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Alles Tote Dose

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Alles tote Dose (FAKTOR FUNF 3. Niveaul )

Lr~ l© World copyright, Copenh~(Yen-1994, 1995, 1998, 2902,;_2Dll4 -f' r

by Forlaget ~aleidoscop!"i~leidosCop·c·Pi.ibTi'shers LW,

~DIVlSlOnotGyldendatEdiicat14)Ir, - 1 1 - ? 0 0 5 ~ ~/I).,0, Klareboderne . CD I (.. . _

DK 1001 Copenhagen K\ • .c-,")c, /

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-. -~0All rights reserved. No part 'bi this },ubli.cati.oft mav bereproduced without prior written p'erI11'i~sib~1 by tliecopyright owners. '.'

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ISBN: 87-00-17962-0

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der hal' indgaet aftale rued COPY-DAN og kun inclen fu r de

iaftalen nzevnte rammer.

© Copyright for Finland: 1'194,1995, 1998,2002,2004

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Mal og menning, Laugavegi 18, PO. Box 392, 121 Revkjavik

ISBN 9979-3-0712-'1

© Copyright for Sweden: 1994, 1995, 1998, 2002, 2()04

Bokforlaget Natur och Kultur, Box 27 323, 10254 Stockholm

ISBN: 91-27-63246-6

Als Begleitmaterialien sind Lehrerhandbuch und Kassetten

mit den Texten erhaltlich.

Die Bucher sind in drei Niveaustufen eingeteilt.

Niveau 1· Niveau 2.. Niveau 3 •••

Lars schlagt zu........................................ 5

Zuviel Mull in Luckstadt 7

Rainer mochte wie aIle sein 12

Eine Idee entsteht 16

Wo sind die leeren Dosen geblieben? 21

Eine Gegenaktion 29

Eine knappe Entscheidung 36

"Alles tote Dose" 40

BOGAZi<;i

uNivERSiTESi

KUTUPHANES i1 1 1 1 1 I I I I I I I I I I I 1 I I604511

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Lars schlagt zu

Vor dem "Goethe-Gymnasium" auf dem Schul-

hof ist viel los. Es ist Freitag und Pause. Alle

sind draufsen.

"Mensch, noch eine Stunde Physik. Dann ist

endlich Wochenende", sagt Lars aus der lOb zu

zwei anderen Jungen.

Lars ist sehr graB und kraftig. Er ist 16, aber

von weitem sieht er alter aus. Beim Blick in

sein Gesicht wirkt er noch ziemlich kindlich. Er

hat sehr runde Backen. Die Augen sind was-

serblau. Sein Kinn ist fast bartlos. Gerade holt

Lars drei Coladosen aus seiner Cowboyjacke.

"Wollt ihr auch 'ne Biichse?" fragt er. Die

Jungen nicken.

Zufallig kommt Anne in die Nahe der drei

Jungen. Anne ist 15 Jahre alt. Sie hat kuhle

blaue Augen und rate Locken. Sie hart, wie

eine Dose zischend geoffnet wird. Lars nimmt

einen langen Schluck.

"MiiBt ihr immer aus diesen bladen Buchsen

trinken?" fragt Anne. Sie fragt ziemlich aggres-

siv.

.Ach, die Oko-Tante muf mal wieder

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meckern." Lars guckt Anne herausfordernd an.

.Du mochtest wohl, daf alle Schuler in der

Pause brav ein Glas Milch trinken."

.Jch rede von Dosen, Lars, nicht vom Inhalt.

Trink doch soviel Cola, wie du mochtest.

Gesund ist das nicht."

Lars geht ein paar Schritte auf Anne zu. Sein

Gesicht ist ganz rot vor Wut. Er hebt seine

Fauste hoch.

.Du blade Oko-Tante, wiIlst du mir das

Colatrinken verbieten? Redest von Dosen, he?

Deine Dosen interessieren mich nicht!" schreit

er und boxt Anne mit seiner rechten Faust.

Anne kann ausweichen. Die Faust trifft sie

nur schwach. Sie schreit. Frank, einer der bei-

den anderen J ungen, halt Lars fest.

Frau Benz hat Pausenaufsicht. Sie nahert

sich, aber da klingelt es. Lars wendet sich ab,

trinkt seine Dose mit einem grofsen Schluck

leer und geht zum Schulgebaude. Anne steht

noch erschreckt da. Schlieislich geht auch sie

langsam ins Klassenzimmer.

6

u

Zuviel Mull inLuckstadt

Anne wartet nach Schulschluf auf ihre Freun-

din Katrin. Die geht in die lOa und hat heute in

der funften und sechsten Stunde Sport. Das

Duschen dauert etwas. Anne geht auf dem

Schulhof auf und abo Sie denkt uber das

Schimpfwort von Lars nacho Oko-Tante nennt

mich der Typ und schlag: zu. Wie soIl man so

einen uberzeugen, daf Dosen Mull sind? Anne

sieht in zwei offene AbfaIleimer auf dem

Schulhof. Typisch. Hier gibt es viele Schuler

wie Lars, denkt sie. Dosen, Dosen, Dosen, Alu-

folie und leere Verpackungen von SuiSigkeiten

sieht Anne in den Eimern.

"Hey Anne, wartest du schon lange?" ruft

munter Armes Freundin Katrin.

Anne dreht sich um und umarmt Katrin

kurz.

"Nee, ich warte noch nicht lange. Ich denke

gerade uber Mull nach."

Katrin ist fast einen Kopf graiSer als Anne.

Sie hat lange braune Haare, die sie oft zusarn-

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tt 

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menbindet. Ihr Gesicht ist schmal. Sie hat brau-

ne Augen und sieht freundlich aus. Aber jetzt

runzelt sie die Stirn.

"An Mull denkst du, aha. Ist dir die Phy-

sikstunde nicht bekommen?"

Die beiden Madchen verlassen den Schulhof.

Sie gehen die Ahornallee entlang.

"Mir geht es gut, Katrin. Nur der Umwelt

geht es nicht mehr gut. Cuck dir mal die Ab-

falleimer auf dem Schulhof an. Alles voll mit

leeren Verpackungen. Und die Abfallkorbe hier

bei uns in Luckstadt sind immer voll." Anne

erzahlt ihrer Freundin vom Streit mit Lars.

