409
Agrar-Oko-Audit

Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Agrar-Oko-Audit

Page 2: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Springer Berlin Heidelberg New York Barcelona Budapest Hongkong London Mailand Paris Santa Clara Singapur Tokio

Page 3: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Edmund A. Spindler (Hrsg.)

Agrar-Oko-Audit Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Mit 59 Abbildungen

Page 4: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Dipl.-Ing. Edmund A. Spindler Nansenweg3 D-59077 Hamm

Umschlagfoto: Sommerliche Agrarlandschaft zur Getreideernte in Siidhessen. (Foto: A. Morant)

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft / Hrsg.: Edmund A. Spindler. - Berlin; Heidelberg; New York; Barcelona; Budapest; Hongkong ; London; Mailand ; Paris; Santa Clara; Singapur ; Tokio: Springer, 1998

ISBN-13:978-3-642-80359-8 e-ISBN-13:978-3-642-80358-1 DOl: 10.1007/978-3-642-80358-1

ISBN-13:978-3-642 -80359-8

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschii12t. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Oberse12ung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikro­verfilmung oder der VervieWUtigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine VervieWUtigung dieses Werkes oder von TeUen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gese12lichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom' 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheber­rechtsgesel2es.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1998

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und MarkenschU12-Gese12gebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benu12t werden diirften.

Redaktionelle Bearbeitung: Peter Assauer, HarnmlWestfa1en

Umschiaggestaltung: de'blik, Berlin SPIN: 10550625 30/3136 - 543 2 1 0 - Gedruckt auf saurefreiem Papier

Page 5: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

//ust'I't'U AiK&I'U !//,,/d, Jut's I/Ud Silk AIt"I'/t"

Page 6: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Inhaltsverzeichnis

1 Einfiihrung .................................................................................................. 1 Auch die Landwirtschaft braucht Umweltmanagementsysteme Edmund A. Spindler

2 Hammer Thesen zum Agrar-Oko-Audit.. ................................................. 7 Siegfried Bauer, Jens-Peter Abresch, Edmund A. Spindler

Kapitel 1 Umwelt- und Agrarpolitik ............................................................ 15 3 Umweltmanagement - Vom Denken in Strukturen zum

systemorientierten Lernen ........................................................................... 17 Siegmar Bornemann

4 InhaIte und Ablauf des Oko-Audits nach der EMAS-Verordnung und Unterschiede zu DIN EN ISO 14001 .................................................. .29 Alexander von Boguslawski

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik .......................................................................................... 53 Siegfried Bauer

6 Perspektiven der europaischen Agrarpolitik ............................................... 73 Berthold Pohl

7 Agrar-Oko-Audit - Uberlegungen zu Chancen und Problemen von betrieblichem Umweltmanagement in der Landwirtschaft .......................... 93 lens-Peter Abresch

8 Umweltmanagementsysteme fur die Land- und Forstwirtschaft? ............. 125 Christine Jasch

9 Agrarstrukturelle Bedingungen und Voraussetzungen bei UmweItkonzepten in der Landwirtschaft .................................................. 141 Heinrich Becker

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe ........................................ 153 Ludwig Glatzner

Page 7: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

VIII Inhaltsverzeichnis

Kapitel2 Fallbeispiele uDd Pilotprojekte ................................................... 171 11 Erste praktische Erfahrungen mit dem Oko-Audit

in der Landwirtschaft ................................................................................ 173 Rainer Friedel

12 Umweltrisikobetrachtungen in der Landwirtschaft ................................... 185 Peter Vogel

13 Oko-Audit: Chance fur die Landwirtschaft - Nutzen fur die Umwelt? ..... 199 RalfBendel

14 Agrar-Oko-Audit - heute schon ein Beitrag zu einzelbetrieblichen Existenzsicherung in der Landwirtschaft? ................................................ 215 Annette Stiinke, Jutta Beringer

15 Umweltmanagement in der Forstwirtschaft .............................................. 223 Holger Bertels

16 Zertifizierung in der Forstwirtschaft ......................................................... 237 Guido Fuchs

17 Oko-Audit und liberbetriebliche Kooperation .......................................... 253 Peter Eggensberger

18 Zu den Chancen von Umweltrnanagementsystemen (DIN EN ISO 14001 und EG-Oko-Verordnung Nr. 1836/93) in der Mi1chwirtschaft ............... 263 Peter Fleck

19 Umweltcontrolling in einem Untemehmen der Mi1chwirtschaft. Erfahrungen und Einschatzungen zum Aufbau eines Umweltmanagementsystems ..................................................................... 277 Joachim Nibbe, Jens Glaser

Kapitel 3 Oko-Audit im Gartenbau ........................................................... 287 20 Oko-Audit und Gartenbau ........................................................................ 289

Peter Menzel 21 Oko-Audit - ein Zeichen fur neues Denken ............................................. .301

Donnchadh Mac Cfu1:haigh 22 Umwelt- und Finanzcontrolling als betriebswirtschaftliche

Daueraufgabe in Gartenbau und Landwirtschaft ...................................... 305 Detlev Reymann

23 Elektronische Quartierbuchfuhrung in der Baumschule ........................... 315 Ingo Rahm

24 Oko-Audit in einer Baumschule ............................................................... 319 Helmut Rliskamp

Page 8: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Agrar-Oko-Audit IX

Kapitel4 Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft ......................... .321 25 Umweltschutz bei der Firma Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG ...... .323

GUnter Larisch 26 Agrar-Oko-Audit und okologischer Landbau zwischen

Verbrauchertauschung und verbessertem Umweltschutz .......................... 3 3 7 Manon Haccius, Hanspeter Schmidt

27 Zur Arbeit eines PrUfverbandes fur okologischen Landbau und Ernahrungswirtschaft ........................................................................ .349 Johannes Fetscher

28 Einige grundsatzliche Oberlegungen zum Marketing und seinen Beziehungen zum Oko-Audit. ................................................................... 355 Werner Warmbier

29 Umweltschondender Pflanzenschutz mit dem Expertensystem PRO_PLANT ................................................................. 367 Thomas Yolk

30 Erfahrungen mit der Zertifizierung nach DIN/ISO 9002 fur Schlachtrinder aus okologischer Haltung .................................................. 3 81 Wolfram Buschmann, Erika Hufschild

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits .............................. .387 Reiner Doluschitz, Jens Pape

32 Agrar-Oko-Audit auf der methodischen Grundlage der "Kritischen Umweltbelastung Landwirtschaft (KUL)" ............................. 40 1 Thomas Koch

Page 9: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Beitragsautoren

Jens-Peter Abresch Universitat GieBen Professor fur Projekt- und Regionalplanung Diezstr. 15 35390 GieBen

Prof. Dr. Siegfried Bauer Universitat GieBen Professor fur Projekt- und Regionalplanung Diezstr. 15 35390 GieBen

Prof. Dr. Heinrich Becker Hochschule fur Technik und Wirtschaft Dresden Fachbereich Pillnitz Postfach 120701 01008 Dresden

RalfBendel Talstr. 37 69198 Schriesheim

Jutta Beringer AG Landberatung e. V. JohannssenstraBe 10 30159 Hannover

Holger Bertels Oberdorf32 37136 Landolfhausen

Alexander Boguslawski Schillingstr. 2 65195 Wiesbaden

Prof. Dr. Siegmar Bornemann Walter-Flex-Str. 28 513 73 Leverkusen

Page 10: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

XII Beitragsautoren

Dr. Wolfram Buschmann Milchgenossenschaft Heideland e. G. Bahnhofstr. 2 15848 GroB Briesen

Prof. Dr. Reiner Doluschitz Universitat Hohenheim Institut fur landwirtschaftliche Betriebslehre 410 A 70593 Stuttgart

Dr. Peter Eggensberger Alpenforschungsinstitut Kreuzeckbahnstr. 19 82467 Garmisch-Partenkirchen

Dr. Johannes Fetscher OKOLe. V. Schillerstr. 18 58452 Witten

Dr. Peter Fleck UMB John-F.-Kennedy-Str. 1 65189 Wiesbaden

Dr. Rainer Friedel Agra-Oko-Consult Berlin GmbH RhinstraBe 137 10315 Berlin

Guido Fuchs SGS Supervise (Suisse) SA GriiterstraBe 133 Postfach 4149 CH-4002 Basel

Jens Glaser Am Bahndamm 121 26135 Oldenburg

Page 11: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Dr. Ludwig Giatzner Managementberatung Umweltschutz BUchnerstr. 16 48147 MUnster

Dr. Manon Haccius AGOLe. V. Brandschneise 1 64295 Darmstadt

Erika Hufschild Milchgenossenschaft Heideland e. G. Bahnhofstr. 2 15848 GroB Briesen

Dr. Christine Jasch Rechte Wienzeile 19/5 Postfach 101 A-1043 Wien

Thomas Koch

Agrar-Oko-Audit XIII

ThUringer Ministerium fUr Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt Postfach 1003 99021 Erfurt

GUnter Larisch Dr. August Oetker Nahrungsmitlel KG Abteilung Umwelt Lutterstr. 14 33617 Bielefeld

Prof. Dr. Donnchadh Mac Carthaigh Fachhochschule Weihenstephan Fachbereich Gartenbau 85350 Freising

Peter Menzel Zentralverband Gartenbau e. V. (ZVG) Godesberger Allee 142-148 53175 Bonn

Joachim Nibbe SchomburgstraBe 92 22767 Hamburg

Page 12: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

XIV Beitragsautoren

Jens Pape Universitat Hohenheim Institut fur landwirtschaftliche Betriebslehre 410A 70593 Stuttgart

Dr. Berthold Pohl AGRARBERA TUNG St.-Anna-Str.26 1-39057 Eppan (BZ)

Ingo Rahm Brink-Abeler GrOne Software GmbH Hauert 14 44227 Dortmund

Prof. Dr. Detlev Reymann Fachhochschule Wiesbaden Fachbereich Gartenbau- und Landespflege von-Lade-StraBe 1 65366 Geisenheim

Helmut Riiskamp BdB Marken-Baurnschule Wolte 70 48249 Diilmen

Hanspeter Schmidt Rechtsanwalt Stemwaldstr.6a 79102 Freiburg i. Br.

Edmund A. Spindler Nansenweg 3 59077 Hamm

Annette Srunke Rheinstr.96 28199 Bremen

Dr. Peter Vogel Gerling Consulting Gruppe Mendelsohnallee 8 01309 Dresden

Page 13: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Thomas Volk pro Plant GmbH Nevinghoff 40 48147 MUnster

Prof. Dr. Werner Warmbier Fachhochschule Osnabriick Fachbereich Landwirtschaft Am Kriimpel 31 49090 Osnabriick

Agrar-Oko-Audit xv

Page 14: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

1 Einfiihrung

Auch die Landwirtschaft braucht Umweltmanagementsysteme

Edmund A. Spindler

Es ist unbestritten, daB wir auch in Zukunft in Deutschland eine gesunde Land­wirtschaft brauchen, die auf breiter Basis lebensfahig ist. Wer hieriiber griindlich nachdenkt, kommt sehr schnell zu der Erkenntnis, daB dies nicht in erster Linie mit Subventionen, sondem vor allem mit modemen Managementmethoden zu errei­chen ist. D. h. die Landwirtschaft muB lemen, ihre wichtige Stellung in Politik und Gesellschaft selbst so zu gestalten, daB sie den zukiinftigen Anforderungen ge­wachs en ist. Eigenverantwortung, Selbstkontrolle, Regionalisierung, Marktorien­tierung, Okologie und Umweltschutz sind hierbei die zentralen Schltisselbegriffe. Besonders der Umweltschutz, der verstiirkt in alle Politikbereiche integriert wer­den muB, stellt fiir die Landwirtschaft einen zukunftsweisenden Reformansatz dar.

Von der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte ist die Landwirtschaft in besonderer Weise betroffen; ihr ist das Thema aber auch nicht neu, sie muB jetzt darauf nur angemessen reagieren. Eine zukunftsfahige Landwirtschaft kommt an einem effek­tiven Umweltmanagementsystem nicht vorbei.

Wie dies zu gestalten ist, dariiber berichtet das vorliegende Buch mit tiber dreiBig Beitriigen und insgesamt 36 Autoren. Es ist ein erster Versuch, das in der Wirtschaft bekannte und erfolgreich praktizierte Oko-Audit auf den Agrarsektor zu tibertragen.

Den Begriff "Agrar-Oko-Audit" habe ich 1995 gepriigt, urn deutlich zu machen, daB sich die Landwirtschaft nicht liinger dem Oko-Audit-Thema verschlieBen darf und die Agrarpolitik moglichst bald darauf positiv reagieren muB.

Die derzeit laufenden Bestrebungen zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Oko-Audit-Verordnung, z. B. fiir Dienstleister, Verkehrsanbieter und die Of­fentliche Hand (Kommunen u.a.) sollten den Agrarbereich nicht unberiihrt lassen. Mit dem Oko-Audit hat die Landwirtschaft erstmals die Chance yom Reagieren zum Agieren zu kommen. Sie kann freiwillig das Oko-Audit-System tibemehmen und damit deutlich machen, daB sie tiber das gesetzlich vorgeschriebene MaB hin­aus an einer kontinuierlichen Verbesserungen ihrer Umweltschutzleistungen nicht nur interessiert, sondem auch umsetzungsorientiert tiitig ist.

Page 15: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

2 J Einfiihrung

Mit der Einfuhrung von Umweltmanagementsystemen kann die Landwirtschaft ein neues UmweltbewuBtsein aufbauen und ihr ramponiertes Umwelt-Image auf­bessem. Das Agrar-Oko-Audit hi 1ft dabei, die untemehmerische Eigenverantwor­tung fur Umweltschutz und Umweltvorsorge zu entwickeln und nach auBen hin sehr gut darzustellen. Es ist ein neues Instrument fur die Zukunftsfahigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes und tragt erheblich zur Regionalentwicklung bei.

Erste Ansatze eines Agrar-Oko-Audits entstanden mit den Umwelt-Checklisten fur Baumschulen, die in der Gruppe Gartenbau der Landwirtschaftskammer West­falen-Lippe in MUnster entwickelt wurden. Hiertiber wurde bei einem Seminar am 21. Februar 1996 im Oko-Zentrum NRW in HammlWestf. ausfiihrlich berichtet und der Versuch untemommen, diese Checklisten als methodische Bausteine fur ein generelles Agrar-Oko-Audit zu nutzen.

In seinem GruBwort zu diesem Seminar sagte Kammerprasident Karl Meise u.a.:

Mit dem Seminar"Agrar-Oko-Audit" betritt die Landwirtschaftskammer West­falen-Lippe Neuland. Nicht etwa, wei! ein Oko-Auditfur die Agrarwirtschaft etwas vollig Neues ware. Neuland betreten wir, weil wir uns weit im Vorfeld einer form­lichen Einbeziehung der Agrarwirtschaft in dieses Bewertungsinstrument aktiv mit diesem Thema auseinandersetzen.

Wenn wir, irgendwann in der Zukunft, eine fachlich qualijizierte Meinung ver­treten mussen, wird es richtig sein, ja geradezu notwendig, vorher Erfahrungen gesammelt zu haben. Die Unternehmen der Baumschulwirtschaft in Westfalen­Lippe haben uns Mut gemacht, diesen ersten Schritt in die Offentlichkeit zu wa­gen. 1m vergangenen Jahr erhielten fun! Westfalisch-Lippische Baumschulunter­nehmen den Umweltpreis des Ministeriums fur Umwelt, Raumordnung und Land­wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen anlaJ3lich der Internationalen Pflan­zenmesse in Essen. Diese Betriebe erhielten die Preise, wei! sie nachgewiesen ha­ben, daJ3 sich eine betriebswirtschaftlich vernunftige Produktion mit nachhaltiger, umweltgerechter Flachenbewirtschaftung sinnvoll erganzen laJ3t. (..)

Umweltschutz ist fur die Baumschuler, fur die Gartner und Landwirte eigent­lich etwas Selbstverstandliches: In Kreislaufen zu denken, den eigenen Boden nachhaltig zu bewirtschaften und damit Umweltschutz zu betreiben, scheint fur uns kaum der Rede wert zu sein.

Was kann einem Baumschulunternehmer, einem Gartner oder Landwirt naher liegen, als einen gesunden Betrieb zu bewirtschaften und dem Verbraucher hervor­ragende Produkte anzubieten?

Und er sagte weiter: Das Leitbild einer umweltgerechten Erzeugung gartnerischer und landwirt­

schaftlicher Produkte wird intern im Berufsstand und auJ3erhalb in der Offentlich­keit leider nicht deckungsgleich gesehen und bewertet. Emotionen und Wunsch­vorstellungen spielen bei Verbrauchern, bei Parteien und allzuoft auch beim Ge­setzgeber mit. Dieser Zwiespalt zwingt uns Gartner und Landwirte zum Handeln, wenn wir verhindern wollen, daJ3 unsere Entscheidungsspielraume weiter einge­schrankt werden.

Page 16: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Agrar-Oko-Audit 3

Mit Blick auf den fur 1998 in Briissel anstehenden Review der Oko-Audit­Verordnung forderte Herr Meise am SchluB seiner viel beachteten Rede sehr en­gagiert und mutig:

Die AgrarwirtschaJt wird sich auch in Zukunji mit Oka-Audits und ihrer Anwen­dung in den Betrieben auseinandersetzen.

In der Zwischenzeit hat sich das Diskussionsfeld vor allem auf die mit der Er­nahrungsindustrie zusammenarbeitenden Landwirtschaftsbetriebe ausgedehnt und zu einigen interessanten Pilotvorhaben gefiihrt. Erkennbar ist dabei, daB die ge­samte Lebensmittelkette sowohl unter Qualitats- als auch unter Umweltgesichts­punkten analysiert und bewertet werden muB.

Beim Agrar-Oko-Audit spielt die Produktqualitat eine wichtige Rolle. Anders als die gewerbliche Wirtschaft, die mit weitgehend standardisierten Produktions­methoden arbeitet, produziert die Landwirtschaft umweltabhangig und regional­spezifisch. Diese gravierenden Unterschiede sind bei der Anwendung eines primar auf den Standort bezogenen Instrumentes in der Landwirtschaft zu beriicksichti­gen. Deshalb kann das Agrar-Oko-Audit mit dem Oko-Audit der gewerblichen Wirtschaft nicht identisch sein. Der Standortbegriff, die Produktqualitat und die GroBe der landwirtschaftlichen Betriebe sind Besonderheiten, die speziell beachtet werden miissen. Notwendig sind integrierte und angepaBte Oko-Audit-Systeme, die in der Landwirtschaft je nach regional en, produkt- und betriebsgroBenspezi­fischen Bedingungen variieren konnen.

Das Motto muB hier lauten: Schlanke Dokumentation - breite Anwendung!

Das Agrar-Oko-Audit bringt Ordnung in die Buchfiihrung und Transparenz in die Betriebsentwicklungsplane. Es dient der Reflexion des eigenen Tuns und macht als Offentlichkeitswirksames Kommunikationsinstrument sowohl Hand­lungs- als auch Produktionsziele deutlich. AuBerdem gibt das Oko-Audit lang­fristige Planungs- und Entscheidungssicherheit.

Der praventive Charakter des Oko-Audits hilft entscheidend, das Umwelthaf­tungsrisiko zu begrenzen und versicherungsfahig zu bleiben. Nicht zuletzt im Hin­blick auf die Kreditwiirdigkeit bringt das Oko-Audit entscheidende Bonitatsvor­teile bei Banken und Sparkassen. Dariiber hinaus wird mit dem Umweltmanage­mentansatz das Verhaltnis zu den Behorden und den Nachbam besser (Stichwort: Dialog-Management).

Das Agrar-Oko-Audit ist ein zeitgemaBer Begriff, mit dem sich der fortschritt­lich denkende Untemehmer-Landwirt nicht nur schmiicken kann, sondem von dem er auch profitiert. Neben der "guten fachlichen Praxis" werden die "Guten Ma­nagementpraktiken" in Zukunft auch im landwirtschaftlichen Betrieb starker als bisher gefragt sein. Zu den "Principles of Success" gehoren auch im Agrarbereich die immer wichtiger werdenden Umweltschutz- und Umweltvorsorgefragen.

Page 17: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 I Einfuhrung

Die Beitrage in dies em Buch belegen, daB ein Managementdenken in der Land­und Forstwirtschaft dringend notwendig ist und sich Umweltmanagementsysteme lohnen.

Das Wort von Immanuel Kant, daB die Praxis haufig so schlecht sei, wei I die Theorie fehle, gilt besonders beim Thema "Agrar-Oko-Audit". AuBer einigen we­nigen Ansatzen mit prototypischem Charakter gibt es in Europa noch kein schltis­siges Konzept fur Umweltrnanagementsysteme in der Landwirtschaft. Sie mUssen schleunigst entwickelt werden, damit in der Agrarpolitik wieder mehr Dynamik entsteht.

"Landwirte als Untemehmer" und "Bauem als Manager des landlichen Rau­mes" waren neue Perspektiven fur eine Agrarreform, die ihren Namen wirklich verdient. AnstOBe hierzu kann es nicht genug geben und fordert geradezu eine Neuausrichtung der anwendungsbezogenen Agrarforschung heraus. Eine Orientie­rung an professioneUen Methoden der gewerblichen Wirtschaft ware dabei nicht verkehrt, z. B. mit der Kennzahlenentwicklung, dem Benchmarking und des Indi­katoreneinsatzes.

Das Agrar-Oko-Audit hilft der Landwirtschaft und der Umwelt. Diese doppelte Dividende soUten wir nicht ungenutzt lassen. Denn was liegt naher, als die wichti­ge landwirtschaftliche Nutzung und den existenzieUen Schutz der Lebensraume miteinander in Einklang zu bringen?

Der Agrarstandort Deutschland hat nicht nur produktionstechnisch, sondem auch okologisch eine groBe Zukunft - das Agrar-Oko-Audit kann dazu ent­scheidend beitragen.

Wer die Landwirtschaft "fit machen" will, kommt am Agrar-Oko-Audit nicht vorbei.

"Die Landwirtschaft ist die erste aller Kiinste: ohne sie giibe es keine Kaujleute,

Dichter und Philosoph en; nur das ist wahrer Reichtum, was die Erde hervorbringt. "

Friedrich der Grope

Page 18: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Agrar-Oko-Audit

Zum Autor und Herausgeber

Edmund A. Spindler, Jg. 1949, hat nach Land­wirtschaftslehre und Tatigkeit als Staat!. gepr. Wirtschafter tiber den 2. Bildungsweg das Stu­diurn der Raurnplanung an der Universitat Dortmund als Dipl.-Ing. absolviert. 1987 initi­ierte er an der Universitat Dortmund den UVP­Forderverein und war von 1989 bis 1995 Wiss. Leiter des von ihrn aufgebauten UVP-Zentrurns in HarnrnJWestfalen. Von 1994 bis 1995 ge­harte er zum Grundungsvorstand des "Instituts der Umweltgutachter und -berater (IdU)" in Koln . 1m Dezember 1995 ist er fur drei Jahre zum stellvertretenden Mitglied im Umweltgut­achterausschu13 benannt worden. Ais Experte fur Umweltvertraglichkeitsprtifungen (UVP)

und Umweltmanagement (Oko-Audit) ist er an der Schnittstelle zwischen Okologie und Okonomie fur die Umweltvorsorge tatig. Zur Zeit befaJ3t er sich mit Agrar­Oko-Audit-Systemen, dem Autbau einer "Stiftung Umweltvorsorge" und ist als Projektleiter der bundesweiten Initiative "Sport und Umwelt" fur die S.O.F.-SAVE OUR FUTURE-Umweltstiftung in Hamburg tatig.

Page 19: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

2 Hammer Thesen zum Agrar-Oko-Audit

Neue Perspektiven fOr eine umweltbewuBte Gartenbau- und Landwirtschaftl

Siegfried Bauer, lens-Peter Abresch und Edmund A. Spindler

Die Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe hat unter der Federfiihrung der Gruppe Gartenbau und in Zusammenarbeit mit der Stiftung Umweltvorsorge i. Gr. am 21.2.1996 ein Seminar zum Thema "Agrar-Oko-Audit" im Oko-Zentrum NRW in HammlWestf. veranstaltet. Experten aus Landwirtschaft und Gartenbau haben dabei den aktuellen Stand und die Perspektiven von Umweltmanagementsystemen in Landwirtschaft und Gartenbau dargestellt und diskutiert. AniaB und Ausgangs­punkt fUr das Seminar war eine bei der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe entwickelte Umwelt-Checkliste fUr Baumschulen. Die Praxisreife dieser Umwelt­Checklistre sollte in Fachkreisen bekannter gemacht und der Versuch untemom­men werden, sie auch fUr die Landwirtschaft dienstbar zu machen. Insbesondere ging es mit dem Seminar darum, einen Weg zu rmden, wie aus der vorliegenden Umwelt-Checkliste fUr Baumschulen ein angepaBtes Umweltmanagementsystem in Anlehnung an die EG-Oko-Audit-Verordnung 1836/93 fUr die gesamte Landwirt­schaft entwickelt werden kann.

Als Ergebnis der Veranstaltung wurden die vorliegenden "Hammer Thesen zum Agrar-Oko-Audit" formuliert und werden hier einem breiteren Publikum zur Diskussion vorgestellt. Erste Entwiirfe der "Hammer Thesen zum Agrar-Oko­Audit" sind bei dem erwlihnten Seminar vorgestellt und diskutiert worden. Die nachfolgenden Thesen gehen auf die Beschiiftigung der Autoren mit Oko-Audit und mit der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik und ihre Einschiitzungen sowie auf Anmerkungen und Hinweise der Tagungsteilnehmer zuriick.

I) Die Autoren danken Herrn Dr. Lutz Wetzlar von der Landwirtschaftskammer Westfalen­Lippe fur wertvolle Anregungen und Hinweise.

Page 20: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 2 Hammer Thesen zum Agrar-Oko-Audit

These 1 Oko-Audits in Gartenbau und Landwirtschaft bieten neue Losungsansatze zu einigen zentralen agrar-umweltpolitischen Problemen auf lokaler Ebene.

Agrar-Oko-Audits setzen auf der einzelbetrieblichen Ebene an und bilden damit einen problemadaquaten Beurteilungsrahmen fUr die Umwelteffekte von Garten­bau und Landwirtschaft.

Durch die Freiwilligkeit der Beteiligung und betriebsangepaBten Gestaltung wird ein Spielraum fUr betriebsindividuelle Anpassungen UmweltschutzmaBnah­men eroffuet. Gegenliber dem weitgehend passiven Reagieren auf die weiter zu­nehmenden ordnungsrechtlichen Umweltvorschriften ist eine aktive Beteiligung von Untemehmen zur Bewaitigung von Umweltproblemen gefordert.

Agrar-Oko-Audits bieten eine Plattform zur Differenzierung der bestehenden umweltbezogenen Forder- und Extensivierungsprogramme und einzelbetrieblichen FordermaBnahmen.

Agrar-Oko-Audits konnen prinzipiell zur Erfassung okologischer Leistungen der Landwirtschaft herangezogen werden und damit wesentliche Probleme bei der Umsetzung und Operationalisierung von Konzepten zur Honorierung, wie etwa das Indikationsproblem und die administrative Abwicklung von Honorierungskon­zepten, sowie Erfolgskontrolle, lOs en helfen.

These 2 Eine substantielle Verbesserung der Umweltsituation ist durch die Anwendung der gegebenen Oko-Audit-Verordnung nicht notwendigerweise gesichert. Entscheidende GroBen bleiben weiterhin die Fahigkeiten und das Engagement der 8etriebe einerseits und die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen andererseits.

Aufgrund der Freiwilligkeit und der betriebsindividuellen Gestaltung ist durch das Instrument Oko-Audit eine flachendeckend an vorgegebenen Umweltstandards orientierte Wirtschaftsweise kaum erwartbar.

Die betriebsindividuelle Umweltpolitik wird vorrangig auf MaBnahmen gerich­tet sein, die keine oder nur geringe zusatzliche (Investitions-) Kosten erfordem.

Es sind Beispiele bekannt, bei den en eine systematische Umweltbetriebsprlifung einzelne Kosteneinsparungspotentialen aufgedeckt hat.

Auch wenn die Nutzung im umweltbezogenen und betriebswirtschaftlichen Sin­ne nicht verkannt werden sollte, ist realistischerweise zu erwarten, daB eine Reihe "harter" Konflikte verbleiben, die nicht durch das freiwillige Instrument Oko­Audits zufriedenstellend bewaltigt werden konnen.

Page 21: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Agrar-Oko-Audit 9

These 3 Die landwirtschaftlichen Betriebe werden die Vorteile und Nachteile (betriebsindividuelle Nutzen und Kosten) abwagen und auf dieser Grundlage eine Entscheidung fiber die Beteiligung am Oko-Audit fallen.

Die Kosten einer formalen oder informellen Beteiligung am Oko-Audit sind je nach Betriebsverhaltnissen unterschiedlich. Folgende Positionen dtirften haufig ins Gewicht fallen:

• Kosten fUr Umweltbetriebsprufung und fUr Umweltbegutachtung (exteme Ko­sten).

• Betriebsinteme (Opportunitatskosten) der Erstellung, laufenden Kontrolle, Be­richterstattung und Umweltprogrammgestaltung.

• Zusatzliche Investitionskosten und Kosten von Bewirtschaftungserschwemis­sen bzw. -anpassungen (GewinneinbuBen), abzUglich der Kosteneinsparungen durch AnstOBe der Betriebsprufung.

• Kosten durch die Offenlegung und dadurch moglicherweise notwendigen SanierungsmaBnahmen bei bislang verdeckten oder verschleierten Umweltver­stOBen.

Diesen Kosten konnen folgende betriebsindividuellen Nutzen einer Oko-Audit­Beteiligung eines Betriebes gegeniiberstehen:

• Aufrechterhaltung von bestehenden Absatzwegen und -kanalen, wenn Abneh­mer kiinftig die Durchfiihrung eines Oko-Audits verlangen.

• ErschlieBung neuer Absatzmoglichkeiten (Einbeziehung von Oko-Audits in gesamte Produktketten und Produktionslinien) und dadurch Erlangung von Preisvorteilen.

• Einsatz der Oko-Audit-Validierung im untemehmensbezogenen Marketing bei Direktabsatz, Regionalvermarktung, kooperativen Vermarktungssystemen.

• Gebiindelter Nachweis der Einhaltung der verschiedenen umweltrechtlichen Bestimmungen, die sonst hiiufig und in weiter wachsendem AusmaB durch aufwendige Einzelnachweise erbracht werden miissen.

• Erleichterung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (UVP-pflichti­ge Vorhaben konnen bei vorhandenem Oko-Audit schneller realisiert werden) und moglicherweise kiinftig leichterer Zugang zu Fordermittel.

• Nachvollziehbare Offenlegung und Herausstellung der Umweltbeeinflussungen und der okologischen Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe als Beitrag fUr mehr Transparenz und zur Verbesserung des gesellschaftlichen Image der Landwirtschaft ("von der Passive in die Offensive").

• Mogliche Vorteile bei kiinftigen Beihilfen, Subventionen oder einer gezielten Honorierung okologischer Leistungen der Landwirtschaft.

Page 22: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 2 Hammer Thesen zum Agrar-bko-Audit

These 4 Fur den uberwiegenden Teil der landwirtschaftlichen Betriebe scheinen derzeit die erwartbaren Nutzen die Kosten und Belastungen kaum abzudecken, so daB zunachst einmal eine vergleichsweise geringe Beteiligung (Freiwilligkeitsprinzip) zu erwarten ist.

Dies gilt insbesondere fur "nonnale" landwirtschaftliche Betriebe, die iiberwie­gend oder ausschlieBlich Massenprodukte (Rohwaren) erzeugen und diese beim Handel bzw. bei Verarbeitern abliefern. Typische Beispiele fur landwirtschaftliche Rohwaren und Verarbeitungsprodukte, sind Milch, Zuckerriiben, Getreide und z.T. auch Rind- und Schweinefleisch.

These 5 Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe betrieblicher Konstellationen, bei denen bereits heute ein betriebliches Umweltmanagement lohnend erscheint oder auf absehbare Zeit eine sinnvolle Anwendung aus betrieblicher Sicht gegeben ist.

Dies gilt vor all em fur:

• Landwirtschaftliche Spezialbetriebe des Gartenbaus, Weinbaus und der Obst­und Gemiiseerzeugung.

• Betriebe mit einem bedeutsamen Anteil der Selbst- und Direktvennarktung. • Landwirtschaftliche Betriebe, die von Seiten der Verarbeitungsunternehmen

entsprechende Auflagen erhalten bzw. dadurch ihre Marktposition verbessern und einen entsprechenden Preisaufschlag erhalten.

• Betriebe, die von Seiten gesellschaftlicher Gruppen einem starken Druck be­ziiglich ihrer Wirtschaftsweise und Tatigkeit ausgesetzt sind (z. B. in ballungs­nahen Gebieten oder in landlichen Gebieten und Darfern mit hoher auJ3er­landwirtschaftlicher Bevalkerung oder hohen Anteil von Touristen und Erho­lungssuchenden.

• Betriebe die selbst Tourismus und Erholungsmaglichkeiten anbieten und ihre Gaste von einer umweltvertraglichen Landbewirtschafiung iiberzeugen wollen bzw. miissen.

• Betriebe, die Biomiill und Klarschlamm einsetzen und ihre Absatzwege mit landwirtschaftlichen Produkten sichern wollen.

• Betriebe in Naturschutzgebieten oder Gebieten mit sonstigen anderweitigen Vorrangfunktionen (z. B. Wasserschutzgebiete).

• Betriebe die in hohem MaJ3e von Umweltvorschriften und Auflagen betroffen sind.

Page 23: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Agrar-Oko-Audit 11

These 6 Die wirtschaftlichen Verflechtungen von Gartenbau und Landwirtschaft mit den nachgelagerten Marktpartnern werden weiter zunehmen und zukunftig zu erhohlen Oko-Audit-Anforderungen an die zuliefernden landwirtschaftlichen Betriebe flihren.

Die Nahrungsmittelverarbeitung und Emahrungswirtschaft, als besonders umwelt­sensibler Wirtschaftsbereich beteiligt sich bereits heute vergleichsweise iiberpro­portional am Oko-Audit und wird dieses Instrument kiinftig verstarkt libemehmen (miissen).

Die landwirtschaftlichen Zulieferbetriebe werden mittelfristig in einen "frei­willigen Zwang" zur Oko-Audit - Beteiligung geraten.

These 7 Auch landwirtschaftliche Unternehmen konnen die Oko-Audit-Teilnahme bei der Zulieferindustrie nachfragen und ihre kunftigen Geschaftsbeziehungen von entsprechenden Nachweisen abhangig machen (mussen).

These 8 Die Einflihrung von Umweltmanagementsystemen wird in einem GroBteil der landwirtschaftlichen Betriebe nicht nach dem gleichen Muster wie in der gewerblichen Wirtschaft erfolgen konnen.

Einmal ist der unmittelbare Umweltbezug der Landbewirtschaftung starker ausge­pragt, wobei neben Umweltbelastungen auch positive Umwelteffekte in die Be­trachtung einbezogen werden miissen. Zum anderen sind bei typischen landwirt­schaftlichen Familienbetrieben nur begrentzt Managementverantwortlichkeiten im Sinne eines Umweltmanagementsystems zu verteilen. In diesem Sinne werden sich die Oko-Audit- und Umweltmanagementsysteme in Abhangigkeit von der Be­triebsgro/3e erheblich unterscheiden.

These 9 Umweltschutz kann in den Betrieben des Gartenbaus und der Landwirtschaft als Bestandteil eines umfassenden Qualitatsmanagements verstanden werden, denn nur ein umwellschonend erzeugtes Produkt wird den Kunden qualitativ zufriedenstellen.

Aufgrund der verschiedenen strukturellen und konzeptionellen Analogien liegt eine Verkniipfung von Umwelt- und Qualitatsmanagement in der Landwirtschaft

Page 24: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 2 Hammer Thesen ZUIll Agrar-Oko-Audit

besonders nahe. Daraus ergibt sich als voriaufiges Fazit: Unabhangig von der betrieblichen Entscheidung zur Teilnahme oder Nichtteilnahme am Oko-Audit nach EG-Verordnung lohnt sich die Orientierung des betrieblichen Umwelt­managements an den Bausteinen der EG-Verordnung.

These 10 Eine starkere Verbreitung von Agrar-Oko-Audits erfordert unterstutzende pOlitisehe MaBnahmen und Beteiligungsanreize fur die Betriebe. Aueh aus umweltpolitiseher Sieht ware eine Einbeziehung von Oko-Audit in die allgemeine Steuer- und Subventionspolitik sowie in die agrarpolitisehen FordermaBnahmen sinnvoll.

Konkret ware vorstellbar:

• Agrar-Oko-Audits konnten als gekoppelte Fordervoraussetzung in die einzelbe­trieblichen Forderung aufgenommen werden.

• Die Ein- und Durchfiihrung von Oko-Audits konnten als eigenstandige MaB­nahme in den Forderkatalog der einzelbetrieblichen Forderung aufgenommen werden, urn entsprechende fmanzielle Anreize fUr die Betriebe zu schaff en.

• Mittelfristig ware generell vorstellbar die Untemehmensbesteuerung u. a. von der Beteiligung und vom AusmaB betrieblicher Umweltbelastungen abhangig zu gestalten (Intemalisierung extemer Effekte).

• Aufgrund der oben eriauterten Besonderheiten und unterschiedlichen Struktu­ren sollten spezielle Branchenleitfaden als Hilfestellung fUr die verschiedenen Bereiche, Betriebsformen und GroBenstrukturen der Landwirtschaft erstellt werden. Diese Leitfaden sollten auf einer Reihe von Pilotvorhaben aufbauen, die von Landwirten und Beratem unter wissenschaftlicher Begleitforschung durchgefiihrt werden sollten.

Als Ausblick, politische Option und Perspektive bleibt festzuhalten: Bei der vorgesehenen Fortschreibung der EG-Oko-Audit-Verordnung Nr. 1836/93 im Jahre 1998 so lIte die Landwirtschaft in den Geltungsbereich dieser Verordnung aufgenommen werden. Wegen der besonderen Umweltbeziehungen ware ein spezi­fischer Weg fUr die Landwirtschaft und den Gartenbau vorzusehen, der auch bei der Akkreditierung der Umweltgutachter zu berUcksichtigen ist (Einbeziehung landwirtschaftlicher Institutionen und Organisationen).

Page 25: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Agrar-Gko-Audit 13

T r end z u m d k 0 - A u d i t

D asp rag t die A 9 r a r w r t s c h aft

Page 26: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Kapitel1

Umwelt- und Agrarpolitik

Wo steht die Land- und Forstwirtschaft beim Umweltmanagement? Was ist Oko-Audit, was meint Agrar-Oko-Audit?

mit Beitragen von:

Siegmar Bornemann:

Umweltmanagement - Vom Denken in Strukturen zum systemorientierten Lemen

Alexander von Boguslawski:

Inhalte und Ablauf des Oko-Audits nach der EMAS-Verordnung und Unterschiede zur DIN EN ISO 14001

Siegfried Bauer:

Umweltprobleme der Landwirtschafi und Umweltrelevanz der Agrarpolitik

Berthold Pohl:

Perspektiven der europiiischen Agrarpoltik. Zusammenhang von Subventions- und

Strukturentwicklung mit dem Instrument Oko-Audit

Jens-Peter Abresch:

Agrar-Oko-Audit - Oberlegungen zu Chancen und Problemen von betrieblichem Umweltmanagement in der Landwirtschafi

Christine Jasch:

Umweltmanagementsysteme for die Land- und Forstwirtschafi?

Heinrich Becker:

Agrarstrukturelle Bedingungen und Voraussetzungen bei Umweltkonzepten in der Landwirtschafi

Ludwig Glatzner:

Oko-Audit - eine genossenschafiliche Aufgabe

Page 27: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

3 Umweltmanagement - Vom Denken in Strukturen zum systemorientierten Lernen -

Siegmar Bornemann

3.1 Was ist eigentlich Umweltmanagement?

Vielleicht die wichtigste These gleich an den Anfang:

Umweltmanagement ist mehr, viel mehr, als die Erfiillung einer Verordnung bzw. die Umsetzung einer Norm!

Wenn dies den Untemehmen bzw. Untemehmem von Anfang an klar ist, kann bei der Einfuhrung eines solchen Systems eigentlich nicht mehr viel schief gehen.

Allerdings scheint es mir im Augenblick so zu sein, daB die meisten Untemeh­mer bzw. Untemehmen aller Branchen die Chancen eines solchen Systems noch nicht erkannt haben.

Vielmehr ist es so, daB die, die sich Uberhaupt schon mit der relativ neuen Pro­blemstellung auseinander gesetzt haben, die moglichen Risiken Uberbewerten.

Was also steckt nun hinter dem Begriff" Umweltmanagement"? Aus meiner Sicht ist in erster Linie die Unterscheidung zwischen einem IN­

HALTLICHEN und einem STRUKTURELLEN Umweltmanagement wesent­lich.

3.1.1 Inhaltliches Umweltmanagement

Es geht hierbei urn die materiellen Auswirkungen der untemehmerischen Tatigkei­ten aufunsere Umwelt.

Diese Auswirkungen sind allerdings nicht mehr nur emissions- bzw. immis­sionsbezogen zu sehen, sondem mUssen erheblich viel weiter gefaBt werden (Stichwort: Ressourcenverbrauch).

Vielen Entscheidem in Untemehmen werden die okonomischen und okologi­schen Rahmenbedingungen der industrialisierten Wirtschaftsraume fur die nach-

Page 28: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

sten lahrzehnte immer klarer. Ihnen ist bewuBt oder wird immer bewuBter, daB fur eine zukunftsorientierte Entwicklung "ihres" Untemehmens die umweltgerechtere Ausrichtung ihrer Produktion sowie ihrer Produkte von entscheidender strategi­scher Bedeutung ist, auch wenn z. Z. offensichtlich der Markt bzw. der Verbrau­cher eine solche Strategie nicht bzw. noch nicht honoriert.

Die "Zuriickhaltung" hat aber andere - durch die Untemehmen weniger bee in­tluBte - gesamtgesellschaftliche Ursachen, wie z. B. die als bedrohlich wahrge­nommenen Veranderungen des Arbeitsmarktes und vieles mehr.

Wird die Bedeutung erkannt, muB sich nun das untemehmerische Denken und Handeln verandem: weg yom reinen Denken in emissions- und immissionsmin­demden technischen MaBnahmen (den sogenannten "end of the pipe "-Technolo­gien), deren Moglichkeiten zudem weitgehend "ausgereizt" sind. Diese MaBnah­men reprasentieren auBerdem einen untemehmensbezogenen Umweltschutz, bei dem sich die Grenznutzen/Grenzkosten-Relation immer starker in Richtung Grenz­kosten verschiebt.

Die Moglichkeiten des produktionsintegrierten bzw. produktintegrierten Um­weltschutzes werden - branchenspezifisch unterschiedlich - in vie len Untemehmen noch nicht ausreichend genutzt. Gerade sie aber stellen einen Teil der neuen Chan­cen dar, sich starker inhaltlich mit dem betrieblichen Umweltmanagement ausein­anderzusetzen.

Mit einem Satz: Inhaltliches Umweltmanagement ist schon jetzt und in Zukunft verstarkt Res­sourcenmanagement!

Das heiBt, es muB ab sofort in moglichst vielen Untemehmen moglich werden, okologische und okonomische Vorteile miteinander zu vemetzen, urn den notigen Weg attraktiv fur die Untemehmer und damit nutzbringend fur die Umwelt I Mit­welt zu gestalten.

Inhaltliches Umweltrnanagement benotigt fur seine Umsetzung unterschiedliche Instrumente und Methoden (man spricht in der Literatur von "Umweltmanage­menttechniken" <1».

Beispiele fur solche Techniken sind:

(a) ABC/XYZ-Analyse

(b) Produkt-Okobilanz

(c) Produktlinienanalyse

(d) Technikfolgenabschatzung

( e) Umwelt-Portfolioanalyse

(t) Umweltkostenmanagement

(g) Umweltbetriebspriifung

(h) Umwelt-Controlling

Page 29: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

3 Umweltmanagement 19

Die angewandten Techniken milssen auf die jeweiligen Unternehmensstruktur, das vorhandene Managementsystem, sowie der unternehmens- und branchenbezo­genen Umweltproblemstellung zugeschnitten werden. Es gibt keine "Patentlosun­gen" und das ist gut so!

Allerdings konnen (und solIen) so\che Instrumente auch dazu dienen, "ver­krustete" Strukturen innerhalb der Unternehmen (d.h. auch zwischen den Mitarbei­ter/innen) aufzubrechen, urn der Kreativitat und der Innovation neue Moglich­keiten zu erOffnen.

Dementsprechend ist ein " akademischer " Streit der einzelnen Verfechter unter­schiedlicher Umweltmanagementmethoden nicht der Weg, der uns in Unternehmen weiterhilft. Denn gerade dort milssen diese Methoden ja verstanden und umgesetzt werden. Nur durch die Umsetzung eines inhaltlichen Umweltmanagements im Einzelunternehmen konnen wir dem gesamtgesellschaftlichen Ziel einer nachhalti­gen Entwicklung und Wirtschaftsweise fur die Industrienation Bundesrepublik Deutschland sukzessive naher kommen.

Wobei immer deutlicher wird, daB die Zeit fur unternehmensbezogenen wie ge­sellschaftliche Umsetzung solcher Strategien sehr knapp bemessen ist. Da viele Schritte - und seien sie noch so klein - benotigt werden, hatten wir eigentlich schon gestern anfangen milssen. Dies wird z.Z. in der Gesellschaft aber weder von brei­ten Kreisen der Unternehmerschaft noch der Arbeitnehmerschaft verstanden bzw. als Fakt akzeptiert und honoriert. So verzetteln wir uns bei der Diskussion von Umweltproblemen immer wieder in der Betrachtung von vermeintlich kausal mit­einander verknilpften Details.

Die gesellschaftliche Bereitschaft, der dringend benotigten GANZHEITLI­CHEN SICHTWEITE zum Durchbruch zu verhelfen, fehlt, was aile in daran festzumachen ist, das viele Diskussionsbeteiligte geradezu erschreckend bemilht sind, den Begriff "ganzheitlich" nicht in den Mund zu nehmen und ihn durch "gesamtheitlich" ersetzen.

Dies ist nur bedingt verwunderlich, da diese Bereitschaft auch den Willen zur Veranderung beinhalten milBte und damit tun wir uns aIle schwer. Diesen ganz­heitlichen Ansatz in die Praxis umzusetzen, ist sehr viel komplexer, als die meisten Menschen (" Manager "J wahr haben wollen.

"Einfache" Fragen, wie:

"WAS KOSTET UMWELTSCHUTZ UNSER UNTERNEHMEN, WAS BRINGT ER UNS?",

greifen zu kurz - da dabei vor allem in Entsorgungskategorien gedacht wird -und dadurch bekommen wir nicht die richtigen Antworten.

Page 30: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

20 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

3.1.2 Strukturelles Umweltmanagement

Bereits seit Juni 1993 haben die 12 damaligen EG-Staaten eine Verordnung Uber die "jYeiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschafts­system for das Umweltmanagement und die Umweltbetriebspriifung" verabschie­det. Seit Juli 1993 ist diese Verordnung in Kraft und so lIte in allen jetzigen EU­Staaten seit April des Jahres 1995 realisiert sein. Anhand dieser Verordnung be­steht nun fUr ein Untemehmen die Chance, "sein" Umweltmanagement-System unter Berucksiehtigung der vorgegebenen Module aufzubauen, in das betriebliche Geschehen zu implementieren und umweltbezogen "Schwachstellenanalyse" zu betreiben. Ober die einzelnen Module - beginnend mit der Festlegung einer unter­nehmensbezogenen Umweltpolitik bis hin zu einer internen Umweltbetriebspru­fung - ist in den letzten Monaten genUgend Material publiziert worden, so daB ich Wiederholungen an dieser Stelle vermeiden mochte. <2-7>

Wichtig ist aus meiner Sicht, daB die Strukturen, die die Verordnung vorgibt, so offen sind, daB jedes Unternehmen kreativ den gesetzlichen Rahmen selbst ausfUl­len kann und sollte. Es kann keine Rede davon sein, daB diese Verordnung nun erneut der schon vorhandenen "Biirokratisierung" in den Unternehmen Vorschub leistet. Diese Argumentationslinie wird in der Regel von den " Unternehmensver­tretern" verlassen, wenn wahrend des Prozesses deutlich wird, wie hilfreich im Einzelfall die OberprUfung der langst "eingefahrenen Verhaltensweisen" sowie die daraus erfolgende Verhaltenskorrektur fUr das "eigene Unternehmen" sein kann. Gerade in dieser - uns in den nachsten Jahren nicht verlassenden - Struktur­krise wird es immer wichtiger, auf diese nieht mit" veralteten Managementprakti­ken" zu reagieren.

Die immer starkere Vernetzung okonomischer, okologischer, aber auch sozialer Rahmenbedingungen, macht es erforderlich, unternehmenspolitische Ziele nicht losgelost von den Mitarbeiter/innen zu sehen, ohne die eine Umsetzung dieser Ziele in den Unternehmensalltag nicht moglich ist.

Es kann also nicht darum gehen - wie gerade in letzter Zeit haufiger geschehen -das Arbeitsplatze gegen den Schutz unserer Umwelt "ausgespielt" werden.

Diese Strategie fUhrt bei vie len Menschen in dieser Republik zu einer extremen Verunsicherung und damit ist weder den Mitarbeiter/innen in den Unternehmen noch der globalen Umwelt gedient, deshalb muB diese Diskussion korrekter ge­ftihrt werden. Zusatzlich besteht die Chance - wie inzwischen einige Unternehmen sehr eindrucksvoll belegen - mit der Einftihrung eines Umweltrnanagement­Systems Kosten zu reduzieren und damit Arbeitsplatze zu erhalten!

HIER SCHEINT MIR EIN HOHER "QUALlFlZIERUNGSBEDARF" SEITENS DER UNTERNEHMERSCHAFT:

Allerdings gehOrt auch dazu, den "Kopf auftumachen" fUr ein "neues Denken und Handeln" und die Kreativitat der verbliebenen Mitarbeiter/innen nieht durch ein kurzsiehtiges "Kahlschlagkonzept" (sprieh: kurzfristige Kostenreduktion

Page 31: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

3 Umweltmanagement 21

durch Mitarbeiter/innenfreisetzung und die daraus resultierende Furcht vor Ar­beitsplatzverlust) soweit zu dampfen, bis die Kette von .. weichen" Fakten sich fur das Unternehmen - zumindest mittelfristig - in kostentreibenden .. harten" Fakten bemerkbar macht <8>.

Wichtig ist: Ein strukturelles Umweltmanagement ist nur der Rahmen fUr ein inhaltli­

ehes Umweltmanagement: Struktur und Inhalt sind zwar sieher vernetzt zu sehen, sie sind letztlieh

wie die zwei Seiten einer Miinze, nur muD klar sein, daD die ,Jormaie Struk­tur" nieht die inhaltliehe Umsetzung "ersetzen" kann.

Das Unternehmen kann allerdings aueh nieht ohne eine fUr aile Mitarbei­ter klare Struktur mir der dazu gehorigen FestJegung von Verantwortliehkeit den betriebliehen Schutz unserer Umwelt inhaItlieh verbessern.

3.2 Welche Vorteile bietet ein solches Managementsystem fUr das Unternehmen bzw. die Umwelt?

Bereits heute UiBt sich anhand einiger Beispielunternehmen zeigen, daB es mit Hilfe eines soIchen Systems gelingt, das aIte Dogma

OKOLOGIE KONTRA OKONOMIE

positiv aufzubrechen. NatUrlich gilt in diesem Unternehmen der bekannte Satz:

.. Das haben wir schon immer so gemacht und bis jetzt war das doch auch richtig! "

nicht mehr. Vielmehr wird durch die Beschaftigung mit neuen Management­Methoden die Chance genutzt, .. verkrustete" Strukturen im Unternehmen aufzu­brechen, Schwachstellen zu finden und zu beseitigen und damit das Unternehmen zukunftsorientiert zu verandern.

Diese Unternehmen zeigen auch, daB sich eine umweltgerechtere Produktion bzw. ein umweltgerechteres Produktdesign sogar kurzfristig betriebswirtschaftlich rechnet. Als Beispiele fur soIche Unternehmen mochte ich nennen:

• Ein mittelstandiges Unternehmen der chemischen Industrie (ca. 850 Mitarbei­ter/innen), das als Pilotprojekt die Umsetzung der EG-Umwelt-Management­VO erprobte, hat nach eigenen Aussagen bis zur Validierung im November 1995 ca. 1,15 Millionen OM eingespart. Wobei dieser Sumrne ein Aufwand entgegenstand, der bei ca. 650 000 OM lag, die man narurlich gegenrechnen muB. Dazu komrnt allerdings noch eine Forderung von ca. 85 000 OM (Piiotprojekt), die den Aufwand auf 565 000 OM reduziert.

Page 32: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

22 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

• Ein sehr kleines Untemehrnen der chemischen Industrie (ca. 35 Mitarbeiter) hat im Zuge der Umsetzung die Produktpalette stark verandert und ist heute in der Lage, seinen Kunden umwelt- und gesundheitsgerechtere Produkte anzu­bieten (z. B. Klebstoffe).Dadurch ergibt sich fUr das Untemehrnen ein deutlich meBbarer wirtschaftlieher Erfolg.

• Ein Untemehrnen der metallverarbeitenden Industrie hat sehr frOh bereits mit der Einfiihrung eines Umweltmanagement-Systems naeh der EG-Verordnung begonnen. Bei der "Ersten Umweltprafung" hat man bereits eine Sehwachstel­Ie entdeekt, die dem Untemehrnen naeh eigenen Aussagen ca. 500 000 DM eingespart hat.

Allein aus dem Erfahrungsbereieh des Autors lieBen sieh weitere Beispiele auf­zeigen. Natiirlieh konnte jetzt die (der) geneigte Leser(in) sieh zu folgendem Ge­danken hinreiBen lassen:

"Wenn ein Unternehmen solche Schwachstellen hat, warum sind sie nicht schon kingst gefunden und durch geeignete Maj3nahmen behoben worden?"

Sieher ein emstzunehrnender und bereehtigter Einwand. Allerdings zeigt die Praxis, das in JEDEM Untemehrnen VERANDERUNGS­

POTENTIALE vorhanden sind, die bei genauer Betraehtung aueh (sieher nicht aussehlieBlieh) Kostenreduktionspotentiale beinhalten.

Diese Potentiale gilt es - besonders in Umbruehzeiten - zu finden und zu nutzen. Dies ist allerdings nur mit den Mitarbeiter/innen moglieh - nicht gegen sie!

ZusamengefaBt bieten sieh fUr Untemehrnen folgende Vorteile:

• aile fUr das Untemehmen relevanten Umweltdaten werden ermittelt und bewer­tet;

• auf Grund der dadureh definierten Datenlage kann eine MaBnahrnenplanung und -umsetzung exakter erfolgen; dadurch wird ein effizientes Umwelt - Con­trolling moglieh; <9>

• es besteht die reale Mogliehkeit, den Ressoureeneinsatz zu minimieren bzw. die Ressoureeneffizienz zu steigem und damit Kosten zu reduzieren (Res­sourcenmanagement);

• da ein sinnvoll aufgebautes Umweltmanagement-System aile Untemehrnensbe­reiche ganzheitlieh einbezieht, entstehen neue Problemlosungsmodelle, die vor allem nieht aussehlieBlich teehniseher Natur sind (Beziehungsmanagement);

• durch den Aufbau und die Einfiihrung eines solehen System verandem sieh die Kommunikationsstrukturen im Untemehrnen (., wer redet mit wem, wann, aber was und warum? "). Die frOher aus kortununikativen Sehwierigkeiten re­sultierenden Schnittstellenprobleme werden schneller beseitigt (Kommuni­kationsmanagement);

• dureh Optimierung der betriebliehen Kostenreehnung (z. B. Entsorgungskosten werden den Verursaehem zugereehnet) wird iiber okonomisehe Rahrnenbedin­gungen das Untemehrnen umweltgereehter, weil auf einmal vieles "sich rech­net", wo bisher noeh nieht einmal dariiber naehgedaeht werden durfte (Um­weltkostenmanagement);

Page 33: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

3 Umweltmanagement 23

• nicht zuletzt verandert ein selbst "gelebtes" und "erlebtes" und damit auch mitverandertes (" auf die gestalterische Kreativitdt eines jeden Mitarbeiters kommt es letztlich an! ") Umweltmanagement die Identifikation der Mitarbei­ter/innen mit "ihrem" Untemehmen und damit auch ihre Grundmotivation (Veranderungsmanagement);

• so werden letztlich positive "soft-facts" zu positiven "hard-facts" flir das Untemehmen!

FUr unsere Umwelt (Mitwelt) erreichen wir dabei folgende Vorteile:

• die globale Bedrohung der Umwelt(Mitwelt)zerstOrung wird als Gefahr flir das Oberleben der Menschheit wahrgenommen und als Fakt akzeptiert;

• nur dadurch begrUndet sich der Veranderungswille des einzelnen Menschen, aber auch und gerade der Wille zur Veranderung in den Untemehmen;

• durch den dokumentierten Willen zur Veranderung kommen wir weg von der bisher vorherrschenden emissionsbezogenen Sichtweise des betrieblichen Um­weltschutzes. Damit haben wir die Chance, aile untemehmesbezogenen Ablau­fe umweltgerechter zu gestalten und diese Chance mUssen wir nutzen;

• Uber diese Umgestaltung unserer Wirtschaftsweise muB es jetzt und in Zukunft aus okologischen GrUnden gelingen, durch eine gesteigerte Effizienz den Res­sourceneinsatz drastisch zu vermindert (Faktor 10) und so die Kreislaufe der Natur zu "entschleunigen";

• damit erhOhen wir die Regenerationsfahigkeit der Stoff- und Energiekreis­laufe, die wir z.Z. durch den anthropogenen EinfluB dramatisch Uberfordem;

• urn es noch einmal deutlich zu sagen, der einzufordemde Veranderungswille muB vordringlich von den Menschen in den Industrienationen begriffen und umgesetzt werden, denn sie" verbrauchen" im ObermaB unsere Welt;

• diese notigen Verhaltensanderungen ermoglichen erst ein langfristiges Oberle­ben auch einer noch wachsenden Menschheit auf unserer Erde;

• das bedeutet aber auch; daB die jetzt lebende Generation der 30-50jahrigen -vor all em in den Industrienationen - realisieren muB, daB sie entscheidend mit­verantwortlich ist flir die Lebensbedingungen der nachfolgenden Generationen; und zwar in einem so hohen MaB, wie dies noch nie vorher der Fall war (Generationenvertrag neuer Art). <10>

Page 34: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

24 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

3.3 Wie wird ein solches neues Managementsystem in die Unternehmen implementiert und ist dieses System mit anderen Managementsystemen vernetzbar?

Viele Untemehmen verfugen tiber sogenannte "self-made"-Managementsysteme, die sich im Laufe von Jahren - manchmal auch Jahrzehnten - aufgebaut bzw. her­ausgebildet haben. Hierzu gehOrt der hiiufig gehOrte "Ansporn" an neue Kollegen:

"Nun Lernen Sie erst einmai, wie es in diesem Unternehmen "Laufi"!"

Letztlich steckt hinter diesem "gut gemeinten" Rat nichts anderes, als der Wille der "aLteren" Kollegen, den selbst erlebten Anpassungsdruck nun endlich an ande­re weitergeben zu konnen.

In einem solchen Klima, das dann auch noch durch die" vermeintliche" Rezes­sion die Chance fur das Management erhoht, durch die "immer wieder gern ge­nommene" Praxis der schon angesprochenen "Freisetzung" von Mitarbeitem die Kostenstrukturen zu "verbessern ", ist eine kreative Neuorientierung des Unter­nehmens schwer vorstellbar.

Diese z .. Z. vorhandene "Grundstimmung" in vielen Untemehmen in der Bun­desrepublik ist einer der wichtigsten Faktoren fur die grundsatzlichen Schwierig­keiten am Standort Deutschland. In einer solchen Stimmungslage sich mit der Implementierung neuer Managementsysteme auseinanderzusetzen, ist sicherlich schwierig, aber nicht undenkbar.

Am Ende des Jahres 1995 gibt es in der Bundesrepublik - nach Aussagen der Zertifizierungsgesellschaften, ca. 10 000 Untemehmen, die nach der Norm DIN EN ISO 9000 ff ein zertifiziertes Qualitatsmanagement aufgebaut und eingefiihrt haben.

Es ist wahrscheinlich nicht von der Hand zu weisen, daB viele Untemehmen ein solchen System erst autbauen, wenn ein gewisser Druck des Marktes (der Kunden) fur sie sptirbar wird. Dieser Druck ist z.Z. branchenspezifisch noch sehr unter­schiedlich ausgepragt. Generell muB sicher festgehalten werden, daB ein System, das auf Grund eines auBeren Druckes und nicht aus innerer Dberzeugung aufge­baut wird, nicht so sinnvoll sein kann, da die Akzeptanz bei den Mitarbei­temlinnen in der Regel nicht sehr hoch ist.

Damit wird das Managementsystem im Untemehmen nicht ge- bzw. erlebt und die sich bietenden Chancen (z. B. die Behebung von Schnittstellenproblemen) werden nicht ausreichend genutzt. Zusatzlich bleibt festzuhaiten, daB auch im Bereich der Qualitat eine Unterscheidung zwischen einem strukturellen und einem inhaltlichen Qualitatsmanagement sinnvoll und wiinschenswert ist.

Gerade in der letzten Zeit wird intensiv tiber eine Vemetzung von unterschied­lichen Managementsystemen diskutiert. Allerdings wird bei dieser Diskussion die in aller Regel die STRUKTURELLE EBENE tibertont. <II>

Page 35: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

3 Umweltmanagement 25

Es kann aber bei einer moglichen Vemetzung nicht nur urn den "Abgleich" struktureller Bausteine gehen. WUrde nur dieser Weg beschritten, greift die Durchdringung im Untemehmen zu kurz und deshalb bleiben die vemetzten Sy­sterne zusammen hinter ihren eigentiichen Wirkungsmoglichkeiten zurUck.

Wenn es wenig sinnvoll ist, vordringlich Strukturelemente miteinander zu ver­gleichen, dann mull vor allem die inhaltliche Vemetzung von Managementsyste­men zukunftsorientiert genutzt werden.

Zu einem inhaltiichen QualiUitsmanagement-System gehoren beispielhaft unter­nehmensstrategische Konzepte (USAP) oder Personalentwicklungsstrategien (das ABV-System). <12>

Zukunftig wird es aber nicht nur urn eine VERNETZUNG von QUALIT ATS­UNO UMWEL TMANAGEMENT gehen, sondem weitere Untemehmens­strategien wie SICHERHEITS- UNO GESUNOHEITSMANAGEMENT oder auch INNOV A TIONSMANAGEMENT und KOMMUNIKA TIONS­MANAGMENT mUssen mittel- bis langfristig einbezogen werden.

Gerade fUr das mittelstandisch orientierte Untemehmen wird es in einem sich stan dig verscharfenden Wettbewerb darauf ankommen, rasch und flexibel nicht nur auf neue Anforderungen des Marktes zu reagieren, sondem im Vorfeld von Marktveranderungen durch eine Art SZENARIENMANAGEMENT (z. B. KRISENMANAGEMENT) mogliche Entwicklungen "vorzuempjinden ".

Zur untemehmensbezogenen Umsetzung solcher Ideen gehort die Moglichkeit, unabhangig von" unternehmensbezogenen Normen" zu Denken und zu Handeln.

Letztlich lassen sich aile Teile eines solchen Systems auf zwei Merkrnale redu­Zleren.

Untemehmen brauchen ein positives

BEZIEHUNGS- und VERANOERUNGSMANAGEMENT!

Es ist bekannt, nichts verandert sich so schnell wie der Markt - vor allem in die­ser Zeit - und die Untemehmen, die sich schnell und grUndlich auf den Weg zu einem GANZHEIT-LICHEN UNTERNEHMENSMANAGEMENT machen, nutzen die Chancen der Veranderung, ohne die Risiken zu vemachlassigen, ge­winnen so die Zukunft durch und fUr ihre Mitarbeiter/innen, sowie durch und fUr den Schutz unserer Umwelt.

Page 36: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

26 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

3.4 Wie konnte nun ein Agrar-Umweltmanagement-System aussehen?

Die grundsatzlichen Uberlegungen dieser kurzen Zusarnrnenfassung treffen sicher auch auf den landwirtschaftlichen Bereich zu. Hier wird es aus meiner Sicht aller­dings noch weniger auf ein strukturelles Umweltmanagement ankornrnen als in vie len kleinen und mittelstandigen Untemehmen.

Die inhaltliche Betrachtung - beispielhaft seien genannt: Einsatz von Pflanzen­schutzmittel, Uberdtingung, Grundwasserschutz, Bodenschutz, Fruchtfolge u. v .m. - muJ3 hier - wie auch im Untemehmen; allerdings mit vtillig anderen Schwerpunk­ten - tiberwiegen.

Die Validierung eines landwirtschaftlichen Standortes muB dernnach nach ande­ren Kriterien ablaufen als z. B. bei einem Produktionsstandort der chemischen Industrie.

Umweltgutachter brauchen dafiir sicher eine andere Qualifikation, soli eine sol­che Validierung nicht nur zu einem "System-A udit verkommen ", womit aber nie­mandem geholfen ware, weder der Umwelt noch der Landwirtschaft.

Auch bei der Umsetzung eines Agrar-Umweltmanagements wird es im hohen MaB auf die Glaubwtirdigkeit des eigenen Tuns und der glaubwUrdigen Darlegung dieses Tuns ankornrnen.

Es darf dabei nicht unterschatzt werden, daB gerade Umweltthemen, die mit der Landwirtschaft in Verbindung stehen, in ganz besonderem MaBe "Themen von offentlichem lnteressen und hohem Konjliktpotential" sind. <13>

3.5 Landwirtschaft ist nicht per Definition mit(um)weltschutzend!

Die grundsatzlichen Mtiglichkeiten anhand von Modell-Projekten eine Umsetzung eines Umweltmanagement-System in der Landwirtschaft zu trainieren, sollten genutzt werden.

Dber so1che Projekte muB allerdings mit der Offentlichkeit intensiv kornrnuni­ziert werden. Dies findet so z.Z. noch nicht statt - schade!

AbschlieBend bleibt festzuhalten, daB die Grundstruktur der EG-Umwelt­management-YO aus dem Jahre 1993 im groBen und ganzen die Elemente enthalt, die auch sinnvoll bei einem Agrar-Umweltmanagement-System ein- und umzuset­zen waren.

Page 37: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

3 Umweltmanagement 27

W obei sicher zu verschiedenen Elementen eine vertiefende Betrachtung und Beschreibung bezogen auf Herausforderungen in der Landwirtschaft nOtig waren; nehmen wir als Beispiel die Autbau- und Ablauforganisation, die in einem land­wirtschaftlichen Betrieb anders aussehen muB, als in einem produzierenden Unter­nehmen der metallverarbeitenden Industrie. Unter dem Gesichtspunkt der nach­haltigen Entwicklung unserer Gesellschaft muB allerdings klar sein, daB der groBe Bereich der Landwirtschaft aus dem System einer kontinuierlichen Veranderung und Verbesserung nicht ausgeblendet bleiben darf.

Literatur

<1> KAMISKE, G.F.ID. BUTTERBRODTI M. DANNICH-KAPPELMANNIU., TAMMLER (1995) Umweltmanagement - Moderne Methoden und Techniken zur Umsetzung Verlag Carl Hanser Miinchen.

<2> SIETZ Manfred (Hrsg.) (1994) UmweltbewuBtes Management Verlag E. Blottner Taunusstein 2. Aufl.

<3> SCHIMMELPFENG, Lutz 1 MACHMER, Dietrich (Hrsg.) (1995) Oko-Audit: Umweltmanagement und Umweltbetriebsftihrung Verlag E. Blottner Taunusstein.

<4> BUNDESUMWELTMINISTERIUMlUMWELTBUNDESAMT (1995) Handbuch Umweltcontrolling Verlag F. Vahlen Miinchen.

<5> ALIJAH, Renate 1 HEUVELS, Klaus (1995) Betriebliches Umweltmanagement Verlag WEKA Augsburg Loseblattsammlung mit standiger Aktualisierung.

<6> HOPFENBECK, W. 1 JASCH, Ch. 1 JASCH, A. (1995) Oko-Audit - Der Weg zum Zertifikat-Verlag moderne industrie LandsbergILech 1995.

<7> FICHTER, Klaus (Hrsg.) (1995) Die EG-Oko-Audit-Verordnung - Mit Oko-Controlling zum zertifizierten Umwelt­managementsystem - Reihe Okologische Unternehmensftihrung Verlag Carl Hanser, Miinchen.

<8> WILLIG, Matthias 1 BORNEMANN, Siegmar Die EG-Umweltaudit-Verordnung: Der Mensch als Mittel(punkt)? lahrbuch VDI-KUT 1995/1996, Seite 10 - 22.

<9> HALLA Y, Hendrik 1 PFRIEM, Reinhard (1992) Oko-Controlling - Umweltschutz in mittelstandischen Unternehmen Campus Verlag Frankfurt.

<10> VON WEIZACKER, Ernst Ulrich (1992) Erdpolitik - Okologische Realpolitik an der Schwelle zum lahrhundert der Umwelt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 3. aktualisierte Auflage Darmstadt.

Page 38: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

28 Kapitel I : Umwelt- und Agrarpolitik

< II > TETTE, Michael A. (1996) Praktischer Ansatz zum Aufbau eines einheitlichen Managementsystem fur Umwelt­schutz und Qualitat UmweltWirtschaftsForum 4 (2), 20 - 25 .

< 12> NOTGES, Heinz-Josef (I 994) Anleitung zum Misserfolg 2 - Ein durchaus ernstgemeinter Beitrag zum Thema Mitarbeiterftihrung oder Wie man gute Mitarbeiter schnellstens wieder los wird Deutscher Fachverlag FrankfurtlM.

< 13> WILLIG, Matthias / HARTMANN, Martin / BORNEMANN, Siegmar (1995) Das Bermudadreieck - Zur Entwicklung gesellschaftlicher Kommunikationsstruk turen in der Umweltschutzdebatte - Themenzentrierte Interaktion 9(2), 5 - 12.

Zurn Autor

Prof. Dr. rer. nat. Siegmar Bornemann, Jg. 1952, Dipl.-Ing. der Fachrichtung Chemie, studierte nach einer Mechanikerlehre von 1973 bis 1978 Chemie mit den Schwerpunkten Tech­nische Chemie, Chemische Verfahrenstechnik und Biologische Chemie. Nach seinem Diplom 1978 als Ingenieur folgte 1981 die Promotion in Biologischer Chemie. Nach dem Referenda­riat fur das Lehramt Sekundarstufe II an be­rufsbildenden Schulen (1981 bis 1983) war er von 1985 bis 1988 an der Werkberufsschule der Bayer AG in Leverkusen Uitig. Danach lei­tete er das Referat "Umweltschutzinformation / -Seminare" im Ressort Umweltschutz der Bayer AG . Von 1992 bis 1994 war er Fachbe­reichsleiter fur "Betriebliches Umweltmanage­

ment" der Fresenius Akademie in Dortmund und Borken. Seit 1992 ist er Dozent fur Ganzheitliches Umweltmanagement an der Privaten Fachhochschule Fresenius in Dortmund, deren stellvertretender Leiter er 1995 war. Seit 1996 widmet er sich dem Aufbau des Institutes fur ganzheitliches Untemehmensmanagement in Paderbom und Leverkusen. Seine Spezialgebiete liegen in den Bereichen Umwelt­management, Umwelt-Kommunikation, Umweltbildung, Qualitatsmanagement, der Entwicklung von Bildungsmedien- und Methodenentwicklung sowie der Motiva­tion von Mitarbeitem.

Page 39: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalte und Ablaut des Oko-Audits nach der EMAS-Verordnung und Unterschiede zur DIN EN ISO 14001

Alexander von Boguslawski

4.1 Einleitung

Anfang 1993 wurde den Mitgliedstaaten der EG yom Rat der Europaischen Ge­meinschaft das EG-Programm "Ftir eine dauerhafte und umweltgerechte Entwick­lung" vorgelegt. Dieses 5. Aktionsprogramm stellt den Umweltschutz als Mana­gementaufgabe auf Gemeinschaftsebene in den Vordergrund.

Mit der "Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates yom 29. Juni 1993 tiber die freiwillige Beteiligung gewerblicher Untemehmen an einem Gemeinschaftssystem fur das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprtifung", im folgendem kurz EG-Oko-Audit-Verordnung genannt, wird der Forderung des 5. Aktionspro­gramms der EG ein Instrumentarium gegeben, dem anspruchsvollem Ziel naher zu kommen.

Lag der Schwerpunkt der meisten Lander der EG auf der Schaffung ordnungs­politischer Rahmen und der Oberwachung, ob dieser Rahmen erfullt ist, stellt die EG erstmals ein marktwirtschaftliches Instrument zur Verfugung, urn den Umwelt­schutz zu verbessem und zu starken.

Die EG-Oko-Audit-Verordnung ist in der Konzeption freiwillig. Nur wer sich offiziell am System beteiligen will, muB die entsprechenden Vorgaben der EG­Oko-Audit-Verordnung erfullen. Diese Freiwilligkeit wird jedoch faktisch durch Marktzwange ausgehebelt, ahnlich wie bei den Qualitatssicherungssystemen. Lie­feranten, Aufiraggeber, Banken, Versicherungen und nicht zuletzt auch die Of­fentlichkeit werden die Teilnahme an dem System als ein MaB fur die Qualitat der Umweltleistung sehen und diese im Rahmen ihrer Beziehungen zu den Untemeh­men von diesen fordem. Untemehmen, die sich nicht an dem System der EG-Oko­Audit-Verordnung beteiligen, erleiden somit einen Image- und Vertrauensverlust.

Die EG-Oko-Audit-Verordnung verfolgt das Ziel den Umweltschutz konti­nuierlich, tiber die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinaus, zu verbessem. Dazu sind in der EG-Oko-Audit-Verordnung einige Prinzipien impliziert und es wird ein

Page 40: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

30 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Instrumentarium vorgegeben, mit dem die Unternehmungen das Ziel der kontinu­ierlichen Verbesserung des Umweltschutzes erreichen konnen.

1m folgendem werden kurz die Hintergrlinde und die Entstehungsgeschichte der EG-Oko-Audit-Verordnung eingegangen. Dieses Kapitel ist jedoch nur fUr dieje­nigen von Bedeutung, die etwas mehr Hintergrundinformationen bekommen mochten. Diejenigen, die sich nur fUr die EG-Oko-Audit-Verordnung und ihren Ablauf interessieren, konnen dieses Kapitel ohne Bedenken liberspringen. An­schlie13end wird kurz auf die Prinzipien und dann ausfUhrlicher das Instrumentari­um der EG-Oko-Audit-Verordnung eingegangen.

1m Kapitel drei sind die jeweiligen Bezugs-IFundstellen in der EG-Oko-Audit­Verordnung in Klammer angegeben. So ist es immer moglich, den Bezug zur EG­Oko-Audit-Verordnung herzustellen. Dies ist wichtig, da die EG-Oko-Audit­Verordnung in der ersten Betrachtung unlibersichtlich erscheint. Dies liegt daran, daB die eigentlichen Inhalte in den Anhangen zu finden sind. Der Text der EG­Oko-Audit-Verordnung ist an sich ausreichend fUr die innerbetriebliche Umset­zung. Die Zuhilfenahme von Umsetzungshilfen z. B. in Form von Leitfaden oder externen Beratern ist jedoch sehr hilfreich und spart oft viel Zeit.

4.2 Einfuhrung in die Problematik I Hintergrund

4.2.1 Problemlage

Die Schlagworte "Treibhauseffekt", "Ozonloch" und "Artensterben" sind mittler­weile in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen worden. Sie stehen fUr die Auswirkung der unbedachten Nutzung der natlirlichen Ressourcen im Rahmen der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung aller Industrienationen der Welt. Durch die mit der Industrialisierung verbundene Philosophie der unbeschrankten Nutzbarkeit der narurlichen Rohstoffe, die den Einwohnern der Industrienationen einen hohen Lebensstandard brachten, ist die gesamte Menschheit nun an die Grenzen der Be­lastbarkeit ihrer Lebensgrundlagen gelangt.

In vie len Industrienationen, wie Deutschland, begann man Ende der sechziger Jahre, durch regionale Probleme aufgeschreckt, schwerpunktmaBige SchutzmaB­nahmen und -programme zu entwickeln. Das Versprechen des damaligen Bundes­kanzlers Willy Brandt vom "blauen Himmel tiber der Ruhr" konnte wie viele ande­re EinzelmaBnahmen eingelOst und umgesetzt werden. Dennoch stieg die globale Umweltbelastung trotz internationaler Anstrengungen we iter an.

Kennzeichnend fUr die Situation in Deutschland ist ein Umweltrecht, das nicht transparent und homogen ist. Das fUhrt sowohl bei den von den Regelungen Be­troffenen als auch bei den staatlichen Genehmigungs- und Vollzugsbehorden zu Problemen.

Page 41: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 InhaIt und Ablauf des Oko-Audits 31

Die Folge davon ist, daB sowohl Untemehmen als auch staatliche Kontrollorga­ne vor die schier unlosbare Aufgabe gestellt werden, die Einhaltung tausender von Einzelanforderungen zu garantieren. Die dazu erforderlichen Systeme auf beiden Seiten sind zu aufwendig. Wegen des allseits steigenden Kostendrucks wird auf beiden Seiten eine Koordinierung der erforderlichen MaBnahmen immer schwieri­ger, so daB es zu gegenlaufigen Entwicklungen und sich tiberschneidenden Aktivi­taten im gleichen Bereich kommen kann.

Zur Losung dieses Problems sind also offensichtlich Ansatze auf verschiedenen Ebenen erforderlich.

4.2.2 Bisherige Losungsansatze

Zur Verdeutlichung ist die Entwicklung der deutschen Umweltgesetzgebung und die aktuelle Situation nachfolgend kurz dargestellt.

Die fiiihe Umweltgesetzgebung reagierte auf umweltschadigende Situationen mit Gesetzen, Verordnungen oder Auflagen. Dazu wurden Grenzwerte festgelegt, urn eine Verringerung der Immissionen zu erreichen. Kennzeichnend fur dieses System war also, daB es erstens reagierend, nicht agierend, und zweitens medien­bezogen aufgebaut war. Der Vorsorgeaspekt aus dem ersten Umweltprogramm der Bundesregierung konnte nicht angemessen berucksichtigt werden, da die an erster Stelle stehenden ReparaturmaBnahmen zu viele finanzielle und personelle Res­sourcen banden.

Durch Umweltforschungsprogramme war ein enormer Erkenntniszuwachs zu verzeichnen, der je nach Sichtweise zur Aufbliihung beziehungsweise zur Verdich­tung und Verfeinerung der Gesetzgebung im Umweltbereich fiihrte. Seit Beginn der achtziger Jahre rtickte der okologische Gesamtzusammenhang im Sinne einer okologischen Tonung des Umweltrechts und die umweltangemessene Ausrichtung der gesamten Rechtsordnung immer mehr in den Vordergrund. Seitdem wird an­gestrebt, weniger reagierende, sondem vielmehr vorbeugende Rechtsbereiche zu schaffen.

Auf das Umweltprogramm der Bundesregierung folgend, wurden in zeitlicher Abfolge zahlreiche Gesetze erlassen, wobei hier nur eine Auswahl aufgelistet wird.

• Fluglarmgesetz (FluglarmG) 1971 • Abfall[beseitigungs]gesetz (AbfG) 1972 • Bundesimmissionschutzgesetz (BlmSchG) 1974 • Energieeinspargesetz (EnEG) 1976 • Abwasserabgabengesetz (AbwAG) 1976 • Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) 1976 • Chemikaliengesetz (ChernG) 1980 • Gesetz tiber die Umweltvertraglichkeitsprufung (UVPG) 1990 • Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) 1990

Page 42: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

32 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Ftir die Umweltgesetze ist charakteristisch, daB sie der Exekutive im erhebli­chen MaBe den EriaB von Rechtsverordnungen zuweisen. Das Verordnungswerk kann dabei im Einzelfall den mehrfachen Umfang der gesetzlichen Regelung ha­ben. Dies ist zum Beispiel beim Bundesimmissionschutzgesetz der Fall, dem uber 20 Verordnungen folgen.

Ein weiteres Charakteristikum des Umweltrechts ist, daB haufig unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, die durch Rechtsverordnungen zu konkretisie­ren oder der technischen Entwicklung anzupassen sind. Daraus resultiert eine fast unuberschaubar groBe Anzahl Verordnungen, Anweisungen und sonstiger Rege­lungen. Bei einer konsequenten Weiterentwicklung dieses Weges waren sowohl in den Unternehmen als auch in der offentlichen Verwaltung bald eine uberpropor­tional groBe Anzahl von Personen im Bereich des Umweltrechts beschaftigt, urn aile Aufgaben sachgerecht wahrzunehmen. Es zeigt sich somit, daB auch die in­stallierten Kontrollen an ihre Grenzen stoBen und somit staatlich kontrollierter Umweltschutz in der herkommlichen Weise auf Dauer nicht bezahlbar ist. In der Folge haben sich deshalb alternative Ansatze entwickelt, die im nachsten Abschnitt dargestellt werden.

4.2.3 Neue Losungsansatze

4.2.3.1 Neuordnung des Umweltrechts Auf der rechtlichen Seite ist es einerseits notig, den Umweltschutz durch Aufnah­me in das Grundgesetz aus der sonst aussichtslosen Konkurrenz zu anderen Rech­ten, die dort verankert sind, zu nehmen und andererseits das gesamte Umweltrecht zu vereinheitlichen und zusammenzufassen. Dies wurde einerseits durch die Auf­nahme des Umweltschutzes als Staatsziel in die deutsche Verfassung erfiillt. Ande­rerseits wurden entsprechende Entwtirfe fUr die Zusammenfassung aller Umwelt­gesetze in ein eigenes Umweltgesetzbuch (allgemeiner Teil 1990, spezieller Teil 1994) vorgelegt.

4.2.3.2 Lenkende Eingriffe Marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente wie Subventionen, Abgaben, Lizen­zen, Kompensationen und Benutzungsvorteile haben teilweise Eingang in staatli­ches Handeln gefunden. Besonders yom Instrm'nent der Abgaben wurde in der Vergangenheit immer starker Gebrauch gemacht. Beispiele dafUr sind die Abwas­serabgabe, die Grundwasserabgabe und die Sonderabfallabgabe, die einerseits teilweise von bestimmten Industrien noch mit rechtlichen Mitteln bekampft wer­den, andererseits aber bereits zu meBbarer Umweltentlastung in ihren Regelungs­bereichen beigetragen haben. Von den anderen genannten Instrumenten besteht in Deutschland bisher praktisch nur Erfahrung mit Subventionen, die im Umweltbe-

Page 43: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 33

reich jedoch noch nicht so verbreitet sind, wie z. B. in der Arbeitsmarktpolitik. Erfahrungen mit Lizenzen und Kompensationen werden zur Zeit gerade in den USA gesammelt. Die aufmerksame Beobachtung der dortigen Verfahren wird sicherlich lohnend sein.

4.2.3.3 Eigenverantwortlichkeit als neues Ziel In den USA entwickelten sich seit Mitte der siebziger Jahre Audit-Systeme, urn den Aktionaren groBer Unternehmen darlegen zu konnen, daB gesetzliche Vorga­ben eingehalten werden. In GroBbritannien wurde yom British Standards Instituti­on (BSI) eine Norm fur den Aufbau eines Umweltmanagementsystems entwickelt, urn den Umweltschutz besser in die Unternehmensablaufe zu integrieren (ausfuhr­licher unten). Aus diesen Entwicklungen und einem Positionspapier der Interna­tional Chamber of Commerce (ICC) wurde von der Europaischen Gemeinschaft die Oko-Audit-Verordnung entworfen und 1993 nach anfanglicher deutscher Ab­lehnung verabschiedet.

Die EG-Oko-Audit-Verordnung ist bewuBt in das Gesamtkonzept der "dauer­haften umweltgerechten Entwicklung" (Sustainable Development) eingebunden und betont, daB die "Industrie ... Eigenverantwortung fur die Bewaltigung der Umweltfolgen ihrer Tatigkeiten tragt". Ausgangspunkt fur soIche Bestrebungen ist die Erkenntnis, daB es unverhaltnismaBig teurer ist, durch unbedachte Produktion, Verwendung und Entsorgung von Produkten entstandene Umweltschaden nach­traglich zu reparieren, als sie durch entsprechende Planungen von vomherein zu vermeiden. Damit ist die EG-Oko-Audit-Verordnung gewissermaBen ein neuer Schritt im Umweltrecht.

4.2.3.4 Auslandische Ansatze Die Wurzeln des Umwelt-Auditings konnen in den USA gefunden werden. Mitte der siebziger Jahre iibten veranderte technische Kenntnisse Druck auf die Gesund­heits-, Sicherheits- und Umweltaspekte der industriellen Aktivitaten aus. Durch eine Reihe von Industrieunfallen aufgrund nichtbeachteter gesetzlicher Vorschrif­ten wurde das Offentliche BewuBtsein fur Umweltprobleme gescharft. Die aggres­sive Medienberichterstattung unterstiitzte diesen ProzeB und zwang die Unterneh­men zum Handeln. Es sollte der Nachweis der Einhaltung der gesetzlichen Be­stimmungen erbracht werden.

In den USA wird das Umwelt-Auditing deshalb als rein internes Kontrollin­strument angesehen, das dazu dient, zu priifen, ob aIle relevanten Umweltschutz­gesetze eingehalten werden (Compliance Auditing), damit die Unternehmen nicht der Gefahr von Haftungsanspriichen ausgesetzt sind. In neuester Zeit geht der Trend jedoch in Richtung einer vermehrten, umfassenderen Anwendung von Um­welt-Audits in Kombination mit den Bereichen Sicherheit und Gesundheit. Ebenso zu erkennen ist, daB sich das Umwelt-Auditing verstarkt zu einem Dberwachungs­instrument des gesamten Umweltmanagementsystems entwickelt, wodurch sich

Page 44: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

34 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Umwelt-Audits in breiten Kreisen der amerikanischen Industrie als unentbehrlicher Teil des gesamten Managements durchsetzten.

In GroBbritannien veraffentlichte am 16. Marz 1992 die BSI den weltweit er­sten Standard tiber ein Umweltmanagementsystem, den British Standard CBS) 7750: 1992. Die generellen Anforderungen dieser Norm sind die Dokumentation von systematischen Prozeduren und Anweisungen sowie ihre Umsetzung. Der BS 7750 schreibt ein Umweltmanagementsystem nicht vor, beschreibt aber ein Modell mit dessen Hilfe sich die Unternehmen ein individuell angepaBtes System auf­bauen kannen. Dieses soli in bestimmten Abstanden hinsichtlich seiner Wirksam­keit tiberprtift werden. Dabei werden Auditberichte miteinbezogen. Dieser Stan­dard versucht das Audit ahnlich zu systematisieren wie die Qualitatssicherungssy­sterne aus dem er entstanden ist und wird deshalb auch mit "umwelttechnische Managementsysteme" tibersetzt. Ftir eine Integration des Umweltschutzes in aile Unternehmensfunktionen ist dies aber nicht ausreichend.

4.3 Inhalte der EG-Oko-Audit-Verordnung

4.3.1 Kurzdarstellung

Die EG-bko-Audit-Verordnung beschreibt Inhalte, Ziele und Instrumente des Ver­fahrens in 21 Artikeln und funf Anhangen. Sie formuliert explizit beziehungsweise enthalt implizit mehrere Prinzipien, die weiter unten noch im einzelnen erlautert werden. Zum Erreichen der Ziele der Verordnung werden zudem eine Reihe von Instrumenten definiert. Diese sind ebenfalls unten kurz beschrieben.

Wenn ein Unternehmensstandort freiwillig an dem Verfahren teilnimmt, sind folgende wesentlichen Forderungen zu erfullen:

• Die Formulierung einer Umweltpolitik und die Ermittlung des Ist-Zustandes des Standortes bezogen auf seine Umweltwirkungen C Umweltprufung).

• Ausgehend von dieser Erhebung ist ein Umweltprogramm zu entwerfen, das beschreibt, welche Verbesserungen das Unternehmen anstrebt, und ein Um­weltmanagementsystem zur Steuerung, Oberwachung und Kontrolle aufzubau­en, das garantieren soli, daB die angestrebten Ziele auch erreicht werden.

• In regelmaBigen zeitlichen Abstanden ist dies durch ein Umweltbetriebspru­fungsverfahren zu dokumentieren. Falls Vorgaben nicht erreicht werden konn­ten, sind die Ursachen dafur zu ergrtinden. Aufgrund des Soll-Ist-Vergleichs ist das Umweltprogramm durch Erganzung urn Umweltziele zu konkretisieren und gegebenenfalls zu revidieren. Ferner ist das Umweltmanagementsystem einer kritischen Revision zu unterziehen und neu zu organisieren.

Page 45: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 35

• Sowohl die Umweltpriifung (Ersterhebung) als auch die Umweltbetriebsprii­fongen (Foigeerhebungen) sind dabei durch speziell daflir geschultes Personal (Umwelt-Betriebspriifer) durchzufiihren.

• Ais Ergebnis der Umweltbetriebspriifongen wird eine Umwelterklarung er­stellt, die wichtige Einzelheiten zusammenfaBt.

• Aile Elemente des Verfahrens, wie sie in einem Untemehmen konkret umge­setzt wurden, und die Umwelterklarung sind durch exteme zugelassene Um­weltgutachter auf Konformitlit mit der Verordnung zu tiberpriifen undfor gill­tig zu erklaren.

• Die Umwelterklarung ist dann zu veroffentlichen und der Standort wird von der zustandigen Stelle des Mitgliedslandes in ein Verzeichnis eingetragen.

• Danach darf das Untemehmen durch eine Teilnahmeerklarung, die nicht zur Produktwerbung dienen darf, auf seine Teilnahme an dem Verfahren hin weisen.

4.3.2 Die EG-Oko-Audit-Verordnung im Detail

4.3.2.1 Prinzipien Die Verordnung enthlilt einige Grundslitze, die hier als "Prinzipien" der Verord­nung bezeichnet werden. Diese Prinzipien sind teilweise explizit genannt, teilweise nur implizit im Text enthalten. 1m folgenden werden die Prinzipien kurz vorge­stellt.

Freiwilligkeit Die Teilnahme an dem System erfolgt fUr gewerbliche Untemehmen freiwillig. Teilnahmeberechtigte Gewerbe sind in den Abschnitten C und D der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europliischen Gemeinschaft (NACE Rev. 1) aufgeflihrt. Hinzu kommen die Erzeugung von Strom, Gas, Dampf und Heill­wasser sowie Recycling, Behandlung, Vemichtung oder Endlagerung von festen oder fltissigen Abfiillen (Artikel 2). Andere Zweige sind vorerst nicht in dem Sinn teilnahmeberechtigt, daB sie sich in das Verzeichnis der eingetragenen Standorte (Artikel 9) aufuehmen lassen konnen und die damit verbundene Teilnahmeerklli­rung (Artikel 10 und Anhang IV) abgeben dtirfen. Allerdings konnen durch die Mitgliedsstaaten in nationaler Zustlindigkeit analoge Vorschriften fUr andere, durch die Verordnung nicht abgedeckte Sektoren erlassen werden (ArtikeI14).

Standortbezogenheit Die Teilnahme bezieht sich immer nur auf einen Standort eines Untemehmens (Artikel 1 und 3; Definition von "Standort" siehe Kasten "Begriffsbestimmungen der EG Verordnung 1836/93" S. 49t). Hintergrund flir diese Bestimmung ist die Verkntipfung des Standortes mit seiner Umgebung. Durch Teilnahme am System

Page 46: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

36 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

sollen die Umweltbedingungen am Standort verbessert werden und keine Mog­lichkeiten der Verrechnung vorbildlicher Leistungen an einem Ort mit unzurei­chenden an anderen Orten eroffnet werden. Jeder einzelne Standort soli optimiert werden.

Eigenverantwortlichkeit Das Prinzip der Verantwortlichkeit fur das eigene Handeln und die erzeugten Pro­dukte ist in der Verordnung dadurch umgesetzt worden, daB die wesentlichen MaBnahmen und Tatigkeiten innerbetrieblicher Natur sind. Die Adressaten der Instrumente Umweltpolitik, Umweltprogramm, Umweltziele, Umweltrnanagement­system, UmweltprUfung und UmweltbetriebsprUfung sind die eigenen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter. Durch die konsequente Planung der Produkte und der Produktion unter Umweltgesichtspunkten, wobei jeder Mitarbeiter gefordert wird, entstehen die im Grunde gewUnschten AuBenwirkungen.

Kontinuierliche Verbesserung Wesentliches inhaltliches Prinzip der Verordnung ist der Leitgedanke der kontinu­ierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes (Artikel 1, Artikel 3, Anhang I A und D). Dieser Gedanke wurde aus der Unzulanglichkeit normaler Gesetz- oder Verordnungsgebung entwickelt. Dort ist es oft so, daB zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Bestimmung diese bereits veraltet oder Uberholt ist. Ei­gentlich ware eine permanente Anpassung erforderlich, was aber aile Verfahrens­beteiligten Uberfordem wUrde. So ist die Idee des sich selbst scharfenden Instru­mentes entstanden und in der Forderung der kontinuierlichen Verbesserung ausge­drUckt worden.

Stand der Technik Die deutsche Bezeichnung "Stand der Technik" gibt den Sinn der "Best Available Technique" aus der Verordnung (Artikel 3) nicht ganz korrekt wieder. Der rein auf die Ingenieurstechnik bezogene Begriff aus der deutschen Umweltgesetzgebung mUBte urn organisatorische und Managementkomponenten erweitert werden. DUTch die Orientierung am so erganzten Stand der Technik wird erreicht, daB das Verfahren von starren Vorgaben abgekoppelt wird. Der Stand der Technik defi­niert sich standig neu, so daB eine dauemde Herausforderung besteht.

Offentlichkeit SchlieBlich ist ein wesentliches Prinzip der Verordnung die Information der Of­fentlichkeit (Artikell, Artikel3, ArtikelS, Anhang 1 A und D, Anhang IV). Durch die Verpflichtung zur Veroffentlichung der Umwelterklarung kann das Verhaltnis zu den Nachbam entspannt werden. Gleichzeitig wird durch die damit erreichte Transparenz die "Uberwachung" durch die interessierte Offentlichkeit ermoglicht.

Page 47: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 lnhalt und Ablauf des Oko-Audits 37

4.3.2.2 Instrumente der EG-Oko-Audit-Verordnung Zur Umsetzung der Prinzipien gibt die Verordnung eine Reihe von Instrumenten vor, die nun vorgestellt und kurz erlautert werden. Die Definitionen finden sich in Artikel 2 der Verordnung (siehe Kasten S. 49f). Nach der Beschreibung sind in Klammemjeweils die Fundstellen der Begriffe in der Verordnung angegeben.

Die Formulierung der Umweltpolitik des Untemehmensstandortes und die Do­kumentation des Ist-Zustandes sind die Startpunkte eines Verfahrens nach der Verordnung.

Umweltpolitik Die Inhalte und Ziele der Umweltpolitik sind, ebenso wie die der Umweltprlifung, in Anhang I der Verordnung beschrieben.

Die Umweltpolitik beruht auf den "Guten Managementpraktiken" des Teils D des Anhangs I und beinhaltet unter anderem folgende Punkte:

• Forderung des Umweltbewu13tseins der Beschafiigten, • Vorabbeurteilung der Umweltauswirkungen der Produktion, • Beurteilung der Tatigkeit fur die Umgebung des Standortes, • Vermeidung beziehungsweise Verringerung der Umweltbelastungen durch den

Standort, • Etablierung von geeigneten Kontroll- und Steuerungsverfahren zur Umsetzung

der Umweltpolitik, • konstruktive Zusammenarbeit mit den Behorden, • Information der Offentlichkeit, • Beratung der Kunden, • Definition von Anforderungen an Vertragspartner.

Die Umweltpolitik ist auf der hochsten Managementebene festzulegen und re­gelmal3ig zu revidieren. Regelungsinhalte der Umweltpolitik sind insbesondere die Themen:

• Energie, • Rohstoffe, • Abfalle, • Larm, • Produktionsverfahren, • Produktplanung, • betrieblicher Umweltschutz einschliel3lich Handlungen von Auftragnehmem, • Unfalle, • Personalausbildung, • Information der Offentlichkeit.

(Artikel 1, Artikel2, Artikel3, Artikel4, Artikel 5, Artikel 13, Anhang I A, B, C, D, Angang II F, Angang III B).

Page 48: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

38 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

UmweltprOfung Unter Umweltpriifung wird die Erhebung des Ist-Zustandes eines Unternehmens­standortes zu Beginn eines bko-Audit-Verfahrens gemaB der EG-bko-Audit­Verordnung verstanden. Sie soli mindestens die Regelungsinhalte der Umweltpo­litik zum Untersuchungsgegenstand haben (Artikel 2, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 5, Anhang II H, Anhang III B).

Umweltprogramm Aufgrund der Ergebnisse der Umweltprlifung ist ein Umweltprogramm zu formu­lieren und ein Umweltmanagementsystem aufzubauen. Das Umweltprogramm ist im wesentlichen eine Konkretisierung und Operationalisierung der Umweltpolitik. Zusatzlich sind Verantwortlichkeiten und Mittel zum Erreichen der Regelungsin­halte festzulegen (ArtikeI2, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 5, Anhang I A, B, Anhang II H, Anhang III B).

Umweltmanagementsystem Durch Festlegung der Organisation, der Zustandigkeiten, Ablaufe und Mittel soli die Erreichung der Ziele der Umweltpolitik garantiert werden. Das Umwelt­management ist das zentrale Planungs- Steuerungs- und Kontrollinstrument der EG-bko-Audit-Verordnung. Seine Bedeutung wird durch die Forderung der Eta­blierung auf der hochstmoglichen Managementebene unterstrichen. Detailliert be­schrieben sind die Aufgaben des Umweltmanagementsystems in Teil B des An­hangs I (Artikel 1, Artikel2, Artikel3, Artikel4, Artikel 5, Artikel 12, Artikel 13, Artikel 14, Anhang I A, B, C, Anhang II D, Anhang III B, Anhang IV, Anhang V).

UmweltbetriebsprOfung In regelmaBigen zeitlichen Abstanden von hochstens drei Jahren sind Umweltbe­triebsprlifungen durchzufuhren, die die Umsetzung der Umweltpolitik und des Umweltprogramms sowie spater auch der Umweltziele nachweisen. Ferner ist das Umweltmanagementsystem zu bewerten. Die Umweltbetriebspriifung muB dabei bestimmten Formalien genligen. So ist sie unter Berlicksichtigung bestehender relevanter Normen zu planen und es sind vorab ihre Ziele sowie der Priifungsum­fang exakt festzulegen. Die Umweltbetriebspriifungen sind von Personen durchzu­fuhren, die die zu liberprlifenden Bereiche gut kennen aber dennoch ausreichend unabhangig davon sind (Betriebsprlifer). Diese Personen sind durch die Unter­nehmensleitung zu unterstlitzen.

Die Ergebnisse der Umweltbetriebsprlifung werden in einem Bericht zusam­mengefaBt. 1m AnschluB an eine Umweltbetriebsprlifung sind erforderliche Kor­rekturmaBnahmen zu planen und umzusetzen (Artikel 1, Artikel2, Artikel 3, Arti­kel 4, Artikel 5, Anhang I A, B, C, Anhang II A, B, C, Anhang III A, B, Anhang IV).

Page 49: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 39

Umweltziele Ais Ergebnis der UmweltprUfunglUmweltbetriebsprUfung sind Umweltziele fUr die weitere kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes zu formu­lieren und gegebenenfalls das Umweltprogramm zu revidieren. Die Festlegung der Ziele soil dabei auf der fUr deren Umsetzung hOchsten relevanten Managemen­tebene erfolgen (Artikel 2, Anhang I A, B, D).

UmwelterkUirung Nach jeder UmweltprUfunglUmweltbetriebsprUfung ist femer eine Umwelter­kHirung zu verfassen, die unter anderem folgende Angaben enthalten soil:

• Eine Beschreibung und Beurteilung der Tatigkeiten beziiglich der Umweltrele­vanz am Standort,

• die Zusammenfassung aller Zahlenangaben zu Emissionen, Abfallaufkommen, Rohstoff-, Wasser- und Energieverbrauch sowie Larm und sonstige umweltre­levante Aspekte,

• eine Darstellung der Umweltpolitik, des Umweltprogramms und des Umwelt­managementsystems,

• den Termin fUr die Vorlage der nachsten Umwelterklarung (spatestens nach drei Jahren).

Die Umwelterkliirung ist nach ihrer UberprUfung durch einen zugelassenen Umweltgutachter zu veroffentlichen (Artikel 2, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 5, Artikel8, Artikel12, Anhang III B, Anhang V).

Oberprufung/GultigkeitserkUirung Umweltpolitik, Umweltprogramm, Umweltrnanagementsystem, UmweltprUfung beziehungsweise UmweltbetriebsprUfung werden von einem zugelassenen Um­weltgutachter geprUft sowie die Umwelterkliirung fUr gUltig erkliirt. Sie werden nur dann fUr giiltig erkliirt, wenn sie nach der Verordnung korrekt installiert bezie­hungsweise durchgefUhrt wurden (ArtikeI4, Artikel12, Anhang I A, B, D, Anhang II D, Anhang III A, B).

Betriebsprufer (Umwelt-)BetriebsprUfer konnen betriebsinteme oder betriebsfremde Personen mit genauer Kenntnis der zu prUfenden Sachverhalte und Ablaufe und einer daran zu messenden Mindestqualifikation sein. Es ist sicherzustellen, daB sie von den zu UberprUfenden Aspekten genUgend unabhangig sind (Artikel 2, ArtikeI4).

Zugelassener Umweltgutachter Der zugelassene Umweltgutachter wird durch ein Zulassungssystem akkreditiert· und Uberpriift Umweltpolitik, Umweltprogramm, Umweltrnanagementsystem, UmweltprUfungs- und UmweltbetriebsprUfungsverfahren und Umwelterkliirung auf Ubereinstimmung mit den Bestimmungen der Verordnung und erklart gegebenen­falls die Umwelterkliirung fUr gliltig.

Page 50: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

40 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Zugelassene Umweltgutachter mlissen bestimmte Mindestqualifikationen vor­weisen, die abhangig von dem Teilgebiet ihrer Tatigkeit sind und mlissen finan­ziell yom zu begutachtenden Untemehmen unabhangig sein (Artikel 2, Artikel 4, Artikel 5, Artikel6, Artikel 7, Artikel 13, Anhang III A, B, Anhang V).

ZUlassungssystem ZUlassungssysteme lassen nach dem in Anhang III der EG-Oko-Audit-Verordnung beschriebenen Verfahren Umweltgutachter zu, fiihren eine Liste der zugelassenen Umweltgutachter und libermitteln diese halbjahrlich der Kommission der EG. Wegen der damit verbundenen Verantwortung mlissen besondere Ansprliche an die fachliche Kompetenz und die Seriositat dieser Einrichtungen gestellt werden (Artikel 2, Artikel6, Artikel 7, Artikel 12, Anhang III A).

Zustandige Stellen Aufgabe der zustandigen Stellen ist die Entgegennahme der fur gliltig erklarten Umwelterklarungen und die Flihrung eines Verzeichnisses von Standorten, die sich an dem Verfahren beteiligen, sowie dessen regelma13ige Obermittlung an die Kommission der EG. Sie mlissen unabhangig und neutral sein. Die Verordnung sieht pro Mitgliedsstaat eine zustandige Stelle vor (Artikel 2, Artikel 3, Artikel 6, Artikel 8, Artikel9, Artikel 18, Anhang V).

4.4 Ablauf der EG-Oko-Audit-Verordnung

Der Ablauf der einzelnen Schritte wird von der EG-Oko-Audit-Verordnung vor­gegeben, wenn man die Reihenfolge der Einzelvorgaben in Artikel 3 als nachein­ander folgende Schritte versteht. Man kann somit den Ablauf in zwei Phasen ein­teilen. Die erste Phase ist die Einstiegsphase in das System, wie in Abb. 3 (S. 48) dargestellt. Die zweite Phase ist die zyklische Wiederholung des Ablaufs minde­stens aile drei Jahre, urn die angestrebte kontinuierliche Verbesserung zu erreichen und zu dokumentieren.

Der Einstieg in das System der EG-Oko-Audit-Verordnung erfolgt mit einer Initiative des Standortes. Es mu13 auf oberster Flihrungsebene beschlossen werden, da13 der Standort ein System, gema13 den Vorgaben der EG-Oko-Audit-Verord­nung, aufbauen will. Am Anfang gehen die Untemehmungen keinerlei Verpflich­tungen ein, dies erfolgt erst zu einem spateren Zeitpunkt, wenn es gewlinscht ist. 1st eine Entscheidung gefallen, ein der EG-Oko-Audit-Verordnung gema13es Sy­stem aufzubauen, ist der erste Schritt die Formulierung einer Umweltpolitik. Hier mu13 dokumentiert werden wie der Standort zur Umwelt steht und wie die dort ausgefuhrten Tatigkeiten in diesem Zusammenhang zu sehen sind. Die Umwelt­politik ist gewisserma13en das "Grundgesetz" des Systems. Haufig existieren be-

Page 51: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 41

reits Umweltleitlinien, die in der Regel eine entsprechende Funktion haben. Inhalte und Vorgaben der EG-Oko-Audit-Verordnung der Umweltpolitik sind oben unter 3.2.2.1 schon dargestellt. Die Umweltpolitik solI regelmliBig gepriift werden, was jedoch nicht heiBen solI, daB sie stlindig gelindert werden solI. Wer seine Umwelt­politik zu oft lindert verliert seine Glaubwiirdigkeit. Eine Anderung so lIte nur in Betracht gezogen werden, wenn sich die Rahmenbedingungen grundlegend lindem.

Der zweite Schritt, die Umweltprujimg, ist der wichtigste in der Einstiegsphase. Die Umweltpriifung ist eine erste umfassende 1st-Analyse des Standortes. Hier werden aIle Tlitigkeiten am Standort erfaBt, Kataster fUr z. B. AbfaIl, Emissionen, Wasser, etc. erstellt und eine Organisationsanalyse, das heiBt, eine Autbau- und Ablaufanalyse gemacht. Alles was an diesem Standort geschieht, wird in irgend einer Form erfaBt. Es ist von entscheidender Bedeutung, daB diese Analyse gut vorbereitet wird, denn Nachbesserungen sind ungleich aufwendiger. Hier lohnt sich eine entsprechende Vorbereitung in jedem Fall. Am hliufigsten werden diese Ist-Analysen mit an den Standort angepaBten Checklisten und Begehungen durch­gefUhrt. Die Ergebnisse sollten sofort und systematisch dokumentiert werden, da aIle weiteren Schritte auf die Ergebnisse der 1st-Analyse autbauen.

Nach der Aufuahme der 1st-Situation wird diese anhand der gewonnenen Daten bewertet. Hier ist das Ziel die umweltrelevanten Tlitigkeiten zu erfassen. Sind diese erfaBt, mUssen sie bewertet werden. Hier bieten sich zum Beispiel die ABC­Methode bzw. die ABC-XYZ Methode an. Aus diesen Bewertungen leitet sich dann ein bestimmter Handlungsbedarf abo Hier sollten Prioritliten gebildet werden. Anhand von Umweltrelevanz und Prioritlit mUssen Verbesserungsziele formuliert werden. FUr diese Verbesserungsziele mUssen entsprechende MafJnahmen erarbei­tet werden, um u. U. die Umweltrelevanz zu eliminieren, zumindest jedoch zu verringem. Diese MaBnahmen werden in einem Umweltprogramm dokumentiert.

Anhand der Daten Uber den Autbau und Ablauf der Organisation, wird ein Um­weltmanagement aufgebaut, bzw. ein bestehendes soweit notwendig verbessert. In der "ersten Runde" sprich der Einstiegsphase (Abb. 3, S. 48) wird von der EG kein fertiges optimal funktionierendes Umweltmanagementsystem verlangt. ledoch miissen die Rahmenbedingungen der Verantwortlichkeiten und Zustlindigkeiten definiert und dokumentiert sein. AuBerdem sollte ein Konzept zur weiteren Vorge­hensweise bezUglich des Umweltmanagementsystems vorhanden sein. Anhand des Konzeptes muB der Umweltgutachter in der Lage sein, zu beurteilen, ob am Ende der Umsetzung ein funktionierendes Umweltmanagementsystem aufgebaut ist, daB den Anforderungen der EG-Oko-Audit-Verordnung geniigt. Arbeits- und Verfah­rensanweisungen fUr Arbeitspllitze mit umweltrelevanter Tlitigkeit sind hier von entscheidender Bedeutung. Sind die Tlitigkeiten innerhalb der Einstiegsphase abgeschlossen, muB eine Umwelterklarung erstellt werden, sofem sich zu diesem Zeitpunkt die Untemehmensleitung entschlieBt offiziell an dem System der EG­Oko-Audit-Verordnung teilzunehmen.

Mit der Umwelterkllirung will die EG die Einbindung der Offentlichkeit errei­chen. Allerdings brauchen die Untemehmen keine Angst zu haben, daB Firmenge­heimnisse preisgegeben werden miissen. In der Umwelterkllirung sollen die um-

Page 52: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

42 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

weltrelevanten Tatigkeiten und entsprechende zusammengefaBte Zahlen verOffent­licht werden. Geplante MaBnahrnen und u. U. Entwicklungen sind darzustellen. so daB sich der Interessierte ein Bild von der Umweltschutzleistung des Standortes machen kann. Hier ist eine durchaus kritische Selbstbetrachtung des Standortes weniger eine Hochglanzbroschtire mit Selbstlob gefragt. Sicherlich gibt es sehr fortschrittliche Standorte mit nur wenig Verbesserungspotential, das auch wirt­schaftlich vertretbar ware, die meisten Standorte haben jedoch gentigend Verbes­serungspotential tiber die gesetzlichen Anforderungen hinaus.

Die Umwelterklarung wird dann von einem staatlich zugelassenen Umweltgut­aehter validiert, das heiBt fur gtiltig erklart. Dies geschieht mit einer Erklarung in der UmwelterkHirung, in der Regel am Ende. Der Umweltgutachter unterzeichnet die Erklarung mit seiner Unterschrift und erklart sie damit fur gtiltig. 1st der Um­weltgutachter der Meinung, es werden einige Vorgaben der EG-bko-Audit-Ver­ordnung nicht eingehaiten, fordert er Nachbesserung und unterzeichnet die Um­welterklarung erst dann, wenn aile Vorgaben erfullt sind.

