Auszeichnungen an derSpitze, deutsche Bioweine konn-ten die Jury immerhin 50-malüberzeugen, gefolgt von Spanienmit 42 Medaillen.

    Ziel der „Mundus Vini“-Wein-preisverleihung seit 2001 istnicht nur, die Winzer, Importeu-re und Fachhändler zusammen-

    landhat sich innerhalb von zehnJahrenmehr als verdoppelt. Undunter denBioweinbauern findensich auch immer mehr Spitzen-winzer.

    Solche wie Heiner Sauer ausBöchingen. Er wurde auf der„Mundus Vini“ im vergangenenJahr für seinen„SchäwerRieslingSpätlese 2011“ ausgezeichnet.1987 war Sauer einer der ersten,die am Rand des Pfälzer Waldesauf ökologischen Weinbau setz-ten, und er kennt die Tiefen undHöhen der Biobranche. Der Um-weltschutzgedanke sei nicht dereinzige Vorteil, den der naturge-mäße Umgang mit dem Bodenhat, sagt Sauer: „Die gerne malgeführte Diskussion über dasTerroir, das man beimWein her-ausschmecken kann, ergibt nurdann einen Sinn, wennman Bio-wein anbaut. Denn alles, was ichbei den Pflanzen anDünger oderPestiziden zufüge, verändertauch die Beschaffenheit des Bo-dens. Und somit den Ge-schmack.“ Für die Winzer selbsthabe die Umstellung auch öko-nomische Vorteile, so Sauer, des-

    MUNDUS VINI EineExpertenjury aus 14Weinbauländern hatrund 600 Bioweine fürden internationalenPreis „Mundus ViniBiofach“ verkostet undan insgesamt 240WeineMedaillen verliehen.Im Einzelhandel hinkendie Verkaufszahlendem übrigen Bioboomhinterher

    zubringen, sondern auch denUmsatz beim Bioweinverkauf zufördern. Denn gerade im Einzel-handel hinken dessen Verkaufs-zahlen dem übrigen Bioboomhinterher. InDeutschlandwuchs2011 derGesamtumsatz anBiole-bensmitteln, so der Bund Ökolo-gische Lebensmittelwirtschaft,um 9 Prozent im Vergleich zumVorjahr und lag bei insgesamt6,59 Milliarden Euro. Das ent-spricht einem Marktanteil von3,7 Prozent. Bioweine beanspru-chen bisher nur rund 2,5 Prozentdes gesamten Weinumsatzes inDeutschland. Doch die deut-schen Biowinzer sind verhaltenoptimistisch, 5 Prozent der Ge-samtrebfläche werden inzwi-schen biologisch bewirtschaftet.Der Bioweinanbau in Deutsch-

    Der Bioweinanbau inDeutschland hat sichinnerhalb von zehnJahrenmehr alsverdoppelt. Unter denBioweinbauernfinden sich immermehr Spitzenwinzer

    sen Weine in ganz Europa ge-schätzt werden. Doch die Arbeitim ökologischen Weinberg istzeitintensiver: „Ich muss näherdran sein amWeinstock und denWingert immer gut beobachten.Denn ich kann ja nicht, wennplötzlich irgendetwas schief-geht, mal schnell die chemischeKeule einsetzen.“ Und noch etwahat Heiner Sauer im Lauf derschwierigen Jahre als Biowinzergelernt: „Wir setzen auch beimAusbau auf defensive Kellerwirt-schaft, das heißt, wir lassen denWein weitgehend in Ruhe.“ Soentstehen regionaltypische, sehrgeschmacksdifferenzierte Trop-fen.

    ImmermehrWeintrinkerwis-sen dies auch zu würdigen. Seitdem Jahrgang 2012 hilft ihnenbei der Auswahl auch das neueeuropäische „Biowein-Siegel“,das dasDurcheinander verschie-dener Ökolabels und Etikettie-rungen beenden soll. BesondereVerbandslabel wie „Ecovin“ oder„Naturland“ können aberweiter-hin zusätzlich verwendet wer-den.

    Ein schlichter Blick in die Su-permarktregale zeigt, dass diewachsende Nachfrage nach Bioauch hier zu einer Veränderungdes Sortiments geführt hat.