"Solche Typen wollen einfach nichts verstehen.

Dabei ersticken wir bald am Mull."

Katrin schuttelt den Kopf uber Lars. Sie

guckt nachdenklich.

"Du hast bestimmt recht, Anne. Ich habe

vergangene Woche eine Fernsehsendung uber

das Mullproblem in Deutschland gesehen. Es

gibt kaum noch Platz auf den Deponien, haben

die gesagt. Und die Menschen kaufen immer

mehr Einwegverpackungen."

"Siehst du, es ist uberall so. Wir erleben in

Luckstadt, was im ganzen Land passiert. Meine

Mutter sagt, daf die Verwaltung eine Mullver-

brennungsanlage bauen will. Die soll funf Kilo-

meter von Luckstadt entfernt sein", sagt Anne.

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Sie und Katrin laufen Luckstadts wichtigste

EinkaufsstraBe entlang. Luckstadt ist eine

Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern. Am Ende

des groBen Marktplatzes steht das alte Rathaus

im Renaissancestil. Darauf sind die Luckstad-

ter besonders stolz.

.Kommst du in die Eisdiele mit, Anne?"

fragt Katrin.

Die Freundin nickt. Eis iBt sie aber nicht.

Anne ist Vegetarierin, genau wie ihre Eltern.

Sie iBt kein Fleisch, keine Wurst und auch kei-

ne Sulsigkeiten.

"Ich trinke einen Fruchtsaft", sagt Anne.

In der Klasse gibt es einige, die Anne "ko-

misch" finden. Aber nur Lars nennt sie ,/)ko-

Tante". Katrin halt viel von Anne. Manchmal

ist sie ein wenig neidisch auf Annes Familie.

Denn die Hansens, Annes Eltern, wohnen auf

einem Bio-Bauernhof.

Die beiden Madchen setzen sich vor der Eis-

diele "Miramare" an einen run den Tisch. Die

Sonne scheint. Es ist erst Mitte April. Doch es

ist warm.

"Ein Schoko-Eis mit Sahne und einen Oran-

gensaft", bestellt Katrin beim italienischen

Kellner. Dann erinnert sie sich, was Anne vor-

hin erzahlt hat.

"Glaubst du wirklich, daf eine Mullverbren-

10

nungsanlage gebaut wird? Dann gibt es hier ja

bald kein Mullproblern mehr."

Anne sieht ihre Freundin erstaunt an.

"Meine Cute, Katrin, das bringt doch noch

mehr Umweltprobleme. Man verbrennt den

Mull. - Und was kommt aus dem Schornstein

heraus? Bestimmt keine saubere Luft! Wenn

man Kunststoffe wie PVC verbrennt, ka1U1

sogar hochgiftiges Dioxin entstehen. Die Leute

in der Stadt wollen bestimmt nicht, daf die

Luft noch schmutziger wird."

Katrin iBt den Eisbecher leer. Anne trinkt

den Saft.

.Jch mochte mehr wissen uber Mull und

Mullbeseitigung", sagt Katrin plotzlich.

,,Ich auch. Ich mbchte wissen, was in Luck-

stad t gegen die groBen Abfallmengen gemacht

wird", sagt Anne. Sie schlagt Katrin v or, zur

Umweltberatung zu gehen. "Aber erst nachste

Woche. Am Wochenende helfe ich meinen

Eltern. Wir mussen Saatkartoffeln in die Erde

bringen."

Es ist schon nach drei Uhr nachmittags.

Katrin muf los. Sie holt immer ihre kleine

Schwester aus dem Kindergarten ab. Anne geht

zur Schule, weil dort ihr Fahrrad steht. Dann

fahrt sie nach Hause. Sie wohnt in Ochtersdorf,

einem kleinen Vorort von Luckstadt.

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Rainer mochte wie allc.sem

Am Samstag abend ist Anne mude. Der

Rucken tut ihr weh. Den ganzel, Tag Saatkar-

toffeln in die Erde bring en, das ist anstren-

gend.

"Anne komm, es gibt Abendbrot", ruft

Annes Mutter.

Sie und ihr Mann bauen auf ihrem Bio-Bau-

ernhof Kartoffeln, Getreide, Cemuse und Obst

an. Auch einige Schafe, Ziegen und Hillmer

gehbren zu dem Bauernhof. Die Hansens ver-

wenden keinen Kunstdunger und keine cherni-

schen Pflanzenschutzmittel. Ihr Cernuse und

ihre Kartoffeln verkaufen sie an Naturkostladen.

Anne geht in die Kuche. Am groBen runden

Efstisch sitzen schon ihre Eltern. Nur Rainer,

Annes 14jahriger Bruder, fehlt noch. Er kommt

oft zu spat.

"Fangen wir an", sagt der Vater.

Er nimmt sich eine Scheibe Vollkornbrot aus

dem Korb. Anne und Frau Hansen greifen

auch zu.

12

In diesem Moment offnet Rainer mit

Schwung die Tur.

"Hallo allerseits. Ich komme gerade vom

Fufiballplatz. Tolles Spiel."

Rainer sieht Anne sehr ahnlich, Klein und

sportlich ist er. Er zieht schnell seine Jacke aus.

Dann legt er den Rucksack neben seinen Stuhl

und setzt sich hin. Er verzieht sein Gesicht.

"Warum gibt es immer diesen Oko-FraB",

schimpft er. "Salat, Vollkornbrot, Ziegenkase. -

lch mochte viel lieber einen Hamburger oder

eine Currywurst!"

"Wir zwingen dich nicht, vegetarisch zu

leben, Rainer", sagt Herr Hansen ernst. "Du

kannst uns aber nicht zwingen, daf wir dir

Fleisch und Wurst kaufen. Ich gebe dir Geld.

Du kannst jederzeit in ein Hamburger-Restau-

rant gehen."

Rainer schuttelt den Kopf.