Nachdem der Umweltgutachter die Umwelterklarung fur gtiltig erklart hat, ist der Zeitpunkt gekommen, wo sich der Standort endgtiltig entscheiden muB, ob er offiziell am System teilnehmen will oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt konnte auch die Entscheidung fallen, daB man die bis dahin gemachten Ergebnisse und das bis dahin errichtete System nur intern anwendet. Oder man trifft die Entscheidung, offiziell an dem System teilzunehrnen. Dann muB der Standort bei der zustdndigen Stelle, das sind in Deutschland die Industrie- und Handelskammern (IHK) bzw. die Handwerkskammern (HWK), in das Register der EG eintragen lassen. Der Stand­ort erhalt dann eine Registriernummer und darf ein entsprechendes Label fuhren. Dies darf jedoch nicht zur Produkt- aber fur Imagewerbung (z. B. auf Brietkopfen, etc.) eingesetzt werden. Erhait der Standort die Registriernummer und ist eingetra­gen, muB er nach spatestens drei lahren eine neue validierte Umwelterklarung vorlegen, urn erneut in das Register eingetragen zu werden. In der Zwischenzeit muB der Standort das Umweltprogramm und die darin festgelegten MaBnahmen umsetzen und das Umweltmanagementsystem optimieren. Am Ende der drei lahre wird eine Umweltbetriebspriifung gemacht.

Die Umweltbetriebsprtifung unterscheidet sich von der ersten Umweltprilfung dahingehend, daB hier nicht mehr eine gesamte 1st-Analyse gemacht wird. Die Umweitbetriebsprilfng ist in erster Linie eine Systemprilfung. Das heiBt hier wird nur anhand von bestimmten Sachverhalten geprilft, ob das Managementsystem funktioniert und aile Vorgaben der EG-bko-Audit-Verordnung abdeckt. Ftir Plau­sibilitatskontrollen werden einzelne Sachverhaite in die Tiefe geprtift. Es wird in dem System der EG-bko-Audit-Verordnung davon ausgegangen, daB aufgrund eines funktionierenden Managementsystems die Daten der ersten 1st-Analyse, der Umweltprilfung, entsprechend verarbeitet und fortgeschrieben werden.

Nach der Umweltbetriebsprtifung muB wieder ein Umweltprogramm mit Zielen und MaBnahmen formuliert und eine Umwelterklarung erstellt werden. Diese wird dann wie schon bei der Umweltprtifung von einem Umweltgutachter validiert, womit sich der Kreis des "Zyklus-Teils" der EG-bko-Audit-Verordnung schlieBt.

Page 53: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 43

Mit den immer wieder neuen Umweltprogrammen, mit definierten Zielen und MaJ3nahmen, in den Untemehmen, will die EG den kontinuierlichen Verbesse­rungsprozeJ3 im Umweltschutz erreichen.

4.5 Die Umsetzung in Deutschland

Standorteintragung und Umweltgutachterzulassung Der Artikel 6 gibt den einzelnen Mitgliedstaaten den Auftrag, die Zulassung von Umweltgutachtem und die Aufsicht tiber ihre Tatigkeit zu regeln. Das zustandige deutsche Gesetz ist das "Gesetz zur Ausfuhrung der Verordnung (EWG) 1839/93 (Umweltauditgesetz - UAG) vom 07.12.1995". Das UAG ist am 15.12.1995 in Kraft getreten.

Die EG-VO sieht im Artikel 6 Abs. 7 vor, daJ3 Umweltgutachter und Umwelt­gutachterorganisationen aus Mitgliedstaaten der EU die Austibung ihrer Tatigkeit in anderen Mitgliedstaaten zuvor "notifizieren" mtissen und daJ3 sie der Aufsicht der Zulassungsstelle des Mitgliedstaates, in dem sie ihre Tatigkeit austiben, unter­liegen. Demzufolge unterliegen diese Umweltgutachter bzw. Umweltgutachteror­ganisationen auch dem UAG. Mit der Zulassung und Beaufsichtigung ist die "Deutsche Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft fur Umweltgutachter mbH" (DAU) mit Sitz in Bonn beauftragt ("beliehen"). Eine Gesamtliste der zuge­lassenen Umweltgutachter wird im Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften verOffentlicht. Das von der DAU gefuhrte Zulassungsregister kann von jeder Per­son eingesehen werden (Umweltinforrnationsgesetz). Untemehmen haben somit die Moglichkeit, sich bei der DAU tiber zugelassene Umweltgutachter und -gut­achterorganisationen zu inforrnieren.

Umweltgutachter werden entsprechend ihrer Kenntnisse und Erfahrungen nur fur bestimmte gewerbliche Bereiche zugelassen. Ftir die Einteilung der Bereiche ist der NACE-Code gemaJ3 der "Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 9. Oktober 1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europaischen Gemeinschaft" maJ3gebend. Umweltgutachter, die beispielsweise zur Validierung an Standorten der chemischen Industrie berechtigt sind, haben eine Zulassung fur den Unterabschnitt DG: Chemische Industrie (Abteilung 24) der Verordnung Nr. 3037/90.

Das Umweltauditgesetz bestimmt, daJ3 die in Artikel 8 und 9 der EG-VO festge­legten Aufgaben "Eintragung der Standorte" und "Veroffentlichung des Verzeich­nisses der eingetragenen Standorte" den Industrie- und Handelskammem sowie den Handwerkskammem Ue nach Zustandigkeit) als Selbstverwaltungsaufgabe tibertragen werden.

Nach § 33 Abs. 2 des Umweltauditgesetzes gibt die registerfuhrende Stelle vor der Eintragung des Standortes den zustandigen Umweltbehorden Gelegenheit, sich

Page 54: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

44 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

innerhalb einer Frist von vier Wochen zu der beabsichtigten Eintragung zu auBem. Die Umweltbehorde kann, wenn sie der Meinung ist, daB der Standort nicht aile einschlagigen Umweltvorschriften einhalt, eine Eintragung des Standortes verhin­dern. Deshalb erscheint es als durchaus sinnvoll, moglichst frUhzeitig kooperativ mit den entsprechenden zustandigen VollzugsbehOrden zusammenzuarbeiten.

4.6 DIN EN ISO 14001

Eine weitere Moglichkeit ein Umweltmanagementsystem aufzubauen und es zerti­fizieren zu lassen besteht seit Oktober 1996. Es handelt sich hierbei urn die DIN EN ISO 14001. Diese Norm hat genauso wie die EG-Oko-Audit-Verordnung zum Ziel ein Umweltmanagementsystem aufzubauen und damit den betrieblichen Um­weltschutz kontinuierlich zu verbessem. In den meisten Punkten stimmen die bei­den Systeme ilberein, so daB hier insbesondere auf die Unterschiede eingegangen werden soli.

Die EG-Oko-Audit-Verordnung ist eine gesetzliche Regelung, wohingegen die ISO-Normen lediglich eine freiwillige Vereinbarung der Wirtschaft darstellen. Hier bestehen somit keinerlei gesetzliche Grundlagen oder Bestimmungen. Weite­re Unterschiede sollen anhand einer Tabelle im folgenden dargestellt werden.

Aus der folgenden Tabelle ist zu ersehen, daB es nur geringfugige Unterschiede zwischen den beiden Systemen gibt. Zusammenfassend kann man sagen, daB die EG-Oko-Audit-Verordnung mehr als die ISO 14001 fordert. Wer die EG-Oko­Audit-Verordnung erfullt, erfullt automatisch auch die Anforderungen der ISO­Norm.

Zur Zeit ist die ISO-Norm sicheriich fur aile die Bereiche von Interessen, die bislang nicht am System der EG-Oko-Audit-Verordnung teilnehmen konnen, wie z. B. die Dienstleister und auch die Landwirtschaft. AuBerdem ist es fur internatio­nal agierende Unternehmen eine Oberiegung, die ISO-Norm zu erfullen, da diese weltweit anerkannt ist. Filr Unternehmen im europaischen Raum ist dagegen die EG-Oko-Audit-Verordnung wichtiger, da in der EU sicherlich zunehmend Marktzwange die EG-Oko-Audit-Verordnung fordern werden. Seit April 1997 ist die intemationale Umweltmanagementnorm DIN EN ISO 14001 fur das Oko­Audit als ein gilltiger Standard, wie z. B. die nationalen spanischen, britischen und irischen Standards, offiziell anerkannt.

Page 55: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 45

Bereiche ISO 14001 EG-Oko-Audit-Verordnung

Geltungsbereich weltweit EU

inhaltIicher Geltungsbe- Gesamte Organisationen, standortbezogen reich Untemehmen in allen gewerblicher Bereich

Branchen

Betrachtungsschwer- Managementsystem Managementsystem, punkt Umweltschutzleistung eines

Standortes; Information der

OffentIichkeit

1st-Analyse Empfohlen aber keine Forde- Forderung (Umweltprlifung) rung

U nternehmenspolitik Einhaltung umweltrechtlicher Wie ISO 14001 und "gute Auflagen und kontinuierliche Managementpraktiken" Verbesserung gefordert; mu/3 (An hang I,e und D) der Offentlichkeit zuganglich

sein.

Interne Audits Systemaudits Systemaudits (Prozesse,

Umweltleistungen)

Audithaufigkeit noch nicht spezifiziert Auditzyklus max. 3 Jahre

Information der Offent- Nur Umweltpolitik offentlich Umweltpolitik, Umweltpro-Iichkeit zuganglich gramm, Umweltmanagement-

system (in Umwelterklarung)

Akkreditierungssystem im Aufbau existent und beschrieben

OffentIiche Registrierung nicht spezifiziert offizielles Standortregister

der Liinder, Mitgliedsstaaten undEU

Registrierungsstellen noch nicht spezifiziert bisjetzt IHK's und HWK's

Page 56: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

46 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

Umwelt­erklarung

Giiltigkeits­erkliirung

Untemehmen Standort X

Teilnahme­Antrag Ein­

tragung

Teilnahme­erkliirung

Standort­register

Gemeinsame Stelle

bei Rechts­verstOllen

1------"--+1 Zustandige

Validierung durch Umwelt­

gutachter

Industrie- und Handelskammem,

Handwerkskammem

Abb. 1. Ablauf der Standorteintragung (vereinfacht)

Stellung­nahme

4 Wochen­Frist

Umwelt­behorde

Page 57: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

I Antragsteller

I

Umweltgutachter I

Umwcltgutachter-

organisation

Antrag

Zulassung

4 Inhalt und Ablaufdes Oko-Audits 47

Bundes-Umweltministerium

Umweltgutachter­

ausschul.l

1 Richtlin ien PrOferl iste Besetzung

Widerspruchs­

ausschu l.l

Beleihen Aufs icht

Zulassungsstelle

Prufung Deutsche Akkreditierungs­und Zulassungsgesellschafl fu r Umweltgutachter (DAU)

Zulassullgsregistcr j. __ . . . _ . . . .. . Einsichtllahme Driller nach Umwelt­illfomlationsge etz

Abb. 2. Zulassung und Registrierung von Umweltgutachtern und -gutachterorganisationen (vereinfacht)

Page 58: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

48 Kapitel I : Umwelt- und Agrarpolitik

Umweltpolitik

Einstiegsphase

Umwelt­prUfung

Umwclt programm mit Umweltzielen erstellen

• Umweltma nagementsys tern aufbaucn

Umwelt-~ erklatung '-..... /~~

ncues Urn weltprogramm erstellen

Umweltpolitik und Umwelt ziele anpassen

.------. Umwelt gutachter validiert

Eintragung in das Standort register

Umwell-Umweltbe .. programm IriebsprUfung umsetzen

Zyklus

Abb. 3. Ablaufschema der EG-Oko-Audit-Verordnung

Page 59: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 49

Artikel2

FUr diese Verordnung geIten folgende Begriffsbestimmungen:

a) "Umweltpolitik": die umweltbezogenen Gesamtziele und Handlungsgrundsiitze eines Untemehmens, einschlieBlich der Einhaltung aller einschliigigen Um­weltvorschriften;

b) "Umweltprlifung": eine erste umfassende Untersuchung der umweltbezogenen Fragestellungen, Auswirkungen und des betrieblichen Umweltschutzes im Zu­sammenhang mit der Tiitigkeit an einem Standort;

c) "Umweltprogramm": eine Beschreibung der konkreten Ziele und Tiitigkeiten des Untemehmens, die einen gro13eren Schutz der Umwelt an einem bestimm­ten Standort gewiihrleisten sollen, einschlieBlich einer Beschreibung der zur Erreichung dieser Ziele getroffenen oder in Betracht gezogenen Ma13nahmen und der gegebenenfalls festgelegten Fristen fur die Durchfuhrung dieser Ma13-nahmen;

d) "Umweltziele": die Ziele, die sich ein Untemehmen im einzelnen fur seinen betrieblichen Umweltschutz gesetzt hat;

e) "Umweltrnanagementsystem": der Tei! des gesamten tibergreifenden Manage­mentsystems, der die Organisationsstruktur, Zustiindigkeiten, Verhaltenswei­sen, fcirmlichen Verfahren, Abliiufe und Mittel fur die Festlegung und Durch­fuhrung der Umweltpolitik einschlie13t;

f) "Umweltbetriebsprlifung": ein Managementinstrument, das eine systematische, dokumentierte, regelmii13ige und objektive Bewertung der Leistung der Organi­sation, des Managements und der Abliiufe zum Schutz der Umwelt umfa13t und folgenden Zielen dient: i) Erleichterung der Managementkontrolle von Verhaltensweisen, die eine

Auswirkung auf die Umwelt haben konnen; ii) Beurtei!ung der Dbereinstimmung mit der Untemehmenspolitik im

Umweltbereich; g) "Betriebsprtifungszyklus": der Zeitraum, innerhalb des sen aile Tiitigkeiten an

einem Standort gemii13 Artikel 4 und Anhang II in bezug auf aile in Anhang I Teil C aufgefuhrten relevanten Umweltaspekte einer Betriebsprtifung unterzo­gen werden;

h) "Umwelterkliirung": die von dem Untemehmen gemii13 dieser Verordnung, insbesondere gemii13 Artikel 5, abgefa13te Erkliirung;

i) "Gewerbliche Tiitigkeit": jede Tiitigkeit, die unter die Abschnitte C und 0 der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europiiischen Gemein­schaft (NACE Rev. 1) gemii13 der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates C) fallt; hinzu kommen die Erzeugung von Strom, Gas, Dampfund Hei13wasser sowie Recycling, Behandlung, Vemichtung oder Endlagerung von festen oder fltissigen Abfallen;

j) "Untemehmen": die Organisation, die die Betriebskontrolle tiber die Tiitigkeit an einem gegebenen Standort insgesamt austibt;

Page 60: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

50 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Artikel 2 (Fortsetzung)

Fur diese Verordnung geJten folgende Begriffsbestimmungen:

k) "Standort": das Gelande, auf dem die unter der Kontrolle eines Untemehmens stehenden gewerblichen Tatigkeiten an einem bestimmten Standort durchge­fiihrt werden, einschlieBlich damit verbundener oder zugehoriger Lagerung von Rohstoffen, Nebenprodukten, Zwischenprodukten, Endprodukten und Abf!illen sowie der im Rahmen dieser Tatigkeiten genutzten beweglichen und unbeweg­lichen Sachen, die zur Ausstattung und Infrastruktur gehoren;

I) "Betriebspriifer": eine Person oder eine Gruppe, die zur Belegschaft des Un­temehmens gehOrt oder untemehmensfremd sein kann, im Namen der Unter­nehmensleitung handelt, einzeln oder als Gruppe tiber die in Anhang II Teil C genannten fachlichen Qualifikationen verfiigt und deren Unabhangigkeit von den geprtiften Tatigkeiten groB genug ist, urn eine objektive Beurteilung zu gestatten;

m) "Zugelassener Umweltgutachter": eine vom zu begutachtenden Untemehmen unabhangige Person oder Organisation, die gemiiB den Bedingungen und Ver­fahren des Artikels 6 zugelassen worden ist;

n) "Zulassungssystem": ein System fUr die Zulassung der und die Aufsicht tiber die Umweltgutachter, das von einer unparteiischen Stelle oder Organisation betrieben wird, die von einem Mitgliedsstaat benannt oder geschaffen wurde und tiber ausreichende Mittel und fachliche Qualifikationen sowie tiber geeig­nete formliche Verfahren verfiigt, urn die in dieser Verordnung fiir ein solches System festgelegten Aufgaben wahrnehmen zu konnen;

0) "Zustiindige Stellen": die gemiiB Artikel 18 von den Mitgliedstaaten benannten Stellen, die die in dieser Verordnung festgelegten Aufgaben durchfUhren.

Gute Managementpraktiken Die Umweltpolitik des Untemehmens beruht auf den nachstehenden Handlungs­grundsatzen; die Tatigkeit des Untemehmens wird regelmaBig daraufhin tiberpriift, ob sie dies en Grundsatzen und dem Grundsatz der stetigen Verbesserung des be­trieblichen Umweltschutzes entspricht. • Bei den Arbeitnehmem wird auf allen Ebenen das VerantwortungsbewuBtsein

fUr die Umwelt gefordert. • Die Umweltauswirkungen jeder neuen Tiitigkeit, jedes neuen Produkts und

jedes neuen Verfahrens werden im voraus beurteilt. • Die Auswirkungen der gegenw!lrtigen Tatigkeiten auf die lokale Umgebung

werden beurteilt und tiberwacht und aile bedeutenden Auswirkungen dieser Tatigkeiten auf die Umwelt im allgemeinen werden gepriift.

Page 61: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

4 Inhalt und Ablauf des Oko-Audits 51

• Es werden die notwendigen MaBnahmen ergriffen, urn Umweltbelastungen zu vermeiden bzw. zu beseitigen und, wo dies nicht zu bewerkstelligen ist, um­weltbelastende Emissionen und das Abfallaufkommen auf ein MindestmaB zu verringem und die Ressourcen zu erhalten; hierbei sind mogliche umwelt­freundliche Technologien zu beriicksichtigen.

• Es werden notwendige MaBnahmen ergriffen, urn unfallbedingte Emissionen von Stoffen oder Energie zu vermeiden.

• Es werden Verfahren zur Kontrolle der Ubereinstimmung mit der Umweltpoli­tik festgelegt und angewandt; sofem diese Verfahren Messungen und Versuche erfordem, wird fur die Aufzeichnung und Aktualisierung der Ergebnisse ge­sorgt.

• Es werden Verfahren und MaBnahmen fur die Hille festgelegt und auf den neuesten Stand gehalten, in denen festgestellt wird, daB ein Untemehmen seine Umweltpolitik oder Umweltziele nicht einhalt.

• Zusammen mit den Behorden werden besondere Verfahren ausgearbeitet und auf dem neuesten Stand gehalten, urn die Auswirkungen von etwaigen unfall­bedingten Abteilungen moglichst gering zu halten.

• Die Offentlichkeit erhalt alle Informationen, die zum Verstandnis der Umwelt­auswirkungen der Tatigkeit des Untemehmens benotigt werden; femer sollte ein offener Dialog mit der Offentlichkeit gefuhrt werden.

• Die Kunden werden tiber die Umweltaspekte im Zusammenhang mit der Hand­habung, Verwendung und Endlagerung der Produkte des Untemehmens in an­gemessener Weise beraten.

• Es werden Vorkehrungen getroffen, durch die gewahrleistet wird, daB die auf dem Betriebsgelande arbeitenden Vertragspartner des Untemehmens die glei­chen Umweltnormen anwenden wie es selbst.

Literatur

BRITISH STANDARDS INSTITUTION (BSI) BS7750: (1992). BUNDESUMWELTMINISTERIUM, UMWELTBUNDESAMT (1995): Handbuch Umweltcontolling,

Verlag Vahlen. BUNDESVERBAND JUNGER UNTERNEHMER ASU e.V. BJU (0.1.): Umweltschutzberater,

Handbuch fUr wirtschaftliches Management in Unternehmen 6.1, S. 12. ELLRINGMANN, H. (1996): Muster-Handbuch Umweltschutz. VORHOLZ F. (1994): "Bundestags-Enquete kritisiert die Umweltpolitik - Durchgewurstelt",

Die Zeit Nr. 37, 9.9.94, S. 26. HESSISCHE LANDESANSTALT fur UMWELT (1996): Umsetzung der EG-Oko-Audit­

Verordnung, Schriftenreihe Umweltplanung Arbeits- und Umweltschutz, Heft 200. HOPFENBECK / JASCH / JASCH (1995): Oko-Audit - Der Weg zum Zertifikat, Verlag mod erne

Industrie.

Page 62: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

52 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

STEGER (1994): Festvortrag "Umwelt-Audit - quo vadis?" Jahresempfang 1994 der TUH am 27 .01.94.

STEGER U (1993): Umweltmanagement S. Iliff, Gabler Wiesbaden STORM (1992): Umweltrecht Erich Schmidt. UMWELTBUNDESAMT (1994): Berichte 7190, Umweltgesetzbuch -Allgemeiner Teil-; Berich­

te 4/94 -Spezieller Teil-; Erich Schmidt Verlag Berlin. UMWELTRECHT (1995): Beck-Texte; dtv 5533. Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 vom 29. Juni 1993 tiber die freiwillige Beteiligung ge­

werblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem fur das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprtifung, ABI Nr. L 16811 vom 10. 7. 93 .

Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates. ABI. Nr. L 293 vom 24. 10. 1990, S. I.

Zum Autor

Alexander von Boguslawski, J g. 1961, ge­boren in MarburgiLahn, studierte an der Universitat GieBen Agrarwissenschaften. Nach dem Studium Projektleiter in einem privaten Bildungszentrum in Sachsen-Anhalt. An­schlieBend Mitarbeiter am Institut fUr bio­logische Produktionssysteme an der Univer­sitat GieBen. 1994 bis 1996 ProjektIeiter fUr den Bereich Oko-Audit an der Hessischen Landesanstalt fur Umwelt. Zustandig fur die Umsetzung der EG-Oko-Audit-Verordnung in Hessen und die fachliche Begleitung von Pilotprojekten. Jetzt als selbstandiger, be­ratender Ingenieur fUr die Bereiche Um­

weltmanagement und Oko-Audit in Wiesbaden mit verschiedenen Kooperations­partnern tatig.

Page 63: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik

Siegfried Bauer

5.1 Einleitung

Neben den traditionellen Agrarproblemen rlicken die von der Landwirtschaft aus­gehenden Umweltgefahrdungen zunehmend ins BewuBtsein der Bevolkerung und der Politiker, wobei neb en der realen Umweltgefahrdung eine erhohte Sensibilitat von Gesellschaft und Politik in Bezug auf Nahrungsmittelqualitat und Beeinflus­sung der Umwelt durch die Landbewirtschaftung festzustellen ist. Beide Problem­bereiche sind eng miteinander verbunden und unterliegen teilweise gleichen oko­nomischen und politischen Bestimmungsfaktoren.

Die Ansatze zur Uisung der traditionellen Agrarprobleme stehen teilweise in Einklang mit den umweltpolitischen Erfordemissen, z.T. bestehen jedoch Ziel­konflikte und Widersprliche. Umgekehrt gilt ebenso, daB bestimmte umweltpoliti­sche MaBnahmen zur Losung der Agrarprobleme beitragen, wahrend andere die bereits bestehenden Probleme verscharfen. Dabei konnen zwischen den gleichen inhaltlichen GraBen auf gesamtsektoraler bzw. agrarpolitischer Ebene durchaus Zielharmonien und auf einzelbetrieblicher Ebene Zielkonflikte bestehen. Damit wird deutlich, daB zwischen agrar- und umweltpolitischen Zielen und MaBnahmen im einzelnen komplexe und unterschiedlich gelagerte enge Zusammenhange beste­hen. Umweltprobleme der Landwirtschaft konnen daher nicht losgelOst von der Agrarpolitik erklart und beurteilt werden. 1m Hinblick auf die Bildung von Lo­sungsvorschlagen fUr die praktische Politik wird es vor allem darauf ankommen, die akonomischen Krafte, die zu Agrar- und Umweltproblemen gefUhrt haben, zu analysieren sowie Konflikte zwischen beiden Problembereichen darzulegen. Zwar kannen im Rahmen der Agrarpolitik in starkerem MaBe umweltpolitische Belange berlicksichtigt werden, gleichzeitig ist aber davon auszugehen, daB spezifische umweltpolitische MaBnahmen notwendig sein werden. MaBnahmen und Politik­konzepte, welche sowohl mit Agrar- als auch mit Umweltzielen in Einklang ste­hen, werden im ProzeB der politischen Willensbildung eher Chancen auf Verwirk­lichung haben.

Page 64: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

54 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

1m Rahmen der EG-Agrarreform von 1992 wurde weitgehend die Chance ver­tan, die traditionellen Agrarprobleme in VerknUpfung mit den neuen umweltpoliti­schen Herausforderungen zu losen. Auch bei den derzeitigen Uberlegungen zur "Reform der Reform" werden kaum integrative Ansatze verfolgt, die bei den ei­gentlichen Ursachen der Umwelt- und Agrarprobleme ansetzen. Wie im einzelnen noch gezeigt wird, ist auch fUr eine starkere Ausbreitung eines freiwilligen be­trieblichen Umweltmanagement im Kontext von Oko-Audit eine starkere Ande­rung der politischen Rahmenbedingungen notwendig. Oko-Audit kann nicht als Ersatz fUr eine Agrarpolitik herhalten, die nicht auf die Erfordemisse einer dauer­hafi-umweltgerechten Landwirtschafi' abgestellt ist.

In dem folgenden Beitrag sollen daher zunachst einmal die wichtigsten Ent­wicklungstendenzen des Agrarbereichs im Hinblick auf eine Systematisierung von Umweltgetahrdungen aufgezeigt werden. Dabei wird vor allem auf den Zusam­menhang zwischen den Tendenzen der Agrarentwicklung, deren okonomischen Bestimmungsfaktoren und der Umweltrelevanz eingegangen. Daran schlieBt sich eine Diskussion agrar- und umweltpolitischer Ziele und deren Zusammenhange an. SchlieBlich werden vor dem Hintergrund der EG-Agrarreform neuere Losungsan­satze aus agrar- und umweltpolitischer Sicht diskutiert und beurteilt.

5.2 Entwicklungstendenzen der Agrarproduktion und Umweltprobleme

5.2.1 Globale Tendenzen und agrarpolitische Problemlage

Insgesamt ist die langfristige agrarsektorale Entwicklung in der BR Deutschland durch einen relativ kontinuierlichen - wenn auch phasenweise unterschiedlich ausgepragten - Produktionsanstieg gekennzeichnet. Hinter diesem Produktions­anstieg steht ein leicht rUcklaufiges Faktoreinsatzpotential sowie ein durchgangig krafiiger Anstieg der Globalproduktivitat, der auf eine durchgangige Realisierung technischer Fortschritte hindeutet. Auch wenn sich das Gesamtbild relativ gleich­maBig verandert hat, so sind doch in einzelnen Phasen sehr unterschiedliche Ver­anderungen der Faktoreinsatzstruktur zu beobachten. Die 60er und beginnenden 70er Jahre sind durch eine ausgepragte Substitution von Arbeit durch Kapital und Vorleistungen gekennzeichnet. Diese Mechanisierungs- und Intensivierungsphase ist vor allem vor dem Hintergrund der gUnstigen allgemeinen Beschafiigungsbe-

I) Vgl. dazu insbesondere das neuere Gutachten des Sachverstllndigenrates fUr Umwelt: SRU (1996), Konzepte einer dauerhaf't-umweltgerechten Nutzung landlicher Raume, Stuttgart, sowie: Bauer, S. Abresch, J.-P., Steuemagel, M (1996) Gesamtinstrumentarium zur Erreichung einer umweltvertrag­lichen Raumnutzung, Materialien zur Umweltforschung Bd. 26, Stuttgart

Page 65: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 55

dingungen (hohe Abwanderung von Arbeitskraften) und der giinstigen Agrar- und Betriebsmittelpreisrelationen zu sehen. Gegen Ende der 70er und in den 80er lah­ren erfolgt eine Abschwachung des Substitutionsprozesses wobei die Veranderung der Produktions- und Faktorkapazitaten kaum beeinfluBt wurden.

An diesen globalen Entwicklungstendenzen lassen sich die Hauptprobleme der Agrarpolitik in der BR Deutschland bzw. der EU naher kennzeichnen. Aus glob a­ler Sicht sind vor aHem vier Komplexe nennen, welche die Notwendigkeiten und Herausforderungen fur Politikkorrekturen bestimrnen, die z.T. aber gleichzeitig die Konflikte und Grenzen drastischer Politikanderungen kennzeichnen.

1. Zunachst ist die Problematik der zunehmenden Produktionsiiberschiisse mit drastisch steigenden Haushaltsbelastungen (Grenzen der Finanzierbarkeit) an­zusprechen. Wie oben bereits gezeigt, ist die Agrarproduktion in der BR Deutschland in den letzten 20 lahren urn 1,5-2,0 % p.a. gestiegen (iihnliche GroBenordnungen gelten fur die EU insgesamt). Dieser Angebotsentwicklung stand aber lediglich eine Nachfragesteigerung von etwa 1,0 % in den 60er und 0,5 % in den 70er lahren gegeniiber. Derzeit stagniert die Nachfrage bei den meisten Produkten, z. T. zeichnen sich bedeutsame EinbrUche abo Das agrarpolitische Problem liegt nicht in den Dberschiissen als solche, son­dem in der damit verbundenen Belastung des EU-Haushalts. Diese Finanzbe­lastung begrundet sich aus der Tatsache, daB die EU-Preise bei vielen Agrarer­zeugnissen lange Zeit wesentlich hoher lagen als die entsprechenden Welt­marktpreise. Der Export der Produktionsiiberschiissen war daher nur mit Hilfe staatlicher Subventionen (Exporterstattungen) moglich. Die Ursachen dieser Markt- und Finanzierungsprobleme liegen vor aHem in der EU-Agrarpreispolitik begrundet. Dabei sind drei Aspekte bedeutsam2:

(a) Das iiberhohte Agrarpreisniveau hat dazu gefuhrt, daB zu viele Produktionsfaktoren in der Landwirtschaft gehalten wurden, eine hohe Intensitat der Landbewirtschaftung lohnenswert wurde, die Nachfrage nach Agrarprodukten gedampft wurde, technische Fortschritte, vor aHem ertragssteigemde Fortschritte stimu liert wurden, die Finanzbelastung je DberschuBeinheit standig gestiegen ist.

(b) Die inlandische Preisstruktur ist im Vergleich zum Weltrnarkt verzerrt, wobei Preisverzerrungen zwischen einzelnen Agrarprodukten vorliegen, vor aHem auf der Inputseite die Preisstrukturen (z. 8. Getreide und Nichtgetreidefuttermittel) verzerrt sind. Die Folge sind eine Spezialisierung auf die Erzeugung von DberschuB produkten bei gleichzeitig z.T. steigendem Importbedarffur nicht ge­stiitzte Produkte bzw. Betriebsmittel (z. 8. Futtermittel).

2) Vgl. dazu z.B. Schmitz, P.M., Umweltwirkungen der Gemeinsamen Agrarpolitik, in: von Urff, W., Zapf, R., Landwirtschaft und Umwelt, Miinster·Hiltrup 1987, S. 375 fT.

Page 66: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

56 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

(c) Schliel3lich ist auch auf die Stabilisierung von Agrarpreisschwankungen durch die EU Agrarpreispolitik zu verweisen. Dadurch wurde die Ten denz zur betrieblichen und regionalen Spezialisierung begilnstigt (Risikoausgleich weniger bedeutsam) und ein nicht unerheblicher Bei trag zum Export von Instabilitaten der EU auf den intemationalen Markt geleistet. Die sich zuspitzende OberschuB- und Finanzierungs-problematik hat -neben einer Reihe marginaler Korrekturen in den 80er lahren - schlieB lich zu einschneidenden Anderungen im Rahmen der Agrarreform von 1992 gefuhrt.

2. Der nachhaltige Einkommensdruck, dem die Landwirte in der Bundesrepublik ausgesetzt sind, betrifft den zweiten Problernkomplex. Wie der Agrarbericht der Bundesregierung ausweist, haben sich die Gewinne seit Mitte der 70er lah­re nominal wenig verandert. Real bedeutet dies einen erheblichen Einkom­mensverfall und eine zunehmende Ausweitung der Schere zwischen den land­wirtschaftlichen und auBerlandwirtschaftlichen Einkommen. Neben diesen ge­samtsektoralen Vergleichen bestimmen die steigenden innerlandwirtschaft­lichen Einkommensunterschiede, insbesondere zwischen der Gruppe der er­folgreich und weniger erfolgreich wirtschaftenden Betriebe, in zunehmendem MaBe die einkommenspolitische Diskussion. In den letzten lahren haben sich - auch bedingt durch die oben genannten agrarpolitischen Korrekturen - die relativen Einkommens-positionen zwischen den Betriebssystemen verschoben.

3. Ein dritter Problemkomplex besteht in der relativ (zu anderen EU-Landem) ungilnstigen Agrarstruktur3 und dem in den 70er und 80er lahren reduziertem Agrarstrukturwandel. Der strukturelle Anpassungsdruck war in den 70er und 80er lahren bedingt durch gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarktprobleme erheb­lich gestOrt. Eine Starkung der Wettbewerbsposition gegenilber anderen EU­Landem (auch im Hinblick auf die Verwirklichung des EU Binnenmarktes ) setzt einen weiteren strukturellen Wandel und eine weitere Freisetzung land­wirtschaftlicher Arbeitskrafte voraus.

4. Der zunehmend bedeutsame Problembereich von Umweltgefahrdungen und -beeintrachtigungen durch die Landwirtschaft bestimmt in immer starkerem MaBe den Rahmen fur die Gestaltung der Agrarpolitik. Dieser Problernkom­plex ist sehr vielschichtig, wobei die Kenntnisse ilber Zusammenhange im okologischen System gegenwartig noch relativ unsicher sind. Die praktische Agrarpolitik steht vor dem Dilemma unvollstandiger Erkenntnisse einerseits und der wachsenden Sensibilitat und Verunsicherung der BevOlkerung anderer­seits. 1m folgenden Abschnitt werden die Zusammenhange zwischen Agra­rentwicklung und Umwelt differenzierter analysiert.

3) Vgl. dazu: Schrader, H., Tendenzen und Probleme des betrieblichen und regionalen Strukturwan­dels, in: agrarspectrum Bd. 7 (Agrarstruktur im Wandel) S. 46-77.

Page 67: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtsehaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 57

5.2.2 Differenzierle Betrachtung der Agrarentwicklungen und Umweltprobleme

Urn die wichtigsten umweltrelevanten Phanomene zu systematisieren werden in diesem Abschnitt charakteristische Entwicklungstendenzen innerhalb des Agrarbe­reichs aufgezeigt, ihre Ursachen analysiert und die Beziehungen zu Umweltpro­blemen herausgearbeitet. Die Umweltprobleme, wie sie sich heute darstellen, wer­den dabei als das Ergebnis der langfristigen Wirkungen der technischen, okonomi­schen und politischen Rahmenbedingungen aufgefaBt. Folgende Bereiche sind dabei von besonderer Relevani: 1. Seit den 60er Jahren sind verschiedentlich okologisch wertvolle Flachen in

(teilweise intensive) landwirtschaftliche Nutzung iiberflihrt worden, z. B. Moore, Feuchtbiotope, Rodung von Wald, Umwandlung von Grunland in Ak­kerland. Als wesentliche Ursache dieser Entwicklung muB das hohe Agrar­preisniveau angesehen werden, das zu steigenden Boden- und Pachtpreisen ge­flihrt hat. Gleichzeitig hat der zunehmende Bodenverbrauch flir Gewerbe- und Infrastrukturzwecke sowie flir den Wohnungsbau zu einer Bodenverknappung, einem entsprechenden Anstieg der Bodenpreise und einen teilweisen Ausgleich durch Nutzbarrnachung anderer Flachen geflihrt. Die vergleichweise hohen Bodenpreise lieBen Investitionen in die Nutzbarmachung bislang nicht oder nicht intensiv landwirtschaftlich genutzter Flachen lohnenswert werden. 1m letzten Jahrzehnt wurde dieser Trend durch verschiedene spezielle MaB­nahmen (u.a. durch die starkere Betonung okologischer Aspekte bei Flurberei­nigungsverfahren) und auch durch das riicklaufige Agrar- und Bodenpreisni­veau weitgehend gestoppt bzw. zumindest abgebremst. Derzeit werden dagegen Flachen mit hohen finanziellen Aufwendungen aus der Produktion genommen (freiwillige oder obligatorische Flachenstillegung), wo­bei jedoch okologische Gesichtspunkte bislang kaum eine Rolle spielen. Bei freiwilligen StillegungsmaBnahmen werden vorrangig marginale Flachen aus der Produktion genommen, ohne Beriicksichtigung der okologischen Wertig­keit bei einer l;mdwirtschaftlichen Nutzung bzw. beim Brachfallen. Auch die obligatorische Stillegung im Rahmen der Agrarreform wirkt unspezifisch und verfolgt ausschlieBlich agrarmarktpolitische Ziele. Einer starker okologisch orientierten Reduzierung landwirtschaftlicher Flachen stehen derzeit praktische Probleme entgegen, wie beispielsweise die Feststellung der okologischen Wer­tigkeit und eine entsprechende Durchflihrung sowie administrative Abwick­lung. Hier sind neue Konzepte mit einer stark~ren Verzahnung von Agrar-, Umwelt-, und Regionalpolitik und eine entsprechende Kompetenz- und Mittel­verteilung gefordert anstelle von nationalen bzw. EU-einheitlichen Program­men mit uniformen Kriterien5•

4) Vgl. dazu aueh folgende Sammelbiinde: v. Urff, W., Zapf, R., (Hrsg.), Landwirtsehaft und Umwelt­Fragen und Antworten aus der Sieht der Wirtsehafts- und Sozialwissensehaften des Landbaus,

. Miinster-Hiltrup 1987. ») Vgl. z.B. Bauer, S. Abreseh, J.-P., Steuernagel, M (1996) Gesamtinstrumentarium zur Erreiehung

einer umweltvertriigliehen Raumnutzung, Materialien zur Umweltforsehung Bd. 26, Stuttgart, oder: Weinsehenek, G., Werner, R., Einkommenswirkungen okologiseher Forderungen an die Landwirt­sehaft. Frankfurt 1989.

Page 68: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

58 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

2. Auf betrieblicher Ebene hat sich in den letzten drei Jahrzehnten eine zuneh­mende Spezialisierung auf wenige Betriebszweige vollzogen. Die Ursachen dieser Entwicklung liegen in verschiedenen Faktoren begrlindet. Die folgenden Punkte kt>nnen dabei als die Wichtigsten angesehen werden:

Kostendegressionseffekte, aufgrund einer Ausweitung der Lohn-Zins-Rela­tion und der Ubemahme technischer Neuerungen, die gerade bei mittleren Betriebsgrt>13en auf eine Spezialisierung der Produktion driingen, die Notwendigkeit der Aneignung und Anwendung von Spezialkenntnissen und differenziertem Management von ProduktionsabUiufen, wodurch viel­fach eine Reduzierung der Produktionsbereiche verlangt wird, urn t>kono­misch erfolgreich zu wirtschaften (gerade in einer Situation mit Preisdruck), die Agrarpreisstabilisierung, die einer vielgestaltigen Produktionsausrich­tung zum Zweck des Risikoausgleichs entgegen wirkt, die Entwicklung und das preisgilnstige Angebot modemer Betriebsmittel, mit denen sich Ertragsdepressionen bei einseitiger Produktionsausrichtung auffangen lassen.

Spezialisierungstendenzen dieser Art sind sowohl in der pflanzlichen als auch in der tierischen Produktion bedeutsam. Wie der Agrarbericht ausweist, ist der Anteil der Spezialbetriebssysteme an der Gesamtzahl der Betriebe auf 50-60 % angestiegen, wobei aber gewisse regionale Unterschiede bestehen. Aus t>kologischer Sicht sind vor allem folgende Aspekte der betrieblichen Spezialisierung problematisch:

einseitige Fruchtfolgen, erMhter Diinge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz, Auflockerung des Verbundcharakters der landwirtschaftlichen Produktion (Futtermittelzukauf, Gillleverwertungsprobleme), erht>hter Einsatz von Medikamenten in der Tierproduktion und eine weniger artgerechte Tierhaltung.

Ein generelles Zurlickdriingen der betrieblichen Spezialisierung scheint aus t>konomischer Sicht schwierig und problematisch zu sein. Die oben genannten Bestimmungsfaktoren der betrieblichen Spezialisierung sind kaum und vor allem nicht liingerfristig durch agrar-, umwelt- oder regionalpolitische Ma13-nahmen zu steuem. Vielmehr sollten partie lIe Korrekturen, wie beispielsweise die Auflockerung von Fruchtfolgen und eine Verminderung von Umweltbela­stungen, z. B. durch gezielten Diinger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz oder durch eine starker bodenabhiingige Tierhaltung angestrebt werden. Eine veran­derte Agrar- Betriebsmittelpreisrelation (z. B. aufgrund einer Oko - Steuer) wlirde tendenziell der Spezialisierung entgegenwirken. Die Kostendegressions­effekte wilrden aber auch hier bestehen bleiben und einen gewissen Grad an Spezialisierung nicht zurlickdrangen kt>nnen.

Page 69: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 59

3. Betriebliche Spezialisierung ist haufig mit starker regionaler Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion verbunden. Regionale Konzentration in der Landwirtschaft bedeutet dabei, daB sich aile oder die meisten Betriebe in einer Region auf die gleiche Produktionsrichtung spezialisieren. Unter okologischen Gesichtspunkten ist eine regionale Konzentration wesentlich problematischer zu beurteilen als ein Nebeneinander unterschiedlich spezialisierter Betriebe. Als Ursache fur eine regionale Konzentration ist neb en den unter Punkt 2 be­reits genannten GrUnden vor allem die Ausnutzung komparativer Standortvor­teile zu sehen, die auf eine weitgehend gleichgelagerte Spezialisierung der Be­triebe in einer Region hinwirkt. Beispiele fur regionale Konzentration sind die ausgepragte Veredlungswirtschaft im Weser-Ems-Gebiet oder die Konzentrati­on des Mais- bzw. Zuckerrlibenanbaus in verschiedenen Gebieten in der Bun­desrepublik. Dieser Tatbestand ist durch die betriebene Agrarpolitik begUnstigt worden (z. B. durch die Preisstabilisierung, ZuckerrUbenkontingetierung). Die regionale Konzentration ist u.a. mit folgenden okologischen Problemen verbunden6:

regionale GUllekonzentration, extrem hoher Maisanbau zur Unterbringung der anfallenden GUile, Artenverarmung, einseitiges Landschaftsbild, Bodenerosion.

Durch agrar- und umweltpolitische MaBnahmen konnten das weitere Fort­schreiten und die Folgewirkungen der regionalen Konzentration etwas zurUck­gedrangt, aber allerdings kaum vollstandig gestoppt werden. Die erwahnten komparativen Standortvorteile werden auch kunftig die Wettbewerbsfahigkeit einzelner Produkte bestimmen. Generell wirksame Politikansatze waren z. B. die Einfuhrung bzw. Verscharfung von Viehbesatzobergrenzen (GVE pro ha) oder auch die Betriebsmittelbesteuerung (Importierte Futtermittel, DUnge­mittel, Energie). Auch die Zunahme der Regionalvermarktung und die starkere Sensibilisierung der Bevolkerung wirken in diese Richtung, wenngleich der Breiteneffekt auf die Gesamtheit der Landwirtschaft nicht Uberschatzt werden darf.

4. Die agrarsektorale Entwicklung wurde weiterhin durch die zunehmende Tech­nisierung und Mechanisierung der pflanzlichen und tierischen Produktion ge­pragt. Diese Tendenz ist auf die andauemde Ausweitung der Lohn-Zins­Relation im Laufe des gesamtwirtschaftlichen Wachstums zuruckzufuhren. Ei­ne steigende Lohn-Zins-Relation drangt zum einen auf die Anwendung kapital­intensiver Produktions- und Mechanisierungsverfahren, urn die Arbeitsproduk­tivitat und damit die Arbeitsentiohnung zu steigem. Zum anderen begUnstigt sie langfristig auch die Entwicklung modemer Maschinen und arbeitssparender

6) Vgl. z.B. Knauer, N .. Interdependenz von Landwirtschaft und UmweIt, in: agrarspectrum Bd. 7 (1984), S. 20-43.

Page 70: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

60 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Mechanisierungsverfahren. Die z.T. hohen Forschungs- und Entwicklungsin­vestitionen in diesem Bereich werden nur dann getatigt, wenn ein entsprechen­der Absatz erwartet werden kann (okonomisch induzierte technische Fortschrit­te). Ein hoher Grad an Mechanisierung kann u.a. folgende okologische Gefahrdun­gen bewirken:

Bodenverdichtung, Schaffung groBer Parzellen zum ratione lien Einsatz modemer Maschinen (Ausraumung von Landschaftsbestandteilen und Biotopvemetzungen etc.), groBere Verluste wildlebender Tiere durch zUgige Bodenbearbeitung und Emte (kaum bedeckte Flachen und Ausweichmoglichkeiten fUr freilebende Tiere).

Zur Vermeidung solcher negativer Begleiterscheinungen werden modeme, ar­beitssparende Arbeitsverfahren kaum generell zurUckgedriingt werden konnen. Vielmehr wird es darum gehen, modeme Technik fur umweltschonende Land­bewirtschaftung zu entwickeln und einzusetzen7• Probleme bestehen aUerdings darin, den Einsatz umweltschonender Verfahren durch geeignete MaBnahmen zu steuem, soweit dieses nicht im Eigeninteresse der Landwirte liegt. Ansatz­punkte fUr PolitikmaBnahmen konnten z. B. in der Besteuerung umweltbela­stender Verfahren und durch Subventionierung umweltschonender Techniken Iiegen. Auch eine Energiebesteuerung und die Forderung von Forschung im Bereich umweltschonender Arbeitsverfahren konnten zu einer Minderung der Umweltbelastungen bei hoher Arbeitsproduktivitat beitragen.

5. Als letzter Problemkomplex ist auf die zunehmende Intensivierung der Pro­duktion, d.h. auf den hohen und steigenden Einsatz ertrags- und leistungsstei­gemder Betriebsmittel zu verweisen. Diese Entwicklung ist vor allem durch AgrarpreisstUtzungen hervorgerufen worden, die zu einer - im intemationalen Vergleich - gUnstigen Agrar-Betriebsmittel-Preisrelation gefuhrt hat. Langfri­stig sind die Preise fur Betriebsmittel auch im Vergleich zu anderen Produkti­onsfaktoren wie Arbeit, KapitalgUtem und Boden weniger stark gestiegen, so daB ein zunehmender Betriebsmitteleinsatz je Boden- bzw. Arbeitseinheit loh­nend war. Gleichzeitig wurden aber auch biologisch-technische Fortschritte, insbesondere zUchterische Fortschritte induziert, die auf einen hoheren DUnge­und Pflanzenschutzmitteleinsatz hinwirkten. Aufgrund dieser EinfluBfaktoren hat sich der Einsatz zugekaufter DUngemittel in den letzten beiden Jahrzehnten anniihemd verdoppelt. In den letzten Jahren jedoch ist ein abgeschwachter Zu­wachs bzw. eine Stagnation zu verzeichnen. Dabei bestehen betrachtliche Un­terschiede in der Intensitat der Landbewirtschaftung bestehen sowohl zwischen

7) Vgl. z.B. Kromer, K.H., Technische und betriebswirtschaftliche Gestaltungsmllglichkeiten durch wissensbasierte Informationssysteme, Vortrag auf den Bonner Umwelttagen in Warschau, Juni 1989.

Page 71: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 61

den einzelnen EU-Uindem als auch zwischen den verschiedenen Betriebssy­stemen und Gro13enklassen8.

Die hohe Intensitat der Landbewirtschaftung kann zu okologischen Problemen, insbesondere zu Rtickstanden in Nahrungsmitteln, Boden und Wasser fuhren9•

Aktuelle Beispiele sind die N itratbelastung von Grund- und Trinkwasser sowie Belastungen von Oberflachengewasser, die GUlleproblematik bei intensiver Tierhaltung sowie die Verminderung der Artenvielfalt bei hohem und unsach­gema13em Pflanzenschutzmitteleinsatz. Hierbei ist zunachst eine generelle Reduzierung der Intensitat des Betriebsmit­teleinsatzes je Flacheneinheit erforderlich. Wegen der unvollstandigen Kennt­nis gro13raumiger okologischer Zusammenhange sollte hier nach dem Vorsor­geprinzip eine generelle Verminderung der Belastung des Okosystems ange­strebt werden. Desweiteren sind spezifische Beschrankungen der Bewirt­schaftungsintensiUit, z. B. in Wassereinzugsgebieten oder in okologisch beson­ders wertvollen Gebiete (Extremstandorte, Naturschutzflachen, Magerrasen­standorte etc.) erforderlich. Die durch eine Verminderung der Intensitat ver­folgten Ziele konnen mit unterschiedlichen Ma13nahmen erreicht werden wie z. B. durch eine drastische Agrarpreissenkung, durch eine Betriebsmittel­besteuerung oder durch spezielle Bewirtschaftungsauflagen 10.

5.3 Verhiltnis von agrar- und umweltpolitischen Zielen

In den vorangegangenen Kapiteln sind wesentliche agrarische Umweltprobleme auch im Hinblick auf ihre Ursachen systematisiert worden. 1m folgenden ist nach den Zielen und insbesondere nach dem Verhaltnis agrar- und umweltpolitischer Ma13nahmen zu fragen. Erst dann kann auf die zur Erreichung dieser Ziele not­wendigen Ma13nahmen eingegangen werden.

Zunachst gilt es zu fragen, weshalb Uberhaupt politische Eingriffe notwendig sind, bzw. weshalb das marktwirtschaftliche System diese Probleme nicht von sich aus zufriedenstellend lost.

XI Bauer. S .. Agricultural Supply and Resource Use: Conflicts. Forces and Policy Consequences. in: Resource Adjustment and European Agriculture. Working Paper B2, Balatonzeplak 1987.

91 Vgl. z. V. O'Hara, S .. Externe EtTekte der StickstoffdOngung in der Landwirtschaft, Kiel 1984. 10) Zu diesem Problembereich sind in den letzten Jahren verschiedene Berechnungen vorgelegt worden,

so z.B.: Schulte, J., Begrenzter Einsatz von Handelsdongern und Pflanzenschutzmitteln, in: Ange­wandte Wissenschaft Heft 294 (Schriftenreihe des BML) 1984. Kling, A., Steinhauser, H., M6g­lichkeiten und Grenzen eines verringerten Einsatzes ertragssteigernder Betriebsmittel am Beispiel Stickstoff, in: Agrarwirtschaft 1986.

Page 72: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

62 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

In Bezug auf den vorliegenden Problembereich sind vor aHem drei GrUnde fUr staatliche Eingriffe in das marktwirtschaftliche System zu nennen ll :

exteme Effekte, Offentliche GUter, die Tatsache, daB die Ergebnisse des marktwirtschaftlichen Prozesses nicht den gesellschaftlichen und politischen Zielvorstellungen entsprechen.

Die traditionellen agrarpolitischen Ziele basieren im wesentlichen auf dem zu­letzt genannten Steuerungsdefizit der marktwirtschaftlichen Lenkung. So wurde bislang vermutet, daB ohne entsprechende Preis- und Einkommenspolitik die land­wirtschaftlichen Einkommen auf ein sozial unertragliches Niveau absinken wOrden (Einkommensziel). Ahnlich wurde befUrchtet, daB der MarktprozeB bei offenen Grenzen die landwirtschaftliche Produktion in der Bundesrepublik so weit zuruck­drangen wOrde, daB in Krisenzeiten die Versorgung gefahrdet ware (Versorgungs­ziel). Ahnliche Argumente sind fUr das Stabilisierungsziel anzufUhren, da die Weltmarktpreise charakteristischerweise starke Schwankungen aufweisen.

Umweltpolitische Ziele lassen sich aus der Tatsache externer Effekte und Of­fentlicher GUter ableiten. Exteme Effekte liegen dann vor, wenn durch wirtschaft­liche Aktivitaten andere positiv oder negativ beeinfluBt werden. So kann der Kon­sument Schaden erleiden, wenn aufgrund von OberdUngung in der Landwirtschaft das Trinkwasser mit Nitrat angereichert wird. Der Landwirt ist in dem Fall der Verursacher, er wird aber durch den Marktmechanismus nicht belastet. Es gibt eben keine Eigentumsrechte an Grundwasser oder Luft und Larm, so daB dem einzelnen keine Kosten fUr Belastungen bzw. Nutzen fur positive Effekte entste­hen. Exteme Effekte fUhren dazu, daB private und gesamtwirtschaftliche Kosten bzw. Nutzen auseinanderfallen. Deshalb ist der Staat aufgerufen, korrigierend einzugreifen.

FUr offentIiche Guter gibt es keinen Marktpreis und kein privates Angebot bzw. eine private Nachfrage. GegenUber privaten Giitem greift hier das Marktaus­schluBprinzip nicht und es etablieren sich folglich keine privaten Eigentumsrechte, die eine zentrale Voraussetzung fUr die Funktionsfahigkeit von Marktmechanismen darstellen (Markt kann als Tausch von Eigentumsrechten an Giitem oder Diensten interpretiert werden). So kann etwa die Erhaltung der Kulturlandschaft oder die Sauberhaltung von Gewassem als Offentliches Gut angesehen werden. Da einer­seits der Konsument des offentlichen Gutes nicht belastet wird, andererseits der Produzent nicht belohnt wird, fUhrt der MarktprozeB zu einer Unterversorgung mit Offentlichen GUtem. Auch hier ist prinzipiell der Staat aufgerufen, das Angebot offentlicher GUter zu regeln.

1m Rahmen des marktwirtschaftlichen Systems ist lediglich ein Grundkonsens Uber das System selbst erforderlich; ansonsten kann jeder seine eigenen Praferen­zen verfolgen. 1m Gegensatz dazu mUssen exteme Effekte und Offentliche GUter Uber gesellschaftliche und politische Abstimmungsprozesse geregelt werden.

Il)Ygl. dazu auch die allgemeine umwelt6konomische Literatur z.B: Wicke, L., Umweltokonomie, MUnchen 1984. Siebert, H., Economics of the Environment. Theory and Policy Heidelberg 1987.

Page 73: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 63

Die Marktmechanismen im Agrarbereich sind bislang in starkem MaBe von politischen Entscheidungen beeintluBt und korrigiert worden. Von diesem Ge­sichtspunkt gesehen verlangt eine starkere Beriicksichtigung umweltpolitischer Belange keinen grundlegenden Systemwandel. Wahrend die bisherige Agrarpolitik jedoch in starkem MaBe an den Interessen der Landwirte ausgerichtet war, kom­men bei der Umweltpolitik starker die Interessen Dritter ins Spiel. Dies kann zu Interessenkollisionen zwischen den beteiligten bzw. betroffenen Gruppen fuhren.

Fiir die Konzeption einer starker umweltorientierten Agrarpolitik ist vor allem die Frage bedeutsam, ob die okologischen Zielvorstellungen in Einklang mit oko­nomischen und agrarpolitischen Zielen stehen. Handelt es sich statt dessen urn Zielkontlikte, kann ein Ziel nur auf Kosten eines anderen realisiert werden (KompromiBlosung).

Geht man von den oben behandelten praktischen Agrar- und Umweltproblemen aus, so sind in der Tat eine Reihe von Zielharmonien festzustellen:

Eine Reduzierung der Intensitat der Landbewirtschaftung ware sowohl aus okologischer Sicht als auch im Hinblick auf eine Reduzierung der Produk­tionsiiberschiisse und Finanzbelastungen wiinschenswert. Auch eine Freisetzung landwirtschaftlicher Flachen kann, wenn okologische Kriterien starker zum Tragen kommen, sowohl den agrar- als auch den um­weltpolitischen Zielen dienen.

Andererseits ist aber auch zu sehen, daB erhebliche Kontlikte bestehen konnen. Die verscharfte Verfolgung okologischer Belange ist moglicherweise mit negati­yen Einkommenskonsequenzen fur Landwirte verbunden, so z. B.

bei Autlagen zur Giillespeicherung und -ausbringung, oder wenn weitere Konzentration und Spezialisierung verhindert wird und damit okonomische Vorteile nicht genutzt werden konnen.

Erhebliche Kontlikte bestehen bei der Verwirklichung von Umweltbelangen auf nationaler Ebene vor allem im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfahig­keit.

In der praktischen Politik werden Zielkontlikte der genannten Art oft dadurch bewaltigt, daB Einkommenskompensationen oder andere AusgleichsmaBnahrnen gewahrt werden (Politikbiindel).

5.4 Agrarpolitische Losungsansatze und umweltpolitische Implikationen

Die Agrarpolitik der nachsten Jahre wird vorrangig von der Notwendigkeit zur Reduzierung der Produktionsiiberschiisse sowie zur Stabilisierung und Stiitzung

Page 74: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

64 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

der landwirtschaftlichen Einkommen und von den intemationalen Abmachungen und Vereinbarungen bestimmt. Agrarpolitischer MaBnahmen zur Reduzierung der Agrarproduktion konnen prinzipiell an unterschiedlichen Stellen ansetzen und zwarl2:

bei der Produktionsmenge selbst (Preispolitik, Kontingentierung), beim Produktivitiltszuwachs (z. 8. Begrenzung technischer Fortschritte, Ver­minderung der Auslastung des Faktoreinsatzes, Begrenzung der Ausnutzung von GroBenvorteilen) oder direkt bei dem Faktoreinsatz.

Eine gezielte Verminderung des Produktivitiltszuwachses wtirde das okonomi­sche Effizienzprinzip auf den Kopf stellen und soli daher nicht weiter betrachtet werden.

Von grundlegender Bedeutung fiir die agrarsektorale Entwicklung ist der kUnf­tige Kurs der Agrarpreispolitik. Angesichts der Finanzierungs-probleme haben die EU-Kommission und der Ministerrat bereits seit Jahren einen restriktiven, starker marktorientierten Kurs eingeschlagen und mit der EG-Agrarreform die aktive PreisstUtzungspolitik endgiiltig verlassen. Es ist davon auszugehen, daB diese Po­litik in den nilchsten Jahren folgende Konsequenzen haben wird:

weiterhin tendenziell gedriickte Einkommen, finanzielle Marktentlastungen, kurzfristig bereits dadurch, daB die Aufwen­dungen je OberschuBeinheit vermindert werden, aber drastisch steigende direk­te Einkommenstransfers, mittel- und lilngerfristige Anpassungen des landwirtschaftlichen Angebots, da weniger Vorleistungen eingesetzt werden und geringere Investitionen getiltigt werden sowie verstilrkt Arbeitskrilfte abwandem.

Aus okologischer Sicht sind von einer starkeren und nachhaltigeren Preissen-kung durchaus positive Tendenzen erwartbar, so z. 8.

tendenzielle Verminderung der Bewirtschaftungsintensitilt, Verminderung der Boden- und Pachtpreise, dadurch werden spezielle okologische Programme leichter und mit geringerem Mittelaufwand durchfiihrbar sein.

Diese positiven Effekte werdenallerdings durch die groBdimensionierten Trans­ferzahlungen und neue Beihilfen z. T. bzw. vollstilndig konterkariert.

Durch die Kontingentierung der landwirtschaftlichen Produktion lilBt sich der Einkommensdruck in wesentlich engeren Grenzen halten, bzw. eine starker ein­kommensorientierte Preispolitik durchsetzen. Kontingentierungs-maBnahmen werden aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten und wegen der langfristigen Hemmung des Strukturwandels von den meisten Agrarokonomen abgelehnt, bzw. nur als kurzfristige, voriibergehende MaBnahme akzeptiert. Die Erfahrungen zei-

12)Ygl. dazu im einzelnen: Bauer, S., Bewertung produktionsbegrenzender MaBnahmen ... a.a.O., S. 132-144.

Page 75: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 65

gen, daB eine Einfiihrung von Kontingenten mit groBeren politischen und verwal­tungstechnischen Problemen verbunden ist. Wohl vorrangig aus diesen Grunden ist derzeit kaum mit einer weiteren Ausdehnung der Kontingentierung (neben Milch und Zucker) zu rechnen. Hinsichtlich der okologischen Wirkungen konnen kaum allgemeine oder eindeutige Aussagen gemacht werden.

Einen anderen Ansatzpunkt stellt die Reduzierung landwirtschaftlicher Flachen durch staadiche Pramien fUr Nichtbewirtschaftung dar. Solche MaBnahmen wer­den bereits seit langerem in den USA praktiziert und sind vor kurzem auch in der EU eingefUhrt worden. Die Grundidee besteht darin, daB die Gewlihrung von Pramien fUr die Nichtnutzung von Flachen geringere Finanzaufwendungen erfor­dem als die Verwertung von Oberschlissen. Allerdings ist zu berUcksichtigen, daB der Angebotseffekt weit geringer sein dtirfie als die Flachenstillegung, weil vor­rangig marginale Flachen mit niedrigem Ertragsniveau aus der Produktion ge­nommen werden, wlihrend die verbleibenden Flachen intensiver bewirtschaftet werden. Weiterhin ist mit steigenden Pachtpreisen und einer Beeintrachtigung des betrieblichen Strukturwandels zu rechnen. Dies hat eine zusatzliche Verzerrung der Faktorpreisverhaltnisse zur Folge.

Aus okonomischer Sicht sind Stillegungsprogramme auch deshalb skeptisch zu beurteilen, wei! die Nichtnutzung knapper Ressourcen staatlich pramiert und damit das okonomische Prinzip auf den Kopf gestellt wird. Keines der bisherigen Stille­gungsprogramme war bzw. ist nach okologischen Gesichtspunkten ausgestaltet. Auf den in der landwirtschaftichen Produktion verbleibenden Flachen wird auch aufgrund der Faktorpreisverzerrung mit einer zusatzlicher Intensivierung zu rech­nen sein. Daher ist auch der okologische Wert auBerst fraglich.

Ahnlich kann man auch den Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft vermindem, wie es beispielsweise mit einem vorgezogenem Altersgeld angestrebt wird. Auch hier wird zwar die Nichtnutzung von Faktoren staadich pramiert, allerdings ist diese MaBnahme aus sozialer und agrarstruktureller Sicht eher positiv zu beurtei­len. 1m Vergleich zur Flachenstillegung hat eine Reduzierung des Arbeitseinsatzes ein erhohtes Bodenangebot und bessere Voraussetzungen fUr betriebliches Wachstum zur Folge. Spezifische okologische Effekte lassen sich hier kaum fest­machen.

SchlieBlich kann eine Verminderung des Angebotszuwachses auch durch eine Reduzierung des Kapital- und Vorleistungseinsatzes angestrebt werden. 1m Rah­men des einzelbetrieblichen Forderungsprogramms wurden lange Zeit Investi­tionen in der Landwirtschaft gefordert. Diese MaBnahmen sind aber in letzter Zeit stark reduziert bzw. weitgehend eingestellt worden. Eine Verminderung des Vor­leistungseinsatzes wird durch die verschiedenen Extensivierungsprogramme ange­strebt. Dabei sollen Landwirte Pramien erhalten, wenn nachweislich geringere Ertrage erzielt werden und die Fruchtfolge aufgelockert wird. Es hat sich aber gezeigt, daB im Rahmen dieser Programme vorrangig bereits vorher vergleichs­weise extensiv bewirtschaftete Flachen angeboten werden, so daB der Mitnahme­effekt hier besonders ausgepragt ist und entsprechend eine geringe Effizienz dieser Programme beklagt wird.

Page 76: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

66 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Eine generelle Reduzierung des Betriebsmitteleinsatzes (z. B. durch Besteue­rung) wird bereits seit langem als agrarpolitische Alternative zur restriktiven Preispolitik diskutiert 13 • Aus okonomischer Sicht sind dabei folgende Aspekte bedeutsam:

Die eingesparten Faktoren konnten alternativ genutzt werden (z. B. erhohter Export, verminderter Import von Dtingemitteln). Gegentiber einer Agrarpreissenkung laBt sich der gleiche Angebotseffekt mit wesentlich geringerem Einkommensdruck erreichen. Eine Besteuerung von Betriebsmitteln bringt kaum administrative Probleme; produkt- oder faktorspezifische Steuern stellen ein weiterverbreitetes Instru­ment in marktwirtschaftlichen Systemen dar. die Haushaltsprobleme sind leichter IOsbar; einmal aufgrund der zusatzlichen Staatseinkommen aus der Inputsteuer und zum anderen wegen der geringeren Ausgaben durch die Angebotsreduzierung.

Aus okologischer Sicht ist eine Reduzierung des Betriebsmitteleinsatzes (insbesondere des Diinge- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes) eindeutig positiv zu beurteilen l4 . Zusatzlich kann mit einer Verteuerung von Betriebsmitteln auch der Obergang zu extensiven Produktionsverfahren und Betriebsformen gefordert wer­den.

5.5 Spezifische umweltpolitische MaBnahmen

Mit der Reform der EG-Agrarpolitik im Jahre 1992 ist es nicht gelungen, Umwelt­probleme adaquat in die Grundausrichtung der Agrarpolitik zu integrieren. Auch in der anstehenden "Reform der Reform" ist nicht damit zu rechnen, daB aile Agrar­Umweltprobleme zufriedenstellend bewaltigt werden. Ebenso ist kaum anzuneh­men, daB ad hoc eine okologisch orientierte, ganzheitliche Agrarpolitik, we\che eine umweltschonende Landwirtschaft garantiert, aus der Taufe gehoben wird.

Realistischerweise ist vielmehr davon auszugehen, daB eine Reihe von Umwelt­problemen weiterhin bestehen bleiben und spezielle, umweltpolitische Aktivitaten und MaBnahmen notwendig sein werden. Die Ausrichtung und Bedeutung spezifi-

13) Z. B. Bauer, S., Steuerung des landwirtschaftlichen Angebots, in: Bockenhoff, E., Steinhauser, H., v. Urft~ W., Landwirtschaft unter veranderten Rahmenbedingungen, MOnster-Hiltrup 1982, S. 493-511. Agrarsoziale Gesellschaft, Oko-Steuern als Ausweg aus der Agrarkrise?, Schriftenreihe fOr landliche Sozialfragen, Heft 115, GOttingen.

14) Aus Okologischer Sieht wurde deshalb eine Besteuerung von Betriebsmitteln und insbesondere von Stickstoff bereits seit langerem vorgeschlagen, so z.B.: Rat von Sachverstandigen fur Umwelt­fragen: Umweltprobleme der Landwirtschaft (Sondergutachten) 1985. Weinschenck, G., Der oko­nomisehe oder der okologisehe Weg?, in: Agrarwirtschaft, 1986, S. 321-327.

Page 77: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 67

scher UmweltschutzmaBnahmen werden allerdings von der Grundentscheidung der Agrarpolitik bestimmt.

Erganzende umweltpolitische MaBnahmen werden notwendig sein, weil viele der in Abschnitt 2 herausgearbeiten okonomischen Krafte, weIche potentielle Umweltgefahren hervorrufen, bestehen bleiben. Auch klinftig werden Landwirte aus okonomischen Grlinden gezwungen sein, teilweise eine eher umweltschadi­gende Produktionsweise zu betreiben, urn ihren Einkommensstand zu halten bzw. zu verbessern und international konkurrenzfahig zu bleiben. Mit folgenden Ten­denzen ist auch klinftig zu rechnen:

weiter zunehmende Konzentration und Spezialisierung, weitere Mechanisierung und anhaltendes Betriebs- bzw. Tierbestandswachs­tum, hohe Intensitat der Landbewirtschafiung (Probleme in Wassereinzugsgebieten und auf okologisch wertvollen Flachen).

1m folgenden soli nicht auf EinzelmaBnahmen eingegangen werden, vielmehr wird eine Systematik von Instrumenten nach ihrer Eingriffsintensitat vorgestellt. Dabei werden vorrangig grundsatzliche Gesichtspunkte der umweltpolitischen Effektivitat, der Kompatibilitat umweltpolitischer MaBnahmen mit unserer Wirt­schafts- und Gesellschaftsordnung und der bisher praktizierten Agrarpolitik disku­tiert l5 . Vor diesem Hintergrund soli auch eine Einordnung des Oko-Audits in der Landwirtschaft erfolgen.

1. Verbesserte Information und Beratung: Aktivitaten in diesem Bereich konnen sich einmal auf Konsumenten beziehen (etwa durch Aufklarung zum Kauf um­weltschonend hergestellter Nahrungsmittel). Ein bislang unzureichend gelostes Problem besteht hier in der Kennzeichnung und Garantie der Herstellungsme­thode (dies gilt auch fur die sogenannten biologischen Produkte). Zum anderen konnen sich Aufklarung und Beratung direkt an Landwirte rich­ten, wobei allerdings nur dann mit groBeren Erfolgen zu rechnen ist, wenn umweltvertragliche Landbewirtschaftung nicht oder nicht gravierend dem oko­nomischen Eigeninteresse zuwider lauft. Beispiele fur erfolgreiche Beratung zur umweltschonenden Landbewirtschafiung, die sich fur den Landwirt lohnen, sind etwa: der integrierte Pflanzenschutz, gezielte Dlingung und Vermeidung von Oberdlingung, Verminderung der Bodenerosion (erweiterte Fruchtfolge etc.) und die Verminderung des Bodendrucks durch entsprechende Bodenbear­beitungs- und Mechanisierungsverfahren. Eine spezielle Form von Beratung stellen moralische Appelle dar, die darauf abzielen, grundlegende Einstellungen, Verhaltensweisen und Zielvorstellungen zu korrigieren. Okologische Werte sollen gegenliber individuellen Einkommen (Nutzen) hoher bewertet werden. Dadurch konnen sicherlich gewisse Effekte erreicht werden. Ein zu we it gehender moralischer Druck muB jedoch proble-

15) Ygl. auch: Wicke, L. UmweltOkonomie ... a.a.O., Siebert. H .. Analyse der Instrumente der Umwelt­politik, GOttingen 1976.

Page 78: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

68 Kapitel \: Umwelt- und Agrarpolitik

matisiert werden, insbesondere dann wenn er einseitig auf bestimmte Gesell­schaftsgruppen, wie z. B. die Landwirte gerichtet ist. Das grundsatzliche Steuerungsproblem, namlich die Abweichung von privaten und gesellschaftlichen Kosten und Nutzen, bleibt jedoch bestehen. Autklarung und Beratung kann sich auch auf das Oko-Audit in der Landwirt­schaft beziehen und zwar in zweierlei Hinsicht. Einmal kann man sich direkt an Landwirte wenden und sie tiber mogliche Vorteile (und auch Belastungen und mogliche Nachteile) von Oko-Auditverfahren unterrichten. Zum anderen kann der Weg tiber den Verbraucher gewahlt werden, urn zu erreichen, daB Produkte von audierten Betrieben bevorzugt nachgefragt werden. Dies dtirfte aber nur bei Produkten bzw. Betrieben mit direkter Erzeuger - Verbraucher - Identifika­tion moglich sein.

2. Steuem und Subventionen: Mit diesen klassischen Instrumenten werden exter­ne Effekte (private Aktivitaten, die nicht durch den Markt entlohnt werden) intemalisiert, oder anders ausgedruckt, die privaten Kosten (Nutzen) werden den gesellschaftlichen Kosten (Nutzen) angeglichen. Dies bedeutet, daB durch Steuem oder Subventionen die okonomischen Rahmendaten so verandert wer­den, daB Landwirte, die ihren individuellen Nutzen maximieren gleichzeitig zu einem gesamtwirtschaftlichen Optimum beitragen. Dies entspricht genau den Vorstellungen einer marktwirtschaftlichen Umweltpolitik. Ein Beispiel flir Umweltsteuem in der Landwirtschaft ware die Besteuerung von zugekauften Dtingemitteln und von Pflanzenschutzmitteln. Die okologisch relevanten Wirkungen dieser MaBnahmen gehen weit tiber die direkte Vermin­derung des Verbrauchs pro Hektar hin. So ist z. B. eine Erweiterung der Fruchtfolge unter Berucksichtigung stickstoffsparender bzw. stickstoffprodu­zierender Pflanzen, eine starkere Betonung des Zwischenfruchtanbaus, eine bessere Verwertung der anfallenden Gtille sowie langfristig auch pflanzenzUch­terische MaBnahmen im Hinblick aufStickstoffverwertung erwartbarl6.

Weitere Beispiele sind die Einfiihrung einer generellen Energiesteuer oder die Besteuerung importierter Futtermittel. Auch bei der Gestaltung der verschiede­nen Subventionen zugunsten der Landwirtschaft lieBen sich umweltbezogene Kriterien berUcksichtigen. Ein umweltorientiertes Steuer- und Subventionsystem wUrde flir viele Landwir­te einen Anreiz darstellen, ein Oko-Audit durchzufiihren, um den betriebsindi­viduellen zweckmaBigen Anpassungspfad an die neuen Rahmenbedingungen zu finden. Weitergehende Anreize zur Einflihrung von Oko-Audits in der Landwirtschaft waren durch eine spezifische Bindung bzw. Staffelung von Steuem und Subventionen an Oko-Auditverfahren bzw. deren Ergebnisse vor­stellbar.

16)Ygl. dazu im Einzelnen die Yorschilige bei: Bauer, S. Abresch, J.-P., Steuemagel, M (\996) Ge­samtinstrumentarium zur Erreichung einer umweltvertrllglichen Raumnutzung, Materialien zur Umweltforschung Bd. 26, Stuttgart, Sachverstllndigenrat filr Umwelt: SRU (1996), Konzepte einer dauerhaft-umweltgerechten Nutzung Illndlicher Rliume, Stuttgart

Page 79: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

5 Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 69

3. Schaffung von Eigentumsrechten: Wenn Eigentumsrechte, etwa in Form von Lizenzen, geschaffen werden, konnen UmweltgUter am Markt gehandelt wer­den. Es bilden sich dann Preise, die die Begehrtheit bzw. Knappheit spezieller UmweltgUter zum Ausdruck bringen. Interessierte Gruppen, wie z. B. Natur­schutzverbande konnen Lizenzen aufkaufen (z. B. fur SchadstoffausstoB) und damit marktwirtschaftlich zu einer besseren Umwelt beitragen. Wahrend es im industriellen Bereich, insbesondere in den USA verschiedene Beispiele dafur gibt, ist eine einfache Obertragung dieser Konzepte auf die Landwirtschaft bislang nur schwer vorstellbar (Kontrollier-barkeit). Allerdings konnen beste­hende Eigentumsrechte, z. B. an Boden, starker genutzt werden urn spezifi­schen Umweltbelangen Geltung zu verschaffen. In gewisser Weise werden auch durch ein Oko-Audit Eigentumsrechte geschaf­fen, zwar nicht direkt bezogen auf die UmweltgUter, aber bezUgIich des be­triebsindividuellen Umgangs mit der Umwelt. Darin Iiegt quasi die Logik des Oko-Audit, denn erst durch die private Nutzbarmachung des Zertifikats wird fur Untemehmen ein hinreichender Anreiz zur Beteiligung geschaffen.

4. Gebote und Verbote: Diese sehr weitgehenden Eingriffe in die Eigentums- und Nutzungsrechte kommen vor allem bei akuten Gefahrdungen und eindeutig belastenden Stoff en in Betracht. Verbote haben den VorteiI, das sie den Ent­scheidungsspielraum weniger einengen als Gebote und auBerdem die innovati­yen Krafte und umweItvertraglichen Fortschritte weniger behindern. Okono­men stehen vor allem den starkeren, administrativen, direkten Eingriffen haufig skeptisch gegenUber (Gangeln, Kontrollprobleme, Umgehungsmoglichkeiten). Dies sei an einem Beispiel erIautert: Die GUIleverordnung stellt ein Verbot der GUIleausbringung in den Wintermonaten dar. Nach Ablauf der Ausbringungs­frist ist haufig eine OberdUngung feststellbar, die je nach Witterung mit erheb­lichen Problemen verbunden sein kann. Eine marktwirtschaftliche Losung wUr­

de z. B. in einer DUngemittelbestimmung bestehen, die den Wert der GUIle steigem wiirde. Dadurch konnte ein okonomischer Anreiz entstehen, die GUIle dann auszubringen, wenn moglichst viele Nahrstoffe von den Pflanzen aufge­nommen werden. Die veranderten Rahmenbedingungen wiirden okonomisches Handeln mit den okologischen Erfordemissen tendenziell in Einklang bringen, ohne die nachteiligen Wirkungen starrer Auflagen. Betrieblich relevante Gebote und Verbote werden bei der Umweltbetriebsprti­fung quasi als Richtschnur genommen. Einmal wird die Einhaltung der Vor­schriften und gesetzten Grenzwerte Uberpriift und zum anderen soIl festgestellt werden, ob die formulierte untemehmerische UmweItpoIitik eine Besserstel­lung gegenUber den gesetzIichen Vorgaben beinhaltet. Anderungen von Gebo­ten und Verboten haben somit unmittelbar EinfluB auf das Oko-Audit und seine wesentlichen Bestandteile.

5. Obemahme und Management umweltpolitischer Aktivitaten durch den Staat bzw. halbstaatliche Korperschaften: Hier beeinfluBt der Staat nicht nur wirt­schaftliche Aktivitaten von anderen, sondem wird direkt selbst aktiv. Beispiele

Page 80: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

70 Kapitel I. Umwelt- und Agrarpolitik

fur solche staatliche Aktivitaten sind u.a. Aufkauf von Flachen fur Natur­schutzzwecke (Okozellen) oder staatliche Uberpriifung von Geraten, Be­triebsmitteln oder Produkten. Solche MaBnahmen kommen dann in Betracht wenn die iibrigen MaBnahmen nicht ausreichend greifen bzw. die Eigentumsrechte zu stark einengen. Grenzen fur solche Aktivitaten sind vor allem in den hohen Finanzaufwendungen, den hohen Folgekosten bei staatlichem Management sowie in der Schwerfalligkeit und haufig geringen Effizienz biirokratischer Institutionen zu sehen. Die Notwendigkeit direkter staatlicher Aktivitaten hangt in starkem MaBe da­von ab, inwieweit es gelingt iiber indirekte MaBnahmen (u.a. Oko-Audit) aus­reichend EinfluB auf eine umweltgerechte Wirtschaftsweise auszuiiben.

5.6 SchluBfolgerungen fUr Politik und Forschung

In diesem Beitrag wird zum einen ein Uberblick iiber zentrale Agrar- und Um­weltprobleme der Landwirtschaft in der BR Deutschland gegeben. Zum anderen werden die Ursachen und die Entwicklungen dieser herausgestellt sowie agrar- und umweItpoIitische Ziele und Aktivitaten diskutiert. Die Analyse verdeutlicht, daB beide Bereiche in engem wechselseitigen Zusammenhang stehen, sowohl in bezug auf die Problemanalyse als auch im Hinblick auf die politische Gestaltung. Gleich­zeitig wurde deutlich, daB viele Umweltprobleme okonomische Ursachen haben. Entsprechend sollten detaillierte okonomische Analysen angestellt werden, bevor tiefgreifende umweltpolitische Eingriffe in Erwagung gezogen werden.

Erfolgreiche Umweltpolitik bedarf einer ausgewogenen Einfugung umweltpoli­tischer Ziele in das gesellschaftliche sowie wirtschafts- und agrarpolitische Zielsy­stem. Okologische Belange und Notwendigkeiten als Vorrang - oder Oberziele zu betrachten, dem sich die traditionellen wirtschafts- und agrarpolitischen Ziele unterzuordnen haben, ist m.E. nicht gerechtfertigt. Dieses kann eher auf die Ge­fahrdung einer erfolgreichen Umweltpolitik hinauslaufen, wenn namlich die oko­nomischen Konsequenzen von den Betroffenen nicht mehr getragen werden.

Es wurde dargelegt, daB die agrarpolitischen Erfordernisse in einigen Bereichen mit den Umweltbelangen in Einklang stehen. In anderen Bereichen liegen and au­ernde Zielkonflikte vor, welche immer nur auf tragbare KompromiJ3iosungen hin­auslaufen konnen.

Erfolgreiche Umweltpolitik hat vielfaltige okonomische Facetten und erfordert ein starkeres Engagement der verschiedenen Disziplinen. Der Slogan "Okologie statt Okonomie" hat in der Vergangenheit mehr Verwirrung als Nutzen gestiftet. Gefragt ist heute eine angewandte Umweltokonomie, die die Wege des sparsamen Umgangs mit dem knappen Gut Umwelt aufzeigt.

Page 81: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Umweltprobleme der Landwirtschaft und Umweltrelevanz der Agrarpolitik 71

Das Oko-Audit in der Landwirtschaft kann dazu einen Beitrag leisten. Eine starkere verbreitung ist allerdings nur zu erwarten, wenn durch komplementare lnstrumente der Umweltpolitik ein entsprechender Anreiz gesetzt wird. Umwelt­politische Wunder oder auch nur eine Trendwende in den Umweltbelastungen sind von diesem Instrument alleine nicht zu erwarten.

5.7 Zusammenfassung

Die umweltpolitischen Probleme der Landwirtschaft sind eng mit den verschiede­nen Dimensionen und Problemen des agrarischen Entwicklungsprozesses selbst sowie mit der zunehmend schwierigeren Problemlage verbunden. Eine differen­ziertere Betrachtung des landwirtschaftlichen Entwicklungsprozesses und des sen akonomische und politische Bestimmungsfaktoren zeigt, daB bestimmte Er­scheinungen sowohl zu agrar- als auch umweltpolitischen Problemen gefuhrt ha­ben (z. B. zunehmende lntensivierung aufgrund glinstiger Agrar-Betriebsmittel­preisrelationen). Eine Lasung dieser agrarpolitischen Probleme steht daher in Einklang mit den umweltpolitischen Erfordernissen und umgekehrt. Auf der ande­ren Seite existieren aber nachhaltige Konflikte zwischen okonomischen und agrar­politischen Zielen einerseits und umweltpolitischen Belangen andererseits (z. B. zunehmende Konzentration, Spezialisierung und Mechanisierung).

Von den derzeitigen Ansatzen zur Losung der agrarpolitischen Probleme in der EU ist der Tendenz nach eine umweltpolitische Entlastung zu erwarten, wenn­gleich umweltpolitische Belange bei der Ausrichtung und Ausgestaltung agrarpo­litischer MaBnahmen bislang nur unzureichend berlicksichtigt wurden. Angesichts der groBen Unterschiede der umweltpolitischen Erfordernisse wird es wohl kaum eine umweltpolitisch orientierte Agrarpolitik aus einem GuB geben. vielmehr ist davon auszugehen, daB spezifische umweltpolitische MaBnahmen im verstarktem MaBe erforderlich sein werden.

Page 82: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

72 Kapitel I. Umwelt- und Agrarpolitik

Zum Autor

Prof. Dr. Siegfried Bauer, Jg. 1949, ist Professor fUr Projekt- und Regionalplanung im Hindlichen Raum des Fachbereichs Agrar­wissenschaften und Umweltsicherung an der Justus-Liebig-Universitat GieBen. Vor seiner Berufung nach GieBen war er Professor fUr Agrarpolitik und Agrarokonomie an den Universitaten Bonn und Kiel. Er ist Mitglied im Direktorium des Zentrums fUr Regionale Entwicklungsforschung und leitet gemeinsam mit Dipl.-Ing. J.-P. Abresch die Arbeits­gemeinschaft "Umweltmanagement in der Agrar- und Emahrungswirtschaft". Seine For­schungsarbeiten konzentrieren sich auf die

Bereiche Landwirtschaft, landlicher Raum und Umwelt, Methoden der Regional­und Umweltplanung, Agrar-, Regional- und Umweltpolitik, in entwickelten Lan­dem und in Entwicklungslandem.

Page 83: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europaischen Agrarpolitik

Zusammenhang von Subventions- und Struktur­entwicklung mit dem Instrument Oko-Audit

Berthold Pohl

6.1 Die Ziele des Oko-Audit

Das Oko-Audit im Sinne der EG-Verordnung Nr. 1836 vom 29. Juni 1993 verfo1gt in erster Linie das Ziel, die Interessen von Okologie und Okonomie im Rahmen einer fortschrittlichen Umweltpolitik auf Betriebsebene miteinander zu vereinba­ren, wobei dafur marktwirtschaftliche Instrumente wie Umweltmanagement und UmweltbetriebsprUfung herangezogen werden sollen. Wichtigstes Ziel ist es dabei, die Leistungen eines Unternehmens im Gesamtproduktionsablauf, also vom Roh­stoffverbrauch bis zum Vertrieb, okologisch zu UberprUfen und daraus ein standi­ges Umweltmanagement fur den Betrieb abzuleiten. Dieses Umweltmanagement­system soli die Kombination und Koordination aller Produktionsfaktoren mit Ein­bezug der Umweltfaktoren vornehmen. Dem Kontrollinstrument der Umweltbe­triebsprUfung wird das Informationsinstrument zur Seite gestellt, wobei die ge­nannte EG-Verordnung auf die Unterrichtung der Offentlichkeit besonderen Wert legt. Schwerpunkt der OberprUfung ist der Betriebsstandort eines Unternehmens, der laufend auf seine Umweltauswirkungen UberprUft wird, wobei nicht nur der Betrieb selbst in diese PrUfung miteinbezogen wird, sondern auch die Zulieferer, die Subunternehmer und die Abnehmer. Die Sichtweise des Oko-Audit geht aber immer von Betrieb selbst und vom Betriebsstandort aus, es handelt sich also in erster Linie um ein System, das nach innen wirkt und nur indirekt Auswirkungen auf die Au13enwelt hat. Der Umweltanspruch an die Zulieferer wird also nur dann Erfolg haben, wenn der Betrieb auch einen entsprechenden marktwirtschaftlichen Druck ausUben kann. Und hier wird die Verbindung der Okologie mit der Oko­nomie besonders deutlich; denn dieses neue PrUfungssystem strebt fur das Unter­nehmen in erster Linie Wettbewerbsvorteile durch ein verbessertes Umweltimage an, also wirtschaftliche Vorteile, die nicht auf Produktwerbung, sondern im we­sentlichen auf Firmenwerbung beruhen. NatUrlich erwartet sich das Unternehmen

Page 84: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

74 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

auch entsprechende Kosteneinsparungen, wie zum Beispiel durch einen verminder­ten Energieeinsatz, doch dlirfte liingerfristig das Umweltimage am Markt die ent­scheidende Triebfeder fiir die praktische Umsetzung der EG-Verordnung sein. Dieses Anreizsystem ist auch gekennzeichnet durch seine umfassende Ausrich­tung, denn alle umweltrelevanten Auswirkungen der betrieblichen Tiitigkeit auf die verschiedenen Umweltbereiche sind zu berlicksichtigen, und der gesamte Betrieb ist miteinzubeziehen, also nicht nur die Produktpalette, sondem auch die Hersteller dieser Produkte, wie zum Beispiel die Beschiiftigten im Betrieb. Und nicht zuletzt mu/3 auf die Freiwilligkeit dieser Verordnung hingewiesen werden, denn die Be­teiligung an diesem System steht den Untemehmen frei, der Untemehmer mu/3 also selbst entscheiden, ob er seine Produktionsstiitte auf eine kontinuierliche Verbesse­rung des betrieblichen Umweltschutzes ausrichtet. Soli dieses Prlifungssystem, und vor allem die Grundidee einer betrieblichen Okobilanz nicht nur bei einzelnen Betrieben, sondem breitgestreut Erfolg haben, so bedarf es, vor allem bei Klein­und Mittelbetrieben, augenscheinlich eines finanziellen Impulses: ohne Investitio­nen und Beratung unterstlitzt durch Offentliche Beitriige ist die Umsetzung der Prlifungsergebnisse nur bedingt realisierbar.

6.2 Das Interesse der Landwirtschaft am Oko-Audit

Zur Zeit sind in der genannten Verordnung der Europiiischen Gemeinschaft nur die gewerblichen Untemehmen berlicksichtigt, wobei aber das Emiihmngsgewerbe eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Die Fleisch- und Milchverarbeitung findet genauso Berlicksichtigung wie die Verarbeitung von Obst und Gemlise, von Back­und Teigwaren und von sonstigen Nahrungsmitteln und Getriinken. Auch Unter­nehmen zur Herstellung von Futtermitteln konnen, genauso wie Untemehmen der chemischen Industrie, der Umweltbetriebsprlifung unterworfen werden, wobei die Landwirtschaft ein besonderes Interesse an folgenden Produktionssparten haben dlirfte: Herstellung von Dlingemitteln, von Schiidlingsbekiimpfungs- und Pflanzen­schutzmitteln, von Kiilte- und Klimaanlagen, von Ackerschleppem und von sonsti­gen land- und forstwirtschaftlichen Maschinen. Diese indirekte Verbindung der Landwirtschaft mit Oko-Audit-Betrieben auf der Verkauf- und Einkaufseite konnte nattirlich dazu verleiten, das Interesse der Landwirtschaft an diesem freiwilligen Umweltkontrollsystem als gering einzustufen. Doch folgende Aussage macht deutlich, wie eng die landwirtschaftlichen Untemehmen bereits mit ihrem Umfeld verflochten sind:

"Man stelle sich vor, daft sich samtliche Backereien und Brauereien in Deutschland in ihrer Umweltpolitik dazu verpflichten, nur noch Getreide aus okologischem Anbau zu verarbeiten. Dies wurde eine okologische Revolution in

Page 85: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europaischen Agrarpol itik 75

der Landwirtschaft herbeifiihren, die aile Bemiihungen zur Verminderung der Umwelteinwirkungen der Groj3industrie in den Schatten stellen wiirde. "

(Betriebliches Umweltmanagement - Anforderungen nach der Audit-Verord­nung der EG von Dr. Siegfried Waskow, C.F. Miiller Verlag Heidelberg).

Offensichtlich ist das Interesse der landwirtschaftlichen Untemehmen also nicht nur beschrankt auf den eigenen betriebsspezifischen Standort, sondem zumindest im gleichen AusmaJ3 an einer Umweltbetriebspriifung der Abnehmer- und Zulie­feruntemehmen.

Es ware aber ein groJ3er Fehler, das vorliegende Oko-Audit-Verfahren nun be­triebsiibergreifend auf die gesamte Landwirtschaft umzulegen. Die landwirtschaft­lichen Untemehmen weisen namlich eine ganze Reihe von spezifischen Eigenarten auf, die entsprechend Beriicksichtigung finden miissen. So sind zum ersten die landwirtschaftlichen Betriebe aufgrund des verwendeten Betriebskapitals, wie Boden, Wasser und Klima, wie kaum ein anderer Betrieb engstens mit der Umwelt verbunden. In der Folge ist die Verbindung der landwirtschaftlichen Tatigkeit zum Standort besonders ausgepragt, da der Standort selbst als Produktionsfaktor in das Unternehmen Eingang findet, und dieser Standort gleichzeitig einen Produktquali­tatsfaktor darstellt. Zum zweiten sind die landwirtschaftlichen Unternehmer auch selbst direkt Betroffene der Umweltauswirkungen. Die Umweltqualitat im bauerli­chen Betrieb ist namlich mit der Lebensqualitat der Erzeuger gleichzusetzen. So ist der Arbeitsplatz Bauernhof nicht nur ein Standort fur die Qualitatsproduktion, sondern gleichzeitig Lebensraum und Wohnort des Produzenten und dieser Le­bensraum wird nicht selten durch den notwendigen Umgang mit Spritz- und Diin­gemitteln oder auch durch jenen mit landwirtschaftlichen Maschinen beeintrach­tigt. Man denke nur an die entsprechende Abgas- oder Larmbelastigung. Und drit­tens ist der landwirtschaftliche Unternehmer auch gleichzeitig ein aktiver Umweltschiitzer, wie der Erhalt des landlichen Raumes oder die Erosionsvermei­dung deutlich machen, sodaB zur Vorbeugung und Vermeidung von Umweltbela­stungen auch die aktive Umweltpflege dazukommt.

Und schlie13lich befindet sich der landwirtschaftliche Betrieb in einer Sandwich­Position mit beschranktem Gestaltungsspielraum: Auf der einen Seite besteht der groJ3e Druck des Lebensmittelmarktes und die speziellen Anforderungen der Nah­rungsmittelindustrie an die landwirtschaftlichen Vorprodukte und auf der anderen Seite diktiert die Betriebsmittelindustrie die Abnahmemoglichkeiten der landwirt­schaftlichen Unternehmer. Zusatzlich erstickt der landwirtschaftliche Betrieb im­mer mehr unter biirokratischen Auflagen, die aufgrund der bestehenden Subven­tionspolitik und aufgrund der Gefahr von Trittbrettfahrern, zum Beispiel bei oko­logischen Produkten, notwendig sind, aber gleichzeitig zu einer biirokratischen Umweltbelastung fur die bauerlichen Betriebe fuhren.

All diese Faktoren miissen beriicksichtigt werden, soli das Interesse der land­wirtschaftlichen Unternehmer an einer Beteiligung am Umweltmanagementsystem geweckt werden. DaB eine okologische Ausrichtung der landwirtschaftlichen Be­triebe notwendig ist steht auBer Zweifel, doch miiJ3ten dabei zwei Interessens eben en Beriicksichtigung finden:

Page 86: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

76 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

a) das Interesse des Landwirtes als Nahrungsmittelproduzent (Umweltpolitik fur den eigenen Betriebsstandort) und

b) das Interesse des Landwirtes als Abnehrner von Betriebsmitteln (Umweltpolitik fur den Betriebsstandort des Betriebsmittellieferanten).

Der Betriebsstandort des landwirtschaftlichen Unternehrnens ist laufend mit Umweltfragen und Umweltbelastungen konfrontiert, die imrner wieder zu neuen Herausforderungen fuhren. Die sparsame Verwendung des Rohstoffes Wasser ist genauso von Interesse wie die Abwasserentsorgung (z. B. bei KUhlwasser oder bei Nacherntebehandlungen). Die Bodenbelastung durch DUnge- und Pflanzenschutz­mittel und die abnehrnende Bodenfruchtbarkeit werfen neue Fragen auf und die Abgasbelastung tritt auch immer mehr in den Vordergrund. Hinzu komrnt die Verwendung von Plastikrnaterialien, die vermehrt auch in der Landwirtschaft zurn Einsatz komrnen, wie z. B. Folien im Garten- und GemUsebau, Verpackungs- und Prasentationsmaterialien von Obst- und Gemliseprodukten, Rundballenfolien im Grlinland, PlastikgroBkisten im Obstbau und nicht zuletzt Verpackungsmaterialien fur DUnge- und Pflanzenschutzmittel. Diese kurze Aufzahlung untermauert die Sinnhaftigkeit einer betrieblichen Okobilanz, und dies umsomehr, da die landwirt­schaftlichen Betriebe in der Offentlichkeit mit ihrem Umweltimage zu kampfen haben, wie die Grundwasserbelastung durch Oberdungung besonders deutlich macht.

6.3 Die Forderung nach einem Oko-Leitbild

Doch zeigt die Praxis, daB die Okobilanz, soIl sie Erfolg haben, nicht vom Markt abgekoppeJt werden kann. Die Okobilanz muB also in eine Wirtschaftsbilanz mUn­den; die beiden Prinzipien von Umwelt und wirtschaftlicher Entwicklung sind auch in der Landwirtschaft nicht zu trennen. Die nachhaltige Entwicklung und der Um­weltschutz mUss en also gemeinsam zu einem Wettbewerbsvorteil gemacht werden. Gelingt dies, dann ist eine Umsetzung unabhangig von Betriebsstruktur, Betrieb­sausrichtung und Betriebsf6rderungen realistisch.

Es gilt daher, Wege aufzuzeigen, wie diese gekoppelte Umsetzung von Okobi­lanz und Wirtschaftsbilanz in der Landwirtschaft generell angestrebt und erreicht werden kann. Auf der einen Seite steht dabei die Kostenminimierung beim Be­triebsmittel- und Dienstleistungseinsatz, die mit Ressourceneinsparungen bei Was­ser, Energie und Chemikalien einhergeht. Extern hergestellte Energie fur Maschi­nen, Dlingemittel, chemische Pflanzenschutzmittel usw. belasteten den Landwirt­schaftshaushalt des landwirtschaftlichen Betriebes und den EnergiehaushaIt der Natur.

Page 87: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europilischen Agrarpolitik 77

"Die okologische Landwirtschaft mit ihrem Prinzip des integrierten Pjlanzen­baus und der integrierten Tierhaltung scheint ein quantitativ und qualitativ, sowie auch okonomisch gangbarer Weg zu einer Verminderung des Energieeinsatzes zu sein. ..

("Faktor vier" - Ernst U. von Weizsacker, Amory 8. Lovins, L. Hunter Lovins -Droemer Knaur Verlag, MUnchen).

Neben diesem generellen Ansatz gibt es aber viele Moglichkeiten in Einzelbe­reichen, die kurzfristig genutzt werden konnten. AIs Beispiel sei die Verwendung von Gebrauchtmaschinen angeflihrt. BekanntIich wird die Landwirtschaft von Landmaschinen neuester Bauart mit oft zweifelhaftem Neuheitscharakter Uberflutet und die bauerlichen Betriebe konkurrieren im Ankaufneuwertiger und noch groBe­rer Maschinen und in der Folge im extemen Energieverbrauch. Die Europaische Union halt nur die Forderung von neuen Landmaschinen flir gerechtfertigt, da bei Gebraucht-Maschinen nieht kontrolIiert werden konne, ob nicht schon flir die Neu­Maschine eine Forderung gewahrt wurde. Welche Verschwendung von Ressourcen und welche Mehrbelastung der Entsorgung von Alt-Maschinen! Ob AusschOpfung der Funktionsfahigkeit von Maschinen und Geraten, ob gemeinsame Nutzung, ob Nutzung Uber Leasing, letztendlich sind OkobiIanz und WirtschaftsbiIanz des landwirtschaftlichen Betriebes die Gewinner.

Auf der anderen Seite wird der optimale Verkauf der eigenen Qualitatsprodukte im Vordergrund stehen, ein Themenbereich, der besonders aufgrund der Mark­tentwicklung flir okologische Produkte schon Eingang ins BewuBtsein der Bauem gefunden hat. Die Produktlinienanalyse, welche die gesamte direkte und indirekte Entstehungsgeschiehte von Produkten mit den jeweiligen okologischen Schadwir­kungen Uberpruft, flihrt zur Produkt-OkobiIanz und letztIich zu geschUtzten Mar­kenzeiehen mit Marketingfunktion. Dabei spielt der Konsument in beiden genann­ten Bereichen (energiesparend hergestellte Produkte und optimaler Verkauf von okologischen Qualitatsprodukten) eine besondere Rolle, da die aufgekliirten Ver­braucher einen indirekten Druck auf die Vermarktung genannter Produkte, vor aUem bei angemessenen Preisen, ausUben konnen. Zwischen diesen zwei genannten Polen steht der landwirtschaftliche Betrieb als Betriebs- und Arbeitsstatte flir beschaftigte Mitarbeiter, aber in erster Linie als Betriebs-, Arbeits- und Wohnstatte flir die bauerliche Familie. Auch daflir ist eine Okobilanz notwendig und sinnvoU, die nicht sosehr in eine Wirtschaftsbilanz, wohl aber in eine Lebensqualitats-Bilanz mUndet oder mUnden soUte. Auch daflir nur ein Beispiel: Mit dem in der EU eingeflihrten Umwelthaftungsrecht ist auch fiir die Zulieferfirmen ein Zwang entstanden, fiir Schaden aus okologischen Risiken geradezustehen. Medizinische Untersuchungen haben ergeben, daB die Ausbrin­gung bestimmter Ptlanzenschutzmittel zu Fruchtbarkeitsst5rungen bei Jungland­wirten flihren kann. Wie weit reicht hier die okologische Haftung, wie weit ist es Aufgabe dieser Zulieferfirmen, auch die Dienstleistung nach dem Verkauf, wie z. 8. die Vorsorge beim Umgang mit den Ptlanzenschutzmitteln, anzubieten?

Nachdem auch landwirtschaftliche Produkte und landwirtschaftliche Untemeh­men den Prinzipien des freien Marktes ausgesetzt sind, mUssen sieh die Ergebnisse

Page 88: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

78 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

einer solchen Umweltprtifung, wie schon betont, in der Wirtschaftsbilanz nieder­schlagen. Neben der Kosteneinsparung mit besserer Ressourcen-Nutzung wird dabei die Preiswahrheit eine entscheidende Rolle spielen. Wiirden die Preise die okologische Wahrheit sagen, so waren aile drei Ebenen (Rohstoffeinsatz, okologi­sche Produktion und Lebensqualitat der bauerlichen Familie) sichergestellt und garantiert. Dies ist aber realistisch gesehen wohl ein Traumziel, sodaB nur in Ein­zelbereichen schrittweise eine Verbesserung angestrebt werden kann, wobei das Oko-Audit bei bestirnmten Untemehmen gute Dienste leisten kann.

Urn aber iibergeordnet die gesamte Landwirtschaft zu erfassen, schlage ich vor, ein Oko-Leibild fur aile landwirtschaftlichen Betriebe zu erarbeiten, das auch von Kleinbetrieben ohne groBe Kosten- und Biirokratiebelastung angestrebt und er­reicht werden konnte.

Dieses Oko-Leitbild sollte dabei auffolgenden Schwerpunkten beruhen:

• Freiwilligkeitsprinzip, • Produkt- und betriebliche Okobilanz, • Anreizsystem mit Schaffung eines Betriebsfdrderungssystems fur Klein

betriebe, • Kombination mit den bestehenden EU-Forderungen zur Entwicklung des

land lichen Raumes und den sogenannten Flankierenden MaBnahmen, • Kontrolle im Rahmen diese Fordersysteme, • Vemetzungssystem aller Oko-Betriebe.

Die Vemetzung aller Oko-Betriebe erscheint notwendig, urn den Druck der vielen kleinen versprengten landwirtschaftlichen Kleinbetriebe gegeniiber den Herstellem von Betriebsmitteln zu erhohen und so auf die eigene Lebensqualitat aufmerksam zu machen und auch Verbesserungen umzusetzen. Die Verbindung mit der Strukturentwicklung des landlichen Raumes und den entsprechenden For­derinstrumentarien der EU liegt auf der Hand, da nachhaltiges, okologisches Wirt­schaften auch nachhaltige Strukturentwicklung bedeutet.

Und bei einer nachhaltigen Struckturentwicklung muB der Jungbauer im Mittel­punkt stehen. Jener Jungbauer, der zur Zeit in einer Identitatskrise steckt, was nicht weiter verwundert, wenn ZielgroBen von reduzierten Milchquoten, Flachenstille­gungen usw. vorgegeben werden. Wenn es nicht gelingt diesen negativen Ansatz in einen positiven umzukehren, wird die Uberalterung in der Landwirtschaft fort­schreiten, und die Weiterentwicklung des Hindlichen Raumes Wunschdenken blei­ben.

Das Oko-Leitbild bietet die Chance, den Jungbauem eine neue Perspektive zu erOffnen. Sie konnen aktiv, als freie Untemehmer ein positives Ziel mit wirtschaft­lichem Inhalt anstreben, das sie geistig herausfordert (wie z. B. der Umgang mit Niitzlingen beim okologisch-integrierten Anbau zeigt), das • ihnen das positive Image in der Gesellschaft zurtickgibt (vom Umweltbelaster

zum umweltbewuBten QualiUitsproduzenten und Landschaftsgestalter), und • das ihre eigene Lebensqualitat bessert.

Page 89: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europaischen Agrarpolitik 79

Oko-Leitbild fUr

landwirtschaftliche Betriebe

Verbesserte Ressourcennutzung (z. B. durch Einsparungen bei Wasser, Energie, Chemikalien)

Okobilanz (Produkt- und Betriebsbilanz)

Wirtschaftsbilanz (Kostenreduzierung, verbesserte Einnahmen)

Bilanz Lebensqualitat (z. B. Vermeidung von gesundheitlichen Schaden)

Umweltqualitat Produktqualitat (okologisch-integrierte Produktion) (z. B. Vermeidung von Umweltverschmutzung)

Abb. 1. Oko-Leitbild fUr landwirtschaftliche Betriebe

Gerade auch bei Klein- und Mittelbetrieben ist eine entsprechende AusschOpfung der vorhandenen Ressourcen moglich. So verfiigen zum Beispiel viele Jungbauem tiber ausgezeichnete handwerkliche und technische Fahigkeiten. Nicht jede land­wirtschaftliche Maschine muB deshalb gleich durch eine neue ersetzt werden. 1m Gegenteil, den Jungbauem oder Dorthandwerkem macht es Freude, die Funktions­Hihigkeit derselben wiederherzustellen. Dasselbe gilt fUr Erfindungen und Neue­rungen. Die ortlichen Verhaltnisse erfordem oft sehr spezifische, an die Orts- und Gelandegegebenheiten angepaBte Maschinen und Gerate, die von extemen Herstel­lem nicht garantiert werden konnen. Warum dieses endogene Potential mit teuren, groJ3en, neuwertigen Maschinen zuwalzen? Die Okobilanz (Energieeinsparung)

Page 90: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

80 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

und die Strukturbilanz (Erhalt der Arbeitsplatze im landlichen Raurn) wtirden es uns danken, wenn lunglandwirte wieder an ihre Zukunft glauben und selbst an ihrer Zukunft aktiv mitarbeiten konnten.

Natilrlich kann der Landwirt dies en Schritt nicht allein schaffen. Information, Schulung und Uberzeugungsarbeit stehen an erster Stelle, ein entsprechendes An­reizsystem im Bereich Forderung kann diese Entwicklung positiv erganzen und technische Normen fUr Maschinen, und Vorgaben fUr Betriebsmittel sowie pflan­zenschutz- und Dilngemittel mtissen nicht nur das Produkt, sondem auch den Be­nutzer (Landwirt) miteinbeziehen.

Unter diesen Voraussetzungen kann es gelingen, die Landwirtschaft wieder mit der Natur in Einklang zu bringen und der okonomisch-6kologischen Vemunft zum Durchbruch zu verhelfen, vorausgesetzt, dem Oko-Leitbild folgen konkrete Um­setzungsmaBnahmen, die je nach Betriebsstruktur, Produktionssparte und geogra­phi scher Lage (z. B. Berggebiet) spezifisch zu erarbeiten waren.

6.4 Die Schwierigkeiten der Umsetzung des Oko-Audit in der Landwirtschaft

Das grundsatzliche Interesse der Landwirtschaft an einem betrieblichen Umwelt­management kann nicht dartiber hinwegtauschen, daB die Umsetzung desselben auf betrachtliche Schwierigkeiten stOBt. Dies ergibt sich allein schon durch die Strukturvoraussetzungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Viele Klein- und Mit­telbetriebe werden als Familienbetriebe gefUhrt, haufig ohne Fremdpersonal und auch ohne mit gr6Beren Betrieben vergleichbare Betriebsstrukturen. Hinzu kommt, daB die finanziellen und personellen Voraussetzungen fUr die Umsetzung der Audit-Verordnung zumeist nieht gegeben sind, sodaB zwar das Ziel einer konti­nuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes nicht tiber Bord ge­worfen werden kann, zur Erreichung dieses Zieles aber doch in vie len Fallen ein anderer Weg beschritten werden muB. Einzig bei Betriebsstrukturen, die entweder yom Strukturaufbau den gewerblichen Untemehmen gleichzustellen sind, oder tiberhaupt in die gewerbliche Tatigkeit hineinreiehen, erscheint die Umsetzung der Audit-Verordnung der EG realisierbar und auch sinnvoll. In erster Linie betrifft dies die Verarbeitungs- und Vermarktungsebene landwirtschaftlicher Produkte und dabei insbesondere die landwirtschaftlichen Genossenschaften, sowie Spezialbe­triebe wie Baumschulen, Gartnereien und groBe landwirtschaftliche Produktions­betriebe. Natilrlich wird zu tiberprilfen sein, ob der vorgegebene Anspruch fUr landwirtschaftliche Betriebe yom Auflagennetz her nieht zu hoch angesetzt ist und ob entsprechende Unterstiltzungen von auBen notwendig sind, urn der Audit­Verordnung gerecht werden zu k6nnen.

Page 91: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europilischen Agrarpolitik 81

6.5 Die konkrete Umsetzung des Oko-Audit in der Landwirtschaft

Erste Pilotprojekte haben gezeigt, daB ein grundsatzliches Interesse bei jenen landwirtschaftlichen Untemehmen besteht, die entsprechende Strukturen aufweisen und auch schon mit Qualitatsmanagementsystemen konfrontiert waren. Insbeson­dere haben landwirtschaftliche Lagerungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungsge­nossenschaften ein betrachtliches Interesse, die betriebliche Umweltsituation zu verbessem, da sie zum einen tagtaglich mit entsprechenden technischen Fragen konfrontiert sind, und zum anderen der Markt immer haufiger den Anspruch auf so1che Vorleistungen erhebt. In Sudtirol sind insbesondere der Obstsektor, und im speziellen die Obstgenossenschaften, daran interessiert, we1che ca. 10 % der in der Europaischen Union erzeugten Apfel vermarkten. Die Umweltschwerpunkte dieser Untemehmen liegen beim Energie-, Wasser- und Verpackungsmittelverbrauch. Fur die Obsteinlagerung werden elektrische Stapler mit entsprechendem Energieauf­wand benotigt, die verschiedenen Transportleistungen fiihren zu Dieselabgasen, die Konservierung des Obstes erfordert einen betrachtlichen Energie- und Kuhl­wasseraufwand. Die Lagerzellen, der Fuhrpark und die Emballagen muss en lau­fend gereinigt werden wobei dies notgedrungen zu einer Wasserbelastung fuhrt, die auch bei der Nachemtebehandlung zu beriicksichtigen ist. Auch die Sortierung des Obstes erfordert Frischwasseraufwand und Energie, und schlieBlich werden im VerpackungsprozeB betrachtliche Mengen an Papier, Karton, Polyathylenfolien, Polypropylenbander, Selbstklebeetiketten usw. ben5tigt. Da die Gesundheitsanfor­derungen im Bereich der gesamten Lebensmittelkette stetig steigen, wird auch der Druck auf die entsprechenden Untemehmen standig groBer und das Interesse an einem Umweltmanagementsystem nach EMAS oder ISO 14001 ist daher betracht­lich. Allerdings schrecken viele landwirtschaftliche Genossenschaften aufgrund der hohen burokratischen Auflagen davor zuruck, sind nicht selten finanziell uber­fordert und haben noch Schwierigkeiten, den Offentlichkeitscharakter des EG­Oko-Audit zu akzeptieren. Hinzu kommt die fehlende Verbindung des Umweltma­nagementsystems mit dem Qualitatsmanagementsystem nach ISO 9001, die hinge­gen beim Umweltsystem ISO 14001 gegeben ist.