    Laut einer Sprecherinder Ten-gelmann-Gruppe, zu der Kaiser’sgehört, liege der Anteil der Bio-weine in den Hauptstadtfilialenbei über 30 verschiedenen Sor-ten, das entspräche einemAnteilvonknapp10Prozentdesgesam-tenWeinangebots. Vor allem Fla-schen aus Spanien, Frankreich,Italien und Deutschland verkau-fen sich gut, die Preislagen derBioweine im Supermarktregalliegen eher immittleren Bereichzwischen 5 und 10 Euro, aberauch teurere Tropfen werden in-zwischen gerne gekauft.

    MICHAEL PÖPPL

    Alle von „Mundus Vini“ ausge-zeichneten Weine unter:www.meiningers-weinsuche.com

    grund gezogen werden, wurdenneu konzipiert, um die Schädenauf dem Meeresgrund zu mini-mieren. Mit den neuen Brettern,deutlich leichter und mit Rollenversehen, sank dann auch nochganz nebenbei der Dieselver-brauch.

    Doch die Fangquoten gingenzurück,wofür es bisher nochkei-ne schlüssige Erklärung gibt, sodass das Gros der Produktionheute aus der Zucht wie FrutasMarinas del Mar kommt. Dorthaben dieMitarbeiter gerade dieletztenGarnelenausdemNetz ineisgekühltes Wasser gleiten las-sen. Bis zum Abend sollen ausden fünf Tonnen Frischware dreiTonnen geschälte Biogarnelenwerden. Die gehen dann nachtsim Kühlcontainer auf die Reisezum Atlantikhafen Limón undvon dort direkt nach Europa.„Nachschub für den deutschenMarkt“ schmunzelt Struffertundsteigt in den Wagen, der Diersund ihnzurückzurFabrikbringt.

    Mike Hvizda und Ryan Ferdi-nand vor ihrem Haus auf der

    Phenix-Hill-Farm in Bosca-wen, New Hampshire

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  • IV MITTWOCH, 13. FEBRUAR 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG taz.thema | BIOFACH & VIVANESS

    takt nach Antigua herzustellen.Der geschäftige Busbahnhof vonAntigua liegt hinter dem unü-bersichtlichenMarkt. Der Unter-grund ist je nach Jahreszeit stau-big oder schlammig. Imposanterhebt sich im Hintergrund derVulkan Agua. Doch Elena hatheute keinen Blick für Natur-schönheiten. Der Bus hatte malwieder Verspätung und zweiKundinnen warten bereits aufsie, wie sie per Handy erfahrenhat. Schnell lädt sie ihre Körbe inein dreirädriges Tuc-Tuc, das siein wenigen Minuten auf demholprigen Kopfsteinpflaster zuFernandos Kaffee bringt, einemCafé, das neben seinem gutenKaffee auch für seine hausge-machte Schokolade bekannt ist.

    Hastig bereitet Elena ihre Wa-re im Innenhof des Cafés auf ei-nem buntgestreiften Stofftuchaus. „Einige Ausländerwaren amdirekten Kauf von Bioware inter-essiert“, erzählt sie, während sieeinen Bastkorb mit Möhren,Mangold und Radieschen füllt.„Gemeinsam planten wir, wel-che Produkte sie benötigten.“Nach und nach kommen alleStammkunden Elenas im Café

    schwarzen Bohnen gesichert ist,kommt die Familie einigerma-ßen über die Runden.

    Elena ist geschafft. Gegen 12Uhr 30 packt sie Kisten und Kör-be müde, aber zufrieden zusam-men. Bevor sie zu Hause an-kommt, hat sie noch eine zwei-stündige Busfahrt vor sich. Dochfragt man sie nach den Perspek-tiven ihres Geschäfts, ist sie wie-der hellwach und antwortet miteinem fröhlichen Blitzen in denAugen: „Ich hoffe, dass ich in ei-nigen Monaten den Absatz vonacht auf 15 Körbe wöchentlichsteigern kann. Außerdem liefereich inzwischen jeden Montagzehn Tüten Spinat, zehn TütenBrokkoli und fünf Tüten Man-gold an einen Bioladen in derHauptstadt.“ Auch auf dem neu-en monatlichen Biomarkt in derHauptstadt möchte sie präsentsein–nichtnurumzuverkaufen,sondern auch um Kontakte zuknüpfen. Wenn das Geld reicht,wird sie sich einen Computerkaufen. „Damit könnte ich Be-stellungen besser abwickeln“, sodie 47-Jährige.