.Jch mochte, daf mein Zuhause normal ist,

so wie bei meinen Freunden." Er buckt sich zu

seinem Rucksack und holt eine Coladose her-

aus. "GlUcklicherweise habe ich etwas Ver-

nunftiges zu trinken. Mbchtest du auch einen

Schluck, Anne?" fragt er seine Schwester und

grinst.

Die Eltern gucken sich kurz an. Sie sagen

aber nichts. Rainer will uns provozieren, den-

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ken beide. Anne sehweigt nieht.

"Bist du verruckt? Wie kannst du Cetran-

kedosen kaufen. Das sind sehr umweltschad-

liehe Verpaekungen."

.Jst mir egal. Ich habe genug vom Oko-Gere-

de. Hilft es del' Umwelt, wenn ieh alles aufge-

be, was mir schmeekt und Spaf maeht? Gar

nicht!"

.Einer allein rettet die Umwelt nicht. Das

stimmt. Aber du bist nicht allein, Rainer. Viele

Menschen merken, daf sie etwas tun mussen

gegen die Umweltverschmutzung und gegen

die ungesunde Lebensweise." Herr Hansensagt das. Er sprieht ganz ruhig. Aber Rainer

bleibt stur.

,,!eh glaube nicht, daB das stimmt. Ich

mochte tun, was mir gefallt."

Er nimmt seine Coladose und steht auf.

Dann greift er sieh Jacke und Rucksack, geht

raus und knallt die Tur zu. Die drei in derKuche horen, daf er die Treppe hinaufrennt

und die Tur zu seinem Zimmer auch zuknallt.

.Er will im Moment nicht verstehen, was

wir meinen. Zwingen konnen wir ihn nicht",

sagt Frau Hansen.

Anne aber ist wutend. Mit dem Dosenmull

geht das nieht so wei tel', denkt sie. Ich gehegleich am Montag mit Katrin in die Umwelt-

I,I

14

beratung. Vielleicht bekommen wir da einen

Tip, was man gegen das Mullproblern tun

kann.

Anne sitzt noeh eine Stunde mit ihren Eltern

zusammen. Sie essen und unterhalten sich. Die

drei verstehen sieh sehr gut. Schon kurz nach

neun Uhr sagt Anne ihren Eltern "Gute

Nacht". Sie geht in ihr Zimmer und liest noch

eine Weile. Dann ist sie so mude, daf sie sieh

nur noch schnell die Zahne putzen kann. Sie

legt sich ins Bett und schlaft sofort ein.

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Eine Idee entsteht

I i

"Erst stirbt der Baum. dann der Mensch". Dassteht auf einem grofsen Plakat an der Eingangs-

tur der Umweltberatung. Es ist Montag

nachmittag. Anne und Katrin gehen in das

kleine Buro. Seit zwei [ahren gibt es die Um-

weltberatung in Luckstadt. Mitglieder einer

Umweltorganisation sind die Grunder. Manche

Luckstadter nennen die Beratungsstelle einen"Treffpunkt von Chao ten und Oko-Spinnern".

Die meisten Stadtbewohner sind froh uber die

Einrichtung: Fur wenig Geld gibt es Tips zum

biologischen Gartenbau, tiber okologische Bau-

stoffe und tiber Schadstoffe in Lebensmitteln.

"Guten Tag, kann ich euch helfen?" fragt

freundlich ein junger Mann Anne und Katrin.Anfang 20 ist er. Er ist groB und hat helle Jeans

und einen blauen Pullover an.

"Wir mochten Informationen tiber Ver-

packungsabfall", sagt Anne.

"Ja, das ist ein wichtiges Thema. Leider

unternimmt niemand etwas gegen die groBen

Mullberge", sagt der junge Mann. "Ubrigens,ich heilse Bernd Raabe. Am besten setzen wir

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uns dort an den Tisch. Wie heilit ihr?"

Anne und Katrin nennen ihre Namen. Dann

setzen sie sich mit Bernd an den Tisch.

"Wir mochten etwas mehr uber Ver-

packungsabfall wissen. Wir mochten abel' auch

etwas gegen die Mullberge machen", sagt

Katrin.

Bernd sieht sie an und nickt erfreut.

.Es muf auch etwas passieren. Ich lese euch

mal eine Zahl vor". sagt er und blattert in einer

Broschure. "Richtig, hier steht es: In einem [ahr

kommen in Deutschland mehr als 7,6 Millio-

nen Tonnen Verpackungen in den MLUl.Ein

gro(5el' Teil davon ist uberflussig. Dosen. Ein-

weg-Glasflaschen, Kartons fur Saft und Milch

braucht man gar nicht. SchlieiSlich gibt es

Mehrweg-Pfandflaschen. Aber auch viele

Kunststoff-Folien. Becher und Kartons sind

nicht notig."

AIUle und Katrin horen aufmerksam zu.

Bernd erzahlt weiter.

"Die Verantwortlichen in den Fabriken und

in den Superrnarkten sagen, daf die Kunden es

gerne bequem haben. Und Einwegverpackun-

gen sind bequem. Doch eigentlich wollen sie

nur Kosten sparen. Bietet ein Ceschaft viele

Cetranke in Pfandflaschen an, braucht es viel

Platz fur die leeren Flaschen. Vor allem die Ver-

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packungsproduzenten wehren sich dagegen,

daf es weniger Einwegverpackungen gibt. Sie

verdienen damit ja viel Geld. Mit Mehrweg-

Flaschen nehmen sie weniger Geld ein. Schliels-

lich kann jede Pfandflasche bis zu vierzigmal

gefullt werden." Bernd gibt den beiden Mad-

chen einige Broschuren. .Da konnt ihr lesen,

was mit dem Mull los ist."

Anne hat noch eine Frage.

"Wieviel Cetrankedosen leeren die Leute in

Luckstadt. WeiBtdu das?"

Bernd lacht.

/lZufalligerweise weif ich das wirklich. Es

sind etwa 40.000 Dosen pro Tag. Deine Frage

bringt mich ubrigens auf eine Idee." Bernd

springt auf. Er geht zu seinem Schreibtisch und

kramt in den Papieren.

.Es gibt da so eine Aktion in Crofsstadten.