Welche Foigerungen ergeben sich daraus?

a) GroBere landwirtschaftliche Betriebe, vor all em im Lagerungs-, Verarbeitungs­und Vermarktungssektor, sind durchaus an einem Umweltmanagementsystem interessiert;

b) die praktischen Erfahrungen mit der Umsetzung haben gezeigt, daB ein verein­fachtes System, auch mit Unterstiitzung von auBen, zu groBerer Akzeptanz fiih­ren wiirde;

Page 92: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

82 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

c) die Einfuhrung und Forderung von technischen Hilfsleistungen ersetzt nicht die notwendige Vereinfachung des Managementsystems bzw. der Umweltbetriebs­prtifung;

d) spezielle UntersttitzungsmaBnahmen mtissen in der Foige den gesamten Bereich des Umweltmanagementsystems erfassen und sollten auch von der EU mitgetragen und kofinanziert werden;

e) die technischen Normen und Umweltgrenzwerte mtissen nicht nur in Verbin­dung mit dem hergestellten Produkt, sondern auch in Verbindung mit dem Umweltmanagementsystem gesehen und mit der LebensqualWit der Benutzer abgestimmt werden.

6.6 Die okologische Ausrichtung der EU in ihren Grundsatzaussagen zur Landwirtschaft

Am I. Februar 1993 verOffentlichte der Rat der Europaischen Gemeinschaft eine "EntschlieBung tiber ein Programm der Europaischen Gemeinschaft fur Umwelt­politik und MaBnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung" .

Unter den funf Prioritaten, welche in diesem Programm angefuhrt werden, scheint auch die Landwirtschaft auf und dazu werden folgende Aussagen getrof­fen:

a) Zusatzlich zu UmweltzerstOrung sind mit der Oberproduktion und Lagerung von Grundstoffen und der Landflucht, sowie aufgrund von Schwierigkeiten im Hinblick auf den Gemeinschaftshaushalt und den international en Handel (sowohl in bezug auf landwirtschaftliche Erzeugnisse als auch auf umfassende Handelsabkommen) ernste Probleme entstanden. Aus diesem Grund ist es nicht nur vom Standpunkt des Umweltschutzes aus wtinschenswert, sondern auch landwirtschaftlich, sozial und wirtschaftlich auBerst sinnvoll, daB versucht wird, ein dauerhafteres G leichgewicht zwischen landwirtschaftlicher Tatigkeit, anderen Arten der Entwicklung landlicher Gebiete und den Naturschatzen un­serer Umwelt zu erreichen;

b) das Programm basiert auf dem V orschlag der Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Bewirtschaftung der Walder der Gemein­schaft in einer Weise, daB eine ausgeglichene und dynamische Entwicklung der landlichen Gebiete erzielt wird, die sowohl die produktiven als auch die sozia­len und umweltspezifischen Funktionen dieses Sektors erfullt.

Diese Aussagen basieren auf dem Maastrichter Vertrag vom Jahre 1992, in dem als eine der wichtigsten Zielsetzungen die Forderung eines bestandigen und um­weltvertraglichen Wachstums festgeschrieben wurde. Dieser generellen Zielvorga-

Page 93: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europliischen Agrarpolitik 83

be sollten nun konkrete UmsetzungsmaBnahmen folgen, wobei in der zur gleichen Zeit genehmigten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nur einzelne Ansatze Platz fanden. Die Abwendung der Belastungen durch das damals bevorstehende GATT -Abkommen und die marktwirtschaftliche Absicherung der landwirtschaftli­chen Betriebe stand dabei im Vordergrund und wird wohl erst in Zukunft mit einer umweltgerechten Entwicklung gekoppelt werden.

Augenscheinlich ist auch die EU-Kommission dieser Meinung, denn sie halt in ihrer Mitteilung "FUr eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung" vom No­vember 1994 fest, daB "Wege zur Entwicklung eines okologisch bedingten Ansat­zes in der gemeinsamen Agrarmarktordnung untersucht werden mUssen." Die gleichzeitige Erfullung landwirtschaftlicher und umweltspezifischer Anforderun­gen (Okobilanz = Wirtschaftsbilanz) wurde zwar als Zielkonzept von der EU­Kommission vorgesehen, doch dUrfte eine einheitiiche, zwischen allen Mitglieds­staaten abgestimmte Vorgangsweise noch auf sich warten lassen.

6.7 Okologische Ansatze in den einzelnen Forder-Instrumentarien der Europaischen Union

Die Europaische Agrarpolitik setzt auf folgende drei agrarpolitische Instrumente:

• die Agrarmarktpolitik, • die Flankierenden MaBnahmen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, • die Agrar- und Regionalstrukturpolitik.

Auf allen drei Ebenen lassen sich nun okologische Ansatze feststellen, die aber, wie schon erwahnt, nicht selten als Mittel zu marktpolitischen MaBnahmen herhal­ten mUssen. Besonders beim ersten Instrument, der Agrarmarktpolitik, wird in erster Linie der Abbau von OberschUssen und somit die Marktentiastung von Agrarprodukten angestrebt und nicht sosehr gleichzeitig eine umweltgerechte Entwicklung. Ais Beispiel seien nur die Extensivierungszuschlage bei Gewahrung von Rindfleischpramien oder auch die Flachenstillegungspramien angefuhrt.

Einzig die gemeinschaftliche Regelung Uber den okologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebens­mittel wird dem okologischen Anspruch im Rahmen einer Produkt-Okobilanz ge­recht, wobei beim vorgesehenen Kontrollsystem eine gewisse Parallele zum Oko­Audit festgestellt werden kann. Ja, es laBt sich sogar eine erste direkte Verbindung zwischen Produktqualitat und Betriebsstandort aus der Verordnung 2092/91 able­sen, was fur die Agrarpolitik durchaus richtungsweisend sein konnte. Mit den Grundregeln des okologischen Landbaues fur Agrarbetriebe, den Erzeugervor­schriften und dem Kontrollsystem sowie den Bestimmungen fur die Einfuhren aus Drittlandem wurden gemeinsame Mindestnormen fur die pflanzlichen Agrarer-

Page 94: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

84 Kapitel \- Umwelt- und Agrarpolitik

zeugnisse geschaffen, die zwar nur fur die Erzeugung dieser Produkte GUltigkeit haben, und nicht fur den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb, doch der Schritt zu einer UmweltprUfung des gesamten Betriebes dUrfte dabei nicht mehr weit und auch leichter durchfuhrbar sein. Eine ahnliche Regelung fur den integrierten An­bau und fur Bioprodukte aus tierischer Erzeugung ware mehr als wUnschenswert und wird hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Das zweite Instrument der EU-Agrarpolitik, die sogenannten Flankierenden MaBnahmen, wurden bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik neu einge­fuhrt und zwischen der Agrarmarktpolitik und Agrarstrukturpolitik angesiedelt. Auch dieses Instrument ist vorrangig darauf ausgerichtet, den Markt der Agrarpro­dukte zu ordnen und eine Einkommenssicherung zu ermtiglichen. Dies geht aile in aus der Tatsache hervor, daB samtliche damit gekoppeJten FtirderungsmaBnahmen flachenbezogen und nicht betriebsbezogen sind. Die Gefahr liegt auf der Hand, daB dieses Instrument in erster Linie als EinkommensausgleichsmaBnahme fur Mengen- und Preisbeschrankungen, und nicht gleichwertig als tikologisches In­strument verwendet wird. Dennoch ist der Ansatz richtig und ausbaufahig, wobei die verschiedenen flankierenden MaBnahmen, also auch die Landschaftspflege­maBnahrnen, zu einem gesamten Umweltbertriebskonzept zusammengefuhrt wer­den mUBten und dementsprechend dann auch die Ftirderung vereinheitlicht werden ktinnte. Denn es ist ohne Zweifel ein Gebot der Stunde, die Vielzahl von Direkt­ftirderungen in der Landwirtschaft mit dem damit verbundenen bUrokratischen Aufwand zu vereinfachen und zu vereinheitlichen und dies wird nur dann mtiglich sein, wenn der bauerliche Betrieb als eine Einheit gesehen wird und auch die Ftir­derung fUr diesen Betriebsstandort nach einem vereinheitlichten Punktekonzept gewahrt wird. Das von der Arbeitsgruppe "AGEX" unter meiner Leitung im Auf­trag der Vorarlberger Landesregierung im Jahre 1994 entwickelte "Vorarlberger Punktemodell" (s. Abb. 2) versucht, diesem Anspruch fur bauerliche Kleinbetriebe im Alpenbogen gerecht zu werden.

Ein ahnliches Prinzip ktinnte auch bei allen Ubrigen landwirtschaftlichen Be­trieben zur Anwendung kommen, wobei sich die Betriebsfdrderung bei grtiBeren Betrieben schwerpunktmaBig von dem Strukturerhaltungsziel auf die Einhaltung der Okobilanz verJagem mUBte.

Page 95: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Fiirderung

I 3 Umweltschutz

= naturnahe

Bodenbewirtschaftung

Erzeuger-Schutzmarken

Abb. 2. Das Punktemodell

6 Perspektiven der europiiischen Agrarpolitik 85

Das Punktemodell

J Mindestanforderungen an den Arbeitsplatz

2 Betriebsf<irderung

I I I I I

I 4 Tierschutz

= artgerechte

Tierhaltung

6 GrundJage fur die

QualiUitsproduktion

7 Grundlage fur die

Erzeugermarken

Erzeuger

5 Tierfutterung

= naturnahes

Fiitterungssystem

Erzeuger Verarbeiter Vermarkter

Page 96: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

86 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

0] Mindestanforderungen an den Arbeitsplatz

• ganzjlihrige Bewohnung und Bewirtschaftung, • Verptlichtung zur Viehhaltung (Untergrenze), • Verhliltnis Rauhfutterflache zu Viehbesatz (Obergrenze),

• Verptlichtung zur Almbewirtschaftung, • Verptlichtung zur Wegerhaltung (im Rahmen der Eigenleistung),

• Mindestanforderung fUr eine okologische Bewirtschaftung, • Einhaltung der hygienisch-sanitaren Vorschriften (EU-Verordnungen),

• Fordennittelempfanger = Bewirtschafter.

o Betriebsforderung Zusammenfiihrung folgender Forderungen:

• Ausgleichszulage und BergbauemzuschuB,

• Viehhaltepramie, • Sonderbeihilfe zur Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in entsiede­

lungsgefahrdeten Gebieten (in Vorarlberg bestehende MaBnahme),

• Milch- und Viehtransportkostenbeitrag, • Sozialkostenentlastung bei mitarbeitenden Kindem

(in Vorarlberg bestehende MaBnahme).

~ Betriebsforderung Parameter: • BerghOfekataster,

• Anzahl der mitarbeitenden Kinder,

• Anzahl der aktiven oder notwendigen Arbeitskrafte.

Obergrenze:. Maximale tOrderbare Punktezahl je Betrieb.

Berechnung: Punktezahl je Betrieb x

Pramie je Punkt x

aktive Arbeitskrafte

\

Page 97: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europaischen Agrarpolitik 87

D Umweltschutz

4 Tierschutz

5 Tierfiitterung

• fakultative Forderung

• Zusatzpunkte zur Betriebsforderung:

3 Umweltschutz: siehe EU-VO Nr. 2078/92.

4 Tierschutz:

• Bewegungsmoglichkeit

• Sozialkontakt,

• Bodenbeschaffenheit,

• Licht und Luft,

• Betreuungsqualitat.

5 Tierfiitterung:

• Anteil und Erzeugungsart des betriebseigenen Futters,

• Zukauffutter, Qualitat desselben,

• Rationsgestaltung, Flitterungstechnik,

• Futterzusatze.

I6l Grundlage fiir Qualitiitsproduktion

Uund Erzeugermarken

Page 98: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

88 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Qualitatsgarantie

Qualitiitspyramide (am Beispiel Kase)

Regionaler 0JaIitatsschu1z G,Landle"-M:u1<e = Vorar1berg)

~itatssid1erung (VO!\t. 2081192, 2082Jf12., 2092191)

QJalitatsgrundlage (Vorar1berger Punktemx:lell)

Qualitatsstufen

Auch bei den StrukturmaBnahmen der Europaischen Union (Agrar- und Regional­strukturpolitik) finden die tikologischen Ansatze nur schrittweise Eingang. So wurden die Beihilfen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von landwirtschaft­lichen Produktionsbetrieben - im EU-Sprachgebrauch "liel 5a" genannt - erst in letzter leit mit der ErfUllung der Umweltanforderungen gekoppelt. Als Beispiel sei die lnvestitionsbeihilfe fur eine verbesserte Glillelagerung oder jene fur die Reinhaltung des Trinkwassers erwiihnt.

Die regionale Strukturpolitik - im EU-Sprachgebrauch "liel 5b" bzw. "liel I" genannt - kommt dem integrierten Ansatz einer libergreifenden Umweltpolitik wesentlich mehr entgegen, soweit jene Mtiglichkeiten genlitzt werden, die in den verschiedenen EU-Programmen enthalten und vorgesehen sind. So beziehen sich die genannten Programme unter anderem auf lnvestitionen in umweltvertragliche

Page 99: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europaischen Agrarpolitik 89

Investitionstechniken, auf die Erhaltung der Landschaft, und auch auf die Ver­marktung von Produkten aus biologischem Anbau.

Da eine Umweltbetriebspriifung ja nicht an einer reinen Priifung Halt machen kann, sondem auch die entsprechenden Priifungsergebnisse konkret im Betrieb umgesetzt werden miissen, erscheinen die Strukturprogramrne geradezu pradesti­niert, diese Umsetzung finanziell zu unterstiitzen, wobei neue Ideen und neue Impulse besonders gefragt sind, die der Entwicklung auf dem Umweltsektor spe­zifisch gerecht werden.

6.8 Die Einbeziehung des Oko-Audit in den MaBnahmenkatalog der EU-Forderinstrumente

Die vieif<iltigen ForderungsmaBnahmen in der Landwirtschaft unterliegen dem "Gemeinschaftsrahmen der EU fur staatliche Umweltschutzbeihilfen". Neben der Investitionsf6rderung werden in diesem Gemeinschaftsrahmen auch die Beihilfen fur horizontale UnterstiitzungsmaBnahmen und die Betriebsbeihilfen in Form von Zuschiissen behandelt, wobei allerdings dieser Gemeinschaftsrahmen in erster Li­nie fur staatliche Umweltschutzbeihilfen zur Anwendung kommt. Die Praxis hat jedoch gezeigt, daB auch die EU-Programme im wesentlichen diesem Gemein­schaftsrahmen entsprechen miissen wobei das Oko-Audit dieser Forderungsvorga­be voll entspricht und als horizontale UnterstiitzungsmaBnahme auch ausdriicklich vorgesehen ist. Natiirlich ware es wiinschenswert, wenn die Europaische Union ein spezifisches Forderungsinstrument fur die Umweltbetriebspriifung vorsehen wiir­de. Doch bieten sich bereits zum gegenwartigen Zeitpunkt aufgrund der geltenden Verordnungen eine ganze Reihe von Moglichkeiten, den Autbau eines Umweltrna­nagements in die Forderungsprogramme miteinzubauen.

Wahrend sich die Moglichkeiten, wie schon erwahnt, bei den StiitzungsmaB­nahmen der Agrarmarktpolitik in Grenzen halten, da die entsprechende Forderung vorrangig auf eine Marktregelung ausgerichtet ist, bieten sich bei den Flankieren­den MaBnahmen entsprechende Entwicklungsmoglichkeiten. Die Verordnung 2078/92 fur umweltgerechte und den natiirlichen Lebensraum schiitzende landwirt­schaftliche Produktionsverfahren wurde yom vorhin genannten Gemeinschafts­rahmen ausdriicklich ausgenommen, da die Verordnung selbst bereits auf eine Verbesserung der Umweltschutzsituation abzielt. Friiher oder spater wird sich daraus wohl eine Koppelung oder Integrierung mit den StrukturmaBnahmen erge­ben, soweit nicht diese Flankierenden MaBnahmen als reine Preisausgleichinstru­mente strapaziert werden sollen.

Der Schliissel fur die gegenwartige Unterstiitzung von MaBnahmen fur eine umweltorientierte Untemehmensfuhrung liegt ohne Zweifel im Bereich der EU­StrukturmaBnahmen. Zum einen stehen dabei die Ziel-5a-MaBnahmen fur eine

Page 100: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

90 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

beschleunigte Anpassung der Agrarstrukturen zur VerfUgung, zum anderen die Ziel-5b- und Ziel-I-MaBnahmen zur Entwicklung des Hindlichen Raumes und der benachteiligten Regionen, und schlieBlich einzelne Gemeinschaftsinitiativen und Aktionsprogramme, wie LIFE und das Aktionsprogramm fUr Forschung und Ent­wicklung.

Die Effizienzverbesserung einzelner landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen der Verordnung Nr. 2328/91 beinhaltet unter anderem Beihilfen fUr Betriebsmana­gementdienste und solche zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Landwirte. Der vorgesehene Betriebsverbesserungsplan ware geradezu pra­destiniert, auch gleichzeitig eine kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes zu begleiten und zu prlifen, aber vorerst ist dieser Plan nach rein wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet.

Bei den MaBnahmen zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungs­strukturen in der Landwirtschaft, geregelt durch die Verordnung Nr. 866 yom Jahre 1990, genieBen die Investitionen im Hinblick auf den Umweltschutz, jene zur Verhlitung von Umweltverschmutzungen und die Entsorgung von Abfallen Prioritat, genauso wie Investitionen betreffend Produkte, die aus dem okologischen Landbau stammen. Erganzt werden aile diese StrukturmaBnahmen durch die regio­nalen FordermaBnahmen zur Entwicklung des landlichen Raumes. Soweit ein landwirtschaftlicher Betrieb in das entsprechend abgegrenzte Gebiet fallt, konnen im jeweiligen Programm Oko-Audit-MaBnahmen Platz finden. Die Entscheidung liegt dabei aber auf regionaler Ebene und auch bei den landwirtschaftlichen Be­trieben, da die 5b-Programme ja nach dem Subsidiaritatsprinzip von der regiona­len Ebene her entwickelt werden miissen und sollen.

Aile diese MaBnahmen konnen zusatzlich liber Forderungen durch den EU­Sozialfond erganzt werden, der vorrangig im Bereich der Aus- und Weiterbildung und der Information zum Tragen kommen konnte.

Nicht zuletzt sollen die Gemeinschaftsinitiativen und Aktionsprogramme er­wahnt werden, wobei insbesondere das Programm LIFE II hervorsticht, jenes Finanzierungsinstrument fUr die Umwelt, das von der EU im Jahre 1992 geschaf­fen wurde und erst klirzlich mit einer Finanzierung von 450 Mio. ECU neu aufge­legt wurde. Bereits bisher war diese Gemeinschaftsinitiative die Basis fUr die fi­nanzielle Forderung zur Anwendung der Audit-Verordnung bei verschiedenen KMU-Betrieben, wobei auch landwirtschaftliche Unternehmen Zugang zu dieser Initiative finden konnen.

SchlieBlich darf auch das Aktionsprogramm fur Forschung und Entwicklung nicht unerwahnt bleiben, das vor allem auf neue Initiativen und Ideen aufgebaut ist, die ja gerade beim Oko-Audit besonders gefordert sind. Entsprechende Pilot­Projekte finden aber nur dann Zugang zu EU-Beihilfen, wenn moglichst Ian­derlibergreifende Vorhaben in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten und Universitaten vorgesehen werden.

Wie man sieht, ist das Forderungsinstrumentarium der EU im landwirtschaftli­chen Bereich sehr vielfaltig, zumeist aber nur als KofinanzierungsmaBnahme vor­gesehen. Gefordert sind also in erster Linie die Mitgliedsstaaten, die Bundeslander

Page 101: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

6 Perspektiven der europaischen Agrarpol itik 91

und die Regionen, die neben den kofinanzierten MaBnahmen auch eigene For­derinitiativen bei Berticksichtigung des genannten Gemeinschaftsrahmens ergrei­fen konnen. Wird von der Agrarpolitik die Verbesserung des betrieblichen Um­weltschutzes ernst genommen, so muB zum einen von den landwirtschaftlichen Unternehmern die Bereitschaft bestehen, ihren eigenen gesamten Betrieb nach Umweltschutzrichtlinien auszurichten ohne dabei die Wirtschaftlichkeit desselben in Frage zu stellen, und zum anderen mtissen Fachleute und Agrarpolitiker Wege aufzeigen, die eine realistische Umsetzung der Umweltbetriebsprtifung in der Landwirtschaft ermoglichen, und zum dritten muB die Offentliche Hand, var allem bei Klein- und Mittelbetrieben, auch finanzielle Untersttitzung gewahren. Treffen diese Voraussetzungen zu, dann besteht berechtigte Hoffnung, daB sich Okonomie und Okologie auch in der Landwirtschaft nicht widersprechen, sondern nachhaltig erganzen.

Zum Autor

Dr. Berthold Pohl, J g. 1944, Agrarexperte. Von 1979-1991 Direktor des Stidtif,pler Bauernbundes, dann ErOffnung eines Agtar­und Regionalberatungsbtiros in Eppan/Stid­tiro!. Projektleiter verschiedener Arbeits­gruppen im Bereich der EU-Agrarstruktur­politik. Mitglied im Projekt-Beirat von in­ternationalen Projekten im Umweltbereich (Alpenraum). Zahlreiche Fachvortrage und VerOffentlichungen im In- und Ausland tiber die Agrar- und Regionalpolitik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten.

Page 102: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit -Oberlegungen zu Chancen und Problemen von betrieblichem Umweltmanagement in der Landwirtschaft

J ens-Peter Abresch

7.1 Einleitung

Der Begriff "Agrar-Oko-Audit" ist erstrnals von Edmund A. Spindler im Rahmen des gleichnamigen Fachseminars der Landwirtschaftskammer-Westfalen und der Stiftung Umweltvorsorge i. Gr. in die Fachdiskussion eingebracht worden. I Agrar­Oko-Audit wird dabei verstanden, ais ein Arbeitsbegriff fiir betriebliches Um­weltmanagement im Agrarsektor in Anlehnung an die EG-Oko-Audit-Verordnung. Hinter Agrar-Oko-Audit steht also kein etabliertes Methoden- oder Verfahrensge­baude mit einer Anwendungserfahrung in der Landwirtschaft, sondem die Idee und das umweltpolitische Anliegen die EG-Verordnung auch dem Agrarsektor zu Off­nen.

1m folgenden Beitrag sollen die Chancen und Probleme dieser Idee bzw. einer antizipierten Oko-Audit-Anwendung in der Landwirtschaft diskutiert werden. Da­bei geht es nicht urn die bloBe umweltpolitische Forderung nach einem Agrar-Oko­Audit. Vielmehr sollen Pro und Kontra einer Oko-Audit-Ubertragung auf die Landwirtschaft tendenziell abgeschatzt werden. Die Aussagen und Argumentati­onslinien stiitzen sich dabei auf Piausibilitatsiiberiegungen und verschiedene Dis­kussionen mit Fachleuten aus dem Agrarbereich2. Notwendigerweise kann dabei

I) Erste Hinweise und Auseinandersetzungen zum Oko-Audit in landwirtschaftlichen Betrieben wur­den bereits im Kontext der Stallbau-UVP gegeben. Vgl. BAUER, S. (1993): Umwelt-Land­wirtschaft-Umweltvertrilglichkeitspriifung. In: UVP-Report. Informationen zu Umweltvertrilglich­keitspriifung und Oko-Audit, 3/93 (Schwerpunktheft UVP und Landwirtschaft), S. I 15-118.

2) Beitrag basiert auf Vortrilgen des Autors beim bundesweiten Seminar "Agrar-Oko-Audit" der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe in HammlWestfalen (vgl. DeGa (1996): Tagungsbericht: Oko-Audit als Chance. Heft 14, S. 866-867), bei der SVK-Diskussionstagung am 21.02.1996 in Bonn-Bad Godesberg und dem Expertenworkshop "Ernilhrung und Umwelt" bei der Dr. Oetker Nahrungsmittel KG, Bielefeld am 13.05.1996 (vgl. HESSENBAUER (1996): Ernilhrung und Um­welt. Heft Nr. 32, Seite 7).

Page 103: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

94 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

kaum auf empirische Belege zurtickgegriffen werden. Eine weitergehende und systematische wissenschaftliche Durchdringung und Diskussion der Thematik durch die Agrar-Umweltwissenschaften3 erscheint in jedem Faile notwendig.

Foigende Fragen sollen im einzelnen betrachtet werden:

1. Wie konnte ein betriebliches Umweltmanagement im landwirtschaftlichen Be­trieb gestaltet werden?

2. Warum ist Oko-Audit und Umweltrnanagement nach DIN EN ISO 14001 iiberhaupt ein Thema fur den Agrarsektor bzw. ist der Agrarbereich iiberhaupt in irgend einer Weise erwartbar betroffen?

3. We1che einzelbetrieblichen Chancen und Probleme sind mit Umweltmanage­ment im landwirtschaftlichen Betrieb verbunden?

4. We1che Besonderheiten miissen bei einem Umweltmanagement im landwirt­schaftlichen Untemehmen beachtet werden?

5. Welchen agrar-umweltpolitischen Stellenwert konnte ein Agrar-Oko-Audit potentiell einnehmen und we1che politischen Rahmenbedingungen konnten eine Beteiligung der landwirtschaftlichen Betriebe fcirdem bzw. unterstiitzen?

7.2 Grundzuge des betrieblichen Umweltmanagements nach EG-Oko-Audit-Verordnung

Die Steuerung und Einschrankung von Umweltproblemen wird in der Europai­schen Union bislang im wesentlichen durch einen ordnungspolitischen Rahmen von Umweltgesetzen gesteuert, der eine staatliche Dberwachung ihrer Einhaltung erfordert. Auch landwirtschaftliche Betriebe der Landwirtschaft sind von Um­weltauflagen durch eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen in zunehmen­den MaBe betroffen (z. B. Naturschutz, Wasserschutz, Bodenschutz, Pflanzen­schutz oder Abfallrecht). So1che Umweltauflagen stellen untemehmerische Rah­menbedingung dar, die betriebsokonomisch i.d.R. als Restriktion und Kostenfaktor eingeschatzt bzw. wirksam werden.

Die aktuellen Entwicklungen in der Umweltpolitik zielen auf neue Steuerungs­instrumente abo Neben dem ordnungsrechtlichen Ansatz werden zunehmend

3) Unter Agrar-Umweltwissenschaften werden hier die umweItbezogenen Fachrichtungen innerhalb der Agrarfakultaten der Bundesrepublik verstanden. So zum Beispiel der Fachbereich Agrarwissen­schaften und Umweltsicherung der Justus-Liebig-Universitat an dem die Professur fur Projekt- und Regionalplanung angesiedelt ist (vgl. FORUM STAnTE HYGIENE (1996): 20 Jahre "Umwelt­sicherung und Entwicklung landlicher Raume" Beitrage und Referate zur Jubilaumsveranstaltung) (im Druck). Die wissenschaftlichen Herausforderungen eines "betrieblichen Umweltmanagements in der Landwirtschaft" als Schnittmenge aus landwirtschaftlichem Untemehmensmanagement, Umweltproblematik und umweltpolitischer Steuerung soli ten kiinftig an den FakulUiten der Agrar­Umweltwissenschaften noch starker aufgegriffen werden.

Page 104: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 95

marktwirtschaftliche Instrumente in Erwagung gezogen. Ein derzeit vieldiskutier­tes Element dieser Entwicklung ist die EG-bko-Audit-Verordnung4 Der allgemei­ne Diskussionsstand und die Praxis-Anwendungshilfen zum bko-Audit sollen hier nicht erneut dargestellt werden5 Entscheidend fur die Thematik Agrar-bko-Audit sind die eigentlichen Innovationen und GrundzUge des Konzeptes eines validierten bzw. zertifizierten Umweltmanagements aufbetrieblicher Ebene. Umweltschutz ist kein neues Thema fur die Wirtschaftsunternehrnen des Agrarsektors. Was also soli das bko-Audit gegenUber den herkomrnlichen Umweltschutzstrategien auszeich­nen?

In einer ersten Annaherung kann gesagt werden: bko-Audit nach EG­Verordnung ist der Versuch die Ziele, MaBnahrnen und Erfolge des betrieblichen Umweltschutzes nach einheitlichen Ordnungskriterien (Definierte Begriffe, Min­destinhalte, VerfahrensgerUst und institutionalisierte Verantwortung in entspre­chenden staatlich bestellten Gremien und Institutionen) zu systematisieren. Dabei soli ein notwendiges MaB an intersubjektiver Vergleichbarkeit und Transparenz geschaffen werden. Der betriebliche Umweltschutz erhalt also zunachst einmal ein vorgegebenes BasisgerUst, eine Grundstruktur.

Innovativ erscheinen dabei die obligatorische Kontrolle durch unabhangige ak­kreditierte Fachleute (sog. Umweltgutachter) und die Notwendigkeit die wesentli­chen Ergebnisse tiffentlich zuganglich zu mach en (sog. Umwelterklarung). Damit wird es moglich, ein geordnetes systematisches Umweltmanagement nach einer Kontrolle (Umweltaudits) mit einem speziellen Umweltzeichen kenntlich zu ma­chen. Die Betriebe unterwerfen sich also der vorgegebenen Systematik, lassen ihre Systemkonformitat im Umweltmanagement extern UberprUfen und erhalten daftir das bko-Audit-Zeichen der EU. Die Teilnahme von Wirtschaftsunternehrnen am EG-bko-Audit-System oder der DIN EN ISO 14001 ist freiwillig. Inhaltlich­substantiell erscheint besonders wichtig, daB die EG-Verordnung explizit die wirt­schaftliche Machbarkeit von UmweltschutzmaBnahrnen, vereinfacht, also die Um­weltschutzkosten, neben die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung der betrieblichen Umweltsituation stellt. D. h. im Rahmen der regelmaBig wieder­holten Umweltaudits werden jeweils Fortschritte im Umweltschutz verlangt, die aber im Rahmen der Wirtschaftslage des Unternehmens realisierbar sein mUssen.

4) EG-Verordnung Nr. 1836/93 Uber die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem fUr das Umweltmanagement und die UmweltbetriebsprUfung, allgemein kurz Oko-Audit-Verordnung oder EMAS-Verordnung genannt.

5) Stellvertretend fUr das zunehmend unUberschaubare Feld der Publikationen zum Thema Oko-Audit vgl. KARL, H. (1993): Europaische Initiative fUr die EinfUhrung von Oko-Audits - Kritische WUr­digung aus bkonomischer Sicht. In: List-Forum, Band 19, Heft 3; SELLNER, OJ SCHNUTENHAUS . .I. (l993): Umweltmanagement und UmweltbetriebsprUfung - ein wirksames, nicht ordnungsrechtliches System des betrieblichen Umweltschutzes? In: Neue Zeitschrift fUr Ver­waltungsrecht, Heft 10, S. 928-934; FOHR. M. (1993): Umweltmanagement und Umweltbetrieb­sprUfung - neue EG-Verordnung zllm "Oko-Audit" verabschiedet. In:Neue Zeitschrift fUr Verwal­tllngsrecht. Heft 9. S 858-861. Aus dem Bereich der Praxisanwendungshilfen: vgl. MYSKA, M. (1996) (Hrsg.): Umweltmanagementberater. Wegweiser zur Zertifizierung. 4. Aktualisierung, Kbln, HOPFENBECK, W.; JASCH, Ch.; JASCH, A. (1995): Oko-Audit. Oer Weg zum Zertifikat. 363 Seiten, LandsbergiLech.

Page 105: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

96 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Diese integrierte Sichtweise von okologischen und okonomischen Belangen er­scheint grundsatzlich betrachtet originell und bricht mit der haufig anzutreffenden Polarisierung beider Bereiche. Man konnte sogar noch we iter gehen und diesen Aspekt als einen Operationalisierungsansatz des Nachhaltigkeitspostulates auf einzelbetrieblicher Ebene auffassen6.

Diese allgemeinen GrundzUge des Oko-Audits sind fur die Landwirtschaft kei­neswegs neu. Beispielsweise im Bereich des okologischen Landbaus werden ahnli­che Systeme angewendet. FUr den okologischen Landbau existieren ja auch ein­schlagige EU-Vorschriften7 mit Parallelen zur Oko-Audit-Verordnung. Es wird daher kUnftig notwendig sein, die Beziehungen und Abgrenzungen zwischen Agrar-Oko-Audit und okologischem Landbau genauer zu betrachten. Die bisheri­gen Diskussionen zeigen, daB mitunter MiBverstandnisse und ein gespanntes Ver­haltnis zwischen beiden Themenkomplexen bei den entsprechenden Akteuren vorherrschen.

In diesem Kontext ist eine weitere Feststellung von Bedeutung. Die Validierung oder Zertifizierung sowohl beim Oko-Audit als auch bei der DIN EN ISO 14001 ist systemorientiert und nicht produktorientiert. D.h. im Rahmen der Umweltaudits wird das Umweltmanagement in seiner Vollstandigkeit und Nachvollziehbarkeit gemaB der Verordnung bzw. gem1iB dem vorgegebenen System (Grundgerust) der Verordnung UberprUft. Es stehen dabei nicht die Produkte oder die Produktionssy­stem als solche zur Debatte. Ein Betrieb kann also z. B. in den Aussagen zur be­trieblichen Umweltpolitik festlegen, daB nach den Grundsatzen des okologischen Landbaus produziert werden solI. Er konnte aber genauso den integrierten Pflan­zenbau oder ein konventionelles Anbauprinzip als Produktionsausrichtung aufwei­sen und als Zielbasis vorsehen. 1m Umweltmanagement wird also kein grundsatzli­cher Vergleich der Umwelteffekte verschiedener Anbaukonzepte vorgenommen. Es wird vielmehr die Systemkonformitat des spezifischen betrieblichen Umwelt­managements geprUft. Die Auditfrage lautet also: "Hat der Betrieb die selbstge­steckten Umweltziele innerhalb seines definierten Produktionssystems mit den vorgesehenen formalen Bestandteilen eines Umweltmanagements erreicht?" Sie lautet nicht: "Ware nicht eine Umstellung auf okologischen Landbau fUr die Um­weltsituation besser?". Okologisch produzierende Betriebe kommen also grund­satzlich ebenso wie konventionell produzierende Betriebe fUr eine Oko-Audit­Anwendung in Frage. Z. B. konnte ein Demeter- oder Bioland-Betrieb die speziel­len Anbaurichtlinien seines Verbandes in ein betriebliches Umweltmanagement ohne Anderungen und vor allem ohne groBere MUhen Ubemehmen. Bei den bereits heute expliziten Umweltzielen des okologischen Landbaus lage ein validiertes Umweltmanagement auf den ersten Blick betrachtet unmittelbar nahe. Allerdings

6) Unter dem BegriffNachhaltigkeit wird von einer gr(jBeren Zahl von Autoren die integrierte Betrach­tung von (jkologischen, (jkonomischen und sozialen Belangen in Entscheidungen verstanden. (vgl. BAUER, S. (1995): EU-Agrarreform und Nachhaltigkeit. In: GROSSKOPF / HANF / HEIDHUES / ZEDDIES (Hrsg.): Die Landwirtschaft nach der EU-Agrarreform. Schriften der Gesellschaft fur Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus, Band 31. Miinster.

7) EWG-Yerordnung 2092/91

Page 106: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 97

sollte hierbei besonders geprUft werden, was ein validiertes Umweltmanagement substantiell an Vorteilen gegenUber den bestehenden Kontrollsystemen bringt. Zu vermuten ist, daB tragHihige neue Akzente durch Oko-Audit im okologischen Landbau weniger zu erwarten sind als in der konventionellen Landwirtschaft. 1m Ubrigen zeigt die Einfuhrung der EWG-Verordnung 2092/91 bereits anschaulich, wie schwer es sich teilweise in den Oko - Betrieben gestaltet, formalisierte Ver­ordnungssysteme einzufiihren und umszusetzen. Eine breite Anwendung eines zweiten parallelen Kontrollsystems im Okolandbau erscheint bereits von daher kurzfristig kaum erwartbar8•

Trotz der u. U. etwas irrefuhrenden Bezeichnung "Verordnung" entspricht die EG-Oko-Audit-Verordnung nicht den bisherigen ordnungsrechtlichen Ansatzen der Umweltpolitik. Die Verordnung formuliert keine expliziten neuen Umwelt­standards oder andere obligatorische Anforderungen an die Untemehmen. Die Teilnahme ist freiwillig und den teilnehmenden Betrieben bleiben beim geforder­ten Umweltmanagement weite Gestaltungspielraume fur eine betriebsangepaBte Systemausgestaltung. Flexibilitat ist also ein wichtiges Merkmal des Oko-Audits. Der teilnehmende Betrieb solI mit flexiblen MaBnahmen eine kontinuierliche Ver­besserung der Umweltschutzleistungen im Rahmen der jeweiligen wirtschaftlichen Moglichkeiten anstreben, dokumentieren und offenlegen.

7.3 Bestandteile und Spezifika eines validierten Umweltmanagements in der Landwirtschaft

7.3.1 Spezifikum: Umwelteffekte der Landwirtschaft

Eine wesentliche Diskussionsgrundlage fur Umweltmanagement 1m landwirt­schaftlichen Betrieb sind die allgemeinen Umweltverflechtungen der landwirt­schaftlichen Produktion. Sie unterscheiden sich erheblich von denen der gewerb­lichen Wirtschaft und mUssen dernnach auch in einer Reihe spezifischer Anpas­sungen des Oko-Audits fur den Agrarsektor mUnden. Die Umwelteffekte von Gar­tenbau und Landwirtschaft sind durch drei Richtungen gekennzeichnet:

8) Die teilweise ablehnende Haltung der Okolandbau-Verblinde zum Thema Agrar-Oko-Audit kann damit alleine aber nicht erklart werden. Hierbei scheint die begriffliche Nahe zwischen bestehenden Oko-Landbau-Betrieben und kiinftigen Oko-Audit-Betrieben und den erwartbaren Implikationen am ohnehin engen Marktsegment der okologischen Landbauprodukte eine Rolle zu spielen. Tat­sachlich ware ein Oko-Audit-Landbau fUr die meisten Verbraucher wohl nur schwer yom derzeiti­gen Okologischen Landbau zu unterscheiden. Substantiell kann ein Oko-Auditierter Betrieb aber kaum mit einem Okologisch wirtschafteneden Betrieb verglichen werden. Das Verwechslungs­problem wird allerdings durch den Tatbestand entscharft, daB mit dem Oko-Audit-Zeichen keine produktbezogene Werbung erlaubt ist und der Konsument mit dem Oko-Audit wohl nur marginal in Beriihrung kommt.

Page 107: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

98 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Produktion!taktoren

UmweUmedien t 0 I

I

Umwelteinwfrkungen 8US anderen 8ereichel1

.CJ.

Landwlrtochaftlici1e

Produkllon

poStive Umwelteffekte _ .. - _.- _ .. - - - -_. negative Umwe/teffe/de

Abb. l. Umwelteffekte der Landwirtschaft9

A.) Positive Umwelteffekte der Landwirtschaft

Landwirtoch<tUici1e Produkte

... Umweltmedien t 1

Eine Reihe von Qualitatsmerkmalen nattirlicher Ressourcen ist mit der landwirt­schaftlichen Nutzung eng verbunden. 1m Naturschutz etwa sind verschiedene Biotoptypen durch spezifische Nutzungsregime entstanden und auch heute noch von diesen landwirtschaftlichen Nutzungsformen existentiell abhangig. Diese Be­ziehungen findet man etwa bei Grtinlandbiotopen unter extensiver Nutzung lO . Der Wegfall der Nutzung durch private landwirtschaftliche Untemehmen bedeutet auch die Gefahrdung dieser Biotopqualitaten oder ihre kostenaufwendige offent­liche Pflege (Landschaftspflege). Auch im Bereich der abiotischen nattirlichen Ressourcen erhalt die Landwirtschaft wichtige Umweltqualitaten. Anschauliches Beispiel ist der Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Bodennutzung und dem Trinkwasserdargebot einer Landschaft.11 Auch das Landschaftsbild wird durch die landwirtschaftliche Nutzung entscheidend gepragt und in einer Weise gestaltet, die von der Gesellschaft als wertvoll erachtet wird 12. Daraus resultiert ein grundlegender Unterschied zu den meisten anderen Wirtschaftszweigen. Zudem

9) Darstellung aus BAUER (1993): siehe FuBn. I. IO)VERBAND DEUTSCHER NATURLANDSTIFTUNGEN (Hrsg.) (1994): Griinland und Natur­schutz. Lich. II)vgl. WOHLRAB, B.I ERNSTBERGER, H:I MEUSEL, A.I SOKOLEK, V. (1992): Landschafts­

wasserhaushalt. Wasserkreislauf und Gewasser im Htndlichen Raum .. Verilnderung durch Boden­nutzung, Wasserbau und Kulturtechnik, Hamburg - Berlin.

12)vgl. CORELL, G.(1993): Der Wert der blluerlichen Kulturlandschaft. Dissertation an der Justus­Liebig-Universitllt GieBen; v.AL VENSLEBEN, R. (1995): Was sind Umweltleistungen wert? Wie­viel die Bevolkerung zahlen wiirde. In. DLG (Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft) - Mitteilungen, Heft 4/95, Seite 40.

Page 108: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Gko-Audit 99

muB der Erhalt der Kulturlandschaft natiirlich auch aus kulturhistorischer Sicht gewiirdigt werden.

In der aktuellen Diskussion werden die positiven Umwelteffekte der Landwirt­schaft unter dem Begriff "okologische Leistungen" eingehend behandelt und brau­chen hier nicht weiter vertieft werden 13. An dieser Stelle bleibt festzuhalten: Landwirtschaftliche Produktion kann je nach Intensitiit und Ausrichtung positive Umwelteffekte erwirken. Diese okologischen Leistungen bilden ein wichtiges Spezifikum der Landwirtschaft gegeniiber den meisten Anwendungsbranchen des EG-Oko-Audits und miissen daher bei der Diskussion eines Agrar-Oko-Audits in spezifischer Weise in die Oberlegungen einbezogen werden.

B.) Negative Umwelteffekte der Landwirtschaft

Landwirtschaft ist die Transformation natiirlicher Ressourcen zur Nahrungsmittel­gewinnung. Der TransformationsprozeB veriindert die Gestalt und Lage der natiir­lichen Ressourcen. Dabei entstehen auch negative Umwelteffekte. Das MaB der negativen Effekte hiingt wiederum von der speziellen produktionstechnischen Ausrichtung der landwirtschaftlichen Nutzung abo Die Entwicklung der modern en Landwirtschaft hat in den letzten vier Jahrzehnten dazu gefuhrt, daB die negativen Umwelteffekte erheblich zugenommen habenl4. Der Sachverstiindigenrat fur Um­weltfragen hat bereits 1985 als wesentliche negative Effekte herausgestellt: IS

• Stoffliche Eintriige in Oko-Systeme durch Diingemittel, Pestizide und klimare­levante Gase.

• ZerstOrung von Landschaftselementen (Biotopstrukturen).

In der offentlichen Diskussion steht dieser Aspekt der Landwirtschaft haufig im Vordergrund. Das gestiegene UmweltbewuBtsein der Gesellschaft und die hohe Sensibilitiit im Bereich der Nahrungsmittelqualitiit werden auch kiinftig dazu flih­ren, daB diesem Bereich hohe Aufrnerksamkeit zukommt.

13)ygl. BAUER, S.; ABRESCH, .I-P., STEUERNAGEL, M. (1996): Gesamtinstrumentarium zur Er­rei chung einer umweltyertraglichen Raumnutzung. Materialien zur Umweltforschung herausgege­ben yom Rat der SachYerstandigen fOr Umweltfragen, Band 26,393 Seiten, Stuttgart .. BAUER, S.; ABRESCH, J.-P.; STEUERNAGEL, M. (1994): Naturschutz und Landwirtschaft. Schriftenreihe angewandte Landsehafts1lkologie herausgegeben yom Bundesamt fur Natursehutz, Band 3, Bonn Bad-Godesberg.

14)ygl. BAUER, S.(1990): Landwirtsehaft und Umweltpolitik - Oberlegungen aus 1lkonomiseher Sieht. In: Zeitsehrift fur angewandte Umweltforsehung (ZAU), Jg. 3, Heft 2, S.133-147.

15)ygl. SACHVERSTANDIGENRAT FOR UMWELTFRAGEN SRU (1985): Umweltprobleme der Landwirtsehaft. Sondergutachten, Stuttgart und Mainz.

Page 109: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

100 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

C.) Einwirkungen anderer Umweltnutzungen bzw. Belastungen auf die landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen

Hierbei sind z. B. stoffliche Belastungen des Bodens durch Luftverunreinigungen aus Verkehr und Industrie, sowie Flachenverluste und Zerschneidungen durch Siedlung und Verkehr zu nennen. Diese Beeintrachtigungen der landwirtschaftli­chen Produktionsgrundlagen konnen erheblich sein 16 und unrnittelbar auf den Bereich der Produktqualitat,17 und damit auf den Verbraucher, durchschlagen. Auch betriebsokonomisch bzw. wettbewerbsstrategisch ergeben sich Implikatio­nen, die sich von der iibrigen Wirtschaft unterscheiden. So sind etwa von einigen Babynahrungserzeugem im Zuge ihrer Lieferantenauswahl AusschluBkriterien wie "Nahe zu Kraftwerken, Bundesautobahnen" etc. bekannt. D.h. Betriebe die lokal starker von extemen Umweltbelastungen betroffen sind werden in bestimmten Absatzmarkten ausgeschlossen.

Es wird also deutlich, daB im Unterschied zur gewerblichen Wirtschaft ein Umweltmanagement im Agrarbereich folgende Besonderheiten beriicksichtigen muB:

• Landwirtschaft impliziert positive und negative Umwelteffekte. Eine einfache Differenzierung in eine der beiden Auspragungen ist auf allgemeinem Niveau kaum moglich.

• Landwirtschaft ist unmittelbar abhangig von der Qualitat der Umwelt. Allge­me in sind natiirlich aile Wirtschaftsbereiche mehr oder minder umweltabhan­gig. 1m landwirtschaftlichen Betrieb ist die Umweltabhangigkeit aber deutlich starker ausgepragt.

7.3.2 Bestandteile eines Agrar-Oko-Audits

Die Bestandteile eines Umweltmanagementsystems werden in der EG-Oko-Audit­Verordnung festgelegt. GemaB diesen Anforderungen stellt sich der Ablauffiir die Erlangung der EG-Teilnahmebestatigung zusammengefaBt folgendermaBen dar:

A.) Erste Umweltprufung

Bei der ersten Umweltpriifung werden die wesentlichen umweltbezogenen Daten des Untemehmens im Sinne einer standort- und betriebsbezogenen Input-IOutput­Analyse sowie Informationen zur Organisation von Verantwortung, Informations-

16)vgl. LATACZ-LOHMANN, U. (1992): Umweltprobleme durch Industrieimmissionen und Altlasten in der Landwirtschaft. Diss. Uni Gottingen.

11)vgl. KLOKE, A. (1993): Bedeutung von Industrie- und StraBenimmissionen sowie Bodenbelastung in Deutschland. In: HLBS (Hrsg.): Immissionen und Altlasten in der Landwirtschaft, Schriftenreihe H. 137, St. Augustin.

Page 110: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 101

fli.issen und Dokumentation erhoben. Die erste Umweltpriifung leistet also eine Ist­Analyse des betrieblichen Umweltschutzes. Wichtige Informationen konnen hier­bei der Wasser- und Energieverbrauch, der Transport und die Lagerung von ge­fahrlichen Stoff en (Pflanzenschutz, DUnger) und die N-Bi!anzen auf den Flachen oder am Hoftor sein. Hierbei wird die Bedeutung eines betrieblichen Informations­systems deutlich. Je besser der Betriebsleiter innerbetriebliche Ablaufe kennt und die kostentrachtigen Faktoren bereits heute aktiv steuert und kontrolliert, umso einfacher wird auch eine Interpretation dieser vorhandenen Daten aus dem Blick­winkel der Umweltschutzanforderungen heraus sein. Au13erdem wird hier ein wichtiger Unterschied des Agrar-Oko-Audits zum gewerblichen Audit deutlich. Die Betriebe des Gartenbaus und der Landwirtschaft werden bei der Erfassung ihrer Umweltsituation in jedem Falle die Umweltqualitaten der Betriebsflachen mit betrachten mUssen. Eine kontroverse Diskussion Uber den Standortbegriff, wie wir sie in der gewerblichen Oko-Audit-Anwendung antreffen, verbietet sich, wei! die einzelnen Flachen des Betriebes mit ihren Boden, Wasser und kleinklimatischen Verhaltnissen eine wesentliche Gro13e bei der Erfassung der Produktionsablaufe sind. Umweltmanagement im Gartenbau und Landwirtschaft bedeutet immer auch Management von natUrlichen Produktionsgrundlagen am Produktionsstandort. Gegenstand der UmweltprUfung ist also in jedem Falle die gesamte bewirtschaftete Flache. In einem ambitionierten Ansatz konnten auch die angrenzenden Flachen mit betrachtet werden, denn Umweltwirkungen machen nicht an Flachenbegren­zungen halt. Au13erdem sollten die Betriebe bereits in der UmweltprUfung ihre Betroffenheit durch externe Umweltbeeintrachtigungen (vgl. Abbildung. Umwel­teffekte der Landwirtschaft: Umweltwirkungen aus anderen Bereichen) und alle mit ihrer Produktion gekoppelten okologischen Leistungen explizit herausstellen. Auch dieser Aspekt dUrfte ein Agrar-Oko-Audit substantiell von den meisten ande­ren Oko-Audit-Anwendungsbereichen unterscheiden.

Methodisch-inhaltlich sind die Zusammenhange zwischen Landwirtschaft und Umwelt intensiv untersucht worden. Die Agrar-Umweltwissenschaften beschafti­gen sich seit Jahren mit diesen Fragen. Auch fiir ein Umweltmanagement lassen sich hiervon Erfahrungen und Erkenntnisse nutzen. Mit dieser spezifischen Situa­tion erscheint der Agrarsektor vergleichsweise gut fiir ein substanzreiches Um­weltmanagement geeignet. Andere Branchen verfiigen haufig kaum Uber derart dezidierte wissenschaftliche Aufbereitung ihrer Umweltimplikationen. Konkret sind einige Arbeiten und Konzepte auch direkt als Methodenbaustein verwend­bar l8. Etwa das Konzept "Kritische Umweltbelastung Landwirtschaft (KUL)" 19

konnte als einen methodisch-praktischer Kern eines Agrar-Oko-Audits bilden.

IS) vgl. REITMA YR, TH. (1995): Entwicklung eines rechnergestiitzten Kennzahlensystems zur oko­nomischen und okologischen Beurteilung von agrarischen Bewirtschaftungsformen - dargestellt an einem Beispiel. Agrarwirtschaft, Zeitschrift fur Betriebswirtschaft, Marktforschung und Agrarpoli­tik, Sonderheft 147, Frankfurt.

19)vgl. ECKERT, H.I BREITSCHUH, G. (1994): Kritische Umweltbelastungen Landwirtschaft (KUL) - Eine Methode zur Analyse und Bewertung der okologischen Situation von Landwirtschaftsbetrie­ben. In: EULANU - Effiziente und umweltvertriigliche Landnutzung. Thiiringer Landesanstalt fiir Landwirtschaft, Schriftenreihe H. 10, S. 30-46.

Page 111: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

102 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Auch die vorliegenden Arbeiten zur Tierhaltungs-UVP enthalten eine Reihe me­thodische Bausteine die iibertragbar sind20 . In einer praktischen Anwendung wird beim Oko-Audit die Fahigkeit und das spezifische Know-How in der Produktion­stechnik seitens der Betriebsleiter dariiber entscheiden wie teuer und aufwendig das Oko-Audit im Betrieb ausfallen wird. Mit anderen Worten: Die weitreichenden Anforderungen und Hoffnungen, die mit dem neuen Instrument Oko-Audit in der umweltpolitischen Diskussion verbunden werden, miissen sich real nicht notwen­digerweise als Mindeststandard etablieren. Wie bei allen Instrumenten der Um­weltpolitik wird es hier ambitionierte und damit kosten- und zeitintensive Umset­zungen im landwirtschafltichen Betrieb geben. Aber es sind eben auch Minimal­konzepte zur Erreichung eines Oko-Zertifikates erwartbar21 .

Aus einzelbetrieblicher Sicht des Landwirtes ist die Gestaltungsmoglichkeit und Dehnbarkeit vor dem Hintergrund betriebsokonomischer Ziele wohl eher ange­nehm. Unter diesem niichtemen Blickwinkel kann das Oko-Audit im jetzigen Stand wohl mehr als kosten- und konfliktarme Chance zum formal en Nachweis der Umweltanstrengungen im Betrieb, denn als substantiell wirksames Instrument des Umweltschutzes zur weitreichenden umweltorientierten Umgestaltung der land­wirtschaftlichen Produktion verstanden werden. Aus umweltpolitischer Sicht mag diese Feststellung Illussionen zerstOren.

B.) Umweltpolitik

Der nachste Schritt ist die Festschreibung einer betrieblichen Umweltpolitik, d.h. die Formulierung der betrieblichen Umweltschutzziele22 . Dabei miissen minde­stens folgende Verpflichtungen bzw. grundlegende Ziele enthalten sein:

• Einhaltung aller relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen (Umweltgesetze etc.)

• angemessene kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes • Anwendung des Standes der Technik

20) vgl. FLEISCHER, E. (1994): Methodisehe Grundlagen der Umweltvertragliehkeitspriifung UVP­pfIiehtiger Anlagen der GefIiigelhaltung. Sehriftenreihe des Institutes fiir Tierzueht und Tierhaltung der Universitat Halle-Wittenberg, 2 Bande; ECKHOF, W.I GRIMM, E.I HACKESCHMIDT, A.I NIES, V (1994): Umweltvertragliehkeitspriifung fiir Anlagen der Tierhaltung. KTBL-Arbeitspapier 189.

21)vgl. ABRESCH, J.-P. (1995): Zertifizierte Managementsysteme in der Landwirtsehaft. Eine Stand­ortbestimmung zu Problemen und Chaneen von Qualitats- und Umweltmanagement. In: Wertermitt­lungsforum - Zeitsehrift des Saehverstandigenkuratoriums fiir Landwirtsehaft, Nr. 4/95.

22) In der Reihenfolge der EG-Oko-Audit-Verordnung steht die Umweltpolitik vor der Umweltpriifung an erster Stelle. In der Anwendungspraxis hat sieh aber gezeigt, daB die betriebliche Umweltpolitik besser mit dem Wissen iiber die UmweltverfIeehtungen und den erreiehten Umweltschutzstand des jeweiligen Unternehmens forrnuliert werden kann, also die Umweltpriifung an den Anfang des Oko­Audit-Prozesses gestellt werden sollte. Diese Auffassung setzt sich zunehmend auch in den Darstel­lungen der Oko-Audit-Literatur dureh.

Page 112: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 103

Als Umweltschutzziel in einem gartenbaulichen bzw. landwirtschaftlichen Be­trieb konnte darin z. B. enthalten sein, daB moglichst geschlossene StoftkreisHiufe, ausgeglichene Diingungsbilanzen, umweltfreundliche Verpackungsysteme oder eine moglichst tiergerechte Haltung und Behandlung in der Tierproduktion ange­strebt werden. Insgesamt soll eine "offensive" Umweltpolitik des Betriebes deut­lich werden. Die bloBe Einhaltung der giiltigen Umweltvorschriften als Umweltziel reicht nicht aus.

C.) Umweltprogramm und Umweltmanagementsystem

Auf der Grundlage der Daten der Umweltprtifung ist im nachsten Schritt ein' be­triebsspezifisches Umweltprogramm und Umweltrnanagement flir aile Tatigkeiten im Betrieb aufzubauen. Das Umweltprogramm soll dabei die betriebliche Umwelt­politik tiber qualitative und quantitative Ziele in ein konkretes MaBnahmenpaket tiberleiten. Die MaBnahmen konnen dabei mit Umsetzungsfristen belegt werden. Das Umweltrnanagement ist der Teil des gesamten Unternehmensmanagement, der die Organisationsstruktur, Zustandigkeiten, Verhaltensweisen, formlichen Verfah­ren, Ablaufe und Mittel flir die Festlegung und Durchflihrung der Umweltpolitik betrifft. In Einzelbetrieben der Landwirtschaft werden hierbei die Fragen von Kommunikationswegen, Organisationsstruktur und speziellen Zustandigkeiten flir Umweltschutz ein eher untergeordneter Bereich sein. Der Betriebsleiter ist hier zumeist "sein eigener" Umwelt-lmmissionsschutz-, Wasserschutz- und Arbeits­sicherheitsbeauftragter und die Verstandigung mit den tibrigen Mitarbeitern lauft hauptsachlich auf mtindlichem Wege. Ein Agrar-Oko-Audit wird kein komplexes organisatorisches Umweltrnanagementsystem brauchen. Das Managementsystem besteht hier eher in der Festlegung von Produktionsablaufen und speziellen Tatig­keiten zur Umweltsicherung. Beschrieben wird dabei "Wer, Warum, Was, Wann und Wo" konkret zur Erreichung der Umweltziele in den einzelnen Produktions­systemen machen solI. Grundsatz des Umweltrnanagementsystems so lite eine schlanke Dokumentation mit einer moglichst weitreichenden Umsetzung bzw. mit moglichst hohem EintluB auf das umweltrelevante Verhalten der Mitarbeiter sein. Alleine durch umfangreiche Handbticher und festgeschriebene Regelungen mit sehr detailliert vorgeschriebenen Ablaufen kann ein "gelebter betrieblicher Um­weltschutz" kaum gelingen. Wichtiger als "dicke" Handbticher und schriftliche Unterlagen ist die Akzeptanz und das Verstandnis flir die Sache bei den Mitarbei­tern und bei der Betriebsleitung. Das Umweltrnanagement eines Agrar-Oko-Audits wird notwendigerweise starker informations- als organisationsorientiert gestaltet werden mtissen.

Page 113: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

104 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Do) Umweltbetriebsprufung (Auditkontrolle)

Die regelmiillige Uberpriifung der umweltbezogenen Daten, der Erreichung der Umweltziele und der ErfUllung des Umweltprogramms, der Eignung der Organi­sation des Umweltmanagements und der technischen Umweltschutzeinrichtungen wird iiber interne Umweltbetriebspriifungen durchgefiihrt. Diese konnen von inter­nen oder externen Umweltpriifern (Auditoren) durchgefUhrt werden. Dabei wird gepriift, ob die gesetzlich vorgegebenen und selbstgestellten Ziele erreicht wurden, mit anderen Worten, ob das Umweltrnanagementsystem tatsachlich im betriebli­chen Alltag umgesetzt wird und wirksam ist.

Eo) Kontinuierliche Anpassung der Ziele und MaBnahmen

Auf Basis der Ergebnisse der Umweltbetriebspriifungen sollen die Ziele und MaB­nahmen entsprechend weiterentwickelt und verfeinert werden. Das Umweltmana­gement ist also keine statische, gewissermaBen einmal zu erledigende Aufgabe, sondern ein standiger LernprozeB mit kontinuierlicher Verbesserung. Es kann von daher auch nicht erwartet werden, daB kurzfristig durch die EinfUhrung eines Um­weltmanagements alles auf Anhieb besser bzw. "okologischer" wird. Der Schliissel zum Erfolg liegt vielmehr im standigen LernprozeB durch regelmiillige Auseinan­dersetzung mit dem Thema Umweltschutz im Betrieb.

F 0) Umwelterklarung

In der zu veroffentlichenden Umwelterklarung sollen die wesentlichen Daten, Leistungen und Absichten des Unternehmens beschrieben werden. Die Verord­nung verlangt nicht, daB aile im AuditprozeB erhobenen Daten und Ziele verOf­fentlicht werden; sie verlangt insbesondere nicht die Veroffentlichung bestimmter Geschafts- und Betriebsgeheirnnisse. Sie gibt aber die zu berUcksichtigenden Themen explizit vor. Spezifisch fUr ein Agrar-Oko-Audit sollten hierbei erneut die positiven Umweltleistungen des Betriebes und seine Betroffenheit durch andere Umweltbeeintrachtigungen fUr die Offentlichkeit herausgestellt werden.

Go) Umweltbegutachtung

Der gesamte ProzeB von Punkt A bis Punkt D sowie der Entwurf zur Umwelter­klarung werden von einem externen, unabhangigen Umweltgutachter(team) iiber­priift und die Umwelterklarung validiert. Umweltgutachter werden in einem festge­legten Verfahren zugelassen (Akkreditierung). Hierzu hat die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz erlassen (UAG).

Page 114: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Gko-Audit 105

H.) Umwelt-Audit-Teilnahmebestatigung

Die Umwelterklarung wird bei der zustandigen Stelle eingereicht. Unternehmen, die an dem freiwilligen System teilnehmen und die Anforderungen der EMAS­Verordnung erfullen, erhalten die Berechtigung, fur den jeweiligen Standort eine Teilnahmebestatigung der Europaischen Gemeinschaft in der Offentlichkeitsarbeit zu verwenden. Die Verordnung fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, diesen Unter­nehmen Vorteile einzuraumen, etwa bei der Vergabe Offentlicher Mittel, bei Kon­trollmaBnahmen und bei der Offentlichen Beschaffung.

ZusammengefaBt kann also gesagt werden, daB im Rahmen des Oko-Audit­Systems Umweltschutz im Betrieb im einzelnen festgelegt und schriftlich be­schrieben wird. Die Bestandteile Ergebnisse und Erfolge des betrieblichen Um­weltschutzes werden regelmaBig kontrolliert, urn ein entsprechendes Zertifikat zu erreichen.

7.3.3 Spezifikum der BetriebsgroBe und Unternehmenskultur in der Landwirtschaft

FUr eine Darstellung des Oko-Audits aus innerbetrieblicher Sicht muB zunachst die Bandbreite der Unternehmen in Gartenbau- und Landwirtschaft in die Betrachtung einbezogen werden. Gestalt und Aufwand des Umweltmanagements richtet sich unter anderem auch nach der BetriebsgroBe. In Familienbetrieben werden die Ar­beiten in den Produktionssystemen yom Unternehmer selbst geleistet. Dabei kenn­zeichnen den Betrieb kurze mUndliche Kommunikations- und Entscheidungswege. Problematisch fur die Einfuhrung eines Umweltmanagements erscheint hierbei der Umstand, daB die Arbeitsbelastung der mitwirkenden Familienmitglieder in sol­chen Unternehmen meist bis an die Leistungsgrenze geht. Es steht daher zu erwar­ten, daB bereits aus ZeitgrUnden die Gestaltung und tagliche BerUcksichtigung eines Umweltmanagementsystems nur unvollstandig stattfindet. In der Praxis zeigt sich, daB in den kleineren landwirtschaftlichen Familienbetrieben bereits die un­mittelbar "existenziellen Managementaufgaben" (z. B. betriebliche Analysen oder Finanzmanagement) oftmals vernachlassigt werden. Diese Form des Familienbe­triebes ist kenzeichnend fur landwirtschaftliche Betriebe in den alten Bundeslan­dem. Eine Oko-Audit-Anwendung dUrfte sich hier nur mUhsam auf breiter Front durchsetzen. Ausnahmen sind bei speziellen Betriebsformen und -kooperationen (z. B. Direktvermarktung, Vertragslandwirtschaft, Erzeugergemeinschaften) er­wartbar.

Anders ist die Situation in den landwirtschaftlichen GroBbetrieben und den Gartenbaubetrieben einzuschatzen. Mittelstandische Gartenbaubetriebe haben i.d.R. 10-50 Mitarbeiter. Sie sind also ebenso wie landwirtschaftliche GroBbetriebe (neue Bundeslander) in ihren Managementstrukturen einem mittelstandischen Handwerksbetrieb bzw. kleineren Industriebetrieb vergleichbar. Die Unterneh-

Page 115: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

J 06 KapiteJ 1: Umwelt- und Agrarpolitik

mensleitung (Landwirt oder Geschaftsfuhrer) beschaftigt sich hier i.d.R. eingehen­der mit dem betrieblichen Management. Es ist zu erwarten, daB in solchen Betrie­ben ein Umweltmanagement umfangreicher ausfallen wird. Auch die zeitliche Machbarkeit eines expliziten Umweltmanagements ist in den groBeren Betrieben wohl gilnstiger als im kleinen Familienbetrieb einzuschatzen. Aus diesem Zusam­menhang wird in der Landwirtschaft besonders in den neuen Bundeslandern mit Agrar-Oko-Audits zu rechnen sein. AuBerdem erscheinen bei dieser Einordnung methodische Anleihen zum Umweltmanagement aus dem Handwerksbereich sinn­vol!. Von einem Managementsystem im Sinne von komplexer Managementaufga­be und ausgefeilten Verantwortungs- und Managementstrukturen kann beim Agrar­Oko-Audit aber kaum ausgegangen werden.

7.4 Agrar-Oko-Audits aus einzelbetrieblicher Perspektive

Die wirtschaftlichen Verflechtungen der Landwirtschaft mit den verschiedenen Stu fen der Nahrungsmittelverarbeitung bis hin zum Konsumenten werden zukilnf­tig zu steigenden Umweltanforderungen an landwirtschaftliche Betriebe fuhren. 1m Hinblick auf die Ausbreitung des Oko-Audits in der Landwirtschaft sind vor allem folgende Tendenzen bedeutsam:

7.4.1 Implikationen im Kunden-Lieferanten-Verhaltnis

Der Produktabsatz landwirtschaftlicher Unternehmen steht in Verbindung mit Unternehmen der Nahrungsmittelproduktion. Bei diesen Absatzpartnern konnen Zweige mit standardisierter Massenproduktion von Zwischenprodukten (Zuckerin­dustrie, Starkeherstellung, Schal- und Mahlmilhlen, Malzereien, Alkoholbrenne­reien, Olmilhlen) von solchen unterschieden werden, die Produkte mit hoher Kon­sumreife mit einer entsprechenden Nahe zum Verbraucher (Landwirtschaft: Back­warenherstellung, Fleischwarenindustrie, Molkereien, Nahrungsmittelherstellung) herstellen. Besonders im zweiten Bereich ist eine kilnftige Verbreitung und An­wen dung eines expliziten betrieblichen Umweltrnanagements zu erwarten. Das ge­stiegene UmweltbewuBtsein der Verbraucher grilndet sich in erheblichem Umfang im Zusammenhang zwischen Umwelt, Ernahrung und Gesundheit. Gesunde Nah­rungsmittel aus umweltgerechter Erzeugung sind ein wichtiges Verkaufsargument. Vor diesem Hintergrund wird die Nahrungsmittelbranche die Marketingeffekte des Oko-Audits nutzen. Dieser Entwicklungstrend ist in der Praxis bereits eindeutig zu

Page 116: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 107

beobachten. Zahlreiche Untemehrnen der Nahrungsmittelbranche beteiligen sich am Oko-Audit-System23 .

Es ist zu erwarten, daB die Nahrungsmittelverarbeiter ihre Rohstofflieferanten aus der Landwirtschaft in ihr Umweltmanagementsystem einbeziehen werden. 1m ersten Schritt ist mit einer zunehmenden Lieferantenbewertung nach okologischen Gesichtspunkten zu rechnen24 . In der weiteren Entwicklung werden die groBen Nahrungsmittelerzeuger dann aber immer weniger selbst Umweltinformationen bei ihren Lieferanten sammeln und aufbereiten, sondem lediglich die Existenz eines validierten bzw. zertifizierten25 Umweltmanagements abfragen. Es kann davon ausgegangen werden, daB validierte Umweltmanagementsysteme mittelfristig zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor werden. Vorausschauende Untemehmen stel­len sich bereits heute darauf ein, daB etwa bei groBen Lebensmittelhandelsketten Qualitatsmanagementsysteme nach DIN ISO 9000ff (kurzfristig) und Umweltma­nagementsysteme (mittelfristig) zur obligatorischen Voraussetzung fur Lieferver­trage werden26 .

1m Zuge dieser Entwicklungsperspektiven werden landwirtschaftliche Unter­nehrnen und Erzeugergemeinschaften auf der einzelbetrieblichen Ebene zukiinftig in jedem Faile mit der Thematik in Beriihrung kommen. Ein substantielles Um­welt- und Qualitatsmanagement z. B. im Bereich der Molkereien ist ohne die Ein­beziehung der Milcherzeuger kaum tragfahig27.

23) Zum Beispiel: Dr. Oetker Nahrungsmittel KG (vgJ LARISCH, G. (1996): Umweltmanagement bei der August Oetker Nahrungsmittel KG. In: LANDWIRTSCHAFTSKAMMER WESTFALENI LIPPE (Hrsg.): Beitrage zum bundesweiten Seminar "Agrar-Oko-Audit". Tagungsmappe: FURSTLICH FURSTENBERGISCHE BRAUEREI KG DONAUESCHINGEN (1995) Umwelter­klarung gemaB § 5 EG-Oko-Audit-VO (EWG-VO 1836/93); STOCKER'S BACKSTUBE GmbH HOFPFISTEREI MUNCHEN (1995): Umwelterklarung gemall § 5 EG-Oko-Audit-VO (EWG-VO 1836/93). Lauf/Pegnitz; HIPP WERK PFAFFENHOVEN (1995): Umweltbericht und Umwelterkla­rung gemaB § 5 EG-Oko-Audit-VO (EWG-VO 1836/93). Weitere Unternehmen der Lebensmittel­branche die am Oko-Audit teilnehmen finden sich bei CLAUSEN. 1. IFICHTER, K. (1996): Ranking 1995, Bewertung und Vergleich von 97 Umweltberichten und Umwelterklarungen deut­scher Unternehmen, Berlin.

24) vgJ LARISCH, G. (1996): Zum aktuellen Stand der Zuliefererbewertung bei der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG und Perspektiven der Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft Referat beim Expertenwokshop der Arbeitsgruppe Ernahrung und Umwelt bei der Dr. Oetker Nahrungsmittel KG am 13.05.1996. Die UmwelterkHirungen der in Fullnote 23 zitierten Beispiele enthalten alle Aussa­gen zu einer kstarkeren Einbeziehung von Lieferanten und Vertragspartnern sowohl auf der Ziele­bene (Umweltleitlinien/Umweltziele) als auch auf der Mallnahmenebene (Umweltprogramm). Bei­spielsweise enthalt die Umwelterklarung HIPP im Umweltprogramm das Ziel: "Einkaufe von Zerti­Jizierten Lieferanten" mit der Mallnahmenformulierung: "Zertijizierung der Co-Produzenten nach EG-Oko-Audit-Verordnung 1836/93" (vgJ HIPP (1995): Fullnote. 23, S. 48).

2;) 1m Faile einer Anwendung der EG- Oko-Audit-Verordnung wird die UberprUfung des Umweltma­nagementsystems als "Validierung" und im Faile der DIN EN ISO 14001 als "Zertifizierung" be­zeichnet

26)vgJ etwa RHONGOLD MOLKEREI FRICKE in Kaltensundheim. 27) Z. B gestaltet die Rheingold-Molkerei ihre Mangementsysteme von vornherein gemeinsam mit

einem groBeren Milchlieferanten (Landschaftspflege AgrarhOfe Kaltensundheim).

Page 117: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

\08 Kapitel I : Umwelt- und Agrarpolitik

r

L ,-

Sanmel- unci AutbereitunogroBhandel

'-----------------------------------------------

l.t . PrOdukll eferung m1 Oko-Audit·Nachwets • PrOduklabnanme mt Ueferanlen­bewertuog (CheckJisten ode, Lleferaten· auditS)

Abb.2. Marktverflechtungen und Umweltauditanforderungen (eigene Darstellung)

Bereits heute bestehen in verschiedenen Bereichen zwischen landwirtschaftlichen Produzenten und Weiterverarbeitem sehr enge und ausdifferenzierte Beziehungen. Ein Vertragsanbauer etwa fur Kartoffelchips28 oder Babynahrung29 erhalt heute sehr spezifische Vorgaben zur Produktion. Diese Produzent-Verarbeiter-Beziehun­gen gehen weit tiber das hinaus, was im Rahmen eines Oko-Audits nach gewerb­lichem Vorbild erreichbar ware30. Umweltmanagementsysteme konnten zuktinftig in dies en Bereichen als Einstiegsbedingung fur Liefervertrage fungieren. Aus ein­zelbetrieblicher Sicht von Vertragsanbauem bilden sie also ktinftig eine notwen­dige aber nicht hinreichende Bedingung im Wettbewerb am Absatzmarkt.

Einige landwirtschaftliche Betriebe werden also voraussichtlich in eine Art "Marktzwang" zum Nachweis eines systematischen Umweltmanagements geraten.

28) Z.B. STOVER Kartoffeln mit einer intensiven Beratung und Lenkung des Kartoffelanbaus der Lieferanten.

29) Z.B. HIPP Babynahrung mit strenger Auswahl der Lieferuntemehmen und Lenkung ihrer Prod uk­tionsweise (vgl.

3D) Vergleichbar ist diese Situation mit den Beziehungen zwischen amerikanischer Automobilindustrie ihrer Zulieferbranche. Hier werden auch Qualitatssicherungssysteme vorgegeben, die ilber die DIN ISO 9000 ff in der Standardanwendung deutlich hinausgehen (sog. QS 9000).

Page 118: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 109

In anderen Branchen ist dieser "Dominoeffekt in der Produktionskette" bereits heute im Umweltmanagement Realitat. Das Prinzip der Freiwilligkeit in der EG­Verordnung wird dann einem "freiwilligen Zwang" weichen. Validiertes Umwelt­management wird eine erhebliche Eigendynamik im Zuge des Marktgeschehens entfalten.

Eine ahnliche Entwicklung hat sich bereits im Bereich des Qualitatsmanage­ments nach DIN ISO 9000 ff vollzogen und kann fur den Umweltbereich in paral­leler Entwicklung vorausgesagt werden. Dieser Vergleich erscheint nachvollzieh­bar, weil die Wettbewerbsimplikationen beider Systeme ahnlich einzustufen sind. Interessant erscheint an dieser Stelle auch ein weiterer Aspekt. Das Qualitatsmana­gement nach DIN ISO 9000 ffhat eine erhebliche Verbreitung in der gewerblichen Wirtschaft gefunden und ist heute in verschiedenen Branchen obligatorische Wett­bewerbsvoraussetzung, obwohl erhebliche Kritik an der Leistungsfahigkeit und den tatsachlichen Qualitatseffekten der DIN ISO in der Praxis bestehen31 • Diese partiellen Defizite haben der Verbreitung keinen Abbruch getan. Auch diese Be­obachtung ist wohl auf das Umweltmanagement libertragbar. Unabhangig von den verschiedenen Problemen, Defiziten und ungeklarten methodischen Fragen im Zusammenhang mit der EG-Oko-Audit-Anwendung wird das System in der Praxis eingefuhrt werden. Die Motivation zur Teilnahme ist also zunachst unabhangig von den umweltpolitischen Effekten oder tatsachlichen Umweltschutzerfolgen im Unternehmen. Die Teilnahme erfolgt im wesentlichen aus Wettbewerbs- und Rechtssicherheitsgrlinden bzw. aus Marketingaspekten heraus. Damit wird deut­lich, daB bei der Diskussion zu pro und kontra Oko-Audit in der Landwirtschaft der Hinweis auf methodische und inhaltliche Systemschwachen keinen unmittelba­ren EinfluB auf die klinftige Bedeutung des Oko-Audits fur die Betriebe der Landwirtschaft am Absatzmarkt haben wird. Insofern ist es auch kein Wider­spruch, wenn im Rahmen dieses Beitrages die Probleme des Oko-Audits aus fach­lich-wissenschaftlicher Sicht angesprochen werden. Damit kann die klinftige Pra­xisbedeutungjedoch nicht erklart werden bzw. ist davon kaum betroffen.

In einer systematischen Betrachtung der Produktionskette stellt der landwirt­schaftliche Betrieb keineswegs die letzte Betrachtungsebene im Verbund der Nah­rungsmittelerzeugung dar. Auch der Gartner und Landwirt greift zur Produktion auf eine Reihe von Betriebsstoffen und Vorleistungen zurlick. Diese Produktions­faktoren, im wesentlichen Topfe, Torf und Folien fur den Gartenbau und Dlin­gemittel, Pflanzenschutzmittel und Saatgut bzw. Kalber, Ferkel fur den landwirt­schaftlichen Betrieb, bestimmen in verschiedenen Betriebsformen bzw. Produkti­onssystemen in erheblichem Umfang die okologische Performance der Produkte ab Hof zu den weiterverarbeitenden Systemstufen, da z. B. die wichtigen Aspekte der Energiebilanz oder die Abfallmengen (liber Verpackungsmittel fur Dlinger und Pflanzenschutz) yom landwirtschaftlichen Betrieb nur mittelbar gesteuert werden konnen. Es ware daher plausibel, wenn ein Schweinemastbetrieb bei einer Beteili­gung am EG-Oko-Audit als Zulieferer eines Schlachtbetriebes von seinen Zuliefe-

311vgl. RIEKER, 1. (1995): ISO 9000 - Norm ohne nutzen ? In: Managermagazin, Heft 12/1995, Seite 201-207.

Page 119: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

110 Kapitei I: Umwelt- und Agrarpolitik

rem, also Ferkelproduzenten oder den Futtermittelherstellem, Nachweise ihres betrieblichen Umweltmanagements nachfragt. Bei Dtinger, Pflanzenschutz oder Landtechnik erscheint dieser Zusarnmenhang eher unwahrscheinlich bzw. allen­falls langfristig in der Praxis erwartbar. Die EinfluBmoglichkeiten auf die Zuliefe­rer dtirfte vom konzentrierten Markt der Verarbeiter bzw. des Handels auf den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb wohl sehr viel ausgepragter sein, als die vom einzelnen kleinen oder mittelstandischen landwirtschaftlichen Untemehmen auf die teilweise ebenfalls konzentrierte Branche der Produktionsmittelerzeugung. Mit anderen Worten: Der einzelne Betrieb wird nur in Ausnahmefallen einen "freiwilligen Zwang" bei seinen Zulieferem erzeugen konnen. Andererseits steht aber zu erwarten, daB die Zulieferer starker als bislang die okologischen Eigen­schaften ihrer Produkte (z. B. virus-getestete Obstsorten oder Low-Input-Getreide­orten) beachten werden, urn in einem Markt von Kunden mit aktivem Umwelt­management zu konkurrieren. Eine okologisch sensible Nachfrageseite konnte hier also zu einer gewissen Dynamik im Vorleistungssektor fUhren.

7.4.2 Innerbetriebliche Chancen durch validiertes Umweltmanagement

Die Argumentation des vorangegangenen Abschnittes ist zunachst einseitig auf die erwartbaren Zwange auf Teile der Landwirtschaft im Bereich Oko-Audit be­schrankt. Ein aktives Umweltmanagement in landwirtschaftlichen Betrieben er­scheint aber nicht nur vor dem Hintergrund der erwartbaren Marktzwange sinn­vol!. Umweltmanagement kann Betrieben dartiber hinaus auch verschiedene ein­zelbetriebliche Chancen und Moglichkeiten eroffnen.

Dabei erscheinen verschiedene Aspekte interessant:

• Innerbetriebliche Effizienzgewinne • Integration von Umwelt- und Qualitatsmanagement • Aktive Offentlichkeitsarbeit

7.4.2.1 Umweltmanagement und innerbetriebliche Effizienzgewinne Beim Autbau und der EinfUhrung eines Umweltmanagements konnen im Betrieb eine Reihe von Einsparpotentialen fur die Betriebsleitung deutlich werden, auf die das Augenmerk im Tagesgeschaft nur in seltenen Fallen gerichtet ist. Die Einspar­potentiale weisen i.d.R. mittel- bis langfristigen Charakter auf. Diese Feststellung ist wichtig, weil kurzfristig durch die Implementierung von Umweltmanagement zunachst in der Regel Aufwand und Kosten tiberwiegen werden und die Hoffnung auf schnelle und kostendeckende Einsparungen trtigerisch sein konnen. Besonders beim Energieeinsatz und bei den Fragen von Abfall und Entsorgungskosten liegen aber in vielen Betrieben Einsparpotentiale, die durch Umweltmanagement aufge­deckt werden. In anderen Branchensind verschiedene Beispiele fur Kosteneinspa­rungen durch umweltbezogenes Management bekannt. Durch die Analyse von

Page 120: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit III

Stoff- und Energiestromen im Betrieb werden z. B. oftmals auch deren Kosten bzw. kostengUnstigere Alternativen deutlich. Auch bei der ProzeBgestaltung inner­halb und zwischen den einzelnen Produktionszweigen werden bei der Frage nach den umweltrelevanten Faktoren Ld.R. auch Verbesserungspotentiale im betriebs­wirtschaftlichen Sinne offengelegt (z. B. Arbeitszeiteinsparungen). Allgemein kann davon ausgegangen werden, daB in dem MaBe wie der Betriebsleiter sich mit der Organisation, dem Ablauf und der Technik seines Betriebes im Rahmen des Oko-Audit-Systems neu befassen muB, sich auch Effekte bzw. Verbesserungspo­tentiale neb en den zunachst im Vordergrund stehenden Umweltschutzgesichts­punkten ergeben werden. Oko-Audits zwingen zu einer vertieften Betriebsanalyse und konnen Uber das Umweltmanagement hinaus als Schwachstellenanalyse ver­standen werden. In der umgekehrten Sicht erscheint fur ein effizientes Umweltma­nagement in jedem Faile ein leistungsfahiges Betriebsmanagement notwendig. Und welcher landwirtschaftliche Betrieb konnte behaupten beim Betriebsmanagement bereits aile Moglichkeiten auszuschopfen? Dieser Zusammenhang ist in gleicher Weise auch fur die Beurteilung eines betrieblichen Qualitatsmanagement in der Landwirtschaft bekannt. Auch hier kann die betriebliche Analyse etwa zur Errei­chung der DIN ISO 9000 ff Zertifizierung Einsparpotentiale aufdecken. Zwischen Qualitats- und Umweltmanagement bestehen darUber hinaus aber noch weitere Verbindungen.

7.4.2.2 Umwelt- und Qualitatsmanagement: Integrierte Systeme Umweltschutz kann in den Betrieben der Gartenbau- und Landwirtschaft als Be­standteil des Qualitatsmanagements verstanden werden, denn nur ein umweltscho­nend erzeugtes Produkt wird den Kunden qualitativ zufrieden stellen. Betrachtet man die einzelnen Bausteine eines Umweltmanagements nach Oko-Audit-Verord­nung, so fallt die Parallele zum Qualitatsmanagement nach DIN ISO 9000 ff auf2. 1m Gegensatz zum Umweltmanagement wird das zertifizierte Qualitatsmanage­ment in Gartenbau und Landwirtschaft bereits intensiv diskutiert und praktiziert33 .

Die augenscheinlichen Parallelen zeigen sich zunachst in Struktur und Aufbau des Systems: Ziele formulieren, Situation des Betriebes analysieren, MaBnahmen pla­nen und deren konkrete Umsetzung im eigentlichen Managementsystem beschrei­ben und festlegen. In beiden Fallen konnen die betrieblichen Anstrengungen dann durch unabhangige Dritte Uberpruft und zertifiziert bzw. validiert werden. 1m Kern werden also die relevanten Punkte des Produktionsprozesses unter den Blickwin­keln Qualitat und Umweltschutz analysiert und ihre zielgerichtete Behandlung

32)vgl. FN 21

33)vgl etwa LEHNERT, S. (1995): ISO 9000 ff: Agrarspezifische Ldsungen anstreben. In: VDL­Journal, 4/95, S. 8-9, HELBIG, R. (1995): Qualitat sichern iiber die ganze Kette. In: DLG­Mitteilungen 5/95, S. 56 - 58; NRK (Neutrale Rheinland Klassifizierung) (1995): QMS DIN ISO 9000: Leitfaden zum Qualitatsmanagement in der Fleischbranche. Yom Erzeuger bis zum Endver­braucher, 1073 Seiten, Burbach.

Page 121: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

112 Kapitell: Umwelt- und Agrarpolitik

festgelegt bzw. schriftlich fixiert. Der Arbeitsaufwand in den Betrieben zur Um­setzung der Anforderungen aus der Qualitats DIN ISO 9000 ffund EG-Oko-Audit­Verordnung ist ahnlich.

Zu den strukturellen Parallelen kommt eine weitere Verbindung hinzu: Starker als in anderen Branchen ist die Qualitat gartenbaulicher und landwirtschaftlicher Produktion von der Qualitat der Umwelt am Produktionsstandort abhangig. Landwirtschaft ist umweltabhangige Produktion und Umweltqualitat ein wichtiger Produktionsfaktor (vgl. Abschnitt 3.1). Deshalb miissen bei einem umfassenden und systematischen Qualitatsmanagement die Umwelteffekte als Qualitatsdetermi­nante ohnehin enthalten sein. In Gartenbau und Landwirtschaft konnte hierdurch ein weiterer Verbreitungspfad des Oko-Audits entstehen. Die Parallelen und Sy­nergien zwischen Qualitats- und Umweltmanagement lassen erwarten, daB Betrie­be mit Qualitatsmanagement nach ISO 9000 den kurzen Weg zur zusatzlichen Oko-Audit-Zertifizierung erkennen und nutzen werden. Mittelfristig ist zu erwar­ten, daB aus Untemehmenssicht sog. "integrierte Systeme" angestrebt werden. In der gewerblichen Wirtschaft zeigt die Entwicklung eindeutig in diese Richtung (Umwelt-, Qualitats- und Arbeitssicherheitsmanagement in einem System). Dabei werden die formalen Elemente (Handbiicher, Priifberichte, Audits etc.) in einem gemeinsamen System getuhrt, urn Synergien und Schnittmengen effizient zu nut­zen.

Neben den strukturellen Synergien kann aber nicht iibersehen werden, das ver­schiedene Anforderungen an die landwirtschaftliche Produktionsweise die aus dem Qualitatsaspekt heraus entstehen, in erheblichem Konflikt mit Umweltzielen ste­hen. Z. B. die Produktion von Getreide mit bestimmten Backqualitaten erhoht nach derzeitiger Produktionstechnik in der Regel auch das stoffliche Eintragsrisiko von Stickstoff ins Grundwasser. Solche Konfliktbereiche miissen dann in einem inte­grierten Dokumentationssystem fur Umwelt- und Qualitatsmanagement offengelegt werden.

7.4.2.3 Imagepflege und aktive Offentlichkeitsarbeit Fiir die Untemehmen im Agrarbereich ergibt die doppelte Verflechtung (positive als auch negative Umweltwirkungen der Produktion) eine oft unbefriedigende Situation im betrieblichen Tagesgeschaft. In der Regel miissen sie sich unabhangig von ihrem tatsachlichen Umweltengagement immer wieder gegen die verbreiteten Vorurteile und Verallgemeinerungen wehren (Annahme negativer Umweltwirkun­gen durch Pflanzenschutz oder Diingung) und ihre speziellen einzelbetrieblichen Anstrengungen im Umweltschutz meist reaktiv herausstellen. Oko-Audits bedeuten in diesem Zusammenhang die Chance, die positiven Umwelteffekte des Betriebes aktiv und offensiv herauszustellen und von unabhangiger Stelle zertifizieren zu lassen. Der Betrieb kann im Rahmen seiner Umwelterklarung dabei besonders auch die einzelnen okologischen Leistungen seiner Produktion fur den Naturhaus­halt herausstellen.

Page 122: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 113

Auch die kommunikative Komponente des beschriebenen Umweltmanagements ist nicht zu unterschatzen. 1m Rahmen der Umwelterklarung muB der Betrieb die Vorgehensweise und die Ergebnisse seines Umweltschutzes offenlegen. Die Be­triebe treten so mit ihrem raumlichen Lebensumfeld in Kontakt. Die Gemeinde, die Hofkunden und die direkten Nachbam konnen Adressat der Umwelterklarung sein. Gerade Betriebe in stadtnaher Lage konnen den Umweltbericht nutzen, urn auch von der einzelbetrieblichen Ebene den Verbraucher zu informieren und zum Teil Aufklarungsarbeit zu leisten. Die bekannten Akzeptanzprobleme modemer Land­wirtschaft konnten auch mit diesem Instrument angegangen werden und der ein­zelne Betrieb gewinnt an Glaubwiirdigkeit. Nun wird der praktizierende Be­triebsleiter in der Regel eher skeptisch gegeniiber einer okologischen Offenlegung sein. Die bisherigen Trends in den Umwelterklarungen der teilnehmenden Wirt­schaftsuntemehmen zeigen aber, daB man die Umwelterklarung durchaus image­wirksam gestalten und kommunizieren kann. Aus umweltpolitischem Interesse her­aus ist eine Umwelterklarung als Werbebroschiire natiirlich sehr kritisch zu beur­teilen.

Der Marketingeffekt wird allerdings eingeschrankt durch das Verbot der Pro­duktwerbung mit dem Oko-Audit-Zeichen. Artikel 10 Pkt. (3) der EG-Oko-Audit­Verordnung legt fest, daB die Teilnahmeerklarung weder in der Produktwerbung verwendet noch auf den Erzeugnissen selbst oder auf ihrer Verpackung angegeben werden darf. Dennoch erzeugt eine Audit-Teilnahme ein positives Umwelt-lmage und wird mittelfristig als Wettbewerbsvorteil gegeniiber den nichtteilnehmenden Betrieben wirken. Die VerOffentlichung der Umwelterklarung und die damit signa­lisierte Transparenz der betrieblichen Umwelteffekte kann aktiv in der Offentlich­keitsarbeit von Betrieben genutzt werden. (Beispielsweise im Bereich der Direkt­vermarktung ab Betrieb/Hof). Der Betrieb kann so Glaubwiirdigkeit und Image­gewinn erzielen.

7.4.3 Fazit aus einzelbetrieblicher Perspektive

Die Ausgangssituation modemer Betriebe der Gartenbau- und Landwirtschaft fur eine Teilnahme am Oko-Audit sind vergleichsweise gut. Eine Reihe inhaltlicher Bestandteile des Oko-Audits bedeuten keine grundsatzlichen Neuerungen fur die Betriebe, sondem lediglich die aktive Darstellung und Offenlegung ihrer geleiste­ten Umweltschutzanstrengungen. Der zusatzliche Aufwand fur die Betriebsleitung sollte nicht iiberbewertet werden. Mit den meisten Sachverhalten miissen sich die Betriebe bereits heute aktiv befassen. 1m Rahmen eines Umweltmanagement­Systems ist dariiber hinaus die schriftliche Darstellung (Dokumentationspflicht) notwendig, wobei hinter den dokumentierten Bestandteilen des Umweltmanage­ments (Umwelthandbuch, Priif- und Auditberichte) durchaus Erklarungen und Programme von wenigen Seiten Umfang vorstellbar sind. Dokumentationspflich­ten zur Produktion gewinnen ohnehin zunehmend an Bedeutung und konnten im

Page 123: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

114 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Rahmen eines betrieblichen Umweltmanagements effizient gebiindelt werden. Ins­besondere in Betrieben mit EDV gestUtzter Betriebsfuhrung (Quartierdateien, Diingungsbilanzen, Ackerschlagkarten, computergesteuerte Fiitterung etc.) sind weitreichende Koppelungsmtiglichkeiten gegeben. Die Betriebe sollten sich von dem formalisierten Begriffsapparat der Audit -Verordnung oder der DIN EN I SO 14001 jedenfalls nicht zu sehr beeindrucken lassen. Neu ist die externe Kontrolle des Betriebes (Audits) und die Vertiffentlichung von umweltrelevanten Informa­tionen (Umwelterklarung). Ein Punkt der fur die Mehrzahl der Gartner und Land­wirte wohl zumindest gewtihnungsbediirftig ware.

Gerade die Argumentation, daB die landwirtschaftlichen Betriebe ja ohnehin und bereits heute erhebliche Anforderungen und Leistungen im Umweltschutz erfullen, wird haufig gegen ein systematisches Umweltmanagement vorgebracht. Die Betriebsleiter fragen sich, ob noch mehr Papier und DokumentationsaufWand hier ntitig ist. Man ist ohnehin in verschiedenen Produktionssystemen auf dem Weg zum glasernen Betrieb, warum also jetzt auch noch Oko-Audit? Dieses Ar­gument ist durchaus berechtigt. Ein neues Instrument muB in erster Linie Vorteile und Fortschritte gegeniiber der bestehenden Praxis aufWeisen. Aus dem einzelbe­trieblichen Blickwinkel des landwirtschaftlichen Betriebes kann u.U. folgender Vergleich zur Veranschaulichung dienen. Umweltmanagement nach EG-Verord­nung oder DIN EN ISO 14001 stellt im Kern eine vergleichbare Ordnung der Ziele, MaBnahmen und Effekte des Umweltschutzes im Unternehmen dar. Mit die­sen geordneten Systemen kann nun nicht a priori ein besserer Umweltschutz un­terstellt werden bzw. umgekehrt ein schlechterer Umweltschutz ohne Oko-Audit. Natiirlich kann ein Betrieb auch ohne systematische Ordnung einen hervorragen­den Umweltschutz leisten. Das einzige was man mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit dennoch aussagen kann ist, daB im Durchschnitt die Betriebe mit geordne­ten und expliziten Umweltmanagement vergleichbare Umweltschutzleistungen effizienter erreichen werden bzw., daB bei einem vergleichbaren Ressourcenein­satz der Betriebe fur Umweltschutz bei einem geordneten und standardisiertem Vorgehen im Ergebnis mehr erreicht wird. Die Vieif<iltigkeit und Komplexitat von Umweltgesetzen oder die verschiedenen produktionstechnischen Mtiglichkeiten zur Verbesserung der Umweltsituation legen die Vermutung nahe, daB ein geord­neter Ansatz fast schon unabdingbar notwendig ist. Ein Umweltmanagement "so nebenbei" erscheint heute kaum mehr glaubhaft. Es bleibt an dieser Stelle als Fazit festzuhalten, daB Umweltmanagement ist in erster Linie ein Ordnungsprinzip fur die Mal3nahmen des Umweltschutzes im Unternehmen und keine eigentlich neue Anforderung!

Eine kurzfristige und dynamische Verbreitung von validiertem Umweltmanage­ment in der Landwirtschaft anzunehmen erscheint aber trotz dieser Basisfeststel­lung kaum realistisch. Kurzfristig wird eine freiwillige Anwendung von Oko­Audits in der Gartenbau- und Landwirtschaft wohl auf einzelne Pilotvorhaben (etwa wie in verschiedenen Baumschulen) und ambitionierte Einzelbetriebe be­schrankt bleiben. Die Masse der Betriebe wird kaum AniaB sehen sich im doppel­ten Sinne freiwillig, also ohne explizite Aufnahme in den Anwendungsbereich der

Page 124: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 115

EG-Verordnung und ohne Vorgaben bzw. Naehfrage seitens der Abnehmerseite einem Audit zu unterziehen. Umweltsehutz betrifft eben ein offentliches Gut. Und trotz der aufgezeigten besonderen Umweltabhangigkeit der Landwirtsehaft steht die explizite Betraehung des offentliehen Gutes Umwelt keineswegs im Zentrum der Untemehmensbelange im landwirtsehaftliehen Betrieb. Darin unterseheidet sieh die Landwirtsehaft nieht von der gewerblichen Wirtschaft. Die teilweise schwierige wirtsehaftliehe Situation und die sieh verscharfenden Rahmenbedin­gungen der EU-Agrarpolitik34 binden die untemehmerisehe Aufrnerksamkeit der Landwirte notwendigerweise auf kurzfristig existentiellere Aspekte. Es ist daher wohl eine Illusion anzunehmen, daB die Betriebe der deutsehen Landwirtsehaft tatsaehlich in nennenswertem Umfang freiwillig am System teilnehmen werden. Selbst wenn man unterstellt, daB ein validiertes Umweltmanagement einen signifi­kanten umweltpolitisehen Ertrag zeitigt und die aufgezeigten innerbetriebliehen Chaneen realisierbar waren, werden diese Faktoren alleine als ausreichenden An­reiz fur eine einzelbetriebliche Teilnahme nur in Ausnahmefallen ausreiehen. Aueh die bereits angesproehene Untemehmenskultur in der heutigen Landwirtsehaft und die Akzeptanz von Umweltanforderungen35 lassen kaum erwarten, daB die land­wirtsehaftliehen Betriebe ohne weitere begleitende politisehe MaBnahmen teilneh­men. Agrar-Oko-Audit wird also nur im Verbund mit den Elementen der Agrar­politik breite Anwendung finden. Ohne solehe Verzahnungen werden lediglieh die dargestellten Markt-verfleehtungen fur eine partie lie Anwendung im Agrarsektor sorgen. Aueh aus diesen Oberlegungen heraus soli im letzten Absehnitt die Frage des Agrar-Oko-Audits aus agrar-umweltpolitiseher Sieht betraehtet werden

7.5 Agrar-Oko-Audit aus agrar-umweltpolitischer Perspektive

Die nachfolgenden Argumentationen, Einschatzungen und Vorsehlage sollen als Anregung an die politischen Entscheidungstrager und agrarumweltpolitisehen Ak­teure (Berufsverbande, Kammem, Saehverstandige, Ministerien) geriehtet sein. Unterstellt wird dabei, daB die Notwendigkeit eines wirksamen Umweltsehutzes bei allen betroffenen Akteuren akzeptiert wird und im konkreten Handeln voran­gebraeht werden solI.

34) Vgl. Beitrag BAUER in diesem Band 35)vgl. JANSON, W. (1994): Zur Untemehmenskultur in der Landwirtschaft, GieBen - Kie\;

PONGRATZ, H. (1992): Die Bauem und der okologische Diskurs: Befunde und Thesen zum Um­weltbewuBtsein in der bundesdeutschen Landwirtschaft, MOnchen - Wien; RAU, Th. (1989): Um­weltprobleme und umweltorientierte Landbewirtschaftung im Meinungsbild der Landwirte Nordrhein-Westfalens. Dissertation an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universitllt Bonn.

Page 125: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

116 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

7.5.1 Agrar-umweltpolitische Potentiale eines validierten Umweltmanagement

Oko-Audits in der Landwirtschaft bieten potentiell einige interessante Losungs­ansatze zu agrar-umweltpolitischen Problemen.

7.5.1.1 Oynamik und Kontinuitat Eine umweltpolitisch wichtige Chance ist die Dynamik und Kontinuitat der Um­weltbetriebspriifung. Bislang werden Umweltgesichtspunkte z. B. bei groBeren Stallbauten in der Landwirtschaft lediglich als einmalige Uberpriifung im Rahmen der behordlichen Genehmigung bzw. Planfeststellung betrachtet.36 Dabei konnen Anderungen, die sich im Laufe des Betriebes regelmaBig ergeben, nicht erfaBt werden. AuBerdem besteht die Problematik von Prognoseunsicherheit bei der Beurteilung von Umwelteffekten, indem Emissionen und sonstige Wirkpfade einer geplanten Produktionsanlage nur vorausschauend abgeschatzt, nicht aber tat­sachlich gemessen und iiberpriift werden konnen. Hier ermoglicht das betriebliche Umweltmanagement eine substantielle Verbesserung, indem Umweltaudits regel­maBig stattfinden. Mittelfristige Entwicklungen der Umweltsituation am Standort konnten hierbei als Riickkopplung ins Umweltmanagement einflieBen. Der Aspekt des "standigen Lemens" greift also nicht nur im Bereich der BewuBtseinsbildung und der fachlichen Qualifikation von Mitarbeitem und Betriebsleitung, sondem auch im Bezug auf das vorhandene Wissen iiber Prozesse in narurlichen System en und als Beitrag zur Fundierung naturwissenschaftlicher Wirkungsvorausschatzung.

7.5.1.2 Einzelbetrieblich differenzierte Beurteilungen der Produktion als aussagefahige Ebene fUr Umweltimplikationen Agrar-Oko-Audits setzen auf einzelbetrieblicher Ebene an und damit auf einem problemadaquaten Beurteilungsrahmen fur die Umwelteffekte der Landwirtschaft. Das Thema Landwirtschaft und Umwelt wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Fiir den Gartenbau trifft diese Feststellung nur bedingt zu. Hintergrund der Kon­troverse im klassischen Landwirtschaftsbereich ist der Umstand, daB Landwirt­schaft sowohl positive als auch negative Umwelteinfliisse hervorrufen und auBer­dem selbst von negativen Umwelteinfliissen anderer Nutzungen betroffen ist. Eine einfache und eindeutige Einordnung landwirtschaftlicher Produktion bzw. ihrer Umwelteffekte in "gut oder bose" fallt also schwer. Dies wird in der interessenge­leiteten Auseinandersetzung kaum beriicksichtigt. Umweltleistungen oder Umwelt­belastungen werden von verschiedener Seite bewuBt einseitig betont. Eine tatsach­lich aussagefahige bzw. beurteilungsfahige Ebene zur Frage der Umwelteffekte der

36) vgl ABRESCH, 1.- P. (1993): UmweltvertraglichkeitsprOfung und Landwirtschaft, in: Werter­mittlungsforum. Vierteljahreszeitschrift des Sachverstandigenkuratoriums fOr Landwirtschaft (SVK), Jg. 12, Heft 2/94, S. 45-49.

Page 126: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 117

Landwirtschaft ist die betriebliche Ebene. Hier konnen die spezifischen Auspra­gungen des Okosystems (Umweltqualitaten und -empfindlichkeiten) am Betriebs­standort mit den speziellen Anbautechniken und Umweltnutzungen des einzelnen Betriebes in Zusammenschau beurteilt werden und differenziertere Aussagen zu den Umwelteffekten getroffen werden. Und genau hierzu leistet ein Oko-Audit einen Beitrag, indem die konkreten Nutzungen und Umweltschutzanstrengungen beurteilt und validiert werden. Durch eine flachige Anwendung des Agrar-Oko­Audits konnte dadurch auch die Gesamtdiskussion im Konfliktfeld Umwelt und Landwirtschaft versachlicht werden. Es gibt eben nicht "die Landwirtschaft", son­dem nur einzelne Betriebe die sehr spezifisch produzieren (spezifisch mit Blick auf Standortunterschiede und Produktionssysteme), was zu unterschiedlichen Um­welteffekten fUhrt.

7.5.1.3 Qualifizierung von umweltbezogenen Extensivierungsprogrammen bzw. einzelbetriebliche Forderung Agrar-Oko-Audits bieten eine Plattform zur Differenzierung der bestehenden um­weltbezogenen Extensivierungsprogramme und der einzelbetriebliche Forderung. Extensivierungsprogramme konnen in ihrer Umweltwirksamkeit bislang kaum tiberzeugen. Die Hauptprobleme liegen bei der mangelnden Spezifitat, den Mit­nahrneeffekten, der teilweise entgegengesetzten Umweltwirkungen von MaBnah­men und vor all em der fehlenden Erfolgskontrolle. LA T ACZ-LOHMANN37 hat die Zusammenhiinge treffend dargelegt.

"Es ist weder okologisch noch okonomisch sinnvoll, einheitliche Extensivie­rungsauflagen gleichmiiBig tiber die Flachen zu verteilen. Die Umweltprobleme sind von Region zu Region, von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Es ware der Umwelt und den landwirtschaftlichen Betrieben sicherlich mehr gedient, die Ex­tensivierungsprogramme mehr auf die jeweiligen regionalen bzw. betrieblichen Umweltprobleme zuzuschneiden."

1m Rahmen eines betrieblichen Umweltmanagements nach Oko-Audit-Verord­nung konnten diese Probleme entscharft werden. Der Zuschnitt von Extensivie­rungsauflagen konnte einzelbetrieblich individuell erfolgen und die Frage der Er­folgskontrolle wiirde in die Umweltaudits integriert und von unabhangigen ver­eidigten Sachverstandigen geleistet. Dazu ware aber eine Verzahnung von agrar­umweltpolitischen Forderma13nahmen und Oko-Audit auf politischer ebene not­wendig.

7.5.1.4 Baustein zur Honorierung okologischer Leistungen Mehr langfiistig ausgerichtet ist die Verbindung mit einer Honorierung okologi­scher Leistungen. Unter Honorierung wird der monetare Anreiz fUr okologische Leistungen verstanden. Ein wichtiges methodisches Problem, namlich die Frage:

37)vgl. LATACZ-LOHMANN, U. (1995): Extensivierung: Weg von der GieBkanne! In: DLG - Mittei­lungen 12/95, Seite 60 - 65.

Page 127: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

118 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

"Wie erfasse ich die Umweltleistung "landwirtschaftlicher Betriebe?" (IndikationsprobJem) muB auch im Oko-Audit beantwortet werden. Es ist also vorstellbar, die betriebliche Umweltleistung im Rahmen eines Oko-Audits darzu­legen und zu kontrollieren (ErfoJgskontrolle), urn Leistungshonorare sachgerecht zu quantifizieren. AuJ3erdem wtirde dieser Weg die Agrarverwaltungen kaum zu­satzlich belasten und somit das Problem der Administrierbarkeit ebenfalls ent­scharfen.

7.5.2 Methodische Probleme und umweltpolitische Erfolgsaussichten

Die erheblichen Interpretationsspielraume der Oko-Audit-Verordnung werden yom teilnehmenden Betrieb unter der Zielsetzung der Kosten- und Aufwandminimie­rung entsprechend den betrieblichen Gegebenheiten genutzt werden. In erster Linie wird sich dabei das Engagement auf die Erlangung von Rechtssicherheit im Um­weltbereich richten, urn keinem gesetzlichen und somit "harten" Umweltstandard widerzuhandeln.

1m Bereich der geforderten kontinuierlichen Verbesserungen im Umweltschutz bieten sich ausreichend Moglichkeiten, eine Zertifizierung zum "Null-Tarif' zu erreichen. Erster Ansatzpunkt sind die eigenstandig und freiwillig festzulegenden Umweltziele. Eine geschickte Auswahl von Zielen, die sich im Zuge des techni­schen Fortschritts oder ohnehin geplanter Investitionen realisieren lassen oder werden, wird es eine langere Zeit moglich machen, eine kontinuierliche Ver­besserung des betrieblichen Umweltschutzes als Koppelprodukt nachzuweisen. 1m Grundsatz ist gegen eine Synergie zwischen betrieblicher Entwicklung und Ver­besserungen im Umweltbereich nichts einzuwenden. Umweltpolitisch kann aber das Oko-Audit eine Konzentration auf die entscheidenden Umweltziele an einem Standort kaum erwirken. Als "entscheidend" werden die okologischen Brennpunk­te bzw. Belastungsintensitaten, d.h. die "knappen Umweltqualitaten", aufgefaBt Eine befriedigende Oberreinstimmung von knapp en Umweltqualitaten am Standort und der betriebsokonomischen Vorzliglichkeit bestimmter Umweltziele und MaB­nahmen wird eher die Ausnahme darstellen. Es besteht also die Moglichkeit bzw. Gefahr, daB die Betriebe formale Umweltschutzverbesserungen im wesentlichen durch "Interpretationsanstrengungen" im Rahmen des Umweltmanagementsystems erreichen. Man kann dieses Problemfeld "Mitnahmeeffekt" im Umweltmanage­ment nennen.

Ein weiterer Aspekt mit extremer Dehnbarkeit ist in den verordnungsinharenten Einschrankungen gegeben. So sollen beispielsweise okologische Verbesserungen nur in wirtschaftlich vertretbarem Umfang realisiert werden. Eine handhabbare Grenzziehung in diesem Feld fUr die Praxis der Auditierung erscheint problema­tisch, d.h. konsequent am Konflikt argumentiert stellt sich die Frage, ab welcher Untergrenze des tatsachlichen Engagements zuklinftig ein Umweltmanagement­system nicht mehr positiv validiert werden soli, also durch den extemen Umwelt-

Page 128: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 119

gutachter abzulehnen ist. Es ist zu erwarten, daB in der praktischen Anwendung letztlich die gesetzlichen Vorgaben die einzig harte Grenze fUr eine negative Va­lidierung darstellen. Diese Einschatzung laBt den Anspruch der kontinuierlichen Verbesserung in einem kritischen Licht erscheinen.

1m dritten Aspekt ist auf den Terminus "gute fachliche Praxis" hinzuweisen. Der Umwelt-Auditor soli auch die Einhaltung guter fachlicher Praxis priifen, ein Begriff mit erheblichem Interpretationsspielraum.

Aus einzelbetrieblicher Strategie ist also durchaus zu erwarten, daB die Unter­nehmen mit "scheibchenweiser" und vorausschauend dosierter Verbesserung der Umweltemissionen das Oko-Audit ohne spezifische MaBnahmen und Initiativen eriangen. ZusammengefaBt kann bei Minimallosungen durch die Untemehmen als umweltpolitischer Ertrag lediglich eine Sicherstellung der ak"tuell bereits geltenden Gesetze und Vorschriften erwartet werden.

7.5.3 Agrar-umweltpolitische Optionen zur Forderung von Agrar-Oko-Audits

Agrar-Oko-Audits brauchen unterstiitzende MaBnahmen und Beteiligungsanreize fUr die Betriebe. Die aufgezeigten Verzahnungsmoglichkeiten von Agrar-Umwelt­politik und Oko-Audit erscheinen fUr den Einzelbetrieb als Anreiz und Motivation zur Durchfiihrung eines Audits kaum ausreichend. Will man kiinftig auch im Agrarbereich starker auf Freiwilligkeit denn auf Ordnungsrecht setzen, so sind untersmtzende MaBnahmen notwendig. Folgende Vorschlage erscheinen in diesem Zusammenhang denkbar und diskussionswUrdig.

7.5.3.1 Agrar-Oko-Audits als Forderkriterium bei der einzelbetrieblichen Forderung Bereits bislang sollen nach dem InvestitionsfOrderprogramm (IFP) bei gefOrderten MaBnahmen die dauerhafte Entwicklung der namrlichen Ressourcen sowie der Tierschutz beriicksichtigt werden. 1m Sinne einer konsequenten Zielverfolgung ware es denkbar, mit der Bewilligung einer Investitionsbeihilfe, z. B. zum Bau einer Packhalle, eines Kiihlhauses, einer Kiihleinrichtung oder zum Bau eines neuen Stalles, ein Umweltmanagementsystem nach Oko-Audit-Verordnung zu ver­binden. In einem weitreichenderen Ansatz konnten in Verbindung mit den finan­ziellen Beihilfen auch konkrete Umweltziele direkt fUr das Umweltprogramm im Rahmen eines Agrar-Oko-Audits im gef6rderten Betrieb vorgegeben werden. Ohne eine soiche Zielvorgabe konnten die dargestellten einzelbetrieblichen Stra­tegien im Zusammenhang mit den eigenstandig formulierten freiwilligen Umwelt­zielen im Oko-Audit den Zweck einer Verzahnung von Investitionsbeihilfe und Oko-Audit leicht konterkarrieren. Soiche Zielvorgaben konnten sicherstellen, daB Umweltzielsetzungen und Umweltprogramm des Pflicht-Managementsystems in

Page 129: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

120 Kapitell: Umwelt- und Agrarpolitik

Zusammenhang mit den Umweltwirkungen der gef6rderten InvestitionsmaBnahme stehen. 1m Prinzip sind iihnliche Ankntipfungen auch bei anderen lnvestitionsbei­hilfen z. B. zur Energieeinsparung denkbar.