    Die Tatsache, dass sie dieFruchtbarkeit ihrerBödenerhält,sich und ihre Familie gesund er-nährt und ihren Kunden saube-res Gemüse anbieten kann, stellteine große Befriedigung für dieselbstständige Indígenadar. „Fürmich ist die Natur sehr wichtig,denn sie gibt uns Nahrung, alsomuss ich auch meinen Teil dazubeisteuern, damit es so bleibt.“Und sie fügt hinzu: „Was ich ma-che, hat weltweit gesehen viel-leicht nur geringe Bedeutung,aber ich leiste meinen Beitrag.“

    Mit Vitamin B,ohne ChemieGUATEMALA EineindianischeKleinbäuerin steigtindieBioproduktionein. Ohne guteKontaktewürde sichdas kaum rechnen

    Biologisch zu produ-zieren ist eine Sache,die Ware loszuwerdeneine andere

    VON FRANK HERRMANN

    Samstag ist der anstrengendsteTag der Woche für Elena TujalCocón.ErbeginntbereitsumvierUhr morgens. Zum Frühstückgibt es schwarze Bohnen, Mais-fladen und dünnen, stark gesüß-ten Kaffee, den die Cakchiquel-Indianerin hastig herunter-schluckt. Denn kurz darauf heißtes Brokkoli, Spinat und Bohnenernten, waschen und verpacken.Möhren,Mangold, Kleinkürbisseund Radieschen hat die zierlicheIndígena bereits am Vortag ge-erntet. Ihr Gemüse stammt zu100 Prozent aus Bioproduktion –eine Ausnahme in Guatemala.UmachtUhr sitzt Elena in einemüberfüllten Chicken-Bus, die 18Monate alte Tochter Helen Izelauf dem Rücken und den 21-jäh-rigen Sohn Eduardo neben sich.Das wackelige Gefährt bringt dieFamilie von Patzún in das rundzwei Fahrtstunden entfernte An-tigua Guatemala. In demKoloni-alstädtchen, TouristenmagnetundUnesco-Weltkulturerbe, ver-kauft Elena ihr Biogemüse.

    Unterwegs erzählt sie, wie al-les begann: „Bis vorwenigen Jah-ren kannten wir nur wenige Ge-müsesorten, wie etwa Brokkolioder Erbsen, die wir mit Chemi-kalien besprühten.“ Vor siebenJahren besuchten Agraringeni-eure ihren Heimatort Patzún imHochland Guatemalas, etwa 100Kilometer westlich von Guate-mala-Stadt. Sie zeigten denDorf-bewohnern, welche Gemüsesor-tenfürBioanbaugeeignetwaren.Anfänglich waren mehrere Fa-milien an dem Projekt beteiligt,zumSchluss blieb aber nur Elenaübrig.Denn„bio“ zuproduzierenist eineSache, dieWare loszuwer-den eine andere. „Wir bekamenunser Gemüse einfach nicht ver-kauft in unserem Dorf“, erzähltElena, „Hier wird viel Gemüseangebaut, doch das Interesse anBio war nicht sehr groß.“ EinAustralier, der ihr Dorf auf derSuchenachBiogemüsebesuchte,half ihr schließlich, den Kon-

    Natürliche Sekundärtugenden

    Mehr als 180.000 Menschen ar-beiten inzwischen in der deut-schenBiobranche.DochvieleNa-tur-Pioniere, die vor 20 odermehr Jahren ihreFirmenundBe-triebe gründeten, sind in die Jah-regekommen–undmachensichGedanken über den anstehen-den Generationenwechsel. KeinWunder also, dass man sich aufder Nürnberger Biofach bereitszum dritten Mal dem ThemaNachwuchsförderung widmet:Neben einer Job- und Ausbil-dungsbörse gibt es 2013 erstmalsauch einen „Karrieretreff“, beidem Studenten und Berufsein-steiger undpotenzielle Arbeitge-ber unter den Ausstellern sichbeschnuppern können. „Wasliegt näher, als sich genau dortüber Chancen und Perspektivenzu informieren, wo einmal jähr-lich rund 2.400 Aussteller und40.000 Besucher zusammen-kommen?“, soUdo Funke, bei derBiofach zuständig für die Veran-staltungen.