Das war etwas mit Dosen", murmelt er. .Da ist

es ja. Hart mat das ist eine tolle Sache. Schuler

in Hamburg, Frankfurt und Berlin sammeln

leere Cetrankedosen. Sie machen dara us

Dosenketten und haugen damit die Fassaden

von wichtigen Cebauden zu."

Bernd hat einen Zeitungsartikel in der Hand.

Den reicht er jetzt Anne und Katrin. Die beiden

Madchen lesen - und sind begeistert.

.Das machen wir auch. Wir sammeln genau

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be 

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40.000 Dosen. Dann haben wir die Menge, die

in Luckstadt taglich in den Abfalleimern lan-

det", ruft Katrin. Anne sagt:

"Und mit den Dosenketten verhangen wir

die schone Rathausfassade."

Auch Bernd ist begeistert.

"Toll, wenn ihr das schafft. Ich helfe euch

auf jeden Fall. Sicher machen auch die anderen

aus der Umweltberatung mit. Aber ihr braucht

noch mehr Helfer. 40.000 leere Dosen sind eine

Menge. Wir mussen sie alle aus Eimern und

Mullbehal tern sammeln."

"Wir werden vor allem in unserer Schule

Helfer such en. Am besten hangen wir einen

Zettel an das Schwarze Brett."

Die drei planen schliefslich ein Flugblatt. Das

wollen sie an mehreren Stellen in der Stadt auf-

hangen. Sogar einen Namen fur die Aktion

haben sie. Genau wie in Hamburg, Frankfurt

und Berlin heilst ihr Motto: "Alles tote Dose".

1 1

2 0

Wo sind die leerenDosen geblieben?

"Puh, ist das anstrengend", sagt Andreas.

Andreas ist Katrins 21jahriger Bruder. Er stu-

diert Biologie in Hamburg. Von Freitag bis

Sonntag ist er immer in Luckstadt. Er hilft

Katrin, Anne und den anderen beim

Dosensammeln.

"Stimmt. Es gibt nur wenige Dosen in den

Abfalleimern", sagt Katrin. Sie streicht sich

eine Haarstrahne aus dem Gesicht. Fast 15

Jugendliche helfen beim Dosensammeln. Sie

haben alle das Flugblatt gesehen, das Anne

und Katrin mit Bernds Hilfe geschrieben

haben. Aber wo sind blof die Dosen?

"Wieviel Dosen habt ihr denn schon?" fragt

Andreas.

"So urn die 10.000", sagt Anne. Sie durch-

sucht mit den beiden die Abfalleimer in der

Innenstadt nach Dosen.

"Am Anfang ist es toll gelaufen. Sogar die

Mitarbeiter der Stadtreinigung helfen uns.

Aber seit ein paar Tagen finden wir kaum noch

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Dosen im Mull", sagt Anne. Sie ist enttauscht.

Drei Woehen lang lauft die Aktion nun schon.

Ende Mai wollen sie das Rathaus verhangen.

Aber 40.000 Dosen bekommen sie nie zusam-

men, wenn weiter so wenige im Mull sind.

Die drei Jugendliehen suehen sieh eine Bankund setzen sieh hin.

.Es ist doeh komiseh", sagt nun Katrin.

"Immer waren alle Abfalleimer in Luekstadt

randvoll. Aueh die Leute bei der Stadtreini-

gung sagen, daf sie immer viele Dosen im

Mull haben. Ieh glaube fast, daf jemand unsere

Aktion sabotiert!"Anne und aueh Andreas gueken uberrascht.

"Wie soll das gehen?" fragt Andreas. Aber er

schaut naehdenklieh. Plotzlich hat er eine Idee.

"Ich weifs, wie ihr schnell viele Dosen

bekommen konnt."

Anne und Katrin sind gespannt.

,,!hr konnt vielleieht die Dosen bekommen,die in Hamburg gesammelt wurden. Ich kenne

einen Jungen, der bei der Aktion in Hamburg

mitgemaeht hat. Den frage ieh, wo die Dosen

sind."

Katrin fallt ihrem Bruder urn den Hals.

"Ganz super die Idee, Andreas. Wenn das

klappt, kann unsere Aktion im Mai starten."Auch Anne freut sieh. Aber sie weiiS,daiS es

22

noch andere Sehwierigkeiten gibt. ,,1eh muf

naehher zum Ordnungsamt gehen. Unsere

Aktion gilt als Demonstration. Ieh mug sie

anmelden. Und wir brauehen eine Genehmi-

gung vom Biirgermeister. Sonst durfen wir die

Rathausfassade nieht verhangen.""Viel Gluck. Ich rufe nachste Woehe gleieh

an. Dann sage ieh Katrin Beseheid, wie viele

Dosen von der Hamburger Aktion noeh da

sind", sagt Andreas. Er geht mit Katrin naeh

Hause. Die beiden nehmen die paar Dosen

ihrer heutigen Sammelei mit. Anne geht

langsam zum alten Rathaus hinuber, Hoffent-lich geht alles gut, denkt sie.

Fast eine halbe Stunde muf Anne vor dem

Ordnungsamt im Flur warten.

"Frau Zieger hat noeh eine Besprechung",

sagt die Sekretarin. Frau Zieger ist die Leiterin

des Ordnungsamtes. .Jch rufe Sie dann her-ein."

Anne steht also vor der Tur. Heute, am Frei-

tag naehmittag ist sehr wenig Betrieb im

Rathaus. Anne wandert den Gang auf und abo

Die Wande sind weif gestriehen. Ein langwei-

liger Behordenflur, denkt Anne. Doeh da sieht

sie an der Wand ein interessantes Sehreiben.

"Offentliehe Diskussion", steht oben. "Am 30.

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Mai Iadt die Stadtverwaltung von Luckstadt

alle Burgerinnen und Burger zu einer Diskus-

sion ein. Es geht um den Standort einer Mull-

verbrennungsanlage." Ganz unten auf dem

Schreiben steht Ort und Uhrzeit der Diskus-

sionsveranstal tung.Anne ist gerade fertig mit dem Lesen. Da

offnet die Sekretarin die Burotur.