7.5.3.2 Aufnahme des Oko-Audits in den Forderkatalog der einzelbetrieblichen Forderung DarUber hinaus erscheint das betriebliche Umweltmanagement selbst als Gegen­stand der einzelbetrieblichen Investitionsf6rderung geeignet. Die Verbesserung der Produktionsbedingungen der Landwirtschaft im Sinne der Sicherung einer qualita­tiv hochwertigen und umweltvertraglichen Produktion entspricht der Zielsetzung von Umweltmanagementsystemen und Investitionsf6rderung gleichermaBen. Kon­kret denkbar ist die Forderungsfahigkeit der Kosten fur die Erstellung von Um­welt-, bzw. im umfassenden Ansatz, von Qualitatsplanen im landwirtschaftlichen Betrieb. Mit diesen finanziellen Anreizsystemen konnten Berater und Spezial­dienstieistungen im V orfeld einer Zertifizierung, besonders einer Erstzertifizie­rung, fur eine groBere Zahl von Betrieben ermoglicht werden. Ahnliche Forder­programme sind auch im gewerblichen Bereich in Anwendung38•

7.5.3.3 Spezielle Branchenleitfiden und Beratungshilfen Das Thema Oko-Audit in der Landwirtschaft konnte in spezielle Beratungsangebo­te von Kammem, Verbiinden und Agrarverwaltung einflieBen. Ahnlich wie im ge­werblichen Bereich sind Pilotprojekte und die Erstellung von Branchenleitfaden denkbar und liegen zum Teil bereits vor39. Umweltbetriebsprtifungen konnten sich zuktinftig als ein wichtiger Beitrag zur Konkretisierung von "ordnungsgemaBer Landwirtschaft" und "guter fachlicher Praxis" erweisen. Die Entwicklung von Branchenhilfen kann als Plattform fur eine praxisnahe Formulierung von Qualitats­und Umweltkriterien fur die einzelnen Betriebssysteme dienen, wenn etwa in Checklisten die konkreten Kriterien und MaBnahmen, we1che hinter diesen allge­meinen Begriffen im Einzelbetrieb stehen, explizit formuliert und festgelegt wer­den. Es wird fur die praktische Oko-Audit Anwendung Kataloge und Checklisten zur Einordnung der Stellung des auditierten Betriebes in Relation zum Branchen­querschnitt oder zu den besten Betrieben innerhalb einer Produktionsrichtung geben.

38)vgl. HESSISCHES MINISTERIUM FOR WIRTSCHAFT, VERKEHR UND LANDENTWICK­LUNG (1995): Oko-Audit-FOrderprogramm fur hessische Untemehmen.

39) vgl. Beitrag FRIEDEL in diesem Band

Page 130: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 121

7.6 Zusammenfassung und Ausblick

Die vorangestellten Uberlegungen und Darstellungen konnen beim aktuellen Stand der Entwicklung zu folgenden Einschatzungen und Anregungen zusammengefaBt werden.

Insgesamt ist zu erwarten, daB EG-Oko-Audits auch filr Gartenbau und Land­wirtschaft eine gewisse Bedeutung erlangen werden. 1m Gartenbau, insbesondere im Bereich der Baumschulen, ist die Diskussion und Konzeptentwicklung bereits in vollem Gange40 . In der mittel- bis langfristigen Perspektive ist eine zunehmende Anwendung des Oko-Audit-Systems auch in zukunftsorientierten landwirtschaftli­chen Unternehmen durchaus zu erwarten. Grundlage dieser Einschatzung sind die Verflechtungen der Landwirtschaft mit anderen Wirtschaftssektoren. Die gewerb­liche Wirtschaft wird sich einer breiten Anwendung des Oko-Audits nicht entzie­hen konnen. In der Folge werden aueh Teile der Landwirtsehaft in einen Anwen­dungszwang geraten. Landwirtsehaftlichen Verbanden, Beratung und Agrarfor­schung ist daher zu empfehlen, dieses Thema aktiv und voraussehauend in aus­reichendem Umfang aufzugreifen.

Eine Teilnahme am Oko-Audit-System naeh EG-Verordnung ist fur die Mehr­zahl der Betriebe im Gartenbau und in der Landwirtschaft keine kurzfristige Not­wendigkeit. Der Weg zur Oko-Audit-Teilnahmeerklarung wird in den Betrieben aueh nieht quasi "tiber Nacht" beschritten werden konnen. Besonders in den "Kopfen" der Unternehmensleiter und Landwirte mtissen Akzeptanz und Ver­standnis reifen. Ein betriebliehes Umweltmanagement kann also aus versehiedenen Aspekten heraus nieht sehlagartig eingefuhrt werden. Vielmehr muB eine Entwick­lung in kleinen Schritten angenommen werden. Die Betriebe sind bereits seit Jah­ren mehr oder minder intensiv mit Umweltfragen befaBt und somit ohnehin not­wendigerweise auch auf dem Weg zu immer expliziterem Umweltmanagement. Agrar-Oko-Audit-Systeme bieten in dieser Entwieklungslinie eine Mogliehkeit an, die zunehmenden Umwelt-anstrengungen der Landwirtsehaft systematisch aufzu­bereiten und offentlieh zu belegen. Die Entseheidung pro oder contra Agrar-Oko­Audit bleibt der einzelbetriebliehen Entscheidung vorbehalten.

Zur Umweltbetriebspriifung nach EG-Verordnung besteht noeh erheblieher Kla­rungsbedarf aueh tiber die agrarwirtsehaftliehen Spezifika hinaus. Die dargelegten allgemeinen Probleme des Oko-Audits und die agrarwirtsehaftliehen Anwendungs­besonderheiten erfordern eine intensive Beschaftigung in Praxis und Wissensehaft. Dabei ist vor allem an Pilotprojekte und beispielhafte Anwendungen des Agrar­Oko-Audits in der landwirtsehaftliehen Praxis zu denken. Wissensehaftliehe Be­gleitforschung und eine aktive Begleitung etwa dureh die Landwirtschaftskammern und andere landwirtsehaftliehe Beratungseinrichtungen sollten so\che Pilotanwen-

40)vgl. KLOPP, K. (1993): Die Baumschulwirtschaft im Spannungsfeld des okonomischen Wirt­schaftens, der okologischen Verantwortung und der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Diplom­arbeit am Institut fiir Gartenbauokonomie der Universitiit Hannover.

Page 131: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

122 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

dungen flankieren. In den neuen Bundesliindern sind derartige Projekte bereits angelaufen41 . Ahnliche Initiativen wiiren aber auch fUr die Betriebe Westdeutsch­lands wiinschenswert. Wissenschaftlich erscheint besonders die Entwicklung ge­eigneter Methoden fUr ein Agrar-ako-Audit notwendig. Hierbei gilt es die beste­henden Ansiitze weiterzuentwickeln und den erheblichen Wissensvorrat aus der Agrar-Umweltforschung zielgerichtet und anwendungsbezogen aufzubereiten, urn eine fachlich-inhaltlich gehaltvolle Anwendung von Agrar-ako-Audits in der Pra­xis zu ermoglichen.

Die engen Verflechtungen zwischen Landwirtschaft und Umwelt lassen eine Beriicksichtigung des Kriteriurns "Umweltvertriiglichkeit" im Bereich des Quali­tiitsmanagements obligatorisch erscheinen. Die Verbindung zwischen Qualitiitsma­nagement nach DIN/ISO und ako-Audit nach EG-Verordnung wird dadurch stiir­ker als in anderen Wirtschaftssektoren inhaltlich notwendig. Formal und strukturell betrachtet bietet sich ebenfalls eine integrierte Anwendung von Qualitiits- und Umweltmanagement im landwirtschaftlichen Betrieb an. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Kosten und notwendigen spezifischen zusiitzlichen Betrieb­leiterflihigkeiten im landwirtschaftlichen Unternehmen sind kostengiinstige und inhaltlich spezifisch auf verschiedene Betriebstypen der Landwirtschaft zuge­schnittene Managementsysteme eine wesentliche Voraussetzung auf dem Weg zu einer praktischen Anwendung.

Wie aufgezeigt bietet das Konzept des ako-Audits eine Reihe von Moglichkei­ten fur eine Integration in die Agrar-Umweltpolitik. Bereits existierende einzelbe­triebliche MaBnahmen, aber auch neue Konzepte zur Honorierung okologischer Leistungen konnten in Verbindung mit betrieblichen Managementsystemen ziel­gerichtet gestaltet und eingesetzt werden. Angesichts der nach wie vor geringen Verzahnung praktischer Agrar- lind Umweltpolitik erscheint dieser Aspekt von hoher Bedeutung. Unter pragmatischer Sicht ist aber mittelfristig kaum erwartbar, daB diese Konzepte in politische Programme umgesetzt werden.

Es sollte bei einer kiinftigen Fachdiskussion zum validierten Umweltrnanage­ment im Agrarsektor darum gehen, den Betrieben die u.U. mit Oko-Audits in Be­riihrung kommen oder sich freiwillig etwa aus Marketinggriinden fur eine Teil­nahme am Oko-Audit-System entscheiden, branchenspezifische Hinweise und An­wendungshilfen zu geben. Unabhiingig vom tatsiichlichen einzelbetrieblichen -Engagement erscheint ein passives Abwarten und tatenloses Beobachten dessen, was im betrieblichen Umweltschutz in Gewerbe und Wirtschaft passiert, als schlechteste Alternative. Friihzeitige und solide Information iiber neuere Entwick­lungen ist auch in Gartenbau und Landwirtschaft ein iiberlebensnotwendiger Wett­bewerbsfaktor.

41)vgl. ABRESCH. J.-P. (1996) Oko-Audit. Papierkram fur die Umwelt? In: DLG-Mitteilungen 9/96, S. 66-69. Als Pilotprojekt wird hier die Agrar-GmbH & Co.KG in Teichwolframsdorf in ThUringen aufgezeigt.

Page 132: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

7 Agrar-Oko-Audit 123

Zum Autor

lens-Peter Abresch, Jg. 1965, Dipl.-Ing. agr. , studierte an den Universitaten Bonn und GieBen Agrarwissenschaften in der Haupt­richtung "Umweltsicherung und Entwicklung landlicher Raume". Seit 1993 wissenschaft­licher Angestellter an der Professur fur Projekt­und Regionalplanung der Justus-Liebig-Uni­versitat GieBen. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Managementansatze in der Umweltplanung Umweltvertraglichkeitsprtifung (UVP) und Oko-Audit. Zum Thema Landwirtschaft und Umwelt leitet er seit 1993 gemeinsam mit Prof. Dr. S. Bauer die Arbeitsgruppe "Umweltmanagement in der Agrar- und Emah­

rungswirtschaft". Neben der universitaren Anstellung als Gutachter und Berater im Umweltbereich tatig. Studien und Gutachten u.a. fur den Sachverstandigenrat fur Umweltfragen (SRU) und die Gesellschaft fur Technische Zusammenarbeit (GTZ). 1994 Zusatzqualifikation und Prtifung zum Projektmanagement-Fachmann (GPMI RK W). Seit 1995 Leitung des Competence Center "Projektmanagement und Um­welt" der Deutschen Gesellschaft fur Projektmanagement (GPM).

Page 133: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 Umweltmanagementsysteme fur die Land- und F orstwi rtschaft?

Christine Jasch

Betrieblicher Umweltschutz und qualitativ hochwertige Produkte im Einklang mit okologischen Anforderungen sind gerade fur Betriebe im deutschsprachigen Raum schon lange eine Selbstverstandlichkeit. Wozu also ein neues Schlagwort?

Bis dato ist noch nicht klar, ob die Euphorie tiber Umweltmanagementsysteme nicht zu Lasten der Produktqualitat geht. Es gibt einige Auszeichnungen und Klassifizierungen fur Produkte aus nachhaltigem, biodynamischem, okologischem und anderen sanften Anbaumethoden. Brauchen wir daher ein neues Pickerl? Noch dazu eine Auszeichnung, die nicht die Produktqualitat, sondem das betriebliche Management kennzeichnet und daher nicht auf der Produktverpackung verwendet werden darf. FUhrt das nicht zu einer ganzlichen Verunsicherung der Konsumen­ten, die von den vielen oko-bio-nachhaltig-Symbolen ohnedies schon eher an den Schmah, als an den Inhalt glauben?

Solche und ahnliche Fragen haben Sie sich vielieicht auch schon gestelit, als Sie den Buchtitel gesehen haben. Ich habe sie mir gestellt, als ich urn meinen Beitrag gebeten wurde. Seit 1993 habe ich an den weltweiten Verhandlungen der ISO 14001 mitgearbeitet und in Osterreich die Umsetzung der EMAS-Verordnung mit vorbereitet. 1m Dezember 1995 wurde die ETA GmbH mit mir als leitender Um­weltgutachterin als erster osterreichischer Umweltgutachter bestellt. In den Weih­nachtsferien begutachteten wir den ersten osterreichischen Standort, die 1. Ober­murtaler Brauereigenossenschaft. So viele Pioniere, und was haben wir daraus gelemt?

Urn es vorweg zu nehmen: Der Aufbau eines betrieblichen Umweltmanage­mentsystems lohnt sich, aber nur, wenn dabei tief in die eigentliche Beurteilung der Umweltschwachstelien eingestiegen wird. Ob sich das Managementsystem und die tatsachliche Produktqualitat erganzen oder kOnkurrenzieren, hangt vor aliem von der Motivation und dem Verantwortungsbewu13tsein des Managements und der Mitarbeiter abo Ohne klar spezifizierte Beschaffungsrichtlinien und Produktkri­terien bleibt das Umweltmanagementsystem aber ein aufwendiger Papiertiger.

Page 134: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

126 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

8.1 Welche Anforderungen stellt die EMAS-Verordnung?

Mit der EMAS-Verordnung (Environmental Management and Audit Scheme) wurde eine Wende in der staatlichen Umweltpolitik bekraftigt: weniger Ordnungs­recht, Gebote und Verbote, sondem freiwillige Systeme mit Anreizcharakter, bei denen der Betrieb seIber seine Schwerpunkte bestimmt.

Ziel der Europaischen Umweltpolitik ist es, die betrieblichen Umweltleistungen kontinuierlich zu verbessem. Dazu dient das betriebliche Umweltmanagementsy­stem, ein Planungs-, Umsetzungs- und Controllingwerkzeug, welches sicherstellt, daB Umweltschutz laufend in den untemehmerischen Entscheidung berilcksichtigt wird. Der Betrieb bestimmt seIber, welche Umweltziele gesetzt werden und welche MaBnahmen dafur notig sind. Urn die Glaubwilrdigkeit in der Offentlichkeit si­cherzustellen, erfolgt eine Prilfung durch einen extemen, nichtstaatlichen unab­hangigen Umweltgutachter, welcher die Umwelterklarung bestatigt. Diese freiwil­lige Selbstverpflichtung und -kontrolle wird yom Staat mit einer Auszeichnung belohnt.

Die Verordnung schreibt in der Praambel: "Die Industrie tragt die Eigenverantwortung fur die Bewaltigung der Umwelt­

folgen ihrer Tatigkeiten und sollte daher in dies em Bereich zu einem aktiven Kon­zept kommen. Diese Verantwortung verlangt von den Untemehmen die Festlegung und Umsetzung von Umweltpolitik, -zielen und -programmen sowie wirksamer Umweltmanagementsysteme; die Untemehmen sollten eine Umweltpolitik festle­gen, die nicht nur die Einhaltung aller einschlagigen Umweltvorschriften vorsieht, sondem auch Verpflichtungen zur angemessenen kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes umfaBt."

Die Ziele der EMAS-Verordnung sind in Artikel I festgehalten: "Ziel des Umweltmanagement- und Umweltbetriebsprilfungssystems ist die

Forderung der kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes im Rahmen der gewerblichen Tatigkeiten durch:

• Festlegung und Umsetzung standortbezogener Umweltpolitik, -programme und -managementsysteme durch die Untemehmen;

• systematische, objektive und regelmaBige Bewertung der Leistung dieser Instrumente;

• Bereitstellung von Informationen ilber den betrieblichen Umweltschutz fur die Offentlichkeit" .

Der erste Punkt erfolgt ilber das betriebliche Umweltmanagementsystem. Der zweite Punkt entspricht der intemen Selbstkontrolle durch die Umweltbetriebspril­fung (das Umweltaudit) und der extemen Bestatigung durch den Umweltgutachter. Der dritte Punkt wird vor allem ilber die Umwelterklarung erreicht.

Wie schon aus dem Titel der Verordnung ersichtlich ist, richtet sie sich an ge­werbliche Untemehmen. Was eine gewerbliche Tatigkeit ist, wurde in Art. 2 auf

Page 135: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 Umweltmanagementsysteme fUr die Land- und Forstwirtschaft? 127

Basis der europaischen Industriestatistik, der NACE-Liste definiert. Die teilnah­meberechtigten Branchen sind jene, die in Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden) und D (verarbeitendes Gewerbe) genannt sind, zusatzlich Energiewirtschaft, Abfallbehandlung und -entsorgung.

Allerdings ist das Interesse teilweise gerade in Branchen groB, die nicht in diese Abschnitte fallen. Deshalb ist eine Ausweitung der Sektoren vorgesehen und wird in einigen Liindem vorbereitet. Vor all em der Handel und der offentliche Dienst­leistungsbereich sind in Vorbereitung, aber auch Krankenanstalten, Banken und Versicherungen.

Untemehmen, welche teilnehmen, miissen sich im Rahmen ihrer betrieblichen Umweltpolitik dazu verpflichten, aile einschlagigen Umweltvorschriften einzuhal­ten und angemessene kontinuierliche Verbesserungen des betrieblichen Umwelt­schutzes durchzufiihren. Diese Verpflichtungen miissen darauf abzielen, die Um­weltauswirkungen in einem solchen Umfang zu verringem, wie es sich mit der wirtschaftlich vertretbaren Anwendung der besten verfiigbaren Technik erreichen liiBt.

Die Verordnung gibt dabei nicht bestimmte Emissionsgrenzwerte oder anderer umweltbelastungsorientierte Kriterien vor, welche als Mindestanforderung einge­halten werden miissen, sondem versucht, iiber das Managementsystem und die Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung mittelfristig eine Sogwirkung entstehen zu lassen. Unterste Grenze der Teilnahme ist allerdings die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

GemaB den Anforderungen nach Art. 3 der EMAS-Verordnung stellt sich der Ablauffiir die Erlangung der EU-Teilnahmebestatigung wie folgt dar:

1. Umweltpolitik 2. Erste Umweltpriifung 3. Autbau des Umweltprogramms und des Managementsystems 4. Umweltbetriebspriifung 5. Anpassung der Ziele 6. Umwelterklarung 7. Umweltbegutachtung 8. Teilnahmeerklarung

1. Umweltpolitik Festschreibung einer betrieblichen Umweltpolitik, welche mindestens folgende V erpfl ichtungen enthalt:

• Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen • Angemessene kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes • Anwendung der besten verfiigbaren Technik, soweit wirtschaftlich vertretbar

Page 136: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

128 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

2. Erste Umweltpriifung Durchflihrung einer ersten Umweltprtifung, in der die wesentlichen umweltbezo­genen Daten des Unternehmens und ihre Umweltauswirkungen (Energie, Rohstof­fe, Emissionen, Abfall, Uirrn, StOrfallrisiko) sowie die Organisation des betriebli­chen Umweltschutzes am Standort erhoben werden. Diese Iststandserhebung und Schwachstellenanalyse ist die Basis flir die Ziele und MaBnahmen der nachsten Jahre.

3. Aufbau des Umweltprogramms und des Umweltmanagementsystems

Auf der Grundlage der in der ersten Umweltprtifung erhobenen Daten und Schwachstellen sind ein standortspezifisches Umweltprogramrn und ein Umwelt­managementsystem flir aile Tatigkeiten an dem Standort aufzubauen. Das Um­weltprogramrn soli die Umweltpolitik tiber qualitative und quantitative Ziele in ein konkretes MaBnahmenpaket tiberleiten. Dieser Arbeitsschritt liefert zusamrnen mit der Datenbasis aus der Input-Output-Analyse die Grundlage flir ein laufendes Oko­Controlling. Das Umweltmanagementsystem ist der Teil des gesamten, tibergrei­fenden Managementsystems, der die Organisationsstruktur, Zustandigkeiten, Ver­haltensweisen, fOrrnlichen Verfahren, Ablaufe und Mittel flir die Festlegung und Durchftihrung der Umweltpolitik einschlieBt, also im wesentlichen die schriftliche Verankerung von Verantwortungen, Inforrnationsfltissen, Anforderungen und Kon­trollverfahren.

4. Umweltbetriebspriifung (Audit) Die regelmaBige Dberprtifung der umweltbezogenen Daten, der Erreichung der Umweltziele und der Erflillung des Umweltprogramrns, der Eignung der Organi­sation des Umweltmanagements und der technischen Umweltschutzeinrichtungen wird tiber eine interne Umweltbetriebsprtifung (Audit) durchgeflihrt. Diese kann von internen oder externen Umweltbetriebsprtifern (Umweltauditoren) durchge­flihrt werden. Dabei wird geprtift, ob die gesetzlich vorgegebenen und selbst ge­stellten Ziele erreicht wurden und die schriftlichen Verfahrensanweisungen einge­halten werden, mit anderen Worten, ob das Umweltmanagementsystem tatsachlich im betrieblichen Alltag umgesetzt wurde und wirksam ist.

5. Anpassung der Ziele Das Management soli auf Basis der Ergebnisse der Umweltbetriebsprtifung und der laufenden Daten tiber die Umweltauswirkungen die notigen MaBnahmen tref­fen und im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung neue Ziele festlegen.

6. UmwelterkUirung In der zu veroffentlichenden Umwelterklarung sollen die wesentlichen Daten, Leistungen und Absichten des Unternehmens beschrieben. Die zu berucksichti­genden Themen sind explizit vorgegeben. Die Umwelterklarung umfaBt gemaB EMAS-Verordnung "insbesondere

Page 137: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 Umweltmanagementsysteme fur die Land- und Forstwirtschaft? 129

a) eine Besehreibung der Tatigkeiten des Untemehmens an dem betreffenden Standort;

b) eine Beurteilung aller wiehtigen Umweltfragen im Zusammenhang mit den betreffenden Tatigkeiten;

e) eine Zusammenfassung der Zahlenangaben tiber Sehadstoffemissionen, Ab­fallautkommen, Rohstoff-, Energie- und Wasserverbraueh und gegebenenfalls tiber Larm und andere bedeutsame umweltrelevante Aspekte, soweit angemes­sen;

d) sonstige Faktoren, die den betriebliehen Umweltsehutz betreffen; e) eine Darstellung der Umweltpolitik, des Umweltprogramms und des Umwelt­

managementsystems des Untemehmens fur den betreffenden Standort; t) den Termin fur die Vorlage der naehsten Umwelterklarung; g) den Namen des zugelassenen Umweltgutaehters.

7. Umweltbegutachtung Der gesamte ProzeB von Punkt Ibis Punkt 5 sowie der Entwurf zur Umwelterkla­rung werden von einem extemen, unabhangigen Umweltgutaehter(team) tiberprtift und die Umwelterklarung fur gtiltig erklart. Die yom Umweltgutaehter bestatigte Umwelterklarung wird in der Kommunikation mit Behorden, Banken, Versiehe­rungen, aber aueh Kunden und anderen Anspruehsgruppen einen ahnliehen Stel­lenwert erlangen wie der finanzielle lahresabsehluB.

8. TeilnahmeerkUirung Die yom Umweltgutaehter untersehriebene Umwelterklarung wird bei der Regi­strierungsstelle eingereieht. Untemehmen, die an dem freiwilligen System teilneh­men und die Anforderungen der EMAS-Verordnung erfullen, erhalten die Bereeh­tigung, fur den jeweiligen Standort die Teilnahmeerklarung der Europaisehen Union in der Offentliehkeitsarbeit zu verwenden.

Dabei muB neben den EU-Stemen der Text klar ersiehtlieh sein: "Dieser Standort verfugt tiber ein Umweltmanagementsystem. Die Offentlieh­

keit wird im Einklang mit dem Gemeinsehaftssystem fur das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprtifung tiber den betriebliehen Umweltsehutz dieses Standorts unterriehtet."

Eingetragene Standorte konnen die Teilnahmeerklarung mit den EU-Stemen Of­fentlichkeits- und werbewirksam fur die Gesamtfirmen-PR (z. B. am Briefpapier), jedoeh nieht fur die Produktwerbung verwenden. Grund dafur ist, daB ein betrieb­liehes Umweltmanagementsystem noeh nieht automatiseh bedeutet, daB aile Pro­dukte okologisehen Kriterien entspreehen. Ftir die Beurteilung der Umweltqualitat von Produkten sind eigene Prtifzeiehen entwiekelt worden, zB. das europaisehe Umweltzeiehen fur Produkte.

Page 138: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

130 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

Die wesentlichen Aussagen, die aus einer EMAS-Registrierung abgeleitet wer­den kannen, sind, daB das Unternehmen

• eine Vorkehrung zur Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen getroffen hat;

• sich zur kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes verpflichtet hat;

• sich regelmaBig seiber umfassend tiberprtift und nochmals extern begutachtet wird.

• die Offentlichkeit regelmaBig tiber seine Umweltauswirkungen und MaBnah­men durch die Umwelterklarung informiert

Ein Vergleich der teilnehmenden Betriebe ist aber fast nicht maglich. Nicht nur die unterschiedlichen nationalen Grenzwerte, sondern auch die verschiedenen Tatigkeitsbereiche, technischen Verfahren und Stand der Technik, aber auch die Standortabgrenzung mach en einen Vergleich selbst innerhalb derselben Branche schwierig. Weiters sagt die Teilnahmeerklarung nichts tiber die Qualitat und das akologische Profil der Produkte aus. Lediglich aus der Umwelterklarung kannen Hinweise tiber die tatsachliche Umweltbelastung durch einen Standort und die getroffenen MaBnahmen entnommen werden. Ftir den Konsumenten und die weite­re interessierte Offentlichkeit ist die Einschatzung damit schwierig.

8.2 Was ist der Unterschied zur ISO 14001?

Die Norm ISO 14001 des weltweiten Dachverbandes der Normungsinstitute ISO (International Standard Association) beschreibt die Anforderungen an ein Um­weltmanagementsystem, ist aber nicht nach Elementen wie die ISO 9000 Serie strukturiert, sondern ablauforientiert aufgebaut. Das Umweltmanagementsystem der ISO 14001 folgt dem Controlling-Kreislauf "Plan - Do - Check - Act": Pla­nung, Steuerung (Umsetzung im Betrieb), Erfolgskontrolle und neue Wegweisung durch das Management.

Zuerst wird die Umweltpolitik des Unternehmens erarbeitet. Dann werden die Umweltaspekte und umweltrechtlichen Anforderungen erhoben. Auf dieser um­fangreichen Iststands- und Schwachstellenanalyse aufbauend, werden Umweltziele und ein Umweltprogramm festgelegt (plan).

Dann erfolgt die Umsetzung des Umweltmanagementsystem. Dabei werden die Verantwortungen, Verfahren und Ablaufe schriftlich fixiert, sowie SchulungsmaB­nahmen, Kommunikation, Notfallvorsorge und die Dokumentation (do).

Die Erfolgskontrolle dient dazu festzustellen, ob das Umweltmanagementsy­stem tatsachlich funktioniert. Ais wichtige Kontrolle fordert die ISO 14001 eine

Page 139: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 Umweltmanagementsysteme fUr die Land- und Forstwirtschaft? 131

regelmaBige UberprUfung (Auditierung) des Umweltmanagementsystems, der Umweltauswirkungen und der Einhaltung der Rechtsvorschriften (check).

FUr den Fall von Abweichungen sind KorrekturmaBnahmen vorzusehen und durch die oberste Untemehmensleitung umzusetzen (act). Das fuhrt zu einer An­pas sung der Ziele und stellt dadurch die kontinuierliche Verbesserung der Umwelt­leistung sicher.

Ziel des Umweltmanagementkreislaufes ist es, das Umweltmanagement konti­nuierlich zu verbessem und so die Umweltbelastungen durch die Tatigkeiten des Untemehmens mehr und mehr zu reduzieren. Das Kapitel 4 der Norm enthalt die Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem, die von allen Betrieben erfullt sein mUssen. Dieser Teil der Norm kann in einer Zertifizierung bestatigt werden. Der Autbau entspricht dabei der Vorgangsweise bei der betrieblichen Umsetzung und ist sowohl mit Anhang I der EMAS-Verordnung als auch einem Qualitatsma­nagementsystem nach ISO 900 kompatibel.

Umweltmanagementkreislauf nach ISO 14001:

4 Forderung an ein Umweltmanagementsystem 4.1 Allgemeine Forderung 4.2 Umweltpolitik 4.3 Planung 4.3.1 Umweltaspekte 4.3.2 Gesetzliche u.a. Forderungen 4.3.3 Zielsetzung u. Einzelziele 4.3.4 Umweltmanagementprogramm( e) 4.4 Implementierung u. Durchfuhrung 4.4.1 Organisationsstruktur und Verantwortlichkeit 4.4.2 Schulung, BewuBtsein und Kompetenz 4.4.3 Kommunikation 4.4.4 Dokumentation des Umweltmanagementsystems 4.4.5 Lenkung der Dokumente 4.4.6 Ablauflenkung 4.4.7 Notfallvorsorge u. -maBnahmen 4.5 Uberwachung und KorrekturmaBnahmen 4.5.1 Uberwachung und Messung 4.5.2 Fehler, Korrektur- und VorbeugemaBnahmen 4.5.3 Aufzeichnungen 4.5.4 Umweltmanagementsystemaudit 4.6 Bewertung durch die oberste Leistung

Grundsatzlich ist die EMAS-Verordnung aus sich selbst heraus anwendbar, zu ihrer Umsetzung bedarf es weder nationaler noch intemationaler Normen. Aller­dings entsteht durch Artikel 12 der EMAS-Verordnung die Moglichkeit, daB die EU-Normen fur Teilbereiche der Verordnung anerkennt.

Der wesentliche Unterschied zwischen Verordnung und Norm ist die VerOf­fentlichung der Umweltpolitik, des Umweltprogrammes und der wesentlichen

Page 140: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

132 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Umweltkennzahlen und -auswirkungen eines Betriebes, wie sie die EMAS-Ver­ordnung in der Umwelterklarung verlangt, wahrend ISO 14001 keine Veroffent­lichung von Umweltinformationen vorschreibt. Gerade die Umwelterklarung ist jedoch ein wesentliches Instrument fur die externe Kommunikation, die Glaub­wiirdigkeit und die Transparenz des freiwilligen Systems sichert. Es ist zu erwar­ten, daB sich der Verzicht auf eine Umwelterklarung eher negativ in der Kommu­nikation auswirken wird.

Unabhangig von inhaltlichen Fragen gibt es wesentliche Unterschiede irn An­wendungsbereich der beiden Dokumente:

EMAS ISO 14001 Branchen verarbeitendes Gewerbe keine Branchenein-

laut NACE Liste, Ener- schrankung gie- und Abfallwirtschaft, Erweiterung geplant

Standort standortespezifische keine Standortregelung Umsetzung

Geltungsbereich in allen weltweit EU -Mitgliedsstaaten

Abb. 1. Unterschiede im Anwendungsbereich

Einige Unternehmen, vor allem aus dem Dienstleistungsbereich, wenden die ISO 14001 an, da ihnen eine EMAS-Teilnahme zumindest derzeit noch untersagt ist. Allerdings gibt es auch Betriebe, die aus Scheu vor der Veroffentlichung einer Umwelterklarung die ISO 14001 wahlen. Auch fur international tatige Betriebe, die sich nicht unmittelbar an den Konsumenten richten, sondern in eine Kette von Vorlieferanten eingebunden sind, ist die ISO 14001 wahrscheinlich das adaquate Instrument.

Grundsatzlich kann gesagt werden, daB die EMAS-Verordnung im Gegensatz zur ISO 1400 I durch die Hineinnahme von Aufzahlungen und Checklisten wie den "Guten Managementpraktiken" und den "zu behandelnden Gesichtspunkten" aus­fuhrlicher ist als der ISO-Standard, der eher mit Ubergeordneten Begriffen den jeweiligen Sachverhalt beschreibt. Dafur ist der Standard erheblich logischer in seinem Aufbau und vermeidet Redundanzen und SprUnge, wie sie in der EMAS­Verordnung vorkommen. Weiters bietet der Standard dem Anwender in seinem informativen und damit nicht auditierbaren Anhang ahnlich ausfuhrliche Aufzah­lungen.

Page 141: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 Umweltmanagementsysteme fur die Land- und Forstwirtschaft? 133

Wesentliche Unterschiede auf einen Blick:

EM AS WAS muB ich machen? Viele Querverweise

Checklisten mit inhaltlichen V orgaben

detaillierte Vorgaben hinsichtlich um­weltrelevanter Bereiche Veroffentiichungspflicht der Umwelter­kllirung und weitere Informationspflichten hohere Akzeptanz bei externen Adressaten

umweltorientiert

ISO 14001 WIE gehe ich es an? Oliederung logisch und besser aufge­baut im Ablauf Text erlaubt mehr Interpretations­spielraum stlirkere Formalvorschriften und Do­kumentationsaufwand keine Umwelterkllirung, keine sonsti­ge VerOffentlichungspflichten bessere Integration in Unternehmens­ablliufe unternehmensorientiert

EMAS oder ISO 14001 ist daher eigentlich die falsche Frage. Die Herausforde­rung liegt darin, das Beste aus beiden System en betriebsoptimal zu kombinie­ren.Die Frage sollte nicht nach "entweder" "odef" gestellt werden. Die EMAS­Verordnung gibt die zu beriicksichtigenden Bereiche wesentlich konkreter vor, ist jedoch im Anhang I sehr schlecht strukturiert. Offen ist auch bei der EMAS-VO, in welcher Tiefe und mit welcher Methode die einzelnen Bereiche jeweils betrach­tet werden miissen. Die ISO 14001 ist aufgrund des internationalen Verhandlungs­prozesses etwas weniger konkret formuliert, soli ja auch fUr Betriebe jeder Oro­Benordnung und Tlitigkeit gelten und ist in ihrer Struktur umsetzungsorientiert aufgebaut.

Die Empfehlung lautet daher, sich inhaltlich am Anhang I der EMAS­Verordnung zu orientieren, aber die Dokumentation nach der Struktur der ISO 14001 aufzubauen. Damit kann beiden Systemen gleichzeitig entsprochen werden. Fiir die Land- und Forstwirtschaft, die ja noch nicht im Teilnehmerkreis der EMAS-Verordnung inkludiert ist, bleibt derzeit nur die ISO 14001. Ob sich aller­dings Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, die normalerweise mit schriftlich dokumentierten Umweltmanagementsystemen wenig vertraut sind, mit dem stark formalen System der ISO 14001 leichter tun als mit der umweltorientierten EMAS-Verordnung, bleibt fraglich.

Page 142: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

134 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Die Anforderungsnorm ISO 14001 Umweltmanagementsysteme ist aber nicht die einzige Norm der neuen Normenserie 14000 Umweltmanagement. 1m ISO TC 207 wurden Subcommittees (SC) fur folgende Bereiche eingerichtet:

• SC 1 "Environmental Management Systems" ISO 14001, 14004 • SC 2 "Environmental Auditing" ISO 14010, 14011, 14012 • SC 3 "Environmental Labelling" ISO 14020 • SC 4 "Environmental Performance Evaluation" ISO 14030 • SC 5 "Life Cycle Analysis" ISO 14040 • SC 6 "Definitions" ISO 14050

Aile anderen Normen au/3er der ISO 14001 sind Leitfaden, welche die Metho­den naher eriautem und eine weltweit einheitliche Vorgangsweise und Termino­logie sicherstellen sollen. Inhaltliche Kriterien, wie sie z. B. in den Europaischen Umweltzeichenrichtlinien festgeschrieben sind, werden auf intemationaler Nor­mungsebene aber nicht erarbeitet. Die einzige inhaltliche Anforderung hinsichtlich der Umweltleistung ist die Einhaltung der jeweils nationalen umweltrechtlichen Anforderungen.

8.3 Umweltmanagementsystem versus Produktdeklaration

Wer hat eigentlich Interesse an Informationen liber einen Standort? Der Gro/3teil der Anspruchsgruppen eines Betriebes sind seine Kunden und die sollten primar am Produkt, seiner Qualitat, Inhaltsstoffe und Umweltauswirkungen interessiert sein. Standortinformationen sind vor allem fur Behorden und Anrainer relevant.

Allerdings entsteht durch die Offentlichkeitswirksame Verklindigung der Ein­fiihrung eines Umweltmanagementsystems ein Wettbewerbsvorteil. Viele Konsu­menten konnen jedoch zwischen einer produktspezifischen und einer standortspe­zifischen Umweltauszeichnung nicht klar unterscheiden. Bei kleinen Betrieben, die an einem Standort mit einer Technologie ein Produkt herstellen, wie zB im Ge­trankebereich (Bier, Mineralwasser) ist eine solche Differenzierung auch fast nicht moglich.

Vorsicht ist geboten, da der Boom an formal en Umweltmanagementsystemen die eigentlichen Produktinformationen und -deklarationen liberiagert. Weder die EMAS-Verordnung noch die ISO 14001 fordem bestimmte inhaltliche Mindestan­forderungen, auJ3er der Sicherstellung der Einhaltung der jeweils geltenden um­weltrechtlichen Rahmenbedingungen. Das System alleine ist noch kein Garant fur inhaltliche Material- und Produktkriterien.

Flir die Beurteilung der Umweltleistung eines Betriebes ist eine eigene Norm in Ausarbeitung, ISO 14030, Environmental Performance Evaluation, we1che die Leistungen des Managementsystems, der operational en Ebene der Stoffstrome und

Page 143: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 Umweltmanagementsysteme fur die Land- und Forstwirtschaft? 135

die eigentiichen Auswirkungen auf die Umwelt separat tiber Kennzahlen und Indi­katoren bewertet. Ftir das Umweltzeichen fur Produkte und die okologische Beur­teilung von Produkten mit Produktlebenszyklusanalysen werden eben falls eigene Normen, ISO 14020 und 14040, vorbereitet. Die tiber die umweltrechtlichen An­forderungen hinausgehenden inhaltlichen Kriterien mtissen jeweils branchenspezi­fisch bzw. produktspezifisch von geeigneten Gremien erarbeitet werden. Erst mit diesen Instrumenten und branchenspezifischen Kriterienkatalogen kann das Um­weltmanagementsystem tatsachliche Wirkung entfalten.

8.4 Was bedeutet das fUr die Land- und Forstwirtschaft?

Durch die Teilnahme von Betrieben der Nahrungs- und GenuBmittleindustrie an der EMAS-Verordnung ist der Schneeballeffekt zu den Lieferanten absehbar. Die Verordnung fordert die Bewertung der Rohstoffe hinsichtlich ihrer Umweltauswir­kungen und die Erstellung von Verfahren fur die Beschaffung urn sicherzustellen, daB die Lieferanten die sie betreffenden okologischen Anforderungen des Unter­nehmens einhalten. Damit sind nicht primar Lieferantenaudits gemeint, wie aus der ISO 9000 Serie bekannt, sondem auch konkrete Materialanforderungen und Be­schaffungsrichtlinien.

Die Brauerei Murau ist in ihrer Umweltpolitik u.a. folgende Verpflichtungen eingegangen:

"Die Auswahl der Rohstoffe, die Beschaffung von Hilfsstoffen, Btiro- und Werbematerialien erfolgt nach okologischen und umweltschonenden Grundsatzen. Mit der Verwendung der Rohstoffe aus dem kontrollierten Landbau wird nicht nur vorsorgender Bodenschutz mit der Bewahrung des Bodenlebens und der Boden­vielfalt betrieben, sondem es wird auch zu erwartenden Gesetzesverscharfungen im Umweltbereich Rechnung getragen."

Das Umweltmanagementsystem entfaltet erst dann seine Wirkung, wenn die Kriterien fur die Beurteilung der Rohstoffe klar definiert sind. Gefordert sind also nachprilfbare inhaltliche Richtlinien fur den kontrollierten Landbau.

Wenig hilfreich ist, wenn die Landwirtschaft einfach auch ein Manage­mentsystem einfiihrt.

Page 144: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

136 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

8.5 Aktuelle Diskussion in der Forstwirtschaft

Zertifizierungen in der Forstwirtschaft sind derzeit ein heiBes Thema. Einige Lan­der und Initiativen haben im Zusammenhang mit der Diskussion unter den Schlag­worten Tropenholz, Regenwald und nachhaltige Bewirtschaftung eigene Forstzer­tifikate und Kriterienkataloge entwickelt.

Seit Juni 1996 gibt es ein Kamtner Zertifikat, das die Einhaltung des osterrei­chischen Forstgesetzes und das Handeln unter der Pramisse der Schutzes von Na­tur und Tier bestiitigt. In Briissel fand ebenfalls im Juni 1996 eine informelle Ko­ordinationssitzung der EU Experten beziiglich einer EU Umweltzeichenrichtlinie fur Holz aus nachhaltiger Bewirtschafiung statt.

Nachhaltige Bewirtschafiung steht an der Schnittstelle zwischen Standort und Produkt, Umweltmanagement, Umweltleistung (Environmental Performance) und Produktanforderungen. 1995 wurden auf internationaler Ebene die National Wild­life Federation, Sierra Club und Friends of the Earth mit einem eigenen Zertifikat fur Sustainable Forest Management aktiv. Beurteilt wird der Waldzustand an sich und die Methoden seiner Bewirtschaftung. Dieses Zertifikat beinhaltet sowohl produkt-, als auch leistungs- und managementspezifische Kriterien, und geht daher iiber ein Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 hinaus.

Auf der 3. ISO TC 207 Sitzung im Juni 1995 in Oslo wurde anliiBlich der Ver­abschiedung der ISO 14001 als DIS, Draft International Standard, beschlossen, keine branchenspezifischen Modifikationen der ISO 14001 zu erarbeiten, sondern dies erst nach einer Anwendungsperiode von einigen Jahren auf Basis der gesam­melten Erfahrungen zu iiberlegen. Allerdings kam von Canada und Australien der VorstoB, Umweltmanagementsysteme fur die Forstwirtschaft separat zu erarbeiten, welcher abgelehnt wurde. Aufgrund der auBerhalb der Normungsinstitute erarbei­teten Zertifikate konnten sich die ISO Experten der Notwendigkeit von branchen­spezifischen Anforderungskatalogen jedoch nicht verschlieBen, da ansonsten Zer­tifizierungen auBerhalb der ISO vorgenommen werden. Auf der 4. ISO TC 207 Sitzung im Juni 1996 in Rio wurde daher nach langer Diskussion beschlossen, eine eigene Arbeitsgruppe mit diesem Thema zu befassen.

8.6 Beispiele der Lebensmittelindustrie

Eine Auswertung der 260 ersten eingetragenen Standorte der EMAS-Verordnung zeigt, daB davon 35 Standorte oder 13 % der Nahrungs- und GenuBmittelindustrie, NACE Sektor 15, zugeordnet sind (siehe Tabelle S. 138).

Page 145: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8 Umweltmanagementsysteme fur die Land- und Forstwirtschaft? 13 7

Allerdings ist die Detaillierung interessant. Der Sektor 15 der NACE-Liste ist weiter aufgegliedert, die jeweiligen Standorte sind zusatzlich ausgewertet.

,..-._-----,--------_._-----,.-i NACE I Bezeichnung Anzahl Standorte ! , .. -

I I i···········_··-! 152

. _£!<;:.!~~~y<;:-~~~~~!~g-­Fischverarbeitun

153 154

O?~t.~_~_c.!.Q~~~~_~y~~_lI!.!?~~i;. ___ } H.v. pflanzl. u. tierischen Olen 0 u.Fetten

+M.g~~y~~~~~_i.~~ ... !i:y:s eise Mahl- u. Schiilmtihlen, H.v. Starke u.-erz.

o i H.v. Futtermitteln I···· ·········1································-·······-··· .. -....... -......................................................................................................................... . , 158 i H.v. sonst. Nahrungs- u. .9, davon 7 Zuckerfabriken i I GenuBmitteln 1- -159 ! Getriinkeherstellung : 17, davon 12 B~~~ereie~~~d"--

.t.... ........ ........................ ......... .......... .. ..... .......J}~IJ}~~r.!I:!~~S~~E~~~~~~.!!.~! ........... 1

Eine erste Auswertung wirft die Frage auf, ob gerade Zuckerkonsumenten und Biertrinker zu den besonders umweltbewuBten Kaufem zahlen? Oder sind Zucker­fabriken und Brauereien die umweltbelastendsten Standorte der Nahrungsmittelin­dustrie? Es muB wohl einen anderen Grund fUr diese Haufung geben. Die Tabelle liiBt den SchluB zu, daB, wenn in einem Bereich ein Vorreiter mit einer neuen Umweltauszeichnung beginnt, die anderen Mitbewerber zum Nachziehen gezwun­gen werden. Offenbar gibt es weiters fUr Konzeme die Notwendigkeit, tiber eine gesteigerte Firmen-PR das Vertrauen der Konsumenten in eine bestimmte Marke generell zu starken.

Page 146: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

138 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

~ :~+~:~~~~~db;~Gm-b-H·-··---·-·--·--------l-~=-i;~;~-~~~i:;~~~~~;;?!~~~~ --=.=!

}~ : ::: 1_ ..... _ .... +-IN-..... -~~-!I-.~.-I?-.~-'.It-.~c-_~-Ian-.. _-d-.. Jl.-(J-.... -y!'-.. ~-r~-_W-.... -.. ~-i~-.Ii-~!l-... - 1I?:~45?~~~!li~!l~ellllin!\erSt;aBe I .--~-- ---I ~J) _I? __ . ___ +?.""'ek ~~_gs_m_i_tte_Ifabn_·k_e_n_G_m_b_H_&_C_o.KG _ ! D~ 40599 Diisseldorf Kapp=!".0t.!:~e_! ~7~_1§~_ . ;

, D 15.13 i Stockmeyer Systempack Gmbh & Co. kGjP~.~~3.3.~ .~~~s"~~.".r.!l .. ~a.y':'.'~~.,,r.~:r. ~traBe .1.5 ; D 153 ···TR~d~iiw;idW~~k~ ........ ..- .................. ! D- 69214 Eppelheim Rudolf.Wild-StraBe 4-6 I . . jD 15.32 I. I ID 29.53 . '

! ! I I I D 15.3 i Eckes Granini GmbH & Co. KG Werk Brol I D- 53773 Hennefl Sieg

D 15.9-1 _____________ . _______ ._______ __ ..... !<_a.!!'.":':i."..<:'.'!..al .. _---------- ......j D 15.32 Lindavia Fruchtsaft AG D- 88131 Lindau Kellereiweg 8 ~

D 15.81 Stocker's Backstube GmbH i D- 91207 Laufa.d. Pregnitz IndustriestraBe 24 l

D 15:~2 .i---.. --- .......... ................ ............._ ..... -.l._m- .. 1 D 15.83 : Zuckerverband Nord AG Werk Clauen I D- 31249 Hohenhammel Zuckerfabrik 3

r~ :"~::~==~i~:~:~:;~~i-~:~:~;?;~~~h~~:~~w=i~:~:ii;-·~;~~~~~:f~~~;e; .;

~':~:E~'GmbHWok--~:~~~:=~:~ f~:ii.S:iJi~;;;i;;:~~~~~ii~~h~·u~i~~~:B;~~~~~il~~;~·· ·:0:29525 ~~i~~~L;;;;~b;;;~~;~;~~~ ii.~_. _~ __ . _~j ! D 15.841 A1fr~~RitterGmbH &.<::".I<:g ..... .... ....... ! D-71111 Waldenbuch A1fred-Ritter-Str. 42

p? 15. 90 _u.0ha~_~Ei~ann G~~I:!_ . ________ ._. ___ [I?j~ 4}:i~;Ei~;~nhildellstr~Be 35

j D 1596 ........ ~~!i':~!~i.~~ ... ~!i.':~!:~~~r.~~c~e!3r!lu~r.eiKG . .. J I)-78~66J)o'.'au:s~hill!l~n Postplatz 1-4 !!? .15.:?6._.i A1derbrauerei Rettenberg Herbert ZotIer GmbH i D- 87549 Rettenberg GruntenstraB."_2__ i

! D 15:9.6_. _ .. _.ly~y.~!~r.~':I.~E:i . .f\1:~~~.~I!~Il.~_ _ ...... _ ........................................... iI?-~4-1?~?~~~-~":I.'.'~c..~~o.~~t.r.~:}?:?~.-1 :::: -:::===-,==~ --1 D 15.96 I Heidelbeger SchloBquell-Brauerei GmbH D- 69115 Heidelberg BergheimerstraBe 89-93 _1

D 15.96 . .j~:':'!!Il!~~.!3!:~'!=!=_i .. ~':1lE.!:! .... _ ... _ .... _ .. __ ........ _ ...... __ ... I.J..~ .. 2~3..!.? .. ~i.P..~_~ .. 1.'ii!l!.I."-t.r.~.~_131 D 15.96 i Brauerei Iserlohn bko Audit GbR D- 58644 Iserlohn Gruner TalstraBe 40-5~ ___ ~

~'·.~D·.·.· .. ·.·.:I·.·.;5··.·-.:.:9:.-.·.:67.·.·.·.··. ~~!;:~~~::::;:~~~?;~~~~:~~~~~~~g--·,~:~~~:~~;~~;:b~:~;~!~~-i45-i55 .............. J .. !~;:~(J:~:::'.:~~~~:~:~-Melchior GmbH & . ~~~~~23 Li~h I: ~~:_Hardtbergg~e~·- . --- -.--'1

I.Obennurtaler Brauereigen. reg. Ges.m.b.H. A- 8850 Murau Raffalplatz 19-23

I~:.~·;~ .. --~-----------------------------~:~::: I D 15.98 ! Oppacher Mineralquellen i D- 02736 Oppach BrunnenstraBe I .

lD 15.99 i ! 1 i--·-- ---- -··r··---------·------ ---··----1·--------------·-··· -.- -- 4 l D 15.99 i Neuselters Mineralquelle Selters a.d.Lalm D- 3572,2 Lohnberg In der Selterswiese ___ .1

Page 147: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

8.7 Ausblick

8 Umweltmanagementsysteme fur die Land- und Forstwirtschaft? 139

Ein Verbraucher, der sich "umweltgerecht" verhalten und deshalb das jeweils oko­logisch "bessere" Produkt kaufen will, sieht sich ungelOsten Schwierigkeiten ge­gentiber. Die zur Anwendung kommenden Methoden zur Kennzeichnung von umweltfreundlichen Produkten sind zumeist nur beschrankt aussagefahig. Auch die Bewertungsverfahren fur ProduktOkobilanzen erlauben meist keine eindeutigen Aussagen. Die inflationare Verwendung hersteller- und handelseigener Phantasie­Oko-Labels oder Wortbezeichnungen birgt ein groBes Potential an Irrefuhrung fur den Konsumenten, die wissenschaftlichen Methoden zur ganzheitlichen Beurtei­lung fur den Verbraucher sind kaum direkt verwertbar bzw. praktikabel.

Die Frage, "Was ist eigentlich ein okologisches Produkt?", ist dabei von zentra­ler Bedeutung. Die entwickelten Konzepte zur okologischen Beurteilung von Pro­dukten beruhen auf drei unterschiedlichen Grundlagen:

I. Konzepte verbraucherpolitischen Ursprungs (freiwillige Produktdeklarationen und Verarbeitungsrichtlinien von Verbanden und Vereinen)

2. Konzepte staatlichen Ursprungs (wie das Umweltzeichen) 3. Konzepte wissenschaftlichen Ursprungs (Produkt-Okobilanzen)

Gerade im Nahrungs- und GenuBmittelbereich ist dabei der Unterschied zwi­schen den verschiedenen Anbau- und Bewirtschaftungsverfahren fur den Nichtein­geweihten kaum nachvollziehbar. Die Unterschiede zwischen Bio, Oko, Nattirlich, Kontrolliert sind Nicht-Landwirten kaum bekannt. Gleichzeitig sind die Verunsi­cherung und das MiBtrauen der Konsumenten groB. Ein Umweltzeichen fur die Land- und Forstwirtschaft ist nicht in Sicht. Produktokobilanzen ermoglichen im besten Fall im nachhinein den Vergleich verschiedener Produkte, definieren aber keine Anbauverfahren.

Es ist dringend erforderlich, dem Verbraucher verlaBliche Informationen zu­kommen zu lassen, damit er sein Verhalten umweltbewuBt steuern kann. Der Ver­braucher kann zur Zeit seine Entscheidung primar an zwei Gtitezeichen orientie­ren:

1. dem quasi 'amtlichen' Umweltzeichen. Nachdem Deutschland mit Einfuhrung des Blauen Umweltengels im Jahre 1978 weltweit eine Pionierrolle einnahm, folgten inzwischen nationale Labels in vielen Uindern, so in den Skandinavi­schen Landern, Osterreich, Frankreich, Canada, den USA, Japan, der Nieder­landen u.a.

2. firmenindividuellen Logos. Diese Zeichen und auch Begriffe wie 'Oko', 'Bio', 'Natur' etc. sind gesetzlich nicht geschtitzt. Die seit Anfang der 90er Jahre in­tensive Verwendung der Labels fuhrt zu einer vermehrten Verunsicherung der Konsumenten.

Page 148: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

140 Kapitei 1: Umweit- und Agrarpoiitik

Mit den Umweltmanagementsystemen, die nach ISO 14001 zertifiziert, oder bei Vorliegen einer UmwelterkHirung nach der EMAS Verordnung begutachtet wer­den konnen, gibt es nun ein zusatzliches, standortspezifisches Gtitezeichen, das tiber die eigentliche Produktqualitat keine Aussagen macht. Der BSE-Skandal hatte mit einem Umweltmanagementsystem nicht verhindert werden konnen, da dieses keine inhaltlichen Anforderungen stellt. Es ist zu befurchten, daB damit die Verunsicherung eher zunimmt.

Urn das Vertrauen von Konsumenten und Produzenten in die verschiedenen Auszeichnungen zurUckzugewinnen, ware es notig, allgemeine Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem mit konkreten branchenspezifischen Vorgaben fur Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und Prozesse, wie z. B bei den Umweltzeichen­richtlinien zu erarbeiten. Ein ahnliches Konzept wird, wie gezeigt, gerade in der F orstwirtschaft diskutiert.

Zusatzlich ware es notig, die verschiedenen konkurrenzierenden Zeichen in ein gemeinsames System einzubinden, des sen Einhaltung vertrauenswlirdig kontrol­liert und bestatigt wird. Diese Funktion konnten staatlich zugelassene Umweltgut­achter mit der notigen Branchenkenntnis wahrnehmen.

Ob die Land- und Forstwirtschaft aber neben den produkt- und anbauspezifi­schen Zeichen zusatzlich ein standortspezifisches Zeichen an streb en soli, bleibt zu bezweifeln.

Zur Autorin

Mag. Dr. Christine Jasch, Jg. 1960, ist Grtin­derin und Leiterin des Wiener Institutes fur okologische Wirtschaftsforschung. Sie studier­te Volks-, Betriebs- und Landwirtschaft und ar­beitet als selbstandige Wirtschaftstreuhanderin und Steuerberaterin in Wien. Seit 1989 liegt ihr Arbeitsschwerpunkt am Institut in der Ver­kntipfung volks- und betriebswirtschaftlicher Instrumente mit umweltrelevanten Kriterien. Dazu gehoren Okobilanzen, Umweltinforma­tions- und managementsysteme, Umweltcon­troII ing- und Audit sowie Umweltabgaben. 1993 wurde sie als osterreichische Delegierte des Bundesministeriums fur Umwelt, Jugend und Familie in den ISO-NormungsausschuB "Environmental Management" nominiert und

leitet den korrespondierenden osterreichischen AusschuB. Sie ist femer Delegierte der Kammer der Wirtschaftstreuhander in der Environmental Task Force der "Fe­deration des Experts Comptables Europeens" (FEE). Sie ist als leitende Umwelt­gutachterin der ETA Umweltmanagement GmbH tatig. Die ETA ist die erste in Osterreich zugelassene Umweltgutachterorganisation nach der EMAS-Verord­nung. Zahlreiche Vortrage, Unterricht und VerOffentlichungen run den ihre Tatig­keiten abo

Page 149: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

9 Agrarstrukturelle Bedingungen und Voraussetzungen bei Umweltkonzepten in der Landwirtschaft

Heinrich Becker

9.1 EinfOhrung

Jahrzentelang haben sich staatliche agrarpolitische MaBnahrnen darauf konzen­triert die Nahrungsmittelproduktion zu verbessem. Dabei nahrnen Programme, die sich darauf konzentrierten die Produktionskosten zu senken, den grofiten Raum ein. Insbesondere geschah dies durch Investitionsbeihilfen, FUichenzusarnmenle­gungen mittels der Flurbereinigung und durch sozialpolitische MaBnahmen, die die 8etriebsaufgabe erleichterten. Dariiber hinaus genossen die Landwirte die Preisga­rantien der gemeinsamen europaischen Agrarpolitik.

Gegenwiirtig unterzieht sich die Agrarpolitik einem grundlegenden Wandel und reagiert dam it auf sich andemde wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahrnenbe­dingungen. Wachsenden unverkauflichen Nahrungsmitteliiberschiissen und daraus steigenden staatlichen Marktordnungsausgaben wird mit Produktionsbeschrankun­gen, begrenzten reduzierten Garantiepreisen und Kompensationszahlungen an die Landwirte begegnet. Gleichzeitg wird der Anbau nachwachsender Rohstoffe ge­fOrdert, der einzelbetrieblich zu Marktpreisen nicht wettbewerbsfiihig ist. Noch zogerlich reagiert die Agrarpolitik auf das Verlangen der Offentlichkeit, die Agrarproduktion so zu gestalten, daB diese Umweltgiiter nicht zu belasten, sondem ihre Erhaltung zu sichem hat (Schrader, 1996).

Ziel dieser Ausfiihrungen ist es darzulegen, welche Auswirkungen verstarkte gesellschaftliche Anspriiche beziiglich der Umwelt an die Agrarstruktur stellen werden, damit der Agrarsektor wieder verstiirkt Umweltgiiter bereitstellt. Unter Umweltgiitem werden auch landschaftspflegerische Leistungen verstanden.

Page 150: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

142 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

9.2 Umweltrelevanz der Agrarstruktur

9.2.1 Bestimmungsgrunde der Agrarstruktur in den Alten und in den Neuen Bundeslandern

Agrarstrukturen sind in den entwickelten Volkswirtschaften nicht statisch. Sie sind wie auch die tibrigen Wirtschaftsstrukturen dem gesellschaftlichen und volkswirt­schaftlichem Wandel unterworfen. Nach Hemichsmeyer (1994) umfaBt die Agrar­struktur: • die Struktur und raumliche Verteilung des Produktionsfaktoreinsatzes mit der

daher eingehenden landwirtschaftlichen Erzeugung und • die BetriebsgroBenstruktur mit der Verteilung des wichtigsten Produktionsfak­

tors: dem Boden und der Zusammensetzung des Arbeitseinsatzes. Damit ein­hergehend die Zahl der landwirtschaftlichen Haushalte und der entlohnten Ar­beitskrafte.

Die agrarstrukturelle Entwicklung wird im wesentlichen bestimmt durch die dominierenden tiberwiegend zu kleinen Familienbetriebe. Davon gibt es noch ca 550.000 (Statistisches Jahrbuch tiber Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten, 1995). Gut 250.000 sind Vollerwerbsbetriebe mit einer durchschnittlichen Be­triebsgroBe von nur 35 ha. Die tibrigen sind Neben- und Zuerwerbsbetriebe. Ziel­setzung der Betriebe ist es, einen optimalen Gewinn unter den gegebenen nattirli­chen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu erwirtschaften. Bei unzurei­chender Bodenausstattung kann der Gewinn eines Betriebes nur durch Intensitatssteigerungen und Investitionen in die bodenunabhangige Tierproduktion gesteigert werden. Die Produktionskapazitaten vieler Betriebe sind aber derartig klein, daB ein ausreichendes Familieneinkommen trotzdem nicht erwirtschaftet wird. Daher geben pro Jahr in Westdeutschland ca. drei Prozent der Betriebe auf.

Die wesentlichen Bestimmungsgrtinde des agrarstrukturellen Wandels in West­deutschland waren insbesondere die folgenden Faktoren:

• gesamtwirtschaftliche Entwicklung mit steigenden Opportunitatskosten der Arbeit, einer starken Substitution von Arbeit durch Kapital und einem verstark­ten Vorleistungseinsatz, dies fuhrte zu einer Ausdehnung der Produktion,

• technische Fortschritte, die obige Aspekte verstarkten und mit den gleichzeitig wirkenden Skaleneffekten groBere Produktionseinheiten in ihrer Entwicklung begtinstigten und damit zur Aufgabe kleinerer Betriebe und Produktionseinhei­ten beitrugen, insbesondere in der bodenunabhangigen tierischen Produktion kam es zu betrachtlichen regionalen Konzentrationen,

• intersektorale und intrasektorale Hemrnnisse in der Faktormobilitat verhinder­ten in Westdeutschland das Entstehen optimaler BetriebsgroBen, zum Abbau

Page 151: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

9 Agrarstrukturelle Bedingungen und Voraussetzungen bei Umweltkonzepten 143

bestehender Einkommensdisparitaten blieb den Landwirten nur der Weg, die Vorleistungsintensitat zu erhOhen.

• In Ostdeutschland ist es nach der Vereinigung zu einer voIIkommen neuen Strukturierung des Agrarsektors gekommen. Diese basiert nicht wie in West­deutschland auf einer Identitat von GrundeigentUmem und Bewirtschaftem. Boden wird zu tiber 90 % gepachtet. Die Umstrukturierung ist noch nicht ab­geschlossen. Bisher sind ca 21.000 Einzeluntemehmen, 2.000 Personen­geseIIschaften und 2.900 GroBbetriebe, d.h. Juristische Personen, entstanden. VoIIerwerbsbetriebe bewirtschaften tiber 100 ha, PersonengeseIIschaften tiber 500 ha und die GroBbetriebe ca 1.500 ha im Durchschnitt pro Betrieb. Ziel­setzung dieser Betriebe ist ebenfaIIs die Gewinnmaximierung. Der Kapital­mangel in den neuetablierten Betrieben zwang

• zum Abbau von Arbeitskraften, • zur Verringerung der Tierbestande, • zum verscharften Wettbewerb urn Pachtflachen und • zur Ausnutzung von GroBen- und Kostendegressionen

Da es sich bei den Beschaftigten ausschlieBIich urn entlohnte Arbeitskrafte han­delte, konnten diese ohne Mobilitatshemmnisse in den Arbeitsmarkt, in die Ar­beitslosigkeit oder in den Vorruhestand entlassen werden

Betriebe, die sich wettbewerbsfahig etabliert haben, sind groBe Marktfrucht­baubetriebe mit wenig Arbeitskraften und geringem Kapitaleinsatz. Diese Betriebe haben keine Tierhaltung.

Probleme gibt es bei der Aufrechterhaltung und dem Wiederaufbau der tieri­schen Produktion. Diese erfordert mehr Kapital und verursacht hohe Lohnkosten.

Die unterschiedlichen Agrarstrukturen in den Alten und Neuen Bundeslandem sind in der folgenden TabeIIe 1 dokumentiert:

• Neue Bundeslander - groBere Betriebe mit weniger Arbeitskraften, • Neue Bundeslander - bedeutend niedriger Viehbesatz • Neue Bundeslander mit einer niedrigeren Vorleistungsintensitat (weniger

Dtingemittel, Pflanzenschutzmitteln und vor aIIem weniger zugekaufte Futter­mittel),

• Alte BundesIander - erheblich hOhere Pachtpreise bei gleichzeitig niedrigerem Pachtlandanteil,

• Alte Bundeslander - hoheres Bilanzvermogen mit einer hoheren Eigenkapital­quote und Aite Bundeslander - doppelt so groBer Untemehmensertrag.

Page 152: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

144 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

Tabelle 1. Ausgewahlte Kennzahlen landwirtschaftlicher Betriebe in den Alten und Neuen BundesHmdem im Wirtschaftsjahr 1994/95. Quelle: Agrarbericht 1996

Alte BundesHinder Neue Bundesliinder

Vollerwerbsbetriebe Einzeluntemehmen

Markt- Futter- Markt- Futter-

frucht bau frucht bau

Landwirtschaftlich genutzte 58 38 215 87

Flache (ha/Betrieb)

Pacht (DM/ha Pachtflache) 513 450 215 130

Arbeitskraftebesatz 2,8 4,2 1,0 2,2

(AKIIOO ha LF)

Viehbesatz 67,5 170,3 11,3 82,1

(Veredlungseinheitenll 00 ha LF)

Bruttoinvestionen (DM/ha LF) 641 1125 734 1166

Bilanzvermogen Maschinen u. 1690 2320 1400 2000

Gerate (DMIha LF)

Viehvermogen (DMiha LF) 620 2920 200 1600

Eigenkapitalquote (%) 83 80 60 60

U ntemehmensertrag 4640 5265 2000 2820

(DMIhaLF)

davon Bodenerzeugnisse 2260 414 1420 420

davon tierische Erzeugnisse 1360 3855 190 1820

Untemehmensaufwand 3680 4074 1600 2300

(DM/ha LF)

davon Diingemittel 214 169 157 91

davon Pflanzenschutzmittel 200 60 139 47

davon Futtermittel 314 624 30 280

davon Fremdlohne 170 100 100 135

9.2.2 Prinzipien einer umweltvertraglichen Landwirtschaft

Ziel einer umweltgereehten Agrar- oder besser Landnutzungspolitik muB es sein, eine naehhaltige und umweltvertragliehe Landnutzung sieher zu stellen. Die Be­griffe Naehhaltigkeit und Umweltvertragliehkeit sind im politisehen Spraehge­braueh keine Fremdworte. Man versueht weiterhin mit den Begriffen "ordnungs-

Page 153: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

9 Agrarstrukturelle Bedingungen und Voraussetzungen bei Umweltkonzepten 145

gemiille Landwirtschaft" und "praxisorientierte Diingung" eine Losung flir die immer offenkundigeren MiBstande in der Landnutzung herbeizureden. Wenn wir iiber Nachhaltigkeit in der Landnutzung reden, dann ist es unabdingbar, daB Art und Intensitat der Landnutzung und der Tierhaltung nicht langer als Foigen des technischen und okonomischen Fortschrittes hingenommen werden dUrfen. Staat dessen miissen der ordnungsgemaBen Landnutzung eindeutige Grenzen gesetzt werden, in denen sich die okonomisch-technische Entwicklung bewegen darf. Dabei ist darauf zu achten, daB der Boden und seine Fruchtbarkeit endliche Giiter sind, die es zu erhalten und nicht zu zerstOren gilt. Urn dieses zu gewahrleisten, hat eine nachhaltige Landnutzung folgende Kriterien zu erflillen:

• Ausreichende und auf die Region ausgerichtete Versorgung der Menschen mit gesunden Nahrungsmitteln,

• Standortangepal3te Pflanzen, Tiere und Wirtschaftsweisen, • Kleinraumige und weitgehend geschlossene Stoffkreislaufe, • Integration Pflanzenbau und artgerechte Tierhaltung, • Schonung, Pflege und Erhalt der Kulturlandschaft, der ganzen Umwelt und der

natiirlichen Ressourcen, • Forderung und Ausnutzung der natiirlichen Widerstandskraft der Tiere und

Pflanzen und • Entwicklung kleinraumiger regionaler Markt- und Sozialstrukturen

Ais Umweltgiiter, die in direktem Zusammenhang mit Art und Umfang der Fla­chennutzung zunehmend genannt werden und damit eng mit der gegenwartigen Agrarstruktur verbunden sind (RSU, 1996), zahlen:

• Erhalt der Artenvielfalt wildlebender Pflanzen- und Tierarten, • Erhalt oder Wiederherstellung einer Vielfalt von Biotopen, • Erhalt oder ErhOhung der Asthetik und Erholungsfunktion der Landschaft und • Erhalt oder Wiederherstellung der Kulturlandschaft.

9.2.3 Umweltprobleme aufgrund der Agrarstruktur

Zusammenfassend ergeben sich folgende Umweltprobleme aufgrund der Agrar­struktur, die im wesentlichen durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gepragt ist:

Kleine Betriebe mit unzureichenden Produktionskapazitaten und einer zuneh­mend starker eingeschrankten Faktormobilitat sind gezwungen mit einer hohen speziellen Intensitat zu wirtschaften. Bei unzureichendem Angebot an Pacht- und Bodenflachen haben diese Betriebe in die bodenunabhangige tierische Produktion investiert und den Diingemittel- und Planzenschutzeinsatz in der Bodenproduktion erhoht, urn ein hoheres Einkommen zu erwirtschaften. Dadurch wurde das Grund­wasser mit Nitraten und Pestiziden z.T. belastet.

Page 154: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

146 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Der durch die Markt- und Wettbewerbsbedingungen ausgeloste Verdrangungs­wettbewerb in der tierischen Produktion hat zu einer regionalen Konzentration dieser Produktionszweige gefUhrt, die durch ein zu groBes Angebot an Glille zu einer verstarkten Belastung des Grundwassers beigetragen haben.

Die Europaische Agrarpolitik hat wenige Produktionszweige in der tierischen und pflanzlichen Erzeugung gef6rdert. Landwirte produzieren im wesentlichen wenige Massengliter, die weltweit gehandelte werden und bei denen keine Preis­differenzierung moglich ist. Dies fUhrte zur Verarmung von Fruchtfolgen und zu einer hoheren speziellen Intensitat. Beides wirkte sich negativ auf die Artenvielfalt und die Gestaltung der Kulturlandschaft aus. GefOrdert wurde dieses durch die Technisierung und die MaBnahmen der Agrarstrukturpolitik, die tiber Flachenzu­sammenlegungen zu einer erheblichen Verringerung von Brachflachen und damit zu einem Verschwinden von Biotopen beitrugen.

In der ehemaligen DDR trug bis 1989 die angestrebte industriemaBig betriebene Landwirtschaft insbesondere durch zwei staatliche Vorgaben zu erheblichen Um­weltbelastungen bei. Der Aufbau landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaf­ten zerstorte in kurzer Zeit die gewachsene Agrarstruktur. Ober Flachenzusammen­legungen entstand eine vollkommen neue Landnutzung: die Kulturlandschaft an­derte sich radikal und Biotope verschwanden.

Die Trennung der tierischen und pflanzlichen Erzeugung in spezialisierten Pro­duktionsgenossenschaften fUhrte zur unkontrollierten Ausbringung der Glille. Amoniakemissionen trugen zur Umweltbelastung bei.

Bisher wurden durch die Rahmenbedingungen das landwirtschaftliche Produk­tionsziel gef6rdert. Okologische Leistungen wurden dagegen nicht honoriert.

9.3 Aktuelle Rahmenbedingungen fUr das Angebot von Umweltgiitern seitens der Landwirtschaft

Unter freien Marktbedingungen wlirde sich die Agrarstruktur wesentlich andern. Die landwirtschaftliche Erzeugung wlirde sich weitgehend an den Standorten kon­zentrieren, an denen natUrliche und wirtschaftliche Produktionsbedingungen Wett­bewerbsvorteile sichern. Dieses wurde und wird verhindert durch die Europaische Agrarpolitik, die eine weitgehende flachendeckende Landwirtschaft sichert. Damit leistet diese einen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft.

Die Rahmenbedingungen fUr die Flachennutzung haben sich durch die Agrarre­form der EU von 1992 und durch die dadurch ermoglichten Kulturlandschafts­oder Extensivierungsprogramme auf der Ebene der Bundeslander enscheidend gewandelt. Die Preise wichtiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse wurden in drei

Page 155: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

9 AgrarstrukturelJe 8edingungen und Voraussetzungen bei Umweltkonzepten 147

Stufen gesenkt. Damit wurde der Anreiz zur ErhOhung der speziellen Intensitat gemindert. Zusatzlich wurden tlachen- und tierbezogenen Kompensationszahlun­gen eingefiihrt. Eine begrenzte konjunkturelle Flachenstillegung mindert zusatzlich den Einsatz von Produktionsmitteln, die EintluB auf Umweltgliter haben. Da aber die Preissenkungen begrenzt sind und die Ausgleichszahlungen nur gezahlt wer­den, wenn auch weiterhin produziert wird, halten sich die Extensivierungseffekte der EU-Agrarreform sicherlich in Grenzen. Eine tlachendeckende Weiterbewirt­schaftung der Flachen wird auch an benachteiligten Standorten durch die Aus­gleichszahlungen gesichert. Damit tragt die Reform nur wenig zum Erhalt der Artenvielfalt und der Biotope bei (Schrader, 1996).

Wesentlich groBer ist der Gestaltungsrahmen, dem Ziel Naturschutz und Lan­desptlege auf regionaler Ebene Rechnung zu tragen, die die Umsetzung der Ver­ordnung 2078/92 EWG in Landerprogrammen ermoglicht (Mehl und Plankl, 1996). Die Verordnung erlaubt die Gewahrung gemeinschaftlicher Beihilfen, wenn "sich Landwirte zu Produktionsverfahren verptlichten, die mit den Belangen des Schutzes der Umwelt und der Erhaltung des natUrlichen Lebensraumes vereinbar sind und dadurch zum Gleichgewicht auf den Miirkten beitragen". Die Teilnahme der Landwirte an diesen Programmen ist freiwillig. Doch mUssen sie sich, urn Beihilfen zu erlangen mindestens funf Jahre, im Fall der Flachenstillegungen min­destens zwanzig Jahre beteiligen.

Die Umsetzung der Programme erfolgt entweder im Rahmen der Gemein­schaftsaufgabe "Agrarstruktur und KUstenschutz (GAK)" bei einem Finanzierungs­anteil von Bund zu Land von· 60 : 40 und einer Erstattung von jeweils 50 % der Ausgaben durch die EU. Die fur die Programmvorbereitung und Durchfuhrung zustandigen Lander tragen demnach nur 20 % (neue Lander nur 10 %) der Kosten dieser MaBnahmen, wenn vorgesehene Hochstbetrage nicht Uberschritten werden.

Aufgrund der gUnstigeren Refinanzierungsmodalitaten Ubersteigt der tlachenbe­zogene Mitteleinsatz mit 83 DM/ha LF in den Neuen Bundeslandem den der Alten Bundeslander mit 47 DM/ha LF deutlich (fur 1994) (Mehl und Plankl, 1996).

1m Rahmen der GAK geht es urn die Extensivierung der Bewirtschaftung von Acker- und GrUnland, wobei u.a. die Anwendung von MineraldUngem und Ptlan­zenschutzmitttein verringert werden muB oder sogar vollstandig untersagt ist. In Sachsen werden gut zweidrittel der Ackertlache nach den Kriterien der "umweltgerechten Landwirtschaft" gefordert (Sachsischer Agrarbericht, 1996). Dabei geht es nur urn die Einhaltung der Prinzipien des ordnungsgemiiBen Land­baues. GrUnlandumbruch ist untersagt und der Viehbesatz ist pro Flacheneinheit begrenzt.

Die Landerprogramme enthalten eine Vielzahl differenzierter MaBnahmen, die dem Biotopschutz und dem Erhalt und der Ptlege der Kulturlandschaft dienen sollen. Dazu zahlen u.a. Sumpfdotterblumenwiesen, Kleinseggenwiesen, trockenes MagergrUnland, landschaftspragende Streuobstanlagen, nicht tlurbereinigte Wein­bausteilhanglagen und vieles andere mehr. Trotz der Pramien in der GroBenord­nung von 550 DM/ha und Jahr bei funfjahriger Vertragsdauer im Biotopschutz und

Page 156: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

148 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

von ca. 250 DM im Faile der Extensivierung blieb die Beteiligung der Landwirte an entscheidenden ExtensivierungsmaBnahmen bescheiden.

Landwirte sind nur bereit, die Grundforderung fUr die "urnweltgerechte Land­wirtschaft" in Anspruch zu nehrnen. Dieses Verhalten weist darauf hin, daB Landwirte durch die Norrnalnutzung der Landschaft mit Markteinkomrnen und diversen Pramien ein hoheres Flacheneinkomrnen erwirtschaften konnen. Um verstarkt den Belangen des Natur- und Artenschutzes Rechnung tragen zu konnen, sollten nicht nur Landwirte teilnahmeberechtigt sein, sondern auch Gruppen, die Land zum Arten- und Biotopschutz nutzen.

Die EU-Agrarreforrn von 1992 stellt die Angebotsreduzierung und den Ein­kommensausgleich fUr Landwirte in den Mittelpunkt. Planwirtschaftliche Elemente des Agrarpreisstiitzungssystemes wurden weiter ausgebaut. Der Verwaltungsauf­wand zur Verteilung aller Beihilfen ist enorm gestiegen. Die Oberwachung der Einhaltung der Richtlinien, die von den Landern erlassen wurden und gleiche Ef­fekte unterschiedlich honorieren, erforderte den Aufbau eines umfassenden Kon­troll- und Sanktionsapparates. Ein tatsachlicher Biotop- und Naturschutz ist durch dieses Programm nicht zu erreichen, da sich die Flachennutzung nicht andern wird. Die Reduzierung der speziellen Intensitat kann weitgehend durch marktkonforrne Instrumente erreicht werden. Dieses bedeutet, daB Produktionsmittelsteuern oder Produktionsmittelkontingente fUr kritische Produktionsmittel wie: Stickstoffmine­raldtinger, Ptlanzenschutzmittel und auch importierte Futterrnittel eingefUhrt wer­den mtiBten (Becker, 1992). Dagegen hat sich die Bundesregierung nach langer politischer Diskussion zur Novellierung der Dtingemittelanwendungsverordnung durchgerungen, die Hochstmengen fUr die Anwendung vorsieht, die aber nur in­tensive viehhaltende Betriebe notigen, tiber eine alternative Verwendung organi­scher Nahrstoffe nachzudenken. Dies kann tiber tiberbetrieblichen Ausgleich oder tiber Flachenaufstockungen geschehen. Letzteres hat tiber die Pachtmarkte EintluB auf die Agrarstruktur.

9.4 Agrarstrukturelle und gesellschaftliche Voraussetzungen fUr die verstarkte Bereitstellung von Umweltgutern durch die Landschaftsnutzung

Unsere bisherigen AusfUhrungen haben gezeigt, daB die Landwirtschaft unter den gegenwartigen Rahrnenbedingungen nur bedingt Umweltgtiter bereitstellen kann. Was sie unstreitig bereitstellt ist Kulturlandschaft, diese hat sich dynamisch ent­wickelt. Ober Reglementierungen oder marktkonforme Instrumente wie Steuern und Quoten ist es grundsatzlich moglich die spezielle Intensitat der Landnutzung derartig zu beintlussen, daB die Umweltgtiter nicht mehr geschadig werden.

Page 157: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

9 Agrarstrukturelle 8edingungen und Voraussetzungen bei Umweltkonzepten 149

Es bleibt die Frage wie die Arten- und Biotopvielfalt erhalten bzw. gefordert werden kann. Dieses gelingt nur, wenn ein gesellschaftlicher Wille vorhanden ist, der dieses Umweltgut verstarkt in den Mittelpunkt stellt.

Ob und wie stark die Bundesbtirger bereit sind fUr den Arten- und Biotopschutz etwas zu bezahlen, hat Hampicke (1991) durch die Feststelluung der Zahlungs­bereitschaft der Bundesbtirger ermittelt. Die Antworten schwankten zwischen 12,00 OM und 19,00 DM/Monat. Bei 60 Mio. zahlungsfahigen Bundesbtirgern entspricht dieses einem Finanzierungsvolumen von 8,6 bis 13,7 Mrd. OM pro Jahr. Dieses entspricht ca 0,25 % oder 0,40 % des Bruttoinlandproduktes zu Marktprei­sen. Oem stehen Ausgaben der nationalen Agrarpolitik im Umfang von ca. 15 Mrd OM und die Marktordnungsausgaben der EU fUr die Agrarmarkte in Deutschland mit 11,3 Mrd OM gegentiber (Statistisches Jahrbuch tiber Ernahrung, Landwirt­schaft und Forsten, 1995).

Hampicke (1991) unterstellt, daB fUr einen erfolgreichen Arten- und Biotop­schutz 9,6 % bzw. 13,6 % der Flache der Bundesrepublik benotigt werden. Diese Flachen wtirden insbesondere flir naturnahe Walder und extensiv bewirtschaftetes Grtinland beansprucht. In Tabelle 2 wird unterstellt, daB urn diese Flachen bereit­zustellen 7,5 % (Szenario I) bzw. 15 % (Szenario II) der aktuellen landwirtschaft­lichen Nutzflache extensiviert werden mtiBten. Ferner wird davon ausgegangen, daB die Landwirte auf diesen Flachen eine Produzentenrente in Hohe von 1.500 bzw. 2.500 OM pro ha erwirtschaften. Diese Betrage sollen den Landwirten erstat­tet werden, wenn sie sich entschlieBen, sich an Extensivierungen zu beteiligen, die dem Arten- und Biotopschutz dienen. Landwirte erzeugen mittels extensiver Pro­duktionsverfahren auch weiterhin Marktfrtichte. Diesbeztiglich wird unterstellt, daB die Markterlose dieser Erzeugnisse den variablen Kosten entsprechen. Die so bereitgestellten Produkte entsprechen den Anforderungen der okologisch erzeug­ten Nahrungsmittel.

Bei den angenommenen Beitragen und den gesparten Marktordnungskosten er­gabe sich im Szenario I ein UberschuB in Hohe von 7,6 Mrd. OM und im Szenario II einer in Hohe von 14,3 Mrd. OM. Unterstellt man, daB so\che Sumrnen nicht erforderlich sind urn Biotope aktiv anzulegen, sondern daB fUr die Verwaltung, Kontrolle und aktive Gestaltung pro Jahr nur zwei Mrd. OM benotigt werden, so hat die Bevolkerung nur Betrage in der GroBenordnung zwischen 4 und 8 OM pro Kopf und Monat zu tragen.

DurchgefUhrt werden kann ein solches Programm tiber regionale Ausschreibun­gen. Dazu ist es erforderlich, daB auf regionaler Ebene die Flachenansprtiche de­tiniert sind, die fUr den Arten- und Biotopschutz notwendig sind. 1m Rahmen re­gionale Ausschreibungen bieten Landwirte ihr Land zur Teilnahme am Programm an. Landwirte erhalten den Zuschlag, die detinierte nutzbare Flachen fUr den Ar­ten- und Biotopschutz am kostengtinstigsten anbieten.

Page 158: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

150 Kapitell: Umwelt- und Agrarpolitik

Tabelle 2. Finanzierungsmtiglichkeiten eines fliichenbeanspruchenden Arten- und Bio­topschutzes in der Bundesrepublik Deutschland QueUe: Eigene Berechnungen und Statistisches Jahrbuch tiber Emiihrung, Landwirtschaft und Forsten 1995

Szenario I Szenario II

Landwirtschaftliche Nutzfliiche (Mio ha) 17,3 17,3

Notwendige Ausgleichsfliichen (in %) 7,5 15,0

Von der Landwirtschaft bereitzusteUende 1,297 2,595

Fliichen (Mio ha)

Erwirtschaftete Produzentenrente in DMiha 1.500 2.500

Notwendige Ausgleichszahlungen (Mio DM) 1.946 6.487

Beitriige der Bevtilkerung (Mio DM/Jahr) 8.600 13.700

Eingesparte MarktordnungskostenlPriimien 750 1.000

(DMI ha)

Eingesparte Marktordnungskosten/Priimien 973 2.595

(Mio DM)

Verfligbare Mittel fUr Arten- und 9.573 16.295

Biotiopschutz (Mio DM)

UberschuB fUr Anlage von Biotopen, 7.626 14.348

Landschaftsvemetzung (Mio DM)

Notwendige Mittel fUr ausreichenden Arten- 2.973 5.892

und Biotopschutz (Mio DM)

Dazu erforderlicher Beitrag pro Kopf 4,13 8,18

(in DM/Monat)

Durch ein derartiges System wird die bestehende Betriebsstruktur nicht zerstort. Die Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe werden nicht gemindert. Pachtmlirk­te bleiben funktionsfiihig. Entscheidend ist, daB sich die Fllichennutzung lindert und daB die spezielle Intensitlit entscheidend verringert werden kann. Auf den Einsatz von DUngemitteln, Pflanzenschutzmitteln und zugekauften Futtermitteln wird auf dies en Fllichen verzichtet. Umweltkonzepte auf betrieblicher Ebene zu realisieren erfordert, Landwirte fiir erbrachte Umweltleistungen zu entlohnen. Zur Abschlitzung, Bewertung und Dokumentation dieser Umweltleistungen konnte auch ein Agrar-Oko-Audit-System hilfreich sein. Inwieweit es allerdings agrar­strukturell genutzt werden kann, bedarf noch der Kllirung. Entsprechende Praxiser­fahrungen aus Modellverfahren und Pilotprojekten sind dafiir jetzt notig.

Page 159: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

9 Agrarstrukturelle Bedingungen und Voraussetzungen bei Umweltkonzepten 151

Literatur

BUNDESMINISTERIUM fur Emahrung, Landwirtschaft und Forsten Agrarbericht der Bundes­regierung 1996; Hrsg.

BECKER, Heinrich: Reduzierung des Diingemitteleinsatzes. Okonomische und okologische Bewertung von Ma13nahmen zur Reduzierung des Diingemitteleinsatzes - Eine quanti­tative Analyse fur Regionen der Europaischen Gemeinschaft in: Schriftenreihe des Bundesministers fur Emahrung, Landwirtschaft und Forsten, Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 416, Landwirtschaftsver1ag Miinster-Hiltrup, 1992.

HAMPICKE, Ulrich: Naturschutzokonomie, UTB 1650, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 1991 HENRICHS MEYER, Wilhelm; Witzke, Heinz Peter: Agrarpolitik Band 2: Bewertung und

Willensbildung; UTB 1718, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 1994. MHIL, P.; PLANKL, R.: "Doppelte Politikverpflechtung" als Bestimmungsfaktor der Agrar­

strukturpolitik - untersucht am Beispiel der Forderung umweltgerechter landwirt­schaftlicher Produktionsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland in: Schriften der Gesellschaft fur Wirtschafts- und Sozialwissen-schaften des Landbaues e. V., Band 32: Agrarstrukturentwicklungen und Agrarpolitik, Landwirtschaftsverlag Mtin­ster-Hiltrup, 1996.

Rat von Sachverstandigen fur Umweltfragen: Konzepte einer dauerhaft-umweltgerechten Nutzung liindlicher Raume - Sondergutachten, Verlag Metzler-Poeschel Stuttgart, 1996.

SCHRADER, Jorg-Volker: Effiziente Agrarpolitik und Interdependenzen im Angebot von Umweltgiitem, Nahrungsmitteln und Industrierohstoffen in: Schriften der Gesell­schaft fur Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e. V., Band 32: Agrarstrukturentwicklungen und Agrarpolitik, Landwirtschaftsverlag Miinster­Hiltrup, 1996.

STATISTISCHES JAHRBUCH iiber Emahrung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland 1995, Landwirtschaftsverlag Miinster-Hiltrup.

Page 160: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

152 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

Zum Autor

Professor Dr. Dr. h.c. Heinrich Becker, J g. 1947, studierte von 1968 bis 1972 an der Landwirtschaftlichen Fakultat der Universitat Gottingen Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialwissen­schaften des Landbaues. 1m Jahr 1975 promo­vierte er mit einer agrarokonomischen Arbeit, weIche empirische Zusamrnenhange zwischen technischen Fortschritten und Bodenpreisen aufzeigte. 1976 trat er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in das Institut fur Betriebswirtschaft der Bun­desforschungsanstalt fur Landwirtschaft in Braunschweig ein. Er fertigte Arbeiten zur Reform der MiIchmarktpolitik, der Agrar­

strukturpoltik und zum Einsatz von marktwirtschaftlichen Instrumenten zur Steue­rung der speziel\en Intensitat an.

Von 1979 bis 1993 war er tiber acht Jahre als technischer Berater in Lesotho, Malawi, Ruanda, Mali und WeiBruBiand tatig.

1993 wurde er Professor fur Agrarokonomie an der Hochschule fur Technik und Wirtschaft (FH) in Dresden. Ais erster gewahlter Dekan hat er die neueinge­richteten Studiengange Landwirtschaft, Gartenbau und Landespflege mit aufge­baut. 1995 verlieh ihm die Belarussische Landwirtschaftliche Akademie den Eh­rendoktor.

Page 161: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe

Ludwig Glatzner

10.1 Einleitung und Vorbemerkungen

Das Genossenschaftswesen ist ein wesentlicher Wirtschafts- und Umweltfaktor in Deutschland. Wenn heute tiber Wirtschaft und Umwelt, Okologie und Untemeh­men gesprochen wird, fallt das Stichwort "Oko-Audit".

Die Agrarwirtschaft wird stark gepragt von Untemehmen, die genossenschaft­lich strukturiert bzw. als eingetragene Genossenschaften organisiert sind. Genos­senschaften haben in diesem Wirtschaftsbereich Tradition und zum Teil erhebliche Marktbedeutung. Nahezu aile Landwirte, Gartner und Winzer sind Mitglied einer oder mehrerer Genossenschaften. Neben den tiber 4000 landlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften mit Umsatzen von rund 80 Milliarden DM und fast 4 Millionen Mitgliedem gibt es im deutschen Genossenschaftswesen tiber 2500 Genossenschaftsbanken mit einer Bilanzsumme von mehr als 1000 Milliar­den DM und mehr als 13 Millionen Mitgliedem sowie hunderte von gewerblichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften mit rund 150 Milliarden DM Umsatz und mehreren hunderttausenden Mitgliedem (Zahlen aus dem Jahr 1995).

Die Mehrheit aller Handwerker, Kaufleute/Handler, Drogisten, Dachdecker, Binnenschiffer, Landwirte, Steuerberater, Metzger, Backer u.a. sind genossen­schaftlich organisiert bzw. Mitglied in einer Bankgenossenschaft (Raiffeisen­banken und Volksbanken), landlichen (Raiffeisen-) Genossenschaft, Agrargenos­senschaft oder gewerblichen Waren- bzw. Dienstleistungsgenossenschaft. Die Zahl der Genossenschaftsmitglieder liegt insgesamt (unter Berticksichtigung von Dop­pelmitgliedschaften) bei tiber 14 Millionen, die Gesamtzahl der Genossenschaften bei rund 7000 in Deutschland. Zu erwahnen sind dartiber hinaus noch die zahlrei­chen genossenschaftlichen Verbunduntemehmen, Zentral- bzw. Spezialuntemeh­men, Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie die Genossenschaftsverbande.

Die genossenschaftliche Gesamtorganisation mit ihren vie len Einrichtungen und Einzeluntemehmen verschiedenster Tatigkeitsbereiche und Branchen steht vor den Herausforderungen, vor denen auch andere Untemehmen und Organisationen stehen: mit ihren Produkten und Dienstleistungen am Markt bestehen und durch ein verantwortungsvolles Management den gesellschaftlichen Anforderungen ge­recht werden. Ftir diese untemehmerischen Herausforderungen gibt es grundsatz-

Page 162: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

154 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

lich geeignete und spezifisch anwendbare Managementmethoden und -instrumente. So ist z. B. die Anwendung von Qualitatsmanagement-Methoden und die Einfuh­rung von Qualitatsmanagement-Systemen selbstverstandlich auch ein Thema fur Genossenschaften. Derzeit steht vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen An­forderungen an den Schutz der Umwelt jedoch das sogenannte "ako-Audit" im Mittelpunkt der Diskussion. Diesem Managementinstrument wird nachgesagt, daB es dem Umweltschutz dient und den Untemehmen gleichzeitig dabei hilft Kosten zu senken, Risiken zu reduzieren und die Akzeptanz am Markt sowie in der Ge­sellschaft zu erhalten. Genossenschaften haben im Vergleich zu anderen Unter­nehmensformen dartiber hinaus noch ihren speziellen Auftrag der Mitgliederforde­rung.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage berechtigt, ob im Zusammenhang mit dem ako-Audit nicht von einem Instrument gesprochen werden kann, dessen sich auch die Genossenschaftsorganisation gezielt bedienen so lite - und ob ein Bezug zum genossenschaftlichen Forderungsauftrag bzw. zu genossenschaftlichen Organisati­onsspezifika besteht. Hier soli also nicht zum x-ten mal beschrieben werden, was das ako-Audit im einzelnen ist; es soli vielmehr versucht werden, die Notwendig­keiten und Moglichkeiten der Anwendung des ako-Audits aus genossenschaftli­cher Perspektive zu betrachten. Dies ist vor allem deshalb ein Versuch wert, wei! selbst in der Genossenschaftsorganisation kaum ohne Scheu vom genossenschaftli­chen Selbstverstandnis ausgehend argumentiert wird. Eine Konsequenz, die sich aus dieser thematischen Fokussierung allerdings ergibt, ist der Verzicht auf die konkrete Behandlung z. B. branchenspezifischer Detailfragen und damit fur man­chen wohl auch ein gewisser Verzicht auf Anschaulichkeit.

Vorab nur noch soviel: Als Genossenschaften sollen hier die Untemehmen und Institutionen der deutschen Genossenschaftsorganisation im Sinne des Genossen­schaftsgesetzes angesprochen werden. Die Anwendung des ako-Audits erfordert nattirlich keine genossenschaftliche Organisation und ist nattirlich auch nicht ein Instrumentarium nur fur Genossenschaften. Aber allein schon die Bedeutung des Genossenschaftswesens als Wirtschafts- und Umweltfaktor in Deutschland legt es nahe, vom ako-Audit als einer auch genossenschaftlichen Aufgabe zu sprechen. Manche der folgenden Argumente sind sicherlich noch diskussionsbedtirftig und werden daher in Thesenform dargestellt. Und noch eine Anmerkung: Der Begriff "ako-Audit" wird meistens nicht einheitlich gebraucht. Gemeint ist in der Regel nicht nur die Durchflihrung einer Umweltbetriebsprtifung (ako-Audit i.e.S.), son­dern die Einrichtung eines Gesamtsystems der umweltorientierten Unternehmens­ftlhrung, ein Umweltmanagementsystem, das von der Planung, tiber die Durchfuh­rung und Dokumentierung, bis hin zu Kontrollen und Oberprtifungen von um­weltrelevanten Tatigkeiten und MaBnahmen reicht. Hierfur gibt es die bekannten Modelle und Vorgaben, wie sie in der EG-ako-Audit-Verordnung oder auch in Umweltmanagement-Normen skizziert und auf gewerbliche Untemehmen, Dienst­leister und sonstige Organisationen anwendbar sind (zunachst einmal unabhangig von der Frage nach der Notwendigkeit oder Moglichkeit einer extemen Begutach­tung bzw. Zertifizierung).

Page 163: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe 155

10.2 Thesen zu Genossenschaftsspezifika und Oko-Audit

These 1 Die genossenschaftlichen Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung bewahren sich auch zur Losung umweltbezogener Herausforderungen.

Genossenschaften sind dann entstanden und werden gegrUndet, wenn Personen­gruppen glauben, (nur) durch einen so1chen gemeinschaftJich organisierten Ge­schaftsbetrieb ihre Ziele erreichen zu konnen. Grundmotivation ist demnach ein Mangelempfinden bzw. ein Verbesserungsstreben. Die Genossenschaft Ubemimmt in dies em Sinne den Grundauftrag, ihre Mitglieder durch den genossenschaftJichen Betrieb zu f6rdem. Die MitgJiederilirderung ist Zweck, Merkmal und Existenzbe­rechtigung jeder Genossenschaft.

Mangelerscheinungen der Vergangenheit mit entsprechenden sozialen Auswir­kungen ("Genossenschaften als Kinder der Not") waren z. B. ein mangelndes Marktangebot oder ungUnstige Marktstrukturen. Derartige Mangelerscheinungen konnten durch die gemeinschaftliche Errichtung und Nutzung eines dementspre­chend auch gemeinschaftlich verwalteten, verantworteten und finanzierten Ge­schaftsbetriebes abgestellt werden. Als Genossenschaftsprinzipien gelten daher Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung, als strukturelles Merkmal einer Genossenschaft das ldentitatsprinzip, d.h. die Doppelrolle der Mitglieder als Trager und Nutzer ihres Betriebes.

Als modemes Mangelempfinden kann der Verlust einer "heilen Umwelt" bzw. das BedUrfnis nach einer umweltgerechten Produktion von umweltfreundlichen Produkten bzw. Dienstieistungen bezeichnet werden. Daher Uberrascht es nicht, daB genossenschaftJiche NeugrUndungen auch aus der Umweltbewegung oder an­deren, weltanschaulich gepragten Kreisen mit besonderem UmweltbewuBtsein her­vorgetreten sind. Genossenschaftliche Organisationsprinzipien werden hierbei mit einer expliziten Umweltorientierung verknUpft und zwar nicht selbstios bzw. zu­gunsten Dritter oder der Allgemeinheit, sondem durchaus im Sinne der genossen­schaftstypischen Zielsetzung der Mitgliederf6rderung. So wie die klassische ge­nossenschaftliche Forderung durch Verbesserung der Marktstrukturen und des Wettbewerbs zugunsten der MitgJieder auch anderen Marktteilnehmem bzw. der Allgemeinheit niitzen kann, so wirkt auch die MitgJiederilirderung der "umwelt­spezifischen Genossenschaften" Uber ihren Mitgliederkreis hinaus.

Auf einem ganz anderen Blatt steht, daB auch die heutige Umweltpolitik die Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung "entdeckt" hat. Die EG-Oko-Audit-Verordnung ist zwar eine europaische Verordnung (und damit ein Gesetz); sie bietet jedoch die Anwendung von Umweltmanagementsy­stemen und UmweltbetriebsprUfungen (Oko-Audit) auf freiwilliger Basis an. Mit

Page 164: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

156 Kapitel 1: Umwelt- und Agrarpolitik

dem U mweltgutachter entsprechend der EG-Verordnung wurde eine "wirtschafts­eigene", behordenunabhangige Umweltpriifung eingefuhrt. Durch das Oko-Audit­Instrumentarium gelingt es Unternehmen, anhand selbstbestimmter Zielsetzungen und Ma13nahmen auf Basis einer Selbstanalyse ihre Umweltleistungen effizienter, koordinierter und innovativer zu verbessern, als die blo13e Reaktion auf Fremdvor­gab en wie behordliche Auflagen es zula13t. Der Staat respektive die Umweltbehor­den werden sich in Zukunft mehr und mehr auf die Eigenverantwortung der Unter­nehmen berufen und die Anwendung des Oko-Audits z. B. im Rahmen ihrer Kon­troll- und Oberwachungsaufgaben positiv beriicksichtigen. Das Oko-Audit und weitere neue, auf Eigenverantwortlichkeit abzielende umweltpolitische Instrumen­te kommen der auf Staats ferne und Selbstverantwortung gegriindeten Philosophie des deutschen Genossenschaftswesens grundsatzlich entgegen.

These 2: MaBstab des genossenschaftlichen Handelns ist die Mitgliederforderung und damit der Auftrag, Forderpotential zu sichern bzw. die Forderleistung zu verbessern - auch durch Umweltmanagement und Oko-Audit.

Der Erfullung des Forderungszweckes dient der gemeinschaftliche Geschaftsbe­trieb, der geschaftspolitisch so gefuhrt und baulich, technisch, organisatorisch, ka­pitalma13ig, personell so gestaltet sein mu13, da13 er den Anforderungen des Mark­tes, der Gesellschaft und insbesondere den Mitgliedererwartungen entspricht - und zwar dauerhaft. Ein genossenschaftlicher Geschaftsbetrieb ist auf Dauer angelegt, das Vermogen dauerhaft gebunden; und unter Wettbewerbsbedingungen la13t sich eine Forderung in der Regel auch nur im Rahmen mittel- und langfristiger Zusam­menarbeit verwirklichen. Der genossenschaftliche Forderauftrag ist ein Dauer-, ein Gegenwarts- und Zukunftsauftrag.

Der Verzicht auf praventiven, technisch, organisatorisch und personell integrier­ten und systematisch durchgefuhrten Umweltschutz kann - wenn iiberhaupt - nur kurzfristig "erfolgreich" sein. Intern schlagt sich unzureichendes betriebliches Um­weltmanagement bzw. reine Nachsorge als Kosten- und Risikofaktor direkt nieder und belastet das Image mit entsprechenden Auswirkungen. Extern fuhren Umwelt­belastungen durch den Betrieb, durch die Produkte und Leistungen zu Nachteilen bzw. Kosten, die von der Allgemeinheit und damit zu einem Teil auch von den Mitglieder getragen werden miissen.

Fast durchgehend zeigen die praktischen Erfahrungen in der Anwendung des Oko-Audit-Instrumentariums, da13 Kosten gesenkt, Risiken reduziert, Marktchan­cen und Imagegewinne realisiert werden konnen - relativ kurzfristig und auch dauerhaft. Den durchaus hohen Anfangsaufwendungen zur Etablierung eines Um­weltrnanagement- und Oko-Audit-Systems stehen in der Regel auch erhebliche "aufgestaute" Anfangserfolge gegeniiber. Mit der weiteren Pflege und Aufrechter-

Page 165: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe 157

haltung des Systems gehen Aufwand und Erfolg tendenziell ins Alltagsgeschiift ein und in strukturellen Erfolg sowie strategische Erfolgspotentiale Uber.

Jede Genossenschaft ist durch ihren gesetzlich verankerten Forderungsauftrag quasi verpflichtet, ihre Forderkapazitat auf Dauer zu erhalten. Wenn denn heute das Oko-Audit bzw. Umweltrnanagement als Grundbaustein eines nachhaltig um­weltgerecht wirtschaftenden, zukunftsfahigen Untemehmens zu gelten hat oder auch nur einfach als betriebliches Instrument der nachhaltigen Kosten- bzw. Risi­koreduzierung, muB modemes Genossenschaftsmanagement heute auch ein Um­weltrnanagement beinhalten, das diesen Namen verdient und effektiv funktioniert. "Stand der Technik" in diesem Sinne ist das Oko-Audit im Sinne der EG­Verordnung. Die Sicherung der genossenschaftlichen Forderkapazitat durch Um­weltrnanagement und Oko-Audit gehort heute zu den - wenn auch (noch) nicht formaljuristischen, so doch materiellen - Sorgfaltspflichten der dem Forderungs­auftrag verpflichteten FUhrung einer Genossenschaft. Die Etablierung von Um­weltrnanagement- und Oko-Audit-Systemen schafft dariiber hinaus ein genossen­schaftsintemes Know how, das direkt oder indirekt an die Mitglieder weitergege­ben werden kann. Hier konnen echte, aktuelle Forder- und Beratungsbediirfnisse der Mitglieder, insbesondere der kleineren Untemehmen, befriedigt werden.

These 3: Die Doppelrolle der Genossenschaftsmitglieder als Trager (Eigentumer) und Leistungsnehmer (Kunde, Lieferant) begrundet ein zweifaches Interesse der Mitglieder am Oko-Audit.

Ober die Verringerung von betrieblichen Kosten und Risiken hinaus werden durch Oko-Audits bzw. Umweltrnanagementsysteme oft auch Verbesserungen der Pro­dukte bzw. Dienstleistungen initiiert. Die okonomischen Vorteile einer "okologi­schen Rationalisierung" werden sich mit zunehmender "Umweltkostenwahrheit" als Ertrag beim betrieblichen Gewinn oder auch in Form eines besseren Kosten­Nutzenverhaltnisses der Produkte bzw. Leistungen niederschlagen. Genossen­schaftsmitglieder mogen sich daher zurecht fragen, ob sie mit einem zukunftsori­entierten, d.h. proaktiv umweltfreundlich ausgerichteten Untemehmen als Kunden undloder als Eigentiimer langfristig nicht am besten bedient sind.

Eine Wurzel des Oko-Audits liegt zudem - ahnlich wie die Revision bzw. Wirt­schaftspriifung (engl.: audit) - im Schutzbedurfnis der mit einem Untemehmen ver­bundenen Interessensgruppen, z. B. der Geschaftspartner, Kapitalgeber und Eigen­tUrner. In einer Zeit, in der Umweltbelastungen mit hohen Kosten, betrieblichen Risiken, Marktchancen und Imagewirkungen verknUpft sind, ist es fiir aIle mit einem Untemehmen enger verbundenen Kreise von groBem Interesse, ob die Un­temehmensfiihrung diese Herausforderung effizient, risiko- und chancenbewuBt anzunehmen in der Lage ist.

Page 166: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

158 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Man stelle sich einmal eine Molkereigenossenschaft vor, die z. B. durch Nach­Uissigkeit im Umweltschutz eine Betriebsstillegung riskiert und ihren Mitgliedem die taglich anfallende, leicht verderbliche Milch nicht mehr abnehmen kann. Diese sind als Milch-Lieferanten auf ihre Absatzgenossenschaft angewiesen und tragen dazu noch das untemehmerische Risiko als Eigentiimer der mit erheblichen Inve­stitionen ausgestatteten und mit moglicherweise neuen, plOtzlichen Investitionsan­forderungen konfrontierten Genossenschaft. Oder: Eine Warenbezugs- bzw. Ein­kaufsgenossenschaft beispielsweise des Handwerks, des Handels oder der Land­wirtschaft versorgt Mitglieder mit Produkten, deren Umweltfreundlichkeit direkt auf die Mitgliederwirtschaft einwirkt, Marktchancen der Mitgliederbetriebe erhOht oder z. B. Entsorgungskosten senkt. Als "Einkaufsabteilung" der Mitglieder haben auch diese Genossenschaften eine wichtige Funktion. Die Genossenschaft mit ihren GroBen- und Spezialisierungsvorteilen wird grundsatzlich besser in der Lage sein, Umweltanforderungen des Einkaufs friihzeitig zu erkennen und zugunsten ihrer Mitglieder aktiv zu werden; auch hierfur dient ein Umweltmanagementsy­stem, das eine okologische FrUhwamfunktion beinhaltet. Mitglieder mit umweltre­levanten Anforderungen brauchen dann auch nicht eventuell ihre Einkaufsquelle zu wechseln, sondem konnen erwarten oder als Mitglied dafur werben, daB ihre Genossenschaft in ihrem Sinne tatig wird.

Die genossenschaftstypische (zweifache) Verbundenheit von Mitgliederwirt­schaften und Genossenschaftsuntemehmen begrilndet nicht nur die besondere Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit eines Umwelt(risiko)managements fur die Mitglieder, sondem vice versa auch die besondere Verantwortung zur Sicherung der Existenz- und Leistungsfahigkeit der Genossenschaft, die heute und in Zukunft ohne umweltgerechtes Management nicht zu den ken ist. Bei Genossenschaften, die sich hingegen umworbenen, relativ unabhangigen Mitgliedem gegenilbersehen (z. B. Bankgenossenschaften), kann Umweltrnanagement zumindest als Wettbewerbs­argument, Zusatznutzen oder Identifikationsmoment dienen; die Mitglieder wissen und erfahren, daB sie es als Eigentiimer und KundeniLieferanten mit einem ver­antwortungsbewuBten, umweltschutzkompetenten und zukunftssicheren Unter­nehmen zu tun haben.

These 4: Die mitgliederorientierte geschaftspolitische und raumliche Beschrankung schafft besondere Bedingungen fUr Anwendung des Oko-Audits - vor Ort und im Verbund.

Genossenschaften, insbesondere die sogenannten Primar- bzw. Ortsgenossenschaf­ten, sind strukturell und traditionell auf regionale Geschaftsgebiete und Markte hin ausgerichtet. Die Mitglieder- und Kundennahe ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Genossenschaftswirtschaft insgesamt. Mitglieder und Kunden, aber auch Mit­arbeiter, haben "vor Ort" mit ihrer Genossenschaft als Arbeitgeber und Betriebs­standort zu tun. Einerseits wirken so lokale Umweltbelastungen der Genossen-

Page 167: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe 159

schaft, wie z. B. Geschaftsverkehr, Larrn, Emissionen, Abwasser etc. unrnittelbar auch auf Mitglieder, Kunden, Mitarbeiter und deren Umwelt ein. Andererseits steIl en die dezentrale Struktur und regionale Markteinbindung, die Identifikation vor Ort und die Beteiligungsmoglichkeiten der Mitglieder aus der Bevolkerung gute Voraussetzungen fur eine umweltgerechte, auf Dialog mit Interessensgruppen und OffentIiche Belange gerichtete Wirtschaftsweise dar. Die standortbezogene Oko-Auditierung ist fur Genossenschaften dadurch, daB sie Nachbarschaft, Kun­den, Mitglieder und Mitarbeiter gleichzeitig erreicht, sehr zielsicher und effektiv. Sie konnen dam it auch die traditioneIle Verbundenheit mit ihrem Ort und ihrer Region und den dort lebenden Menschen bestarken.

Genossenschaften sind autonome, aber geschaftspolitisch und raumlich auf ihre Mitglieder orientierte Untemehmen mittelstandischer GroBenordnung. Ihr Poten­tial ware beschrankt, konnten sie nicht durch den Genossenschaftsverbund Lei­stungen eines GroBuntemehmens anbieten. Genossenschaften kooperieren eng innerhalb der Branchengrenzen (z. B. Bankgenossenschaften, Raiffeisengenossen­schaften etc.) und darUber hinaus (gemeinsame lnstitutionen, Ubergreifende Ge­schaftsbeziehungen etc.). Sie kompensieren ihre (Selbst-) Beschrankung durch die Zusammenarbeit im genossenschaftlichen Verbund zur SichersteIlung ihrer Wett­bewerbs- und Forderfahigkeit.

Die genossenschaftliche Zusammenarbeit im Verbund bewirkt eine Gruppeni­dentitat, vielfaltige Abhangigkeiten und Kooperationsvorteile. Die Gruppenidenti­tat (z. B. der genossenschaftlichen Bankengruppe, der Raiffeisengruppe) fuhrt u.a. dazu, daB das Verhalten eines Gruppenmitglieds sich auf die Gruppe insgesamt auswirkt und umgekehrt. Dadurch besteht die Moglichkeit, daB genossenschaftli­che Umweltpioniere das Ansehen der gesamten Gruppe heben, oder auch, daB Umweltskandale in der Gruppe die Arbeit und das Ansehen eines vorbildlichen Genossenschaftsuntemehmens zunichte machen. Ein Konzem oder eine Franchise­Kette wUrde aus diesen GrUnden einheitlich und abgestimmt handeln.