    Es ist weniger die bewährteQualität der zertifizierten Bio-Produkte, der Lebensmittel, Na-turwaren und Textilien, die dieBiofach in diesem Jahr in denVordergrund rückt, zumal dievielen tausend präsentierten Er-zeugnisse an den vier Messeta-gen ohnehin die Hauptrolle beiden meisten Besuchern spielendürften. Stattdessen will dieNürnberger Messe 2013 neue

    Themen setzen – und die Sekun-därtugenden der Biobranche he-rausheben. Ein Beispiel: „Die Be-tonung des Regionalen wird fürdie Produzenten immer wichti-ger“,weißBiofach-Pressereferen-tin Barbara Böck. Sprich: Stattvon weit her importierter Ana-nas kommt häufiger wieder derApfel aus der Umgebung in dieSaft-Tüte – ein Ausdruck von

    BIOFACH & VIVANESS Die thematischen Schwerpunkte liegen in diesem Jahrauf „Soft Skills“: ideelle Werte, Vermarktung und Nachwuchsgewinnung

    kosmetik müssen heute offensi-ver denn je die Frage der Wirk-samkeit ihrer Produkte beant-worten. Soweiß ElfriedeDamba-cher vom Beratungsunterneh-men naturkosmetik konzepte:„Die Kundinnen werden immeranspruchsvoller und auch kriti-scher, sie tauschen ihre Erfah-rungen in sozialen NetzwerkenausunderwartenvoneinemPro-dukt sowohl einen emotionalenwie auch einen praktischen Nut-zen.“

    Biokosmetik ist längst in derMitte der Gesellschaft angekom-men und weist inzwischen fastdie gleiche Produktpalette aufwie der konventionelle Bereich,„und das in allen Preisklassen“,weiß Elfriede Dambacher. Inter-essantdabei:Gekauftwird längstnicht mehr nur im Reformhaus.Große Drogeriemärkte, die oh-nehin schon als wichtigster Ver-kaufskanal für natürliche Haut-cremes und Lotionen gelten,konnten auch im vergangenenJahr ihre Stellungweiter ausbau-en – auf nun etwa 40 ProzentMarktanteil. In Sachen Biokos-metik zählt Deutschland zu denwichtigsten Absatzmärktenweltweit. 2011 wurden rund 815Millionen Euro hierzulande um-gesetzt. „Tendenz weiter stei-gend“, so Dambacher, die die ak-tuellen Branchentrends auf derBiofach bekannt geben wird.

    CHRISTOPH RASCH

    Ein Förderpreissoll Biowirtschaftund Wissenschaftzusammenbringen

    Nachhaltigkeit ohne allzu gro-ßen CO2-Abdruck.

    Daneben will die Biofach sichweiter als Netzwerk-Plattformetablieren – und junge Wissen-schaftler fördern: Mit einemerstmals ausgeschriebenen For-schungspreis für Abschlussar-beiten, die sich mit der Bio-Le-bensmittelwirtschaft auseinan-dersetzen, sei es in technischer,ökologischer oder betriebswirt-schaftlicher Hinsicht. Der Preissoll die Zusammenarbeit der Bi-owirtschaftmitdeutschenHoch-schulen ausbauen helfen.

    Die „Soft Skills“ der Branchebetont auch die SchwestermesseVivaness: die Hersteller von Bio-

    vorbei. Die Atmosphäre ist re-laxt,man kennt sich. Elenas Käu-fer sind alle Ausländer, diemeis-ten leben längerfristig in Guate-mala. Es sind Deutsche, Hollän-der,Belgier, Japaner,Amerikanerund Kanadier. Sie kaufen jedeWochebei ihrproPersonfrischesBiogemüse imWertvon30bis60Quetzales, das sinddrei bis sechsEuro.

    Viel ist das nicht und wer dieKosten gegenrechnet, fragt sich,ob sich der ganze Aufwand fürdie agile indianischeKleinunter-nehmerin lohnt. Elena sieht dieganze Sache realistisch: „Ich ver-diene jeden Samstag etwa 100Quetzales. Mit den EinnahmenausdemBioverkaufkann ichbei-spielsweiseSeife, ZuckerundNu-deln kaufen. Aber zusätzlichauch noch die Stromrechnung,Medizin oderKleidung zubezah-len, dafür reicht es nicht.“ Dochda auch ihr Sohn und ihr Ehe-mann Geld verdienen und dieGrundversorgung mit Mais und

    J. B. und Alex Naufel mit Kindund Hund vor ihrem Wohn-

    wagen: Sie wollen mit nach-haltiger Landwirtschaft

    Alternativen vorleben