.Bitte kommen Sie herein. Frau Zieger

erwartet Sie."

Anne kommt in ein groBes, helles Buro. Ein

Fenster ist offen. Hinter dem Schreibtisch aus

schwarzern Holz sitzt Frau Zieger. Sie ist Ende30, hat kurze braune Haare und tragt ein

modisches Kostum.

"Guten Tag. Nehmen Sie Platz. Sie sind Frau

Hansen?" Anne nickt und setzt sich auf den

Stuhl vor dem Schreibtisch,

"Ja, ich habe hier Ihren Brief", sagt Frau Zie-

ger und zeigt auf ein Schreiben. .Sie wollendas Rathaus mit Dosen verhangen und einen

Informationsstand aufbauen. Wie lange soll

das Ganze dauern?" fragt sie sachlich.

Anne rauspert sich.

"Wir brauchen einen Tag, um die Dosenket-

ten zu befestigen. Am folgenden Tag ist die

Aktion. Am Tag danach entfernen wir dieDosen wieder."

'I I

24

.Hm. also drei Tage", sagt Frau Zieger und

guckt nachdenklich. .Konnen Sie die Dosen

denn an der Fassade befestigen? Das Rathaus

ist 30Meter hoch."

Anne ist erstaunt uber Frau Ziegers Frage.

Besorgt hart sie sich an, nicht ablehnend."Wir sind 15 Jugendliche aus Luckstadt in

unserer Vorbereitungsgruppe. Die Eltern eines

Jungen haben eine Cerustfirma. Die leihen uns

kostenlos fur drei Tage ein Cerust und bauen

es auch auf und wieder ab."

.Dann ist ja alles klar. Ich habe keine Beden-

ken gegen die Aktion. Sie bekommen von mirnoch eine offizielle Genehmigung. Die schicke

ich mit der Post. Auf Wiedersehen, Frau Han-

sen. Alles Gute", sagt Frau Zieger. Sie lachelt

und druckt Anne zum Abschied die Hand.

Anne ist ghicklich. Wieder ein Stuck weiter.

Jetzt muf ich nur noch den Burgerrneister

uberzeugen, denkt sie.Doch beim Burgermeister hat Anne wenig

Gluck. Er ist ein konservativer alterer Mann.

Hoflich begrulst er Anne. Dann bietet er ihr

einen Platz an.

"Sie planen eine Aktion, um auf das Mull-

problem aufmerksam zu machen, schreiben

Sie. Um was geht es genau?"

A1U1eerklart Burgermeister Schulze, wie die

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Aktion ablaufen soll.

"Sie wollen unsere schone historische

Rathausfassade mit alten Dosen verhangen?

Nein, nein. Das geht auf keinen Fall." Der Bur-

germeister schuttelt emport seinen Kopf. "Viel-

leicht finden Sie einen Ceschaftsinhaber in derInnenstadt. Der kann sein Haus fur eine solche

Aktion zur VerfUgung stellen. Das Rathaus

aber ist das wichtigste Cebaude der Stadt. Es

soll Wurde und Autoritat der Verwaltung ver-

korpern."

Anne fallt Burgerrneister Schulze fast ins

Wort."Aber die Wurde bleibt doch erhalten! Wenn

ein wichtiges Cebaude mit Dosen verhangt

wird, beachten auch viele Luckstadter die

Aktion. Wir wollen doch, daB eine Diskussion

tiber Verpackungsmull beginnt. Wir wollen

nicht nur tiber eine Mullverbrennungsanlage

reden", sagt sie. Ihr fallt narnlich ein, was aufdem Schreiben steht, das sie im Flur gelesen

hat.

"Ach, eine umweltbewu15te junge Dame!"

sagt der Burgerrneister. Es klingt sehr un-

Freundlich. .Sie verhangen die Rathausfassade

mit alten Dosen, reden uber das Mullproblern.

- Und Simsalabim gibt es keinen Abfall mehr.

Sie machen sich das sehr einfach, junge Frau!"

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sagt er laut.

Anne gibt nicht auf.

.Jch glaube nicht, daf man das Mullproblern

mit einer Aktion Ibsen kann. Aber wir wollen

einen Denkanstof geben. Einen Denkansto1S,

wie man Mull vermeidet. Dann braucht manvielleicht auch keine Mullverbrennungs-

1 "n age.

Der Burgerrneister steht auf und geht zum

Fenster. Dann dreht er sich urn und guckt

Anne scharf an.

.Jch diskutiere mit Ihnen nicht uber die

Notwendigkeit einer Mullverbrennungsanlage.Zu Ihrer Aktion: Ich bleibe bei meinem Nein.

Aber Sie konnen sich naturlich noch an den

Gemeinderat wenden."

Damit ist das Cesprach beendet. Der Bur-

germeister nickt Anne nur kurz zu. Sie geht

hinaus. In Gedanken formuliert sie schon den

Brief, den sie an den Gemeinderat schreibenwill. Es wird klappen, es muf klappen, denkt

sie. Sie nimmt ihr Fahrrad und fahrt zuruck

nach Hause, nach Ochtersdorf.

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Eine Gegenaktion

Bei Lars treffen sich am Mittwoch abend sechsJungen. Auch Annes Bruder Rainer ist dabei.

"Hallo", sagt Lars zu ihm. "Gibt deine Oko-

Schwester nun die blode Aktion auf? Genug

Dosen findet sie ja schon lange nicht mehr."

Rainer winkt abo

"Die gibt so schnell nicht auf. Ich weif nicht,

was sie plant. Aber sie tut so, als ob sie dochgenug Dosen zusammenbekommen."

"Na, dann viel Spa1S",sagt Lars hohnisch. Er

ist schon lange wutend auf Anne. Vor allem

seit sie ihn wegen der Cola dose kritisiert hat,

will er sie argern. Mit den funf anderen [un-

gen zusammen sammelt Lars deshalb seit eini-

gen Tagen alle Dosen aus den Abfalleimern.

Anne und ihre Freunde solI en so keine mehr

finden.