Die Verbundintegration der Genossenschaften beinhaltet mehr oder weniger intensive VerknUpfungen und Abhangigkeiten: Man spricht u.a. yom Umsatzver­bund (Umsatze zwischen Genossenschaften), Kreditverbund (Finanzierung inner­halb des Verbundes), Liquiditatsverbund (Ausgleich von Liquiditat), Garantiever­bund (genossenschaftliche Solidaritat). So wickelt beispielsweise eine Einkaufsge­nossenschaft die Warenbeschaffung tiber die Zentrale und ihre Geldgeschafte Uber die Genossenschaftsbank ab, die sich ihrerseits genossenschaftlich refmanziert; aIle Beteiligten lassen ihre Mitarbeiter in genossenschaftseigenen Akademien schul en, sind ggf. beim genossenschaftlichen Versicherungsuntemehmen versi­chert und werden yom zustandigen Verband in untemehmerischen Dingen vertre­ten, beraten sowie geprUft.

Diese teilweise sehr engen leistungsmaBigen und finanzieIlen Verflechtungen haben Folgen. Legen beispielsweise Genossenschaftskunden als Untemehmen mit eigenem Umweltmanagement und entsprechenden Einkaufskriterien Wert auf das

Page 168: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

160 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Vorhandensein eines Umweltmanagements ihres genossenschaftlichen Partners, so konnte diese Marktanforderung die Genossenschaft im Wettbewerb dazu zwingen, ein eigenes Umweltmanagementsystem einzurichten, inclusive der damit einherge­henden Umweltanforderungen an ihre Lieferanten, die Mitglieder. Ein derartiger "Dominoeffekt" - wie er auch aus der Verbreitung von Qualitatsmanagement­systemen bekannt ist - kann innerhalb oder Uber die Grenzen der genossenschaftli­chen Organisation hinaus wirksam werden. Oder: Genossenschaftsbanken, die aus GrUnden professionellen Bankmanagements die umweltbezogene Bonitat von Kre­ditnehmem unter die Lupe nehmen (okologische Kreditwtirdigkeitsprtifung, Fir­menrating o.a.) und das Vorhandensein eines Umweltmanagement- bzw. Oko­Audit-Systems zurecht als Indikator positiv anrechnen, mUssen diese Kriterien zuletzt auch fUr sich selbst gelten und sich von ihren Kapitalgebem, Mitgliedem, Sparem oder auch Kreditnehmem fragen lassen, ob sie denn an ihren eigenen Kri­terien gemessen Bonitat genieBen. Auch bei Finanzierungsvorhaben und Beteili­gungen im Genossenschaftsverbund mUBten konsequenterweise dieselben Boni­tatskriterien wie gegenUber nichtgenossenschaftlichen Kreditnehmem angelegt werden. Der genossenschaftliche Verbund ist so gesehen ein lmage-, Leistungs-, Kapital- und Risikoverbund, der zwar Solidaritat Ubt, aber diese auch durch Sicherstellung der Einhaltung bestimmter (Umwelt-) Standards einfordem muB.

Der Genossenschaftsverbund mit allen seinen Untemehmen und lnstitutionen hat ein unwahrscheinliches Potential: zum einen ein Umweltbelastungspotential wie ein GroBkonzem, zum anderen die Chance, durch systematischen Einsatz seiner ihm zur Verfugung stehenden Krafte Umweltauswirkungen samt Kosten und Risiken zu senken. Wo nichtgenossenschaftliche klein- und mittelgroBe Untemeh­men schnell an ihre Grenzen stoBen und versuchen, durch Beteiligung an extemen lnitiativen und Umweltarbeitskreisen ihr Umweltmanagement zu erarbeiten bzw. zu verbessem, konnen gerade auch auf diesem Feld Genossenschaften durch Zu­sammenarbeit im Verbund profitieren.

Denn als mittelstandische Untemehmen haben Genossenschaften, wie andere KMUs (kleinere und mittlere Untemehmen) auch, spezifische Probleme bei der Etablierung eines Umweltmanagement - und Oko-Audit-Systems nach dem "Stand der Technik", z. B. dem europaischen Modell der Oko-Audit-Verordnung: Es sind im Sinne von Vorleistungen zunachst zeitlich, personell und finanziell nicht uner­hebliche Ressourcen bereitzustellen. Die Einrichtung eines Umweltmanagement­und Oko-Audit-Systems verlangt spezifisches Know how mehrerer Fachdiszipli­nen. Umweltarbeitskreise unter Moderation von Experten und Erfahrungsinput von Vorreitem haben sich im allgemeinen als effizienter Weg zum Aufbau von Um­weltmanagementsystemen gerade in kleineren Untemehmenseinheiten bewiihrt.

Genossenschaften mUss en sich dabei nicht - wie Untemehmen aus dem nichtge­nossenschaftlichen Bereich - irgendwelche "fremde" Fachleute oder Partner su­chen bzw. mit "Konkurrenten" zusammenarbeiten. Sie konnen direkt im Rahmen ihres Verbundes von den Erfahrungen anderer, auch Uber Branchengrenzen hin­weg, profitieren. Und Erfahrungen in den verschiedenen genossenschaftlichen

Page 169: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschafiliche Aufgabe 161

Sparten gibt es schon einige. Innerhalb einer Branche oder eines Wirtschaftssek­tors kann so das Phanomen der Erfahrungskurve nutzbar gemacht werden; aber gerade auch der Austausch und die Zusammenarbeit tiber Branchengrenzen hin­weg bringen oft tiberraschend innovative Losungen hervor, ganz abgesehen davon, daB es neb en branchenspezifischer Inhalte auch viele grundsatzliche Gemeinsam­keiten von Umweltmanagement- und Oko-Audit-Systemen gibt. Der Verbund -unter herausragender Funktion der Genossenschaftsverbande - ist das Instrument der Wahl, wenn es darum geht, Umweltmanagement auf breiter Basis in der Or­ganisation zu etablieren.

These 5: Fur die Genossenschaftsverbande als die Prufungs- und Dienstleistungseinrichtungen der Genossenschaftsunternehmen ist Oko-Audit eine aktuelle Aufgabenstellung.

Die Genossenschaften sind Genossenschaftsverbanden angeschlossen, welche die genossenschaftliche Pflichtprtifung vornehmen, wirtschaftspolitische Interessen vertreten, Aus- und Weiterbildung betreiben und sonstige Dienst- bzw. Beratungs­leistungen (Organisationsberatung, Information, Kommunikation, StatistikiDaten­verarbeitung) bereitstellen.

Der Prtifungsverband tibernimmt mit der gesetzlichen Pflichtprtifung eine prak­tische Verantwortung fUr die ihm zugehtirigen eingetragenen Genossenschaften. Die Pflichtprtifung nach §53 GenG beinhaltet die Feststellung der wirtschaftlichen Verhaltnisse und die Frage nach der OrdnungsmaBigkeit der GeschaftsfUhrung der Genossenschaft - damit auch die Wahmehmung des Ftirderungsauftrags. Zwecks Feststellung der OrdnungsmaBigkeit sind die Einrichtungen, die Vermtigenslage und die Geschaftsfiihrung jeder eingetragenen Genossenschaft zu prtifen. Die Prti­fung der Vermtigenslage richtet sich auf Umsatz, Finanzierung und Ertragskraft, wobei hier Produktivitat und Effektivitat der Vergangenheit und auch die Entwick­lungsperspektiven (Zukunftsfahigkeit) zu berticksichtigen sind. Die Prtifung der Einrichtungen muB Investitionen und organiatorische Vorkehrungen zur ErfUllung des Genossenschaftszwecks im Blick haben und dabei auch allgemein anerkannte betriebsorganisatorische Grundsatze, Methoden und Normen berticksichtigen.

Die Untersuchung der OrdnungsmaBigkeit richtet sich auf die GeschaftsfUh­rungsorganisation, die Ftihrungsaktivitaten und das eingesetzte Managementin­strumentarium. Die Feststellung der OrdnungsmaBigkeit beinhaltet eine klassische Managementsystemprtifung, die von der Frage nach Formulierung einer Geschafts­politik (Leitlinien), tiber Zielformulierung und Programmentwicklung (Unterneh­mens-/ Ftirderplan), Organisation (Autbau-/ Ablauforganisation) und Kontrolle (interne Revision) bis hin zur Rechenschaftslegung (Geschaftsbericht / Ftirderbe­richt) reicht. An die OrdnungsmaBigkeit werden hohe Anforderungen gestellt. Die GeschaftsfUhrung muB in der Lage sein, einerseits die Interessen der Mitglieder in

Page 170: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

162 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

dem gemeinschaftlichen Geschaftsbetrieb langfristig zu verwirklichen, und sie muB andererseits in der Lage sein, zur Erreichung dieses Auftrags die Genossen­schaftsuntemehmung in einen leistungsfahigen Zustand zu versetzen und diesen Leistungsstand in Anpassung an die sich andemden Wirtschafts- und Gesell­schaftsverhaltnisse zu halten.

Das Fehlen eines Umweltmanagementsystems wird - zum Teil schon heute - als Organisations- und Managementmangel klassifiziert; denn was bedeutet Umwelt­managementsystem zunachst anderes, als bestehende Ptlichten nach heutigen An­forderungen systematisch zu organisieren und ordentlich zu erfullen, Kosten und Risiken zu senken sowie Image- und Marktchancen zu ergreifen. Aus gutem Grund und dem genossenschaftlichen Selbsthilfe- bzw. Verbundprinzip entsprechend haben die Genossenschaften ihre eigenen Untemehmensberater und Prlifer, die Verbande, deren Kompetenz hier gefragt ist. Gerade die Genossenschaftsverbande, deren Auftrag liber die reine Wirtschaftspriifung hinausgeht und als Betreuungs­prlifung verstanden werden kann, konnen mit Unterstlitzung der ihnen zur Verfli­gung stehenden Beratungs- und Schulungskapazitaten die Entwicklung von Um­weltmanagementsystemen und die Durchflihrung von Umweltbetriebsprlifungen begleiten.

Mit dem Oko-Audit hat sich neben der Wirtschaftsprlifung ("financial audit") ein vollstandig neues Prlifungssystem etabliert. Die aktiv am Entwicklungs- und UmsetzungsprozeB des Oko-Audit-Systems und der Umweltmanagement-Normen beteiligten (nichtgenossenschaftlichen) Wirtschaftsprlifungs- und Untemehmens­beratungsgesellschaften sehen hierin jedenfalls ein neues, wettbewerbsrelevantes Geschaftsfeld. Flir Genossenschaftsverbande konnte das dann spatestens ein Ar­gument werden, wenn (zwar nicht die Ptlichtprlifung, aber moglicherweise) die Ptlichtmitgliedschaft der Genossenschaftsunternehmen im Verband fallen sollte. Nur als moderne Dienstleistungunternehmen haben Genossenschaftsverbande eine Zukunft; schon werden Dienstleistungsgeblihren immer wichtiger neben den Ver­bandsbeitragen.

Genossenschaftsverbande haben eine integrierende, qualifizierende und moti­vierende Funktion im Genossenschaftswesen. Eine wichtige Rolle hierbei spielt die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitem, Flihrungskraften, Ehrenamtlichen (Auf­sichtsrate etc.). Seit langem haben sich hierflir die genossenschaftlichen Bildungs­einrichtungen (Akademien) bewahrt. Oko-Audit und Umweltmanagement beinhal­tet auch und insbesondere die umweltbezogene BewuBtseinsbildung, Schulung, In­formation sowie Motivierung der Mitarbeiter und aller genossenschaftlich relevan­ten Krafte. Auf dieses Aufgabenfeld mlissen sich die Genossenschaftsakademien einstellen, was auch schon zum Teil geschehen ist; so ist z. B. "Umwelt­management" Bestandteil genossenschaftlicher Flihrungsseminare. Die Akademien konnen in Zusammenarbeit mit weiteren Dienstleistungseinrichtungen der Verban­de (z. B. der Beratung) die Plattform fur Kooperation und Koordination zur Erar­beitung von Umweltmanagementsystemen in der Gruppe abgeben. Ein erster wich­tiger Schritt fur die Verbande und Verbandseinrichtungen ware es, Vorbilder zu

Page 171: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe 163

prasentieren und Vorbild zu sein; Umweltmanagement bei Dienstleistem, Verban­den oder Akademien ist heute nichts Neues oder Ungewohnliches mehr.

Eine weitere nicht zu unterschatzende Aufgabe des Verbandes ist die umwelt­bezogene Erganzung, Verfeinerung und Erweiterung der Genossenschaftsstatisti­ken. Aus anderen Anwendungsbereichen ist jedem einsichtig, weIche wichtige Funktion die Statistik und das Datenwesen sowohl einzelbetrieblich als auch tiber­betrieblich als Instrument der Planung, Steuerung und Erfolgsmessung einnimmt. So ware es - nur als ein Beispiel - nicht unwichtig zu wissen, wie hoch der Ener­gieverbrauch (okonomisch und physikalisch) nicht nur der einzelnen Genossen­schaft, sondem der Genossenschaften einer Verbandsregion bzw. aller Genossen­schaften insgesamt ist (in der Summe, im Durchschnitt, tiber eine genossenschaft­liche Sparte hinweg). An derartigen Daten und aufbereiteten Kennzahlen ware abzulesen, was beispielsweise das Ziel der Reduzierung des Energieeinsatzes urn 5% fur okologische und okonomische Konsequenzen hatte und ob sich entspre­chende MaBnahmen lohnen. Genossenschaften konnten anhand gemeinsam ent­wickelter und angewendeter Datenstrukturen und KenngroBen (okologische Kontenrahmen, Kennziffem etc.) zeitliche und zwischenbetriebliche Vergleiche (Benchmarking) anstellen. Einzelwirtschaftliche Entscheidungen fur oder gegen bestimmte MaBnahmen konnten auf rationaler Basis gefiillt und effizient durchge­fuhrt werden. Auf der Grundlage soIcher Informationen waren Genossenschaften und deren Verbande auch in der Lage, sich der umweltpolitischen Diskussion offensiv zu stellen und ihren Beitrag beispielsweise zum COrZiel der Bundesre­gierung aufzuzeigen.

These 6: Genossenschaften mussen das Oko-Audit als Instrument eines modern en Umweltmanagements aufgreifen und in ihr "Genossenschaftsmanagement" einbetten.

Keine Branche und kein Wirtschaftssektor, in denen auch Genossenschaften aktiv sind, bleibt unberiihrt von der okonomisch, okologisch und umweltpolitisch vielversprechenden Forderung nach einem systematisch betriebenen Umwelt­schutz. Betrachtet man die genossenschaftlichen Sparten: Bankgenossenschaften (Raiffeisenbanken und Volksbanken), landliche (Raiffeisen- bzw. Agrar-) Genos­senschaften, gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften, so wird deutlich, daB Umweltmanagement und Oko-Audit nicht nur ein Thema ist, sondem z.T. von Genossenschaftsuntemehmen, z.T. von Branchenkonkurrenten als Instru­ment der Zukunftssicherung und des Wettbewerbs schon heute erkannt und einge­setzt wird.

Page 172: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

164 Kapitell: Umwelt- und Agrarpolitik

Obersicht tiber Entwicklungen und Aktivitaten in verschiedenen Sektoren (Auswahl)

BankenlDienstleister: • Erklarung (Selbstverpflichtung) der Banken zur Umwelt und langfristig tragfilhigen Entwicklung;

Tagung des Umweltbundesministeriums zu Umweltverantwortung und Finanzdienstleistungen

• OkobilanzenlOko-Audit-Aktivitliten mehrerer BankenlSparkassen (u.a. Schweizerischer Bank­verein, Stadtsparkasse MOnchen, LG Stuttgart, Raift'eisen SchweiziOsterreich, Volksbank Kirch­

heimffeck, Volksbank Stadthagen), Versicherungen (Allianz, R+V, Rheinland-Versicherung

u.a.), Bausparkassen (Schwabisch Hall);

• Haupterkenntnis: Auch Dienstleister sind umweltrelevant; es bestehen erhebliche Verbesserungs-, Kostensenkungs-, Risikominimierungs- und Markterfolgspotentiale; Ansatzpunkte sind vor allem:

der Bankbetrieb, das Passivgeschaft, das Aktivgeschaft und die InformationIBeratung; • aktuelle Fragen: Branchenspezifische Standardisierung von Umweltkennzahlen und Umweltbe­

richten (Ziele: u.a. Benchmarking); Absenkung der Kredit- bzw. Versicherungsrisiken, Anpassung

der Oko-Audit-Verordnung bzw. Anwendung von Umweltrnanagementnormen filr Bankenl

Dienstleister;

• "Sonstige Dienstleister": OkobilanzenlUmweltmanagement von Universitaten, Fachhochschulen,

Akademien, Datev, Verbanden, Flughafen, Speditionen, Kommunen, Bundesamtem u.a.

GewerbelHandel: • mittlerweile praktische Erfahrungen in der Okologischen Untemehmensfilhrung in allen gewerb­

lichen Branchen entsprechend EG-Verordnung; Resultat: Kosten-I Risikosenkung, Motivations­steigerung/Organisationsentwicklung, Imagegewinn;

• Aktivitaten des Handels: z.T. eigene Umweltschutzkonzepte, Zertifizierungen in Anlehnung an

EG-Oko-Audit-Verordnung bzw. nach DIN EN ISO 14001 (Umweltrnanagement-Norm); Bei­spiele: WOrth, Okobilanz Volg Konsumwaren, Handelshauser; Zentralgenossenschaften;

• Gewerbe/Handwerk: Nach EG-Oko-Audit-Verordnung ca. 200 validierte/zertifizierte gewerbliche Untemehmen, sowohl kleine (unter 10 Mitarbeiter) bis hin zu GroBuntemehmen;

• Tendenz: VerknOpfung von Qualitatssicherung, Umweltschutz und Arbeitssicherheit, Integration der Managementsysteme ("Integriertes Management" bzw. "Generic Management" nach ISO)

• Resonanz: Diskussion urn abgesenkte Versicherungspramien, verringerte Kreditzinsen, bevorzugte Vergabe von FOrdermitteln, schnellere Genehmigungsverfahren u.a. filr Untemehmen mit Um­

weltrnanagementsystemen

Agrarwirtschart: • Fortschreitende Entwicklung des natumahen Anbaus, wachsende Sensibilitllt der Konsumenten,

Diskussion ober Rolle der Land- und Forstwirtschaft im Umwelt- und Naturschutz, in einer nach­

haltigen Entwicklung;

• Neben Produkt-Oko-Siegeln und Herkunftsbezeichnungen rOckt der landwirtschaftliche (forst­

wirtschaftliche, gllrtnerische) Betrieb und dessen Umweltorientierung in den Blickpunkt; Absiche­rung der vertikalen Integration von Erzeugung, Verarbeitung, Vermarktung durch Qualitats- und

Umweltkriterien;

• VerarbeitungIHandel: Umweltschutz- (und Qualitats-, Arbeitsschutz-) Relevanz im Bezugsge­schaft (Transport, Lagerung z. B. Pflanzenschutz-lDongemittel etc.), in der Verarbeitung (Ver­

fahrensrisiken, Energie, Transporte, Abflllle etc.) sowie im Absatz (Oko-Marken etc.)

• Veranstaltungen, Pilotprojekte und Arbeiten zum "Agrar-Oko-Audit", zum Oko-Audit in Molke­reien, Umweltrnanagement in Winzergenossenschaften, Aktivitaten der Landwirtschaftlichen

Zentralgenossenschaften

Page 173: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oka-Audit - eine genassenschaftliche Aufgabe 165

Es ware wohl etwas tibertrieben zu sagen: "Umweltmanagement ist nicht alles, aber ohne Umweltmanagement ist alles nichts"; ein wahrer Kern ist in dieser Aus­sage jedoch sicher enthalten. Aile Unternehrnen sehen sich heute Umweltforderun­gen gegentiber, aber nicht nur. Von verschiedenen sogenannten "Anspruchsgrup­pen", "stakeholder", "Koalitionsteilnehrnern" bzw. "Interessensgruppen" werden unterschiedlichste Forderungen an die Unternehrnen gestellt, die sich immer weni­ger auf eine enge tikonomische Zieldefinition beschranken ktinnen: Die Gesell­schaft formuliert ihre Erwartungen in der Regel tiber den Gesetzgeber, die Offent­lichkeit in der Region oder der Gemeinde erwartet bestimmte Aktivitaten oder Verhaltensweisen, Geschaftspartner wtinschen hochwertige Leistungen mit be­stimmten Eigenschaften, Mitarbeiter legen Wert auf ansprechende Arbeitsbedin­gungen, Versicherungen wollen kalkulierbare Risiken, Kapitalgeber Garantien, die sich nicht aile in auf materielle Sicherheiten beziehen, etc. Die Berticksichtigung der jeweiligen relevanten Ansprtiche ist eine Voraussetzung fur wirtschaftlichen Erfolg bzw. Akzeptanz und den Erhalt der Existenz sowie der Autonomie von Unternehrnen.

Eine maf3gebliche genossenschaftsspezifische Anspruchsgruppe sind die Mit­glieder mit ihren Ftirdererwartungen. Genossenschaftstheorie und Genossen­schaftspraxis setzen sich daher schon seit jeher mit den Mitgliederansprtichen und deren Umsetzung auseinander: Wie sieht das genossenschaftliche Zielsystem aus, wer formuliert die Zielsetzung, was ist "genossenschaftlicher Erfolg", wie ist die Einfluf3nahrne der Mitglieder zu organisieren, welche Kontrollmechanismen schtit­zen die Mitgliederinteressen, welche Kommunikationsbeziehungen sind der Ge­nossenschaft angemessen etc. Aus diesen Dberlegungen sind konkrete Ansatze hervorgegangen (Mitgliederpartizipation, Ftirderplan und Ftirderbericht, Ehren­amtliche als Mitgliederbeauftragte etc.) die in ihrer Gesamtheit als "genossen­schaftliches Mitgliedermanagement" bezeichnet werden ktinnen.

Spezifische "Managementsysteme" werden meist dann aktuell, wenn grtif3ere Komplexitat und zunehmende Anforderungen dazu fuhren, daf3 ein Ziel oder An­spruch nicht mehr durch informelle Aufgabenerledigung effizient und effektiv erfullt werden kann. Durch die Entwicklung von der traditionellen, tiberschauba­ren, mitgliederbestimmten Genossenschaft des traditionellen Typs hin zu grtif3eren, managergeleiteten Marktgenossenschaft wurde es notwendig, sich tiber ein syste­matisches Mitgliedermanagement Gedanken zu machen. 1m Umweltschutz sind es u.a. komplexe Umweltgesetze, wachsende gesellschaftliche Anforderungen, hohe Umweltschutzkosten; im Bereich der Qualitatssicherung die komplexere Lei­stungserstellung, der zunehmende Wettbewerb, steigende Anforderungen an Pro­dukte und Dienstleistungen; im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes die Bedeutung von Krankheitskosten, der Mitarbeitermotivation, der Arbeitsplatzat­traktivitat. Die Sicherung der spezifisch tikonomischen Unternehrnensziele sind hingegen immer schon von zentraler Bedeutung gewesen und entsprechend ausge­feilt die Managementsysteme zur Planung, Durchfuhrung, Kontrolle, Rechen­schaftslegung und Prtifung der Wirtschaftlichkeit.

Page 174: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

166 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

Entscheidend fur die einzelnen "Anspruchsgruppen" ist die glaubhafte, nach­vollziehbare bzw. testierte Rechenschaftslegung beztiglich der sie interessierenden Unternehmensaktivitaten und -ergebnisse. Ftir die Unternehmen ist von Bedeu­tung, daE sie ihre Verantwortung selbstgestaltend wahrnehmen konnen und ihre Vorgehensweise von Geschaftspartnern und Anspruchsgruppen letztendlich akzep­tiert wird. An diesen Bedingungen orientieren sich bestehende bzw. neuere "Managementsysteme". Sie geben Strukturen vor, lassen aber unternehmensindivi­duelle Gestaltungsfreiheit; sie sehen Dokumentationspflichten und Uberprtifungen vor; sowohl intern als auch extern werden so Funktionsfahigkeit und Wirksamkeit des Systems gesichert und nachweisbar.

Es kann aber von kleineren und mittelstandischen Unternehmen und Genossen­schaften nicht erwartet werden, daE sie fur jeden Interessensbereich ein eigenes System mit spezifischen Organisationsstrukturen, Instrumenten, Dokumentationen, Prtifverfahren etc. aufbauen und nachweisen mtissen. Wenngleich aile angespro­chenen Ansprtiche als Managementaufgaben heute praktisch jedem Wirtschaftsun­ternehmen obliegen, sind diese doch unternehmensindividuell von unterschiedli­cher Bedeutung und sollten dementsprechend auch bedarfsgerecht implementiert, d.h. im Rahmen eines integrierten Managementsystems angemessen berticksichtigt werden. Auf diese Art und Weise konnen erhebliche Effizienz-, Synergie- und Lerneffekte realisiert und Doppelaufwendungen vermieden werden.

"Das Umweltmanagement" kann z. B. "vom Genossenschaftsmanagement" (der Genossenschaftspraxis bzw. den Genossenschaftswissenschaften) lemen, was es heiEt, tiber Betriebsgrenzen hinweg zu kooperieren, urn gemeinsam mehr zu errei­chen, was es heiEt, auch "metaokonomisch" Rechenschaft abzulegen (Erfahrung aus Diskussion urn Forderung und Forderbilanzen), was es heiEt, organisierten Dialog mit "Anspruchgruppen" (der Mitgliederschaft) zu fuhren, was es heiEt, demokratische Verhandlungen zu fuhren statt rein autonom zu entscheiden (Selbst­verwaltung), was es heiEt, auch "innovative" Formen und Losungswege zuzulassen ("alternative Genossenschaften"), was es heiEt, bei der Priifung von Unternehmen nicht nur rein (kurzfristig) okonomisch zu bewerten, sondern langfristig Erwartun­gen zu erfullen (Daueraufuag), was es heiEt, Erfolgsindikatoren nicht nur im ope­rativen Bereich, sondern auch auf organisatorischer Ebene anzuwenden (z. B. Mitgliedbeteiligung).

Page 175: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe 167

Zweck Umweltschutz Qualitiits- Arbeits-/ Wirtschaftlich- Mitglieder- genoss. sicherung Gesundheits- keit fiirderung Zukunfts-

schutz sicherung

System Umwelt- Qualitllts- Arbeitsschutz- Controlling, Mitglieder- Integriertes management management management Management management Geno-

management

Zielgruppen Offentlichkeit KundenlAuf- Mitarbeiter u.a. EigentOmer, Mitglieder u.a. u.a. (Geschilfts- traggeber u.a. (Berufsgenoss., Glilubiger u.a. (Geschilftslei- ¢:>

leitg., Kunden, (Geschilftsleitg., Gew.aufsicht, (Geschilftsleitg., tungIV orstand, Nachbarn, Mitarbeiter ... ) Geschilfts Offentlich Aufsichtsrat, Behorden ... ) leitg ... ) keit ... ) Genoverband)

Planung Umwelt- Qualitilts Arbeitsschutz- Geschilfts FOrderleitlinien, leitlinien, -plan, leitlinien,-plan, leitlinien,-plan, leitlinien,-plan, -plan, - ¢:>

-programm -programm -programm -programm Iprogramm

Durch- Umweltschutz Qualitilts Arbeitsschutz Geschilfts FOrderungs fUhrung -organisation, -organisation, -organisation, -organisation, -organisation ¢:>

-infosystem, -infosystem, -infosystem, -infosystem, -infosystem, -personal, -personal, -personal -personal, -personal, -maBnahmen, -maBnahmen, -maBnahmen, -maBnahmen, -maBnahmen, -kontrolle -kontrolle -kontrolle -kontrolle -kontrolle

interne Umweltbetriebs QM.-prOfung AM-PrOfung PrOfung (interne FOrderprOfung PrOfung -prOfung (quality audit) (occupational Revision) durch (Mitglieder- ¢:>

(eco audit) durch Auditoren safety audit) Revisoren Audit) durch durch Auditoren durchFASi Aufsichtsrat

Rechen- Umweltbilanz, Q.-statistik und A. -statistik, ev. lahresabschluB, Geschilfts- und schafts- U.erklilrung, Handbuchl Sozialbericht, Geschilfts- FOrderbericht ¢:>

legung Dokumentation Dokumentation Dokumentation bericht externe Umwelt- Qualitiltsnorm- Aufsichts- Wirtschafts- Genossen-PrOfung gutachter Zertifizierer beamte, prOfer schaftsprOfer ¢:>

(Zertifizierer) IIZertifizierer) (Verband) Normative Umweltgesetze, Produkt- Arbeitsschutz- HGB, Gesell- Genossen-Grundlagen Normen haftungsgesetz, gesetze, schaftsrecht, schaftsgesetz, ¢:>

(ISO 14000er), Normen EU-Richtlinie, Publiz.l Bilanz- genosseschafts-EG-Oko-Audit- (ISO 9000er) (Norm BSI richtlinien- wissenschaftl. Verordnung 8800) gesetz, GoB Grundlagen

"Das Genossenschaftsmanagement" kann "vom Umweltmanagement" (oder auch yom Qualitatsmanagement) beispielsweise lemen, welchen Stellenwert schriftlich formulierte, sich an Guten-Management-Praktiken orientierte Leitlinien haben (wieviele Genossenschaften haben spezifische Forderleitlinien), weIchen prakti­schen Stellenwert konkrete Zielsetzungen und Programme haben (wieviele Genos­senschaften machen einen Forderplan), weIche Bedeutung spezifischen MaJ3nah­men zur Schulung und BewuJ3tseinsbildung der Mitarbeiter zuzumessen ist (wissen die Mitarbeiter wirklich, was es heiJ3t, Mitarbeiter einer Genossenschaft zu sein), weIche Funktion Soll-Ist-Kontrollen, Kennziffem und Berichte auch im "metaokonomischen" Bereich haben (wieviele Genossenschaften wenden diese Methoden f6rderbezogen an) und was (interne und exteme) Priifungen (tiber enge Wirtschaftspriifungen hinaus) an fruchtbaren Erkenntnissen, Verbesserungspoten-

Page 176: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

168 Kapitel I: Umwelt- und Agrarpolitik

tialen, Dialogan!assen und Vertrauenswirkungen hervorbringen konnen (For­derungs-Audit zur Starkung der Identifikation mit und Festigung des Vertrauens in das "System Genossenschaft").

Gerade die Einfiihrung von Umweltmanagementsystemen zeigt in der Praxis, daB soIche Projekte und Systeme durch Synergie- und Lerneffekte weit tiber ihren eigentlichen, ursprtinglichen Zweck hinauswirken konnen: Beim Umweltmanage­ment sind es unter anderem die praktisch von allen Seiten akzeptierten, motivie­renden Zielsetzungen, die zentralen Anforderungen an die Kommunikations- und Kooperationspraxis aller Beteiligten oder auch die neuen umweltspezifischen Instrumente (physikalische Daten einer Okobilanz, Lebenswegbetrachtungen von Produkten etc.), die Effekte auf die interne Motivations-, Informations- und Ent­scheidungslage des ganzen Unternehmens ausUben und damit weit Uber Verbesse­rungen des betrieblichen Umweltschutzes hinaus positiv wirksam sind.

10.3 Zusammenfassende SchluBbemerkungen

Ftir genossenschaftliches Management ist das gesamte praktische und wissen­schaftliche Management-Know how relevant, das generell fiir aile Unternehmens­formen des betreffenden Wirtschaftszweiges gilt; auBerdem sind aile Erkenntnisse und Erfahrungen darauf hin abzuklopfen, weIche Obertragungsmoglichkeiten auf die Genossenschaftsspezifika bestehen (in diesem Sinne auBerte sich Prof. Dr. Helmut Lipfert auf der XI. Internationalen Genossenschaftswissenschaftlichen Ta­gung in MUnster schon vor 10 Jahren). Dies wurde hier durch die Diskussion der Fragestellung "Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe" in ersten Ansatzen zu leisten versucht. Die Diskussion ist dam it sicherlich noch nicht abgeschlossen, aber hoffentlich befruchtet.

Genossenschaftsmanagement heiBt: Dauerhafte maximale Forderung der Mit­glieder, optimale Kooperation (im Verbund und zwischen Managern, Mitgliedern und Mitarbeitern) sowie Befriedigung der Anforderungen sonstiger relevanter Anspruchsgruppen (Kunden, Mitarbeiter, Nachbarschaft, Gesellschaft). Aile diese genossenschaftlichen Aufgaben weisen positive Verkntipfungen zum Umweltma­nagement bzw. Oko-Audit auf: Die Mitglieder konnen auf Dauer und zusatzlich gefordert werden, die Zusammenarbeit im Verbund wird intensiviert und ist Vor­aussetzung dafiir, Umweltmanagement und Oko-Audit effektiv und effizient ein­bzw. durchzufLihren, Systemkomponenten des Umweltmanagements konnen im Rahmen eines "Integrierten Genossenschaftsmanagements" Umweltanforderungen und weitere AnsprUche verschiedener Interessensgruppen an Genossenschaften befriedigen helfen.

Da die einzelnen Genossenschaften grundsatzlich autonom und wirtschaftlich selbstandig sind, sollten gewisse Standards gesetzt und gemeinsame Schritte unter-

Page 177: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

10 Oko-Audit - eine genossenschaftliche Aufgabe 169

nommen werden, die dafur sorgen, daB die Genossenschaftsgruppe ihr Profil und ihre Akzeptanz auf dem Markt und in der Gesellschaft erhalt. In einer Zeit, in der "nachhaltig umweltgerechtes Wirtschaften" zur Maxime erhoben wird, ist die Reputation einer wirtschaftlich und gesellschaftlich bedeutenden Gruppe bzw. Organisation, die nichts in dieser Richtung unternehmen wtirde, nur halbherzig reagiert oder durch negative Einzeif<ille gar gegenteilige Signale aussendet, mit allen okonomischen Konsequenzen durchaus in Frage gestellt.

Das gesamte Genossenschaftswesen, jede Institution im genossenschaftlichen Verbund, sollte dadurch ihre Zukunftsfiihigkeit absichern, daB sie die aktuellen Umweltfragen auf sich bezieht und fur ihren Verantwortungsbereich beantwortet, daB sie ihren Organisations- bzw. Umweltpflichten systematisch gerecht zu werden versucht und sich eigene Umweltziele setzt, und daB sie diese mittels eines geeig­neten Management- und Auditsystems realisiert. Das wird mit groBer Sicherheit auch dazu beitragen konnen, die genossenschaftliche Unternehmenskultur, die Mitarbeiteridentifikation, die Kundenzufriedenheit und die Mitgliederverbunden­he it insgesamt zu starken. Die bisherigen Oberlegungen haben sich primar an das genossenschaftliches Unternehmen bzw. den Genossenschaftsbetrieb gerichtet. Dies ist vor dem Hintergrund des Adressatenkreises und der Standortbezogenheit des EG-Oko-Auditsystems auch richtig. Eine Genossenschaft ist jedoch im Grunde eine Organisation, die aus dem Genossenschaftsbetrieb und den Mitgliederwirt­schaften (Haushalte oder Unternehmen der Mitglieder) besteht. Umweltmanage­mentnorrnen und -systeme konnen und werden auch auf Organisationen, d.h. tiber den einzelnen Betreibsstandort hinaus, angewendet. Die organisatorischen und umweltrelevanten genossenschaftlichen Interdependenzen legen es nahe, die Mit­gliederwirtschaften als "Teil der Organisation Genossenschaft" in das genossen­schaftliche Umweltmanagement zu inttegrieren.

Je enger die Mitgliederwirtschaften mit dem Genossenschaftsbetrieb verkniipft sind, desto starker sind sie auch in den ProzeB und in das System des Oko-Audits einzubeziehen. Bei einer relativ lockeren Mitgliederintegration, wie z. B. bei Ge­nossenschaftsbanken, sollten die Mitglieder in die Lage versetzt und motiviert wer­den, im Rahmen ihrer genossenschaftiichen Beziehung umweltorientiert zu han­de In, z. B. Offentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dariiber hinaus konnten sie da­bei unterstUtzt werden, ihre eigenen Haushalte oder Betriebe umweltorientiert "zu managen" (aktuell diskutiert wird tatsachlich auch "Oko-Audit fur Haushalte"). 1st eine sehr enge Verkniipfung von Mitgliederwirtschaften und Genossenschaftsbe­trieb gegeben (beispielsweise bei integrierten Handelsgenossenschaften, wie z. B. EDEKA, oder bei Molkereigenossenschaften u.a.), konnen die Mitgliederwirt­schaften als Betriebsstandorte der Genossenschaft gelten, die sich entweder jeweils standortbezogen des Oko-Audits bedienen sollten oder gleich im Rahmen des Um­weltmanagementsystems der Organisation Genossenschaft mit erfaBt werden. Was Genossenschaften und Mitglieder aus dem Bereich der Land-, Forst- und Garten­wirtschaft angeht verdient damit das Thema "Agrar-Oko-Audit" gerade auch aus genossenschaftlicher Perspektive groBe Aufrnerksamkeit und Beachtung.

Page 178: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

170 Kapitel I : Umwelt- und Agrarpolitik

Zum Autor

Dr. Ludwig Glatzner, Jg. 1961, Umwelt­managementberater, Qualitats-Auditor und Sicherheitsingenieur aus Miinster/Westfalen; Studium der Agrarwissenschaften, Wirt­schafts-/Sozialwissenschaften in Stuttgart­Hohenheim; von 1988 bis 1991 wissenschaft­licher Mitarbeiter und Doktorand an der For­schungsstelle fur Genossenschaften in Hohen­heim; Arbeitsschwerpunkte: Friihwarnsysteme fur Genossenschaften, Projekt Strukturfragen des Genossenschaftswesens, genossenschaft­liche Organisationsfragen und Mitglieder­bindung in Bankgenossenschaften. Seit 1991 befaBt mit Fragen des Umweltmanagements: Verschiedene Projekte zum Umweltmanage­

ment und Oko-Audit in produzierenden Unternehmen, im Handel und bei Dienst­leistern; Integration von Managementsystemen (Umwelt, Qualitat, Sicherheit), Oko-Audit in kleineren und mittelstandischen Unternehmen; Mitarbeit in verschie­denen Arbeitskreisen zur okologischen Unternehmensfuhrung, unter anderem in den DIN-Ausschiissen (NAGUS) zu Umweltmanagementsystemen und zur Um­weltleistungsbewertung (Umweltkennzahlensysteme); Mitglied des Umweltgutach­terausschusses beim Bundesumweltministerium.

Page 179: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Kapitel2

Fallbeispiele und Pilotprojekte

Erfahrungen und Ansatze auf Bundes- und Landerebene

mit Beitragen von

Rainer Friedel Erste praktische Erfahrungen mit dem Oko-Audit in der Landwirtschaft

Peter Vogel Umweltrisikobetrachtungen in der Landwirtschaft

RalfBendel Oko-Audit: Chance fur die Landwirtschaft - Nutzenfur die Umwelt?

Annette Stunke und Jutta Beringer Agrar-Oko-Audit - heute schon ein Beitrag zur einzelbetrieblichen Existenzsicherung in der Landwirtschaft?

Holger Bertels Umweltmanagement in der Forstwirtschaft

Guido Fuchs Zertijizierung in der F orstwirtschaft

Peter Eggensberger Oko-Audit und uberbetriebliche Kooperation

Peter Fleck Zu den Chancen von Umweltmanagementsystemen (DIN EN ISO 14001 und EG-Oko-Audit-Verordnung Nr. 1836/93) in der Milchwirtschaft

Joachim Nibbe und Jens Glaser Umweltcontrolling in einem Unternehmen der Milchwirtschaft. Erfahrungen und Einschdtzungen zum Aujbau eines Umweltmanagementsystems

Page 180: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

11 Erste praktische Erfahrungen mit dem Oko-Audit in der Landwirtschaft

Rainer Friedel

11.1 Einleitung

Mit der Oko-Audit-Verordnung wird fur die Entwicklung standardisierter Metho­den zur Implementierung und Dberpriifung okologieorientierter Untemehmens­fuhrung ein rechtlich fixierter Rahmen geschaffen. Die konkrete Ausgestaltung und Anwendung branchenspezifischer Analyse- und Bewertungsmethoden nimmt zur Zeit anhand von Praxisbeispielen in den verschiedenen Wirtschaftszweigen Gestalt an. FUr landwirtschaftliche Untemehmen wurde von der Agro-Oko-Consult Berlin GmbH erstmalig ein Gutachten zur praktischen Umsetzung des Oko-Audits in dies em Sektor ersteIlt. 1 Die Erfahrungen und SchluBfolgerungen, die sich aus die­ser Arbeit gewinnen lieBen, soIlen im folgenden dargesteIlt werden.

11.2 Ergebnisse aus Oko-Audits in Beispielbetrieben

11.2.1 Milchproduktion und Futterbau

Betriebsauswahl Als Betrieb wurde ein Landwirtschaftsbetrieb im Norden Brandenburgs ausge­wah It, der gut gefiihrt ist. Er beschiiftigt 187 Mitarbeiter, die in 7 Abteilungen gegliedert in der landwirtschaftlichen Primarproduktion arbeiten. Die typischen

I)Gutachten flir die Erarbeitung von Kriterien zum Umweltmanagement und zur UmweltbetriebsprU­fung auf der Grundlage der EG-Umwelt-Audit-Verordnung NT. 1836/93 vom Juli 1993; abgeschlos­sen im Dezember 1994 (unver5ffentlicht); Auftraggeber: Brandenburger Ministerium rur Umwelt, Naturschutz und Raumordnung, Potsdam, Mitwirkung: KPMG Umweltgruppe Berlin

Page 181: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

174 Kapitel2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Elemente eines Managementsystems (systematische Leitung und Kontrolle durch entsprechend qualifiziertes Fiihrungspersonal) im Sinne der Oko-Audit-VO wer­den im Betriebsalltag bereits seit Jahren erfolgreich angewendet. Der Pilotbetrieb verfugt einzelbetrieblich iiber ein umweltrelevantes Potential, da er 4.338 ha LF sowie 2.732 Milchkiihe (Durchschnitt etwa 6.500 kg Milch / Kuh und Jahr) be­wirtschaftet.

1m Ergebnis des Gutachtens konnte festgestellt werden, daB ein UMS in der Definition der EG-VO 1836/93 noch nicht angewendet wurde. Jedoch ist die ge­samte Betriebsfuhrung auf umweltschonende Verfahren ausgerichtet. Die Um­weltbelastung durch tierische Abprodukte ist unterdurchschnittlich « 0,7 GV/ha). Eine Dokumentation der umweltrelevanten Vorgange ist schon deshalb gegeben, weil in dem Untemehmen dieser GroBe ein Mindestaufwand an Dokumentation und Kontrolle fur den Ublichen Betriebsablauf uneriaBlich ist. Dariiber hinaus ist die Fiihrungsebene an einem konfliktarmen Gesamtablauf interessiert und sichert zielstrebig die Einhaltung aller Vorschriften. Mit dem Bekanntwerden der Ge­schaftsfuhrung mit der Oko-Audit-VO wurde diese Rechtsgrundlage als Grundlage fur die umweltgerechte Betriebsfuhrung eingefuhrt.

Prufziele und -inhalte Die Durchfuhrung des Oko-Audits im Beispielbetrieb umfaBte zunachst einerseits die Ermittlung und Darstellung der auftretenden okologischen Effekte sowie ande­rerseits die Evaluierung des Managementsystems.

Methodisch basierten diese Untersuchungen im Betrieb im wesentlichen auf der Erarbeitung von Frageb5gen und Checklisten, auf Betriebsbegehungen und Inter­views sowie der Hinzuziehung bereits vorliegender Unterlagen und Expertenge­sprachen.

Untersuchung der auftretenden okologischen Effekte Die bei der Priifung und Beurteilung der Umweltauswirkungen der Tatigkeiten des Untemehmens zu beriicksichtigenden Sachverhalte und umweltrelevanten Ge­sichtspunkte wurden aus den Anforderungen der Audit-Verordnung (Anhang 1,8.3 und C) abgeleitet. Auf dieser Grundlage wurden fur den landwirtschaftlichen Be­trieb folgende Inputs und Outputs als okologisch relevante Stoffe und Prozesse identifiziert. • Trinkwasser, Wasserverbrauch, Abwasser • Energieeinsatz • Futter • Medikamente • Pflanzenschutzmittel/Wachstumsregulatoren • Diingemittel • Reinigungs- und Desinfektionsmittel • Sonstige Abfiille • Tierhygiene und tierartgerechte Haltung • Emissionen • Boden- und Landschaftsschutz

Page 182: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

I I Oko-Audit in der Landwirtschaft 175

Diese Stoffe und Prozesse konnen tiber den Beispielsbetrieb hinaus als typisch fUr die Landwirtschaft bezeichnet werden. FUr aile diese Prozesse und Stoffe wur­den zunachst die okologische Relevanz (Risikopotential, Struktur, Toxizitat, Kri­terien, Grenzwerte) und die rechtlichen Rahmenbedingungen ermittelt und darge­stellt. 1m AnschluB daran wurde die konkrete Situation im Betrieb nach okonomi­schen und okologischen Gesichtspunkten erfaBt und bewertet. Die Bewertung der okologischen Auswirkungen der betrachteten Faktoren bildet dann die Grundlage fur eine Schwachstellenanalyse, woraus Empfehlungen fur den Betrieb abgeleitet wurden, die die Grundlage fur das zu erstellende Umweltprogramm des Betriebes bilden.

Erfordernisse fUr die Verbesserung der Methodik Die Arbeit im Pilotvorhaben offenbarte auch einige Probleme und Schwachstellen des Verfahrens zur Umweltprtifung, welche noch durch weitere Forschungsarbeit, zusatzliche Praxiserfahrungen, aber auch durch noch zu schaffende rechtliche Regelungen gelost werden mUssen.

Zuerst ist hier das Fehlen praxisreifer Methoden zur Bewertung landwirtschaft­lich bedingter Umweltauswirkungen zu benennen2. Zur Messung der Umweltbe­eintrachtigung beispielsweise durch DUnge- oder Pflanzenschutzmittel konnen zwar Indikatoren wie Schadstoffgehalte im Grund- und Oberflachenwasser, im Boden oder RUckstande in Nahrungsmitteln herangezogen werden. Ein einzelbe­trieblicher Ursache-Wirkungs-Bezug ist jedoch nur mit einem solchen Aufwand moglich, der in Routineverfahren z.Z. nicht praktikabel ist. Andere Umweltails­wirkungen sind gegenwartig gar nicht praktikabel erfaBbar, z. B. die Wirkungen von Tierarzneimitteln sowie Reinigungs- und Desinfektionsmitteln aus dem ProzeB der Milchgewinnung, die mit den tierischen Abprodukten auf den Ackerflachen ausgebracht werden.

Die fur den Praktiker untiberschaubare Menge vorliegender wissenschaftlicher Arbeiten zur Beschreibung von Umweltauswirkungen der Landwirtschaft sind noch nicht geeignet, urn als Routineverfahren angewendet zu werden.

Urn die gewiinschte Breitenwirkung der Anwendung von Oko-Audits und der damit verbundenen Umweltpriifung zu erzielen, ist es notwendig, einfach hand­habbare Indikatoren zu definieren, die ohne hohen analytischen Aufwand auf ein­zelbetrieblicher Ebene zu erheben sind und geeignet sind, die potentiellen Um­weltwirkungen zumindest abzuschatzen. Gegenwartig gibt es zu wenige durch gesetzliche Regelungen festgelegte Indikatoren mit dazugehorigen Wertebereichen zur praktikablen okologischen Bewertung der einzelbetrieblichen Umweltauswir­kung von Landwirtschaftsbetrieben. Auch unter Experten besteht leider noch nicht immer Einigkeit dariiber, weiche Indikatoren am besten geeignete Kriterien zur

2) Ein erstes methodisches Instrumentarium zur Umwe!tvertrilgIichkeitsbewertung mit quantifizierba­ren Kriterien und entsprechenden Wertebereichen bietet die Methode "Kritische Umweitbelastungen der Landwirtschaft (KUL)" (in: EULANU. Effiziente und umweItvertragIiche Landnutzung. Hrsg.: Landesanstalt fur Landwirtschaft Thoringen. Schriftenreihe Heft 10/94).

Page 183: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

176 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Beurteilung der Umweltvertraglichkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes oder eines bestimmten Produktionsverfahrens sind3. Praktisch wirkt sich das Fehlen von rechtlich fixierten V orschriften gegenwartig vor allem zu Ungunsten der ordnungs­gemaB wirtschaftende Landwirte aus, da diese gegenilber (unberechtigt) vorgetra­genen Vorwilrfen ihre umweltgerechte Handlungsweise nicht unangreitbar darstel­len konnen.

Nach der Definition praktikabler Indikatoren und der Zuordnung rechtlich fi­xierter Wertebereiche fUr die in der Landwirtschaft vorkommenden Umweltaus­wirkungen, ist es auch in dieser Branche moglich, vergleichbare Oko-Audits durchzufiihren.

Ein weiteres Problem besteht in der, im Beispielbetrieb festgestellten, offen­sichtlich fehlenden Synergie zwischen der monetaren Bewertung der fiir die Landwirtschaft typischen Inputs und Outputs und der okologischen Relevanz die­ser Prozesse und Stoffe. Die Erhebung war einfach, da der Betrieb eine Vollko­stenrechnung durchfiihrt und die Angaben dem 8uchwerk exakt entnehmbar sind. Die Tabelle 1 gibt einen Oberblick ilber wichtigsten Kosten- und jeweiligen Um­weltrelevanz.

Die Einstufung der Umweltrelevanz erfolgte mit Blick auf:

• die Umweltrelevanz des Stoffes bzw. Prozesses (Toxizitat, Menge, ... ), • den Transportaufwand, der sich bei den einzelnen Prozessen ergibt, • die okologische Relevanz, die mit der Lagerung des Stoffes verbunden ist, • die Anforderungen an einzelne Stoffe bzw. Produkte in 8ezug auf die Vertrag­

lichkeit fiir andere Lebewesen.

Das bedeutet, daB die lediglich monetare Erfassung einzelner Betriebsmittel (z. B. Dieselkraftstoff, Pflanzenschutzmittel, ... ) keine ausreichende Grundlage fiir die Sicherung moglichst geringer okologischer Auswirkungen darstellt. Der Wunsch die Reduzierung von Umweltwirkungen allein iiber die Synergie monetar meBbarer Einschrankungen zu erreichen, ist nicht praktikabel. Fiir das Manage­ment optimaler Umweltauswirkungen ist die spezifische Erfassung anhand von spezifischen Umweltindikatoren und ihre Bewertung auf der Grundlage von recht­lich definierten Wertebereichen erforderlich.

3)Vgl. z.B. die Expertenbefragungen iiber indirkete Indikatoren von Nieberg (Nieberg, H.: Umweltwir­kungen der Agrarproduktion unter dem EinfluB von BetriebsgroBe und Erwerbsform. Schriftenreihe des BMELF, Reihe A, Heft 428)

Page 184: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

11 Oko-Audit in der Landwirtschaft 177

Tabelle 1. Umweltrelevanz der wichtigsten Kosten- und Erlospositionen

(Quelle. Agro-Oko-Consult Berlin GmbH, 1994)

Kosten- Anteil an Gesamt- Umwelt- Erllis- Anteil an Ge-positionen kosten (%) relevanz positionen samtkosten (%)

Uihne 21,0 ohne Innenumsatz Futter 11,1 Innenumsatz Tiere 11,8 unter Getreide 9,2

geordnet

Innenumsatz Futter 11,9 bedeutend ZuckerrUben 3,4

Futtermittelzukauf 9,9 bedeutend Raps 1,6 Abschreibungen 4,6 ohne sonstige pflanzl. 0,9

Erzeugnisse

Beitrage SV 3,8 ohne Pflanzenproduktion 25,0 insg. (incl. Bestands-veranderungen)

MieteniGebaude 3,4 ohne Milch 34,0 Innenumsatz 3,4 unter- Innenumsatz Tiere 11,8 Leistung 0,8 geordnet (dav. Terra Gator)

Ersatzteile 2,8 ohne Zucht- und Nutzvieh 5,1

Bodenpacht 2,7 ohne Schlachtvieh 2,9 VK,DK, 2,2 bedeutend Innenumsatz 0,6 Schmierstoffe K1IIbermilch

Elektroenergie 2,0 bedeutend Tierproduktion insg. 54,1 (incl. Bestands-veranderungen)

Pflanzen- 1,9 bedeutend Forderrnittel 5,6 schutzmittel DUngemittel 1,8 bedeutend Innenumsatz 3,3

Leistungen

Reparaturen 1,8 bedeutend Fremdleistungen 3,2 (extern)

Saatgut 1,4 unter- Innenumsatz 1,1 geordnet Dung/GUile

Trinkwasser 1,2 bedeutend sonstige Erlose 6,2 Innenumsatz 1,1 bedeutend GUile/Dung GUlleausbringung 1,0 bedeutend durch Fremdfirrnen

Medikamente 0,8 bedeutend Reinigungs-/ Des- 0,6 bedeutend infektionsmittel

Kleinmaterial 0,5 unter-geordnet

Brennstoffe 0,4 bedeutend (Ol/Kohle)

Sperrna 0,4 ohne sonstige Kosten 7,6 ohne

Umwelt-relevanz

bedeutend bedeutend

bedeutend bedeutend

bedeutend

ohne

bedeutend unter-

geordnet

unter-geordnet

bedeutend unter-

geordnet

ohne

ohne

ohne

ohne

bedeutend

ohne

Page 185: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

178 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Untersuchung des Umweltmanagementsystems Die Evaluierung des bestehenden Umweltmanagementsystems kann sinnvollerwei­se in zwei Teilschritte untergliedert werden. Der erste Schritt erfaBt aile organisa­torischen Aspekte des Umweltmanagements und basiert auf den in der EG­Verordnung gestellten Anforderungen im Hinblick auf folgende sechs Strukture­lemente:

• Umweltpolitik, -ziele und -programme • Organisation und Personal • Auswirkungen auf die Umwelt • Aufbau- und Ablautkontrolle • Umweltmanagementdokumentation • UmweltbetriebsprUfung

Die BerUcksichtigung dieser Anforderungen bildete den strukturellen Rahmen fur das untersuchte Umweltmanagementsystem und die systematische Integration des Umweltschutzes im Untemehmen. Der betriebliche Ist-Zustand in Bezug auf die genannten Komponenten wurde in einer detaillierten Stiirken-Schwachen­Bilanz dargestellt sowie empfohlene MaBnahmen zur Verbesserung des Manage­mentsystems aufgestellt.

Der zweite Teil umfaBt ein Starken-Schwachen-Profil hinsichtlich des Mana­gements der als okologisch relevant eingestuften und dargestellten Stoffe und Prozesse. Aufbauend auf der Darstellung der okologischen Effekte wurden hierbei die Schwerpunkte besonders auf die Aspekte Wasser, Energie, Rohstoffe sowie deren Lagerung und Transport gelegt. FUr jeden Bereich wurden Empfehlungen abgeleitet. In gesonderten Kapiteln wurde zum einen auf die Einhaltung von Ge­setzen und Genehmigungen eingegangen, zum anderen auf Tierschutz und tierhy­gienische Aspekte.

Aufgrund dieser Untersuchungen des bestehenden Umweltmanagementsystems muBte die Aussage getroffen werden, daB sich der Beispielbetrieb erst in der An­fangsphase eines systematischen betrieblichen Umweltschutzes befindet. Es sind zwar bereits eine Reihe von MaBnahmen getroffen worden, die jedoch nicht Teil eines systematisch geplanten MaBnahmenkataloges sind, wie es die EG-Oko­Audit-Verordnung in Form von Umweltprogrammen vorsieht. Gleichzeitig konnte jedoch festgestellt werden, daB der untersuchte Pilotbetrieb sowohl im Problem­bewuBtsein des Managements wie auch in der DurchfUhrung umweltschutzorien­tierter MaBnahmen beispielhaft gut ist.

11.2.2 Schweineproduktion

Die am Beispiel des Milchproduktionsbetriebes dargestellten Ergebnisse sollen im folgenden durch die Untersuchungen in einem Schweinemastbetrieb erganzt wer-

Page 186: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

II Oko-Audit in der Landwirtschaft 179

den4. Dieser Betrieb laBt sich ebenfalls als "GroBbetrieb" bezeichnen, was bei der Zieistellung zur Qualifizierung des Managementsystems von erheblichem metho­dischen V orteil ist, weil man yom V orhandensein eines Managementsystems aus­gehen kann. Der Betrieb besitzt 11.000 Schweinemastplatze und 748 ha LF. Zu­sammenfassend laBt sich feststeIlen, daB der Schweinemastbetrieb in bezug auf die untersuchten Umweltwirkungen in weiten Teilen als weniger belastend eingestuft werden konnte.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag in der Darstellung einer Methodik, die die Berticksichtigung der beiden Basisbausteine der Verordnung "Umweltpriifung" und "Umweltmanagement" bei der praktischen Umsetzung gewahrleisten kann. Bei der Umweltprtifung wurde versucht, Indikatoren sowie Wertebereiche zu fin­den und zu nutzen, auf deren Grundlage eine Schwachstellenanalyse stattfinden kann. Zur Identifizierung der betrieblichen Organisationsstrukturen sowie der innerbetrieblichen Aufbau- und Ablautkontrolle wurden Checklisten ersteIlt, die aIle geforderten Strukturelemente des Umweltmanagements umfassen. Da das Hauptziel darin bestand, ein auf aIle landwirtschaftlichen Betriebe anwendbares Verfahren darzustellen, wurde auf die betriebsspezifischen Besonderheiten und spezielle Fragestellungen im methodischen Teil zunachst nicht eingegangen.

Der untersuchte Betrieb war aufgrund der Zahl an Mastschweineplatzen in die Kategorie der genehmigungsbedtirftigen Anlagen einzuordnen, so daB aIle fur die Genehmigung erforderlichen Kriterien fur ihn relevant waren. Er hatte zu Beginn der Arbeiten am Oko-Audit durchaus ein negativen Images in der Offentlichkeit. Als Indikator fur die Abschatzung der Umweltwirkungen im Bereich Luft und Klima wurde der Kriterienkatalog wurde der genehmigungsbedtirftigen Anlagen tibemommen. Hierbei zeigte sich, daB der Betrieb aufgrund seines Status als ge­nehmigungsbedtirftige Anlage einige Vorteile im Hinblick auf die DurchfUhrung von Oko-Audits hat. Aufgrund des Genehmigungsverfahrens waren umfangreiche Unterlagen tiber aIle die Schweineproduktion betreffenden Umweltauswirkungen vorhanden, d.h. die Dokumentation in diesem Bereich war ausreichend vorliegend. Die Bewertung hinsichtlich der Emissionen von Wirtschaftsdiingem, denen im Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie VDI-Richtlinien besondere Beachtung ein­geraumt wird und die im FaIle groBer Schweineanlagen hohe okologische Rele­vanz besitzen, wurde als ein Schwerpunkt bearbeitet. Die ErfUIlung aller gesetz­lichen Anforderungen im Bereich der Emissionen aus WirtschaftsdUngem konnte nachgewiesen werden.

DarUber hinaus konnten auch mit anderen Indikatoren die Starken und Schwa­chen des Betriebes aufgezeigt werden sowie anhand der Checklisten das V orhan­densein bzw. Fehlen intemer Managementstrukturen aufgezeigt und Empfehlungen

4) Alexandra Beitz und Jilrg Wendt: Entwicklung einer Methode zur praktischen Umsetzung der EG­Oko-Audit-Verordnung in landwirtschaftlichen Betrieben. Diplomarbeit an der Landwirtschaftlich­Gilrtnerische Fakultllt der Humboldt-Universitllt zu Berlin, Februar 1996. Diese Arbeit wurde auf der Grundlage der Kontakte der Agro-Oko-Consult GmbH zwischen Wissenschaft und Praxis ermilg­licht.

Page 187: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

180 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

ausgesprochen werden. Die grundsatzliche Aussage, die aufgrund der Ergebnisse der Diplomarbeit fur die Durchfiihrung von Oko-Audits in der Landwirtschaft gemacht wurde, deckt sich im wesentlichen mit den Ergebnissen des von der Agro­Oko-Consult Berlin GmbH untersuchten Milchviehbetriebes.

11.3 SchluRfolgerungen und Ausblick

Die Teilnahme an dem Gemeinschaftssystem ist fur landwirtschaftliche Betriebe zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht moglich5. Die Verordnung llillt in ihrer derzeiti­gen Fassung jedoch zu, daB interessierte Landwirtschaftsbetriebe die Struktur der EG-Verordnung 1836/93 nutzen, urn ihren Umweltbeitrag qualifiziert und ver­gleichbar mit anderen Branchen zu leisten. lnzwischen hat eine intensive wissen­schaftliche und praktische Arbeit an vielen Stellen begonnen, die Moglichkeiten des Oko-Audits auch fur die Landwirtschaft zu erschlieBen. Besonders erwahnens­wert ist dabei die Initiative des Bundeslandes Thiiringen, wo mehrere Pilotvorha­ben in der Praxis in Gang gebracht wurden. Der Autor vorliegenden Beitrages erwartet, daB diese vielfaltigen Aktivitaten bald zur Anwendung in einer noch groBeren Zahl interessierter Betriebe fUhren werden.

Bedeutung des Oko-Audits fur die Landwirtschaft Ungeachtet des rechtlichen Defizits werden in Expertenkreisen die Vorteile des Oko-Audits fur die Landwirtschaft als so deutlich eingeschatzt, daB eine Offnung fur die freiwillige Teilnahme interessierter Landwirtschaftsbetriebe fur unbedingt notwendig erachtet wird. 1m Zuge der sich verscharfenden Umweltproblematik und dem dadurch entstehenden Zwang, die Gesamtwirtschaft okologisch vertragli­cher zu gestalten, wird auch von landwirtschaftlichen Untemehmen, die immer wieder in die Kritik der Offentlichkeit geraten, erwartet, den okologischen Erfor­demissen gerecht zu werden. Diesem okologischen Handlungsdruck, der von Ab­nehmem und Verbraucher, Konkurrenten, Behorden und v.a. von der Offentlich­keit auf die Landwirtschaftsbetriebe ausgeiibt wird, kann durch die weitgehend objektive Bewertung der okologischen Auswirkungen durch eine Teilnahme an der Verordnung entsprochen werden. Aus den Ergebnissen voranstehender Untersu­chungen kann abgeleitet werden, daB es moglich und sinnvoll ist, die EG­Verordnung auch fur Landwirtschaftsbetriebe anzuwenden. So konnen MaBstabe fur eine umweltgerechte UntemehmensfUhrung gesetzt werden.

5) vgJ.: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Steffi Lemke, Dr. Jiirgen Rochlitz, Ulrike Hafken und der Fraktion BONDNIS 90IDIE GRONEN. Deutscher Bundestag. \3. Wahlperiode. Drucksache \3/5188

Page 188: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

11 Oko-Audit in der Landwirtschaft 181

Die konkreten Vorteile, die sich daraus fur die Landwirtschaft ableiten, sind folgende:

• Durch das gesamte Verfahren des Oko-Audits, besonders durch die Erstellung eines Umweltberichtes, ist der geleistete Umweltbeitrag eines Betriebes einzel­betrieblich darstellbar. FUr konventionell wirtschaftende Betriebe (98 % aller Landwirtschaftsbetriebe), die sich mit der okologischen Realitat auseinander­setzen wollen, wird mit der Oko-Audit-VO die Moglichkeit geschaffen, ihr in der Offentlichkeit z.T. negatives Image auf der Grundlage rechtlich definierter Verfahren vergleichbar zu anderen Branchen zu entwickeln und offentlich dar­zustellen. Eine Umstellung auf okologischen Landbau ist dabei nicht notwen­dig, wenn diese durch die Teilnahme an der Verordnung auch nicht behindert wird.

• Die Verordnung gibt einen strukturierten Rahmen zur Verbesserung des be­trieblichen Umweltschutzes. Durch den Aufbau eines entsprechenden Um­weltmanagementsystems konnen aile betrieblichen MaBnahmen (Investitionen, Neuerungen, ... ) und aile Produktionsprozesse mit umweltrelevanten Aspekten optimal abgestimmt werden. Damit wird ein umweItentlastender Beitrag real geleistet. Der Nachweis der Einhaltung aller relevanten Gesetze und Vorschrif­ten im Umweltbereich laBt sich nachprUfbar erbringen.

• Durch die Einsparung von Ressourcen bei Anderung von Produktionsverfahren sind Kostensenkungseffekte moglich.

• Wettbewerbsvorteile sind dann erschlieBbar, wenn die Abnehmer landwirt­schaftlicher Produkte den Nachweis UberprUfbarer Erzeugungsbedingungen einfordem.

• Die Landwirtschaft als Branche konnte bei Anwendung der Oko-Audit-VO ein Instrument in die Hand nehmen, urn ihren UmwelteinfluB im Vergleich zu an­deren Branchen real darzustellen. Es wlirde nachzuweisen sein, daB die Land­wirtschaft nicht nur Ressourcen nutzt und dabei verbraucht, sondem daB sie auch Umweltressourcen schafft (z. B. COz-Bindung, Oz-Produktion, Grund­wassererzeugung usw.). Ein "Grlin-Buch der Landwirtschaft" auf der Grundla­ge einer breiten (nicht notwendigerweise flachendeckenden) freiwilligen Be­teiligung von Landwirtschaftsbetrieben ware eine yom Autor dieses Beitrages sehr erwlinschte Vision zur offentlichen Darstellung der Umweltsituation in der Landwirtschaft und zur Starkung der Branche.

Bei einer moglichen Anwendung sind folgende Aspekte beachtenswert:

• Hinsichtlich der Organisationsstrukturen spielen BetriebsgroBen in der Land­wirtschaft eine wichtige Rolle. Bei groBeren landwirtschaftlichen Betrieben, wie sie in den Neuen Bundeslandem zu finden sind, die aufgrund ihrer Struktu­ren den kleinen und mittleren Untemehmen (KMU) vergleichbar sind, bereitet die Anwendung eines Umweltmanagementsystems und damit die Anwendung der Verordnung keine groBeren Probleme. Die an den Beispielbetrieben erar­beiteten branchentypischen Inhalte, Kriterien und Ablaufe sind Ubertragbar. Bei kleinen Familienbetrieben ist ein abgeandertes Verfahren denkbar, z. B.

Page 189: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

182 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

die Durchtuhrung eines Gemeinschaftsaudits in einer Region. Zu diesem The­rna laufen zur Zeit Untersuchungen.

• Der zeitliche, finanzielle und fachliche Aufwand fUr die Erarbeitung und Im­plementierung eines Umweltmanagementsystem und die Durchtuhrung einer Umweltbetriebspriifung in landwirtschaftlichen Betrieben kann als relativ hoch eingeschatzt werden. Uber die Tragfahigkeit aus okonomischer Sicht z. B. durch Kompensierung dieses Aufwands durch monetiir meBbare V orteile liiBt sich z.Z. noch keine sichere Aussage treffen. Ais geeignete Schritte sind hier zuerst Beschrankung auf sehr wenige, mit vertretbarem Aufwand handhabbare Umweltindikatoren durch wissenschaftliche Bearbeitung und rechtliche Fixie­rung erforderlich. Des weiteren wird der Aufbau von Umweltmanagementsy­stemen von den Betrieben durch eigenes Personal schwer erbracht werden konnen. Daher sollte bei der angespannten Wirtschaftslage der Landwirtschaft die VerknUpfung des Oko-Audits mit einer geeigneten Forderpolitik verbunden werden.

• Ais hauptsachliches Motiv zur Teilnahme an der Verordnung wird von befrag­ten Landwirtschaftsbetrieben das Interesse betont, einen eigenen Umweltbei­trag zu leisten, diesen nach objektiven Kriterien priifen zu lassen und der Of­fentlichkeit darzustellen. Die Akzeptanz dieses Instrumentes ist zusatzlich da­durch erhoht, da die Teilnahme grundsatzlich freiwillig ist und dadurch die Landwirte nicht durch weitere Vorschriften und Reglementierungen im Um­weltbereich eingeengt werden. Die Chance zur Arbeit auf der Grundlage der EG-Verordnung 1836/93 sollte fUr die Landwirtschaft daher auf jeden Fall er­moglicht werden.

• Es gibt keine nennenswerten Nachteile, die sich aus der Ermoglichung der freiwilligen Teilnahme von Landwirtschaftsbetrieben an der Oko-Audit­Verordnung ergeben.

Mogliche Anwendung des eko-Audits in landwirtschaftlichen Betrieben Die in den landwirtschaftlichen ProduktionsprozeB eingehenden Stoffe und Medi­en besitzen im Vergleich zu anderen Branchen Spezifika, die zu beriicksichtigen sind. 1m Fall der Pflanzenproduktion sind die narurlichen Ressourcen gleichzeitig die Produktionsfaktoren, eine stoffliche und raumliche Abgrenzung zwischen Pro­duktionsprozeB und Naturhaushalt findet nicht statt. 1m Fall der Tierproduktion ist das Produktionsmittel selbst ein hoheres Lebewesen und unterliegt damit grund­satzlich anderen Beurteilungskriterien als unbelebte Produktionsfaktoren, z. B. ethischer Art. Diese beiden Bereiche stehen in enger Verbindung miteinander, so daB in landwirtschaftlichen Betrieben die Voraussetzungen zur Verwirklichung nahezu geschlossener Stoffkreislaufe auBerordentlich gut sind.

Page 190: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

II Oko-Audit in der Landwirtschaft 183

Auch in der Landwirtschaft bestehen bereits eine Reihe von Instrumenten, die im Rahmen der Anwendung der Oko-Audit-Verordnung genutzt werden konnen:

• FUr die Umweltbetriebsprtifung bei den landwirtschaftlichen Prozessen ist die Methode "Kritische Umweltbelastung Landwirtschaft (KUL),,6 aus ThUringen weitgehend geeignet.

• Das Programm "Urnweltgerechte Landwirtschaft (UL),,7 aus Sachsen stellt Bausteine fur ein Umweltrnanagementsystern bereit; ebenso die EG-Verord­nung 2092/91 ("Okologischer Landbau").

• Eng in Verbindung mit der Anwendung der EG-Verordnung 1836/93 zur Ver­besserung der Umweltleistungen steht die zu erwartende DIN EN ISO 14001 (Umweltrnanagementsysterne) sowie die DIN EN ISO 9000 fur ein Qualitats­managementsystem. In Abhangigkeit von der jeweiligen betrieblichen Situation kann es sinnvoll sein, die Einfuhrung eines UMS auf der Grundlage der EG­Verordnung 1836/93 mit der Einfuhrung eines QMS nach DIN EN ISO 9000 zu verbinden. Sollte die Oko-Audit-Verordnung auch zukunftig keine Offnung fur die interessierten Landwirtschaftsbetriebe ermoglichen, konnte durch An­wen dung der DIN EN ISO 1400 I ein vergleichbarer Effekt erreicht werden.

Urn die hier vorgetragenen Uberlegungen zur Bedeutung des Oko-Audits fur die Landwirtschaft zu erharten und gleichzeitig die Entwicklung zur Schaffung einer entsprechenden Rechtsgrundlage voranzutreiben, ist es notwendig, anhand von weiteren Praxisbeispielen die Anwendbarkeit aufzuzeigen. Das Oko-Audit gibt zwar einen Rahmen vor, in der konkreten Ausgestaltung des gesamten Verfah­rens besteht jedoch erheblicher Spielraum. Dadurch entsteht zurn einen die Not­wendigkeit, handhabbare und praxistaugliche Konzepte zur Umsetzung der Ver­ordnungs-anforderungen zu erstellen, andererseits ist es dadurch auch moglich, bei der Erstellung dieser Konzepte fur den landwirtschaftlichen Bereich die Besonder­heiten dieses Sektors zu berUcksichtigen, ohne jedoch die "Spielregeln" zu verlet­zen. Auf dieser Grundlage ist das dargestellte Gutachten zur Anwendung des Oko­Audits in der Landwirtschaft durch die Agro-Oko-Consult Berlin GmbH erstellt worden.

6) QueUe vgl. FuBnote 2 7) Umweltgerechte Landwirtschaft im Freistaat Sachsen. Hrsg.: Sachsisches Staatsministerium flir

Landwirtschaft, Emiihrung und Forsten. Dresden, 1993

Page 191: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

184 Kapitel2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Literatur

FRIEDEL, R.: Umweltaudit in der Landwirtschaft. Was ist das? Was niitzt es? Arbeits­berichte der Agro-Oko-Consult Berlin GmbH, 12/ 1994.

Zum Autor

Dr. sc. agr. Rainer Friedel, Jg. 1947, ist als geschaftsfuhrender Gesellschafter in der Agrar­Oko-Consult Berlin GmbH (Grtindung 1990) tatig. In dieser Stellung erarbeitete er eine gro/3ere Zahl von Beratungsberichten und Gut­achten zu okologischen Fragen der Landwirt­schaft. Hierzu gehort auch ein Gutachten fur die Anwendbarkeit des Oko-Audit in der Landwirtschaft, das 1994 fur das Umwelt­ministerium in Brandenburg erstellt wurde. Die Agro-Oko-Consult Berlin GmbH wurde unter seiner Fiihrung auf der Grundlage der EG-Verordnung 2092/91 als Private Kon­trollstelle fur den okologischen Landbau zuge-lassen und kontrolliert Landwirtschafts- und

Verarbeitungsbetriebe. Herr Dr. Friedel entwickelte die Gesellschaft zu einem anerkannten Auftragnehmer fur Landwirte, Kommunen, Behorden und Ministerien fur agrarokologische Aufgabenstellungen.

Die Berufserfahrung griindet sich auf einem agrarwissenschaftlichen Studium in Leipzig sowie der Promotion (A) zur Tierzucht (1979) und einer weiteren Promo­tion (B) zu Managementsystemen in der Landwirtschaft (1985). Herr Dr. Friedel war mehrere Jahre in der Agrarforschung tatig. In weiteren Jahren hat er gro/3ere Untemehmen im Agrarbereich geleitet (darunter PVJ Zingst mit 2000 Beschaftig­ten). Hierbei hat er sich praktische Erfahrungen zur Anwendung von Management­systemen in der Landwirtschaft angeeignet, die fur die Nutzung des Oko-Audit in der Landwirtschaft wichtig sind.

Page 192: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 Umweltrisikobetrachtungen in der Landwirtschaft

Peter Vogel

Der Landwirt oder im weiteren Sinn der Untemehmer in der Landwirtschaft ist durch seine unterschiedlichen Geschaftsbereiche - Pflanzenproduktion, Tierpro­duktion, Lagerung, Vermarktung - von einer Vielzahl unterschiedlicher Umwelt­risiken betroffen. Wahrend vor noch nicht langer Zeit der Umweltschutz als eine teilweise lastige und kostspielige Randbedingung im taglichen Arbeitsablauf ange­sehen wurde, ist der Umweltschutz unter den heutigen verscharften gesetzlichen Bedingungen und der sensiblen Einstellung der Bevolkerung ein bedeutender Faktor fur die Existenzsicherung des Untemehmens und damit des Untemehmers geworden.

Landwirtschaftliche Untemehmen haben weitgefaBte Produktionsprofile. Bei Kleinbetrieben herrscht liberwiegend eine Mischproduktion (Gemlisebau, Pflan­zen- und Tierproduktion) VOL Mit der BetriebsgroBe steigt auch meist der Spezia­lisierungsgrad und ist teilweise auf ganz spezielle Produktionslinien (Kalbermast, Geflligelhaltung u.a.) konzentriert.

Daraus ergibt sich als Problem- und Fragestellung:

Welche Risiken liegen in dem einzelnen Landwirtschaftsbetrieb vor - wie sind die erkannten Risiken zu bewerten - und welche MaBnahmen sind umzusetzen, damit diese Risiken eingeschrankt oder beseitigt werden konnen?

Umweltrisikoanalysen wurden bisher fast ausschlieBlich von Industrieunter-nehmen eigenverantwortlich zur Aufdeckung der vorhandenen Risiken und zur Schaffung von Leitlinien zur Minimierung dieser Risiken durchgefuhrt. Diese Situation hat sich grundsatzlich durch die Verabschiedung des Umwelthaftungsge­setzes 1990 geandert. Durch dieses Gesetz werden neue Anforderungen an die Betriebsfuhrung gestellt, die nur durch eine Ist-Stands-Analyse der vorhandenen umweltrelevanten Risiken erfullt werden konnen. Dieser Trend in der Industrie ist in jlingster Zeit auch fur landwirtschaftliche Untemehmen deutlich geworden, insbesondere fur groBe Untemehmen, bei denen Unterschiede im Management zwischen Industrie und Landwirtschaft imrner mehr abgebaut werden.

Page 193: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

186 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

In der Landwirtschaft konzentrieren sich die Umweltrisiken auf folgende Berei­che:

• Standortbedingungen • Betriebsgelande, Gebiiude, Stallanlagen • Betriebsorganisation, Management, UmweltbewuBtsein der Mitarbeiter • Pflanzenproduktion, Tierproduktion, Vermarktung • Lagerung und Transport umweltgefiihrdender Stoffe • Abwasser, Abluft, Abfall, Liirm • Gesetzgebung, Genehmigung

12.1 Standortbedingungen

Landwirtschaftliche Betriebe sind tiber viele Generationen gewachsen und werden zunehmend durch die Urbanisierung beeinfluBt; die Anbauflachen werden verrin­gert, vorhandene Dorfstruturen durch Neuansiedelungen ausgedehnt, und durch extensive Grundwassemutzung zur zentralen Trinkwasserversorgung von Gemein­den und Stadten werden, restriktive Einfltisse auf einen landwirtschaftlichen Pro­duktionsbetrieb ausgetibt.

Bei der Erarbeitung einer Umweltrisikoanalyse sollte deshalb als erster Schritt eine historische Recherche und eine Standortbetrachtung durchgefiihrt werden. Bei der historischen Recherche sind folgende Fragen zu beantworten:

• Seit wann existiert das Untemehmen? • Welche Produktionsmethoden wurden angewendet und mit welchen umweltge­

fahrdenden Stoff en wurde umgegangen? • Welche Produkte wurden in vergangenen Zeiten zusatzlich hergestellt

(Ziegelei, Kiesgrube, Fischzucht, Steinbruch, Tankstelle, Miihle usw.)? • Wie wurden die unmittelbaren NachbargrundstUcke genutzt (Industrie usw.)? • Wurden auf den genutzten Flachen Mtilldeponien betrieben? • Wurden Grundstiicke erworben und wie wurden diese in der Vergangenheit

genutzt? • Welche umweltgefahrdenden Haverien sind bekannt?

Page 194: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 Umweltrisikobetrachtungen in der Landwirtschaft 187

Bei den Standortbedingungen sind zu erfassen:

• geographische Lage • geologische Situation am Standort • hydrologische Situation am Standort • Oberflachengewiisser, Nutzung der Gewasser, Grundwassergiite,

Grundwassemutzung, • Trinkwasserschutzzonen • Umgebung des Standortes • Industrie, Wohnbebauung, sensible Bebauung, Verkehrswege usw.

12.2 Tierproduktion

Bei der Tierproduktion gibt es eine Differenzierung durch Produktionsprofil, Hal­tungsarten sowie Stalltechnik, welche wiederum von der jeweiligen BetriebsgroBe beeinfluBt wird. Hinsichtlich Umweltrisiken kann man drei Bereiche unterschei­den:

• Stalle • Nebeneinrichtungen • Lagerung von WirtschaftsdUnger

Bei den Stallen reduzieren sich die Umweltrisiken auf die Emission von Ge­ruchsstoffen bzw. Schadstoffen in die Atrnosphare und das Eindringen von was­sergefiihrdenden Stoff en in den Untergrund. Da in den Stallen Uberwiegend Fen­sterlUfiung oder dezentrale LUftungsanlagen zur Sicherung des notwendigen Stall­klimas angewendet werden, ist eine Reinigung der in die Atrnosphlire abgegebenen Stalluft nur mit einem sehr hohen technischen Aufwand durchzufUhren; demzufol­ge wird diese Reinigung meist nicht installiert. Bereits bei der Standortwahl oder in der Planungsphase so lite auf die Einhaltung des in der Technischen Anleitung Luft (T A Luft) festgeschriebenen Mindestabstands zwischen Stallanlage und Wohnbebauung geachtet werden. Als nachtragliche MaBnahme zur Reduzierung von Geruchsbelastigungen wird von den zustandigen Behorden die Anlage von Geholzschutzstreifen gefordert. Die Bodenplatten in den Stallen sind dicht auszu­fUhren, damit keine wassergefahrdenden FlUssigkeiten (GUile; Jauche) in den Un­tergrund und damit mittel- oder langfristig in das Grundwasser gelangen konnen.

Bei den Nebeneinrichtungen konnen sich Umweltrisiken aus der unsachgema­Ben Handhabung von wassergefahrdenden Substanzen ergeben. Hierzu zlihlen beispielhaft Schmiermittel und Ole fUr die Vakuumanlage in den Milchviehanla­gen sowie Chemikalien, Desinfektionsmittel und Waschmittel, die in den Stallen zum Einsatz kommen. UnsachgemaBe Handhabung resultiert in den meisten Fallen

Page 195: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

188 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

aus Nichteinhaltung der Betriebsanweisungen fur die Anlagen in den Stall en und aus dernAuftreten von Tropf- und Kleckerverlusten bei der Handhabung von was­sergefahrdenden Stoffen.

Zur Verrneidung eines Schadstoffeintrages in den Untergrund aus dem Lagerbe­reich des WirtschaftsdUngers (GUIle, Jauche, Mist) sind die Anlagen dauerhaft dicht zu gestalten und in angemessenen Intervallen zu kontrollieren. Zur Reduzie­rung einer Geruchsemission sollten Jauchen- bzw. GUllebecken mit einer Schwimmschicht versehen werden.

Wie bei allen umweltrelevanten Anlagen sollte auch vom Betreiber von Stall­anlagen ein Nachweisbuch Uber durchgetuhrte Kontrollen und Wartungsarbeiten getuhrt werden. Dabei sollte diese Dokumentation so aufgebaut sein, daB der Be­treiber der Anlage damit IUckenlos den Nachweis des bestimmungsgemiiBen Be­triebes bzw. den Unfang von Haverien nachweisen kann. Dabei sind die Wartungs­und Instandsetzungshinweise der Hersteller der jeweiligen technischen Ausriistun­gen sowie Bestimmungen und Nebenbestimmungen von Genehmigungsverfahren (Standort-, Betriebs-, wasserrechtliche Genehmigung u.a.) zu beriicksichtigen.

Wenn Stallanlagen und entsprechende Weidetlachen in Trinkwasserschutzzo­nen liegen, so ergibt sich aus der jeweiligen BetriebsfUhrung und Flachennutzung auch eine Handhabung von wassergefahrdenden Stoffen. Die derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen sind in einem Regelwerk WIOI vom Februar 1995 vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., 65760 Eschbom zusammenge­faBt. Unter anderem ist fUr die Trinkwasserschutzzone III festgelegt, daB die Lage­rung von WirtschaftsdUnger nur auf dauerhaft dichten Anlagen erfolgen darf und Garfutterrnieten mit dichten Bodenplatten und Auffangbehaltem fUr die Sickersaf­te auszuriisten sind.

12.3 Lagerwirtschaft

Bei der Lagerwirtschaft in der Landwirtschaft kann zwischen stark differenzierten Zielstellungen oder Anforderungen unterschieden werden:

• Produktlagerung • Ptlanzenschutzmittel • Schadlingsbekampfungsmittel • Wasch- und Reinigungsmittel • DUngemittel

Bei den Ptlanzenschutzmittellagem ist zu Uberpriifen, ob infolge der eingelager­ten Mengen die Festlegungen der Storfallverordnung zu beachten sind und damit eine Sicherheitsanalyse erstellt werden muB. Die Unterlagen zum Zulassungs- oder

Page 196: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 Umwe1trisikobetrachtungen in der Landwirtschaft 189

Genehrnigungsverfahren sind auch hinsichtlich der Erfullung der Nebenbedingun­gen zu kontrollieren. Auf der Basis der Liste der eingelagerten Substanzen und der dazugehorigen DatensicherheitsbUitter ist eine ausfuhrliche Stoffbewertung bezUg­lich des Zusammenlagerungsverbotes nach der Gefahrgutverordnung StraBe (GGVS) durchzufiihren; eine Abschatzung des Gefahrdungspotentials durch Re­aktionen der Stoffe untereinander und im Faile eines Brandes durch Temperatur­und Loschwassereinwirkung ist hinsichtlich der Gefahrdung der SchutzgUter Bo­den, Wasser und Luft zu erstellen. Bei Ausbreitungen von Schadstoffen bzw. Re­aktionsprodukten tiber den Luftpfad ist zusatzlich das Gefahrdungspotential fur die angrenzende Vegetation und naheliegende W ohnbebauung zu analysieren. Bei der Ausbreitung der gasformigen, fltissigen und festen Schadstoffe tiber den Luftpfad sind mogliche Reaktionen der Rauchgaswolke unter Berlicksichtigung der Einwir­kung von Regen mit zu betrachten. Unter kritischen Standortbedingungen ist eine Ausbreitungsrechnung nach VDI-Richtlinie 3784 Blattl bzw. VDI-Richtlinie 3784 Blatt 2 unter SWrfallbedingungen durchzufuhren. Mit dieser Ausbreitungsrech­nung erhalt man auf der Basis der technologischen, standortbezogenen und meteo­rologischen Daten fur den einzelnen Standort Hinweise, mit welcher Wahrschein­lichkeit welche Schadstoffbelastungen an einem vorgegebenen Punkt in der Nach­barschaft auftreten konnen.

Auf die Neufassung der TRGS 523 "Schadlingbekampfung mit sehr giftigen, giftigen und gesundheitsschadlichen Stoffen und Zubereitungen" yom Marz 1996 wird hingewiesen. In dieser TRGS werden die Anzeigepflicht, die personelle und sicherheitstechnischen Ausstattung des ausfiihrenden Betriebes, die notwendigen organisatorischen MaBnahrnen und Schutzausrlistung bei der Ausbringung von Schadlingsbekampfungsmitteln und die Riehtlinien fur die Lagerung festgelegt und eriautert.

Die Bewertung der Risiken in den eigentliehen Lagerraumen sollte die bauliche Substanz, die sieherheitsteehnisehen Ausrtistungen (Brandmeldeeinriehtungen u.a.), die teehnisehen Ausrlistungen (Art der Lagerung, Sicherheitswannen, An­fahrsehutz, Sieherheitsbeleuehtung, Be- und Entltiftung ) und die Lagerorganisa­tion (Lagerordnung, Berufung des Lagerveranwortlichen) umfassen. Zu beaehten ist, daB bei Lagermengen von von 5,0-100,0 t Pflanzenschutzmittel naeh der 4. Durchfuhrungsverordnung des Bundesimmissionssehutzgesetzes (4. BImSchV), Anhang, Punkt 9.9. das vereinfaehte und bei Lagermengen tiber 100,0 t das forma­Ie Genehrnigungsverfahren zu durehlaufen ist. Naeh der SWrfallverordnung (12. BImSehV) hat der Betreiber eines derartigen Lagers ein Lagerbuch zu fiihren, in dem fur jede Substanz die Handelsbezeiehnung, die Menge (Zu- und Abgang), der Lagerort (falls mehrere Raume vorhanden sind) und die Loschrnittelreaktionen zu erfassen sind. Dureh den Lagerverantwortliehen ist ein betrieblieher Alarm- und Gefahrenabwehrplan zu erstellen und mit der Feuerwehr abzustimmen. Laut Che­mikaliengesetz, Verordnung tiber gefahrliehe Stoffe (Gefahrstoffverordnung) und Techniseher Regel fur Gefahrstoffe Nr. 514 (TRGS 514) gilt als Mengensehwelle fur die Summe von giftigen und sehr giftigen Substanzen insgesamt mit 200 kg

Page 197: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

190 Kapitel2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

und fur sehr giftige Substanzen allein 50 kg. In der TRGS 5 14 sind auch die si­cherheitstechnischen Anforderungen und die Einschrankungen bei Zusammenlage­rung der einzelnen Substanzen mit anderen Stoffen festgelegt.

Bei der groBflachigen Lagerung z. B. von Dlingemitteln sind die Moglichkeiten der Verschleppung von wassergefahrdenden Stoffen auf die angrenzenden Ver­kehrswege mit zu betrachten, da von diesen Verkehrswegen die Schadstoffe in den Untergrund und u.U. in das Grundwasser gelangen konnen.

Generell sollten in den Lagerbereichen der landwirtschaftlichen Untemehmen bauartzugelassene Ausriistungsgegenstande Verwendung tinden. Flir die Umlage­rung von fllissigen Medien aus GroB- in Kleingebinde sollten Hilfsmittel zu Ein­satz kommen, die sogenannte Tropf- und Kleckerverluste nicht auftreten lassen bzw. diese auf ein MindestmaB einschranken.

Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind Lager fur landwirtschaftliche Produkte keine genehmigungsbedlirftigen Anlagen, mit Ausnahme von Lagerein­richtungen fur Getreide in Mlihlen, die der Erzeugung von Nahrungs- und Fut­termitteln dienen. In der 4. Verordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) ist im Anhang unter Punkt 7.21 festgelegt, daB bei einer Kapazitat liber 500 tid das formale und bei einer Kapazitat von 100-500 tid das vereinfachte Genehmigungsverfahren zu durchlaufen ist. Unabhangig davon sind offene oder unvollstandig geschlossene Einrichtungen zum Be- und EntIaden von staubenden Schlittglitem (sogenannte Schlittgossen) nach 4. BImSchV, Punkt 9.11 des Anhan­ges nach dem vereinfachten Verfahren genehmigungsbedlirftig, falls sie so ausge­legt wurden, daB mehr als 200tld Schlittgliter bewegt werden konnen.

Sollte in dem betrachteten landwirtschaftlichen Untemehmen eine geklihlte La­gerung der Produkte (ObstIagerung u.a.) erfolgen, so ist zu beachten, daB bei einer Ammoniakkalteanlage mit einem Gesamtinhalt von 3-30 t Ammoniak das ver einfachte Genehmigungsverfahren zu durchlaufen ist (4. BImSchV, Anhang, Punkt 10.25, SpaJte 2).

Bei groBeren Tierproduktionseinheiten fallen unter Umstanden noch groBe Mengen Glille an, bzw. werden in Zeiten, in denen eine Ausbringung nicht mog­lich ist, zwischengelagert. Nach der 4. BImSchV, Anhang, Punkt 9.36 ist fur diese Lagerung bei Dberschreitung eines Fassungsvermogens von 2500m3 ebenfalls das Genehmigungsverfahren nach dem vereinfachten Verfahren vorgeschrieben. Dies betrifft die Lagerbehalter im Bereich der Stallanlagen sowie die dezentralen Puf­fergefiiBe im Bereich der landwirtschaftlichen Nutzflache.

Bei der Risikobetrachtung sind die einzelnen Genehmigungsunterlagen beson­ders im Hinblick auf den tatsachlichen Bestand und die Umsetzung von Haupt­und Nebenbedingungen in den einzelnen Genehmigungsbescheiden zu kontrollie­ren.

Bei alteren Lagereinrichtungen bzw. Anlagen, deren Zulassung oder Genehmi­gung vor der Verabschiedung des Bundesimmisssionsschutzgesetzes erfolgte, sind zusatzlich die von den zustandigen Behorden erlassenen nachtraglichen Anord-

Page 198: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 Umwe1trisikobetrachtungen in der Landwirtschaft 191

nungen zu beriicksichtigen. An dieser Stelle soll auf die spezielle Regelung fur das Gebiet der neuen BundesHinder hingewiesen werden: in § 67a des Bundesirnmiss­sionsschutzgesetzes wird festgelegt, daB die Anlagenbetreiber im Sinne des Be­standesschutzes ihre entsprechenden Anlagen bis zum 31.12.1990 bei den zustan­digen Behorden anzuzeigen hatten, die fur derartige Anlagen nachtragliche Anord­nungen unter Wahrung der VerhaltnismaBigkeit erlassen konnten bzw. konnen.

12.4 Futtermittel, MOhlen

Betriebseigene Mlihlen dienen fast ausschlieBlich der Aufarbeitung von eigenen und zugekauften Produkten (Mais u.a.) zu Futtermitteln. Die Aufmahlung zu Feinmehl erfolgt nur noch in den seltensten Fallen.

Umweltrisiken ergeben sich meist durch undichte Fordermittel (Becherwerke, Schwingforderer, Trogkettenf6rderer u.a.) im Bereich der Miihle sowie in den vor­oder nachgeschalteten Lager-, Abfull- und Verpackungseinrichtungen. Larmemis­sionen aus der Mahlanlage und von den notwendigen Ventilatoren fur Entstau­bungsanlagen bzw. den pneumatischen Transport konnen ebenfalls zu Nachbar­schaftsbeschwerden fuhren.

Durch Absaugung mit einem Luftstrom wird der Staub, der bei dem Getreide­transport, der Mahlung und bei der Einlagerung entsteht, aus dem Arbeitsbereich abgefuhrt. Flir die Abscheidung ist der Einsatz von filtemden Abscheidem erfor­derlich, da die T A Luft fur den gereinigten Luftstrom einen maximalen Staubge­halt von 50 mg/m3 vorschreibt.

Flir die lufttechnischen Anlagen sollte ein verantwortlicher Mitarbeiter benannt werden, der neben der tumusmaBigen Kontrolle auch kleine Wartungsarbeiten durchfuhren kann. Alle Arbeitsleistungen sollten in einem Wartungs- und Kon­trollbuch dokumentiert werden, das dem Nachweis des bestirnmungsgemaBen Be­triebes dient. Bei genehmigungsbedlirftigen Anlagen sollte mit den zustandigen Behorden die MeBmethodik zur Einhaltung der vorgegebenen Emissionsgrenzwer­te fur die installierten Entstaubungsanlagen abgestirnmt werden.

Page 199: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

192 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

12.5 Wasserversorgung, Abwasser

Die Wasserversorgung der landwirtschaftlichen Einrichtungen erfolgt entweder durch Nutzung von Brauch- bzw. Trinkwasser aus eigener Brunnenanlage und! oder durch Nutzung von Trinkwasser aus dem kommunalen Netz. Bei der Nutzung von betriebseigenen Brunnen muJ3 eine wasserrechtliche Genehmigung zur Ent­nahme von Grundwasser durch die untere Wasserbehorde vorliegen.

Das anfallende Abwasser wird in

• die kommunale Kanalisation • den Vorfluter • das Versickerungsbecken

abgegeben.

Aile Abwasser von Standorten oder Betriebsteilen, bei den en mit Mineralolen umgegangen wird, sind vor Abgabe zwangsweise tiber einen Leichtfltissigkeitsab­scheider zu leiten. Dieser Leichtfltissigkeitsabscheider muJ3 den Richtlinien von DIN 1999 - Abscheider flir Leichtfltissigkeiten, Benzinabscheider, Heizolabschei­der - entsprechen. Die sachgerechte Pflege des Abscheiders und die Entsorgung des abgeschiedenen Materials ist ltickenlos zu dokumentieren.

Eine Versickerung von Abwasser aus der Trennkanalisation bedarf der wasser­rechtlichen Erlaubnis der unteren Wasserbehorde; die Einleitung von Abwassern mit gefahrlichen Stoffen, Sanitar- und Ktichenabwassern in die offentliche Kanali­sation erfordert die Genehmigung des Betreibers der Abwasseranlage. Bei allen derartigen Erlaubnissen und Genehmigungen werden meist in Nebenbedingungen Forderungen fixiert oder Auflagen erteilt. Die Umsetzung dieser Auflagen ist durch eine geeignete Dokumentation zu be1egen. Sollte bei der Einleitgenehmi­gung von Abwassern in die Kanalisation oder in den Vorfluter eine Eigentiberwa­chung der Abwasserqualitat festgelegt worden sein, so sind die zu bestimmenden Parameter und die jeweilige Bestimmungsmethode zu vereinbaren.

1m Sinne der Umweltvorsorge sollte an ausgewahlten Standorten die Moglich­keit der Loschwasserrtickhaltung vorgesehen werden. Bei der Loschwasserrtickhal­tung soll durch geeignete Mittel (Abschiebern oder VerschlieBen der Abwasserlei­tung, Abdichten der Bodeneinlaufe u.a.) die Ableitung von kontaminierten Losch­wasser in die Kanalisation oder in den Vorfluter vermieden werden. Durch diese LoschwasserrUckhaltung konnen gravierende Sekundarschaden aus einer Brandbe­kampfung reduziert oder vermieden werden, da das kontaminierte Loschwasser zwischengelagert wird und nachfolgend entsorgt werden kann. Die Ermittlung des notwendigen Speicherbedarfes kann aus der Richtlinie zur Bemessung von Losch­wasserrtickhalteanlagen bei Lagern wassergefahrdender Stoffe vom Dezember 1991 (LoRtiRL) abgeleitet werden. In den einzelnen Bundeslandern ist diese Richtlinie als Erganzung zu den Bauordnungen prazisiert.

Page 200: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 Umweltrisikobetrachtungen in der Landwirtschaft 193

Umweltrisiken bei den Abwasserieitungen konnen auch durch Undichtheiten des Kanalnetzes und die damit verbundenen Versickerungen von Abwasser in den Untergrund entstehen. Die Bewertung dieser Risiken erfordert Kenntnisse tiber den Zustand des Kanalnetzes, der zweckmiiBigerweise in einem aktueUen Kanalplan dokumentiert werden soUte. Die Inspektion des Kanalnetzes erfolgt meist mit Videokamera.

12.6 Transport, Fahrzeugpflege, Tankstelle

Landwirtschaftliche Betriebe verfligen je nach BetriebsgroBe tiber einen sehr um­fangreichen Fuhrpark, der bei groBen Untemehmen auch eine eigenen Reparatur­werkstatt (Pflegestation) und TanksteUe mit umfassen kann. Der Fuhrpark setzt sich aus Personenkraftfahrzeugen, Lastkraftfahrzeugen, Traktoren und Arbeitsge­raten zusarnmen. Bei nahezu aUen Nutzfahrzeugen werden Hydraulikeinrichtungen zur Steuerung, zum Antrieb und zur Manipulierung genutzt. Durch Anbaugerate kann der jeweils vorhandene Fuhrpark erweitert und erganzt werden. Die Lagerung dieser Anbaugerate soUte so erfolgen, daB die moglicherweise auftretenden Tropf­und Kleckerverluste gefahrdungsfrei aufgenommen werden konnen. Bei einer Lagerung im Freien soUte die Flache dauerhaft dicht ausgefiibrt sein und die Oberflachenentwasserung zur Kanalisation Uber einen LeichtflUssigkeitsabscheider erfolgen.

Die vorhandenen Waschplatze flir StraBenfahrzeuge und Arbeitsgerate soUten mit einem Sand- und Schlarnmfang ausgertistet sein; das anfaUende Abwasser soUte Uber einen LeichtflUssigkeitsabscheider in den Abwasserkanal eingeleitet werden oder in einem geschlossenen Kreislauf geflihrt werden.

1m Reparatur- und Wartungsbereich soU die Lagerung von Mineralolprodukten (Schmiermittel, Ole, Fette u.a.) in entsprechenden Gebinden und auf Sicherheits­wannen erfolgen. Die Sammlung von AltOlen soUte in bauartzugelassenen Behal­tern erfolgen, die Behalter sollten auf dauerhaft dichtem Untergrund stehen und vor WitterungseinflUssen geschUtzt sein. Zur Entsorgung sind entsprechende Fach­betriebe zu beauftragen, und Uber die Entsorgung ist ein IUckenloser Nachweis zu flihren. FUr die Sammlung von Altbatterien und olkontaminiertem Schrott sind bauartzugelassene Sarnmelbehalter zu nutzen.

FUr die Umlagerung und den Transport von wassergefahrdenden Stoff en sind bauartzugelassene Transporteinrichtungen und Pumpen mit einem hohen Sicher­heitsstand einzusetzen.

FUr die Fahrzeugbetankung soUten eventueU noch vorhandene FaBbetankungen mit dem damit verbundenen hohen Risiko von Tropf- und Kleckerverlusten durch

Page 201: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

194 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

bauartzugelassene Kleintankstellen ersetzt werden. FUr die Aufuahme von austre­tend en Hydraulikolen und Schmierrnitteln sollten ausreichende Mengen von 01-binder vorgehalten werden. Ausgemusterte Fahrzeuge oder Arbeitsgerate sollten nicht zu "Lagerleichen" umfunktioniert werden, sondem unmittelbar nach der Ausmusterung einer sachgerechten Verschrottung zugefuhrt werden. Die Aus­schlachtung dieser Altfahrzeuge als Ersatzteilspender so lite so erfolgen, daB keine Bodenkontamination durch MineralOle entstehen kann. Olbinder, Putzlappen u.a. mUss en getrennt gesammelt und sachgerecht entsorgt werden. Die Entsorgungsbe­lege sind zentral zu deponieren.

Bei Reparaturarbeiten sind haufig kleine Mengen an Farben, Lacken und Ui­sungsmitteln erforderlich. Die Lagerung der Kleingebinde muB in entsprechenden Sicherheitsschranken erfolgen.

In groBen Reparatur- und Wartungswerkstatten werden auch SchweiBarbeiten durchgefuhrt. Dabei sind die Sicherheitsanforderungen fur SchweiBarbeitsplatze zu beachten. Stationare SchweiBarbeitsplatze sollten stationare Absaugeinrichtungen mit Abscheidem besitzen. Auf die Verfugbarkeit und die Anwendung von entspre­chen den Personenschutzeinrichtungen ist zu achten.

Die in den Betrieben benotigte Druckluft wird in der Regel durch dezentrale Klein- und Mittelkompressoren erzeugt und in Druckluftspeichem vorgehalten. Die Wartungshinweise fur den 01- und Wasserabscheider sind einzuhalten; die FUhrung eines Wartungsbuches ist sinnvoll. Der Kompressorenraum sollte dauer­haft dichten FuBboden besitzen und zur Aufuahme moglicher wassergefahrdender Stoffe mit einer abfluBlosen Grube ausgestattet sein.

GroBe Landwirtschaftsbetriebe, speziell in den neuen Bundeslandem, betreiben haufig noch eine betriebseigene Tankstelle, die teilweise auch auch von der Of­fentlichkeit genutzt werden kann. FUr diese Anlagen sind die Festlegungen in der Verordnung zur Lagerung, Abfullen und Befordem von brennbaren FlUssigkeiten (VbF) einzuhalten; bei einer Umweltrisikobetrachtung ist die Umsetzung dieser Festlegungen zu kontrollieren.

12.7 Organisation

Eine Umweltrisikobetrachtung soll auch Kontrollen einschlieBen, ob durch Orga­nisationsverschulden oder Organisationsfehler Umweltrisiken begUnstigt oder verursacht werden konnen. In einer modemen Organisation des Umweltschutzes wird das gesamte Aufgabenfeld des betrieblichen Umweltschutzes adaquat strukturiert und in die anderen Aufgabenfelder und -ablaufe integriert. Die Doku­mentation erfolgt in den Darstellungen der betrieblichen Ablauf- und Autbau­organisation.

Page 202: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 Umwe1trisikobetrachtungen in der Landwirtschaft 195

Den zustandigen Behorden ist anzuzeigen, welcher Geschaftsfuhrer bei einer Kapitalgesellschaft die Ptlichten des Betreibers der genehmigungsbediirftigen Anlage wahrnimmt. Der Benannte hat den Behorden mitzuteilen, auf welche Wei­se sichergestellt ist, wie die umweltrelevanten Vorschriften und Anordnungen im Betrieb eingehalten werden (§52a Bundesimmissionsschutzgesetz - BlmSchG -).

Je nach Betriebsgrofie, Aufgabenspektrum und Stand der Ausriistungen sind Betriebsbeauftragte zu berufen, denen ein Berufungsschreiben mit ausfuhrlicher Aufgabenprazisierung zu iibergeben ist. Dem Beauftragten sind ausfuhrIich die Rechte und Ptlichten zu erlautem, die dafur notwendigen Qualifizierung ist zu sichem. Zu den Ptlichten der Geschaftsleitung sind auch die Kontrollen der Beauf­tragten und deren Arbeitsweise zuzuordnen.

Gewasserschutzbeauftragter Bestellerfordemis: §21 a(l) Wasserhaushaltgesetz (WHG)

Untemehmen, die mehr als 750 m3/d Abwasser einleiten

Aufgaben: Qualifikation: Rechte:

§21b WHG §21c WHG §2Id, e, fWHG

Immissionsschutzbeauftragter Bestellerfordemis: §53(1) BlmSchG in Verbindung mit 5. BlmSchV

Aufgaben: Qualifikation: Ptlichten: Rechte:

Sicherheitsbeauftragter

(Verordnunggenehmigungsbediirftiger Anlagen), dort keine primaren landwirtschaftlichen Betriebe genannt §§54 ffBlmSchG §55(2) BlmschG und 6. BImSchV §55(1,la,4) BlmSchG §§56,57,58 BImSchG

Untemehmen mit mehr als 20 Beschaftigte miissen eine Sicherheitsbeauftragten berufen. Die Zahl der nach §7l9(5) der Reichsversicherungsverordnung (RVO) zu bestellenden Sicherheitsbeauftragten ergibt sich aus §9( 1) der UnfaIIverhiitungs­vorschrift "Allgemeine Vorschriften" VBG 1). Es Iiegt im Ermessen des Unter­nehmens und hat sich als zweckmafiig erwiesen, Sicherheitsbeauftragte auch dann zu bestelIen, wenn er hierzu nach den Unfallverhiitungsvorschriften nicht ver­ptlichtet ist. Die Bestellung ist der zustandigen Berufsgenossenschaft zu doku­mentieren.

Page 203: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

196 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Fachkraft fUr Arbeitssicherheit Bestellerfordemis:

Aufgaben: Rechte: Nachweis der Fachkunde:

Gefahrgutbeauftragter Bestellerfordemis:

Qualifizierung:

Abfall

§ § 1 ff Arbeitssicherheitsgesetz in Verbindung mit §2(1) der VBG 122 §6 Arbeitssicherheitsgesetz §6 Arbeitssicherheitsgesetz

§3 VBG 122

§ § 1 ff. Gefahrgutverordnung; wenn der Betrieb mehr als 50tla gefahrlicher Giiter im Sinne der Gefahrgutverord nung StraBe (GGVS) befordert oder zur Beforderung bereitstellt Schulung mit einem Tumus von 3 Jahren Ab Jahr 2000 Umwandlung in einen Sicherheitsberater.

Nach §I(l) des Abfallgesetzes sind Abflille bewegliche Sachen, deren sich der Be­sitzer entledigen will oder deren Entsorgung geboten ist. Allgemein werden die Abfcille durch die kommunalen Entsorgungseinrichtungen iibemommen und ent­sorgt.

Sollten jedoch in einem landwirtschaftlichen Betrieb besonders iiberwachungs­bediirftige Abfcille anfallen, so werden an die Entsorgung zuslitzliche Anforderun­gen gestellt. Die Liste der besonders iiberwachungsbediiftigen Abfcille ist in der Abfallbestimmungsverordnung (AbfBestV) des Abfallgesetzes als Anlage beige­fugt.

Bei einem Anfall von mehr als 2000 kg/a besonders iiberwachungsbediirftigem Abfcille oder mehr als 2000 tla iiberwachungsbediirftiger Abfcille je Abfallschliis­selnummer ist ein betriebliches Abfallwirtschaftskonzept zu erarbeiten, festzu­schreiben und bei Verlangen der zustandigen Abfallwirtschaftsbeht>rde vorzulegen (siehe hierzu §19 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes - KrW/AbfG). Diese betroffenen Betriebe haben auch eine Abfallbilanz zu erstellen und ebenfalls diese den zustlindigen BeMrden auf Verlangen vorzulegen.

Page 204: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

12 Umweltrisikobetrachtungen in der Landwirtschaft 197

Zum Autor

Dr.-Ing. Peter Vogel, 19. 1934, studierte von 1953 bis 1960 Maschinenbau mit der Ver­tiefungsrichtung WarmetechnikiVerfahrens­technik an der TH Magdeburg und an der TU Dresden, welches er mit der Diplompriifung 1960 abschloB. 1970 wurde er an der zum Thema der Filtertheorie fur Wirrfaser-Luftfilter an der TH Chemie Leuna-Merseburg promo­viert. Sis 1990 war er beruflich in nachstehend aufgefuhrten Gebieten tatig (siehe Auflistung). Derzeit arbeitet er in der AuBenstelle Dresden der Gerling Consulting Gruppe GmbH. Zudem halt er Vorlesungen an der TH Chemie Leuna-Merseburg und an der TU Dresden sowie bei deutschen und europaischen Ein­

richtungen zur Fortbildung. Er verOffentlicht in Fachzeitschriften, ist Herausgeber und Autor mehrerer FachbUcher zur Reinhaltung der Luft und zur me chan is chen Verfahrenstechnik.

Sis 1990 war er beruflich in folgenden Gebieten tatig

- Kaltetechnik, Tieftemperaturtechnik, LuftverflUssigung - Apparate und Anlagentechnik etc. - Sewertungen von Anlagen fur den Umweltschutz - Anlagen zur Reinhaltung der Luft in der Landwirtschaft - Emissions- und ImrnissionsmeBtechnik - fachUbergreifender Forschungsverbund zu Problemen des Umweltschutzes.

Seit 1990 ist Herr Dr. Vogel beruflich tatig in den Gebieten - Umwelt-Risiko-Analysen fur Untemehmen unterschiedlicher GroBen in einer

Vielzahl von Industriebranchen und in der Landwirtschaft - Durchfuhrung von UmweltvertraglichkeitsprUfungen, Genehmigungsverfahren

und Planfeststellungsverfahren - Sewertung von Altlasten und Erarbeitung von Sanierungskonzepten - Umwelt-Auditing - Entsorgungsmanagement.

Page 205: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oko-Audit: Chance fur die Landwirtschaft -Nutzen fur die Umwelt?

RalfBendel

13.1 Die Oko-Audit-Verordnung

1m Juli 1993 erlieB die Europaische Union die "Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates Uber die freiwillige Beteiligung gewerblicher Untemehmen an einem Gemeinschaftssystem fUr das Umweltmanagement und die UmweltbetriebsprU­fung", zumeist kurz "Oko-Audit-Verordnung" genannt. Die Oko-Audit-Verord­nung steht fUr einen neuen Typus umweltpolitischer Instrumente, mit denen die EU versucht, die Umweltsituation Uber indirekte Regelungen zu verbessem. Gesetzt wird auf marktwirtschaftliche Krafte: FUr diejenigen, die sich umweltfreundlich verhalten, soli - ohne direkten staatlichen Eingriff - ein monetarer oder sonstiger Anreiz geschaffen werden. Untemehmen erhalten die Moglichkeit - in den um­weltpolitisch notwendigen Grenzen -, flexibel zu agieren und sich moglichst ko­stengUnstig auf diese Umweltschutzerfordemisse einzustellen. Der Eigennutz, d.h. das Streben nach moglichst hohem Gewinn, kann so auch dem Umweltschutz zugute kommen.