Die sechs Jungen sitzen im Partykeller der

Villa von Dr. Reimann. Dr. Reimann ist Kinder-

arzt und der Vater von Lars. Frau Reimann ist

seit vier [ahren tot. Lars ist seitdem oft allein.

Die Schule interessiert ihn wenig. Aber er

macht gerne Unsi1U1.

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"Wie viele Dosen haben wir eigentlich

schon?" fragt Lars.

Ein grofser, sehr dunner Junge, Sebastian,

holt einen Zettel aus seiner Hosentasche.

"Neuester Stand: 7750Dosen."

"Nicht schlecht. Wir sorgen gleich noch fur

mehr", sagt Lars grinsend. Er holt ein paar

Bierdosen aus dem Kuhlschrank. "Will jemand

kein Bier? Du Rainer? Typisch, du bist ja doch

ein halber Oko!"

Rainer bleibt bei seinem Nein. Aus Bier

macht er sich nichts. Eigentlich fuhlt er sich

auch nicht wohl in dieser Clique. Die anderen

Jungen sind alter als er, 16 Jahre, so wie Lars.

Und sie sind Angeber, findet Rainer. Vielleicht

ist das einfach groBer Mist? fragt er sich im

Stillen. Wir sammeln und sammeln - nur, da-

mit die anderen keine Dosen mehr finden. Laut

sagt er:

,,2000 Dosen sind bei uns im Keller ver-

steckt. Was soll damit passieren?"

,,1st doch klar. Vvenn die Okos ihre Aktion

endgultig aufgeben, werfen wir die Dosen

weg. Bei uns im Cerateschuppen liegen auch

1500Shick", sagt Lars.

Die funf alteren Jungen trinken Bier, einige

rauchen auch Zigaretten. Sie reden langst nicht

mehr uber die Dosen. Alles dreht sich um

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Motorrader, Feten und "toile Frauen".

Rainer gefallt es uberhaupt nicht.

.Jch gehe jetzt mallieber", murmelt er.

,,]a, der Kleine muf ins Bettchen", sagt Lars

unfreundlich.

Rainer zieht schnell seine Jacke an. Er nimmtseinen Rucksack und geht nach draufsen. Als

er sein Fahrrad aufschlieBt, ruft jemand seinen

Namen. Es ist Sebastian.

"Warte, ich komme mit."

Die beiden Jungen fahren nebeneinander auf

ihren Fahrradern. Zuerst schweigen sie. Dann

sagt Sebastian:.Dir gefallt unsere Aktion nicht mehr,

stimmt das?" Rainer antwortet nicht. "Okay,

also mir macht die Sache jedenfalls uberhaupt

keinen Spaf mehr." Rainer guckt Sebastian

erstaunt an. ,,1ch glaube sogar, daf die Okos

recht haben. Es ist wahnsinnig, daf man

immerzu wieder neue Oosen produziert, kauft,

leert und wegwirft."

Jetzt spricht auch Rainer.

"Mir geht es ahnlich wie dir. Diese Oosen

sind idiotisch. Das weiB ich, seit die 2000Stuck

in unserem Keller liegen. Die brauchen soviel

Platz und sind vbllig nutzlos! Dosen kaIU1man

nicht mal vernunftig recyceln. Meine Elternund Anne sagen schon lange, daf es den Ver-

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packungsproduzenten nur darum geht, mog-

lichst viele Verpackungen zu verkaufen. Bei

Mehrweg-Pfandflaschen verdienen sie viel

weniger."

Die beiden Jungen sind erleichtert. Sie

verabreden, daf sie Lars und den anderen

nichts von ihrer Meinungsanderung erzahlen.

"Wir mussen aber dafur sorgen, daf unsere

Dosen in Annes Gruppe kommen", sagt Rai-

ner.

Zwei Kilometer entfernt, in Ochtersdorf bei

den Hansens, sind die Dosen zu diesem Zeit-

punkt bereits in Annes Besitz. Am spaten

Nachmittag geht Frau Hansen in den Keller.

Sie sucht einen alten Spaten. Dabei findet sie

Rainers Dosen.

"Guck mal, was ich fur dich habe, Anne",

sagt sie kurz darauf zu ihrer Tochter. Sie gibt

ihr zwei Dosen. .Jm Keller sind noch mehr

Dosen."

"Die hat Rainer versteckt. Deshalb finden

wir seit Tagen kaum noch Dosen in den Abfall-

eimern. So ein Schuft", ruft Anne. Sie geht ins

Haus und erzahlt ihrem Vater von dem Fund.

.Jch muf wohl doch mal ein ernstes Wort

mit Rainer reden", sagt Herr Hansen.

In diesem Moment klingelt das Telefon.

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Katrin ruft an.

.Denk dir Anne", sagt sie zu ihrer Freundin.

.Das klappt mit den Dosen aus Hamburg. Wir

konnen 25.000 Shick bekommen. Andreas und

ein Freund wollen sich einen kleinen Lastwa-

gen leihen. Damit bringen sie dann die Dosen

nach Luckstadt."

Anne jubelt.

"Das Beste ist", fahrt Katrin fort, "daiS die

Dosen schon zu Ketten aufgereiht sind. Wir

sparen viel Zeit!"

Die Madchen beenden das Telefongesprach

kurz darauf.

Anne erzahlt ihren Eltern von den Dosen, die

sie aus Hamburg bekommen. Da offnet sich die

Tur. Rainer kommt herein. Die drei gucken ihn

nicht sehr freundlich an.

"Was habt ihr schon wieder? Komme ich zu

spat?" Rainer setzt sich an den Tisch. Er ist

ganz ruhig. .Jch mochte euch etwas erzahlen.

Ich habe eine Dummheit gemacht. Im Keller

sind 2000Dosen. Die gebe ich dir, Anne. Ich fin-

de, daf ihr recht habt. Dosen sind wirklich viel

schlechter als Mehrweg-Pfandflaschen. Schliefs-

lich gibt es Cola auch in Flaschen", sagt er und

grinst.

Herr Hansen ist erleichtert. Schimpfen ist

nicht mehr notig.

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"Schon, daf du das einsiehst, Rainer", sagt

er. Keiner von den dreien erzahlt Rainer, daf

seine Mutter die Dosen gefunden hat. Wenn er

von selbst merkt, daf das falsch ist mit den

Dosen, dann mussen wir ihm nicht das

Erfolgserlebnis nehmen, denkt Frau Hansen.

Und Herr Hansen und Anne denken etwas

Ahnliches.

Am Abend sitzt zum ersten Mal seit langem die

gesamte Familie Hansen am Abendbrottisch.

Heute haben die vier ein Thema, das sie alle

interessiert: die Aktion am Rathaus Ende Mai.

"Meinst du, daf du den Biirgermeister uber-

zeugen kannst. Anne? Sonst durft ihr die

Rathausfassade nicht vorhangen", sagt Frau

Hansen zu ihrer Tochter.

Anne schuttelt den Kopf.

.Burgermeister Schulze bleibt bestimmt bei

seiner Meinung. Aber der Gemeinderat kann

die Entscheidung aufheben. Die wissen durch

meinen Brief uber unseren Plan Bescheid. Mor-

gen kommt del' Gemeinderat zusammen. Da

werden sie sich entscheiden."

"LaB uns doch zu der Sitzung gehen",

schlagt Rainer seiner Schwester vor.

.Das geht leider nicht". sagt Anne. "Die

Gemeinderatssitzung ist nicht offentlich. Aber

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wir konnen morgen nachmittag zum Rathaus

gehen. Wir fragen einfach einen Stadtverordne-

ten, wie die Entscheidung ausgegangen ist."

Das verabreden die Geschwister, bevor alle

Familienmitglieder sich eine Gute Nacht wun-

schen.

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Eine knappeEntscheidung

Am Donnerstag nachmittag hat der Gemeinde-

rat von Luckstadt seine Sitzung. Etwa vierzig

Manner und Frauen gehbren zum Gemeinde-

rat. Sie gehbren zu verschiedenen Parteien:

Christdemokra ten, Sozialdemokra ten, Libera-

len, Crunen.Drei Stunden dauert die Sitzung schon. Nun

geht es urn die Aktion "Alles tote Dose".

.Jch verlange, daf wir uns mit diesem

Blodsinn uberhaupt nicht beschaftigen". sagt

gleich zu Beginn Herr VoB von den Christ-

demokraten.

Einige protestieren. Frau Dittmann von denGrunert lobt die Dosen-Aktion.

"Wir muss en das Thema diskutieren." Das

ist der Vorschlag der Liberalen.

Die Mehrheit stimmt zu. Dann beginnt die

Diskussion.

.Einc interessante Aktionsform", meint Herr

Merschmann von den Sozialdemokraten.Die Christdemokraten gucken besorgt. Mei-

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stens finden sie im Gemeinderat eine Mehrheit

fur konservative Entscheidungen. Herr VoiS

meldet sich.

.Bedenken Sie doch, werte Damen und Her-

ren, daf eine solche Aktion ein schlechtes Ima-

ge fur Luckstadt bedeutet. Es sieht doch so aus,als ob die Gemeinde mit dem Mullproblern

nicht fertig wird."

"Wird sie ja auch nicht. Deshalb wollen Sie

doch die Mullverbrennungsanlage", ruft eine

Crimen- Vertreterin.

"Ruhe, keine Zwischenrufe", sagt der Vor-

sitzende des Gemeinderates."Nicht zuletzt", sagt nun wieder Herr VoB,

"mbchte ich wiederholen, was unser verehrter

Burgerrneister Schulze zu der Aktion sagt: Sie

verletzt die Wurde des Rathauses."

Nun meldet sich noch einmal der Sozialde-

mokrat Merschmann zu Wort.

.Jch verstehe den Widerstand der Christ-demokraten nicht. Diese Aktion verletzt ganz

sicher nicht die Wiirde eines Cebaudes. Wir

mussen uns wohl eher urn die Achtung der

Menschenwurde sorgen, aber nicht urn die

Wurde eines Cebaudes." Einige klatschen Bei-

fall. .Besondcrs gut finde ich an der Aktion",

sagt Herr Merschmann nun, "daB Jugendlichealles planen, vorbereiten und organisieren.

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Immer klagen wir, daf Jugendliche passiv

sind. Diese Jugendlichen mer in Luckstadt

wollen etwas tun. Sie wollen mit ihrer Aktion

auf das Mullproblem aufmerksam machen.

Und daf es ein Mullproblem gibt, wissen wir

ja wohl alle." Herr Merschmann bekommt vielApplaus fur seine kleine Rede.

Eine Weile diskutieren die Mitglieder des

Gemeinderates noch. Dann gibt es eine Ab-

stimmung. Ein Liberaler fordert geheime Ab-

stimmung. Wenn geheim abgestimmt wird,

fuhlen sich die Gemeinderatsmitglieder nicht

an den Fraktionszwang gebunden. Sie stim-men eher nach ihrem Gewissen aboUnd so gibt

es tatsachlich eine Mehrheit fur die Dosen-

Aktion.

Mit zwei Stimmen ist die Mehrheit zwar

knapp, aber es reicht.

In der Halle vor dem Sitzungssaal wartenAnne, Rainer und Bernd von der Umweltbera-

tungsstelle.

.Jch bin furchterlich aufgeregt", sagt Anne.

Sie wischt sich nerves mit einer Hand uber die

Stirn.

IIWenn der Gemeinderat unsere Aktion ab-

lehnt, suchen wir uns ein anderes Cebaude.Vielleicht finden wir eine Kirche. Oder wir

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gehen mit den Dosen nach Barkhausen und

verhangen dort das Rathaus. Die Stadt ist ja

nur zehn Kilometer von Luckstadt entfernt",

sagt Bernd. Er will Anne beruhigen. Aber auch

er ist aufgeregt. Rainer ist dagegen ganz ruhig.

Nachdem er nun zu den "Okos" gehbrt, glaubter, daf alles gut geht.

Da offnet sich die Tur des Sitzungssaals.

Herr Vof von den Christdemokraten kommt

heraus. Er sieht die drei Jugendlichen und

guckt sie kalt an. Ohne ein Wort zu sagen, geht

er an ihnen vorbei.