Kemelement der Oko-Audit-Verordnung ist der Autbau eines Umweltmanage­mentsystems zur Koordination, Steuerung und effizienten Umsetzung der umwelt­bezogenen Aufgaben im Untemehmen. Die wesentlichen Elemente eines soIchen Umweltmanagementsystems betreffen klassische (oft nur qualitativ bewertbare) Bereiche des Untemehmens wie Untemehmensstruktur, Organisation, Kommuni­kation und Information. Teilnahmeberechtigt am Gemeinschaftssystem sind zu­nachst aile Betriebe der gewerblichen Wirtschaft sowie Energie- und Entsorgungs­betriebe. GeprUft und validiert wird standortbezogen und nicht das Untemehmen als Ganzes. Das Oko-Audit wendet sich von der Struktur her an groBere Unter­nehmen. Die Teilnahme von kleinen und mittelstandischen Untemehmen am Sy­stem ist jedoch ausdrUcklich erwiinscht und kann sogar gefordert werden.

Nach Artikel 14 der Verordnung dUrfen die Mitgliedsstaaten auch fUr die nicht gewerblichen Sektoren versuchsweise Bestimmungen analog zum aufgefUhrten Umweltmanagement- und UmweltbetriebsprUfungssystem erlassen. Die Einbezie­hung landwirtschaftlicher Betriebe in das Gemeinschaftssystem der EG-Ver­ordnung ware also theoretisch moglich.

Page 206: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

200 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

13.2 Landwirtschaftliche Betriebe

Unbestritten ist, daB gegen die negativen Umweltauswirkungen der modemen Landwirtschaft etwas getan werden muB. Die Frage ist jedoch, ob wegen der Spe­zifitat landwirtschaftlicher Betriebe das Ziel der Verordnung, im betrieblichen Umweltschutz einen langfristigen kontinuierlichen VerbesserungsprozeB in Gang zu setzen, tiberhaupt greifen kann.

Betrachten wir hierzu die GroBe und den Arbeitskraftebesatz landwirtschaftli­cher Betriebe in Deutschland.

Ubersicht 1: Landwirtschaftliche Betriebe nach Gro/3enklassen 1995 I)

Betriebsgro/3e von ...... Alte Lander I Neue Lander

bis unter ...... ha LF Zahl der Betriebe in 1000

Ibis 100 511 I 100 und mehr 12,0 I I) Hauptproduktionsrichtung Landwirtschaft

(einschlie/31ich Gartenbau, aber ohne Forstbetriebe); vorliiufige Zahlen

Quelle: siehe Bundesministerium (1996, S. 11)

22,4

7,8

N ur 3,7 % der Betriebe tiber I ha kommen also auf eine BetriebsgroBe von 100 ha und mehr.

Ubersicht 2: Landwirtschaftlich genutzte Fliiche und Arbeitskriiftebesatz

Gliederung Alte Lander Neue Lander

Fliiche 11,66 Mio. ha LF 5,52 Mio. ha LF

AK-Einheiten 565.500 129.100

Arbeitskriiftebe-satz 4,8 2,3 je 100 ha LF

Quelle: siehe Bundesministerium (1996, S. 10 f.)

Ftir groBe Betriebe tiber 100.000 DM Standardbetriebseinkommen (neue Lan­der) ergibt sich ein Arbeitskraftebesatz von 1,1 AKJIOO ha LF bei einer landwirt­schaftlich genutzten Flache von 259,3 ha (nur Testbetriebe, siehe Bundesministe­rium 1996, S. 44).

Inzwischen hat die EU definiert, was unter kleinen und mittleren Untemehmen zu verstehen ist:

Page 207: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oko-Audit: Chance fur die Landwirtschaft - Nutzen fur die Umwelt? 201

Mittlere Unternehmen: 50-249 Beschaftigte, Bilanzsumme unter 27 Mio. ECU (51,3 Mio. Mark) oder lahresumsatz unter 40 Mio. ECU (76 Mio. Mark).

Kleine Unternehmen: Unter 50 Beschaftigte und Bilanzsumme unter 5 Mio. ECU (9,5 Mio. Mark) oder lahresumsatz unter 7 Mio. ECU (13,3 Mio. Mark); anderenfalls ziihlen auch sie zu den mittleren Firmen.

Zusatzkriterium: Kleine und mittlere Untemehmen dUrfen nicht zu 25 % oder mehr im Besitz von GroBuntemehmen sein.

Als Kleinstunternehmen gelten Firmen mit weniger als 10 Beschiiftigten.

Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe gelten also als Kleinstuntemehmen, die die EG-Oko-Audit-Verordnung in keiner Weise anspricht. Das schlieBt nallir­lich nicht aus, daB auch in landwirtschaftlichen Kleinbetrieben sehr viel fUr den betrieblichen Umweltschutz getan werden muB.

Eine Einbeziehung landwirtschaftlicher GroBbetriebe in das Gemeinschaftssy­stem der EG-Verordnung ist jedoch moglich und im Sinne der Verordnungsziele anzustreben. Insbesondere kommen folgende Betriebe in Frage:

Ubersicht 3. GroBbetriebe der neuen Lander

Rechtsform Zahl der Betriebe 1995 Durchschnittliche Be-(vorliiufig) triebsgro6e in ha L,..

Kommanditgesellschaft 335 1.164 Eingetragene Genossenschaft 1.315 1.435

GmbH 1.417 843

Aktiengesellschaft 59 1.344

Quelle: siehe Bundesministerium (1996, S. 13)

Auch fUr die GroBbetriebe ware eine Zulassung zur Teilnahme am Oko-Audit von Interesse. So ist das Umweltimage der Landwirtschaft in der Offentlichkeit nicht das beste. Betriebe haben folglich ein Marketinginteresse daran, ihren positi­ven Umweltbeitrag durch ein Zertifikat offentlich darzustellen. Dies gilt besonders fUr Betriebe, die der Verbraucher tiber ihre Produkte identifizieren kann.

13.3 Wachstum und Umweltschutz

Ein Oko-Audit bringt Imagegewinn und spart zumindest langfristig Kosten fUr das Untemehmen, so die allgemeine Ansicht. Bewirken Oko-Audits aber auch eine wesentliche und entscheidende Entlastung fUr die Umwelt? Ein Blick auf die Er-

Page 208: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

202 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

wagungsgrunde der Verordnung Nr. 1836/93 zeigt: Die Grundeinstellung, die hinter dem Oko-Audit steht, ist "dauerhaftes und umweltgerechtes Wachstum".

Das Nachdenken und Diskutieren daruber, wie mit Umweltbedrohung umzuge­hen ist, spielt sichjedoch zur Zeit zwischen zwei extremen Standpunkten ab:

1. Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum, weil nur dieses aile in uns die techni­schen und finanziellen Mittel in die Hand gibt, Umweltschaden zu beheben oder im Ansatz zu vermeiden.

2. Wirtschaftswachstum und Bewahrung der narurlichen Umwelt stehen im volli­gen Widerspruch zueinander. Zur Bewahrung der narurlichen Lebensgrundla­gen ist Verzicht auf Wachstum, und zwar in erster Linie in den entwickelten V 0 lkswirtschaften, unabdingbar.

Politik, Wirtschaft und groBe Teile der Offentlichen Meinung stehen der ersten Ansicht (noch!) weit naher als der zweiten. So ist das "Gesetz zur Forderung der Stabilitat und des Wachstums der Wirtschaft" aus dem Jahre 1967 we iter uneinge­schrankt gtiltig. Die GATT -Verhandlungen unterstreichen die Verpflichtung zum freien Handel und zur wirtschaftlichen Globalisierung. Die Wachstumsideologie wird so weltweit fortgeschrieben. Lokale Wirtschaftskreislaufe sind meist nur noch mit Subventionen moglich.

"Die kltigere Methode hat der englische Okonom John Maynard Keynes (1883 bis 1946) in die kaum beachteten W orte gefaBt: 'Ich sympathisiere darum mit denen, die die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Nationen nicht ma­ximieren, sondern moglichst gering halten wollen. Ideen, Wissen, Kunst, Gast­freundschaft, Reisen - soIche Dinge sind ihrem Wesen nach international. Doch Waren sollten, wann immer es verntinftig und praktisch ist, hausgemacht sein; und vor all em sollten die Finanzen tiberwiegend national bleiben'" (Daly 1993, S. 54).

13.4 Das Beispiel HIPP

Am Beispiel der Firma HIPP, validiert nach Oko-Audit und Einkaufer von Bio­Rohstoffen, lassen sich sehr gut die Grenzen jedes betrieblichen Umweltschutzes -in unserer wachstumsorientierten Wirtschaftordnung - festmachen.

HIPP ist einer der groBten Hersteller und Vertreiber von Babynahrung in Euro­pa. Abgesetzt werden die Produkte aktuell zu 90 % in Deutschland und zu 10 % in andere europaische Lander. Uber 800 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von ca. 300 Millionen DM (1994).

Page 209: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oko-Audit: Chance filr die Landwirtschaft - Nutzen filr die Umwelt ? 203

13.4.1 HIPP Werk 1992

Hinweis: Um Belastungsunterschiede zwischen konventioneller und okologischer LandwirtschaJt aujZuzeigen, sei hier fiktiv angenommen, daft die HIPP­Rohstofflieferanten konventionell anbauen.

Fiir konventionelle Produktionen werden im Schnitt u.a. 108 kg StickstoffdUn­ger/ha LF und rund 2 kg Pflanzenschutzmittel!ha LF aufgebracht. Auf 100 ha LF kommen 79,2 VE Milchkiihe bei einer Milchleistung von 5.217 kgIKuh. Fiir son­stiges Rindvieh lautet die Kennzahl 82,5 VEil 00 ha LF (Bundesministerium 1996, S. 34 und Umweltbundesamt 1995, S. 7).

Das HIPP Werk in Pfaffenhofen wird u.a. mit Karotten, Bananen, sonstigem Obst, Kalbfleisch, Rindfleisch und Milch beliefert. Dazu sind Abhol- und Femver­kehr notwendig, z. B.:

• Karotten, Rindfleisch, Milch aus Bayem; 0 km, • Karotten aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen; 480 km, • Kalbfleisch aus Mecklenburg-Vorpommem; 780 km, • Obst aus Italien; 820 km, • Bananen aus Costa Rica; 8.500 km (Schiffund StraBe).

Hinweis: Die km-Angaben beziehen sich auf den Fernverkehr Hauptstadt des Landes oder Bundeslandes - Munchen.

In Pfaffenhofen werden auch Betriebsstoffe, Reinigungsmittel, BUromaterialien, Wasser, Energie u.a. benotigt. Verkaufsverpackungen (Deckel, Einweggliiser, Etiketten) und Transportverpackungen (Kartonage, Holz, PE, Folien) schickt die Verpackungs- bzw. Recyclingindustrie.

FUr die Nahrungsmittelproduktion im HIPP Werk lieBen sich fUr 1992 u.a. fol­gende umweltrelevante Kennzahlen ermitteln (siehe HIPP 1995):

Wasserverbrauch 17,6 l/kg Produkt, Gesamtabfalle 9.579 Tonnen, Gesamtab­wassermenge 773.795 m3.

Emissionen: CO2: 349 kglProduktionstonne (1993), NOx: 312 glProduktions­tonne (1993), S02: 221 glProduktionstonne (1993).

Die entstehenden organischen Abfalle nutzt der Bauernhof Claus Hipp. Rest­mUll, Sondermiill und Bauschutt wandem auf die Deponie bzw. zur Verbren­nungsanlage.

Aus dem Werk kommen als Output-Produkte wie Siiuglingsmilchnahrung, Ba­bykost im Glas, Milchbreie und Teegetriinke. Urn den Verbraucher zu erreichen, sind Femtransporte und Zulieferverkehr notwendig. Beim Verbrauch der Produkte fallen Altglas, Deckel und Restmiill an, die zu entsorgen sind.

Page 210: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

204 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

13.4.2 Ist-Zustand HIPP Werk 1994

HIPP bezieht 24.413 Tonnen Rohstoffe. Der Bio-Anteil betragt hier 63 %; 37 % der Rohstoffe werden aus konventionellen Betrieben zugekauft (siehe HIPP 1995).

Okologische Landwirtschaft bringt Vorteile fUr die Umwelt und heillt u.a.:

• Moglichst geschlossener Stoff- und Produktionskreislauf, • Nachhaitige Steigerung der natiirlichen Bodenfruchtbarkeit, • Vermeidung von DUngemittelverlusten, • Pflanzen- und standortgezieite Anwendung, • Anwendungsverbote fur chemisch-synthetische Dlinger,

Pflanzenbehandlungsmittel, • Hormone und Wuchsstoffe;

d.h. auch artgerechte Haltung und bessere Tiergesundheit:

• Milchklihe 46, I VEil 00 ha LF (Milchleistung 4.196 kglKuh), • Sonstiges Rindvieh 44,4 VEil 00 ha LF (Bundesministerium 1996, S. 34).

In okologischen Landwirtschaftsbetrieben werden fur HIPP beispielsweise Bio­Karotten, Bio-Bananen, sonstiges Bio-Obst, Bio-Kalbfleisch, Bio-Rindfleisch und Bio-Milch produziert.

Hinweis: Fur HIPP Sauglingsmilchnahrung und Milchfertigbreie werden uber neun Millionen Liter Bio-Milch verarbeitet, die als Halbfertigwaren angeliefert wurden. Diese sind nicht im HIPP Werk Pfaffenhofen hergestellt und erscheinen deshalb nicht in der vorliegenden Okobilanz (HIPP 1995).

Zum Input der Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Verpackungen finden sich in der Okobilanz von HIPP z. B. folgende Angaben (HIPP 1995):

• Betriebsstoffe: 168 t, Reinigungsmittel: 104 t, Bliropapier: 14 t, Bliromateria lien 592.167 StUck.3

• Wasser: 514.767 m ,Energie: 43.091 MWh. • Gesamtgewicht Verkaufsverpackungen 23.065 Tonnen, davon: Etiketten 189 t,

Kartontray 550 t, SchrumpffoJie 174 t, Deckel 955 t, Glas 21.197 t.

HIPPs Ziel im Rahmen des Umweltmanagements ist die "Okologische Op­timierung des Betriebes hinsichtlich der Produktionsverfahren, des Ver­brauchs an Ressourcen und der Produktentwicklung jeweils unter Beriick­sichtigung der okonomischen Realitiiten" (HIPP 1995, S. 12).

Durch das Oko-Audit in Pfaffenhofen wird eine laufende Optimierung der Be­triebsstoffe und Reinigungsmittel, eine Reduzierung der Verpackungen, eine Re­duzierung von Bliromaterialien sowie ein Riickgang von Wasser-, Energieverbrau­chen, Abfallen und Emissionen angestrebt.

Page 211: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oko-Audit: Chance fur die Landwirtschaft - Nutzen fur die Umwelt ? 205

Bisher wurden beispielsweise folgende Verbesserungen erzielt (Einsparungen zu 1992 in Klammem):

ABC-Bewertung der Betriebsstoffe, ABC-Bewertung der Reinigungsmittel (qualitativ), Wasserreduzierung auf 14,5 Jlkg Produkt (18 %), Gesamtabfallreduzierung auf 7.818 Tonnen (18 %), Reduzierung Gesamtabwassermenge auf 491.260 m3 (37 %). Emissionen (Einsparungen zu 1993 in Klammem):

• CO2: 284 kgIProduktionstonne (19 %), absolut 10.085 t, • NOx: 256 glProduktionstonne (18 %), absolut 9.101 kg, • S02: 146 glProduktionstonne (34 %), absolut 5.215 kg.

(siehe HIPP 1995)

HIPP stellte 1994 in Pfaffenhofen Produkte im Gesamtgewicht von 35.512 Tonnen her.

Transporte werden Uberwiegend mit LKWs durchgefiihrt. Zum Verkehrsauf­kommen durch den Vertrieb der Produkte konnte das HIPP Werk keine Angaben machen. Eine Okobilanz "Verkehrsstrome und Emissionen durch den Verkehr" ist auch mittelfristig nicht geplant.

Urn die GroBenordnung der Umweltbelastungen durch den Femverkehr zu zei­gen, wird folgendes Modell herangezogen:

Tabelle 1. Emissionsfaktoren fur LKW im Jahre 1990 Quelle: Enquete-Kommission (1994, S. 38)

in glkg Diesel CO2 CO NO.

Innerorts 3,16 kg 35 60

AuBerorts 3,16kg 20 60 Autobahnen 3,16 kg 15 60

Tabelle 2. Kraftstoffverbrauch eines 24 t Solo-LKW (1990) Quelle: Enquete-Kommission (1994, S. 30)

S02

3

3

3

Auslastungsgrad Innerorts I Au6erorts

in Liter Diesel/100 km

38,6%=6,4 t 31,6 I 28,7

67,6%=11,2t 35,8 I 32,6

VOC

10

5 5

I Autobahn

I 28,7

I 32,6

Page 212: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

206 Kapitei 2: Fallbeispieie und Piiotprojekte

Tabelle 3. Kraftstoffverbrauch eines 40 t LKW-Zuges (1990) QueUe: Enquete-Kommission (1994, S. 31)

Auslastungsgrad Innerorts Au6erorts

in Liter Diesel!1 00 km

Leerfahrt 29,6 26,9

60%~15t 42,2 38,3

100%~25 t 48,8 44,4

Tabelle 4. StraBenkilometer: Entfernungskilometer von MUnchen nach: QueUe: StraBenkarten

Miinchen: 0 Erfurt: 419 Potsdam: 560

Stuttgart: 226 Saarbriicken: 421 Berlin: 585

Mainz: 330 Dresden: 455 DUsseldorf: 625

Wiesbaden: 332 Magdeburg: 524 Hannover: 630

Luxemburg: 530 Paris: 800 London: 1.080

Brussel: 730 Amsterdam: 839 Athen: 1.790

Angaben HIPP:

Autobahn

26,9

38,3

44,4

Bremen: 740

Hamburg: 777

Schwerin: 780

Kiel: 878

Madrid: 1.820

35.512 t Produkte, 90 % der Produkte nach Deutschland, 10 % nach Europa.

Annahme: Die Produkte werden von einem Verkehrsgiiterzentrum in MUnchen gleichmaBig an Verkehrsgiiterzentren in die Landeshauptstadte geschickt. Wir nehmen einen Transport in 24 t Solo-LKW mit einer Auslastung von 67,6 % (= 11,2 t) im Schnitt als wahrscheinlich an. Die gleichen Annahmen gelten flir den Transport nach Europa.

Ergebnisse:

Deutschland {Produkte 90 % = 31.961 t; Ladung LKW 11,2 t ~ 2.854 LKW-Ladungen {Entfemung 0518 km; Verbrauchje 100 km 32,6 I Diesel ~ 169 I Diesel/LKW­Ladung ~ Verbrauch ca. 482.000 Liter Diesel

Europa {Produkte 10 % = 3.551 t; Ladung LKW 11,2 t ~ 317 LKW-Ladungen {Entfemung 0 1.084 km; Verbrauch je 100 km 32,6 I Diesel ~ 353 I Diesel/ LKW-Ladung ~ Verbrauch ca. 112.000 Liter Diesel

Page 213: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oko-Audit: Chance fur die Landwirtschaft - Nutzen fur die Umwelt ? 207

Es ergeben sich folgende Emissionen:

Ubersicht 4. Emissionen durch den Vertrieb von HIPP-Produkten (Ferntransporte) Quelle: Eigene Hochrechnung

Emissionen CO2 CO NO. S02

482.000 Liter Diesel 1.523 t 7,2 t 28,9t 1,4 t

112.000 Liter Diesel 354 t 1,7 t 6,7 t 0,3 t

Summe 1.877 t 8,9 t 35,6 t 1,7 t

Man sieht die Groi3enordnung der Umweltbelastungen durch den Verkehr.

VOC

2,4 t

0,6 t

3,0 t

Hinweise: Einige Umweltbelastungen wie z.E. Larm wurden nicht aufgefiihrt, Ruckfahrten, Verteilungsfahrten, Abholfahrten nicht betrachtet. Eben/ails nicht eingerechnet sind die noch weit haheren Sekundareffekte: die akologischen Bela­stungen durch Erdalabbau, Erdaltransport, Raffineriebetrieb, Straj3enbau, Fahr­zeugbau etc.

13.4.3 Einsparpotentiale, Probleme und Systemgrenzen

Rohstoffe

Erhohung des Bio-Anteils? Der Bio-Anteil bei den Rohstoffen liegt bei 63 %. Neben den Bio-Angeboten produziert HIPP aus okonomischen GrUnden (Auslastung der Produktionsanlage, groi3ere Flexibilitat) auch konventionelle Babynahrung mit geringem Bio-Anteil, die als No-Name-Produkte in Supermarkten vertrieben wird. Bis 1997 will HIPP einen Bio-Anteil bei den Rohstoffen von 70 % erreichen. Dies ist notwendig, da "Bio" fUr HIPP nicht nur Leidenschaft, sondem in erster Linie Geschaftsgrundlage ist. Eine Erhohung des Bio-Anteils ist natlirlich nur moglich, wenn die Marktlage es zula13t: "Die daraus resultierenden Kostensteigerungen mUssen durch AusschOp­fung von Rationalisierungsreserven in vertretbarem Rahmen gehalten werden" (HIPP 1995, S. 19).

ako-Audits auch in Erzeugerbetrieben? Von seinen Rohstofflieferanten (okologischer Landbau) konnte HIPP den Nach­weis veriangen, daB sie Anstrengungen untemehmen, urn u.a. den Energie- und Wassereinsatz zu minimieren (Jahresvertrage, Abhangigkeit der Betriebe von HIPP). Die Frage ist, ob HIPP daran interessiert ist. Ein "kontrollierter HIPP Bio­Anbau" ist an Werbewirksamkeit kaum zu Ubertreffen. Der Aufbau eines Um­weltmanagementsystems, wie in der EG-Oko-Audit-Verordnung beschrieben, er-

Page 214: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

208 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

gibt wenig Sinn. So bearbeiten HIPP Bio-Erzeuger durchschnittlich nur rund 10 ha LF mit einer entsprechend geringen Zahl von Arbeitskriiften.

Hinweise zur Zahl der Arbeitskrafte: Betriebe des okologischen Landbaus haben eine durchschnittliche Flachen­

ausstattung von 35,40 ha LFIBetrieb mit 1,66 AKiBetrieb. Obstbaubetriebe ver­fugten 1994195 im Durchschnitt uber 14 ha LF, die von 2,7 Arbeitskraften bewirt­schaftet wurden (Bundesministerium 1996, S. 34, 37). Der Arbeitskraftebedarffor den Gemuseanbau ist sehr unterschiedlich. 1m Schnitt wird 1 AKlha benotigt. Ar­beitsbedarf je ha bei Spinat: 28 Arbeitskraftstunden (Konservenanbau), 306 Akh (Frischmarkt); bei Mohren: 50 Akh (Konservenanbau), 80 Akh (Frischmarkt).

Ein Oko-Audit bei den konventionell anbauenden Betrieben ist fUr das HIPP Marketing nutzlos: Die verarbeiteten Rohstoffe werden als No-Name-Produkte vertrieben.

Hinweis: Nach Artikel 10 der EG-Oko-Audit-Verordnung darf die Teilnah­meerklarung weder in der Produktwerbung verwendet noch auf den Erzeugnissen selbst oder aufihrer Verpackung angegeben werden.

Regionalisierung des Einkaufs? Aus GrUnden des Umweltschutzes ware ein regionaler Einkauf der Rohstoffe wiin­schenswert. Nach Auskunft von HIPP ist es jedoch nicht moglich, Produkte in vergleichbarer Menge und Qualitat zu vergleichbarem Preis aus der Region zu beziehen. Unter den gegenwiirtigen wirtschaftlichen Bedingungen (billige Trans­porte, Kostenvorteile der groBen Einheiten) ist also keine Verkehrsreduzierung zu erwarten.

Verkehrszunahme durch verandertes Konsumverhalten "Die ursprUnglich vorwiegend nationale Beschaffung der Bio-Rohstoffe wird zu­nehmend intemationaler. Dies insbesondere, weil viele Bio-Obstrohstoffe nur in sUdlichen Landem in der fUr Babykost geeigneten Qualitiit angebaut werden kon­nen" (HIPP 1995, S. 18).

Aus Sicht der Erzeugerbetriebe:

Okologische Landwirtschaft versus Vermarktungsstrukturen Die Idee der okologischen Landwirtschaft ist auch, die Vermarktungswege mog­lichst kurz zu halten (Direktvermarktung, regionale Vertriebswege). Bei der mo­mentanen Marktlage ware dies unrealistisch. Selbst wenn erreicht wiirde, daB fUr aIle Betriebe die Kriterien des okologischen Anbaus verbindlich sind, hiitte sich an den derzeitigen systembedingten groBriiumigen Vertriebsstrukturen und der groB­technisch ausgerichteten Weiterverarbeitung nichts geandert.

Page 215: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oka-Audit: Chance fOr die Landwirtschaft - Nutzen for die Umwelt ? 209

Ausweitung der okologischen Landwirtschaft? In bezug auf die Entwicklung der okologischen Landwirtschaft stehen die Oko­Bauem in einem Widerspruch: einerseits sollten sie im Interesse ihrer Glaubwlir­digkeit politisch fur eine Okologisierung der Landwirtschaft eintreten, andererseits haben sie das betriebswirtschaftliche Interesse, daB die Umstellungen nicht der Entwicklung eines entsprechenden Kaufverhaltens vorauseilen, was zu einem Zusammenbruch der Preise fur Bio-Produkte fiihrt. Unter den derzeitigen Rah­menbedingungen mtissen jedoch fur Oko-Produkte hohere Preise erzielt werden als fur konventionelle Landwirtschaftsprodukte (Ltinzer 1990).

Hilfs- und Betriebsstoffe

Oko-Audits auch bei Lieferanten? HIPP hat das Ziel, kontinuierlich mehr bei zertifizierten Lieferanten einzukaufen. Wie aus Umweltberichten zertifizierter Betriebe ersichtlich, sind die okologischen Verbesserungspotentiale zum Teil sehr hoch.

Verpackungen

Mehrweg bei Transportverpackungen? Die Leerglasanlieferung bei HIPP wurde von Einwegkartonagen auf Mehrwegver­packung umgestellt. Andere MaBnahmen sind in PrUfung.

Problem: Die Entwicklung zu kleineren Verkaufseinheiten fuhrt insgesamt zu einer Zunahme des Abfallautkommens bei Transportverpackungen.

Einfi.ihrung eines Mehrwegglases? HIPP steht einer Mehrwegverpackung grundsatzlich positiv gegenUber (Initiative Mehrweg). Aus okonomischen Grunden (Konkurrenzsituation) setzt man jedoch auf EinweggHiser. Dies andert sich auch in absehbarer Zeit nicht: Urn die Marktan­teile zu halten und den Bestand des Untemehmens nicht zu gefahrden, wird sich HIPP hUten, gegen die Konkurrenz ein Mehrwegglas einzufuhren und damit sein Produkt zu verteuem.

Hinweis: "Knapp drei Jahre ist es her, daJ3 dem Drogerie-Discounter Anton Schlecker die Babykost zu teuer wurde. Nachdem Hipp seine Preise nicht senken wollte, verbannte Schlecker die Glaschen aus Pfaffenhofen kurzerhand aus seinem Sortiment. Hipp verlor damit auf einen Schlag rund 20 Prozent seines Geschafts­volumens und das Familienunternehmen muJ3te deswegen sogar kurzarbeiten" (Hujer /996).

Ob wegen der groBraumigen Vertriebsstrukturen bei HIPP ein Mehrwegglas gleicher GroBe dem Einwegglas okologisch vorzuziehen ist, ist Uberdies fraglich. Urn die Einfuhrung eines genormten Glasbehalters (VerkUrzung der RUcklauf­transporte) zu unterstiitzen, mUBte der Gesetzgeber aktiv werden. Dies ist zur Zeit nicht zu erwarten.

Page 216: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

210 Kapitel2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

HIPP Werk Pfaffenhofen

Weitere Urnweltverbesserungen bei HIPP? Aus der vorausgegegangenen Schwachstellenanalyse im Rahmen des Oko-Audits bei HIPP leitete sich eine Vielzahl von MaBnahmen ab, deren Realisierung bis 1998 oder friiher angestrebt wird.

Zum Beispiel:

• Begriinungsplan zur Motivation der Mitarbeiter, • Umbau des Heizungssystems zur Verringerung des Energiebedarfs, • Automatische Lichtschalter und Energiesparlampen zur Stromeinsparung, • Erweiterung der Abfallbilanz zur Verbesserung der Abfallbewirtschaftung, • Einsatz von Nebenstromolfiltem in allen Fahrzeugen

(siehe HIPP 1995, S. 47 ft).

Qualitatskontrolle versus Urnweltschutz Urn Unsicherheitsreaktionen besorgter Miitter und Vater, die wollen, daB ihr Nachwuchs moglichst lange unbelastete Nahrung zu sich nimmt, auszuschlieBen, werden vollig iiberzogene Qualitatskontrollen durchgefiihrt.

"Saftige Oko-Wiesen allein machen jedoch heute noch keinen erfolgreichen Babykost-Hersteller aus. Das h6chste Gut des Marktes ist das Vertrauen der jun­gen Mutter. Um diesen Mythos auftubauen, reicht es aber nicht, daj3 der Firmen­chef allen 'seinen' Kalbern in ihrem kurzen Leben einmal pers6nlich auf den Buckel gekiopft hat. Nicht weniger als zehn Prozent seiner 800 Mitarbeiter hat er deshalb mit der Qualitatssicherung betraut. Insgesamt 260 Kontrollen muj3 der Inhalt eines Glaschens vom Anbau bis zum Endprodukt heute durchlaufen. Zudem hat Hipp aile in im vergangenen Jahr 20 Millionen DM in neue Produktionsanla­gen investiert. Die moderne Technik, eriautert der Firmenchef, entfernt jetzt seibst soiche Unreinheiten, die eigentlich gar nicht schadlich sind. Jene schwarzen Punkte in der Karotte, beispieisweise, die nur auj3erst angstliche Mutteraugen auftuspuren wissen" (Hujer 1996).

Qualitatskontrollen als Umweltbelastung zu bezeichnen, mag iibertrieben er­scheinen. Es sei jedoch auf folgendes verwiesen: Seit Beginn des lahres 1996 wird bei HIPP im Drei-Schicht-Betrieb produziert. "Der Umweltschutzbeauftragte Hanf erklart auch diese gesundheitsschadliche Arbeitszeit fur 'okologisch', weil sie die Maschinen besser auslastet" (Oko-Test-Verlag 1996a, S. 15).

Produkte

Oko-Audit auch beirn Verkehr? "Die Einbeziehung des Verkehrs, den ein Untemehmen erzeugt, in sein Umwelt­management bringt Kostensenkungen und okologische Vorteile. Betriebliches Verkehrsmanagement ist dennoch in Deutschland noch wenig verbreitet.... Die verkehrserzeugende Rolle von Untemehmen spielt in der deutschen Umweltdis-

Page 217: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oko-Audit: Chance fliT die Landwirtschaft - Nutzen fuT die Umwelt ? 211

kussion kaum eine Rolle. Tatsachlich aber ist nicht nur der Gtiterverkehr ... von groBer Bedeutung. Auch der indirekt den Untemehmen zuzuordnende Berufsver­kehr schlagt mit 36,8 % der PKW-Kilometer zu Buche .... In praktisch keinem Umweltbericht wird der Verkehr quantitativ dokumentiert; selbst eine bloBe Er­wahnung ist auBerst selten .... Auch eine Beriicksichtigung im Zusammenhang mit dem Oko-Audit erfolgt niche' (Oko-Test-Verlag 1996c, S. 13 t).

Entwicklung der Verkehrssituation Der StraBenverkehr verursachte 1992 67,3 % aller NOx-Emissionen, 62 % aller CO-Emissionen und 20,5 % aller COrEmissionen in Deutschland. Eine weitere Zunahme der Verkehrsstrome ist zu erwarten. Auch bei HIPP. So ist der Markt fur Babynahrung in Deutschland gesattigt. Das Untemehmen untemimmt deshalb starke Exportanstrengungen, urn neue Mtlrkte in Europa zu erschlieBen.

Hinweis: Die weiler zunehmenden Fahrten bewirken, dafJ trotz Verbesserungen bei Fahrzeugtechnik und Kraftstoffen die Emissionsbelastung durch den Verkehr hoch bleibt (siehe auch Oko-rest-Verlag 1996£1, S. 2).

Gutertransporte per Bahn? Die Transporte werden bei HIPP fast ausschlie/31ich tiber LKW durchgefuhrt (Speditionen). Die extemen Kosten des StraBengtiterverkehrs liegen nach ver­schiedenen Schatzungen immer tiber den en des Schienenverkehrs. Eine Verlage­rung der HIPP-Transporte auf die Schiene ist nach Auskunft der Firma aus oko­nomischen Grtinden ("just-in-time") und wegen fehlender Infrastruktur nicht mog­lich.

Okologische Optimierungspotentiale durch bessere Verkehrslogistik Der Otto Versand fuhrte eine Bestandsaufnahme fur seine logistischen Bereiche durch. Ais GroBe fur die okologische Steuerung der Transporte wurde die Menge an COrEmissionen gewahlt. Bis zum Jahr 2005 will der Otto Versand 30 % der COrEmissionen (Basisjahr 1994) einsparen. Dabei soll auch eine wachstumsbe­dingte Steigerung der Transporte berticksichtigt werden (Arretz 1996).

Mehrere Produktionsstandorte zur Verkehrsvermeidung? HIPP produziert in Pfaffenhofen. Schwestergesellschaften sind HIPP Osterreich und bio-familia in der Schweiz. Zur Verkehrsvermeidung konnte HIPP theoretisch an mehreren Standorten produzieren. Nach Angaben von HIPP ist dies aus Ko­stengrtinden nicht moglich (billige Transporte, Kostenvorteile der groBen Ein­heiten).

Page 218: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

2i2 Kapitei 2: Fallbeispieie und Piiotprojekte

13.4.4 Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft

1m Rahmen der herrschenden Wirtschaftsordnung ist HlPP auf dem besten Weg, die "okologische Optimierung des Betriebes" zu erreiehen. Zur Sicherung der Lebensgrundlagen klinftiger Generationen ist jedoeh ein "Umweltschutz", der nur an Symptomen ansetzt, vollig unzureiehend.

Durch Oko-Audits kann nur der Ressoureeneinsatz optimiert werden. Erst mit dem Leitbild einer naehhaltigen Wirtsehaft lassen sieh Strukturen hinterfragen und aufbreehen. Die langfristigen lnteressen des Verbrauchers und nieht die kurzfristi­ge Kapitalverrnehrung stehen hier im Vordergrund.

Mogliche MaBnahmen auf dem Weg zu einer naehhaltigen Wirtschaft:

• Aile Rohstoffe sind naeh den Riehtlinien der okologischen Landwirtschaft anzubauen. Der Ressoureeneinsatz auf den HOfen muB unter Umweltgesichts­punkten we iter optimiert werden. Die Transportentfemungen sind zu verrin­gem.

• Hilfs- und Betriebsstoffe sind we iter zu optimieren und zu reduzieren. Auf einen regional en Bezug dieser Stoffe ist zu aehten.

• Als Mehrwegverpaekung sollte ein genorrnter Glasbehalter Einsatz tinden, der nicht nur in der Babynahrungsmittelindustrie, sondem auch in anderen lndu­strien eingesetzt wird.

• Der Ressourceneinsatz im HIPP Werk und bei den Vertriebstransporten ist weiter zu optimieren.

• Aus Umweltgesichtspunkten ware ein moglichst regionaler Vertrieb (bis 100 km) wtinschenswert.

Epilog: "Das Umweltbundesamt (UBA) hat eine politisch brisante Arbeit vorgelegt: 'Schritte zu einem nachhaltigen Deutschland'. Der Bericht, verfaj3t im Auftrag des Bundesumweltministeriums, zeigt fur verschiedene Bereiche, daj3 die deutsche Umweltpolitik nicht ausreicht. Der Bericht wird in seiner ursprunglichen Form nicht veroffentlicht. Das Umweltministerium plant fur Ende Mai ein eigenes Pa­pier, in das die Ergebnisse des UBA-Berichts tei/weise eirif/iej3en sollen. ...

Beispiel Nahrungsmittelproduktion: Der UBA-Berieht skizziert die Auswirkun­gen der Nahrungsmittelproduktion auf die Umwelt. Eintrage von Nitrat, Phospat und Diingemitteln fuhren zur Oberdiingung der Boden und tragen zum Treibhau­seffekt bei. lntensiver Landbau ist eine der Ursaehen fur den Verlust der biologi­schen Vielfalt. Auch die Weiterverarbeitung der Lebensmittel und ihr Transport belasten die Umwelt aufvielfache Art und Weise. Das UBA schlagt Umweltquali­tatsziele und als konkrete Schritte Umwelthandlungsziele vor: Regionale Versor­gungskonzepte, die Starkung lokaler Markte, ein mogliehst geringer Energiever­brauch bei Produktion und Verpackung von Lebensmitteln sowie 'urn exteme Kosten korrigierte Transportpreise' gehoren dazu" (Oko-Test 1996b, S. 3).

Page 219: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

13 Oko-Audit: Chance fur die Landwirtschaft - Nutzen fur die Umwelt ? 213

Literatur

ARRETZ, Michael (1996): "Okologische Steuerung der Transporte des Otto Versand auf Basis der CO2-Emission en"; in: UmweltWirtschaftForum, 4. Jg., 1. Marz 1996. Heidel­berg: Springer-Verlag, S. 48-52.

BUNDESMINISTERIUM FUR. ERNAHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN (BML), Referat Offentlichkeitsarbeit (Hg.) (1996): Agrarbericht der Bundesregierung 1996 (Drucksache 13/3680). Bonn: BML.

DALY, Herman E. (1993): "Die Gefahren des freien Handels"; in: Spektrum der Wissen­schaft. Digest: Umwelt - Wirtschaft. Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft, S. 54-60.

ENQUETE-KoMMISSION "Schutz der Erdatmosphare" des Deutschen Bundestages (Hg.) (1994): Band 4 Verkehr. Studienprogramm Teilband II. Hier: Studie C. Systemvergleich fur unterschiedliche verkehrliche Proze13ablaufe und Transportketten hinsichtlich des Energieeinsatzes und klimarelevanter Emissionen im Guterverkehr. Bonn: Economica.

HIPP WERK (Hg.) (1995): Umweltbericht und Umwelterklarung. Bezug: HIPP Werk, Abteilung Umweltschutz, Munchener Str. 58, 85276 Pfaffenhofen.

HUJER, Marc (1996): "Loffelweise Kindermarchen aus dem Glaschen"; in: Suddeutsche Zeitung vom 2.13. Marz 1996. Munchen: SZ.

LONzER, Immo (1990): "Die Situation und Interessenlage des okologischen Landbaus innerhalb der EG im Hinblick auf Regionalvermarktung und Vollwert-Ernahrung"; in: Muller-Rei13mann, K.F.lSchaffner, Joey (Hg.): Okologisches Ernahrungssystem. Karls­ruhe: C.F. Muller, S. 155-163.

OKo-TEST-VERLAG (1996a): "Hipp: Oko fLir die Babies, Wasser in den Kreislauf'; in: Okologische Briefe Nr. 7 vom 14. Februar 1996. Frankfurt: Oko-Test-Verlag, S. 15 f.

OKO-TEST-VERLAG (1996b): "Umweltbundesamt nennt konkrete Ziele"; in: Okologische Briefe Nr. 21 vom 22. Mai 1996. Frankfurt: Oko-Test-Verlag, S. 3.

OKo-TEST-VERLAG (1996c): "Betriebsverkehrsplan nach hollandischem Vorbild"; in: Okologische Briefe Nr. 25/26 vom 26. Juni 1996. Frankfurt: Oko-Test-Verlag, S. 13 f.

OKo-TEST-VERLAG (1996d): "Europaische Vorgaben fur Kraftstoffe und Emissionen"; in: Okologische Briefe Nr. 27 vom 3. Juli 1996. Frankfurt: Oko-Test-Verlag, S. 2.

UMWELTBUNDESAMT/STATISTISCHES BUNDESAMT (Hg.) (1995): Umweltdaten Deutschland 1995. Berlin: Hagedorn.

Page 220: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

214 Kapitel2 : Fallbeispiele und Pilotprojekte

Zum Autor

Ralf Bendel, Jg. 1964, Diplom-Mathematiker, studierte Mathematik, Okologie und Wirt­schaftswissenschaften in Ulm und Berlin, Arbeitsschwerpunkte: Mitarbeit an Umwelt­projekten, Umweltberatung von Untemehmen und Komrnunen. Seit Anfang 1997 ist Herr Bendel als Energiebeauftragter des Landkreises Rhein-Neckar in Heidelberg tatig. Veroffentlichungen: Produkte mach en Pro­bleme. Die Produktlinienanalyse in der Um­welt- und Verbraucherberatung (1993); Die Umwelt, die Wirtschaft und die Macht (1994) und andere.

Page 221: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

14 Agrar-Oko-Audit - heute schon ein Beitrag zur einzelbetrieblichen Existenzsicherung in der Landwirtschaft?

Annette StUnke und Jutta Beringer

Dieser Beitrag wirft einen Blick auf das Oko-Audit in der Landwirtschaft aus der Sicht der Landwirtinnen und Landwirte. Entscheidendes Kriterium ist dabei die einzelbetriebliche Existenzsicherung und die Frage, ob man sich bereits heute mit dem Oko-Audit auseinandersetzen muJ3 oder ob man erstmal abwarten sollte, wo­hin die Entwicklung geht.

14.1 Noch mehr "Oko"?

Oko-Audit hat zunachst einmal nichts mit okologischem Landbau zu tun! Bei konventionellem, integriertem oder okologischem Landbau handelt es sich urn defmierte landwirtschaftliche Anbausysteme mit unterschiedlichen Bewirt­schaftungsintensitaten. Dagegen ist das Oko-Audit nach der EG-Oko-Audit-Ver­ordnung "ein System zur Bewertung und Verbesserung des betrieblichen Umwelt­schutzes .. .'.1. Es beinhaltet die Forderung nach dem Aufbau eines Um­weltmanagementsystems und die Durchfuhrung einer UmweltbetriebsprUfung. Die Teilnahme an diesem System ist freiwillig und zunachst nur fur gewerbliche Be­triebe vorgesehen.

I) Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates yom 29.Juni 1993 Uber die freiwilige Beteiligung ge­werblicher Untemehmen an einem Gemeinschaftssystem fUr das Umweltmanagement und die Um­weltbetriebsprUfung. Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften Nr. L 168 yom 10.07.1993.

Page 222: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

216 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Oko-Audit ist also nicht mehr und nicht weniger als ein Instrument, das dem Untemehmen hilft,

• "einen Dberblick liber die aktuelle okologische Situation des Untemeh-mens zu gewinnen,

• Zusammenhange zwischen Umweltaspekten und Kosten- beziehungweise Kosteneinsparungseffekten transparent zu machen,

• das betriebliche Datenmaterial zur Unterstiitzung effizienter und umwelt­bewuJ3ter Managemententscheidungen aufzubereiten,

• Ziele und MaBnahmen fur das weitere Vorgehen zur Verringerung von Umweltbelastungen abzuleiten,

• Erfolge und MiBerfolge von MaBnahmen zu kontrollieren und daraus neue Ziele sowie Korrekturen abzuleiten".2

Anliegen der EU ist es, durch die EG-Oko-Audit-Verordnung ein dauerhaft umweltgerechtes wirtschaftliches Wachstum zu unterstiitzen. Dazu sollen die Un­temehmen motiviert werden, sich bei ihren wirtschaftlichen Aktivitaten mit den Umweltfolgen ihrer Tatigkeiten auseinanderzusetzen, die Verantwortung dafur zu libemehmen und zu einem aktiven Konzept zur Bewaltigung zu kommen. So soli eine kontinuierliche Verringerung der Umweltbelastungen durch die Untemehmen bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Entwicklung gef6rdert werden.

14.2 Wichtige Schritte bei der Durchflihrung eines Oko-Audits nach der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 sind:

1. Festlegen der betrieblichen UmweJtpolitik. Das heiBt, die umweltbezogenen Gesamtziele und Handlungsgrundsatze des Betriebes festzulegen. Dabei muB eine kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes erreicht werden. Aile einschlagigen Umweltvorschriften mlissen eingehalten sein.

2. Beurteilung des Ist-Zustandes am Standort unter Beriicksichtigung der Aspekte • Energie, Rohstoffe, Wasser, Abfalle, Larm, • Produktionsverfahren, Produktplanung, • Praktiken bei Auftragnehmem und Lieferanten, • Verhlitung und Begrenzung sowie ggf. Krisenmanagement bei

umweltschadigenden Unfallen, • Information und Ausbildung des Personals in bezug auf okologische

Fragestellungen, • Exteme Information liber okologische Fragestellungen.

2) Bundesumweltministerium, Umweltbundesamt (Hrsg.), 1995: Handbuch Umweltcontrolling. Miin­chen, Vahlen.

Page 223: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

14 Einze1betrieb1iche Existenzsicherung 217

3. Festlegen und Umsetzen von Umweltzielen, Umweltprogramm und Umwelt­managementsystem fur den Standort und die dortigen Tatigkeiten (d.h. We1che Ziele sol1en auf den einzelnen betrieblichen Ebenen erreicht werden? Was soli zur Umsetzung der Ziele konkret getan werden? Wie ist das organisiert, wer ist wofur zustandig?)

4. Durchfuhrung der Umweltbetriebspriifung 5. Erstellen und Veroffentlichen der Umwelterklarung

14.3 Wesentliche Unterschiede zwischen gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben

Ein landwirtschaftlicher Betrieb hat einen viel unmittelbareren Bezug zur Natur und Umwelt als eine mechanisch arbeitende Betriebsstatte. Bei einer Anwendung des Oko-Audits in der Landwirtschaft sind im Vergleich zum Oko-Audit fur ge­werbliche Betriebe u.a. folgende Unterschiede zu beriicksichtigen:

• starkerer Flachenbezug der Produktion und deren Umweltauswirkungen. In der Landwirtschaft ist die Flache, d.h. der Boden in der Funktion als Standort fUr Kulturpflanzen, einer der wichtigsten Produktionsfaktoren. Umweltauswirkun­gen der landwirtschaftlichen Produktion, insbesondere der Pflanzenproduktion, betreffen den eigenen Betriebsstandort im Vergleich zu gewerblichen Betrie­ben starker;

• bei den Produktionsfaktoren handelt es sich zum groBen Teil urn Lebewesen sowie Natur und Landschaft mit einem eigenen Schutzanspruch;

• von der Landwirtschaft werden in erheblichem MaBe auch positive Leistungen fur Natur und Landschaft erbracht. Unsere vielfaltige Kulturlandschaft ist im wesentlichen durch Landwirtschaft erst entstanden. Obwohl sie heute u.a. durch die Landwirtschaft gefahrdet ist, wird sie doch nach wie vor durch die Landwirtschaft gepragt und ist nur durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu erhalten.

In der Landwirtschaft ist eine Verbesserung des Umweltschutzes zum einen wie in gewerblichen Betrieben durch MaBnahmen zur Vermeidung und Verminderung von Emissionen und anderen umweltbelastenden Auswirkungen moglich. Da Landbewirtschaftung und damit Landwirtschaft aber nicht nur Natur, Landschaft und Umwelt beeintrachtigt, sondem gleichzeitig Voraussetzung fur deren Erhalt und Bestand ist, konnen durch geeignete MaBnahmen andererseits auch positive Wirkungen fur Natur, Landschaft und Umwelt als Produktions- und Lebensgrund­lagen erreicht werden. So1che sind z. B. die Beweidung von Trockenrasen, (verhindert Verbuschung), die Pflege von Gewassem, die Aufforstung eines Wal­des, die Bewirtschaftung von Griinland in einer fur Wiesenvogel vertraglichen

Page 224: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

218 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Intensitat etc. Das ako-Audit bietet hier gerade der Landwirtschaft die Chance, die positiven Aspekte ihres Handelns sichtbar zu machen und dadurch an Profil zu gewinnen.

14.4 Oko-Audit ein nUtzliches Umweltschutzinstrument fUr landwirtschaftliche Betriebe?

Wohl unbestritten ist die These, daB die Verstarkung des Umweltschutzes auch in der Landwirtschaft ein Zeichen der Zeit ist. Sie ist eine unumgangliche Notwen­digkeit zur Erhaltung der narurlichen Produktionsgrundlagen in Natur und Um­welt. Gleichzeitig ist sie eine gesellschaftliche Forderung an die Landwirtschaft (genauso wie an aile anderen Wirtschaftsbranchen auch). Es stellt sich jedoch die Frage: ist gerade das "ako-Audit" fur die Landwirtschaft ein geeignetes Mittel, urn sich dieser Herausforderung zu stellen?

Schaut man sich die oben genannten Schritte des ako-Audits noch einmal an, so wird deutlich:

1. Festlegen def betrieblichen Umweltpolitik Nur wenn ich weiB, wohin ich will, kann ich zielgerichtete MaBnahmen ergreifen, urn dorthin zu gelangen. Dabei muB ich mich nicht sprachlich verkUnsteln. FUr den landwirtschaftlichen Betrieb heiBt das, neben den Zielen wie "gute Qualitat der Produkte" und "wirtschaftliche Produktion" auch das Ziel "umweltfreundliche Produktion" aufzunehmen.

2. Beurteilung des Ist-Zustandes Ich muB mir klar machen, wie ich hinsichtlich Umweltschutz im Moment tatsach­lich da stehe. Das heiBt zunachst: welche Umweltauswirkungen gehen von meinem Betrieb aus? WeiB ich selbst undloder wissen meine Familien- und Betriebsange­harigen, was sie tun kannen, urn sich im Alitag und betriebsplanerisch umwelt­freundlich zu verhalten? FUr die Bestandsaufnahme der Umweltsituation werden sinnvollerweise die bereits vorliegenden Daten und Informationen aus der Buch­fuhrung, aus der Ackerschlagkartei, dem DUngeplan usw. genutzt beziehungsweise erganzend und abgestimrnt auf diese erhoben. Der Aufwand soli ja so gering wie maglich gehalten werden. Bei der Beurteilung des Ist-Zustandes bleiben die Ko­sten, die mir durch UmweltschutzmaBnahmen entstehen, noch unberUcksichtigt!

Page 225: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

14 Einze1betrieb1iche Existenzsicherung 219

3. Festlegen und Umsetzen von Umweltzielen, Umweltprogramm und Umwelt­managementsystem Nur wenn ich weiB, wo meine Starken und Schwachen bezUglich Umweltschutz in meinem Betrieb liegen, kann ich mich entscheiden, an welchen Stellen ich konkre­te MaBnahmen vornehmen mOchte. Dann kann ich bestimmen, wer fur die Durch­flihrung verantwortlich ist. FUr meinen landwirtschaftlichen Betrieb heiBt das, daB ich mir konkrete Schwerpunkte und Ziele flir den Bereich Umweltschutz setze, genauso, wie ich dies flir die Produktionstechnik und die Betriebswirtschaft zum Beispiel im Rahmen des Betriebsentwicklungsplanes tue. Dazu geMrt natiirlich die Planung mit welchen Schritten und MaBnahmen diese Ziele dann auch zu reali­sieren sind. Wie bei jeder anderen betrieblichen Entscheidung werde ich dabei natiirlich den erwarteten Nutzen und die Kosten gegenUbersteIlen.

4. Durchflihrung der Umweltbetriebspriifung Nur wenn ich Ziele und MaBnahmen UberprUfe, bekomme ich einen Uberblick nach dem Motto "Ziel erreicht bzw. nicht erreicht". Jede/r BetriebsleiterIn wird nach eigenen Kriterien entscheiden, ob er/sie die Umweltbetriebspriifung (nur) intern oder zusatzlich von einer Zertifizierungsgesellschaft durchflihren laBt, urn die offizielle Teilnahmeerklarung flir den Betrieb(standort) zu bekommen.

5. UmwelterkHirung erstellen und verOffentlichen Eine Darstellung Uber meinen Betrieb mit Angaben zu meinen Leistungen im Umweltschutz, das kann auch ohne Zertifikat Nutzen bringen. Zum Beispiel zur Verbesserung meines Images gegenUber Abnehmer- und Verbraucherinnen.

14.5 Oko-Audit heute schon ein Beitrag zur einzelbetrieblichen Existenzsicherung?

Wenn gilt,

• daB Umweltschutz in Zukunft noch mehr Gewicht in der Landwirtschaft be­kommen wird und

• daB Oko-Audit bereits heute als ein Instrument der Betriebsanalyse unter Um­weltaspekten angesehen werden kann,

dann folgt daraus, daB es im Hinblick auf die betriebliche Existenzsicherung sinnvoll ist, diese Betriebsanalyse bereits heute schon durchzuflihren, urn sich auf die Rahmenbedingungen der Zukunft einzustellen. Denn damit bleiben Betriebslei­terinnen in der Lage, zu gegebener Zeit agieren zu kOnnen, statt im nachhinein reagieren zu mUssen.

In welcher Tiefe man die Betriebsanalyse durchflihrt und ob gleich flir den gan­zen Betrieb oder flir einzelne Betriebszweige, ob gleich flir aIle Umweltaspekte

Page 226: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

220 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

oder zunachst nur fur einzelne, das kann jeder Landwirt, jede Landwirtin selbst entscheiden. Ausschlaggebend mag dann sein, ob es die Abnehmerlnnen fordem, ob man sich Marktvorteile davon verspricht, ob es sich der Betrieb zur Zeit leisten kann oder ob es den Landwirt, die Landwirtin einfach interessiert, sich naher mit den Umweltauswirkungen der eigenen Wirtschaftsweise auseinanderzusetzen.

Selbst wenn Landwirte zunachst beobachten wollen, we1che Empfehlungen und V orgaben die Landwirtschaftskammem und die Beratung geben, werden sie doch nicht urnhin kommen, einen eigenen Standpunkt fUr ihren Betrieb zu bestimmen, die eigenen Umweltziele zu benennen und die Entscheidung fUr die Schwerpunkte und die Art und Weise der Umsetzung zu treffen. Dabei bietet diese Betriebsanaly­se als erster Schritt des Oko-Audits die Chance, die eigenen Ziele, ein eigenes Wertesystem fUr Umweltschutz im Betrieb zu entwickeln, allein dadurch, daB man sich damit auseinandersetzt.

Erst, wenn man sich als Landwirt, als Landwirtin klargemacht hat, was man be­ztiglich Umweltschutz fUr den Betrieb will und braucht, wird man diese Interessen fUr den Berufsstand formulieren konnen und dort auch vertreten wissen.

Genauso muB es aber Aufgabe von InteressensvertreterInnen und landwirt­schaftlicher Beratung sein, tiber die Erarbeitung von Vorgehensweisen und Bera­tung bei der konkreten Umsetzung in der Praxis hinaus tatig zu werden. Die Motivation der Landwirtlnnen ist so zu starken, daB Umweitschutz bei allen betrieblichen Planungen und Entscheidungen berticksichtigt wird unter dem Motto: "Umweltschutz eine Chance fUr die Zukunft meines landwirtschaftlichen Betriebes".

Der Erfolg der einzelbetrieblichen Existenzsicherung hangt von verschiedenen Faktoren abo Einige sind im folgenden aufgefUhrt:

• Kosten senken, • Produktivitat erhohen, • Qualitatsprodukte erzeugen, • Absatz sichem und steigem, • Hohere Preise erzielen, • Einkommen sichem und steigem, • Produktionsgrundlagen nachhaitig nutzen und sichem (Natur und Landschaft,

Boden, Wasser, Luft), • Staatliche Untersrutzungen nutzen und Ausgleichszahlungen in Anspruch

nehmen, • Gesetzliche Aufiagen einhalten, • Gesellschaftliche Anforderungen berUcksichtigen, • Interessen formulieren und vertreten, (neue) Verbtindete suchen, • Das Tagesgeschaft bewaitigen und vorausschauend planen, • Arbeitsbelastung verringem, • Ziele setzen und neue Wege beschreiten, • Agieren statt reagieren, • Das betriebliche Management perfektionieren.

Page 227: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

14 Einzelbetriebliche Existenzsicherung 221

Der Punkt Produktionsgrundlagen nachhaltig nutzen und sichem war frUher die Grundvoraussetzung und damit das Grundprinzip fur landwirtschaftliche Bewirt­schaftung schlechthin, da die narurlichen Standorteigenschaften der begrenzende Faktor fur die landwirtschaftliche Produktion waren. Vielleicht wurde gerade des­halb lange Zeit von der Landwirtschaft nicht wahrgenommen, daB sich dieses Ver­haItnis von Natur zu Landwirtschaft durch die technischen und chemischen Errun­genschaften verandert hat und sich heute zum groBen Teil bereits umgekehrt hat. Wahrend frUher die Naturgewalten die Existenz des Menschen, des landwirt­schaftlichen Betriebes bestimmten und zum Teil bedrohten, sind heute die Natur­und Kulturlandschaft sowie Wasser, Boden, Luft (unter anderem) durch die land­wirtschaftliche Produktion beeintrachtigt und gefahrdet.

Die Faktoren der ersten Gruppe sind okonomischer Art und klar meBbar. Sie werden durch die Buchfuhrung erfaBt und sind die Faktoren, die zu jedem Zeit­punkt Auskunft Uber die Existenzfahigkeit eines Betriebes geben. FUr viele Betrie­be in den letzen lahren leider wenig positiv.

In der nachsten Gruppe sind Faktoren aufgefuhrt, die zunehmend an Bedeutung fur die Betriebsfuhrung in der Landwirtschaft gewonnen haben. Es han de It sich urn Rahmenbedingungen, die mit der eigentlichen landwirtschftlichen Produktion we­nig zu tun haben und sie werden von auBen an die Betriebe herangetragen. Nichts­destotrotz gewinnen sie fur die Existenzsicherung eines Betriebes an Bedeutung und erfordem starker als bisher Managementfahigkeiten von den Betriebsleitem und Betriebsleiterinnen.

In der letzten Gruppe sind einige Faktoren aufgefuhrt, die fur jeden Betriebslei­ter, jede Betriebsleiterin alltaglich sind. Sie werden oft gar nicht bewuBt wahrge­nommen. Erst wenn etwas nicht stimmt, rUcken sie ins BewuBtsein. Und dann in der Regel eher indirekt in der Gestalt von StreB und dem Gefuhl irgendwas lauft nicht mehr so gut wie frUher oder in form von MiBstimmungen in der Familie und mit den Mitarbeiterinnen. Oft sind sie mit dem Gefuhl verbunden, den auBeren Rahmenbedingungen ausgeliefert zu sein und daraus resultieren sie auch oft.

Es stellt sich die Frage: kann ein Umweltmanagementsystem und eine Umwelt­betriebsprufung nach der Oko-Audit Verordnung diese Schritte positiv beeinflus­sen?

Eine eindeutige Beantwortung dieser Frage ist leider (noch) nicht moglich. Von einer positiven Wirkung auf die im obigen Absatz unterstrichenen Faktoren kann jedoch ausgegangen werden. Besonders trifft dies auf den Faktor "Produktions­grundlagen nachhaltig nutzen und sichem" zu. Offen bleibt dagegen noch wieviel Aufwand, Kosten und Investitionen ein Umweltmanagementsystem letztlich erfor­dert. Offen ist auch, ob sich durch die Teilnahme des Betriebes an dem Oko-Audit­System fur das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprufung der Absatz und die Preise fur die Produkte steigem lassen. Und somit bleibt letztlich offen, wann sich der Autbau eines Umweltmanagementsystems rechnet.

Page 228: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

222 Kapitei 2: Fallbeispieie und Piiotprojekte

Zu den Autorinnen

Annette Stunke, Jg. 1963, Studium der Agrar­wissenschaften an den Universitaten Gottingen und Stuttgart-Hohenheim, anschlie13end tatig in einem Umweltplanungs- und Beratungsbilro in den Bereichen Umweltvertraglichkeitsprilfung, regionale Studien zur Umweltsituation, regionale Entwicklung landlich gepragter Gebiete. Seit 1996 in Bremen freiberuflich tatig zu Fragen des Qualitats- und Umwelt­managements in der Agrarwirtschaft.

Jutta Beringer, 19. 1963, Studium der Agrar­wissenschaften in Gottingen und Stuttgart­Hohenheim, anschlie13end tatig in einer Vermarktungsorganisation fiir okologisch erzeugte Produkte und einer landwirtschaft­lichen Buchstelle. Seit 1994 angestellt im Bereich der landwirtschaftlichen Beratung, hierbei Fortbildung zur Qualiatsmanagerin, Schwerpunkt Agrarwirtschaft, bei der Arbeits­gemeinschaft Landberatung e.V. in Hannover.

Page 229: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

15 Umweltmanagement in der Forstwirtschaft

Holger Bertels

Der Wald mit seinen vieif!iltigen Strukturen und Funktionen ist das okologisch wertvollste Landbiotop. Hierin sind sich ausnahmsweise aile Fachleute einig. Selbst intensiv bewirtschaftete Waldflachen werden okologisch meist hOher bewer­tet als jede landwirtschaftlich genutzte Flache. Der Grund hierfur liegt in der ex­tensiven und langfristigen Wirtschaftsweise, worin gleichzeitig der Hauptunter­schied zur Landwirtschaft besteht. Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist in der deut­schen Forstwirtschaft seit langem fester Bestandteil der Planungen und bekommt aufgrund der Langfristigkeit der Produktion eine andere Dimension als in der Landwirtschaft.

Trotzdem werden die deutschen Forstleute in den letzten Jahren immer haufiger angegriffen. Seitdem die Offentlichkeit mit dem Waldsterben Anfang der 80 'er Jahre konfrontiert wurde, hat die Sensibilitat fur das Biotop Wald in der Bevolke­rung erheblich zugenommen. War die Einstellung zum "deutschen WaldO. schon immer etwas romantisch verkliirt, zwingt der wachsenden Erklarungsbedarf der BevOikerung die bis dato elitare und verschlossene Forstwirtschaft sich nach auJ3en darzustellen. Die seit 1984 jahrlich erscheinenden Waldzustandsberichte der Bun­desregierung sind nur ein Beispiel hierfiir.

Durch die neueren Entwicklungen in der Energie- und Abfallpolitik kommt dem Rohstoff Holz eine weitere Bedeutung zu. Denn neben der Einfuhrung sparsamerer (umweltfreundlicherer) Technologien wird der verstarkte Rtickgriff auf regenera­tive Rohstoff- und Energiequellen eine Schltisselrolle bei der Bewaltigung der Umweltprobleme spielen.

Aus diesem Grunde tragt die deutsche Forstwirtschaft fur die Zukunft eine hohe Verantwortung, Holz aus einheimischen Bestanden in umweltfreundlicher Produk­tionsweise zur Verfugung zu stellen. Hierzu bedarf es eines durchdachten, in die Zukunft gerichteten Managements, in welchem das Umweltmanagement, als Teil des Qualitatsmanagements, eine zentrale Rolle spielen muB.

Hinzu kommt, daB tiber die Zertifizierung von Holz aus nachhaltig wirtschaf­tenden Betrieben in Europa seit Jahren diskutiert wird. Ein Ergebnis wurde noch nicht erzielt. Auch urn dieser Entwicklung offensiv zu begegnen erscheint die Teilnahme an einem europaweit anerkannten Umweltmanagement- und Zertifizie­rungssystem als eine mogliche und logische Konsequenz.

In diesem Beitrag wird nun der Frage nachgegangen, inwieweit Umweltmana­gementsysteme bei deutschen Forstbetrieben bereits installiert sind und ob das

Page 230: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

224 Kapitei 2: Fallbeispieie und Piiotprojekte

Oko-Audit fur Forstbetriebe in Deutschland interessant sein konnte. Anhand eines Beispielbetriebes wird dargestellt, wie die Einrichtung eines Umweltmanagement­systems in einem Forstbetrieb aussehen kann, welche Schwachstellen bzw. Pro­bleme derzeit auftreten und welche Erwartungen damit verbunden werden.

15.1 Strukturen der deutschen Forstwirtschaft

Die Forstwirtschaft ist in Deutschland deutlich unterschiedlich gegliedert wie die Landwirtschaft. Die Eigentumsverteilung der westdeutschen Waldflachen wurde mit der Bundeswaldinventur von 1986-1990 erfaBt. Diese ergab flir das Bundes­gebiet - West:

• 46 % Privatwald • 28 % Staatswald (Land) • 24 % Korperschaftswald • 2 % Bundeswald

(in % der bewirtschafteten Waldflache, aus: AFZ 1611994 "Bundeswaldinventur 1986-1990", Bundesgebiet West).

Tabelle 1. Struktur der Betriebe mit Wald flir das Gebiet der Bundesrepublik West-; Stand 1991 I.(verandert aus: Agrar-Jahresbericht des Bundes 1993)

Gliederung Betriebe WaldflAche in % derbe- ha

Anzahl in% * 1000 ha wirtschafteten je Betrieb Waldflache

Landwirtschaftliche 361.974 1.504,4 21,8 4,7 Betriebe mit Wald Forstbetriebe 116.509 5.395,0 78,2 46,3 Gesamt 433.483 100 6.899,4 100 15,9 darunter: Staatswald 2 873 0,2 2.273,4 33,0 2.604,1 Korperschaftswald 3 10.677 2,5 1.748,9 25,3 163,8 Privatwald 4 421.933 97,3 2.877,1 41,7 6,8

Jiihrliche Erhebung der Betriebsgro!3enstruktur, vorl!lufig; Forstbetriebe ab 1 ha. 2 Bund und Lander 3 Bezirke, Kreise, Gemeinden und deren Verbande sowie Kirchen, kirchliche Anstalten u.a. 4 Natiirliche und juristische Personen des privaten Rechts, darunter 104.959 private Forst

betriebe ab Iha Waldfl!lche und mehr.

Page 231: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

15 Umweltmanagement in der Forstwirtschaft 225

15.1.1 Die Staatsforstbetriebe

Etwa 28 % der bewirtschafteten Waldflachen in Westdeutschland befinden sich irn Besitz der Lander, somit in Staatsbesitz. Die Landesforstbetriebe nehmen eine einmalige Sonderstellung ein, denn sie werden von einer politischen Institution (Landesministerien) geleitet. Die Landesministerien sind gleichzeitig politische Institutionen, oberste Forsthehorden der Lander und Leiter gewerblicher Betriebe. Hieraus hat sich in der Vergangenheit eine Vorbildstellung der staatlichen gegen­tiber den privaten und kommunalen Forstbetrieben entwickelt. Diese Verquickung von Politik und gewerblichem Betrieb hat weiterhin dazu gefuhrt, daB die Landes­forsten in den letzten zwei lahrzehnten ein Umweltmanagementsystem installiert haben. Dieses beinhaltet aile von Abresch (Abresch, 1995) beschriebenen Kompo­nenten, von der Umweltpolitik tiber das Umweltprogramm (z. B. "Wald 2000" in NRW) und der Kontrolle bis zur Ausbildung und Berichterstattung. Das VMS erfaBt den gesamten Bereich der Holzproduktion und -emte, nicht aber den recht ausgepragten Verwaltungsbereich und die Beschaffung (Zulieferer). Controlling und Dokumentation finden lediglich auf Betriebsebene (Forstamt) und in Ihrem Umfang je nach ortlichem Engagement statt. Auch die Auswahl geeigneter ortli­cher Naturschutzprojekte ist i.d.R. eher zufallsbedingt, getreu dem Motto: "Naturschutz ja, - dort wo es sich gerade ergibt!". Auf Landesebene fehlen diese Komponenten weitgehend (Ausnahme sind z. B. die landesweite Auswahl von Naturwaldzellen oder Waldreservaten sowie die Waldbiotopkartierung - alles ProjektmaBnahmen).

15.1.2 Der Korperschaftswald

Ein GroBteil des Ktirperschaftswaldes ist Kommunalwald. Damit ist im westdeut­schen Ktirperschaftswald, ebenso wie im Staatswald, eine enge Verbindung von Politik und Gewerbe gegeben. Hier tiberwiegt jedoch der EinfluB der kommunalen und regional en Politik. Die Situation des Kommunalwaldes wird entscheidend beeinfluBt durch den enormen Besucherdruck, dem die kommunalen Walder i.d.R. ausgesetzt sind. Die erholungssuchende BevOikerung wurde hier in den letzten zwei lahrzehnten immer mehr zu einem Problem. Besucherlenkung und Abfallbe­seitigung sind die Hauptbeweggriinde, warum bei den Kommunen mehr oder we­niger vollstandige Umweltmanagementsysteme bereits vorhanden sind. Auch hier fehlen jedoch die Input - Output - Untersuchungen.

Page 232: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

226 Kapitel 2: Fal\beispiele und Pilotprojekte

15.1.3 Der Privatwald

Ein weit Uberwiegender Teil aller Betriebe mit Wald in den alten BundesHindem befindet sich in Privatbesitz (ca. 97 %) und bewirtschaftet ca. 46 % der gesamten WaldfHiche mit durchschnittlich rd. 6,8 ha je Betrieb. Der Privatwald ist ganz Uberwiegend Kleinprivatwald, denn 66 % der Betriebe sind kleiner als 50 ha und 58 % der Betriebe sind sogar kleiner als 20 ha. Der gro/3te Teil des Privatwaldes hat damit aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine au/3erst ungUnstige Flachenstruk­tur. Bei Betrieben unter 20 ha konnen die Eigentlimer i.a. nur in unregelrnaJ3igen Intervallen Uber Einnahmen aus dem Wald verfugen (Ministerium fur Emahrung, Landwirtschaft und Forsten 1993; siehe Tab. 1).

Geringe Besitzgro/3en, verbunden mit kleinen, oft raumlich getrennten Bewirt­schaftungseinheiten, erschweren die Bewirtschaftung des Privatwaldes dernnach erheblich. Hinzu kommt, da/3 ein deutlicher Zusammenhang zwischen Betriebs­gro/3e und forstbetrieblichem Engagement der Eigentlimer zu sehen ist: je gro/3er der Betrieb, desto hoher ist das Interesse am Wald und umgekehrt. Das Umwelt­management in diesen Betrieben ist stark yom Interesse der Besitzer an ihren Be­trieben abhangig und damit abhangig von der Betriebsgro/3e. 1m Privatwald sind damit eindeutig die Parallelen zur Landwirtschaft zu erkennen (vgl. Abresch 1995).

Ein Teil des Kleinprivatwaldes wird jedoch durch forstliche ZusammenschlUsse besitzUbergreifend bewirtschaftet und von den Staatsforstbetrieben oder Landwirt­schaftskammern betreut oder bef6rstert. Hierdurch finden die fur den Staatswald geltenden Bewirtschaftungsregeln den Einzug in den Kleinprivatwald.

15.2 Planung und Umweltschutz in der deutschen Forstwirtschaft

15.2.1 Planung in der Forstwirtschaft

Die Planung nimmt aufgrund der langen Produktionszeitraume traditionell einen breiten Raum in der Forstwirtschaft ein. FUr diejenigen Betriebe, die regelmaJ3ige Einahmen aus ihrem Forstbetrieb tatigen, ist die Forsteinrichtung im wiederkeh­renden Zyklus von 10 Jahren Pflicht. Mit der Forsteinrichtung erfolgt eine Be­triebsinventur und eine Planung fur die nachsten 10 Jahre, mit Aussicht auf die nachsten 20 Jahre.

Page 233: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

15 Umweltmanagement in der Forstwirtschaft 227

Vergleichen wir jedoch die Planungs- und Produktionszeitraume mit denen in der Landwirtschaft, so wird deutlich, daB die Planungszeitraume in der Forstwirt­schaft relativ gesehen deutlich karzer sind als in der Landwirtschaft:

In der Landwirtschaft wird zumeist auf 3-4 Jahre genau geplant, auf welchen Flachen welche Frucht angebaut werden soll. Dbertragen wir dieses Vorgehen auf die forstliche Planung, so milBte diese zumindest auf die nachsten 300 Jahre erfol­gen. Denn mit nur einer Waldbestandgeneration werden in der Forstwirtschaft mindestens die nachsten 100 Jahre verplant.

Bei jeder neuen Forsteinrichtung soll eine Kontrolle der bisherigen Planungen erfolgen. Die Kontrolle beschrankt sich jedoch im wesentlichen auf die geemteten Holzmassen und Wiederaufforstungen. Stimmen Planung und Ausfuhrung nicht ilberein, hat das in der Praxis keine Konsequenzen. Eine Kontrolle ohne Konse­quenzen bei Nichteinhaltung der Planungen hat jedoch keine Auswirkungen auf die zukilnftige Wirtschaftsweise!

15.2.2 Umweltschutz in der Forstwirtschaft

Die Naturschutzplanung ist seit etwa 20 Jahren ein Teil der Gesamtplanung. Man beachte: Nicht der Umweltschutz, sondem der Naturschutz ist Teil der Planungen! Der Umweltschutz fmdet in den Forstbetrieben meist nur im Rahmen des betrieb­lichen Naturschutzes statt. Und von Planung konnen wir hier eigentlich auch nicht sprechen, denn es handelt sich hierbei im wesentlichen urn die Aufnahme schilt­zenswerter Biotope und die Entwicklung natumaher Bachlaufe im Waldo Auch der klassische Artenschutz wird in den Forstbetrieben schon lange praktiziert (z. B. Bau und Anlage von Nistkasten, Schutz von Nisthohlen und Ameisenhaufen). Der Grund hierfur liegt darin, daB die Niltzlichkeit der Schadlingsvertilger fur den Forstschutz schon fiiih erkannt wurde. Heute ist z. B. der Erhalt von Totholz und Hohlenbaumen im Walde in den Staatsforsten per ErlaB oder Verwaltungsverord­nung geregelt.

Ein umfassendes Umweltschutzkonzept wird i.d.R. jedoch nicht verfolgt. Denn grundsatzlich folgen die Forstleute der Kielwasser-Theorie, nach welcher die ord­nungsgemaBe Forstwirtschaft mit den Zielen des Naturschutzes weitgehend ilber­einstimmt. Vergleichen wir die Grundmotive von Nutzen und Schiltzen im Wald, so ist eindeutig eine Diskrepanz der Motivationen und Ziele zu erkennen (siehe Tabelle 2: Die Grundmotive fur Niltzen und Schiltzen im Wald ... ). "Ob traditio­nelle, natumahe oder naturgemaBe Forstwirtschaft, ihre Ziele sind mit denen des Naturschutzes keinesfalls identisch" (Scherzinger, 1996). Auch Angesichts von Artenschwund und Abnahme der Natumahe-Merkmale im Wald greift die Kiel­wasser-Theorie nicht mehr. Diese Tatsachen sind auch durch Umbenennung des Forstbetriebes in "natumahe Waldbewirtschaftung" oder "okologischer Waldbau" nicht wegzudiskutieren (vgl. Scherzinger, 1996).

Page 234: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

228 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Tabelle 2. Die Grundmotive fUr NOtzen und SchOtzen im Wa1d - ein Vergleich zwischen Forstwirtschaft und Natur - und Landschaftsschutz (aus BUWAL 1993 in Scherzinger 1996)

Forstwirtschaft Natur - uod Laodschaftsschutz

Nutzung okonomische Werte, Holzpro- Sein ideelle Werte, natOrliche oder

duktion uod Dienstleistungen naturnahe Prozesse und Zustande

Pflege Erhalten und Schaffen Schutz Erhalten und Schaffen bestimm-bestimmter Waldzustande ter Biotope, Okosysteme, Land-

schaftsteile oder Landschaften

Schutz Schutzanspruch des Menschen Sicherung Erhalten biologischer Grund-

an den Wald vor schadlichen funktionen und Lebensgrund-Auswirkungen von Natur- lagen sowie Erhalten der Tier -ereignissen und Pflanzenarten

15.3 Beispiel: "Betrieblicher NaturschutzdurchfUhrungsplan Hollinghofen"

Den oben beschriebenen Gedankengangen folgend - Naturschut:zplanung und langere Planungszeitraume - hatte Dr. Wolfhard von Boeselager, Chef der Unter­nehmensgruppe Boeselager, schon Anfang der 70er Jahre die Vision, fur seinen ca. 1900 ha groBen Forstbetrieb einen langfristigeren Plan aufzustellen und den Natur­schutz als festen Bestandteil in diese Planung zu integrieren.

Das Untemehmen in der Niihe von Amsberg besteht aus drei Betrieben: dem Forstbetrieb mit einer Flache von ca. 1900 ha, dem Walderlebniszentrum "Natur­erlebnis Wildwald" (ca. 900 ha der Forstbetriebsflache) und dem ca. 500 ha um­fassenden landwirtschaftlichen Betrieb. Mit dem "Naturerlebnis Wildwald" ging die Untemehmensgruppe schon einmal neue Wege (siehe HOLZZENTRALBLATT Nr. 29, 6.3.1996).

Zur Verwirklichung der Vision einer umfassenden und langfristigen Betriebs­planung wird derzeit der "Betriebliche Naturschutzdurchfuhrungsplan Holling­hofen" unter der Federfuhrung des Forstbetriebsleiters Michael Brandt erarbeitet. Das Projekt wird als Pilotprojekt vom Ministerium fur Umwelt, Raumordung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefOrdert und von unabhangigen Sachverstandigen begleitet.

Page 235: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

15 Umweltmanagement in der Forstwirtschaft 229

15.3.1 Planziele und -inhalte

Mit der neuen Planung will das Untemehmen eine offensive Naturschutzpolitik sowie auch Hingere forstliche Planungintervalle verwirklichen. Man erhofft sich damit insbesondere Zusammenhange, Erganzungen und Konflikte zwischen den Bereichen Natur- und Umweltschutz, gewinnorientierter Produktion und sozialen Aspekten herauszuarbeiten. Der Plan ist vorerst auf den betrieblichen Naturschutz beschrankt. Er umfaBt die Ermittlung und Darstellung aller Biotope, die Formulie­rung der bisherigen Bewirtschaftungsregeln und -ziele, die Herausarbeitung von Synergismen und Konflikten zwischen den Zielbereichen und zuletzt die Aufstel­lung eines Gesamtkonzeptes. Mit der Aufstellung des betrieblichen Naturschutz­durchfuhrungsplanes werden von dem Untemehmen folgende Ziele verfolgt:

• Sicherung einer langfristig nachhaltigen Produktion • Schutz von Natur- und Kulturlandschaft • Erhalt des Erholungswertes der Landschaft • Erhalt und Steigerung der Wirtschaftlichkeit unter

Berilcksichtigung sozialer Aspekte.

15.3.2 Vorgehensweise

Methodisch basiert die Untersuchung, die der Planaufstellung vorausgeht, auf die Zusammenstellung, Ausarbeitung und Bewertung bereits vorliegender Unterlagen. Darauf aufbauend wird von einem Gutachter ein vorlaufiges Gesamtkonzept er­stellt, welches mit den Betriebsleitem diskutiert und abgestimmt wird. Als Grund­lage fur verschiedene Management- und Entwicklungsplane sind danach fur spe­zielle Flachen AuBenaufnahmen geplant. Hieraus resultiert die detailierte Erstel­lung des Gesamtplanes (siehe Tab.3: "Betrieblicher Naturschutzdurchfuhrungsplan Hollinghofen" auf S. 231).

Page 236: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

230 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

15.3.3 Ergebnisse

Als Ergebnis wird ein Gesamtkonzept fUr die drei Betriebe des Unternehmens erwartet, welches insbesondere folgende Inhalte haben soli:

• Darstellung von Leitbildern und groBflachigen Entwicklungszielen • Fur aile Betriebsflachen giiltige Bewirtschaftungsregeln • Pflege- und Entwicklungsplane fUr Einzelflachen und Objekte • Allgemeine Regeln zur Inventur • Ein Programm zur Effizienzkontrolle • Vorschlage fUr weiteren Planungsbedarf.

15.3.4 Erwartungen des Unternehmens

Das Unternehmen erwartet mit der Aufstellung dieses Planes ein umfassendes Planungswerk, welches Zielkonflikte und -synergismen sowie Losungwege dar­stellt. Vor allem die planvolle Installation des Naturschutzmanagements in das Be­triebs - und Qualitatsmanagement sowie die Errichtung eines effizienten Kontroll­systemes werden von dem Unternehmen als Hauptargumente fUr die beschriebene Vorgehensweise angegeben. Daneben werden folgende Vorteile erwartet:

• Innerbetriebliche Effizienzzuwachse in der Produktion • N ach auBen gerichtete Marketingvorteile, vor allem im landwirtschaftlichen

Betrieb, welcher zum Teil auf Direktvermarktung umgestellt werden soli • Positiver Imagegewinn am Absatzmarkt • Einsparpotentiale mit Planaufstellung und Umsetzung durch Erkennung von

Synergismen und Konfliktminimierung • Betriebswirtschaftliche Verbesserungen • Nach auBen und innen gerichtete Darstellung der Umweltbeitrage des Unter­

nehmens

Auch aufgrund der seit langem laufenden Debatte uber die Zertifizierung von Holz, werden langfristig Marktzwange zu okologisch produziertem Holz erwartet. Das Unternehmen will dieser Entwicklung offensiv begegnen. AuBenwirkungen werdenjedoch nur begrenzt erwartet. Langfristig sei es nach Aussage des Betriebs­leiters (Forst) zwar denkbar, daB aufgrund der Naturausstattung der Bekanntheits­grad des Unternehmens steigt und damit ein Marketingvorteil erzielt werde. Die interne Wirkung (z. B. Effizienzsteigerung) sei aber ursprunglich ausschlaggebend fUr das beschriebene Vorgehen.

Page 237: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

15 Umweltmanagement in der Forstwirtschaft 231

Tabelle 3. "Betrieblicher Naturschutzdurchfiihrungsplan Hollinghofen" - Arbeitsschritte (aus unveroffentl. Manuskripten des Untemehmens von Boeselager) LP = Landschaftsplaner S = Sachversuindigenrat AP = Arbeitsplan RP = Regierungsprasident

Arbeitsschritt Tlitigkeiten Ergebnisse des Arbeitsschrittes

l. Erstellung Arbeitsplanentwurf - Erarbeitung und Darstellung der be- - genehmigter Arbeitsplanentwwf nieblichen Vorstellungen von Ar-beitsablauf und -ergebnis;

- Schiitzung des Zeitrahmens 2. ZusanunensteUung "Sachverstan- - Anfrage bei Naturschutzvereinen und - - Vertrag mit LP und S tiber ein verein-

digeorat" (S); und Erarbeitung des verbanden sowie bei Universitiiten bartes Vorgehen Arbeitsplanes (AP) durch LP und S etc.;

- Diskussion des Arbeitsplanentwurfes mit LPund S;

- Erarbeitun~ eines AP 3. ZusammensteUung und Auswertung - Sichtung und Auswertung vorhande- - Liste gefundener Informationen und

vorhandener Unterlagen ner naturschlltzrelevanter Unterlagen Quellen liber das Gebiet mit Karte (LP); durch LP; - ZusarnrnensteUung rechtlicher Vorgaben

- Formulierung der bisherigen Bewirt- mit Karte (LP); schaftungsregeln durch Betriebe - Liste fUr weitere Grundlagenermittlung

(LP); - Bisherige Bewirtschaftungsregeln (Be-

triebe); - Vorschlag iiberarbeiteter AP (LP);

4. Mobilisierung der Kenotnisse der - Erfassung nicht schriftlich fixiertem - DarsteUung des gesarnten verfiigbaren Betriebe, Mitarbeiter lind Dritter Wissens und besonderer Ziele/ldeen Wissens in Text und Karten (LP); Inltal-sowie Ennittlung des weiteren Kar- durch Interviews und Fragebogen, te: tienmgsbedarfs (LP) - Ermittlung der fehlenden Grundlagen I. Abiotik (Klima, Geologie etc.)

2. Biotik (Bestand und Beurteilllng) 3. Betriebliche Vorraussetzungen 4. Obergeordnete Planungen?

5. Bewertung, Analyse und Varianten- - vorliiufige Bewertung der Ausgangssi- - kurze Gesamtbewertung des UG nach vorschliige (LP) tuation alternativen Kriterien (LP);

- ErsteUen eines Kataloge "Ideen des - Katalog "Ideen des Naturschutzes"; Naturschutzes" - abgestimmte ProtokoUe der Erorterun-

- Variantenvergleich gen mit den Betriebsleitern; - Aufzeigen von Konfliktpotentialen - Liste offener Fragen und Probleme; - Diskussion mit Betrieben und Ober- - Arbeitsprogramm fur Arbeitsschritte

prufung der Wirtschaftlichkeit der vi- 6-8; sionaren Ziele

6. Erstellen eines Gesamtplanes - Erarbeitung eines Gesamtplanes mit - Ergiinzte lind tiberarbeitete Normalbe-allen Beteilib'len incl. Zeitplan und wirtschaftungsregeln und Kostenschiitzung - Gesarntplan incl. benieblicher Natur-

schutzkarte (1:5.000) 7. Erstellung von Detailpliinen (LP) - Planung der konkreten MaBnahmen - Managementplan fur Naturschutz-

fur Einzelprojekte, je nach Verwirkli- sonderfliichen mit Karten I: 1.000; chungshorizont - GesarntmaBnahmenplan I: I 0.000 struk-

turiert nach MaBnahmengrnppen 8. Niederschrift, Dokumentation (LP) - Gesamtplanwlgsunterlagen abschlie- - SchluBbericht mit Karten (auch zur

Bend strukturieren und Erstellung Vorlage beim RP); eines dynarnischen Planungswerkes, - Instnnnentarium zur Planungsfort-dessen Hauptergebnis als schreibung; "Betrieblicher Natur- - Archiv, Dokumentation schutzdurchfiihrnngsplan Holling-hofen" etabliert wird.

Page 238: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

232 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

15.4 Diskussion, SchluBfolgerungen und Ausblick

These: Eine Teilnahme staatlicher und kommunaler Forstbetriebe an einem Forst-Audit ist nicht zu erwarten.

Die Eigentumsverteilung der Waldflachen in Deutschland zeigt auf, daB mit ca. 54 % ein GroBteil der Waldflachen im Eigentum vorwiegend politisch geleiteter Institutionen stehen (Staat und Korperschaften). Umweltmanagementsysteme sind aufgrund des offentlichen Interesses am Wald in diesen Betrieben seit lahren in­stalliert. Schwachen haben diese Systeme oftmals in den Bereichen Verwaltung, Beschaffung, Controlling und Dokumentation. Input-Output-Untersuchungen feh­len meistens ganzlich.

Bei diesen Forstbetrieben werden die Betriebsziele aufgrund politischer Not­wendigkeiten und Entscheidungen vorgegeben. Gewinnerzielung ist den politi­schen Zielen oft untergeordnet. Daher ist eine Teilnahme von staatlichen und kommunalen Forstbetrieben am Oko-Audit eher nicht zu erwarten. Dort wird das Umweltmanagement weiterhin als Teil des Gesamtmanagements auf der Grundla­ge politischer Ziele und Entscheidungen existieren. Die Inhalte und das Ablauf­chema des Oko-Audits sind fur die Forstbetriebe jedoch von Interesse als Anhalt und MaBstab fur deren eigene zuktinftige Vorgehensweise im Umweltschutz (s.u.).

These: Die Teilnahme privater Forstbetriebe an einem Oko-Audit bietet den Forstbetrieben vergleichbare Vorteile wie landwirtschaftlichen 8etrieben.

Bei den privaten Forstbetrieben in Westdeutschland ist die Betriebsflachenstruktur auBerst ungtinstig (s.o.). Wird davon ausgegangen, daB aile Betriebe tiber 50 ha Waldflache tiber regelmaBige Einnahmen aus dem Forstbetrieb verfugen und somit ein Bewirtschaftungskonzept verfolgen, so sind damit lediglich 34 % aller privaten Forstbetriebe unsere Zielgruppe fur ein Oko-Audit. In dieser Zielgruppe sind deutliche Parallelen zur deutschen Landwirtschaft erkennbar. So ist das Umwelt­management auch hier notwendiger Bestandteil des Qualitatsmanagements und dessen Umfang ist von der BetriebsgroBe abhangig.

Mit dem in Kapitel 3 vorgestellten "Betrieblichen Naturschutzdurchfuhrungs­plan Hollinghofen", wird ein Beispielbetrieb vorgestellt, der in die genannte Ziel­gruppe einzuordnen ist und der eine offensive Umwelt- und Naturschutzpolitik betreibt. Das Pilotprojekt befindet sich zur Zeit erst im 3. Arbeitsschritt (siehe Tab. 3). Aussagen tiber Ergebnisse und Erfolge sind daher noch verfrUht. Das vorgestellte Konzept ist jedoch in sich schltissig und fur die Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen einmalig. Die von der Untemehmensleitung erwarteten Vor-

Page 239: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

15 Umweltmanagement in der Forstwirtschaft 233

teile fur den Betrieb sind vergleichbar mit den von Abresch (As RESCH 1995) be­schriebenen Vorteilen fur landwirtschaftliche Betriebe:

• Innerbetriebliche Effizienzzuwachse in der Produktion • Nach auBen gerichtete Marketingvorteile, vor allem im landwirtschaftlichen

Betrieb, welcher zum Teil auf Direktvermarktung umgestellt werden soli • Positiver Imagegewinn am Absatzmarkt • Einsparpotentiale mit Planaufstellung und Umsetzung durch Erkennung von

Synergismen und Konfliktminimierung • Betriebswirtschaftliche Verbesserungen • Nach auBen und innen gerichtete Darstellung der Umweltbeitrage des Unter­

nehmens.

Bei einem Vergleich mit einem Oko-Audit sind die Parallelen auffallend (externe Gutachter, betriebliches Gesamtkonzept mit internen und externen Wir­kungen etc.). Mit der Beschrankung auf den Naturschutz werden aber auch die Schwachen des vorgestellten Konzeptes erkennbar. So ist die Verwaltung des Betriebes von der Untersuchung ausgenommen, auch wenn durch die Planungen Anderungen in der Verwaltung und der Entscheidungsfindung der Unternehmens­leitung zu erwarten sind. Die Untersuchung okologisch relevanter Stoffe und Pro­zesse beschrankt sich im Wesentlichen auf den Wegebau. Als Begriindung fur die beschriebene Beschrankung der Untersuchung werden die hohen Kosten angege­ben.

These: Umfassende Umweltmanagement- und Umweltschutz-Konzepte sind in Forstbetrieben notwendig, aber nur mit Hilfe staatlicher Forderung umsetzbar.

Aus Sicht des Umweltschutzes ist die Beschrankung auf den betrieblichen Natur­schutz im Forstbetrieb nicht mehr haltbar. Dieses zeigen zum Beispiel die Wald­erklarung von Rio de Janeiro und deren Interpretationen durch die Bundesre­gierung und einiger Landesregierungen (vgl. AFZ Nr. 22, 1992). Aber auch der Artenschwund und die Abnahme von Naturnahe-Merkmalen im Wald sowie die Diskussion urn die Zertifizierung von Holz aus okologisch wirtschaftenden Forst­betrieben verleihen der Forderung nach einer nachhaltigen Natur- und Umwelt­schutzplanung im Wald Nachdruck. Hier sind die Forstleute gefordert, mit ihrem speziellen Fachwissen i.iber die Vorgange im Wald und ihrer langfristigen Denk­weise, umfassende Konzepte zu entwickeln, in denen der Nachhaltigkeitsgedanke auch in den Planungen fur den Natur- und Umweltschutz im Wald umgesetzt wird. Die Oko-Audit-Verordnung gibt einen strukturierten Rahmen zur Verbesse­rung des betrieblichen Umweltschutzes vor und kann damit als Vorlage oder An­halt fur entsprechende Konzepte in der Forstwirtschaft dienen.

Bei dem vorgesteUten Beispielbetrieb ist ein Ansatz in die gewtinschte Richtung erkennbar. Mit einigen Erganzungen kommt es einem Oko-Audit sehr nahe. Wer-

Page 240: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

234 Kapitei 2: Fallbeispieie und Piiotprojekte

den die Erwartungen erfullt und stellen sich die gewiinschten Effekte ein, so wird ein Forst-Audit fur weitere private Forstbetriebe interessant werden. Der zeitliche, fachliche und damit finanzielle Aufwand fur die Erarbeitung und Installation eines Umweltmanagementsystems und die Durchfuhrung der notwendigen Untersuchun­gen ist in forstlichen Betrieben jedoch sehr hoch. Es bleibt daher abzuwarten, ob dieser Aufwand durch monetar me13bare Vorteile ausgleichbar und damit aus be­triebswirtschaftlicher Sicht tragbar sein wird. Die Verkniipfung eines forstlichen Oko-Audits mit einer geeigneten Forderpolitik konnte fur viele Betriebe, ebenso wie in der Landwirtschaft, den entscheidenden Anreiz zur Teilnahme an einem Forst-Audit geben. Die positive Grundeinstellung zum Umweltschutz ist bei den meisten Forstleuten vorhanden. Ohne entsprechende Forderung wird die freiwillige Anwendung von Oko-Audits in der Forstwirtschaft mittelfristig wahrscheinlich auf einzelne Pilotvorhaben und ambitionierte Einzelbetriebe beschrankt bleiben, da es fur die Betriebe aus betriebswirtschaftlicher Sicht zur Zeit kaum rentabel sein wird.

Literatur

ABRESCH, 1. - P., 1995: Agrar - Oko - Audit, Chancen und Probleme aus der Sicht der Agrar - und Umweltwissenschaften. Proffessur an der Justus - Liebig - Universitat Giessen, Giessen, 1995.

MINISTERIUM FOR ERNAHRUNG, LANDWIRTSCHAFT UNO FORSTEN (1993): Agrar - Jahresbe­richt des Bundes 1993.

ALLGEMEINE FORST ZEITSCHRIFT (AFZ) Nr. 221 1992: Die Walderklarung von Rio de Janeiro.

ALLGEMEINE FORST ZEITSCHRIFT (AFZ) Nr. 1611994: Bundeswaldinventur 19861990. BOESELAGER, VON, DR. W. & BRANDT, M. & ROSENTHAL, G. (1996): Betrieblicher Natur­

schutzdurchfUhrungsplan Hollinghofen. Arnsberg - VoBwinkel, Unveroffentl. Manu­skripte 1995 und 1996.

BUWAL (Bundesamt fur Umwelt, Wald und Landschaft, 1993): Zum Verstandnis zwischen Forstwirtschaft und Natur - und Landschaftsschutz. Schriftenr. Umwelt 202:212 S.

HOENISCH, Dr. U. (1992): Die Walderklarung von Rio aus der Sicht der Bundesregierung, in AFZ Nr. 22/1992.

HOLZZENTRALBLATT Nr. 29 vom 06.03.1996, Seite 460: Mit einer Waldakademie fUr jedermann neue Dienstleistungen des Forstbetriebs vermarkten.

SCHERZINGER, Wolfgang (1996): Naturschutz im Wald: Qualitatsziele einer dynamischen Waldentwicklung. Stuttgart, Ulmer, 1996.

Page 241: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

IS Umweltmanagement in der Forstwirtschaft 235

Zurn Autor

Holger Bertels, Jg. 1962, Dipl.-Forstwirt, studierte Forstwissenschaften in Gottingen. Nach dem erfolgreichen AbschluB des Studiums war er ein Jahr selbststandig im Bereich der Waldschadenserhebung tatig. Danach trat er sein Referendariat am Forstamt BUren / NR Wan. Wahrend dieser Zeit festigte sich sein Interesse fur den praktischen Um­weIt- und Naturschutz insbesondere hinsicht­lich der Zusammenarbeit der verschiedenen Behorden und der Rechtsgrundlagen. Wahrend zahlreicher Fachexkursionen innerhalb Deutschlands und angrenzender Lander lemte er das breite Spektrum von der traditionellen Forstwirtschaft bis zum naturbelassenen GroB­

schutzgebiet kennen, wobei ihn vor all em neuentdeckte alte Theorien und die von der Norm abweichenden Betriebe interessierten. Nach der Referendarzeit nahm er an einer Fortbildung zum "Referenten fur Umweltvertraglichkeitsprlifungen" am Institut fur allgemeine und angewandte Okologie in Hardegsen (Soiling) teil. Durch die Teilnahme an praxisorientierten Projekten bekam er intensive Einsicht in die Theorie und Praxis von UVP, UVS, Produktlinienanalyse und Oko-Audit. Hier baute er sein Wissen insbesondere in den Schwerpunktbereichen umweItver­tragliche Produktion und Regionalentwicklung weiter aus.

Zur Zeit ist Herr Bertels freiberuflich tatig als Gutachter im Bereich der Forst­und Landschaftsplanung sowie als Firmenwirtschaftsberater.

Page 242: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Forstwirtschaft

Guido Fuchs

16.1 Einleitung

Die Diskussion urn die unabhangige Begutachtung und Zertifizierung der Wald­bewirtschaftung hat auch in Mitteleuropa vermehrtes Interesse gefunden. Medien­berichte und Publikationen von Umweltorganisationen tiber den Raubbau in den tropischen Regenwaldern haben schon vor einigen lahren eine Kontroverse ausge­lOst tiber Sinn und Unsinn der Verwendung von Tropenholz in den nord lichen Industrielandern, und insbesondere auch in Deutschland. Die Diskussionen haben sich zu Beginn vor allem auf den Boykott von Tropenholz oder auch die Deklara­tionspflicht (Herkunft und Spezies) konzentriert.

Nur wenig spater waren dann Berichte tiber riesige Kahlschlage in den verb lie­benen Urwaldem der nordlichen Lander zu horen, zu lesen und zu sehen. Kanada, Finnland und die Republiken der ehemaligen Sowjetunion waren und sind promi­nente Zielscheiben. Aber auch die Meldungen tiber den schlechten gesundheitli­chen und qualitativen Zustand der Walder in Mitteleuropa anfang der achtziger lahre haben die Offentlichkeit fur den Zustand des Waldes im eigenen Land sen­sibilisiert.

Die meisten Betroffenen und Interessierten sind sich einig, daB die Walder weltweit einem enormen "StreB" ausgesetzt sind; sei es durch anhaltenden Druck einer immer wachsenden Bevolkerung; dem Hunger der Holz-, Papier- und Zell­stoff-Industrie, urn diese Bevtilkerung mit Holzprodukten und Papier zu versorgen; oder durch biotische und abiotische Faktoren wie Insekten- und Pilzbefall und Luftverschmutzung. Auch das "Waldsterben" ist letztendlich auf einen Druck der Bevtilkerung, respektive auf deren Lebensstandard zurtickzufuhren.

Anfang der neunziger lahre, und teilweise als Folge des Umwelt- und Entwick­lungsgipfels der Vereinten Nationen in Rio 1992, wurden verschiedene Initiativen lanciert, welche multinational oder international gtiltige Grundsatze der nachhalti­gen Waldbewirtschaftung aufstellten. Neben Regierungsinitiativen auf der forst­politischen Ebene wurden dabei auch Systeme fur die unabhangige Zertifizierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung auf der Ebene der Bewirtschaftungseinheit entwickelt.

Page 243: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

238 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

soziale Verantwortung

Schwerpunktfeld Kompromi~

Umweltvertraglichkeit wirtschaftliche Tragbarkeit

Abb. 1. Beziehungsdreieck Okonomie - Okologie - Gesellschaft

Grundgedanke all dieser Initiativen ist, einen Beitrag zur Forderung der nachhalti­gen Bewirtschaftung der Walder zu leisten.

Die Idee der Nachhaltigkeit, wobei "Nachhaltigkeit" von Fall zu Fall definiert werden mUsste, ist dabei keineswegs neu, sondem wird in einigen Landem und insbesondere in Deutschland schon seit langerer Zeit praktiziert. Die Ptlicht zur nachhaltigen Nutzung der Walder ist in vielen nationalen Forstgesetzen festge­schrieben.

1m Laufe der Zeit hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit von der blossen Fla­chenerhaltung Uber die reine Nutzung auf andere Aspekte wie Okologie, Biodi­versitat und sozio-okonomische Faktoren erweitert. Die Definition der Nachhaltig­keit muB wohl von der betroffenen Gesellschaft, welche spezifische Anforderun­gen an den Wald stellt und vom Wald gewisse Produkte und Dienstleistungen erwartet, in Form einer Forstpolitik gegeben werden. Die Nachhaltigkeit kann als Schwerpunktfeld in einem Beziehungsdreieck definiert werden, welches aus den Komponenten Okologie, Okonomie und soziale Faktoren besteht. Dabei mu/3 in einem demokratischen ProzeB ein KompromiB ~efunden werden (Abb. 1).

Die unabhangige forstliche Zertifizierung hat zum Ziel, daB nicht generell Lan­der oder Regionen fUr die schlechte Bewirtschaftung ihres Waldes gebrandmarkt werden, sondem daB Beispiele guter Bewirtschaftungsmethoden hervorgehoben und dies in Form eines von unabhangiger Stelle erteilten Zertifikates bescheinigt werden soli. Urn der Nachhaltigkeit im weitesten Sinne gerecht zu werden, mUssen sich die Kriterien, nach denen die Waldbewirtschaftung beurteilt werden kann, ebenfalls in dem in Abbildung 1 dargestellten Schwerpunktfeld befinden. Bei

Page 244: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Fortwirtschaft 239

einem moglichst international anwendbaren Zertifizierungssystem muB dieses Beziehungsdreieck in einen globalen Kontext gebracht werden.

Dabei stellt sich nun die Frage, ob in den Uindern Mitteleuropas, und insbeson­dere in Deutschland, wo der KompromiBfindungsprozeB teilweise eine sehr lange Tradition hat, die forstliche Zertifizierung nicht zu einer Doppelspurigkeit von Forstbehorden und Zertifizierer fUhrt. Nachfolgend soli versucht werden, mit der Beschreibung eines Zertifizierungsprogramms die unterschiedlichen Rollen der Forstbehorden und der Zertifizierungs-Organisation aufzuzeigen. Es wird versucht zu zeigen, daB sich die Arbeit der Forstbehorden und die des Zertifizierers durch­aus erganzen.

16.2 Philosophie der forstlichen Zertifizierung

16.2.1 Was will die forstliche Zertizierung?

Die forstliche Zertifizierung verfolgt grundsatzlich zwei Ziele:

1. Die Verbesserung der Waldbewirtschaftung 2. Die Attraktivitat des Rohstoffes Holz erhohen 3. Die Authentizitat der Herkunft des zertifizierten Produktes sicherstellen.

Die forstliche Zertifizierung ist ein marktwirtschaftliches Instrument. Sie iden­tifiziert jene forstlichen Organisationen, seien dies private Unternehmen oder staatliche Forstdienste, welche im internationalen Vergleich hochste AnsprUche bezUglich umweltrelevanter, okonomischer und sozialer Kriterien erfUlIen konnen. Zusatzlich zu den von Gesetzes wegen geforderten Mindestleistungen, welche fUr jedes Land verschieden hoch sind, wird der Bewirtschafter motiviert, seine Bewirt­schaftung nach international gUltigen Kriterien zu gestalten und eine immer besse­re Leistung anzustreben. Die freiwillige Teilnahrne an einem Zertifizierungspro­gramm ermoglicht ihm, gegenUber seinem Mitbewerber eine gestarkte Marktposi­tion einzunehmen.

DemgegenUber erhalt der Holzeinkaufer in einem immer globaleren Markt die Moglichkeit, diejenigen Produzenten auszuwiihlen, welche ihm mit einem interna­tional anerkannten Zertifikat fUr nachhaltige Waldwirtschaft belegen, daB ihre Produkte eine hohere Umweltqualitat aufweisen als andere, nicht zertifizierte.

Damit die Zertifizierung im weltweiten Kontext Bestand hat, muB sie auf inter­national gultigen und anerkannten Normen basieren. Die internationalen Normen sind in der Regel so allgemein gehalten, daB eine lokale Interpretation, sei es durch nationale Normen oder durch lokal angepasste Anwendung, moglich und auch

Page 245: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

240 Kapitei 2: Fallbeispieie und Piiotprojekte

erforderlich ist. Man kann dabei eine Hierarchie von Normen-Elementen identifi­zieren:

I. Prinzipien: Allgemein giiltige fundamentale Gesetze oder Regeln, welche als Ideal formuliert werden, jedoch nicht meBbar und nicht direkt anwendbar sind;

2. Kriterien: Ein Kriterium ist ein Hilfsmittel, mit dem die Beurteilung, ob ein Prinzip erfUllt ist oder nicht, erfolgen kann;

3. Indikatoren: Ein Indikator ist ein qualitativer undloder quantitativer Parameter, welcher in Verbindung zu einem Kriterium objektiv meBbar ist;

4. Verifizierung: Unter Umstanden ist eine vierte Ebene fUr die Beurteilung der Qualitat der forstlichen Bewirtschaftung erforderlich, bei welcher ausgesagt wird, wie ein Indikator gemessen wird.

Die Beschreibung der vier Ebenen erfolgt in Anlehnung an die Definitionen der CIFOR (Center for International Forestry Research; CIFOR 1996). Diese vier Elemente miissen vertikal von der globalen Ebene bis hinunter zur Bewirtschaf­tungseinheit integriert werden. Damit wird sichergestellt, daB global gUitige Prin­zipien angepaBt auf die lokale Ebene nachgepriift werden konnen.

Die Normen zur Begutachtung der forstlichen Bewirtschaftung miissen so aus­gestaltet sein, daB eine Organisation, welche ausgezeichnet wurde, diese Normen erfUllt zu haben, sehr schnell und ohne grosse Investitionen und Reorganisationen bei geandertem wirtschaftlichem Umfeld oder verscharften Gesetzesbestimmungen agieren kann. Dieses Agieren anstelle des Reagierens ist nur moglich mit einer systematischen Planung. Die Zertifizierung fordert den Aufbau eines leistungsstar­ken Management-Systems innerhalb einer Organisation. Eine zertifizierte Organi­sation kann damit dem Markt Produkte mit jener (Umwelt-)Qualitat lief em, die dieser fordert und gleichzeitig den Forstbehorden einen effizienteren Vollzug der Gesetzgebung ermoglichen.

Dieser Ansatz ist im wesentlichen von der ISO (International Organization for Standardization) fur deren Normen-Serien ISO 9000ff (fur Qualitats-Management) und ISO 14001 (fur Umwelt-Management) gewahlt worden. Allerdings besteht bei der forstlichen Zertifizierung der wichtige Unterschied, daB hier eine mit lokalen Indikatoren definierte Mindestleistung iiber die Erfullung der gesetzlichen Vorga­ben hinaus gefordert ist (Performance-Level), und daB mit der Kennzeichnung der Endprodukte die Verbindung vom zertifizierten Wald bis hin zum Endkonsum geschaffen wird.

16.2.2 Die Rolle des Zertifizierers

Damit die Zertifizierung in einem geordneten und unabhangigen Rahmen ablauft, braucht es eine Organisation, welche iiber die korrekte Arbeit der Zertifizierer wacht. Diese Organisation ist eine Zulassungsstelle, welche nach bestimmten Kri­terien Zertifizierer akkreditiert. Mit seiner Akkreditierung erhalt der Zertifizierer

Page 246: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Fortwirtschaft 241

die Kompetenz und den Auftrag, nach anerkannten externen Normen zu zertifizie­ren. Die Zertifizierungsorganisation wird zum verlangerten Arm der Akkreditie­rungsstelle.

Die praktische Aufgabe einer unabhangigen Zertifizierungsorganisation ist es, diejenigen Waldbewirtschafter mit einem Zertifikat auszuzeichnen, deren Walder aile Elemente der nachhaltigen Bewirtschaftung gemaB anerkannter Normen auf­weisen. Die UberprUfung erfolgt aufgrund von Normen, welche umweltrelevante, okonomische und soziale Aspekte beinhalten. Das Zertifikat belegt die Einhaltung oder das Ubertreffen dieser strengen Vorgaben.

Die Begutachtung beginnt damit, daB die Ubereinstimmung der angewandten Normen mit den einschlagigien Forst- und forstrelevanten Gesetzen untersucht wird. Mit der Analyse der Forstgesetzgebung versucht der Zertifizierer, die LUcken zu ermitteln, die zwischen den rechtlichen Grundlagen und dem Zertifizierungs­Standard bestehen. Die eigentliche Begutachtung im Feld konzentriert sich auf zwei hauptsachliche Fragestellungen:

I. Werden die gesetzlichen Vorgaben yom Bewirtschafter eingehalten; und 2. entstpricht das Bewirtschaftungssystem und die angewandte Bewirtschaftung

den Normen dort, wo zwischen Gesetz und Norm LUcken bestehen.

Aufgrund der Komplexitat und geographischen Grosse einer Forstorganisation liegt bei der Zertifizierung das Schwergewicht einerseits auf der Evaluation der Leistungsfahigkeit des Bewirtschaftungssystems. Andererseits wird zusatzlich zur Analyse der relevanten Dokumentation (Bewirtschaftungsgrundsatze, organisatori­sche Struktur, Planungsunterlagen, Kartenrnaterial, Ablaufe, Arbeitsanweisungen, Pflichtenhefte, Inventare, etc.) mit einer stichprobenrnassigen Erhebung die effek­tive Implementierung der Bewirtschaftungsgrundsatze im Wald UberprUft. Das von der lokalen Norm geforderte Leistungsniveau der Bewirtschaftung wird mit dem Resultat der Aktivitaten der Organisation verglichen.

Die Unabhangigkeit, fachliche Kompetenz und Professionalitat des Zertifizie­rers wird durch eine ganze Reihe von Mechanismen gewahrleistet:

• Akkreditierung bei einer international en, unabhangigen und von weiten Kreisen anerkannten Institution (zum Beispiel Forest Stewardship Council);

• Unabhangiger Zertifizierungs-Aufsichtsrat, welchen jede Zertifizierungsorgani­sation hat, bestehend aus anerkannten Fachleuten aus Industrie, Umwelt- und sozial engagierten Organisationen;

• Expertenkommission, welche jedes einzelne Zertifizierungs-Audit Uberwacht (Peer Review);

• Strenge interne Richtlinien beziiglich Qualifikation und laufende Weiterbil­dung der Auditoren.

Auch wenn der Zertifizierungs-Organisation eine enorme Verantwortung und Entscheidungsbefugnis zugesprochen wird, darf nicht vergessen werden, daB der Zertifizierer nur Normenanwender ist, und nicht Normengeber.