Ob das ein gutes Zeichen ist? fragt sichAnne. Sie weiiS, welche Position die Christ-

demokraten vertreten. Sie muf nicht langer

warten. Bernd kennt einen aus der Fraktion

der Crunen gut. Der Mann kommt zu den drei

Jugendlichen.

"Alles in Ordnung", sagt er und lacht. .Eure

Aktion kann starten."Anne ruft laut "Hun-a!" Einige Gemeinde-

ratsmitglieder drehen sich verwundert urn.

Bernd lacht auch. IIDann beginnt jetzt unser

Endspurt. Wir muss en die Dosen zu Ketten

knupfen und das Cerust aufbauen lassen.

Dann ist es endlich soweit."

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"Alles tote Dose"

Es ist sommerlich warm am folgenden Sams-tag. 40.000 leere Cetrankedosen hangen vor

der Rathausfassade in Luckstadt. Die Sonne

scheint auf die Dosen und laBt sie glanzen.

"Was soll denn der Quatsch?" Ein alterer

Mann sagt es zu Katrin. Sie verteilt mit Anne,

Bernd und den anderen auf dem Rathausplatz

Flugblatter."Wir wollen den Bewohnern von Luckstadt

zeigen, wie viele Dosen in der Stadt jeden Tag

geleert werden", erklart Katrin dem Mann.

.Dosen sind doch prima", sagt der. "Schon

bequem ist das: Ich habe Durst, kaufe mir eine

Dose, trinke und werfe die Dose weg. Das ist

praktisch und hygienisch. Was gibt es da zudiskutieren?" fragt er drohend.

Katrin laBt sich nicht verunsichern.

"Viel gibt es da zu kritisieren. Fur die Pro-

duktion von Cetrankedosen werden knappe

Rohstoffe und viel Energie verbraucht. Aus

den leeren Dosen kann man aber keine neuen

Cetrankebehalter machen. Die meisten Dosenkommen auf Deponien oder inMullverbren-

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nungsanlagen. Das kostet wieder viel Energie

und Geld."

"Es gibt eine gute Alternative. Fast alle Ge-

tranke kann man in Mehrweg-Pfandflaschen

kaufen", sagt da jemand hinter Katrin. Es ist

Frau Zieger, die Leiterin des Ordnungsamtes.Der Mann sagt nicht mehr viet murmelt nur

noch j)ko-Spinner", dreht sich urn und geht.

Katrin kennt Frau Zieger noch nicht. Die bei-

den reden aber gleich miteinander und verste-

hen sich gut.

.Jch hoffe, dalSviele Luckstadter fur das Pro-

blem sensibel werden. Es ist wichtig, daB vieleBurgerinnen und Burger ernsthaft Mull

vermeiden. Nur dann kann es gelingen, den

Bau einer Mullverbrennungsanlage zu verhin-

dern. Die schafft namlich nur mehr Probleme,

ohne daf wirklich jemand Mull vermeidet."

Katrin nickt. Dann sieht sie sich um. Uberall

auf dem Platz stehen Menschen und red enuber die Aktion. Fast aUe sehen so aus, als ob

ihnen die Aktion gefallt.

.Ich glaube, daf viele einfach nur einen

Denkanstof brauchen", sagt Katrin zu Frau

Zieger.

Anne ist heute so froh wie schon lange nicht

mehr. "Gute Sache", "Ich kaufe ab sofort nurnoch Mehrweg- Pfandflaschen", sagen viele

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Leute zu ihr, Da sieht sie Lars. Er halt naturlich

eine Dose in der Hand, heute nicht mit Bier,

sondern mit Cola gefullt.

"Ah, die Oko-Tante fuhlt sich heute ganz

grolS", sagt Lars hohnisch. .Llnd da sind ja

auch die Neu-Okos", ruft er, als er Rainer und

Sebastian sieht. "Macht doch alle, was ihr

wollt. Mich uberzeugt ihr nicht!" schreit er

plotzlich,

Er wirft seine leere Dose in Annes Richtung

- und rennt weg.

Anne kann sich rechtzeitig bucken, Sie will

hinter Lars her. Doch Bernd halt sie am Armfest.

"LaB ihn laufen, Anne. Er ist wutend, weil er

sich isoliert fuhlt. Vielleicht merkt er irgend-

wann, daf er mit Gewalt nicht weiterkommt."

Anne zuckt die Schultern.

"Fur mich ist Lars ein hoffnungsloser Fall.

Aber du hast recht, ich renne ihm nicht nach."Rainer und Sebastian kommen dazu. Ein

Mann ist bei ihnen. Er ist etwa 45 Jahre alt und

hat einen Schnurrbart. Es ist Herr Dathe, der

Hausmeister ihrer Schule.

"Argere dich nicht mehr uber Lars, Anne",

sagt Rainer. "Herr Dathe hat einen tollen

Plan."Der Mann lachelt.

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"Wissen Sie, mich storen die Dosen schon

lange. Ich leere immer die Abfalleimer auf dem

Schulhof. Dabei sehe ich, wieviel unnotiger

Mull darin ist. Jetzt ist mir klar, daf jeder

etwas andern muls. Ich werde in Zukunft in

den Pausen Saft und Milch verkaufen - alles inMehrweg-Pfandflaschen. Dann rnussen sich

die Schuler nicht langer Cetranke in Dosen

mitbringen."

Anne ist begeistert von der Idee.

Die Jugendlichen bleiben bis zum fruhen

Abend vor dem Rathaus. Mehrere hundert

Luckstadter kommen wahrend des Tages aufden Platz. Fast alle sind sich einig, daf jeder in

Luckstadt etwas gegen das Mullproblern

machen kann.

Anne ha t schon neue Plane:

"Als nachstes sorgen wir dafur, daf die

Ceschafte mehr Mehrweg-Pfandflaschen als

Dosen anbieten. Und dann machen wir eineAktion gegen die Mullverbrennungsanlage",

sagt sie beim Aufraumen.

Katrin, Bernd, Rainer und die anderen

Jugendlichen stimmen ihr zu.

"Klar, zusammen konnen wir es schaffen."

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