Page 247: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

242 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Ein weiteres wesentliches Ziel der unabhangigen Zertifizierung ist die Glaub­wtirdigkeit des Labels, mit dem die zertifizierten Holzprodukte eine erhohte Marktprasenz erreichen sollen. Anders als bei den bestehenden Qualitats- und Umweltmanagement-Zertifizierungen der ISO-Normenreihen soli der Konsument anhand eines einzigen, international giiltigen Labels erkennen konnen, welche Holzprodukte aus einem "gut bewirtschafteten Wald" stammen. Der Konsument soli entscheiden, welche Produkte er kaufen und welche er meiden will. Die Ga­rantie, daB Holzprodukte mit einem Label tatsachlich von zertifizierten Waldern stammt, muB die Zertifizierungsorganisation abgeben, indem sie die Authentizitat der Herkunft des Produktes feststellt und allfallige Vermischungen mit unzertifi­zierten Produkten erkennt und verhindert.

Nach diesen generellen AusfUhrungen soli nun auf die Systematik einer Zertifi­zierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung naher eingegangen und der 8ezug zu den Aufgaben der ForstbehOrden hergestellt werden. Als Vertreter einer Organisa­tion, deren Zertifizierungsprogramm vom Forest Stewardship Council (FSC) aner­kannt ist, beschrankt sich der Autor auf ein Zertifizierungssystem, welches auf den international giiltigen Prinzipien und Kriterien des FSC basiert.

16.3 Die Systematik der Zertifizierung

16.3.1 Der Forest Stewardship Council

Der Forest Stewardship Council (FSC) ist eine Initiative, deren Ursprung auf das Jahr 1990 zuriickgeht. Nach einer langeren Periode von Konsultationen und dem Aufbau einer Dokumentation, wurde der FSC, gestiitzt von Vertretern von Um­weltorganisationen, Holzhandel, Forstfachleuten, Eingeborenenorganisationen, Waldkorporationen und Zertifizierungsorganisationen im Oktober 1993 in Toronto, Kanada, gegriindet. Die Griindungsversammlung wurde von 130 Teil­nehmern aus 25 Landern besucht. Der FSC ist eine unabhangige, nicht kommer­zielle Nicht-Regierungs-Organisation. Die Organisation besteht aus der General­versammlung (hochstes Organ), dem Aufsichtsrat, dem Sekretariat, drei Kommi­tees (technisches, Akkreditierungs- und Streitschlichtungskommitee), sowie re­gionalen Reprasentanten. Das internationale Sekretariat befindet sich in Oaxaca, Mexiko. Das Stimmengewicht in der Generalversammlung ist verteilt auf je einen Drittel fUr die Vertreter aus dem sozialen, dem okologischen und dem okonomi­schen Sektor.

Page 248: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Fortwirtschaft 243

Der Auftrag des FSC ist es, weltweit eine Bewirtschaftung der Walder zu for­dern, welche

• umweltvertraglich, • sozial vorteilhaft, und • wirtschaftlich tragbar

ist. Dieser Auftrag wird mit dem Ziel verfolgt, weltweit einen Standard fur "Gute Waldbewirtschaftung" aufzustellen. Der Standard wird in zehn Prinzipien, jedes ausgeschmiickt mit einem Kriterienkatalog, retlektiert. Die zehn Prinzipien und Kriterien ("Principles and Criteria", oder kurz "P&C") haben globale Giiltig­keit (FSC, 1994). Das heiBt, sie sind prinzipiell fur aIle Walder in den Tropen, in den gemassigten und den borealen Klimazonen anwendbar, welche zur Produktion von forstlichen Produkten bewirtschaftet werden. Sie sind jedoch von sehr aIlge­meiner Natur und bedUrfen lokaler Interpretation und der Defmition lokaler Indi­katoren, mit denen die nachhaltige Bewirtschaftung gemessen werden kann. Seine Ziele erreicht der FSC durch die weltweite Werbung fur seine Prinzipien und Kri­terien, durch die Akkreditierung von Organisationen, welche nach diesen Prinzipi­en und Kriterien rsp. lokalen Normen zertifizieren und durch die Unterstiitzung der Entwicklung von lokal angepaBten Normen auf der Grundlage der P&C.

Neben dem FSC gibt es weltweit eine ganze Reihe von Initiativen zur Forde­rung einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Walder. Dies konnen Initiativen von Regierungen sein (Montreal-Prozess, Helsinki-Resolutionen, Indonesian Ecolabel Institute Certification Scheme, etc.), welche sich auf der forstpolitischen Ebene abspielen. Auch Handelsorganisationen (z. B. lITO International Tropical Timber Organisation; A TO African Timber Organisation) versuchen Kriterien aufzustel­len, welche ihre Mitgliedlander zu einer verbesserten Waldbewirtschaftung moti­vieren. 1m weiteren gibt es auch Bestrebungen einzelner nationaler Normenorgani­sationen, die Waldbewirtschaftung in ihr Normenprogramm aufzunehmen (z. B. Sustainable Forest Management Systems der Canadian Standards Association), oder im Rahmen der International Organization for Standardization (ISO) die Bewirtschaftung von Waldern in deren Normenprogramm (z. B. ISO 14001) zu integrieren.

Der FSC ist jedoch nachwievor die einzige Initiative, welche die Bewirtschaf­tung samtlicher Waldformationen anspricht, mit der Anwendung eines internatio­nal giiltigen Warenzeichens eine weltweite Prasenz auf dem Markt autbaut, und von weiten Kreisen getragen wird. Bis heute sind ungefiihr 2.5 Mio ha bewirtschaf­teter Wald in verschiedenen Landern Nord- und Siidamerikas, Europas, im siidli­chen Afrika, in Siidostasien und im Siidpazifikraum nach den Prinzipien und Kfi­terien des FSC zertifiziert worden (Stand August 1996). Die Tendenz ist zur Zeit stark steigend.

Page 249: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

244 Kapitei 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

16.3.2 QUALIFOR - Ein Programm fur die forstliche Zertifizierung

Das QUALIFOR-Programm fur die Zertifizierung der forstlichen Bewirtschaftung wurde von der SGS Forestry, einer Division der Societe Generale de Surveillance (SGS-Gruppe) entwickelt. Basierend auf tiber 23 lahren Erfahrung im forstlichen Sektor, in welchem SGS Forestry private Firmen, Regierungen, Internationale Agenturen und Nicht-Regierungs-Organisationen in forstlichen und holzwirtschaft­lichen Belangen beraten hat, wurde ein Programm aufgebaut, welches den Kunden von SGS Forestry erlaubte, auf dem Markt mit einer unabhiingigen Bescheinigung auf ihre besondere Sorgfalt bei der Waldbewirtschaftung aufrnerksam zu machen.

Das QUALIFOR-Programm ist eine Interpretation der Prinzipien und Kriterien des FSC und basiert auf dem Grundsatz der unabhlingigen und unparteiischen Be­gutachtung der Waldbewirtschaftung. Gearbeitet wird mit einem (Qualitats-) Sy­stem-Ansatz. Es wird dabei davon ausgegangen, daB eine forstliche Organisation mit einem dokumentierten Management-System die besten Voraussetzungen hat, urn eine gewisse (Umwelt-) Qualitat ihrer Aktivitaten zu gewahrleisten.

Nach der Grundung des Forest Stewardship Councils mit seinem international anwendbaren Waldzertifizierungs-System wurde beschlossen, das QUALIFOR­Programm bei diesem zur Begutachtung vorzulegen und die Akkreditierung zu beantragen. Diese wurde der SGS im lanuar 1996 erteilt. Bis heute hat die Firma SGS 12 vom FSC anerkannte QUALIFOR-Zertifikate fur gute Waldbewirtschaf­tung in Europa (Belgien, Grossbritannien und Polen), Stidamerika, Afrika und im Stidpazifik erteilt (Stand August 1996).

Das QUALIFOR-Programm unterteilt sich gesttitzt auf den Anforderungen des FSC in drei wesentliche Stufen:

• Zertifizierung der Waldbewirtschaftung; • Zertifizierung der Holzkette (sogenannte chain of custody), welche Endproduk­

te als eindeutig von einem zertifizierten Wald stammend identifiziert; • Applikation eines Labels (FSC-Warenzeichen) auf dem Endprodukt als Kenn­

zeichen, welches dem Konsument die Gewahr bietet, daB das gekaufte Holz­produkt aus einem gut bewirtschafteten Wald stammt.

Der Ablauf einer Zertifizierung erfolgt nach klar getrennten Phasen:

1. Anmeldung zur Zertifizierung: Die forstliche Zertifizierung ist freiwillig und soli vom Besitzer, rsp. verantwortlichen Bewirtschafter nur angestrebt werden, wenn sich diese kommerziell rechtfertigen lasst;

2. Nach Durchsicht der Bewerbung unternimmt QUALIFOR ein Vor-Audit mit den folgenden Zielen: 2.1 Urn die Zertifizierungseinheit festzulegen; 2.2 Urn sicherzustellen, daB der Bewerber die Anforderungen genau kennt

und akzeptiert; 2.3 Urn allfallige grobe Mangel in der Bewirtschaftung, welche eine Zertifi­

zierung von vornerein verunmoglichen, zu identifizieren.

Page 250: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Fortwirtschaft 245

2.4 Ein weiteres wesentliches Element ist die Identifizierung der maBgeben­den Interessengruppen, welche durch einen KonsultationsprozeB in das Zertifizierungsprogramm involviert werden. Diese Hauptakteure werden zur Identifikation der lokalspezifischen Schwerpunkte im Zusammenhang der Waldbewirtschaftung in der betroffenen Region vor dem eigentlichen Feld-Audit konsultiert. Die identifizierten Schwerpunkte erhalten entspre­chen des Gewicht in der fur jedes Programm angepassten Audit-Check­liste. In Uindem wie Deutschland bilden vor all em Fragen der Wirt­schaftlichkeit (Intemalisierung extemen Nutzens und extemer Kosten), der Biodiversitat, der Ausscheidung von Waldreservaten, der Artenerhal­tung und -verschiebung und der Definition von narurlichen Waldem, Na­turverjUngung, Pflanzungen und Plantagen die Schwerpunktthemen (FirnhaberlV olz, 1996);

3. Die dritte Phase liegt voll und ganz in der Verantwortung des Bewerbers. All­fallige von der Norm abweichende Bewirtschaftungselemente sollen erkannt und dahingehend angepaBt werden, daB eine Zertifizierung mit aller Wahr­scheinlichkeit moglich ist. Erst wenn QUALIFOR Uberzeugt ist, daB die Be­dingungen fur die Erteilung eines Zerifikates voraussichtlich gegeben sind, wird die nachste Phase eingeleitet: das Zertifizierungs-Audit.

4. Das Zertifizierungsaudit wird in mehreren Schritten durchgefuhrt. Zunachst wird anhand eines Dokumentenstudiums die relevante Dokumentation bezUg­lich Gesetzesgrundlagen, Planungsunterlagen, Arbeitsanweisungen, Projektun­terlagen, Vertrage etc. studiert. Die identifizierten Hauptakteure (Waldeigen­tUrner, Behorden, Umweltverbande, Gewerkschaften, etc.) werden konsultiert, urn deren Anliegen und Erwartungen an die Waldbewirtschaftung zu identifi­zieren. Anhand dieses Prozesses wird die vorgefertigte Checkliste, welche auf den QUALIFOR-Erfordemissen basiert (siehe weiter unten) verfeinert und auf die lokalen Verhaltnisse zugeschnitten. Diese Checkliste bildet die maBge­schneiderte "Norm" mit welcher die effektive Bewirtschafiung gemessen wird. Beim eigentlichen Feld-Audit im Wald werden ausfuhrliche Gesprache mit den Verantwortlichen fur die Bewirtschaftung und den Angestellten gefuhrt und die Arbeiten im Wald begutachtet. Dabei wird kontrolliert, ob das Management­System effektiv im Wald implementiert wurde, ob dieses funktionstUchtig ist und ob die gesetzten Ziele bezUglich der vielfaltigen Aktivitaten in der Wald­bewirtschaftung erreicht werden, resp. bei Mangeln die notwendigen Korrek­turmassnahmen ergriffen werden.

5. Aufgrund dieser Begutachtungen diskutiert das Auditoren-Team die Resultate und gibt eine Empfehlung abo Die Erkenntnisse und die Empfehlung werden in einem Entwurfsbericht festgehalten. Kommt das Auditoren-Team zu einer po­sitiven Empfehlung, wird der Bericht an eine Expertenkommission weitergelei­tet. Diese Kommission besteht aus drei unabhangigen Fachexperten, deren Hauptaufgabe es ist, ein Urteil abzugeben, ob das Auditoren-Team zu einem nachvollziehbaren und richtigen Entscheid gekommen ist (sogenannte Peer Review).

Page 251: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

246 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

6. Stimmt die Expertenkommission dem posltlven Entscheid des Auditoren­Teams zu, wird ein definitiver Bericht verfaBt und das Zertifikat kann erteilt werden.

7. Bevor auf dem Endprodukt das FSC-Warenzeichen angebracht werden kann, muB die Holzkette yom zertifizierten Wald bis zum Endprodukt kontrolliert werden.

8. Zur OberprUfung der Einhaltung der Zertifizierungsanforderungen wahrend der Gliltigkeitsdauer des ZertifIkates von funf lahren werden zweimal jahrlich Kontrollbesuche durchgefuhrt.

Die Erfullung der Erfordemisse fur eine gute Waldbewirtschaftung werden von den QUALIFOR-Auditoren anhand eines Indikatoren-Kataloges (Audit-Check­liste) liberprlift. Die Einhaltung der FSC Prinzipien und Kriterien wird anhand von sechs Gruppen von Indikatoren evaluiert:

I. Bewirtschaftungspolitik 2. Gesetzliche Rahmenbedingungen 3. Wald-Managementsysteme 4. Soziale Aspekte 5. Optimierung der Waldnutzung im weitesten Sinne 6. UmweltvertragJichkeit der forstlichen Aktivitaten

Falls Produkte, welche aus einem zertifizierten Wald stammen, mit dem FSC­Warenzeichen gekennzeichnet werden sollen, ist die Zertifizierung der ganzen Verarbeitungskette yom Wald bis zum Endprodukt erforderlich (sogenannte Chain of Custody). Bei der Begutachtung der Holzkette sind zusatzlich drei weitere Indi­katoren-Gruppen maBgebend:

1. Identifizierbarkeit der zertifizierten Produkte 2. Trennbarkeit der zertifizierten Produkte von unzertifizierten 3. Systematische Aufzeichnung der relevanten Daten

Erst wenn die Chain of Custody llickenlos begutachtet wurde und die Erforder­nisse der Normen erfullt sind, kann das Warenzeichen auf dem Endprodukt ange­bracht werden.

16.4 Aufgaben einer Forstbehorde

16.4.1 Nationale Forstpolitik

Jedes Land, welches mit seinen forstlichen Ressourcen bestimmte Ziele verfolgt, braucht zur Erreichung derselben eine nationale Forstpolitik. Die staatliche Forst-

Page 252: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Fortwirtschafi 247

politik wird in einem politischen ProzeB von den zustandigen politischen Organen formuliert. Die Politik setzt allgemeine und in der Regel langfristige Ziele. Sie reflektiert, welche Produkte und Dienstleistungen die Gesellschaft yom Wald erwartet. Damit diese Ziele erreicht werden konnen, miissen sie die zustandigen Stellen in geeigneter Weise kommunizieren und zu Instrumenten greifen, welche die Bereitstellung von forstlichen Produkten und Dienstleistungen in die ge­wiinschte Richtung lenken. Es existieren verschiedene Ansatze, wie diese Instru­mente wirken sollen (nach: Upton and Bass, 1995):

• Rechtliche Instrumente • Okonomische Instrumente • Institutionelle Instrumente

Die rechtlichen Instrumente bestimmen in Form der Gesetzgebung die Rahmen­bedingungen, und geben vor, welche Aktivitaten fUr die Erreichung der forstpoliti­schen Ziele erwiinscht sind und welche nicht.

Okonomische Instrumente konnen beispielsweise die Erhebung von Steuem und Abgaben auf Produkten und Dienstleistungen oder die gezielte Forderung ge­wiinschter Aktivitaten mittels Subventionen sein.

Zu den institutionellen Instrumenten gehoren beispielsweise Forschung, Aus­und Weiterbildung, Beratung, Autklarung und Information.

Die Regierung, sei sie auf nationalem oder subnationalem Niveau, wendet in der Regel die forstpolitischen Instrumente nicht selbst an, sondem delegiert diese grundlegende und wichtige Aufgabe an die nationalen und lokalen Forstbehorden.

16.4.2 Die Rolle der Forstbehorden

Die Forstbehorden haben die wichtige Aufgabe, die Forstpolitik der Regierung umzusetzen, und dabei die ihnen gegebenen Instrumente anzuwenden. Die Forst­behOrden sind der Regierung Rechenschaft schuldig iiber die erreichten Ziele. Dabei konnen sie auch eine Doppelfunktion ausiiben, indem sie einerseits als Be­horde der verlangerte Arm der Regierung sind, andererseits als Forstdienst selbst Bewirtschafter von Waldem (offentlich oder privat) sein konnen. Mit der Polizei­funktion erhalten Sie die Kompetenz, die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen, innerhalb deren sich die Aktivitaten der Waldeigenrumer bewegen sollen, zu iiberwachen und allfallige Sanktionen bei deren Uberschreitung zu verfUgen. Ais Bewirtschafter sind sie selbst zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verpflich­tet.

Page 253: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

248 Kapitei 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

16.5 Synergien zwischen Forstbehorden und Zertifizieru ngs-Organisation

Die Effektivitat der Forstgesetzgebung, sowie deren Vollzug und Uberwachung durch die zustandigen Stellen bestimmen das Ausma/3 der Synergie zwischen den Forstbehorden und der Zertifizierungs-Organisation.

Der Aufwand fur die Begutachtung des Zertifizierers hangt sehr stark von fol­genden Faktoren ab:

1. Wie sieht die Robustheit und die praktische Anwendbarkeit eines Forstgesetzes aus?

2. Enthalt das Forstgesetz aile Elemente, die eine nachhaltige Bewirtschaftung fordert?

3. Welche Kompetenzen und Verantwortlichkeiten gibt der Gesetzgeber der Forstbehorde rsp. dem Forstdienst?

Die Arbeit des Zertifizierers wird wesentlich erleichtert, wenn ein Forstgesetz klar strukturiert ist, und eindeutige und praktikable Grundsatze der Bewirtschaf­tung im weitesten Sinne enthalt. Wenn aile Elemente einer nachhaltigen Bewirt­schaftung vorhanden sind, und der Forstdienst umfassende Kompetenzen hat, ist die Zertifizierung von Waldem auf einem regionalen Niveau moglich. Es miissen weniger Stichproben ins Zertifizierungsprogramm aufgenommen werden. Dies wirkt sich bei grosseren Gebieten entsprechend auf die Kosten der Zertifizierung pro Flacheneinheit aus.

1m Gegensatz dazu erfordert eine schwache Gesetzgebung rsp. eine schwache Forstbehorde einen vermehrten Aufwand beztiglich der Prtifungen im Feld.

Es mtissen mehr Stichproben genommen werden. Dies bedingt verstandlicher­weise eine Zertifizierung von kleineren Einheiten und verursacht hohere Zertifizie­rungskosten pro Flacheneinheit.

Es liegt in der Verantwortung der Zertifizierungsorganisation, da/3 die vorhan­denen Forstgesetze auf ihre Effektivitat untersucht werden. Die Begutachtung der Waldbewirtschaftung konzentriert sich auf diejenigen Punkte, in denen die Forstpolitik und die Forstgesetzgebung massgeblich yom Zertifizierungsstandard abweichen. Damit wird die Doppelspurigkeit der Kontrollen vermieden. Diese Abweichung entspricht auch genau der Mehrleistung, welche ein Bewirtschafter erbringen mu/3, um mit einem Zertifikat ausgezeichnet zu werden. Eine exteme Begutachtung der Planung und Waldbewirtschaftung kann auch bei bereits hohem Niveau zur Effizienzsteigerung in Planung, Ausfuhrung und Kontrolle fuhren.

Stellt man nun die Funktionen der Forstbehorden und jene der Zertifizierungs­organisation einander gegentiber, ergeben sich zwar einige Gemeinsamkeiten. Das Ziel der Ftirderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und eine aktive Mit­arbeit aller Betroffenen und Interessierten am forstlichen Planungsprozess wird

Page 254: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Fortwirtschaft 249

von der forstlichen Zertifizierung, jedoch haufig auch von der Gesetzgebung rsp. den Forstbehorden angestrebt.

Die Zertifizierung geht jedoch in dem Sinne weiter, als sie diejenigen Waldbe­wirtschafter belohnt, welche Uber die Erfiillung der gesetzlichen Vorgaben hinaus sich fi"eiwillig mit international anerkannten, jedoch gleichzeitig lokal adaptierten Normen messen und dies durch eine unabhangige Zertifizierungsorganisation UberprUfen und bescheinigen lassen. Mit einem vom FSC anerkannten Zertifikat fur die forstliche Bewirtschaftung kann der Bewirtschafter nicht nur seine Markt­stellung behaupten, sondem auch neue Marktsegmente erschlieBen.

Mit ihrer Aufgabe als unabhangiger Begutachter untersrutzt die Zertifizierungs­organisation einerseits die Bestrebungen der Forstbehorden in einem bestimmten Land rsp. einer Region. Als verlangerter Arm der Akkreditierungsstelle stellt sie andererseits den intemationalen Bezug her und unterstUtzt weltweit die Forderung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung mit Hilfe von marktwirtschaftlichen In­strumenten.

16.6 Forstliche Zertifizierung unter Berucksichtigung der speziellen Besitzerstrukturen in Mitteleuropa

Bei der Definition der Zertifizierungseinheit stellt der Zertifizierer normalerweise auf die Existenz eines Management-Systems abo Der Zertifizierer muB die forst­liche Bewirtschaftung auf jener Stufe begutachten, wo die konkreten Managemen­tentscheide gefiillt werden (langfi"istige Ziele der Waldbewirtschafiung, Bewirt­schaftungssystem, Erhebung der Grundlagendaten, Inventuren, Nutzungsplanung, Einbezug der Betroffenen und Interessierten, Vermarktung, etc.). Es mUssen auch Mechanismen bestehen zur Ausfuhrungs- und Erfolgskontrolle, urn allfallig not­wendige Korrekturmassnahmen in die laufend angepaBte Planung einflieBen lassen zu konnen. Die Elemente eines modemen Management-Systems sind schematisch in Abbildung 2 dargestellt (s. S. 250).

Page 255: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

250 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Engagement

Sozial- und Umwelt-VorprOfung

Bewirtschaftungs-Politik --~

Oberwachung und periodische Oberprofung

AusfOhrungs­kontrolle

~-~--

Abb. 2. Management-Zyklus

Management­Ablaufe

Erhebung der Sozial- und

Umweltvertraglich­keit

Allgemeine und spezifische Ziele unter

Einbezug Betroffener und Interessierter

Eine Zertifizierung auf Betriebs- oder EigentUmerstufe ist in den meisten mitteleu­ropaischen Landem, und insbesondere in Deutschland, aufgrund der kleinflachigen Strukturen kaum denkbar; dies einerseits aus KostengrUnden, andererseits aus GrUnden der Auditierbarkeit. Bei tausenden von privaten Waldeigentilmem mit je einer Flache von weniger als einer Hektare bis einigen dutzend oder hundert Hek­taren, wie es auch in Deutschland Ublich ist, ware eine Zertifizierung auf der Stufe des Betriebes oder der Bewirtschafiungseinheit kaum praktikabel. Hier muB die Zertifizierungseinheit auf jener Ebene definiert werden, wo ein gemeinsames Be­wirtschafungssystem resp. gemeinsame Bewirtschaftungsgrundsatze bestehen.

Page 256: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

16 Zertifizierung in der Fortwirtschaft 251

Flir die Zertifizierung aufliberbetrieblicher oder regionaler Basis ist es von ent­scheidender Bedeutung, daB einerseits die entsprechenden Waldeigenttimer mit einer Zertifizierung einverstanden sind, andererseits muB der Besitzer des Zertifi­kates sicherstellen, daB im FaIle einer Nichtteilnahme eines WaldeigentUmers am Programm oder bei Nichterfiillung der Zertifizierungsanforderungen eines Wald­eigentUmers, dessen Holz nicht in den Pool des zertifizierten Holzes gerat. Mit der Teilnahme an einem Zertifizierungsprogramm wird der WaldeigentUmer motiviert, mehr zu leisten als nur gerade die Erfiillung der Gesetze. Er kann dafiir mit seinem zertifizierten Holz seine Marktanteile erhalten, resp. neue Marktsegmente er­schlieBen.

Ais Zertifizierungseinheit kamen im Staatswald bespielsweise die staatlichen Forstamter oder die regionale Forstdirektion in Frage. In Kommunal-, Korpora­tions- und Privatwaldem konnten Interessenvereinigungen gebildet werden, wobei sich aIle Mitglieder zu einem gemeinsamen Bewirtschaftungssystem verpflichten. Allgemein gesagt ware der Besitzer des allfallig erteilten Zertifikates sinnvoller­weise eine Art Dachorganisation, die bei allen Teilaufgaben rsp. Phasen der forst­lichen Planung beteiligt ist undloder die Hauptverantwortung tragt. Was schluB­endlich als Zertifizierungseinheit definiert wird, muB von Fall zu Fall im Detail geklart werden, wobei die Fragen nach Auditierbarkeit, Kontrollierbarkeit und Kosten gestellt werden mlissen.

Die vorgeschlagene Dachorganisation als Zertifizierungseinheit ist jedoch kei­neswegs ein MuB. Es ist durchaus denkbar, daB beispielsweise Kommunen pder auch Private im Besitz von groBem Waldeigentum ein eigenes Zertifzierungspro­gramm durchlaufen, oder sich auBerhalb bestehender Strukturen in einem Zweck­verband zusammenschlieBen. 1m personlichen Gesprach mit dem Zertifizierer kann die ideale und kostenglinstigste Variante identifiziert werden.

Literatur

CENTER FOR INTERNATIONAL FORESTRY RESEARCH (CIFOR 1996): Developing Criteria and Indicators for Sustainable Forest Management; Bogor, Indonesia

FIRNHABER, Anke; VOLZ, Karl-Reinhard (Mai 1996): Assessment of the FSC Catalogue for the Certification of Sustainable Forest Management under Central European Conditions; Institut flir Forstpolitik der Albert Ludwig Universitiit Freiburg; Freiburg im Breisgau,.

THE FOREST STEWARDSHIP COUNCIL (1995): Principles and Criteria for Natural Forest Ma­nagement; Oaxaca, Mexico.

UPTON, Christopher; BASS, Stephen (1995): The Forest Certification Handbook; The Essential Guide to the Environmental Labelling of Wood Products; Earthscan Publicati­ons Limited; London, UK.

Page 257: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

252 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Zum Autor

Guido Fuchs, Jg. 1961, studierte von 1983 bis 1987 an der Eidgenossischen Technischen Hochschule in ZUrich Forstingenieurwesen. 1987 erlangte er das Diplom als Forstingenieur ETH. Von 1987 bis 1988 war er Assistent am Fachbereich Forstpolitik, ForstOkonomie und Forstrecht des Institutes fur Wals- und Holz­forschung der ETH ZUrich, wo er am Aufbau eines Nachdiplomstudienganges Holz mitwirk­teo Zudem betreute er Studenten. Von 1988 bis 1992 arbeitete er in einer kleinen Beratungs­firma in St. Gallen, fur die er Projekte im Bereich Geotechnik, Rutschungssanierungen, Erosionsbekampfung und Umweltvertraglich-keitsuntersuchungen durchfuhrte. Von 1992 bis

1993 fuhrten ihn private Reisen nach Australien, Neuseeland und in den Sud­pazifik. Zwischen 1993 und 1994 absolvierte er ein Nachdiplomstudium Umwelt (NDS-U) am Technikum MuttenzJSchweiz, welches er mit einem AbschluB als Umweltingenieur NDS-HTL beendete. Seine Diplomarbeit schrieb er Uber den Aufbau eines intemen Okoaudit-Systems fur die schweizerische Papierindustrie am Beispiel der TELA-Papierfabrik Standort Niederbipp. Seit Mai 1995 ist er bei der Firma SGS in der forstlichen Zertifizierung tatig, fur die er von Juni 1995 bis Mai 1996 in Oxford (England) als Forest-Assessor arbeitete. Derzeit ist er im BUra der SGS Supervise in Basel tatig.

Page 258: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

17 Oko-Audit und Uberbetriebliche Kooperation

Peter Eggensberger

BekannterrnaBen sind Landwirtschaftsbetriebe anders als im Bereich der DIN EN ISO 14001 nicht am Oko-Audit im Sinne der Verordnung teilnahmeberechtigt. Dennoch wird in Anbetracht der groBen Umweltwirkung dieses Produktionszwei­ges verstarkt an der Entwicklung von Methoden zur Einfiihrung von Umweltmana­gementsystemen nach EG-Oko-Audit-Verordnung im Agrarbereich gearbeitet. Es ist sicherlich kein Zufall, daB hierbei zunachst GroBbetrieben verstarkte Aufmerk­samkeit geschenkt wurde. SchlieBlich iihneln diese Betriebe in ihren organisatori­schen Ablaufen zumindest teilweise gewerblichen Untemehmen, was eine Uber­tragbarkeit von Erfahrungen aus den mittlerweile zahlreich entwickelten Umwelt­managementsystemen in gewerblichen Betrieben wesentlich vereinfacht. Vor allem in den neuen Bundeslandem werden derzeit eine Reihe von Pilotverfahren zur Einfiihrung von Umweltmanagementsystemen in Landwirtschaftsbetrieben durch­gefiihrt.

Gegentiber Umweltmanagementkonzepten in "klassischen" Wirtschafts­bereichen stellten sich sehr schnell methodische Unterschiede heraus, die vor al­lem auf zwei Tatsachen beruhen. Einerseits auf der erheblichen Ausweitung des Betrachtungsraumes tiber das eigentliche Betriebsgeliinde hinaus auf die gesamte landwirtschaftliche Flache des Betriebes, andererseits auf der eigenstiindigen Per­sonalstruktur (Aufgabenbiindelung bei einer oder wenigen Personen) und Arbeits­zeitstruktur (Spitzenbelastungen bei der Arbeitszeit in der Vegetations- und Emte­periode).

Die Erweiterung der raumlichen Dimension vergroBert die Zahl der Moglicbkei­ten zur qualitativen und quantitativen Erfassung von Umwelteinwirkungen der Landwirtschaft enorrn. Gerade im Hinblick auf die Defmition umweltgerechter Landbewirtschaftung existieren umfassende wissenschaftliche Untersuchungen tiber Grenz- und Richtwerte, Faustzahlen und Erfahrungswerte, die in diesem Zu­sammenhang zu beachten sind. Aus wissenschaftlicher Sieht ist dieser Tatbestand fiir eine umfassende Zustandsbeschreibung erfreulich. Aus praktischer Sicht hin­gegen steht man - meist aus finanziellen oder organisatorischen Grunden - vor einem Dilemma. Es sind jene SchltisselgroBen herauszufiltem, die bei vertretba­rem Aufwand eine moglichst realitatsnahe Beschreibung der Situation zulassen und dennoch wissenschaftlichen AnsprUchen standhalten. In diesen Kontext fallt auch die Frage, ob gesamtbetriebsbezogene Betrachtungen gentigen oder fiir be­stimmte Aspekte schlagweise Betrachtungen anzustellen sind (vgl. beispielsweise

Page 259: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

254 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Bewirtschaftungsgrundsatze bei okologisch sensiblen Flachen, in Naturschutz- und Trinkwasserschutzgebieten etc.). Auf ersteres legt beispielsweise das von der Thiiringer Landesanstalt fUr Landwirtschaft entwickelte Verfahren "Kritische Umweltbelastungen Landwirtschaft" (ECKERT, BREITSCHUH & MOBIUS 1996, ROTH, ECKERT & SCHWABE 1996) seinen Schwerpunkt.

Unabhlingig von dieser Fragestellung und ungeachtet fehlender Zertifizie­rungsmoglichkeiten fUr Landwirtschaftsbetriebe nach EG-Oko-Audit-Verordnung werden in neuerer Zeit zunehmend Oberlegungen zur Anwendung dieses Instru­ments auf kleinere Betriebe angestellt. 1m folgenden wird am Beispiel des deut­schen Alpenraums dargestellt, inwieweit die Implementation von Umweltmanage­mentsystemen in alpinen Betrieben durchschnittlicher GroBe moglich und sinnvoll ist bzw. welche Schwierigkeiten dabei zu erwarten sind. Hierbei werden im Rah­men einer allgemeinen Zustandsbeschreibung zunachst einige strukturelle Schliis­seldaten genannt. Danach wird auf konkret zu erwartende Probleme bei der Im­plementation von Umweltmanagementsystemen in diesem Raum eingegangen. SchlieBlich werden mogliche Losungswege skizziert.Es sei hinzugefUgt, daB die folgenden Betrachtungen prinzipiell auch auf andere Regionen mit kleinstruktu­rierter bauerlicher Landwirtschaft innerhalb und auBerhalb des Alpenraumes iiber­tragen werden konnen.

17.1 Die Landwirtschaft des deutschen Alpenraums

Die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft im deutschen Alpenraum ist gering. Der enormen Flachenverantwortung steht ein Bruttowertschopfungsanteil der Land- und Forstwirtschaft von wenigen Prozent gegeniiber. Ahnliche Werte (urn oder etwas unter 5 %) entfallen auf die Zahl der Erwerbstatigen in der Land­wirtschaft (Bayerisches Staatsministerium fUr Emahrung, Landwirtschaft und Forsten 1994).

Die starke Spezialisierung der Betriebe druckt sich in der nahezu ausschlieBli­chen Erzeugung von Fleisch und Milch und den fast 100 %igen Anteilen von Dau­ergriinland an der Bodennutzung aus. Etwa 85 % aller Betriebe in den Alpenland­kreisen verfUgen iiber Waldbesitz.

Die durchschnittliche BetriebsgroBe betragt ca. 15 ha landwirtschaftliche Flache (Ruppert 1996), wobei dieser Wert in vie len Gemeinden der bayerischen Alpen unterschritten wird (z. B. Raum Berchtesgaden mit 6 ha). Betriebe iiber 30 ha sind hingegen selten. Pro Betrieb sind durchschnittlich 15 Milchkiihe aufgestallt.

Der durchschnittliche Anteil der Haupterwerbsbetriebe liegt in den Alpenge­meinden unter 50 %, in einzelnen Gemeinden fallt der Wert auf einstellige Pro­zentbetrage. Das durchschnittliche Betriebseinkommen lag 1991 in den Alpen­landkreisen bei ca. DM 21.000,-- (Ruppert I.c.). In dieser Zahl sind auch ertrags-

Page 260: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

17 Oko-Audit und Uberbetriebliche Kooperation 255

starke 8etriebe der im Alpenvorlandes gelegenen nordliehen Landkreisteile einge­reehnet! Dem sei die Angabe des 8ayerischen Agrarberichts 1992 (8ayerisches Staatsministerium fUr Emahrung, Landwirtschaft und Forsten 1992) gegenliber gestellt, wonach ein ausreichendes Familieneinkommen bei mindestens DM 60.000,-- liegt. Erwartungsgemlill bilden somit untemehmensbezogene Einkom­mens-beihilfen (insbesondere das Kulturlandsehaftsprogramm und die Ausgleiehs­zulage fUr 8erggebiete) ein wichtiges finanzielles Standbein. Sie erreichten nach Ruppert (I.e.) im 8erggebiet im Wirtschaftsjahr 1992/93 einen Gewinnanteil von 38 %. Eine weitere Einkommensstlitze fUr bauerliche Familien ergibt sich aus dem Fremdenverkehr. Durchsehnittlich 17,9 % des Einkommens resultierten 1991 aus der Vermietung von Zimmem. Sehlief31ieh sind zahlreiche Landwirte auf Einkom­men aus nichtlandwirtschaftliehen Arbeitsplatzen angewiesen.

Kurz zusammengefaBt sind in den deutschen Alpen traditionell kleinstrukturier­te, bauerliche Familienbetriebe mit ausgepragten Monostrukturen angesiedelt, die im europaischen Agrarmarkt in zunehmendem MaBe auf direkte Einkommens­beihilfen und zusatzliche auBerbetriebliche Einkommen angewiesen sind. Dra­stiseh formuliert wird die alpine Landwirtsehaft ofimals durch niehtlandwirt­schaftliche Einkommen subventioniert, nicht zuletzt deshalb, weil die erbrachten okologischen Leistungen vielfach nieht finanziell abgegolten werden.

17.2 Probleme bei der Obertragung von Umweltmanagementsystemen auf die Landwirtschaft des deutschen Alpenraums

Die zuvor gesehilderte Situation der Landwirtsehaft im deutschen Alpenraum llillt unabhangig von der Ausrichtung der EG-Oko-Audit-Verordnung aufUntemehmen der gewerblichen Wirtschaft bereits mogliche Sehwierigkeiten bei der Dbertragung von Umweltmanagementsystemen auf alpine Landwirtschaftsbetriebe erahnen. Naehfolgend wird unter 8erlicksichtigung von Erfahrungen aus konkreten land­wirtschaftlichen Umsetzungsprojekten des Alpenforschungsinstituts im Alpenraum auf einige Problemfelder tiefer eingegangen.

17.2.1 Methodische Probleme

8eim Aufbau von Umweltmanagementsystemen in durchsehnittlichen alpinen 8etrieben ergeben sieh zunachst die gleiehen methodisehen Standardprobleme wie etwa in GroBbetrieben agroindustriellen Charakters (s. Absehnitt 1). Hinzu kommt,

Page 261: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

256 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

daB Daten, wie sie beispielsweise fur die Bestandsaufuahme im Rahmen der Um­weltpriifung erforderlich waren, nur in eingeschranktem MaBe vorhanden sind.

Die Quantifizierung von Stofffltissen setzt voraus, daB Kenntnis tiber die lnput­und Output-GroBen besteht. Die Buchfuhrung bei landwirtschaftlichen Betrieben wie auch die Erstellung von Bewirtschaftungs- und Ausbringungsplanen fur Dtin­ge- und Pflanzenbehandlungsmittel kann hier sehr wertvolle Dienste leisten. Gera­de im Alpenraum ist die Zahl der buchfuhrenden Betriebe begrenzt, und auch konkrete Ausbringungsplane sind eher die Ausnahme. Dariiber hinaus sehen ver­schiedene Rechtsvorschriften gerade fur kleine Betriebe bewuBt Erleichterungen vor, vgl. beispielsweise die eingeschrankten Kontroll- und Dokumentations­pflichten beim Vollzug der neuen Dlingeverordnung.

17.2.2 Finanzielle Probleme

In Bayem wurde Ende 1996 das sogenannte "Bayerisches Umweltberatungs- und Auditprogramm" aufgelegt, das Forderungen fur die Einfuhrung von Umweltma­nagementsystemen in kleinen und mittleren Untemehmen vorsieht. Allerdings bleiben diese Fordermittel Agrarbetrieben verschlossen. Legt man bei der Ent­wicklung dieser Systeme und der tumusmaBigen Kontrollen den Regelfall einer extemen Beratung zugrunde, erreichen die damit verbundenen finanziellen Auf­wendungen ohne Forderung sehr schnell Dimensionen, die von einem durch­schnittlichen bauerlichen Betrieb im deutschen Alpenraum nicht mehr getragen werden konnen. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf das MiBverhaltnis zwischen tatsachlichem und erforderlichem Mindesteinkommen bei durchschnittli­chen bauerlichen Betrieben im Alpenraum hingewiesen.

17.2.3 Organisatorische Probleme

Wie im Abschnitt 2. geschildert, wird der durchschnittliche landwirtschaftliche Betrieb im deutschen Alpenraum von Familien bewirtschaftet. AuBerfamiliare Hilfskrafte wie Praktikanten, Personal fur die Almbehirtung oder exteme Dienst­leistungen durch Maschinenringe und ahnliche Selbsthilfeeinrichtungen haben nur geringen Anteil an der Gesamtarbeitsleistung in den Betrieben.

Da die hohe zeitliche Inanspruchnahme der bauerlichen Familien ohnehin be­reits als Belastung empfunden wird und zu einem nachlassenden Interesse an der Hofubemahme bei der jlingeren Generation gefuhrt hat, ist zwangslaufig wenig Bereitschaft zur Obemahme weiterer Aufgaben im Rahmen von Umweltmanage­mentsystemen zu erwarten. Selbst wenn diese Bereitschaft besllinde, bliebe ein nicht zu unterschatzendes zeitliches Problem bei der Organisation bestimmter, mit

Page 262: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

17 Oko-Audit und iiberbetriebliche Kooperation 257

dem Umweltmanagementsystem in Verbindung stehender betrieblicher Ablaufe wie:

• Dokumentation der Standes und der Fortschritte im betrieblichen Umwelt­schutz (,,6ko-Bilanz")

• Festlegung von Aufbau- und Ablaufverfahren (Beauftragtenwesen) • TumusmaJ3ige Selbst- und exteme Kontrollen

Die Mehrzahl dieser Tatigkeiten miiBte von einem oder wenigen Familienmit­gliedem in Personalunion Ubemommen werden. Auch die hohe Traditionsbehaf­tung bauerlicher Betriebe im Alpenraum wird die Bereitschaft zur Obemahme der genannten Aufgaben unter den derzeitigen Bedingungen hemmen. In der bauerli­chen Bevtilkerung besteht die Dberzeugung, ohnehin seit lahrhunderten im Gleichklang mit der Natur zu wirtschaften. Nach Adam (1996) spielten jedoch vorwiegend materielle Interessen der bauerlichen Bevtilkerung bei der Gestaltung von Landschaft eine Rolle. Der tikologische Wert der Kulturlandschaft konnte oftmals nur aufgrund der fehlenden technischen Mtiglichkeiten und der schon rein materiell nicht realisierbaren Intensitat der Bewirtschaftung entstehen. Dies zeige nicht zuletzt die starke Intensivierung in der jUngeren Vergangenheit.

Eine Bereitschaft zur Dbemahme differenzierter Umweltmanagementaufgaben in einzelnen Betrieben ist vermutlich auch dann nur bedingt zu erreichen, wenn das Problem der fehlenden Finanzmittel beispielsweise durch entsprechende Ftirder­mtiglichkeiten geltist wUrde.

17.2.4 Problem des fragwOrdigen Wettbewerbsvorteils

In der klassischen Argumentationen "pro Umweltmanagementsystem" werden - zurecht - die Optimierungsmtiglichkeiten bei der betrieblichen Organisation und die Einsparung finanzieller Ressourcen herausgestellt. 1m Agrarbereich wird als weiterer Punkt besonders der zu erwartende Wettbewerbsvorteil betont. Wahrend dies bei GroBbetrieben durchaus einleuchtend erscheint, ist dies fiir die alpine Landwirtschaft zumindest in Frage zu stellen.

Bei Lichte betrachtet hat die Mehrzahl der alpinen Betriebe zumindest Uberre­gional eine geringe Marktbedeutung. Dies schwacht entsprechend die Wettbe­werbsposition, soweit man - was auch im Alpenraum die Regel ist - dem euro­pais chen Wettbewerb ausgesetzt ist. UngUnstige Produktionsbedingungen und geringere Ertrage bei htiherem Arbeitskrafteeinsatz pro Produkteinheit benachtei­ligen diese Betriebe erheblich und sind schlieBlich auch die Ursache fiir den weit­hin bekannten Strukturwandel in der Berglandwirtschaft, der sich trotz der - mehr oder weniger geeigneten - StUtzungsmaBnahmen fortsetzen dUrfte. Fleisch- und Milchskandale tun ein Ubriges.

Besondere Kontraste ergeben sich dadurch, daB bereits wenige Kilometer wei­ter in der Voralpenzone deutlich mehr wirtschaftlich gesunde Betriebe angesiedeJt

Page 263: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

258 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

sind. In diesem Zusammenhang verheiBt auch die angestrebte Ost-Erweiterung der EU und die 1999 anstehende nachste WTO-Verhandlungsrunde fur die alpine Landwirtschaft nichts Gutes. Es ist im Gegenteil durch die Umverteilung von For­dermitteln mit einer Abnahme von finanziellen StutzungsmaBnahmen und daher mit einer weiteren Verscharfung des Wettbewerbs zu rechnen, auf die viele alpine Betriebe ohne Anderung ihres Marktverhaltens mit Aufgabe reagieren werden (mtissen).

Diese Anderung wird vor allem bei Kleinbetrieben in einer starkeren Focussie­rung auf regionale Markte bestehen, die teilweise auch von seiten der Europai­schen Union propagiert wird. In diesem Segment sind allerdings auf einzelbetrieb­licher Ebene vergleichsweise einfache und kostengtinstige Kontrollsysteme zur Uberwachung umweltgerechter Landbewirtschaftung geschaffen worden (vgl. die EG-Bio-Verordnung oder die Kontrollen der an Kulturlandschaftsprogrammen be­teiligten Landwirte durch die ortliche Landwirtschaftsverwaltung). Die Erfahrung zeigt daruber hinaus, daB vor allem Betriebe des okologischen Landbaus bestimm­te Verbraucherschichten fest an sich gebunden haben. Es ist daher weder zu erwar­ten noch sinnvoll, daB das Instrument der "Oko-Audit-Verordnung" in Konkurrenz zu diesen Instrumenten tritt.

17.2.5 Fazit

Unabhangig von methodischen Problemen und fragwiirdigen Marktvorteilen scheint das Instrument EG-Oko-Audit-Verordnung auf den ersten Blick fur den alpinen Durchschnittsbetrieb wegen des damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Aufwands tiberdimensioniert. Es ist kaum zu erwarten, daB sich ein einzelner Betrieb zur Einfiihrung eines Umweltmanagementsystems bereit finden.

17.3 Ein Losungsansatz: "Oko-Partnerschaften"

Die Notwendigkeit zur Organisation des betrieblichen Umweltschutzes ist ange­sichts der erheblichen Umweltwirkungen der Landwirtschaft unbestritten. Es stellt sich die Frage, ob und unter we1chen Voraussetzungen trotz der genannten Schwierigkeiten das Instrument EG-Oko-Audit-Verordnung auf alpine Betriebe tibertragen werden kann. Hierfiir bieten grundsatzlich zwei Altemativen an. Einer­seits konnte das Instrument an die Adressaten angepaBt werden, andererseits konnten sich die Adressaten besser auf das Instrument einstellen.

1m ersteren Fall konnte theoretisch an mehreren Stellen der EG-Oko-Audit­Verordnung angesetzt und tiber eine Veranderung des Verordnungstextes "Er-

Page 264: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

17 Oko-Audit und Ilberbetriebliche Kooperation 259

leichterungen" fUr Kleinbetriebe eingearbeitet werden. Allerdings ware dies zwei­fellos eine Schwiichung des Instrumentes als ganzes und eine unnotige Konkur­renzierung anderer europiiischer Instrumente. DarUber hinaus ware eine Umwand­lung in ein europiiisches Rahmeninstrument denkbar. GemiiB dem Subsidiari­tiitsprinzip konnte den Mitgliedstaaten oder Regionen entsprechend ihren spezi­fischen Bediirfnissen eine individuelle Ausgestaltung zugestanden werden. Dies wiirde wiederum Bemtihungen urn eine Standardisierung des EG-Oko-Audit­Systems konterkarieren, die ja gerade seine Starke ausmacht. Der Abbau der o.g. Hemmnisse bei der Einfiihrung von Umweltmanagementsystemen in alpinen Land­wirtschaftsbetrieben tiber die inhaltliche Umgestaltung der Instrumente erscheint aus diesen Uberlegungen nicht sinnvoll und ware im tibrigen auch kurzfristig nicht realisierbar .

Wesentlich flexibler konnen die Probleme hingegen auf der Adressatenseite an­gegangen werden. Nachdem die Beteiligung von Einzelbetrieben aus den oben erwiihnten Grunden wohl ausscheidet, ist zurnindest fUr bestimmte operative Tii­tigkeiten bei der Einfiihrung von Umweltmanagementsystemen die Bildung tiber­betrieblicher Partnerschaften, im folgenden "Oko-Partnerschaften" genannt, ein denkbarer Losungsansatz. Dabei schlieBen sich mehrere Betriebe zusarnmen urn einzelne Schritte und Problemlosungen gemeinsam zu erarbeiten, Erfahrungen auszutauschen und damit den erforderlichen Arbeitsaufwand weitestgehend zu minimieren.

Entscheidend ist, durch die Einbeziehung einer ausreichenden Anzahl von Betrieben eine gewisse "kritische Masse" zu erreichen, bei der die Belastung fUr den einzelnen Betrieb in Grenzen gehalten werden kann. Entsprechende Vorbilder stellen beispielsweise die Gruppenberatungen durch die Industrie- und Handels­kammem dar.

Bezogen auf den Agrarbereich konnen dabei sowohl "Horizontale Oko­Partnerschaften", also Kooperationen zwischen Agrarbetrieben gleicher Ausrich­tung, als auch "Vertikale Oko-Partnerschaften" eingerichtet werden, die sich bei­spielsweise an Produktlinien orientieren und durch Waren- oder Stoff strome an­einandergekoppelt sind. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Auswahl moglicher Beispiele, die noch erheblich erweitert werden konnte.

Zwar sind durch die Partnerschaftsmodelle die oben genannten Probleme im methodischen Bereich nach wie vor existent, allerdings ergeben sich bei anderen Problembereichen wesentliche Erleichterungen und Vorteile.

Page 265: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

260 Kapitel2 : Fallbeispiele und Pilotprojekte

Rorizontale Vertikale "Oko-Partnerschaften" "Oko-Partnerschaften"

Kennzeichen Partnerschaften von Agrarbetrieben Partnerschaften von einem oder mehe-

&leicher Aus ichtuqg .rJ:lO Ag.rM,Mtr:it\htm ~ .w.W verschiedener Ausrichtung mit Unter-

nehmen der erstaufnehmenden Hand

und wei terverarbei tenden Unterneh-

men

Geeignete Kleine und mittlere Betriebe Betriebe jeder Grof3enordnung

Betriebs-grollen

Beispiele Erzeugergemeinschaften und -zu- - Gersteerzeuger, Hopfenerzeuger,

sarnmenschlUsse sowie Genossen- Mlilzereien, Brauereien

schaften verschiedener Produk- - Milcherzeuger, Molkereien, Klise-

tionsbereiche reien, - Fleischerzeuger, Metzger, Lebens-

mittel handel

- Obsterzeuger, Mostereien, Bren-

nereien

- Weinerzeuger, Kellereien

Der finanzielle Vorteil ist offensichtlich. Arbeitsmaterialien beispielsweise fur Umwelt-, Rechts- und OrganisationsprUfungen konnen gesammelt erstellt und ihre Anwendungsbereiche und Durchfuhrung in den einzelnen Betrieben gemeinsam erlautert werden. Gleiches gilt fur die Formulierung gemeinsamer Willensbekun­dungen, beispielsweise in der Umweltpolitik, bei der Umwelterklarung und der Entwicklung des Umweltprogramms. Gegebenenfalls konnen bei spezifischen Problemlagen in einzelnen Betrieben erganzende einzelbetriebliche Beratungen durchgefuhrt werden. Durch die Btindelung dieser arbeitsintensiven Prozesse kon­nen erhebliche finanzielle Ressourcen eingespart werden.

Die "Vertikale Oko-Partnerschaft" wird in idealer Weise der Philosophie der Oko-Audit-Verordnung gerecht, "Keimzellen" fur betriebliches Umweltmanage­ment zu bilden, die eine Sekundarwirkung auf vor- und nachgelagerte Betriebe austiben.

Eine Starkung der Wettbewerbsposition ergibt sich bei "Horizontalen Oko­Partnerschaften" zunachst weniger auf der einzelbetrieblichen Seite, als vielmehr auf der Ebene der Erzeugerzusammenschltisse, die als Handelspartner weiterverar­beitender Untemehrnen fungieren. "Vertikale Oko-Partnerschaften" wtirden zu-

Page 266: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

17 Oko-Audit und iiberbetriebliche Kooperation 261

nachst Verarbeitungsbetriebe starken, die positive Wirkung wiirde aber zweifellos bei beiden Modellen auch auf die Erzeugerbetriebe durchgreifen.

Beide Partnerschaftsmodelle haben den Vorteil, daB regionale Aspekte bertick­sichtigt werden konnen und gleichzeitig in einem Zug eine groBere Anzahl von Betrieben in starkerem MaBe als zuvor Umweltbelange in ihr Handeln einbezie­hen. In dies em Zusammenhang sei an den vergleichsweise langsamen Anstieg von Betrieben des okologischen Landbaus erinnert. Auch ist zu beachten, daB samtli­che Verfahren der EG-Oko-Audit-Verordnung nach wie vor auf den einzelnen Betrieb angewendet werden konnen.

17.4 Ausblick

Umweltrnanagementsysteme nach EG-Oko-Audit-Verordnung konnten auch in der kleinbauerlichen Landwirtschaft des Alpenraums sinnvoll eingesetzt werden. Vor­aussetzung ist die Bildung tiberbetrieblicher Kooperationen, urn bei bestimmten Verfahrensstufen organisatorische und finanzielle Erleichterungen fur die einzel­nen Betriebe zu erzielen. Art und Umfang der Kooperationen konnen hingegen sehr flexibel gestaltet werden.

Das Oko-Audit bei Landwirtschaftsbetrieben sollte in keinem Fall als Ersatz fur Betriebsumstellungen nach den Kriterien des okologischen Landbaus gesehen werden. Es betrachtet den Betrieb zunachst von der organisatorischen Seite und umfaBt dabei zusatzliche Aspekte des betrieblichen Umweltschutzes. In diesem Sinne ware es auch fur Bio-Betriebe zur Vervollstandigung ihres betrieblichen Umweltschutzes sinnvoll. Von besonderem Interesse ist hierbei, wie das bestehen­de Kontrollsystem nach EG-Bio-Verordnung fur Umweltrnanagmentsysteme im Sinne der EG-Oko-Audit-Verordnung genutzt werden konnen. Auf der anderen Seite ist das Oko-Audit eine Alternative fur Betriebe, die derzeit noch keine Mog­Iichkeit zur Umstellung auf okologischen Landbau sehen, aber dennoch Verb esse­rungen des betrieblichen Umweltschutzes erzielen wollen.

Auf europaischer Ebene ware es sinnvoll, wenn durch eine entsprechende An­passung der EG-Oko-Audit-Verordnung die Voraussetzung fur eine Zertifizierbar­keit von Landwirtschaftsbetriebe geschaffen und damit die Akzeptanz fur einen starkeren Einsatz des Instruments in dieser Branche wesentlich erhoht werden konnte. Unabhangig davon sollte tiber entsprechende Pilotvorhaben versucht wer­den, etwaige Zweifel beztiglich der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit abzubauen.

Page 267: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

262 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Literatur

ADAM, Th. (1996): Mensch und Natur: das Primat des Okonomischen - Entstehen, Bedro­hung und Schutz von Kulturlandschaften aus dem Geiste materieller Interessen. Natur & Landschaft 71 (4): 155-159.

BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FUR ERNAlffiUNG, LANOWIRTSCHAFT UNO FORSTEN (1992). Bayerischer Agrarbericht 1992. Miinchen

BA YERISCHES STAATSMINISTERIUM FUR ERNAHRUNG, LANOWIRTSCHAFT UNO FORSTEN (1994): Strukturdatenatlas Bayern. Miinchen

ECKERT, BREITSCHUH & MOBIUS (1996, Mskr.): Kritische Umweltbelastungen Landwirt­schaft (KUL): Ein Verfahren zur Kontrolle und Bewertung landwirtschaftlicher Um­weltwirkungen. 14 S.

ROTH, D., ECKERT, H. & M. SCHWABE (1996): Okologische Vorrangflachen und Vielfalt der Flachennutzung im Agrarraum - Kriterien fur eine umweltvertragliche Landwirt­schaft. Natur und Landschaft 71(5): 199-203.

RUPPERT (1996): Der deutsche Alpenraum - Raumorganisation im Spiegel agrarwissen­schaftlicher Struktur- und Proze13muster. In: Europaische Akademie Bozen (Hrsg.): Landwirtschaft im Alpenraum - unverzichtbar, aber zukunftslos? S. 169-192, Berlin­Wien.

Zurn Autor

Dr. Peter Eggensberger, Jg.1962, Dipl.-Biol., Studiurn der Biologie in Regensburg, Promo­tion in Botanik, danach freiberufliche Tatigkeit fur das Bayerische Landesamt fur Wasserwirt­schaft. Seit April 1994 ist der Autor Mit arbeiter des Alpenforschungsinstituts in Garmisch-Partenkirchen, als Wissenschaft­licher Leiter derzeit zustandig fur den Bereich Alpine Okologie. Er ist Projektleiter in Um­setzungsvorhaben zur Sicherung der Berg­landwirtschaft und des Bergwaldes und seit Oktober 1996 Projektbetreuer eines Vorhabens zur Einflihrung eines integrierten Umwelt- und Qualitatsmanagementsystem in einem landwirt-schaftlichen Betrieb in Thiiringen.

Page 268: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18 Zu den Chancen von Umweltmanagement­systemen (DIN EN ISO 14001 und EG-Oko-Audit­Verordnung Nr. 18361 93) in der Milchwirtschaft

Peter Fleck

18.1 Einleitung

Die Emahrungswirtschaft einschlieBlich ihrer vor- und nachgelagerten Bereiche sind auBerst sensible Branchen in Bezug auf das Verhalten der Endverbraucher. Fehlinformationen oder nach "auBen" dargestellte Unklarheiten in der Informati­onspolitik der Finnen konnen das Konsumentenverhalten gegenUber dern betref­fenden Untemehmen oder sogar einer kompletten Branche negativ beeinflussen. Eindrucksvolle Beispiele liefem gegenwiirtig die Rindfleisch- und Kalbfleischer­zeuger in Verbindung mit dem Einsatz von (verbotenen) Wachstumsforderem oder dem BSE-Erreger. Der Milchwirtschaft der BRD sind Risiken dieser Art bewuBt. Sie ist daher be­mUht, keine diesbezUglichen Unklarheiten aufkommen zu lassen. 1m Rahmen ihrer Offentlichkeitsarbeit werden daher klare und wissenschaftlich fundierte Aussagen zu beispielsweise den Themenkomplexen "BSE durch Milchprodukte" getroffen (vgl. z. B. Milch-Marketing, Heft 9, Sept. 1996, S. 24). Da der Konsument jedoch nicht nur hohe Ansprtiche an die Qualitat der Produkte stellt, sondem zunehmend auch an die Art und Weise einer umweltfreundlichen Produktionsweise, gewinnt auch diese Sichtweise zunehmend an Bedeutung.

18.1.1 Situation der Milchwirtschaft

Die bundesdeutsche Milchwirtschaft steht eindeutig in dem Spannungsfeld Pro­dukte hoher Gtite und Qualitat zu erzeugen und zwar bei (weitgehend) umwelt­freundlicher Produktionsweise. Eine besondere Brisanz erhalt diese Aufgabe dadurch, daB die mi1chverarbeitende Branche gegenwiirtig einen Strukturwandel erfahrt. Neben dem vielzitierten "Preisdiktat" des Handels wird der ProzeB des Strukturwandels auch mit bee in-

Page 269: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

264 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

fluBt durch die Moglichkeit der Untemehmen, auf die umweltpolitische Vorgaben staatlicherseits zu reagieren . Die Milchwirtschaft sieht sich Bedingungen ausgesetzt, die sich wie folgt syste­matisieren lassen:

I. rechtliche Vorgaben 2. freiwillige Erfordemisse 3. markttibliche Erfordemisse

Diese Systematik bezieht sich auf das "Produkt" als solches und die Art und Weise der Produktion. Dbersicht 1 bildet diese Systematik abo

Ubersicht 1. Forderungen an die Milchwirtschaft

Betrachtungsgegenstand r-------------,------------------------------

I Produkt "umweltfreundliche

rechtliche Vorgaben

freiwillige Erfordernisse marktiibliche H andelserfordernisse

I Produktion" I '1 h 1 I Z. B. MI chVO, Z. B. Wasserhaus a tsgesetz, I § 16 (HACCP) BImSchG

: Z. B. Benchmarking Z. B. Umwelt-Controlling,

I EU Oko-Audit 1836/96 I I Z. B. DIN ISO 9000ff Z. B. DIN ISO 14001 I

Der Bereich der rechtlichen Vorgaben schlieBt neben der Ftille lebens-mittel­rechtlicher Gesetze und Verordnungen mit Zielsetzung Produktsicherheit auch beispielsweise das HACCP-Konzept mit ein, welches speziell flir die Lebens­mittelverarbeitung als Hygienesicherungsplan entwickelt wurde.

Zum HACCP-Konzept

Bei dem HACCP-Konzept (Hazard Analysis Critical Control Point) handelt es sich urn eine prozeBbegleitende Kontrolle. Zielsetzung ist hierbei potentielle Ge­fahrdungselemente zu identifizieren, zu bewerten und letztendlich zu kontrollieren. Der entscheidende Gedanke dieses Konzeptes ist der, daB der ProduktfluB vom Rohmaterial tiber aile Be- und Verarbeitungsstufen bis hin zum verzehrsfertigen Erzeugnis systematisch analysiert wird.

Artikel 14 der EG-Milchhygiene-Richtlinie 92/46/EWG und die darauf gesttitz­te Umsetzung des § 16 der Milch-VO sehen diese Feststellung, Dberwachung und Kontrollmethoden der kritischen Punkte vor.

Das HACCP-System liegt im Verantwortungsbereich des Herstellers. Es wird von den zustandigen Behorden tiberprtift.

Page 270: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18 Umweltmanagementsysteme in der Mi1chwirtschaft 265

Freiwillige Erfordemisse, die schwerpunktmiiBig produktbezogene Betrachtun­gen enthalten, konnen beispielsweise das Kostenmanagement mit Hilfe des Ben­chmarking sein. Eine betriebswirtschaftliche Analyse wird hierdurch vorgenom­men, so daB eine betriebswirtschaftliche Standortbestimmung innerhalb der Bran­che erfolgen kann.

Dbertragen auf eine umweltfreundliche Produktion kann exemplarische das Umwelt-Controlling oder die freiwillige Teilnahme an dem EG-Oko-Audit ge­nannt werden.

Ais marktiibliche Erfordemis ist produktseitig die Unterwerfung der Produktion unter die DIN ISO 9000ff zu sehen. Nicht zuletzt initiiert durch den Handel hat sich dieses Verfahren der Qualitatssicherung gerade in der Milchwirtschaft in den letzten Jahren etabliert.

Es kann unterstellt werden, daB auch die auf den Umweltbereich Ubertragbare DIN EN ISO 14001 mittelfristig eine ebensolche "Marktdurchdringung" erreichen wird. Sowohl der Handel als auch die Konsumenten werden hierauf positiv einwir­ken.

18.1.2 Struktur der Milchwirtschaft

In den letzten Jahren hat sich die Struktur der bundesdeutschen Milchwirtschaft rasant verandert. Bezogen auf den Konzentrationsgrad waren die Hauptursachen nach Aussagen des Milchindustrie-Verbandes

• die Notwendigkeit zur Sortimentserweiterung und • der Zwang, gegenUber einem bereits hoch konzentrierten Handel ein entspre­

chendes Gleichgewicht zu bilden (vgl. HETZNER, E.; Deutsche Milchwirt­schaft, Heft 17, S. 736, 1996).

Ende 1994 wurden bei der letzten Strukturerhebung 3 14 Milchverarbeitende Untemehmen in Deutschland gezahlt. Genossenschaftlich organisiert waren davon 132 und in Form von Kapitalgesellschaften wurden 117 gefiihrt. Der Anteil der Genossenschaften an der Milchverarbeitung sank hierbei von 56 % auf 48 %.

Die Zahl der Molkereien ging seit 1991 urn 65 Betriebe zurUck.

Der Konzentrationsprozess fiihrte dazu, daB in der BRD vier Untemehmen die I Mrd. Grenze (Milchannahme in kg/a) uberschritten (allesamt genossenschaftlich organisiert). Dies entspricht etwa 20 % der Milchanliefermenge in der BRD.

Verglichen mit den Milchverarbeitem in der EU ist dabei die Konzentration in­nerhalb der BRD noch bescheiden, obwohl die 50 umsatzstiirksten Molkereien % des Branchenumsatzes ausmachen und die 10 grofiten Untemehmensgruppen knapp 37 % des Gesamtumsatzes auf sich vereinigen.

Page 271: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

266 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Die groBten mi1chverarbeitenden Untemehmen sind, aus ihrer Historie heraus begrUndet, genossenschaftlich organisiert.

Unter den "Top 10" der groBten Mi1chverarbeiter befmden sich sieben genos­senschaftliche U ntemehmen.

Regional wird den Genossenschaften in Bayem und Niedersachsen die meiste Milch angedient.

Die Genossenschaften mit mehr als 150 Mio. kg Mi1ch/a oder 2/3 der (genossenschaftlichen) Anliefermenge dominieren dabei (vgl. hierzu Deutsche Mi1chwirtschaft, H. 17, S. 738-758, 1996).

Der iiberwiegende Teil der 50 groBten Mi1chverarbeiter wurde im Rahmen der DIN EN ISO 9000ff zertifiziert bzw. ist dabei, sich der momentanen Zertifizie­rungswelle zu unterwerfen.

Nicht bei allen Untemehmen wurde die Zertifizierung ausschlieBlich aus eige­nem Interesse heraus durchgefiihrt. In einigen Untemehmen geschah dies auf "sanften (indirekten) Druck" des Handels aber immer vor dem Hintergrund, einen hohen Qualitatsstandard und Produktsicherheit zu gewahrleisten.

18.1.3 Umweltpolitische Rahmenbedingungen fur die Milchwirtschaft

Die Bundesrepublik Deutschland setzt nach eigenem bekunden in der 13. Legisla­turperiode auf marktwirtschaftliche Anreize in Umweltschutzbelangen.

Die Wirtschaft hat sich auffreiwilliger Basis bereit erklart, die COrEmissionen und den Energieverbrauch bis zu 20 % zu vermindem.

1m rechtlichen Bereich sind fUr die bundesdeutsche Wirtschaft

• die EinfUhrung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes mit dem zugehorigen untergesetzlichen Regelwerk

• die Umsetzung der EG-Oko-Audit-VO 1836/93 in nationales Recht von groBer Bedeutung.

Insbesondere fUr die Mi1chwirtschaft sind diese globalen umweitpolitischen Entwicklungen von Interesse, da beispielsweise die Erstellung von Abfallbilanzen und Abfallwirtschaftskonzepten bundesrechtliche Forderungen sind, denen sich die Untemehmen nicht entziehen konnen.

Bedeutsam ist fUr die Branche desweiteren, daB sie sich freiwillig einer EG­Oko-Audit-VO unterwerfen konnen.

Die Beteiligung der Mi1chwirtschaft an der EG-Oko-Audit.VO stieB allerdings noch im Jahre 1995 auf keine groBe Akzeptanz seitens des Mi1chindustrie­Verbandes (vgl. Deutsche Mi1chwirtschaft, Heft 15, S. 772-775, 1995).

Page 272: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18 Umweltmanagementsysteme in der Milchwirtschaft 267

Insbesondere die VerOffentlichung eines standortbezogenen Umweltberichts sowie die Verpflichtung zur regelmaBigen Verbesserung der betrieblichen Um­weltsituation wird von dem Interessenverband der "groBen" milchwirtschaftlichen Untemehmen als Ablehnungsgrund fur die Einfuhrung eines soIehen Umwelt­managementsystems aufgefuhrt. Empfohlen wird hingegen die weltweit gUltige DIN EN ISO 14001 einzufuhren.

In der Praxis sieht es bislang so aus, daB erst zwei miIehwirtschaftliche Unter­nehmen an der Durchfuhrung eines Audits auf der Basis der EG-Oko-Audit-VO teilgenommen hat.

Das Interesse an der Zertifizierung nach der DIN ISO 14001 ist scheinbar deut­lich groBer. Die Verbindung zu der DIN ISO 9000ffwird hier untemehmensseitig gesehen.

18.2 Risiken im milchwirtschaftlichen Bereich

Vielfach wird von den Befurwortem von Umweltaudits und Umweltmanagement­systemen (nach DIN EN ISO 14001 und EG-Oko-Audit-VO 1836/93) die Behaup­tung aufgestellt, daB soIehe Managementsysteme helfen konnen, betriebliche Risi­ken in milchverarbeitenden Betrieben zu erkennen, zu analysieren, zu bewerten und - wenn notig - durch sinnvolle MaBnahmen Abhilfe zu schaffen.

Die Risiken im miIehwirtschaftlichen Bereich sind vielschichtig und umfassen das "Produkt" als solches und die "Umwelt". Nachfolgend sollen diese Bereiche kurz skizziert werden.

Die folgende Obersicht 2 zeigt einige typische Umweltrisiken bei milchverar­beitenden Untemehmen. Sie stehen exemplarisch fur eine Vielzahl ahnlich gela­gerter Problemkreise.

Page 273: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Ifd. Nr.

2

J

4

6

268 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Ubersicht 2. Typische Umweltrisiken bei milchverarbeitenden Unternehmen

Alllll10niakau trill au I _uft Letlungssyslel1l ; Ausbrci- (=> Au wirkllngcn auf tung de A lllllloniaks en chen, Vegelation, Ober Bctriebsgellindc: onsti ge Lebewesen): Evakuicrung der angrcn- Wasser zenden Nachbarschatl: (=> Auswi rkungcn auf Veratzungen der belriebl iches Abwas-AtClllwcgc ser) ro llliss ion VO II Luft

ilchp lllvcr bei der (=> Au wirkungcn auf Troek nung .. Saehen"):

Konzcntriertc atronlaugc Iilult aus

dctcktcll1 Hchalter nus lind gelangt Ober Gully in dcn Vortlu tcr

Mikh Iauli bei Tankwa-

Wasser (=>Auswirkungcn auf Oberfl achcnwasser) Wasser (=> Auswirkungen auf Gcw~sser mit Folge von Fi chstcrben. sonSlige Lebewe en. 'ch!ldigung der Ulcr­

vege tation) Wasser

gcnlccrung unkon trollicrt (=> A liswirkungcn auf wcg tiber die Ab\ asscr- Abw<l~~cr und kommu-slapcltanks und ~elangt Ilil chlicl.lend in die Ol1cntlichl.! Kanalisation und in die komillunaic Killranlagc

nale Klaranlagc Lull (=> Gcruchs cm issioncn)

l)olllschachte von unter- Boden irdischcn HcizOltanks (=> massive Koh len-mi t Encrgictriiger HeizOI wasserstoff-Slild gcm3uen. Dureh konlamination des Fugcn trill I leiz(i1- i30dcns Rcgenwa scr-Gcl11isch in Wasser den ntcrgrund (->Grundwasser ist

eben falls kontaminiert)

sonstigc . dei'ektc O labscheider - lInwrcichende Obertl a­chcnbcfcSligung im be­lriebscigcncn 'J'ankSlcl­len bereich - lInZllr~ichend gesicher­Ie Lagcrung von A ItO I - d. gl. Sehlllierstoffc, Baltcrietlussigkeiten.

FrischOlen etc.

Hoden (=> Kontal1linalionen mit Kohlenwas er-10iTen gg/'. aueh PCB.

Sllure etc.) Wasser (=> d gl.)

Personensehaden, Evakuierung kosten. Entsorgungskos ten fllr komaminicrtcs Abwa -ser

auslrelendes i lehpu l­ver legt ieh auf par­kcnde FahrLellge: Veriltzungen von Laekcn durch die Milchsaurcbeslandteilc Fischslcrben, Sachschildcn, Renaturierungskosten

Wiederherslellung der "Mikrobiologic" der K laran lage: AlJ\Vas er der Molkcrei I1ltissen bi ' zur Wie­derherstelillng der KHlrieislUng der Anla­ge anderweilig cntsorgt werden Aul'wendungen IUr Sondierungcn und Eingrcnzungcn der Komamination ; 13oden- und Grundwas­ser anierung

Sondicrun gs- und Erkundung kostcn :

Bodcn- und Grllndw~­

ser. anierung

Installation von Gas ensoren und N01-Aus-Sehalter: persOn liehc Schulzau rUstung vor den Raurnliehkeiten berei thaltcn: Betriebstagebueh iiber Ammon iakanlage flihren: Alannp lan und betricblieher Gcfahrcnabwchrplan erstel len Einbau von wirkungs ollen Fi ltern; konlinu ier liche Reinigung der Fi ller: Fiihrllng ci nes Betrieb tagebuches: (konlinuicr lichc) Me. sungcn der Ab luft tr()me Verwendung IIUS ' ch lieLll ich ba1l3rtzugclasscner Tanks. kcinc Allfstellung der Tanks in OurehfahrtbcreichclI. untcrschicdliche StutzengrOllc und -lilrbc Hir Befullung ele

konl inuicrlichc Abwasserkontrol­len einsch liclllich Lcitilihigkei l. Trlibllng: Au lstcllung cines otfall planc und cines Alanns stems. Rcgclung klarer Vcrantwortl ich­Keiten ; ev\. Vorhalten von Stapel tanks filr NOlnille regehnaLligc Eigcnkonlrolkn lb 00111 chachtes. Ausgcstaltung des Domschachtc. cntsprechend den rcchtlichcn Vorgabcn. Flihrung cines intcrnen Bctricbstagebuchcs. regehniiLlige Konlrolkn des/der Tanks durch Oberwllchungsinstitut ion Flihrung von Betriebstagchnchcrn Ilir~ .. B. Olabsche idereinrichtung. rcgd mllLlige Rcin igllng und Wartung dicser Anlagen: ordungsgcl1l1iLle Lagerllng cnl­sprechcnd den rcchtliehcn org:l­ben

Page 274: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18 Umweltmanagementsysteme in der Milchwirtschaft 269

DaB sich ein Produktrisiko im milchwirtschaftlichen Bereich auch tiber "die Umwelt" einstellen kann, zeigt nachfolgendes Beispiel:

Eine Molkerei stellt bei der Qualitatskontrolle der angelieferten Rohmilch fest, daB diese erhohte PCB-Gehalte aufweist. Nachforschungen bei den milchliefem­den Landwirten bringen zu Tage, daB hier die Ursache fUr die erhohten Gehalte an gesundheitsschadlichem PCB (Polychlorierte Biphenyle) liegt.

Die kontaminierte Rohmilch wurde von solchen Landwirten angeliefert, die Bindegam aus Sisal zur Heuballenbindung verwendeten, welches aus dem karibi­schen Raum tiber Frankreich nach Deutschland gelangte.

In Frankreich wurde der Naturstoff "Sisal" mit AltOl behandelt, damit das Sisal­gam leicht durch die FOhrungsosen des Heubinders laufen sollte.

Das im AltOl befindliche PCB diffundierte tiber das Sisalgam in den Heuballen, von wo es dann tiber den Verdauungstrakt des Milchviehs aufgenommen wurde und sich im Fettgewebe und in der Milch ansammelte.

Die bei der Molkerei angelieferte Milch muBte entsorgt werden. Dieses Beispiel zeigt, daB ein (Umwelt-) Gefahrdungspotential der Milch anlie­

femden Landwirte existiert, welches sowohl die Produktqualitat maBgeblich nega­tiv beeintrachtigt als auch ein Umweltproblem (Entsorgung) nach sich ziehen kann.

Aus der Praxis sind ahnlich gelagerte Beispiele bekannt, bei denen die (verunreinigte) Verpackung zu Produktschaden und Umweltschaden fiihrte.

Bekannt sind aus der Vergangenheit ebenfalls faile, bei denen Reinigungsmittel mit in den ProduktinsprozeB gelangten und das Produkt anschlieBend verworfen (kostenaufwendig entsorgt) werden muBte.

18.3 Umweltmanagementsysteme fur die Milchwirtschaft

Es existieren verschiedene Methoden, urn (Umwelt-) Risiken in milchverarbeiten­den Untemehmen zu erkennen, zu analysieren, zu bewerten und schlieBlich MaB­nahmen abzuleiten, damit die umweltrelevanten Defizite reduziert werden.

Auf die verschiedenen Methoden wird nachfolgend kurz eingegangen.

Page 275: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

270 Kapitel2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Ubersicht 3. Umwelt-Risiko-ManagementprozeJ3

Identifikation des Umwelt­

risikos

Umwelt­Risikoanalyse

Umwelt­Risikobewertung

Betriebliche Umwelt­

Risikopolitik

Umwelt­Risiko­

ManagementprozeB

Umweltrisikobewaltigung; Alternativensuche mit Ziel­richtung positiver Veranderung der Umweltrisikosituation • vermeiden • vermindern • iiberwalzen • selbst tragen

Umweltrisiko­kontrolle

Entscheid u ng

Page 276: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18.3.1 Aligemeines

18 Umweltmanagementsysteme in der Milchwirtschaft 271

Die Versicherungswirtschaft hat frlihzeitig Risiken in der milchverarbeitenden Industrie mittels des "Risk-Managementansatzes" angegangen. Zunachst wurde dieser Ansatz liberwiegend fUr das sogenannte "Feuerrisiko" angewandt. Bedingt durch die sich verschiirfende Umweltgesetzgebung und der einhergehenden stren­geren Haftungsnorm wurde das methodische Vorgehen des Risk-Managements auch auf die umweltgefahrdenden betrieblichen Risiken ausgedehnt.

Obersicht 3 zeigt dies abstrahiert in einer standardisierten Form fUr den um­weltbezogenen Risk-Management ProzeB.

Bei den einzelnen Schritten werden diverse Techniken, wie etwa Fragebogen, direkte Befragungen von "Zeitzeugen", Sichtung von Archivunterlagen etc. ge­nutzt, urn Informationen zu erhalten und zu werten.

Die Umweltrisikoanalyse, als Kemstlick dieses Prozesses, kann aufgrund ihrer versicherungswirtschaftlich ausgerichteten Zielsetzung (Reduktion des Haftpflicht­versicherungsrisikos) das Instrument des Umweltmanagementsystems nicht erset­zen, da Umweltrisikoanalysen ihren Blick (lediglich) auf Umweltaspekte mit der Folge von "Drittschaden" (Haftpflichtschaden) lenken.

Somit kann diese Betrachtungsweise fUr umfassende Umweltaudits nur einen Mosaikstein liefem, neben der Vielzahl bekannter und notwendiger Teile.

Das in der Obersicht 4 (s. S. 272) abgebildete Beispiel verdeutlicht den Um­welt-Risiko-ManagementprozeB mit dem zentralen Kemstlick der Umwelt-Risiko­analyse fUr die Mi1chwirtschaft.

Page 277: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

272 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Ubersicht 4. Umwelt-Risiko-ManagementprozeJ3

Phasen Allgemein Beispiel

Umweltrisiko- Wo sind die sensiblen, auslo- Saure-/ Laugelagerung in gemeinsamer Auffangwanne; erkennung send en Umweltrisikofaktoren? Befullstutzen an der Au Ben wand, gleiche StOtzengr6Be,

nicht beschriftet oder farblich gekennzeichnet Lager-raum ist Ober Gully an Oberflachenkanalisation ange-schlossen

WeIche Umweltschaden kOnnen Fehlbefullungen der Lauge-/ Sauretanks mit Tempera-auftreten? turerhOhung, Gasbildung, Oberlaufen der Tanks, Ablauf

Ober Gully in Oberflachenkanalisation, Ablauf in kom-munale Klaranlage oder direkt in Oberflachenwasser, Vernichtung von Gewasserflora und -fauna

Wer oder was kann von den Klaranlagenbetreiber, wegen Einschrankung der Klar-Umweltschaden betroffen sein? leistung

Anglervereine, F ischzucht Umwelt- Mit welcher Wahrscheinlichkeit MittIeres Risiko, Wahrscheinlichkeit gegeben in ca. 8-10 Risiko- kOnnen sich die Umweltrisiken lahren Analyse auswirken? i.e.S.

Welche Konsequenzen ziehen Verm6gensschaden, Sachschaden die moglichen Umweltschaden nach sich? Welche Schadenverhtitungs- keine maBnahmen wurden bislang getroffen? Werden die einschlagigen nein rechtlichen Vorgaben eingehal-ten?

Umwelt- Verbale oder numerische Bewer- ungenOgender Zustand im Bereich der Lagerung von Risiko- tungen der oben ermittelten Saure und Lauge fOr Reinigungszwecke Bewertung Fakten Umwelt- Gibt es Alternativen zu bisheri- la, Verwendung von zwei zulassigen (doppelwandigen) Risiko- gen Verfahren? Tanks und entsprechende Aufstellung, eindeutige Kenn-Bewtiltigung zeichnung der BefOllstutzen, Verschl ieBen des Gullys

(Alternative I) oder einwandige Tanks in jeweils getrennten Raumen, die als Auffangraume ausgebildet sind, ansonsten wie oben (Alternative 2)

Werden bisherige Umweltrisiken nein wirkungsvoll reduziert? WeIche Kosten sind mit der ca. 35.000 OM (Alternative I) Einfuhrung neuer Alternativen ca. 47.000 OM (Alternative 2) verbunden?

Emscheidung Ermittlung, welche Alternative Alternative I den grOBten N utzen stiftet Welches Restrisiko verbleibt? Mutwillige Zerstorung; Tankwagenfehlbefullung

Umwelt- Einfuhrung des Umweltschutz- Fohrung eines Betriebstagebuches fOr TankbefOllungen; Risiko- konzeptes, permanente Kontrolle Abstellung eines Betriebsmitarbeiters fiir Tankbefullun-Kontrolle gen, Aufstellung eines "Gefahrenabwehrplanes"

Page 278: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18 Umweltmanagementsysteme in der Milchwirtschaft 273

18.3.2 Umweltmanagementsysteme im Vergleich

1m Gesprach sind in der Bundesrepublik Deutschland zwei Systeme, die sich dem Umweltschutz verschrieben haben. Es handelt sich dabei urn die DIN EN ISO 14001 und das EG-Oko-Audit Nr.1836/93.

Schon von ihrer Zielsetzung her unterscheiden sich die beiden Umweltmanage­mentsysteme voneinander. Die DIN EN ISO 14001 zielt darauf ab, daB die konti­nuierliche Verbesserung des Umweltmanagementsystems zu einer verringerten Belastung der Umwelt fiihrt ("Systemorientierung"). Die EG Verordnung 1836/93 hingegen baut auf eine unmittelbare, kontinuierliche Verbesserung des betriebli­chen Umweltschutzes, wie eine Reduktion des Abfallaufkommens oder eine Ver­ringerung von Emissionen. Die Zielsetzung der EG-Verordnung ist aufgunddessen weitreichender.

Weitere Unterschiede sind in Kurzform der folgenden Obersicht zu entnehmen.

Ubersicht 5. Unterschiede DIN EN ISO 14001 zu EG-Oko-Audit-VO 1836/93

Unterscheidungs- DIN EN ISO 14001 EG-Oko-Audit 1836/93 merkmaIe

Einsatzbereiche aile Branchen nur die in der va aufgelisteten Bran-

chen nach NACE-Code

UmJanglBezug Untemehmensbezug Standortbezug

Produktbetrachtung Produktbezug Produkte nicht exp1izit einbezogen

Geltung weltweit gtiltig gtiltig in Europaischer Union

Erkliirung interne Dokumentation Umwelterklarung fur die Offentlichkeit

obligatorisch

PruJung Zertifizierung durch Oberprtifung und Validierung durch akkreditierte Gutachter staatlich zugelassenen Umweltgutachter

Die Betriebe der Mi1chverarbeitung geharen den Branchen an, fUr we1che ein EG­Oko-Audit durchgefiihrt werden kann, d.h. welche validiert werden kannen.

Bei den bedeutenderen Untemehmen der Mi1chverarbeitung wird in aller Regel an 3-5 Betrieben an unterschiedlichen Standorten produziert. Bei dem "Bezugs­gegenstand" der beiden Umweltmanagementsysteme mtiBten folglich mehrere EG­Oko-Audits bei Untemehmen durchgefiihrt werden, da sie an mehreren Standorten wirtschaften. Erst dann lieBe sich eine globale Aussage mit beispielsweise Marke­tingaspekten dergestalt treffen, daB das Untemehmen X mit seinen Betriebsstatten in a, b, c und d sich einer Umweltprtifung nach EG-Oko-Audit-VO unterzogen habe und validiert wurde.

Page 279: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

274 Kapitel2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Da die "groBen" milchwirtschaftlichen Untemehmen neb en dem bundesdeut­schen Markt auch den europaischen (EU-)Markt einschlieBlich des osteuropai­schen Marktes bedienen und nur in geringem Umfang den amerikanischen, canadi­schen, nordafrikanischen und arabischen Raum belief em, spricht das Kriterium "Geltungsbereich" nicht fur die DIN EN ISO 14001

Die Frage, ob die Exportausrichtung deutscher Molkereien allerdings aus­schlaggebend dafur ist, daB die Einfuhrung eines Umweltmanagementsystems forciert wird, kann zum gegenwartigen Zeitpunkt nicht abschlieBend beantwortet werden. Eher erscheint der innerdeutsche Markt mit dem dominierenden Handel die treibende Kraft fur die Installierung eines Umweltmanagementsystems zu sein.

Da das "Produkt" bei der DIN EN ISO 14001 in die Umweltbetrachtung ex­plizit mit einbezogen wird, ist dieses System im Vorteil gegenUber dem EG-Oko­Audit.

FUr die Einfiihrung der DIN EN ISO 14001 spricht in diesem Zusammenhang noch, daB zumindest die "groBen" der Branche bereits nach DIN/ISO 9000ff zer­tifiziert wurden und Erfahrungen mit der Art und Weise der grundsatzlichen Vor­gehensweise vertraut sind.

Bei vorsichtiger Abwagung ausgewahlter Unterscheidungsmerkmale ergibt sich, daB ein Umweltmanagementsystem nach der DIN EN ISO 14001 moglicherweise groBere Vorteile fur milchverarbeitende Untemehmen bringen kann als das EG­Oko-Audit.

18.3.3 Sichtweise der Praxis

Zahlreiche Gesprache mit Verantwortungstragem in milchverarbeitenden Unter­nehmem zeigten eindeutig die Tendenz, daB diese Untemehmen zunachst die DIN ISO 9000ff, welche in aller Regel relativ "frisch" eingefuhrt wurde, "Ieben" mochten.

Viele Untemehmen verhalten sich auch aus wirtschaftlichen GrUnden abwar­tend. Kosten fur die Durchfuhrung und Implementierung von Umweltmanagement­systemen in der GroBenordnung von ca. 50.000,00 DM - 75.000,00 DM werden bislang noch gescheut zu investieren, weil der wirtschaftliche Nutzen als zu gering eingestuft wird und (noch) kein Marktdruck hin zu solchen Systemen, zu erkennen ist. Hinzu kommt, daB sich die milchverarbeitende Branche in einem Strukturpro­zeB befindet und den Bereich "Umwelt" als Nebenschauplatz sieht.

Eine vorsichtige Offuung signalisieren die divers en milchwirtschaftlichen Ver­bande.

GrundzUge von Umweltmanagementsystemen werden in HandbUchem den zu­gehorigen Molkereien vorgestellt (z. B. "Umweltmanagement-Handbuch" der Milchwirtschaftlichen Vereinigung Niedersachsen).

Page 280: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

18 Umweltmanagementsysteme in der Milchwirtschaft 275

Der wtirttembergische Regionalverband laBt im Rahmen eines Forschungsauf­trages, gemeinsam mit dem zusUindigen Ministerium in Baden-Wiirttemberg das Thema bearbeiten.

Der Mi1chindustrie-Verband e.V., als einer der meinungsfuhrenden Verbande der Mi1chwirtschaft, hat Ende 1995 einen Leitfaden "Umweltmanagement" vorge­legt, bei dem nach eigenem Bekunden bevorzugt Wert auf die Darlegung unter­nehmensrelevanter Umweltaspekte gelegt wurde, ohne eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001 anzustreben. Hier spiegelt sieh die Meinung der Verbands­mitglieder wieder, die sich dem Thema "Umweltmanagement" nieht verschlieBen und zunachst Strukturen schaffen mochten, die spater die Grundlage fur die DIN EN ISO 14001 sein konnen. Ob der sich anschlieBende Schritt, Durchfuhrung des EG-Oko-Audits 1836/93, folgt, wird davon abhangig gemacht, ob der Wettbewerb dies fordert.

18.4 Vorteile von Umweltmanagmentsystemen fur die Milchwirtschaft

Die in der Offentlichkeit immer wieder genannten Vorteile von Umweltmanage­mentsystemen sind vielschichtig. Eine Unterscheidung in "harte Fakten" und "weiche Fakten" scheint hier angebracht, da die betriebswirtschaftlich orientierten Mi1chwirtschaftler zunachst die "harten" und damit (leichter) quantifizierbaren Fakten als Entscheidungshilfen fur die Durchfuhrung und Implementierung von Umweltmanagementsystemen heranziehen.

Beispielhaft hierflir sei die vielfach zitierte Reduzierung der Umwelthaftpflicht­versicherungspramie genannt. Bei groBeren Untemehmen der Branche mag diese (je nach Anzahl und Zustand der umweltrelevanten Anlagen) bei ca. 30.000,00 OM - 55.000,00 OM liegen. Die Durchfuhrung eines EG-Oko-Audits oder eines Systems auf der Basis der DIN EN ISO 14001 ware mit Erstel\ungsko­sten in der GroBenordnung von etwa 50.000,00 OM - 75.000,00 OM verbunden.

Von verschiedenen Haftpflichtversicherungen ist zu horen, daB die Vorlage von entsprechenden ZertifikateniBeriehten (und nach entsprechenden versicherungsin­temen Dberpriifungen) eine Pramienreduktion von 15 % - 25 % zur Foige haben kann. Dies wiirde bedeuten, daB die Aufwendungen fur die Umwelthaftpflichtver­sicherung konkret urn ca. 4.500,00 OM - 15.000,00 OM zuriickgenommen werden konnten.

Stellvertretend fur die "weichen Fakten", die bei der Diskussion des "FUr und Wider" von Umweltmanagementsystemen in der Mi1chwirtschaft diese mitbeein-

Page 281: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

276 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

flussen konnen, wird die Verminderung der haftungs- und strafrechtlichen Verant­wortung des Managements genannt.

Zumindest bei Branchen mit einem starkeren Umweltbezug war dieser Aspekt mit ausschlaggebend fur die Einfuhrung solcher Systeme.

Je nach Ausrichtung, Lage, Produktpalette, Kundenklientel oder Verhaltnis zu Behorden der milchverarbeitenden Untemehrnen konnen andere Argumente, wie z. B. Imagezugewinn, Wettbewerbsvorteile, Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen bedeutsam sein.

Bislang hat sich die Milchwirtschaft nur vereinzelt der Herausforderung "Umweltmanagementsystem" gestellt. Es scheint moglich, daB sich diese Branche mittelfristig und in groBerer Zahl den sich vemutlich entwickelnden Markterfor­demissen aktiv stellen muB.

Nach vorsichtiger Einschatzung werden dabei dem Umweltmanagementsystem nach der DIN EN ISO 14001 untemehmensseitig, nicht zuletzt aufgrund der ge­sammelten Erfahrungen mit der DIN EN ISO 9000ff, bessere Chancen eingeraumt als dem EG-Oko-Audit 1836/93.

Zum Autor

Dr. Peter Fleck, J g. 1954, studierte Agrar­wissenschaften, Fachrichtung "Umwelt­sicherung und Entwicklung landlicher Raume" an der Justus-Liebig-Universitat GieBen. 1m AnschluB an das Studium war er wissen­schaftlicher Mitarbeiter am Zentrum fur re­gionale Entwicklungsforschung der Justus­Liebig-Universitat GieBen. Danach war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur landwirtschaftliche Betriebslehre, Abteilung Regional- und Umweltpolitik (1982-1986) . Wahrend dieser Zeit promovierte er tiber ein Thema der Raumnutzungsbewertung. 1m Oktober 1986 wechselte Dr. Fleck zu der R + V Versicherung, Haftpflichtabteilung. Hier

war er im landwirtschaftlichen GroBschadenbereich tatig, bevor er 1990 das Refe­rat Risikoberatung der Haftpflichtabteilung grtindete. Bis 1995 war er hier Refe­ratsleiter. 1m Jahre 1996 wechselte Dr. Fleck in das R + V eigene Tochterunter­nehmen UMB GmbH als Bereichsleiter.

Page 282: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

19 Umweltcontrolling in einem Unternehmen der Milchwirtschaft. Erfahrungen und Einschatzungen zum Aufbau eines Umweltmanagementsystems

Jens Glaser und Joachim Nibbe

19.1 Ausgangsfrage

"Wozu Umweltcontrolling in der Milchwirtschaft? Verkorpert nicht gerade die Milch den Inbegriff eines Produktes, dessen narurliche Herkunft auJ3er Zweifel steht? Oder wird hier etwa unter dem Deckmantel eines versUirkten Umweltbe­wuBtseins neuer Begriff eingefuhrt, der lediglich der Imagepflege dient?"

Diese und ahnliche Fragen sind haufig zu horen, wenn es urn die Einfuhrung ei­nes Umweltcontrolling in die betriebliche Praxis geht. 1m folgenden wird diese Fragestellung aufgegriffen und am Beispiel eines diesbeztiglichen Praxisprojektes aus dem Bereich der Milchwirtschaft dargestellt. Es soli also ein Uberblick tiber die Moglichkeiten, Ansatzpunkte aber auch tiber die Grenzen und Problemberei­che gegeben werden, die sich im Zusammenhang mit dem Aufbau eines betriebli­chen Umweltmanagementsystems ergeben.

19.2 Das Unternehmen

Bei dem hier vorgestellten Betrieb handelt es sich urn ein Untemehmen der Milchwirtschaft, das mit weit mehr als 1.000 Mitarbeitem zu einem der groBten und umsatzstarksten Betrieben seiner Art in der Bundesrepublik zahlt. Das Unter­nehmen ist genossenschaftlich organisiert und befindet sich mit seinen Standorten in einem Gebiet, das von einer landwirtschaftlichen Grundstruktur gepragt ist. An diesen Standorten wird im wesentlichen der Rohstoff Milch zu verschiedenen

Page 283: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

278 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Produkten im Bereich der Nahrungs- und GenuBmittel weiterverarbeitet (Kase, Joghurt, Speiseeis, Trinkrnilch, Trockenmilch, Butter, Sahne etc.).

Seit ungefahr 2 Jahren befaBt sich das Untemehmen verstiirkt mit konzeptionel­len Fragen des betrieblichen Umweltschutzes. Unter Inanspruchnahme von For­derhilfen fUr eine exteme Beratung wurde ein "Umweltmanagement-Projekt" durchgeflihrt. Begriffe wie "Umweltmanagement" oder "Umweltcontrolling" waren bisher im Betriebsalltag kaum gelaufig und stieBen bei vielen Mitarbeitem zunachst auf Skepsis.

Die Untemehmensflihrung bewertet daher die Aktivitaten im Rahmen des "Umweltmanagement-Projekt" als einen schrittweisen Einstieg zur umweltorien­tierten Untemehmensfiihrung. Die Aktivitaten beziehen sich deshalb auf eine Er­fassung der betriebsspezifischen Umweltsituation am Hauptproduktionsstandort sowie eine Dokumentation der umweltrechtlichen Ausgangslage, die als Grundlage flir den Aufbau eines zentralen Umweltmanagementsystems dient. Eine Validie­rung der Standorte gemiiB der EMAS-Verordnung ist derzeit nicht geplant, wird jedoch flir die Zukunft nicht ausgeschlossen. Erfahrungen gibt es bereits im Auf­bau und Umgang mit einem Qualitatsmanagementsystem, da das Untemehmen sich einer Zertifizierung nach der ISO 9.000er Reihe unterzogen hat.

19.3 Die umweltrelevante Verantwortung der Milchwirtschaft gegenuberderLandwirtschaft

Die auf die Milchproduktion spezialisierte Landwirtschaft ist ohne Molkereien als gemeinsame Vermarktungsmoglichkeit undenkbar. Dies schlagt sich auch in den Eigentumsverhaltnissen der meisten Molkereien in Deutschland nieder: sie haben in aller Regel die Rechtsform einer Genossenschaft und befmden sich im Eigentum der milchliefemden Landwirte. Das genossenschaftliche Prinzip zeigt sich insbe­sondere in der fast vollstandigen Auszahlung der Gewinne (in Form des Milchgel­des), die durch die Vermarktung der Milchprodukte entstehen.

Die Umweltbetroffenheit ist insofem gegeben, als sich das Untemehmen als Produzent von in der Offentlichkeit sehr sensibel beobachteten "Naturprodukten" versteht und daher im besonderen MaBe auf eine saubere und intakte Umwelt angewiesen ist. Gerade hier ist der zentrale Ankniipfungspunkt flir das Aufgreifen und die Umsetzung einer aktiven betrieblichen Umweltpolitik zu sehen. Eine Fiille von Negativ-Beispielen ("Tschemobyl-Milch", Nitrate, Intensiv-Landwirtschaft, aber auch BSE oder Hormonskandale) zeigt sehr deutlich, wie notwendig es ist, daB die Vermarktung der Milch und seiner Produkte auf der Grundlage eine vor­sorgenden Umweltschutzmanagement langfristig sichergestellt wird. Dariiber hin­aus zeichnen sich die oben aufgefiihrten Beispiele durch eine sehr hohe emotionale Auspragung aus. Ein - wenn auch begrenzter - Schutz ist gegeben durch

Page 284: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

19 Umweltcontolling in einem Untemehmen der Milchwirtschaft 279

einen nachweisbar systematisch praktizierten Umweltschutz, wie ihn das Um­weltcontrolling bieten kann. Durch den Offentlichkeitswirksamen Nachweis, daB sich das Untemehmen, einer freiwilligen Selbstkontrolle unterzieht - also die Be­teiligung am Oko-Audit-System der EO - konnte hier noch zusatzliches Vertrauen geschaffen werden.

Traditionell konzentrieren sich die Umweltschutzbemtihungen der Molkereien auf die Bereiche der Milchproduktion und der Milchverarbeitung:

Milchproduktion Molkereien nehmen schon immer sehr genaue Qualitatskontrollen (Fett, Eiwei13, Keimzahlen, Hemmstoffe, sonstige chemische Verunreinigungen) an der angelie­ferten Milch vor. 1m Faile von Qualitatsproblemen werden sog. Erzeugerberater entsandt (die aufgrund ihres Auftrages in der Landwirtschaft nicht immer gem gesehen werden).

Die Molkereien verfiigen somit bereits tiber ein Instrument, das mit geringem Mehraufwand ihrer Umweltverantwortung bei der Rohstoftbeschaffung gerecht werden kann und dadurch zudem eine erhebliche Aufwertung erfahren kann. Ent­sprechend geschulte Milcherzeugerberater konnen den Landwirten objektive Hil­festellungen geben, wenn etwa urn Fragen des umweltbewu13ten Dtingemittelein­satzes oder der optimal en (= Ziel erreicht mit minimalem Reinigungsmitteleinsatz) Reinigung ihrer Melkanlagen geht. Die Erfahrungen zeigen deutlich, daB ein sol­chermaBen vorsorgender Umweltschutz keine Frage der Technik, sondem viel­mehr ein "Mangel" an entsprechenden Informationen ist. Eine umweltbewuBte Erzeugerberatung kann zwar auch Kosteneinsparpotentiale beim Landwirten auf­decken. In erster Linie jedoch ist sie eine Hilfestellung, urn den Landwirten den Absatz sicherzustellen und ggf. eine hohere Wettbewerbsposition zu ermoglichen.

Die Tatsache, daB das Untemehmen genossenschaftlich organisiert ist, die Landwirte somit als Untemehmenseigentiimer eingebunden sind, erweist sich im tibrigen als gtinstige Voraussetzung, urn die Zielgruppe der landwirtschaftlichen Betriebe in der Region zu erreichen und tiber die Moglichkeit der Mitgliederver­sammlung und sonstigen Informationsveranstaltungen zu sensibilisieren. Die ein­gangs beschriebenen okologischen Krisen verdeutlichen, daB es urn einen sensi­bien Produktbereich geht und die Verkauflichkeit in hohen MaBe von der Umwelt­vertraglichkeit auf allen Stufen der Leistungserstellung bestimmt wird. In dies em Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daB die okologisch erweiterte Erzeugerbe­ratung einen gewissen UmdenkungsprozeB bei den Landwirten einleiten kann. Da dieses nicht immer auf Akzeptanz st013t, beginnt das Beratungskonzept stufenweise und ist vor allem auf langfristige Mitarbeit angelegt. Zur Sicherung der Lebens­grundlage "Landwirtschaft" ist jedoch eine solche "umweltbewuBte" Perspektive notwendig.

MiIchverarbeitung Die Umweltschutzaktivitaten in Molkereien sind traditionell gepragt von Bestre­bungen zur Energieeinsparung. 1m Zuge der Milchbehandlung stellte vor allem die

Page 285: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

280 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Rtickgewinnung von bzw. Kalte, den bisherigen Schwerpunkt dieser Aktivitaten dar.

Dartiber hinaus existieren noch eine ganze Reihe weiterer Optimierungsmog­lichkeiten, die primar einen entlastenden Beitrag zum betrieblichen Umweltschutz (auch unter umweltrechtlichen Gesichtspunkten) lief em und dabei zusatzlich ko­stendampfend wirken konnen. Zu nennen sind MaBnahmen im Bereich der Redu­zierung des Verpackungsaufkommen, der umweltorientierten Transportlogistik, der Wasser- und (trotz schon groBer Erfolge!) der Energiebewirtschaftung, der Erhohung des Abfallverwertungsanteils sowie der umweltorientierten Substitution im Reinigungs- und Desinfizierungsmitteleinsatz.

SchlieBlich ist die Einbeziehung der Mitarbeiter weit mehr als nur eine Wort­htilse (so wurde etwa dem Fuhrparkleiter des hier beschriebenen Untemehmens der Milchwirtschaft die Verlangerung der Olwechselintervalle bei den Milchsam­melfahrzeugen eigenverantwortlich anvertraut). Eine gezielte Form der umweltbe­zogenen Mitintegration gibt den Umweltmanagementbemtihungen eine vollig neue Qualitat und nutzt die tiberall vorhandenen Potentiale bei jedem einzelnen Mitar­be iter.

19.4 Umweltcontrolling: Planung und Steuerung der betrieblichen Umweltschutzaktivitaten

Bei den betrieblichen Planungs- und Entscheidungsprozessen mtissen heute immer dringender Umweltschutzaspekte berticksichtigt werden. Dies gilt in besonderem MaBe fur ein Untemehmen der Milchwirtschaft, das in vielerlei Hinsicht der Auf­bau eines effizienten Umweltmanagementsystems von Bedeutung ist. Zu nennen sind in dies em Zusammenhang Aspekte wie Reduzierung der Abwasserbelastun­gen, Erhohung des Abfallverwertungsanteils, Intensivierung der umweltorientier­ten Erzeugerberatung. Bevor jedoch eine umweltorientierte Untemehmenskonzep­tion erstellt werden kann, muB ein geeignetes Instrument zur Verfugung stehen, mit des sen Hilfe der "okologische Ist-Zustand" des Untemehmens aufgenommen und analysiert werden kann. Dartiber hinaus muB dieses Instrument dazu in der Lage sein, die innerbetrieblichen Informationen so zu verdichten und aufzuberei­ten, daB von der Untemehmensfuhrung auf dieser Basis kurzfristig umweltrelevan­te Entscheidungen getroffen werden konnen.

Eine solche Moglichkeit steIlt das Umweltcontrollingsystem dar, das im Zuge des Beratungsprojektes in dem Untemehmen der Milchwirtschaft eingefuhrt wird.

Page 286: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

19 Umweltcontolling in einem Untemehmen der Mi1chwirtschaft 281

Das innerbetriebliche Umweltcontrolling soli dem Untemehmen in den folgen­den Bereichen Unterstiitzung geben:

• Gewinnung eines Oberblickes tiber die okologische Situation des Betriebsge­schehens (okologische Standortbestimmung zum Zeitpunkt der Bestandsauf­nahmen).

• Transparente Darstellung der Zusammenhange zwischen Umweltaspekten und Kosten bzw. Kosteneinspareffekten.

• Weiterentwicklung der innerbetrieblichen Organisationstrukturen im Hinblick auf eine situationsgerechte Reaktionsweise gegentiber den gestiegenen Anfor­derungen auf dem Gebiet des betrieblichen Umweltschutzes (Gewahrleistung einer rechtssicheren und vorbeugenden Organisation des Umweltschutzes).

Etablierung eines betrieblichen Umweltinformationssystem, auf dessen Grund-lage umweltbewuBte Managemententscheidungen getroffen werden konnen (Die Zielsetzung insgesamt besteht darin, eine kontinuierliche Verbesserung der be­trieblichen Umweltschutzleistungen zu erreichen und dies moglichst effizient).

19.5 Die Organisation des betrieblichen Umweltschutzes

Die zentrale Koordinationsfunktion im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes wird von der "Abteilung fur Umweltschutz" wahrgenommen. Die Entscheidung der Geschaftsleitung, ihre Umweltschutzaktivitaten in Richtung eines systemati­schen Umweltmanagements auszuweiten und dies mit der Etablierung des "Umweltmanagement-Projekt" innerbetriebliche zu dokumentieren, wurde in we­sentlichen Punkten von der Umweltschutzabteilung initiiert und inhaltlich konkre­tisiert.

Die "Abteilung fur Umweltschutz" ist als Stabsabteilung in die Gesamtorgani­sation des Untemehmens eingebunden und untersteht daher direkt der Geschafts­leitung, aus dessen Mitte eine Person als direkter Verantwortlicher fur die Belange des Umweltschutzes benannt worden ist. Dies ist insofem von Bedeutung, da im Untemehmen Anlagen betrieben werden, die nach dem Bundesimmissionsschutz­gesetz (BImSchG) genehmigungsbedtirftig sind und die Untemehmensfiihrung da­her - nach § 52a BImSchG - bestimmte Mitteilungspflichten zur Betriebsorganisa­tion zu beachten hat.

Personell ist die Abteilung mit drei Mitarbeitem besetzt, die nicht nur die Ko­ordination der Umweltschutzaktivitaten tibemehmen, sondem auch fur die Berei­che Arbeitssicherheit und Brandschutz zustandig sind. Die Aufgaben des Betriebs­beauftragten fur Immissionsschutz werden zusatzlich von einem Mitarbeiter wahr­genommen, der als Abteilungsleiter im Produktionsbereich tatig ist. Ein Ge­wasserschutz- und Abfallbeauftragter ist im Untemehmen nicht gesondert benannt.

Page 287: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

282 Kapitei 2: Fallbeispieie und Piiotprojekte

Da hierfUr auch kein zwingender Grund vorliegt (die gesetzlichen Voraussetzun­gen treffen nicht), wird im vorliegenden Fall die Losung favorisiert, die innerbe­trieblichen Koordinations- und Oberwachungsaufgaben den Mitarbeitern der Um­weltabteilung zu libertragen. Ober die Koordination der UmweltschutzaktivitiHen am Hauptproduktionsstandort hinaus nirnmt die Umweltabteilung eine Art Service­funktion fur die anderen Betriebsstandorte wahr.

Der Bereich Produktqualitat ist organisatorisch von der Umweltschutzbereich getrennt. Die zur Qualitatssicherung notwendigen Tatigkeiten werden von einer eigenstandigen Qualitatssicherungsabteilung koordiniert.

Die "Abteilung fUr Umweltschutz" fungiert aber auch als Ansprechpartner in Bezug auf die extern ausgerichteten Angelegenheiten des betrieblichen Umwelt­schutzes. Neben der Ansprechpartnerfunktion fur Lieferanten, Kunden und Ver­braucher ist hier vor allem der Kontakt zu den Umweltbehorden zu nennen. Seit Ende seit Ende 1994 werden externe Kontakte gepflegt, die im Zusamrnenhang mit einer moglichen Beteiligung des Unternehmens am EMAS-System stehen, wie z. B. die regelmiillige Beteiligung einen "Erfahrungsaustausch-Umweltmanage­ment", der von der zustandigen Industrie- und Handelskamrner (IHK) organisiert. Darliber hinaus ist die "Abteilung fur Umweltschutz" - in Form einer aktiven Mit­arbeit - in einem firmenlibergreifenden und branchenbezogenen "Umweltarbeits­kreis der Milchwirtschaft" eingebunden. Zusamrnen mit ihren externen Unterneh­mensberatern wurden hier beispielsweise das "Umweltmanagement-Projekt" vor­gestellt oder die Fragen der okologischen Bewertung von betrieblichen Aktivitaten im Rahmen eines Umweltcontrolling diskutiert.

19.6 Zielformulierung fUr die betrieblichen Umweltschutzaktivitaten

Nachdem im Rahmen des "Umweltmanagement-Projektes" die ersten Ergebnisse der Erfassung der umweltbezogenen 1st-Situation vorlagen, wurde mit der Fixie­rung bzw. Dberarbeitung der umweltpolitischen Umternehmensziele begonnen. Zunachst gestaltete sich dieser ZielformulierungsprozeB etwas schwerfallig. Die Ursache hierfur lag aber nicht an der mangelnden Bereitschaft der beteiligten Mit­arbeiter, Ziele zu formulieren, sondern es fehlte ihnen an Know-how, wie betriebs­spezifische und gleichzeitig umweltrelevante Informationen, die auf allen Ebenen existieren, erfaBt, zuordnet und entsprechend zu UmweltIeitIinien verdichtet wer­den konnen. Hier spielte die moderierende und fachlich-inhaltIiche Unterstlitzung durch die externen Umweltmanagementberater eine wichtige Rolle, urn die an­fangliche Zurlickhaltung aufzubrechen. Bei der Zielformulierung selbst wurde allerdings groBer Wert darauf gelegt, daB die Basis fur die moglichen Umweltziele - also die betriebsspezifischen Umweltsituation - von den Mitarbeitem des Unter-

Page 288: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

19 Umwe1tcontolling in einem Untemehmen der Milchwirtschaft 283

nehmens selbst erfaBt, abgewogen und ausgewlihlt wurde. Die extemen Berater standen allerdings hier mit methodischen Hinweisen sowie okologischen Bewer­tungskriterien zur Verfiigung.

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse erfolgte nun die konkrete Ausgestaltung der Umweltleitlinien in Form einer schriftlichen Ausformulierung, die von den Beratem vorgelegt und in gemeinsamen Sitzungen mit der "Arbeitsgruppe Um­weltmanagement" konstruktiv-kritisch diskutiert wurde. Ais Problem des vorgeleg­ten Rohentwurfs stellte sich heraus, daB der betriebsspezifische Wiedererken­nungswert in bezug auf die Umweltziele noch zu gering ausfiel. Die Anregungen wurden aufgenommen und an den entsprechenden Stellen wurde der Entwurf re­vidiert.

Die so erarbeiteten Leitlinien wurden nun in einer groBeren Runde vorgestellt, in der neben den Vertretem der Geschliftsleitung und der Arbeitnehmerschaft auch slimtliche Abteilungsleiter und deren Stellvertreter versammelt waren.

Die Informationsveranstaltung iibemahm im Rahmen des umweltpolitischen Zielformulierungsprozesses die wichtige Funktion der thematischen Sensibilisie­rung, aber auch der Problemerkennung. So wurden die vorgestellten Leitlinien zurn Umweltschutz von fast allen Teilnehmem als ein sehr positiver Beitrag fUr mehr Umweltschutz am Arbeitsplatz begriiBt. 1m Verlauf der Veranstaltung wurde aber auch ein Problemkreis offenbar, der bisher unzullinglich beachtet wurde: die Schwierigkeit einer abteilungsUbergreifenden Information und Kommunikation in Fragen des betrieblichen Umweltschutzes. Der Umstand, daB ein ausgesprochenes AbteilungsbewuBtsein vorherrschte, fiihrte insofem zu Problemen, als die umwelt­politischen Ziele und deren Inhalte bisher in den Abteilungen nicht im betrieb­lichen Gesamtzusammenhang thematisiert wurden. Es stellte sich heraus, daB es auf der einen Seite erhebliche Informationsdefizite in bezug auf die Erfolge und Moglichkeiten von UmweltschutzmaBnahmen gab. Auf der anderen Seite wurden Uberschneidungen bei den abteilungsbezogenen Umweltschutzaufgaben und -tli­tigkeiten festgestellt, die in der Konsequenz zu Doppelarbeiten und entsprechen­den Kostenbelastungen fiihrten. Ein weiterer Aspekt, der fUr die spatere Umset­zung der Zielvorgaben von Bedeutung ist, war die Feststellung, daB normativ be­griindete Handlungen bei den jUngeren Mitarbeitem eine groBere Rolle spielen als bei den alteren. Dies zeigte sich deutlich in der Aufgeschlossenheit gegeniiber dem kiinftigen betrieblichen Umweltkonzept, welches sich aus der konsequenten An­wendung der vorgestellten Zielvorgaben ergibt.

19.7 Konsequenzen fur eine okologische Unternehmenspolitik

Der oben aufgezeigten ZielformulierungsprozeB lliBt einige RUckschliisse zu, die Konsequenzen fUr die weitere Ausgestaltung der betrieblichen Umweltpolitik

Page 289: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

284 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

haben. Eine dieser Konsequenzen ist die veranderte Schwerpunktsetzung in bezug auf die Herangehensweise beim Autbau bzw. Ausbau des Umweltmangement­systems. So wird der Behebung von umweltschutzbezogenen Informations- bzw. Kommunikationsdefiziten in den einzelnen Abteilungen ein besonders hoher Stel­h:nwert eingeraumt. Dies bedeutet, daB beispielsweise im Zuge von Schulungsak­tionen auf die gemeinsame Vermittlung von umweltbezogenen Know-how geach­tet wird. Fachwissen und soziale Kompetenz im Umgang mit umweltrelevanten Fragestellungen aus dem Betriebsalltag werden teambezogen vermittelt. Das viel­fach festzustellende Problem, daB bei der bisherigen Umsetzung des betrieblichen Umweltschutzes im Urlaubs- oder Krankheitsfall an Know-how fehlte, soll beho­ben werden. Die Kompetenzvermittlung wird daher weniger personenbezogen sein, sondern stellenbezogen oder funktionsbezogen erfolgen. In ahnlicher Weise verhalt es sich mit Kommunikation: Das Managementsystem wird in Zukunft Strukturen beinhalten, die auf eine angemessene, klare, aber gezielte Kommunika­tion im betrieblichen Umweltschutz groBen Wert legen.

Ein weiterer Gesichtspunkt, der - aufgrund einer sofortigen Anpassung der kon­zeptionellen Vorgehensweise - zu direkten Konsequenzen in der Ausgestaltung der okologischen Unternehmenspolitik fuhrt, ist die Erkenntnis, daB es sehr wichtig ist, auch SofortmaBnahmen zu beschlieBen. Diese MaBnahmen helfen den Mitarbei­tern, schnell zu erkennen, daB etwas geschieht und daB sich etwas veriindert. In der bisherigen Beratungskonzeption zum betrieblichen Umweltschutz wurde eine solche 'psychologische' Komponente nur ungenUgend berUcksichtigt. Sie ist je­doch fur die praktische Umsetzung von erheblicher Bedeutung, weil so (fiiihe) Frustrationen verhindert werden konnen und der VeranderungsprozeB sich auf diese Weise bereits kurzfristig auf den betrieblichen Alltag auswirkt.

Am Beispiel des hier vorgestellten umweltpolitischen ZielformulierungsprozeB, der hier als Ausschnitt reprasentativ fur den Gesamtkomplex der betrieblichen Umweltschutzplanung steht, wird deutlich, daB ein gezielte Verbesserung von in­nerbetrieblichen Kommunikations- und Informationsdefiziten ein vielversprechen­der Ansatzpunkt fur eine erfolgreiche okologische Unternehmenspolitik ist. Dabei sollte auch vor der kritischen OberprUfung und Anpassung der ursprUnglichen Umsetzungskonzeption nicht halt gemacht werden. Entscheidend ist es jedoch, daB die Ziele in erster Linie die konkrete Unternehmenskultur widerspiegeln und von den Akteuren des betrieblichen Umweltschutzes, also den Mitarbeitern, getragen werden.

Page 290: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

19 Umweltcontolling in einem Unternehmen der Milchwirtschaft 285

19.8 Umweltmanagement als Instrument zur unternehmerischen Zukunftssicherung? Ein Ausblick aus der Perspektive eines Unternehmens der Milchwirtschaft

Eine konsequente Ausrichtung der untemehmensintemen Entscheidungs- und Informationsstrukturen auf die umweltpolitischen Anforderungen - so die in der aktuellen Umweltmanagementdiskusion imrner wieder vorgebrachte These - tragt entscheidend dazu bei, daB die Zukunfts- und Wettbewerbsfahigkeit der Unter­nehmen gesichert bzw. gesteigert wird. Mit dem hier aufgezeigten Beispiel der EinfUhrung eines Umwelt-Controllingsystems in einem Untemehmen der Milch­wirtschaft wurde aufgezeigt, daB es fUr eine Forcierung der betrieblichen Umwelt­aktivitaten durchaus praktikable Ansatzpunkte gibt. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, daB der UmsetzungsprozeB mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbun­den ist.

Mit der EG-Oko-Audit-Verordnung wurde ein neues umweltpolitisches Instru­ment etabliert, das Anreize zur EinfUhrung von betrieblichen Umweltrnanagement­systemen schaff en soli. Derzeit beginnt die EG-Kommission sich damit zu be­schaftigen, die bisher gemachten Audit-Erfahrungen zu iiberpriifen urn konkrete Ansatzpunkte fUr eine vielerseits geforderter Novellierung der EMAS-Verordnung zu erhalten. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise zu fordem, daB die Mog­lichkeiten einer Beteiligung am Oko-Audit-System der EU in Zukunft erweitert werden. Aus der Sicht eines Lebensmittelproduzenten sollte insbesondere der Ein­bezug von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben in das Offentlichkeitswirksame Umweltmanagementsystem gef6rdert werden.

Vor all em aufgrund der Tatsache, daB die landwirtschaftlichen Erzeuger zu den wichtigsten "Vorlieferanten" nicht nur Milchwirtschaft in besonderen sondem auch der Nahrungs- und GenuBmittelbranche im allgemeinen gehoren, erscheint eine derartige Erweiterung des Systems allein schon vom Selbstverstandnis und der inneren Logik der EMAS-Verordnung fUr geboten. Von entscheidender Bedeu­tung fUr einen praktikablen und glaubwiirdigen Umweltschutz ist allerdings, daB Umweltmanagement von allen Beteiligten nicht als eine bloBe biirokratische Dokumentation von UmweltschutzmaBnahmen miBverstanden wird, sondem als Chance zum Aufbau eines flexiblen Managementinstrumentariums - im Sinne einer umweltgerechteren zunkunftsgerichteten BetriebsfUhrung.

Page 291: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

286 Kapitel 2: Fallbeispiele und Pilotprojekte

Zu den Autoren

Jens Glaser, Jg. 1960, Dipl.-Okonom, Studium der Wirtschaftswissenschaften (Schwerpunkt: Umwelttikonomie), Freier Mitarbeiter bei dem Projekt "Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf die raumliche Energieversorgung in der BRD" und der Erstellung des "Seminar­leitfadens fur die Energie- und Wasserwirt­schaft" bei der AGEP, Oldenburg; Lehr­tatigkeiten in den Gebieten betrieblicher Umweltschutz; Volkswirtschaftslehre, Energie­wirtschaft und EDV; Selbststandiger Berater im Bereich Umweltmanagement in Oldenburg.

Joachim Nibbe, Jg. 1953, Dipl.-Volkswirt und zugelassener Umweltgutachter. Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre (Schwer­pUnkt: Umwelttikonomie), Energieberatungl Energiemanagement; Wissenschaftlicher Mit­arbeiter eines Pilot-/Demonstrationsvorhabens zur passiven Solarenergienutzung; Projektleiter bei B.A.U.M., Hamburg im Bereich Um­weltmanagement, betriebliche okologische Schwachstellenanalysen und Umweltcontrol­ling; derzeit tatig als selbstandiger Berater und zugelassener Umweltgutachter in Hamburg, Lehr- und Ausbildungstatigkeiten auf den Ge­bieten Energietechnische Beratung, Umwelt­okonomie, Oko-Audit.

Page 292: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Kapitel3

Oko-Audit im Gartenbau

Wie wirkt das ako-Audit im Gartenbau, respektive in Baumschulen?

mit Beitriigen von

Peter Menzel aka-Audit und Gartenbau

Dannchadh Mac Carthaigh aka-Audit - ein Zeichenfiir neues Denken

Detlev Reymann Umwelt- und Finanzcantralling als betriebswirtschaJtliche Daueraufgabe in Gartenbau und LandwirtschaJt

Inga Rahm Elektranische Quartierbuchfohrung in der Baumschule

Helmut Riiskamp aka-Audit in einer Baumschule

Page 293: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

20 Oko-Audit und Gartenbau

Peter Menzel

Zum Thema "Agrar-Oko-Audit" wurden die Grundziige des nachfolgenden Tex­tes als gartenbaulichfachliches Einfiihrungsreferat bei der Veranstaltung in Hamm im Februar 1996 vorgetragen. Sie sind hier urn einige EntwicklungeniEnt­scheidungen ergiinzt, die sich bis zur Erstellung des Manuskriptes ergaben.

Die Ertirterung des Themas "Oko-Audit und Gartenbau" wird auch grund­satzlich mit von der Art, der Vielfalt und der Struktur der Gartenbaubetriebe be­dingt. Der deutsche Gartenbau ist im Zentralverband Gartenbau e.V. als Dachver­band zusammengeschlossen, dessen Mitglieder sind die regionalen Gartenbauver­bande und die Gartenbaufachverbande auf Bundesebene. Diesen beiden Gruppie­rungen wiederum gehtiren die Gartenbaubetriebe als Mitglieder an.

Zum Gartenbau gehtiren Produktions-, Handels- und Dienstleistungssparten. Dies sind im besonderen der Zierpflanzenbau, die Staudengaftnerei, der Obstbau, der Gemtisebau einschlieBlich Pilzanbau, die Baumschulen, die Pflanzenziichtung und der Samenbau sowie die Garten- und Landschaftsplanung, der Garten-, Land­schafts- und Sportplatzbau, die Friedhofsgartnerei, die Einzelhandelsgartnereien, die Floristen, der Samenfachhandel und die Gartencenter. Zusammen sind es etwa 65.000 Familienbetriebe, die Gartenbau als Haupterwerbszweig betreiben und eine groBe Zahl von Nebenerwerbsbetrieben, insbesondere im Bereich Gemtisebau und Obstbau. 1m Gartenbau sind mehr als 400.000 Menschen beschaftigt. Das Umsatz­volumen dieser Betriebe addiert sich zu einer Summe von tiber DM 20 Mrd/Jahr. Der Gartenbau ist ein Sektor mit Zukunft - das meint auch der Nachwuchs, da der Gartenbau tiber die Halfte aller im Agrarbereich Auszubildenden aufweist (1995 waren es 16.000 und noch 8.000 Auszubildende im Floristenberuf sind dazuzu­zahlen). Der Gartenbau ist auBerdem zu etwa der Halfte aller Betriebe im taglichen Gesprach mit seinen Kunden, da viele der Betriebe direkt an Endverbraucher ver­kaufen und dabei intensiv zu Garten / Pflanze / Umwelt beraten, andererseits aber auch der taglichen "Kontrolle" der Kunden unterliegen.

Page 294: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

290 Kapitel 3: Oko-Audit im Gartenbau

20.1 Umweltqualifikation fUr Gartenbaubetriebe

Der Gartenbau hat schon immer die Umwelt als schtitzenswertes Gut erkannt und dementsprechend gehandelt, da die narurlichen Ressourcen die Lebens- und Exi­stenzgrundlage von Gartenbaubetrieben sind. Der Gartenbau hat als erster Berufs­stand in der Bundesrepublik Deutschland seinen Beitrag zum EG-Umweltjahr 1987/88 durch eine Betriebs-Checkliste "Umwelt" geleistet, die den Betrieben Hilfestellung zur Oberprtifung umweltrelevanter Betriebsbereiche bot und gleich­zeitig beispielhafi deutlich machte, daB der Betrieb, die darin arbeitenden Men­schen, die Erzeugnisse und Dienstleistungen und der Kunden- und Tatigkeitsbe­reich des Betriebes als Gesamtheit zu betrachten sind.

lnnerhalb des Gartenbaues gibt es eine Reihe von Qualitatszeichen, die nach entsprechenden Kontrollen verliehen werden und zwar fur Einzelhandelsgartner, Friedhofsgartner, Staudengartner, Markenbaumschulen und Gartenbaumschulen. Dies sind Betriebsprtifungen mit Qualitatskontrollen der Bestande und des Be­triebsablaufes und der Prtifung einiger Umweltaspekte. 1m Baumschulbereich ist auch ein "Oko-Check" entwickelt worden, urn dem Betrieb die Bereiche aufzuzei­gen, in den en er dringend etwas tun muB sowie die Bereiche deutlich zu machen, bei denen er etwas tun sollte und die Bereiche deutlich zu machen, bei denen er im Sinne der (Umwelt)Entwicklung auf dem Laufenden ist.

20.2 Kontrollierter Iintegrierter Anbau

Der Gartenbau hat in den Bereichen Gemtisebau und Obstbau als erster Erzeu­gungsbereich in der Agrarwirtschafi den Kontrollierten/lntegrierten Anbau fla­chendeckend in der Bundesrepublik Deutschland eingefuhrt. Diese Selbstver­pflichtung der Betriebe geht weit tiber die OrdnungsmaBigkeit, d.h. die gesetz­lich/rechtiiche Vorgabe hinaus und enthalt erhebliche Anteile dessen, was man im Sinne der heutigen Entwicklung als Umweltmanagement im Betrieb bezeichnen wtirde.

Der Gartenbau sieht in dieser Form der Selbstverpflichtung und der Kontrolle zur Oberprtifung der Einhaltung dieser Selbstverpflichtungen einen pragmatischen und erfolgreichen Ansatz, Anforderungen von innen und von au13en im Betrieb miteinander zu verbinden und sinnvoll - fur den Betrieb und die Umwelt - we iter zu entwickeln und in der Betriebsfuhrung verbindlich zu verankem.

Page 295: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

20 Oko-Audit und Gartenbau 291

20.3 Qualitatsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ft.

Diese branchenneutralen Normen zur Qualitatssicherung mit moglichen indirekten Umweltaspekten fUr den Betrieb werden im Gartenbau fUr die Betriebe eine Rolle spielen, die durch ihre Abnehmer oder aus betriebsintemen Grunden ein solches Qualitatsmanagement zur Forderung der betrieblichen Entwicklung und zur Erhal­tung alter bzw. den Erwerb neuer Absatzmarkte benotigen.

20.4 UmweltprOfung nach DIN EN ISO 14001

Die branchenneutrale Norm zur BetriebsprUfung im Umweltmanagement und dessen kontinuierlicher Verbesserung ermoglichen nach dem heutigen Stand der Kenntnis dieser Norm eine relativ objektive Bewertung, unterliegen aber dem betriebseigenen und den EinflUssen Dritter, d.h. interessierter Gruppen. Eine Ver­bindung von Qualitatsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff. mit einer Umwelt­prUfung nach DIN EN ISO 14001 bietet moglicherweise vemUnftige pragmatische Ansatze fUr eine Kontrolle I OberprUfung I Zertifizierung I Auditierung von Um­weltaspekten im Betriebs- und Qualitatsmanagement. Wichtig zu wissen dabei ist, daB DIN EN ISO 14001 im Verhaltnis zu Oko-Audit nicht standort-, sondem un­temehmensbezogen ist, daB Produktbezug besteht, Zertifizierungen weltweite Geltung besitzen und statt der zwingend vorgeschriebenen Umwelterklarung ge­genUber der Offentlichkeit eine Zertifizierung bei intemer Dokumentation durch akkreditierte Gutachter erfolgt.

20.5 DGQ-5chrift 100-21

In diesem Modell fUr die Darlegung von Umweltleistungen I Umweltverhalten eines Betriebes/einer Organisation in Anlehnung an die Grundstrukturen des EG­Oko-Audits liegen brauchbare Strukturen, die aber einer speziellen Gartenbauan­passung bedUrften. Diese Anwendungsbereiche I Normen I Begriffe I Nachweis­anforderungen an ein Umweltmanagement im Betrieb sind fUr eine Strukturierung und einheitliche Handhabung nUtzlich.

Page 296: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

292 Kapitel3: Oko-Audit im Gartenbau

20.6 Oko-Audit

Die EG-Verordnung regelt ein Gemeinsehaftssystem zur Auditierung auf ErfUllung betriebseigener Umweltziele und deren regelmiiBiger Weiterentwieklung fur ge­werbliehe Untemehmen. Die Landwirtsehaft, und damit der Gartenbau, sind nieht einbezogen und eine "Kleine Anfrage" im Bundestag wurde von der Bundesregie­rung im Juli 1996 beantwortet und maehte deutlieh: "daB die Bundesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf darin sieht, die Landwirtsehaft in die EG-Verord­nung zum Oko-Audit einzubeziehen. Sie wiirde erst eine Einbeziehung prUfen, wenn die Landwirtsehaft selbst solehe Forderungen stellen wUrde. Sie sieht die Einbeziehung landwirtsehaftlieher Untemehmen im Wege einer Reehtsverordnung naeh § 3 des Umweltauditgesetzes zwar als grundsiitzlieh mOglieh, naeh den in der Antwort der Bundesregierung aufgezeigten HintergrUnden derzeit aber nieht als angezeigt an. Insofem sei aueh keine Ungleiehbehandlung der landwirtsehaftliehen Betriebe festzustellen, wenn diese nieht in die Oko-Audit-Verordnung einbezogen seien. Erforderlieh sind aueh ausreiehende praktisehe Erfahrungen mit dem Um­weltmanagementsystem naeh EG-VO 1836/93 in der Landwirtsehaft, bevor tiber eine Einbeziehung entsehieden werden kOnnte. Es ist beabsiehtigt, ein Pilotprojekt der Deutsehen Landwirtsehaftsgesellsehaft e.V. zur Anwendung des Systemes in Sehweinemastbetrieben zu fcirdem, urn abzukHlren, ob "die Einriehtung eines Umweltmanagementsystemes und die Abfassung einer UmwelterkHirung in Sehweinemastbetrieben mOglieh und sinnvoll ist."

20.7 EG-BioVO 2092/91

Diese einheitliehe Rahmenregelung fur Erzeugung, Etikettierung und Kontrolle zum Schutz des Okologisehen Landbaues und zur stiirkeren Transparenz aller Er­zeugungs- und Verarbeitungssehritte gegentiber dem Verbraueher regeJt fur Be­triebe, die sieh diesen Erzeugungs- und Kulturverfahren zuordnen die V orgaben und Kontrollen dieses Bereiehes.

Page 297: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

20 Oko-Audit und Gartenbau 293

20.8 Fachgesetze und dazugehorende Verordnungen und Verwaltungsvorschriften

Jedem Gartenbaubetrieb ist ordnungsgemaBes Handeln nach guter fachlicher Pra­xis auf der Grundlage der Fachgesetze und der dazugehorenden Verordnungen und Verwaltungsvorschrifien vorgegeben. Dazu kommen betriebsspezifische Weiter­entwicklungen insbesondere im Umweltbereich. Interessant ist dabei, daB viele friiher als "kulturtechnisch relevant" bezeichneten Regelwerke heute dem Umwelt­bereich ganz oder teilweise zugeordnet werden. Beispiele dafur sind die Bereiche Dtingung, Wasser, Ptlanzenschutz. Festzuhalten ist hier, daB der Kontrollierte / In­tegrierte Anbau durch Selbstverptlichtung und gemeinsame Richtlinien zur Kon­trolle tiber die Anforderungen der OrdnungsmaBigkeit hinausgeht und nicht wie mancherorts behauptet wird, ihm gleich ist. Z.Z. entwickelt sich im Zierptlanzen­bau eine ahnliche Selbstverptlichtungsvariante, die dann unter dem Begriff "Kon­trollierter umweltschonender Zierptlanzenbau" ab 1997/98 in den Betrieben einge­fuhrt und umgesetzt werden solI.

20.9 Oko-Audit fur den Gartenbau?

Gartenbaubetriebe sind Familienbetriebe mit gut ausgebildeten und hochmotivier­ten Fachkrafien. Ftir Familienbetriebe, bei denen im Durchschnitt der Betriebe 1,5 Familienangehorige als Leitung und Mitarbeiter im Betrieb tatig sind verbieten sich gesonderte Managementsysteme, die auBerhalb der tiblichen praktisch ge­handhabten Betriebsfiihrungen stehen. Ein "Umweltmanagementsystem" fur Gar­tenbaubetriebe muB also integraler Bestandteil der normal en Betriebsfuhrung sein und durch geringe Erganzungen / Veranderungen / veranderte Autbereitungen die Umweltanforderungen im Betrieb und von auBen abdecken. Gleichzeitig muB dieses Verbundsystem auch in der Lage sein, aile damit verbundenen V orgaben, Dokumentationsptlichten usw. mit zu erfullen. Zur Diskussion bzw. zur DberprU­fung, welches System geeignet ist oder wie bestehende Systeme entsprechend ver­andert werden konnen, muB zusatzlich berticksichtigt werden:

• In den vielfaltig strukturierten Gartenbaubetrieben sind sachlich klar definierte Bereiche zu erfassen und zwar entsprechend den Erfordemissen folgend und nicht dem Wunsche "alles zu wissen".

• Entscheidend ist die Auswirkung des eigenen Tuns. Betriebsleiter werden als Person in der Betriebsfuhrung immer Mischentscheidungen fallen - anderer­seits aber auch die Moglichkeit haben, durch vorbildliches Verhalten als Per-

Page 298: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

294 Kapitel 3: Oko-Audit im Gartenbau

son den Gesamtbetrieb entsprechend zu pragen - auch ohne daB dies als Um­weltmanagementsystem erfaBt, dokumentiert, gepriift und publiziert wird.

• Gartenbaubetriebe sind durch Umweltregelungen ansich in der Erstellung be­triebseigener Umweltziele und in deren Erfullung oft stark eingeschrankt. Ihre Tatigkeitsbereiche, z. B. die Produktionsflachen unterliegen zusatzlichen Ein­fltissen und Regelungen Dritter, wie dies fur tibliche Gewerbebetriebe und In­dustrieuntemehmen nicht der Fall ist (z. B. im Gartenbau betreten der Arbeits­bereiche, z. B. Befahren des Ackers, wahrend eine Werkstatt bei jedem Wetter zur Arbeitsausfiihrung zuganglich ist).

• Die technologische Entwicklung in Gartenbaubetrieben geht immer so weit wie der i.d.R. als Marktanpasser - zwangsweise - agierende Gartenbau dies leisten kann. Die technisch logische Entwicklung ist aber auch ganz besonders ab­hangig von narurlichen Ablaufen, denn der Gartenbau erzeugt Pflanzen, die sich nur bedingt und in geringen Grenzen in ihren Lebensablaufen steuem las­sen.

• Der Gartenbau verfugt tiber hohes weitverbreitetes Kannen und tiber vielseitige Erfahrungen im Umgang mit den Elementen der Natur, nattirlichen Ressourcen und Lebensablaufen. Er lebt davon, diese zu kennen und seine Erzeugung und Dienstleistung danach ausgerichtet auszufuhren. In vielfaltiger Weise kann also der Gartenbau gar nicht in dem Umfang gegen nattirliche Ablaufe arbeiten, wie dies fur andere Bereiche des menschlichen Lebens bzw. menschlicher Tatigkeit - zumindest theoretisch - maglich ist.

• Die gute fachliche Praxis ist im Gartenbau die Umsetzung der regelmaBig ge­wonnenen, verbesserten und weiterentwickelten Erfahrungen unter Nutzung des technologischen Fortschrittes auf der Grundlage der rechtlichen Vorgaben, d.h. der OrdnungsmaBigkeit. Diese gute fachliche Praxis wird also immer mehr sein als die OrdnungsmaBigkeit, wird sich aber je nach betrieblicher Konstella­tion unterschiedlich entwickeln. Dadurch werden auch betriebliche Umweltzie­Ie sehr unterschiedlich ausfallen - unabhangig davon, ob und wieviele Betriebe und in welchem Umfang sich an einem solchen System beteiligen. Umwelter­klarungen und der Wert einer Umweltpriifung in einem solchen System hatten also nur relative Aussagekraft und waren im Grunde nicht vergleichbar. Dies macht deutlich, daB das EG-Oko-Audit-System als Prtifungsinstrument der OrdnungsmaBigkeit unbrauchbar ist, obwohl von Politikem und Beharden dies behauptet / angestrebt wird. (Die OrdnungsmaBigkeit wird automatisch als ge­geben vorausgesetzt und es wird nur das geprtift, was als betriebsspezifisches Ziel Vorgabe der Priifung / Auditierung ist.) Es gilt dies all denen deutlich zu machen, die dies nicht wissen oder nicht wissen wollen.

• Ftir gartenbauliche Erzeugung, Handel und Dienstleistungen gelten eine Ftille von umweltrechtlichen Regelungen, die in anderen Wirtschaftsbereichen nicht bestehen, so z. B. zu Pflanzenschutz, Dtingung, Artenschutz. Die Ftihrung eines normal en Gartenbaubetriebes enthalt also schon wesentliche "Umweltmanage­mentsystemelemente", ohne daB ein solches express is verbis installiert, doku­mentiert, tiberpriift und ausgewiesen wird.

Page 299: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

20 Oko-Audit und Gartenbau 295

• Der Gartenbau als Teil der Landwirtschaft, ist wie diese insgesamt in erhebli­chern MaBe gesellschaftlichen Vorstellungen und Forderungen ausgesetzt, die in gesellschaftlichen Entwicklungen, ideologischen Stromungen und oft auch historisch-romantischen Sehnstichten entspringen. Die Schwierigkeiten entste­hen meist dort, wo narurliche Ablaufe und narurliche Zusammenhange sich we­der den Vorstellungen noch den auf diesen beruhenden Rechtsvorgaben und Verwaltungsvorschriften rugen. Oft sind auch juristische und verwaltungs­technische Vorgaben in umweltrechtlichen Regelungen - bedauerlicherweise -darur maBgebend, daB Bereiche mitgeregelt werden, die eigentlich keiner Re­gelung bedtirfen, wenn mehr Sachkenntnis bei denen vorhanden ware, die diese Regelungen machen, zumindest aber bei denen, die sie regelmiiBig kontrollie­ren sollen. Ein Beispiel darur ist der Artenschutz, wo gartnerisch vermehrte Sorten, die es in der Natur gar nicht gibt, in groBem Umfang artenschutzrecht­lichen Regelungen, einschlieBlich Papiererfordemissen, unterliegen. Die Arten­schutzverwaltungsarbeit gilt so zu tiber 3/4 nur solchem Pflanzenmaterial und nicht dem Ziel des Gesetzes, namlich der Kontrolle und Handhabung von Wildentnahmen.

• Problematisch ist auch die immer noch verbreitete "Sucht", Teilbereiche / Teil­aspekte zu optimieren, obwohl dies im gesamtbetrieblichen Zusammenhang nie zu einer Optimierung des Betriebsablaufes ruhren wird, weil man leicht den vorrangig notwendigen Blick rur das Ganze verliert.

• Uber die Vorbildfunktion des Betriebsleiters und der leitenden Mitarbeiter ist eine erhebliche Effizienzsteigerung aller Beteiligten im Betrieb und damit des Betriebes an sich in seinem Umweltverhalten nach innen und auBen zu errei­chen. 1m taglichen Dialog mit den Kunden sind bei der Halfte aller Betriebe automatisch taglich ganze Gruppen von "Auditoren" im Betrieb, die sehr wohl sehen, was der Betrieb macht und durch ihr Kauferverhalten dem Betrieb un­mittelbar und entscheidender beeinflussen, als Auditierung und Publikation der Ergebnisse - die ja nicht in der Produktwerbung verwendet werden dUrfen!

• Selbstverstandlich ist, daB klare Vorgaben als Grundlage rur gemeinsames Grundverstandnis im Umweltverhalten im Betrieb, in seinem Umfeld und bei seinen Kaufem ein wichtiges Element einer zukunftsfahigen Betriebsentwick­lung sind.

• Die vielfaltig variierenden Strukturen von Gartenbaubetrieben lassen einzelbe­triebsbezogene Analysen und Zielsetzungen zu, entziehen sich aber einer Grup­pen- oder Gesamtauswertung zur Uberprufung gesetzlicher Normenvorgaben, d.h. sind darur nicht geeignet - entgegen vielfaltiger Zweckbehauptungen aus unterschiedlichen gartenbaufremden Interessenslagen.

Wir leben im Zeitalter der Information / Kommunikation, besitzen aber i.d.R. aile immer weniger spezielles Fachwissen und die Fahigkeit und den Mut, eigene Bewertungen durchzuruhren und die uns zuflieBenden Informationen entsprechend zu werten und einzuordnen. In unserer Zeit IaBt man andere "bewerten", be halt aber die eigene Unsicherheit, denn - wer kontrolliert die Kontrolleure - und damit wieder die Bewertung? Oft wird das Ergebnis der Bewertung angezweifelt, weil es

Page 300: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

296 Kapitel3: Oko-Audit im Gartenbau

nicht den eigenen Vorstellungen entspricht und nicht das Ergebnis ist, was man erwartet hat. Dieses Symptom unserer Gesellschaft laBt auch Zweifel an hochge­priesener Wirksamkeit von Umweltmanagementsystemen und deren UberprUfung durch geprufte UberprUfer autkommen.

"Gutes tun und daruber reden". Eine QualifIkation beim betriebsbezogenen "Qualitiitsmerkmal Umweltschutz" ist eine gute Grundlage und liefert Fakten fUr Offentlichkeitsarbeit. Offentlichkeitsarbeit - aber flir wen? Kunden, die tiiglich im Betrieb sind, bedOrfen dieser Information nicht, sie konnen beim Tag der offenen Tilr fragen und sich tiber alles informieren, was im Betrieb geschieht und tiiglich durch Beobachtung ihre Kenntnisse erweitem und ergiinzen tiber den Garten­baubetrieb, zu dem sie gehen, bei dem sie einkaufen und von dem sie sich Leistun­gen ausfiihren lassen. Handelt es sich urn Offentlichkeitsarbeit, mit der der Be­rufsstand seine - durch Dritte bestiitigten - Umweltleistungen der Gesellschaft deutlich machen so lite, damit die Gesellschaft glaubt wie der Berufsstand sich verhiilt? Verhindem solche Aussagen - auch wenn sie durch geprUfte PrUfer bestii­tigt werden - die polemisch / populistischen Aussagen zu Sachverhalten aus politi­schem oder ideologischem Verstiindnis und Bedtirfnis? Ein solches Betriebser­gebnis mag einem Einkiiufer helfen, seine eigene nicht ausreichende Kenntnis oder UberprUfungsmoglichkeit des Lieferbetriebes durch ein von Dritten gepruftes Zer­tifIkat auszugleichen. 1m Handel untereinander ist bei Fachleuten schnell klar, von wem man geme wieder einkauft und bei wem man nie wieder einkauft.

20.10 Angestrebte Entwicklung zur Umweltqualifikation im Gartenbau

Der Zentralverband Gartenbau e.V. ist GrUndungsmitglied der AGRIZERT GmbH, urn im Gartenbau Qualitiitsmanagementsysteme nach DIN EN ISO 9000 ff. nachdrucklich einfiihren und entsprechend dem Bedtirfnis der Betriebe nutzen zu konnen. Dieser Rahmen wird nach heutiger Erkenntnis in Verbindung mit Um­weltmanagementaspekten nach DIN EN ISO 14001 eine gute Voraussetzung dar­stellen, die Handhabung von Umweltmanagementerfordemissen im Familienbe­trieb - integriert in die Geschiiftsflihmng tiblicher Art - sinnvoll und effektiv zu bewiiltigen. Anlaufstelle flir interessierte Betriebe ist dann AGRIZERT. Dabei erfolgt die Umwelthandbucherstellung der Gartenbaubetriebe als Eigenleistung un­ter Nutzung aller Hilfen Dritter, z. B. Beratungsinstitutionen und Gartenbauver­biinde in Verbindung mit Spezialisten. Die Validierung / Auditierung erfolgt dann mit Hilfe eines Auditorenpools tiber AGRIZERT. Von AGRIZERT folgt dann auch die ZertifIzierung / das ZertifIkat.

Vorgabe flir diese Umsetzung bzw. diesen Verfahrens- und Entwicklungsweg ist ein pragmatisches System

Page 301: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

20 Oko-Audit und Gartenbau 297

• Zusammenfassung der vielteiligen Anforderungen mit jeweils eigenen Garten­baudefinitionen von Priiftatbestanden der jeweils individuellen Umwelt­politiken der Betriebe

• Weiterentwicklung des gartenbaulichen Selbstverstandnisses • Entwicklung eines Rahmens fUr die Formulierung betriebsspezifischer Um­

weltziele mit sachlichen und zeitlichen Vorgaben zur Erfolgskontrolle • Entwicklung eines branchen- und spartenspezifischen Umweltpriifverfahrens

fUr Gartenbaubetriebe unter weitgehender Nutzung vorhandener angepaBter Betriebsdatenerfassung

• Erarbeitung von Orientierungs- und Optimierungsdaten in Verbindung mit oko­nomisch I okologisch relevanten Kennzahlen als Grundlage fUr untemehmeri­sche Entscheidungen der Betriebsfiihrung

• Entwicklung eines branchen-/spartenspezifischen Dokumentationsverfahrens fUr Gartenbaubetriebe unter weitgehender Nutzung vorhandener Betriebsdaten­erfassung zur Erfiillung von Dokumentations-, Auswertungs- und Bilanzie­rungsvorgaben (z. B. im Rahmen der Diingeverordnung)

Mit der Einfiihrung von Umweltmanagementelementen in die BetriebsfUhrung und deren Handhabung und Auswertung bzw. Nutzung zur ErfUllung betriebsin­temer und -extemer Anforderungen ist es nicht getan. Betriebe benotigen auBer ihren ortlichen und betriebsspezifischen Vorgaben fUr die Entwicklung auch all­gemeine Kenntnisse der gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwick­lung und der daraus resultierenden Vorgaben I Konsequenzen fUr die einzelbe­triebliche Zukunft.

Der Gartenbau hat dazu unterstiitzende Hilfe fUr die ihm angeschlossenen Ver­bande und deren Mitglieder, d.h. die Gartenbaubetriebe, geschaffen und wird diese weiter entwickeln, fortschreiben, erganzen und je nach Erfordemis erarbeiten:

• Fertigstellung der "Umwelthandreichung fUr Ausbilder im Gartenbau" (Informations- und Aufgabenblatter fUr Ausbilder, Lehrer und Auszubildende), August 1996

• "Gartner beraten zu Pflanze, Garten, Umwelt" (Unterlagen fUr gartnerische Umweltberatung im Kundengesprach), 2. iiberarbeitete und erganzte Auflage August 1996

• Betriebs-Checkliste "Umwelt" (Langfassung), Erstauflage 1989; 2. erweiterte und erganzte Auflage 1991; 3. iiberarbeitete und erganzte Auflage in Vorberei­tung fUr Ende 1997, da eine Reihe wichtiger Gesetze erst im Laufe des Jahres 1997 in Neufassung vorliegen, so z. B. Pflanzenschutz, Natur- und Arten­schutz, Bodenschutz, Diingung, EU-Artenschutz, EU-Pflanzenschutz, Sekun­darrohstoffe und Kompost)

• "Umweltleitlinien des Zentralverbandes Gartenbau e.V.", Oktober 1995, die in den Folgejahren in den Gartenbausparten umgesetzt werden sollen mit Grundaussagen des Gartenbaues zum Umweltschutz und einer Darstellung der yom Gartenbau als richtig erkannten angestrebten Entwicklung

Page 302: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

298 Kapitel3: Oko-Audit im Gartenbau

Die Umweltleitlinien enthalten Elemente einer Umweltleistungsbilanz des Gar­tenbaues, der gartenbaulichen Grundeinstellung wie auch der angestrebten Entwicklung in den folgenden Bereichen

• Gartenbau als Teil der Gesellschaft • Erhalt von Kulturlandschaft • Garten und Gartenkultur • Untemehmensfiihrung • Aus- und Weiterbildung • Gartenbau- und Umweltrecht • Schutz des Bodens • Schutz des Wassers • Schutz der Luft • Pflanzenschutz • Diingung • Artenschutz • Energienutzung • Pflanzenziichtung, Biotechnologie, Gentechnik • Produktionsverfahren • Abf!1lle - Vermeidung, Verwertung und Entsorgung • Gartner und Kunde

20.11 Zusammenfassung

Die Pflicht zur Einhaltung von Umweltvorschriften besteht ungeachtet der DIN EN ISO-Normen und des Umweltmanagement- und Umweltauditsystems fur aile Gartenbaubetriebe und wird im Gartenbau auch so verstanden.

Die mogliche Einbeziehung des Gartenbaues in die EG-Oko-Audit-Verordnung bedarf einer sehr eingehenden Priifung zusarnmen mit der Gesamtlandwirtschaft, zu der der Gartenbau gehort, ob dieses System, auBer zur Abdeckung einzelbe­trieblicher Erfordemisse gegenuber Abnehmem, generell zur Weiterentwicklung in den Betrieben gemessen an deren Familienbetriebsstruktur geeignet ist. (Aile Gar­tenbaubetriebe sind nach EU-Definition Kleinstbetriebe.)

Abgelehnt, weil dafur nicht geeignet, wird das Oko-Audit-System als Kon­troll instrument zur Uberpriifung der OrdnungsmaBigkeit von Betrieben und der z. B. in dieser Funktion immer wieder postulierten Nutzung als Voraussetzung in Antragsverfahren unterschiedlichster Art. Gartenbaubetriebe sind zu komplex fur das System - das System birgt zu grofie Gefahren, es zu burokratisch und theore­tisch zu handhaben. In dieser Grundeinstellung sind sich Zentralverband Garten­bau e.V. (ZVG) und Deutscher Bauemverband e.V. (DBV) einig. Zur Kleinen An­frage von BUNDNIS 90/DIE GRUNEN stellte der DBV fest, daB "die EU-Ver-

Page 303: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

20 Oko-Audit und Gartenbau 299

ordnung zurecht auf gewerbliche Untemehmen des Bergbaues, der Gewinnung von Steinen und Erden, das verarbeitende Gewerbe und die Energie- und Abfallwirt­schaft beschriinkt worden sei. Der Bundesregierung lag keine Forderung zur Teil­nahme der Landwirtschaft an diesem Oko-Audit-System vor - und dies werde auch iIi Zukunft so bleiben. Die Landwirtschaft in Deutschland erflillt bereits sehr stren­ge Umweltanforderungen. In Umweltmanagementfragen nehme sie im intematio­nalen Vergleich eine Spitzenposition ein." (DBV-Information, 11,5.9.1996)

Notwendig ist eine Handhabung der Umwelterfordemisse in der normalen Be­triebsflihrung des Familienbetriebes Gartenbau als integraler Teil desselben und ohne zusatzliche bzw. gesonderte Sofiware/Datenerfassungsablaufe. Dabei ist eine Reduzierung aller Aufwendungen finanzieller und arbeitstechnischer Art erforder­lich, die mit dem Oko-Audit-System oder anderen bestehenden Systemen als gesonderte Auflage und Vorgabe verbunden sind oder von vie len aus eigenem Erwerbsinteresse verbunden werden.

Die Veranstaltung zum Agrar-Oko-Audit am 21.2.1996 in HammlWestf. ergab in der Zusammenfassung von Prof. Bauer, daB eine "Umweltpriifung im landwirt­schaftlichen Bereich" einer gesonderten Art bedarf, die an die Betriebsstruktur und an die betrieblichen Besonderheiten angepaBt sein muB. Es ist kein allgemeiner Standard durchfiihrbar und sie muB stark betriebsspezifisch ausgerichtet sein und grundsatzlich als freiwilliges Instrument auf Betriebsziele und Betriebsbelange zugeschnitten erhalten bleiben. Ein Oko-Audit sei kein Instrument flir die Image­verbesserung einer Branche.

1m landwirtschaftlichen und damit auch im gartenbaulichen Bereich bedarf es sehr spezifischer U:isungen, die deutlich die Umweltabhangigkeit der Betriebe und ihres Tuns beriicksichtigen, sowohl hinsichtlich ihrer eigenen positiven und/oder auch negativen Umweltwirkung wie auch der nachhaltigen umfangreichen Einwir­kung Dritter. Gleichfalls seien die Betriebsstrukturen anders als in der Industrie und die Arbeitsablaufe nicht kontinuierlich, sondem stark saisonal gepragt. Auch seien Aufgaben, Kompetenzen und Zustandigkeiten anders als in Industriebetrie­ben geregelt, so daB erhebliche Teile des EG-Oko-Audits irrelevant seien. Die insbesondere mit diesen Bereichen verbundenen zusatzlichen Kosten und Arbeits­aufwendungen waren unangemessene Erschwemisse.

Sowohl beim Qualimtsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff. wie auch bei der Einbeziehung von Umweltmanagementaspekten nach DIN EN ISO 14001 und erst recht bei - eventueller - Anlehnung an die EG-Oko-Audit-Verordnung gilt es, den Betrieb, seine Existenzsicherung und Zukunftssicherung in erster Linie zu sehen und diese Anforderungen I Instrumente diesem Ziel zu- und unterzuordnen. Denn wenn der Betrieb morgen nicht mehr besteht, brauchen wir all diese Instrumente nicht mehr und konnen heute schon darauf verzichten.

Page 304: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

300 Kapitel 3: Oko-Audit im Gartenbau

Zum Autor

Peter Menzel, Jg. 1936, Oiplomgartner, hat nach Abitur, Gartnerlehre und Gartenbaustu­dium an der TH Hannover ab 1962 in ver­schiedenen Positionen beim Zentralverband Gartenbau e.V. (ZVG) in Bonn gearbeitet. So war er u.a. verantwortlich fur Gartenschauen, Friedhofsgartenbau und Oauergrabpflege. Oa­rtiber hinaus war er fur die EG und den Inter­nationalen Gartenbauverband tatig. Seit tiber 20 Jahren ist er steHvertretender Generalsekre­tar des ZVG und erarbeitet Grundsatzfragen. Zudem ist er seit der Grtindung 1983 Umwelt­referent dieses Verbandes. Er hat zahlreiche Fachbticher verfaBt und tibersetzt und ist als Mitarbeiter bei Fachzeitschriften und Rund­funk tatig.

Page 305: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

21 Oko-Audit - ein Zeichen fUr neues Denken

Donnchadh Mac Cfu1haigh

HENNE schreibt 1775 in seinem Buch liber die "Anlage einer Baumschule im GroBen", daB Baume und Straucher nicht zu stark gedUngt werden sollen, da der Kunde dadurch betrogen wlirde. Die Pflanzen wlirden in der Baumschule zu stark wachsen und spater am Endstandort stocken. Es gab zu dieser Zeit keine Pflanzen­schutzmittel, mineralische Dlinger etc. Da die Pflanzen nicht stark gedUngt wur­den, waren sie auch weniger anfallig fur Krankheiten. DaB die Geholze viel langer in der Baumschule kultiviert werden muBten, war nicht von wirtschaftlichem Be­lang. Seit dieser Zeit hat, vor allem in diesem lahrhundert, eine sehr starke Veran­derung in der Arbeitsweise, der Denkweise und den Arbeitsbedingungen in der Baumschule stattgefunden. Das Haber-Bosch-Verfahren war schon zu Anfang des ersten Weltkrieges in wis­senschaftlichen Kreisen bekannt. Urn autark zu werden, wurden in Deutschland sehr groBe Anlagen zur Herstellung von Stickstoff gebaut. Damit konnte die Er­nahrung der Bevolkerung wahrend des Krieges gewahrleistet werden. Ais der Krieg zu Ende ging, konnten sehr groBe Mengen an Stickstoff produziert werden. Den Bauern wurde beigebracht, mit diesem Dlinger hohere Ertrage zu erzielen. Der zweite Weltkrieg fuhrte zu weiteren Entwicklungen, deren langfristige Folgen gar nicht abzuschatzen sind. Vor dem Krieg suchten z. B. in GroBbritannien Wis­senschaftler nach chemischen Mitteln zur Regulierung des Pflanzenwachstums. Mit dem Beginn des Krieges wurde diese Arbeit geheim, und es wurden eine Rei­he hoch aktiver Stoffe gefunden, die nach dem Krieg in landwirtschaftlichen Kul­turen eingesetzt wurden. Die Kriege waren also der Motor fur die rasante Entwick­lung der mineralischen Dlinger und Pestizide (ROBERTS 1982). In den 50er lah­ren wurden viele Bodenherbizide sowie viele chemische Verbindungen fur den Einsatz gegen Rote Spinne und andere Schadlinge bzw. Krankheitserreger entwik­kelt und als groBe Errungenschaft in der landwirtschaftlichen und gartnerischen Welt aufgenommen. Mit Herbiziden wurden Unkrautjatkolonnen ersetzt, die dann fill die Arbeit in den Fabriken freigesetzt wurden. In den 70er lahren verstarkte sich der EinfluB "der Grlinen", einer neuen politi­schen Generation, die vor all em bei jlingeren Menschen einen Sinneswandel be­wirkte. Die Gesellschaft wurde allmahlich kritischer, man kann sogar sagen liber­sensibilisert: Schutz der Umwelt wurde zu einem wichtigen Thema. Die Erkennt­nis, daB unsere Umwelt durch vielfaltige chemische Verbindungen und durch technischen Fortschritt besonderen Gefahren ausgesetzt wird, wurde durch das

Page 306: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

302 Kapitel 3: Oko-Audit im Gartenbau

Buch "Stummer Frtihling" von Rachel Carson, durch die Katastrophen in Seveso, Bhopal und Tschemobyl entscheidend gepragt. Die Fragen der zunehmenden Ab­fallberge, der vielseitigen Allergienproblematik etc. fUhrten weiterhin zu dieser steten BewuBtseinsveranderung in der Bevolkerung. Diese Veranderung merkt man am besten, wenn man in andere Lander reist. So wirkt z. B. die bis vor weni­gen lahren tibliche Verrnischung von Ktichenresten mit Wertstoffen und Abfall schon bei den meisten Mitteleuropaem mittlerweile befremdend, wenn sie dies in anderen Landem sehen. lede Veranderung bringt bei den meisten Menschen zu­nachst Widerstand, aber man merkt am obigen Beispiel, daB sich die eigenen An­sichten doch mit der Zeit auch andem. Meinungen, gar feste Ansichten, konnen durch einen sehr guten Redner, durch Femsehsendungen oder durch Zeitungsartikel stark beeinfluBt werden. So berichte­te "Die Zeit" gegen Ende 1994 tiber einen bayerischen Bierbrauer. Der Eigentli­mer, Dr. Ehrnsperger aus der Oberpfalz, fUhrte in den 80er lahren in seinem Be­trieb eine Ist-Zustands-Analyse durch. Dabei stellte er fest, wieviel Kraftstoff, Wasser, Energie usw. verbraucht und wieviel Schwefel ausgestoBen wurden. An­schlieBend wurde ein Aktionsplan erstellt, urn Einsparungen in den o.g. Bereichen zu erzielen. Ftir seinen Einsatz hat er viele Ehrungen, darunter auch die bayerische Umweltschutzmedaille erhalten. Zitat Dr. Ehrnsperger "Wer einmal den Okologie­bazillus aufgenommen hat, der bringt ihn nicht wieder los". Dieser Bazillus wird sich auch in gartnerischen Betrieben einnisten und vielleicht werden bald die er­sten Gartner ihre Umweltrnedaillen abholen. lose Lutzenberger, ehemaliger Umweltrninister Brasiliens und Trager des Altema­tiven Nobelpreises (1988) kampft seit vie len lahren fur eine saubere Umwelt. In einem bemerkenswerten Vortrag im Oktober 1996 in Weihenstephan pladierte er fur eine Umkehr bei unseren Kulturpraktiken, ehe es zu spat ist. Er meinte, es bliebe wenig Zeit. Mittel und Methoden mtissen gefunden werden, urn der Land­wirtschaft zu he1fen, "von den Giften und anderen okologisch widersinnigen Prak­tiken abzukommen" Er lehnte "Agrargifte" vollig ab: "Selbst wenn diese Produkte so harrnlos waren, wie destilliertes Wasser und so gesund wie Mutterrnilch flirs Baby, mochte ich sie nicht in der Landwirtschaft sehen". Er ist sicherlich mit sei­nem BewuBtsein viel we iter als es vielleicht in der modemen Welt tiberhaupt rea­listischerweise werden kann. Er empfiehlt das Buch von CHABOUSSOU (1996) zu lesen, der tiber die Beeintrachtigung von Pflanzengesundheit durch die Agrar­chemie berichtet.

Urn der BewuBtseinsveranderung in der BevOlkerung Rechnung zu tragen, hat die EU eine Verordnung tiber die "freiwillige Beteiligung gewerblicher Untemehmen an einem Gemeinschaftssystem fur das Umweltmanagement und die Umweltbe­triebsprtifung" erlassen. Dieser unverstandliche Titel wird auch Oko-Audit ge­nannt, was auch nicht viel verstandlicher ist. Das EU-Label darf nur von zugelas­senen "Umweltgutachtem" erteilt werden, die in der Regel ein Hochschulstudium haben, aber keine Beamte sein dtirfen. Ftir manche in der Bevolkerung ist diese Verordnung, nach "Die Zeit", ein "revolutionarer Eingriff', "ein unheimlicher Sprung", "die umwalzendste Neue-

Page 307: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

21 Oko-Audit - ein Zeichen fur neues Denken 303

rung der letzten zwanzig Jahre", und fur andere Personen (Betriebsinhaber) "die grtine Zeitbombe"? Die Verordnung bezieht sich aber zur Zeit nur auf gewerbliche Betriebe, nicht auf landwirtschaftliche. Unabhiingig yom Oko-Audit sollen sich die Inhaber giirtnerischer Betriebe die Gedanken, die in der Oko-Audit-Philosophie stecken, zu eigen machen. Sie mtis­sen sich den Leitgedanken "Schutz der Umwelt" zu eigen machen. Dies konnen sie auch ohne Oko-Audit tun. Man soli aus eigenem Antrieb den eigenen Betrieb auf seine Umweltschiidlichkeit (Umwelttauglichkeit ?) tiberprtifen. Sollte man dies le­diglich tun, weil vielleicht ktinftig Kredite oder eine Baugenehmigung fur ein Ge­wiichshaus nur bei Vorlage eines EU-Labels gewiihrt wird, dann ist man leider noch nicht in der eigenen Gedankenwelt so weit entwickelt, wie es einerseits der Zeitgeist heute verlangt und andererseits die Umwelt es dringend verdient. Es geht hier nicht urn NUllosungen nach Lutzenberger, sondem urn die Einstellung zum eigenen Handeln im Betrieb. Die ersten Oko-Gutachten wurden schon durchgefuhrt. Dabei sind wertvolle Er­fahrungen gewonnen worden. Deswegen sollen hier einige Anrnerkungen gemacht werden:

1. Eine Diskussion mit allen Mitarbeitem im Betrieb tiber Sinn und Zweck des Oko-Audits ist unbedingt notwendig, urn spiitere MiBverstiindnisse zu vermei­den: Es reicht nicht aus, wenn der Chef dafur ist, die Mitarbeiter aber wenig Verstiindnis bzw. Einsicht aufbringen.

2. Jeder Mitarbeiter im Betrieb muB in den ProzeB einbezogen werden. So muB im Btiro jeder Verstiindnis dafur haben, wenn z. B. in die Mtilleimer und Pa­pierkorbe geschaut wird oder wenn im "Giftraum" (Pflanzenschutzmittelraum) alles in Augenschein genommen wird.

3. Die Befragung der einzelnen Mitarbeiter, z. B. tiber Dtingergaben, Ausbring­methoden von Pflanzenschutzmitteln etc., bedarf eines besonderen Fingerspit­zengefuhls.

4. Auf das Betriebsklima ist zu achten. Nur bei gutem Betriebsklima ist ein Fort­schritt wahrscheinlich.

5. Gewissen betrieblichen Traditionen ist besonders Rechnung zu tragen, da manche Betriebsinhaber den Betrieb als Teil ihrer Personlichkeit sehen.

6. Verbesserungsvorschliige sollen die finanziellen Moglichkeiten des Betriebes berticksichtigen.

Der Berufsverband Bund deutscher Baumschulen hat schon liingst eine Um­weltcheckliste fur seine Mitglieder herausgebracht, und er mochte in einem neuen Anerkennungsverfahren die Gedanken eines Oko-Audits mit berticksichtigen. Dies ist aus der Kenntnis heraus so zu verstehen, daB die Zukunft der pflanzlichen Pro­duktion im wesentiichen durch das Schlagwort "Clean Production" beschrieben wird. 1m gewissen Sinne ist dies vergleichbar mit "Lean Management" von Lopez. Also, eine saubere Kulturweise wird unsere BOden gesund erhalten, unsere Gewiis­ser rein, unsere Luft frei von Fremdstoffen und unsere Umwelt lebenswert. Mehr und mehr Inhaber giirtnerischer Betriebe wenden sich daher dieser Philosophie zu.

Page 308: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

304 Kapitel3 : Oko-Audit im Gartenbau

Literatur

CHABOUSSOU F. (1996): Pflanzengesundheit und ihre Beeintrachtigung durch Agrarchemie, Stiftung Okologie & Landbau, e.F. Miiller Verlag, Heidelberg.

HENNE, D. L. (1976): Anweisung, wie man eine Baumschule von Obstbaumen im GroBen anlegen und gehorig unterhalten solie, J.e. Hendel, Halle.

ROBERTS, H. A. (1982): Weed Control Handbuch : Principles Blackwell Scientific Publica­tions, Oxford.

Zurn Autor

Prof. Dr. Donnchadh Mac Carthaigh, Jg. 1950, wurde in Irland geboren. Nach dern Gartenbaustudiurn an der Universitat in Dublin und Hannover, promovierte er 1980 an der Universitat Hannover. Danach war er tiber drei Jahre bei einer Pflan­zenhandelsorganisation in Irland als Berater beschaftigt und wurde im dritten Jahr Manager dieser Firma. 1984 wurde er wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter fur das Fachgebiet Baum­schule an der Universitat Hannover. 1988 folgte er einem Ruf an die Fachhochschule Weihenstephan als Professor fur Obstbau und Baumschule. Gleichzeitig wurde er Leiter des

Instituts fur Obstbau und Baumschule der Staatlichen Versuchsanstalt fur Garten­bau in Weihenstephan.

Page 309: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

22 Umwelt- und Finanzcontrolling als betriebswirtschaftliche Oaueraufgabe in Gartenbau und Landwirtschaft

Detlev Reymann

22.1 Problemstellung

1m folgenden Beitrag soll die Thematik des Umwelt- und Finanzcontrolling in landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betrieben behandelt werden. Da der Ver­fasser sich im Rahmen seiner bisherigen beruflichen Tlitigkeiten sowohl mit Pro­blemen des Planungsverhaltens in Baumschulbetrieben sowie mit dem Betriebs­vergleich fUr Gartenbaubetriebe beschliftigt hat, als auch Hersteller und Vertreiber von betriebswirtschaftlicher Spezialsoftware fUr Gartenbaubetriebe ist, werden Er­fahrungen aus verschiedenen Bereichen des Controlling mit einflieBen. 1m Mittel­punkt des Beitrages stehen dabei die Fragen, inwieweit aus theoretischer Sicht aufgestellte Forderungen bezUglich des betrieblichen Controlling in der Praxis er­fiillt werden. Besondere Aufmerksamkeit soU weiterhin der Frage gewidmet wer­den, wie sich Aufgaben des Umweltcontrolling in einem Controllingsystem in kleinen Familienbetrieben integrieren lassen.

22.2 Umwelt- und Finanzcontrolling -Abgrenzung und Definitionen

Der Begriff "Controlling" ist in der Vergangenheit so etwas wie ein Modebegriff in der Okonomie geworden. Die wortwortliche Dbersetzung aus dem Englischen gibt mit dem Begriff der Kontrolle nur unzureichend wieder, was bei den meisten Autoren unter Controlling verstanden wird. Der Begriff des Controlling enthlilt weitergehend das Element der Steuerung. In der Regel werden die Aufgabenberei­che Planung, Regelung und KontroUe dem Controlling zugeordnet.

Page 310: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

306 Kapitel3: Oka-Audit im Gartenbau

Tabelle 1. Anlasse zur Datenerfassung in Baumschulen und zugehorige Daten

Anlall Daten

Auftragsbearbeitung Kundendaten, Auftragsdaten,

Zahlungseingange

Marketing Anfragen, Preise, Konkurrenten

SteuerlFinanzamt Buchfiihrung

Kostenrechnung Arbeitserledigung, Materialkosten,

Gemeinkosten

Anerkennung als Markenbaumschule Quartierbuch

ISO 9000 ff. Aufzeichnungen zur Kontrolle der im

Handbuch festgelegten Arbeiten

Umweltauflagen Spritz- und Diingetagebiicher

Oko-Audit Ressourceneinsatz im Betrieb

So spricht z. B. SCHIERENBECK1 davon, daB unter Controlling ein dynamischer Regelkreis von Planung und Kontrolle zu verstehen ist. Er fordert, daB sich Con­trolling im Betrieb organisatorisch z. B. in Form eines "Controlling-Zyklus" nie­derschlagen mtisse. Darin sollen enthalten sein die systematische Koordination der zentralen und dezentralen Planungsaktivitaten in einem Gesamtplan und die Si­cherstellung einer regelmaBigen Zielerreichungskontrolle und Abweichungsanaly­se. Wesentliches Element in allen Definitionen ist der Begriff der Informationen. STORCK und BOKELMANW sprechen in diesem Zusammenhang von betriebli­cher Informationswirtschaft, die in der Beschaffung, der Verarbeitung und Ober­mittlung von Informationen und deren zweckmaBiger Gestaltung besteht.

Tabelle 1 zeigt eine grobe Zusammenstellung von gegenwartig bereits beste­henden Anlassen, in Baumschulbetrieben Informationen und Daten zu erfassen; sie zeigt, daB im Grunde von einer Informations- und Datenflut zu sprechen ist, die im Betrieb bewaltigt werden muB. Es ist davon auszugehen, daB diese Liste zuktinftig eher wachsen statt schrumpf en wird.

1m Gartenbau und auch bezogen auf die Baumschulwirtschaft wird davon ge­sprochen, daB dem Management zunehmend groBere Bedeutung zukommt. Dies wird auf der einen Seite verursacht durch die veranderten Markt-Rahmenbe­dingungen. So hat sich der Markt fur Baumschulgeholze mit seiner Sonderform des Preissystems von einem Verkaufer- zu einem Kaufermarkt gewandelt und bei einer Vielzahl von Geholzen zeigen sich Tendenzen der Oberproduktion3. Auch

I) vgl. SCHIERENBECK 1993, S. 114 tT. 2) vgl. STORCK und BOKELMANN 1995, S. 250-251. J)vgl. REYMANN, \989, S. 33.

Page 311: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

22 Umwelt- und Finanzcontrolling 307

aus einzelbetrieblicher Sicht hat sich die Wettbewerbssituation verschlirft. 1m Zeitraurn von 1982 bis 1994 hat sich nach den Ergebnissen der Gartenbauerhe­bung die Zahl der Betriebe mit Schwerpunkt Baumschule urn rund 300 auf etwa 2000 Betriebe verringert. D. h. in einem Zeitraurn von 12 Jahren hat etwa jeder achte Betrieb aufgegeben. Zudem zeigen Auswertungen von Betriebsvergleichen auf Basis steuerlicher Jahresabschliisse4, daB sich in den Erfolgskennziffem immer groBere Differenzen zwischen den erfolgreichen und den weniger erfolgreichen Betrieben zeigen, die vor allem auf die sehr unterschiedliche Effizienz beim Ein­satz der Arbeitskrlifte zuruckzufiihren ist.

Erschwerend kommt bei der Bewliltigung der Aufgaben der 1nformationswirt­schaft hinzu, daB es sich bei den meisten Baumschulen urn kleine Familienbetriebe handelt. Z. B. gibt es im Durchschnitt der yom ARBEITSKRE1S BETRIEBS­W1RTSCHAFT 1M GARTENBAU fur den Kennzahlenvergleich erfaBten Betrie­be etwa 1,5 Familienarbeitskrlifte und etwa 6 Fremdarbeitskrlifte, von denen sich wiederum ein Anteil aus Saisonarbeitskrliften zusammensetzt. Die geschilderten Controllingaufgaben miissen innerhalb dieses personellen Rahmens erfiillt werden und das heiBt im Durchschnitt der Betriebe, daB die Mitglieder der 1nhaberfamilie diese Aufgaben personlich wahmehmen miissen.

Zusammenfassend laBt sich damit festhalten, daB den durch das Controlling be­schriebenen Aufgaben zunehmend eine steigende Bedeutung fur eine erfolgreiche Betriebsfuhrung zukommt.

22.3 Elemente eines DV-gestutzten Controlling-Systems aus theoretiseher Sieht

Die beschriebenen Controlling-Aufgaben und die damit verbundene Datenerfas­sung und -auswertung lassen sich nur mit Hilfe computergestiitzter Datenverarbei­tung praktikabel realisieren. Aus wissenschaftlicher Sicht lassen sich in Anlehnung an MERTENS5 fur den DV-Einsatz in Betrieben drei mogliche Einsatzbereiche unterscheiden:

• Administrationssysteme, • Dispositionssysteme und • Planungs- und Kontrollsysteme.

4) vgl. ARBEITSKREIS BETRIEBSWIRTSCHAFT 1M GARTENBAU, versch. Jahrgange 5) vgl. MERTENS 1991, S. 1 ff.

Page 312: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

308 Kapitel 3: Oko-Audit im Gartenbau

Forschung Marketing Beschaffung Produktion Versand und Entwick lungl und Verkaufl und Lagerhaltung

Abb. 1. Betriebliche Einsatzbereiche computergestiltzter Datenverarbeitung (in Anlehnung an MERTENS und GRIESE 19916)

1m Rahmen von Administrationssystemen werden Daten des Auftragswesens, der Lagerhaltung, der Fertigungssteuerung und des Rechnungswesens verarbeitet. Sie haben vor aHem den Zweck die Massendatenverarbeitung zu rationalisieren und betreffen Routineaufgaben. Der Bereich, in dem gegenwartig der Einsatz von der­artigen Systemen am weitesten verbreitet ist, ist die Auftragsabwicklung. Darunter werden im wesentlichen die Funktionen der Annahme von Auftragen, der Ftihrung von Bestandslisten, das Schreiben von Auftragsbestatigungen, Lieferscheinen, Rechnungen und Mahnungen verstanden.

Dispositionssysteme unterscheiden sich von den Administrationssystemen da­durch, daB sie die Aufgabe haben, menschliche Entscheidungen vorzubereiten oder die Entscheidungen sogar selbst zu treffen. Entscheidungsgegenstand sind gut strukturierte Probleme, programrnierbare Routineentscheidungen werden vom System tibemomrnen (z. B. die NachbesteHung von Fertigungsteilen, die nur noch in einer bestimrnten Sttickzahl im Lager vorhanden sind).

Der Einsatzbereich von Planungs- und KontroHsysteme liegt vor aHem im Be­reich der schlecht strukturierten Systeme. Sie werden eher in unregelmaBigen Ab­standen eingesetzt. Dispositionssysteme werden in Industriebetrieben eher dem mittleren Management, Planungssysteme dagegen vorwiegend der Untemehmens­fiihrung zugeordnet.

6) vgl. MERTENS und GRIESE 1991, S. 2.

Page 313: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

22 Umwelt- und Finanzcontrolling 309

Die genannten Systeme bauen hierarchisch aufeinander auf; die in den Syste­men der hoheren Ebene verarbeiteten Informationen entstammen dabei im wesent­lichen den Systemen auf der jeweils niedrigeren Ebene. Das Idealbild des DV­Einsatzes in Betrieben wird unter dem Stichwort "Computer integrated Manufac­toring" (ClM) beschrieben. Darunter wird der integrierte DV-Einsatz in allen mit der Produktion zusammenhangenden Betriebsbereichen verstanden. Die Bausteine von ClM sind einzelne rechnergestUtzte Schritte, die miteinander verbunden wer­den und auf gemeinsamer Datenbasis arbeiten. FUr die beteiligten Schritte wird haufig auch der Begriff der C-Techniken verwendet (CAE = Computer aided engi­neering, CAD = Computer aided design, CAP = Computer aided planning, CAM = Computer aided manufactoring, CAQ = Computer aided manufacturing und CAQ = Computer aided quality assurance). Ein wichtiges Merkmal der Integration der Systeme ist, daB an wesentlichen Stell en die technische und die betriebswirtschaft­liche lnformationsverarbeitung kaum noch isoliert voneinander betrachtet werden konnen.

Auf Seiten der technischen Realisation derartiger Systeme ist dabei die gemein­same, bereichsUbergreifende Nutzung einer Datenbasis Voraussetzung. Konkret bedeutet dies, daB im Betrieb vemetzte DV -Systeme existieren mUss en, die den Zugriff auf eine zentrale Datenbank erlauben.

22.4 DV-Einsatz in Baumschulen

Empirische Untersuchungen zum DV-Einsatz in Betrieben zeigen, daB die Wirk­lichkeit noch relativ weit yom eben gezeichneten Idealbild entfemt ist. Eine 1986 Uberwiegend in der InvestitionsgUterindustrie bei gut 1300 Betrieben durchgefiihr­te Befragung7 kommt zu dem Ergebnis, daB ClM in diesen Betrieben noch weit von einer betrieblichen Realisierung entfemt ist. In der Realitat erfolgt der groBte Anteil des DV-Einsatzes im BUro und in der Verwaltung. Eine Untersuchung Uber den Einsatz von Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen in Klein- und Mit­telbetrieben des Maschinenbaus8 kommt zu der Einschatzung, daB die Einfiihrung solcher Systeme in diesen Betrieben in der Regel erst zum AniaB genommen wird, um mit dem Aufbau von Datensammlungen zu beginnen und sich erstrnalig syste­matisch mit der Produktionsorganisation zu beschiiftigen.

Der allgemeine Verbreitungsgrad von DV -Anlagen in Gartenbaubetrieben ist je nach Sparte sehr unterschiedlich. Eine reprasentative Befragung der Baumschulen in Schleswig-Holstein9 kam 1989 zu dem Ergebnis, daB 21 % der Betriebe eine DV -Anlage benutzten und 22 % der Betriebe die Absicht zur Anschaffung einer

7) vgl. INSTITUT FOR SOZIALW1SSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG (lFS) 1986 X) vgl. MANSKE 1989. S. 248. Y) vgl. REYMANN 1989, S. 81.

Page 314: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

310 Kapitel 3: Oko-Audit im Gartenbau

solchen hatten. Eine nur zwei Jahre spater durchgefiihrte BefragunglO ergab bei etwa dem selben Kreis der Betriebe die Existenz einer DV -Anlage bei 44 % und die Absicht zur Beschaffung bei 17 % der Betriebe. Nach Schiitzungen von Exper­ten ist zum gegenwiirtigen Zeitpunkt davon auszugehen, daB etwa drei Viertel aller Haupterwerbsbetriebe mit Schwerpunkt Baurnschule tiber eine DV -Anlage verfU­gen.

In Bezug auf die Einsatzbereiche laBt sich fUr die Landwirtschaft und den Gar­tenbau insgesamt festhalten, daB der tiberwiegende Teil des DV-Einsatzes der Abwicklung administrativer Aufgaben (Auftragsabwicklung) und der Registrie­rung von Daten dientll. In einer Betriebsbefragung tiber den DV-Einsatz in Baurn­schulen bei immerhin 170 Kunden von vier Softwareanbieternl2 wird deutlich, daB auch hier der weitaus tiberwiegende Teil der DV-Anwendung auf die Auftragsab­wick lung entrallt.

Aus Sicht des Verfassers ist zusatzlich kritisch anzumerken, daB der GroBteil der derzeit in Baurnschulen eingesetzten Software von der technologischen Basis her nicht im Sinne einer integrierten Datenverarbeitung erweiterbar scheint. Die Anforderungen der Auftragsabwicklung werden zwar von den Programmen (in unterschiedlicher Qualitat) erfUlIt, die meisten der Programme wurden in ihrem Grundkonzept aUerdings bereits vor langerer Zeit entworfen. Die Anderung in Richtung einer integrierten Datenverarbeitung wiirde fUr die meisten Programme eine erhebliche Veranderung beziiglich der zugrundeliegenden Datenbankkonzepte und teilweise auch der eingesetzten Hard- und Softwarebasis (etwa in Zielrichtung eines Client-/Serverbetriebes mit einer relationalen Datenbank im Hintergrund) bedeuten. Da es sich in der Regel urn kleinere Softwareanbieter mit relativ gerin­gen Forschungs- und Entwicklungskapazitaten handelt, ist das Innovationspotential vermutlich eher gering einzuschatzen.

22.5 Elemente eines DV-gestutzten Controlling-Systems aus praktiseher Sieht

Vor dem Hintergrund der geschilderten Realitaten stellt sich somit die Frage, in­wieweit sich zurnindestens Elemente eines Umwelt- und Finanzcontrollings in Baurnschulen realisieren lassen. Es erscheint dabei unabdingbar, daB der Kern eines solchen Systems DV-gestiitzt arbeiten muB.

Zusammenfassend lassen sich folgende Begrenzungen fUr die Konzeption eines Systems zum Umwelt- und Finanzcontrolling festhalten:

10) vgl. KAIM 1991, S. 73. 1\) vgl. LENTZ 1991, S. 94. 12) vgl. SCHMIDT 1992.

Page 315: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

22 Umwelt- und Finanzcontrolling 311

In der weitaus tiberwiegenden Zahl der Baumschulen wird derzeit bereits Con­trolling im okonomischen Bereich als eigensUindige Teilaufgabe der Untemeh­mensfuhrung so gut wie nicht durchgefuhrt. Untersuchungen 13 zeigen, daB bei­spielsweise die Produktionsplanung zumeist keinen systematischen Planungsvor­gang zur Grundlage hat, sondem daB sich die Planung fur die nachste Peri ode durch Modifikation der vorangegangenen Planung ergibt. Zudem ist Controlling meistens nicht in der Betriebsorganisation integriert.

In den Baumschulen werden derzeit kaum Daten erfaBt, die tiber den Bereich der Auftragsabwicklung hinausgehen.

Auf der Ebene der Untemehmensfuhrung gibt es keine zusatzlichen oder freien Personalkapazitaten fur Controlling-Aufgaben. Aile diesbeztiglichen Aktivitaten mtissen in der Regel von den im Betrieb tatigen Mitgliedem der Inhaberfamilie neben ihren sonstigen Aufgaben in der Untemehmensfuhrung geleistet werden.

Die bislang in Baumschulbetrieben eingesetzte Software ist bislang in den mei­sten Fallen nicht auf ein System der integrierten Informationsverarbeitung ausge­legt.

Vor diesem Hintergrund hat sich der Verfasser vor einiger Zeit entschieden, gewissermaBen von auBen einen Impuls in Richtung integrierte Datenverarbeitung zu geben. Idee ist dabei, daB sich ein separates Umweltcontrolling-System neben einem eigenstandigen System fur das Finanzcontrolling vermutlich in der Ziel­gruppe der Gartenbaubetriebe nicht wird realisieren lassen. Zumindestens auf der Ebene der notwendigen Datenerfassung erscheint eine diesbezligliche Trennung nicht sinnvoll. Entwickelt wird deshalb derzeit eine Software l4 , mit der sowohl aile fur die Kostenrechnung und Anbauplanung als auch aile fur das Umweltcontrolling notwendigen Daten erfaBt werden konnen (vgl. Schema in Abbildung 2, auf S.312).

Die Datenerfassung erfolgt dabei im Sinne einer hoheren Akzeptanz bewuBt auf der Ebene der Kulturen oder der Quartiere, also auf der Ebene, auf der der Be­triebsablauf von den Betroffenen wahrgenommen wird. Es bleibt dann dem Pro­gramm liberlassen, die Daten auf die gewtinschte Ebene der okonomischen oder umweltbezogenen Auswertung zu aggregieren. Es ist dann moglich, die Daten fur die Anbauplanung und Kostenrechnung mit einem anderen Programm des Autors auszutauschen.

Urn einen moglichst breiten Einsatz des Erfassungsprogramms zu gewahrlei­sten, wird es in identischer Form gleichzeitig fur vier verschiedene Betriebssyste­me entwickelt.

13) vgl. REYMANN 1993, S. 53 ff. 14) QUARTIER

Page 316: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

312 Kapitel 3: Oko-Audit im Gartenbau

Auftragsabwlck hmg und

I Bestilndsverwaltung anderer Softwarehlluser

I

~-"'r---- Oatenim· und expo"

elekVonisches Tagebuch

fOr die Oatenerfassung ~ zum Umwelt· und

IFinanzeonlrolllng mit dem Programm QUARTIER

Abb. 2. Softwaremodule eines integrierten Systems fur das Umwelt- und Finanzcontrolling in Gartenbaubetrieben

22.6 Fazit

Bei manchen Betriebswirtschaftlerinnen und Betriebswirtschaftlern mag die Hoff­nung bestehen, daB die aktuelle Diskussion urn Oko-Auditing eine Gelegenheit sei, auf diesem "Umweg" Grundelemente eines allgemeinen Controllingsystems in landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betrieben zu verankern.

Diese Hoffnung erscheint trligerisch. Sollen Oko-Auditsysteme nicht nur exter­nen Zwecken dienen, sondern Informationsquelle fur interne Managementzwecke sein, mlissen sie in ein gesamtes Controllingsystem integriert werden. Gelingt die Integration von betriebswirtschaftlichem und Umweltcontrolling nicht, wird dem Oko-Auditing vermutlich ahnliches geschehen wie der Buchfuhrung. Trotz des zweifellos vorhandenen Informationsgehaltes der fur steuerliche Zwecke erfaBten Daten werden diese kaum fur betriebsinterne Zwecke genutzt.

Realistisch gesehen, ist der Einsatz okonomischer Controllingsysteme in der Landwirtschaft und im Gartenbau so wenig verbreitet, daB es in den meisten Fallen nicht urn die Integration eines Umwelt-Controllingsystems in bereits vorhandene Controllingsysteme, sondern urn die Einfuhrung derartiger Systeme liberhaupt geht. Allerdings liegt in der schwachen Verbreitung des Controllings auch eine Chance. Bei der Neukonzeption von Systemen besteht die Moglichkeit, Umwelt­aspekte von Anfang an mit einzubeziehen und die Systeme damit insgesamt stim­miger zu entwerfen.

Zugespitzt formuliert laBt sich die Voraussetzungen fur ein integriertes Con­trollingsystem so formulieren: Aus Bauern miissen Unternehmer werden.

Page 317: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

22.7 Zusammenfassu n9

22 Umwelt- und Finanzcontrolling 313

1m vorliegenden Beitrag wird diskutiert, inwieweit Aufgaben des Umweltcon­trollings in landwirtschaftlichen Betrieben und dabei insbesondere in Baumschulen umgesetzt werden konnen. Unter Controlling wird dabei die systematische Erfas­sung, Verarbeitung und Ubermittlung von Informationen zum Zwecke der Koordi­nation der Planungsaktivitaten und deren Kontrolle verstanden.

Bei der Konzeption eines derartigen Umwelt- und Finanzcontrolling ist zu be­riicksichtigen, daJ3 es sich bei Baumschulen Uberwiegend urn Familienbetriebe handelt, in denen die Untemehmensfiihrung vollstandig in der Hand der im Betrieb tatigen Mitglieder der Inhaberfamilie liegt.

Das theoretische Idealbild eines solchen Systems setzt die integrierte Datenver­arbeitung in den verschiedenen Betriebsbereichen auf der Grundlage einer einheit­lichen Datenbasis voraus. In der Realitat wird dieses Idealbild bislang nicht urnge­setzt. Der Schwerpunkt des DV-Einsatzes in Baumschulen liegt im Bereich der Auftragsbearbeitung; selbst Controlling im klassischen Sinne (bezogen auf rein okonomische Aspekte des Betriebes) findet derzeit so gut wie nicht statt.

Der Beitrag kommt zu der SchluBfolgerung, daB sich ein separates System fur das Umweltcontrolling in Baumschulbetrieben vermutlich nicht wird realisieren lassen. Praktikabel erscheint nur ein integriertes System, das sich sowohl fur das Finanzcontrolling als auch fur das Umweltcontrolling einsetzen laBt. Die Grund­ideen yom Verfasser entwickelter Softwaremodule eines solchen Systems werden vorgestellt.

Literatur

ARBEITSKREIS BETRIEBSWIRTSCHAFT 1M GARTENBAU verschiedene Jahrgange: Kennzahlen fur den Betriebsvergleich, Hannover.

INSTITUT FOR SOZIALWISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG 1986: Betriebserhebung 1986, Miinchen

KAIM, E. 1991: Strukturveranderungen und Preisbildungsmechanismen auf dem Markt fur Baumschulgeholze, Arbeitsberichte des Instituts fur Gartenbauokonomie der Universitat Hannover Nr. 68, Hannover.

LENTZ, W. 1991: Mogliche Entwicklungslinien fur computergestiitzte Entscheidungshilfs­mittel, Ber. Ldw., 69, S. 69-99.

MANSKE, F. 1989: Produktionsplanungs- und steuerungssysteme in Klein- und Mittelbe­trieben - Gestaltungshinweise fur Technik, Organisation und Arbeit, Hrsg. Kern­forschungszentrum Karlsruhe.

MERTENS. P. 1991: Integrierte Informationsverarbeitung I, Administrations- und Disposi­tionssysteme in der Industrie, 8. Auflage, Wiesbaden.

Page 318: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

314 Kapitel3 : Oka-Audit im Gartenbau

MERTENS, P. und 1. Griese 1991: Integrierte Informationsverarbeitung 2, Planungs- und Kontrollsysteme in der Industrie, 6. Auflage, Wiesbaden.

REYMANN, D. 1989: Gutachten zu den Entwicklungsmtiglichkeiten der Baumschulen in Schleswig-Holstein; Arbeitsberichte des Instituts fUr Gartenbautikonomie der Universi­tat Hannover Nr. 64

REYMANN. D. 1993: Produktionsplanung in Baumschulbetrieben - Verhalten und Mtiglich­keiten zur Untersttitzung durch EDV -Einsatz; Forschungsberichte zur Okonomie im Gartenbau, Nr. 72, Hannover und Weihenstephan.

SCHIERENBECK, H. 1993: Grundziige der Betriebswirtschaftslehre; II. Aufl.; Miinchen, Wien.

SCHMIDT, G. 1992: Perstinliche Mitteilung iiber die Auswertung einer Befragung beziiglich des DV-Einsatzes in Baumschulen.

STORCK, H. und W. BOKELMANN 1995: Grundziige der gartenbaulichen Betriebslehre,

Stuttgart.

Zum Autor

Prof. Dr. Detlev Reymann, J g. 1957, nach dem Abitur Lehre als Gartner in einer Baumschule in Oldenburg (Oldbg.), danach einjahrige Be­rufstatigkeit als Gartnergehilfe. Anschlie13end Gartenbau-Studium an der Un i­versitat Hannover. Nach dem Studienabschlu13 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Gartenbauokonomie der Universitat Hannover, Abteilung Betriebslehre und wissenschaftlicher Angestellter beim Arbeitskreis Betriebswirt­schaft im Gartenbau e.V., Hannover. Vierjahrige Tatigkeit als Geschaftsfuhrer und wissenschaftlicher Leiter des Arbeitskreis Be­triebswirtschaft im Gartenbau e.V., Hannover. In dies em Zeitraum Promotion zum Dr. rer.

hort. am Fachbereich Gartenbau der Universitat Hannover, Titel der Dissertation: "Produktionsplanung in Baumschulbetrieben - Verhalten und Moglichkeiten zur Untersrutzung durch EDV-Einsatz."

Seit 1994 Professor an der Fachhochschule Wiesbaden, Studienstandort Geisenheim, Fachbereich Gartenbau und Landespflege, zustandig fur die Bereiche Betriebswirtschaft sowie Markt- und Absatzlehre.

Seit langerer Zeit nebenberufliche Tatigkeit als Offentlich bestellter und ver­eidigter Sachverstandiger sowie Entwicklung und Vertrieb betriebswirtschaftlicher Spezialsoftware fur den Gartenbau.

Page 319: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

23 Elektronische Quartierbuchfilhrung in der Baumschule

Ingo Rahm

1m Vergleich zu anderen Branchen werden in Baumschulen nur wenige produkti­onsbegleitende Aufzeichnungen zur Dokumentation des Produktionsprozesses an­gefertigt. Eine verHillliche Datenbasis, die zur Kalkulation der Kosten herangezo­gen werden kann, ist aufgrund der Verbundproduktion schwierig zu erstellen und von daher nur in Ausnahmefallen vorhanden. Ein Berichtswesen, das als Hilfsmit­tel fur Audits und Zertifizierungen (ISO-Zertifizierung, Agrar-Oko-Audit) heran­gezogen werden kann, ist in der Regel nur in begrenztem Umfang aufgebaut.

Die Produktion von Pflanzen ist einem immer harter werdenden Wettbewerb ausgesetzt. Der Import aus Billiglohn-Llindem wird mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Der Druck umweltrelevante Aufzeichnungen zu fiihren, die die betrieb­lichen Geschehnisse dokumentieren, wird zunehmen.

VerHil3lichere Aufzeichnungen, aus denen Starken und Schwachen der Unter­nehmung ablesbar sind, werden zukiinftig von groBerem Gewicht sein.

Eine die Pflanzenproduktion begleitende Sammlung von Daten mit hierzu ent­wickelten EDV-Programmen kann eine solide Basis fur betriebswitschaftliche und okologische Auswertungen schaff en, die der Aufzeichnungspflicht gegenliber dem Gesetzgeber, den Berufsverbanden und betriebswirtschaftlichen Interessen des Untemehmers gerecht werden.

Der Nutzen einer sollchen Anwendung ist dann besonders groB, wenn sie in ein umfassendes branchenspezifisches Programmpaket eingebunden wird.

Das Quartierbuch einer Baumschule dient primar der Bestandsfiihrung bzw. der Lagerhaltung. In ihm ist vermerkt welche Artikel wo in welchen Mengen zu fmden sind. Mitunter werden wesentliche Kulturarbeiten bzw. Meilensteine des Produk­tionsprozesses festgehalten.

Ein EDV-gefuhrtes Quartierbuch erOffnet weiterreichende Moglichkeiten der Aufzeichnung. Es ist auf komfortable Art und Weise moglich alle Arbeitsschritte vom ersten bis zum letzten Tag der Produktion einer jeden Kultur festzuhalten, die eingesetzten Produktionsfaktoren zuzuordnen und zu bewerten.

Page 320: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

316 Kapite1 3: Oko-Audit im Gartenbau

Die Kostensammlung und darauf aufbauende Kostenrechnungen ennt>glichen eine verbesserte Planung des Produktionsprogrammes und Umfanges. Ein Hilfs­mittel fUr Qualitats- und Umweltaudits ist geschaffen.

Das "Elektronische Quartierbuch" wird im weiteren ausschlieBlich unter Ge­sichtspunkten des Umweltaudits betrachtet. Oem Programm kt>nnen gezieite Fra­gen gestellt werden, die auf die Uberwachung von Einsatzzyklen (z. B. Pflanzen­schutzmittel) oder auf den Abgleich mit empfohlenen Aufwandsmengen (z. B. Olinger) bestimmter Materialien oder Materialgruppen ausgerichtet sind. Ein ter­mingerechter Einsatz und die Wahl eines geeigneten Materials wird vereinfacht, und die Gefahr eines weniger produktiven Einsatzes mit all seinen Konsequenzen minimiert.

Jedes eingesetzte Material wird mit den Verbrauchsmengen und hieraus resul­tierenden Produktionsriickstanden festgehalten. Die Mengen kt>nnen in Bezug zu Vergleichsgrt>Ben wie Nettoproduktionsflache oder Liter-Containervolumen ge­bracht werden. Verbrauchte Materialmengen und Rtickstande der Produktion sind besser einzustufen. Betriebsvergleiche, die dazu anregen sollen den eigenen Lei­stungsstand zu prtifen, waren prinzipiell mt>glich.

Die Simulation von Produktionsverfahren, die den Austausch von Arbeitsschrit­ten gegen alternative Produktionsschritte zulassen, ennt>glicht es den EinfluB be­stimmte MaBnahmen auf den Verbrauch einzelner Materialien und Produktions­riickstanden abzuschatzen. Eine grt>Bere Transparenz der Verfahren ist gegeben, und die Auswirkung auf die Umwelt ist im Vorfeld besser kalkulierbar.

Mit einer Vielzahl von Checklisten und individuell gestalteten Abfragen laBt sich der Istzustand abbilden. Anhand von Simulationen, Betriebsvergleichen, per­st>nlichen Anspriichen und betrieblichen Gegebenheiten kann ein Sollzustand erar­beitet werden.

Zeitraumbezogene Vergleiche zu vorangegangenen Produktionsperioden bieten die Mt>glichkeit die Einhaltung der V orhaben zu tiberwachen und auf Verfahrens­mangel zu reagieren.

Eine Bewertung bestimmter Materialien oder gar Arbeitsverfahren nach einem Notensystem ist programmseitig realisierbar, birgt jedoch die Gefahr, sich von einem unterstUtzenden System ohne t>kologischen Sachverstand lenken zu lassen. Ein Programm, das sich mit diesem Sachverhalten befaBt, ist stets nur als unter­stUtzendes Instrument zu sehen.

Checklisten sind ein geeignetes Mittel sich einen Uberblick tiber den Istzustand zu verschaffen. Urn es Beratern zu ennt>glichen mgig konstruktive Vorschlage zur Verbesserung der betriebliche Situation zu unterbreiten, ware es wichtig sich auf einen fUr aIle akzeptablen Checklistenstandard zu einigen.

Es ware wiinschenswert, daB Kammern, Beratungsringe und Anbieter von Soft­wareprodukten der Griinen-Branche Leitfaden zur Erstellung eines Checklistensy­stems gemeinsam erarbeiten und in Pilotprojekten auf Praxisreife prtifen warden.

Page 321: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

23 Elektronische QuartierbuchfOhrung in der Baumschule 317

Zum Autor

Ingo Rahm, Jg. 1963, ist gelemter Baumschul­gartner und arbeitete drei Jahre als Gartner­gehilfe in verschiedenen Baumschulen. An der Fachhochschule Osnabrock studierte er Gar­tenbau und absolvierte im AnschluB an das Studium eine Ausbildung zum Organisations­prograrnmierer bei Siemens-Nixdorf. Herr Rahm ist seit 1992 fur die Brink-Abeler Grtine Software GmbH mit Sitz in Dortmund tiHig und dort als Organisationsprograrnmierer mit der Entwicklung von Software betraut.

Page 322: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

24 Oko-Audit in der Baumschule

Helmut Riiskamp

Das Thema Oko-Audit ist fur mich als Inhaber einer Baumschule in Dtilmen! Westfalen nicht neu. Ich gestehe, daB ich zwar die aktuelle Fassung der Verord­nung abgeheftet habe, aber eine Umsetzung verordnungskonform fur meinen Be­trieb schwerfallen wtirde.

Nicht etwa, weil unsere Produktweisen nicht vorsorgeorientiert sind, sondem weil eine zeitsparende Methode zur Bewertung, die auch meine Mitarbeiter bear­beiten kannen, fehlte.

Seit nunmehr zwei lahren ist fur unseren Berufsstand ein Leitfaden, eine Checkliste entwickelt und bis zur Praxisreife umgesetzt worden. Auch deshalb entwickelt, da sie Probleme mit dem Pflanzen schutz, der Bodenbearbeitung, der Eingrlinung unter anderem, die wir und auch andere Berufskollegen mit Nachbam und Beharden seit Mitte der 80er lahre hatten, und die Unwissenheit der BUrger liber un sere Bemlihungen standig zunahrnen. Unsere Wirtschaftsweisen, ob nun Dlingung, Bewasserung, Bodenbearbeitung und insbesondere Pflanzenschutz, stoBen immer dann auf sofortige Kritik, wenn wir nicht vorher informieren, sagen, warum welche MaBnahrnen dringend erforderlich sind und welche VorsorgemaB­nahmen und Kontrollen in den Baumschulen bereits praktiziert werden. Versaum­nisse dieser Art in der Offenlichkeitsarbeit durch unsere Betriebe wirken sich oft verheerend aus.

Nur offene Information und ehrliche Bekenntnisse zu Schwachstellen sichert unsere landwirtschaftliche Erzeugung in der Zukunft, davon bin ich liberzeugt.

Aber: Umweltschutz darf in der aktuellen, wirtschaftlich schwierigen Situation nicht dazu fuhren, daB wir in Deutschland pflanzen-schutzintensive Kulturen wie Rosen/Rhododendron nicht mehr produzieren kannen, und diese Pflanzen deshalb aus dem Ausland - aus oft viel schlechteren technischen und vorsorgeorientierten Anbaubedingungen - importiert werden mlissen. Nicht nur mehr Transportauf­wand, sondem auch hahere Belastung der entfemten Produktionsstandorte mliBten wir dann in Kauf nehrnen. Dazu kame ein enormer Arbeitsplatzabbau in unseren Baumschulen, der sofort gestoppt werden muB. Schon heute ist zu beobachten, daB wir in der EU mit selbstgesteckten Zielen fur den Umweltschutz arbeiten, die wir gedanklich zwar mittragen, aber unter wirtschaftlichen Aspekten, und mit Verant­wortung gegenliber den Arbeitsplatzen in unseren Betrieben, nur noch schwer finanzieren kannen.

Page 323: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

320 Kapitel3: Oko-Audit im Gartenbau

lch habe mit meinen Mitarbeitem vor zwei Jahren den freiwilligen EntschluB gefaBt. im Wassereinzugsgebiet auf nur ca. 10 % unserer BetriebsfHiche mit in Wasserschutzgebieten zugelassenen Herbiziden zu arbeiten und weitestgehend auf mechanische Bodenbearbeitung urnzuschwenken. W ohlgemerkt bei Rhododen­dron, die empfindlich sind und mechanisch nur wesentlich kostenaufwendiger von Unkrautem freigehalten werden kannen, als z. B. Alleebaume oder Zierstraucher.

Ais Vorsitzender des Baumschulverbandes Westfalen-Lippe lade ich aile lnter­essierte jederzeit - auch unangemeldet - in unsere Baumschulbetriebe ein, damit sie sich von unseren Bemtihungen und Erfolgen selbst tiberzeugen kannen.

Wir diskutieren mit ihnen tiber unsere Verfahren, wir zeigen ihnen auch die Produktion in unseren Betrieben, und auch die akologischen Leistungen un serer Produkte in ihrem Garten, in ihrer Stadt, an ihren Autobahnen, in ihren Waldem oder bei der Renaturierung von lndustriebrachen.

lch wtinsche mir, daB bald praktische und umsetzbare Hinweise, fur ein effek­tives Agrar-Oko-Audit-System, fur meinen Betrieb entwickelt werden. Dabei so lite man das Oko-Audit im ganz privaten Bereich nicht verges sen, wenn tiber Oko­Audit am Arbeitsplatz geredet wird.

Zurn Autor

Helmut Ruskamp, Jg. 1958, hat bei der Baum­schule BRUNS in Bad Zwischenahn und im elterlichen Betrieb Gatner gelemt sowie die Techniker-Schule in Mtinster-Wolbeck be­sucht. Seit 1981 leitet er den elterlichen Be­trieb mit 20 ha Baumschulflache in Dtilmen Welte. Ais Vorsitzender des Landesverbandes Gartenbau Westfalen-Lippe ist er seit Februar 1992 auch an fuhrender Stelle im Bund deutscher Baumschulen e.V. (Pinneberg) aktiv.

Page 324: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Kapitel4

Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Welche Qualitatsanforderungen stellt die Nahrungsmittelindustrie und wie reagiert die Landwirtschaft darauf?

mit Beitragen von

Gunter Larisch Umweltschutz bei der Firma Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, Bielefeld

Manon Haccius und Hanspeter Schmidt Agrar-Oko-Audit und okologischer Landbau zwischen Verbrauchertauschung und verbessertem Umweltschutz

Johannes Fetscher Zur Arbeit eines Prufverbandesfur okologischen Landbau und Ernahrungswirtschaft. Von der Anmeldung bis zum Zertijikat

Werner Warm bier Einige grundsatzliche Oberlegungen zum Marekting und seine Beziehungen zum Oko-Audit

Thomas Volk Umweltschonender Pjlanzenschutz mit dem Expertensystem PRO_PLANT

Wolfram Buschmann und Erika Hufschild Erfahrungen mit der Zertijizierung nach DIN/ISO 9002 fur Schlachtrinder aus okologischer Haltung

Reiner Doluschitz und Jens Pape Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits

Thomas Koch Agrar-Oko-Audit auf der methodischen Grundlage der "Kritischen Umweltbelastung Landwirtschaft (KUL) "

Page 325: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

25 Umweltschutz bei der Firma Dr. Oetker Nahrungsmittel KG, Bielefeld

Gunter Larisch

Dr. Oetker gehort mit zu den Gro13en der deutschen Nahrungsmittelhersteller und ist Marktfiihrer in den Kemsortirnenten der Backartikel, Backmischungen, MUslis, Einmachartikel sowie der tiefgekiihlten Pizzen und der Cn\me-fraiche-Produkte.

Sitz der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG ist die ostwestfalische Stadt Bielefeld, am Rande des Teutoburger Waldes. 1995 betrug der Nettoumsatz im Inland etwa eine Milliarde DM. In der Zentrale und acht inIa.ndischen Werken sind 2700 Mitarbeiter beschaftigt.

Der Produktionsbereich Nahrmittel umfa13t Backartikel, Backmischungen, Des­sertprodukte, Einmachprodukte, MUsli und Langnese-Honig als eigenstandige Marke. In den Bereich der TietkUhlkost fallen die Produktgruppen Pizzen, Fertig­gerichte, Aufbackkuchen, Eiskrem und unter dem Markennamen "Costa" Meeres­und Fischspezialitaten. Fertigdesserts und Sahneprodukte runden das Sortiment abo

Bio-Produkte

1. Sogenannte Bio-Produkte ruhren wir Z. Zt. noch nicht. Bei heutigen "Bio-Pro­dukten" reicht manches an den Rand der Irreruhrung der Verbraucher. Es herrscht keine Klarheit der Bestimmungen. In einem so1chen Umfeld wollen wir uns nicht bewegen.

2. Foiglich betreiben wir auch kein "griines Marketing", das standigmit Umwelt wirbt und Umsatz meint.

Rohstoffe

1. Wir sind bei Dr. Oetker ein sogenannter Sortimenter, d.h. wir ruhren unter der Dachmarke ein sehr breites Produktprogramm mit einer entsprechenden Breite an Rohwaren.

2. Bei einem jUngeren Sortiment, den Getreideprodukten unter der Submarke Vitalis, setzen wir jedoch Rohwaren aus neutral kontrolliertem Anbau ein.

Page 326: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

324 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

3. Also Getreide aus inlandischem Vertragsanbau, der sich auf die Einhaltung nachfolgender Richtlinien verpflichtet hat:

natur- und grundwasserschonender Pflanzenanbau verringerte Pflanzendichte weitgehender Verzicht auf Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel strenge Anbaukontrollen mit Produkt- und Bodenanalysen

4. Dies ist eines unserer Erfolgssortimente, bei dem z.Z. 3.500 Tonnen Getreide pro Jahr eingesetzt werden. Das Sortiment wachst und wir werden es, soweit die Verbraucher daran interessiert sind, nattirlich unter Aufrechterhaltung der okologischen Komponenten ausbauen.

Dies bedeutet auch: kurze Transportwege durch Rohwaren aus dem Umfeld.

Es gibt jedoch einige Barrieren fur den Vertrieb okologischer Produkte. Die augenblickliche Konjunkturlage fuhrt bei den Verbrauchem und dem Handel zu anderen Prioritaten. Das heillt unter anderem, das UmweltbewuBtsein zeigt sich nur unzureichend im tatsachlichen Kaufverhalten.

Hinzu kommt die fehlende Bereitschaft der Verbraucher fur okologische Pro­dukte einen hoheren Preis zu zahlen.

Grundsatzlich sind aber auch wirtschaftliche Gesichtspunkte flir den Einsatz von okologischen Rohstoffen eine zwingende Voraussetzung. Da sind erstens die Garantien tiber verfugbare Mengen und Liefersicherheit von besonders groBer Bedeutung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einhaltung des vereinbarten Quali­tatsstandards. Die Produktionschargen mtissen von der GroBe so bemessen sein, daB in den Untemehrnen eine wirtschaftliche Produktion auf den vorhandenen modemen Misch- und Abfullanlagen sichergestellt ist. Und als weitere wichtige V oraussetzung ist eine vertretbare Preisstellung der landwirtschaftlichen Produkte notwendig urn kalkulatorisch den Marktbedingungen und damit der Kaufbereit­schaft Rechnung zu tragen.

Produktbilanzen Es ist vorgesehen, Produktbilanzen in Zusammenarbeit mit namhaften Universita­ten oder Hochschulen zu erstellen. Dabei ist besonders wichtig, daB wir von unse­ren Lieferanten und deren Vorlieferanten verlaJ31iche Umweltdaten erhalten. Erste Vorgesprache haben ergeben, daB verwertbare Informationen tiber den Einsatz von Schadlingsbekampfungs- und Dtingemittel nur sehr schwer oder tiberhaupt nicht zu bekommen sind. Dies wird eine der Aufgaben sein, mit der wir uns in der nachsten Zeit sehr intensiv beschaftigen mtissen, denn wir versprechen uns von den Pro­duktbilanzen viele richtungsweisende umweltrelevante Erkenntnisse.

Page 327: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

25 Umweltschutz bei der Firma Dr. Oetker Nahrungsmittel KG 325

25.1 Entwicklung und Bedeutung des Umweltschutzgedankens

Die Produkte der Dr. Oetker KG sind beim Verbraucher als qualitativ hochwertige Markenartikel bekannt. Heute schlieBt der Qualitiitsbegriff die Umweltvertriiglich­keit mit ein. Die Vorreiterrolle auf dem Gebiet des Umweltschutzes beinhaltet einen besonderen Stellenwert des Umweltschutzes innerhalb der Untemehmens­politik. Seit 1987 praktiziert die Dr. Oetker KG nach Initiative des Untemehmen­schefs umweltorientierte Untemehmensfiihrung. Die Umweltphilosophie ist in aIle Bereiche integriert, liefert Handlungsorientierung und fordert ganzheitlichen Um­weltschutz.

Umweltschutzrelevante Untemehmensgrundsiitze, Umweltleitlinien, Rahmen­richtlinien zur Organisation des Umweltschutzes, Umweltschutzhandbuch, Um­welt-Audits, Mitarbeitereinbezug und KontroIlmaBnahmen sind wichtige Baustei­ne des betrieblichen Umweltschutzes bei Dr. Oetker.

Der Umweltschutz ist als gleichrangiges Ziel neben die hohe Produktqualitiit und die optimale Wirtschaftlichkeit getreten.

25.2 Umwelteingriffe und direkte UmweltschutzmaBnahmen

Auch wenn bei Dr. Oetker die Produktion keine umweltgefahrdenden Stoffe her­vorbringt, greift doch jegliches (wirtschaftliches) Handeln in die Umwelt ein. Die Produktion benotigt nattirlich Energie und Ressourcen und verursacht Abwiisser, Emissionen und Produktionsabfalle. FUr Dr. Oetker KG relevante Umweltbeein­triichtigungen gehen von Verpackungen und Transport der Waren aus.

Die Verpackung unterliegt lebensmittelrechtlichen Vorschriften und dient der Hygiene, Haltbarkeit und Qualitiit des Produktes. Da der Verzicht aufVerpackung nicht moglich ist, gilt es, den Verpackungsaufwand zu optimieren. Der Mate­rialeinsatz muB umweltvertriiglich gestaltet und minimiert werden. Einfach zu re­cycelnde Rohstoffe und die Vereinheitlichung des Rohstoffeinsatzes sind bereits in der Entwicklungsstufe von Verpackung und Produkt zu bedenken. Reduzierte Umverpackungen und recycelbare Monomaterialien verringem die Abfallmenge und verringem die Verpackungskosten. Hierbei unterstUtzen der Arbeitskreis Um­welt & Verpackung und ein generierter Umwelt-Artikelpa/3 die Arbeit der Ent­wicklungs- und Produktmanagementabteilungen.

Page 328: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

326 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Die umweltschutzorientierte Veranderung der Beforderung zwischen acht Pro­duktionsstatten und den Handelspartnern stellt eine groBe Herausforderung dar und ist durch die Biindelung, eine optimierte Auslastung und langfristige Umge­staltung des Transportwesens zu erreichen. Der Einsatz von Mehrwegtransportmit­teln steUt erst den Einstieg in weitere Umstellungen dar.

Die Verwendung von energiesparenden Techniken und Materialien in der Pro­duktion und der Verwaltung ermoglichen Kosteneinsparungen durch verringerten Einsatz und reduzierte Entsorgung. Getrennte Abfallsortierung nach einem Abfall­schliisselnummern-Katalog verbessert die Abfallstatistik der Firma Dr. Oetker.

25.3 Motivation der Mitarbeiter und Offentlichkeitsarbeit als Basis aller Umweltaktivitaten

UmweltbewuBtes Verhalten der Mitarbeiter wird bei Dr. Oetker explizit gefordert; Kommunikation und Schulungen sollen bestehende Umweltkenntnisse vertiefen und neues Interesse wecken. UmweltschutzmaBnahmen, wie der Einsatz von um­weltfreundlichen Materialien, das Anlegen von Griinflachen, der Bau einer okolo­gischen Klaranlage und die firmeneigenen Kompostierungsanlagen, sind fur die Mitarbeiter sichtbare UmweltschutzmaBnahmen, von den en die Belegschaft profi­tiert und sie fordern die Identifikation der Mitarbeiter mit der okologischen Unter­nehmenskultur.

Das interne Vorschlagswesen belohnt umweltschutzrelevante und erfolgreiche Eingaben mit Sachpreisen. Eine Umweltschutzerklarung liegt den Arbeitsvertragen bei und dokumentiert die Bereitschaft der Mitarbeiter, aktiven Umweltschutz zu betreiben.

Die Auszubildenden und die Nachwuchsfuhrungskrafte im Unternehmen wer­den intensiv in die Umsetzung der Umweltphilosophie eingebunden und fuhren Umweltprojekte durch.

Die fur den Umweltschutzbereich bedeutsame Kommunikation beinhaltet den intensiven Kontakt zu Hochschulen und Universitaten sowie den Dialog mit der Offentlichkeit durch Broschiiren, Umweltberichten und Medienarbeit.

Umwelttagungen und -veranstaltungen unterstiitzen den standigen Wissensaus­tausch mit Experten und der interessierten Offentlichkeit.

Page 329: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

25 Umweltschutz bei der Firma Dr. Oetker Nahrungsmittel KG 327

25.4 Die organisatorische Ausgestaltung des betrieblichen Umweltschutzes

Die Organisation des Umweltschutzes dient der Abstimmung zwischen unterneh­merischem Handeln und okologischen Anforderungen und wird von den nachfol­genden Rahmenrichtlinien bestimmt.

In den "Rahmenrichtlinien zur Organisation des Umweltschutzes" wurde festge­legt, welche Position der Umweltschutz im Unternehmen einnimmt und wie der Umweltschutz zu organisieren ist.

Die nachfolgenden Rahmenrichtlinien ermoglichen die praktische Umsetzung der Umweltgrundsatze und -leitlinien.

• Bei der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG (Dr. Oetker) ist der Umwelt­schutz integraler Bestandteil der Unternehmenspotitik. Das gemeinsame Ziel ist, unternehmerisches Handeln und okologische Anforderungen in Einklang zu bringen.

• Urn die in den Dr. Oetker Umweltleitlinien festgeschriebenen Ziele zu errei­chen, wird der Umweltschutz folgendermaBen organisiert.

• Dr. Oetker ernennt einen Umweltbeauftragten, der direkt der Geschaftsfiihrung des Unternehmens unterstellt ist. Er wird mit allen notwendigen Informationen, Befugnissen und Mitteln ausgestattet, urn die festgelegten Aufgaben zu erfUllen und berichtet direkt dem fUr den Bereich Umwelt verantwortlichen Geschafts­fUhrer. Der Umweltbeauftragte ist fUr seine Funktion qualifiziert und aktuali­siert standig sein Fachwissen.

• Der Umweltbeauftragte hat die Aufgabe, Umwelt-WeiterbildungsmaBnahmen der Mitarbeiter zu initiieren und ggf. Umweltverantwortliche filr einzelne Be­reiche vorzuschlagen.

• Er ist in allen umweltbezogenen Aktivitaten des Unternehmens fUr alle Res­sorts beratend tatig.

• Er wird von der Geschaftsfilhrung und den Umweltverantwortlichen tiber ge­plante Entscheidungen informiert, sofern daraus Konsequenzen fUr die um­weltpolitischen Ziele des Unternehmens zu erwarten sind.

• Neben dem Recht, in Umweltfragen gehort zu werden, hat er - in Abstimmung mit dem zustandigen GeschaftsfUhrer - ein Mitspracherecht, sofern umweltbe­zogene Belange durch Unternehmensentscheidungen betroffen sind.

• Er koordiniert den UmweltausschuB, der sich aus den Umweltverantwortlichen und dem Betriebsrat zusammensetzt. 1m AusschuB werden Umwelt-Jahresziele formuliert und MaBnahmen in Form von Entscheidungsvorlagen fUr die Un­ternehmensleitung vorbereitet.

Page 330: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

328 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

• Er stellt die Einhaltung der Umweltsehutzgesetze und Verordnungen sieher, fuhrt Umwelt-Audits dureh und erstellt jahrlieh einen Umweltbericht fur die Gesehaftsfiihrung.

• Er pflegt Kontakte zu allen fur das Untemehmen relevanten Gespraehspartnem in Saehen Umwelt.

• Einrnal jahrlieh kommt er mit den anderen Umweltbeauftragten der Oetker­Gruppe zum Erfahrungsaustauseh zusammen, erortert aktuelle Entwieklungen und betreibt mit seinen Kollegen aus den anderen Untemehmen gruppenweit ein Umweltinformationssystem.

25.4.1 Umweltleitlinien

Die Umweltleitlinien konkretisieren die umweltsehutzorientierten Untemehmens­grundsatze und dienen als verbindlieher Leitfaden fur alle Untemehmensmitglieder von der Gesehaftsfuhrung bis zum einzelnen Mitarbeiter.

Dr. Oetker Umweltleitlinien Dr. Oetker betreibt Umweltschutz aus eigener Initiative und Verantwortung und handelt nach dem Grundsatz, daft Probleme moglichst an ihrem Ursprung zu losen sind.

Dr. Oetker entwickelt, produziert und vertreibt Produkte unter Berilcksichti­gung der relevanten Umweltgesetze und -verordnungen, wobei die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen als Mindestanforderung verstanden wird.

Dr. Oetker entwickelt, produziert und vertreibt Produkte unter weitgehender Schonung der natilrlichen Ressourcen und beachtet gleichzeitig den gesamten Lebenskreislauf der Produkte.

Zeigen neue Ergebnisse, daft Produkte, Rohstoffe oder Verpackungsmaterialien den Anforderungen des Umweltschutzes nicht mehr entsprechen, so werden diese ilberarbeitet, ersetzt oder vom Markt genommen. Bei der okologischen Verbesse­rung von Verpackungsmaterialien dilrfen Produktqualitdt und Produktsicherheit nicht gefdhrdet werden.

Dr. Oetker ist bestrebt, den Stand der Technik in der Anwendung von Umwelt­schutztechnologien in konstruktiver Zusammenarbeit mit Behorden, Wissenschaft­lern, Kunden und Lieferanten stdndig weiterzuentwickeln.

Die Vermeidung, Verminderung bzw. Verwertung von Abfdllen hat Vorrang vor der ordnungsgemdften Deponierung oder Verbrennung. Mit den Ressourcen Energie und Wasser geht Dr. Oetker sparsam um. Die Entwicklung von Produk­tionsverfahren und Produkten erfolgt in dies em Sinne.

Page 331: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

25 Umweltschutz bei der Firma Dr. Oetker Nahrungsmittel KG 329

Dr. Oetker betreibt eine offene Umwelt-Informationspolitik gegeniiber Mitar­beitern, Kunden, Verbrauchern, Lieferanten und Behorden.

Dr. Oetker betrachtet es als eine Pjlicht, bei der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter das Umweltbewuj3tsein zu fordern und die Beschaftigten zu umwelt­bewuj3tem Handeln zu motivieren und anzuhalten. Um den bereits erreichten hohen Stand auf dem Gebiet des Umweltschutzes zu erhalten und auszubauen, sind die Mitarbeiter aller Bereiche und Ebenen aufgefordert, standig und aktiv an Verbesserungen des Umweltschutzes mitzuwirken.

Der Umweltschutz als fortschreitender Prozej3 bedarf einer standigen Selbst­kontrolle und Weiterentwicklung. Deshalb stellt die Dr. Oetker-Geschdftsfiihrung durch Organisationsrichtlinien sicher, daj3 diese Umweltleitlinien in allen Berei­chen des Unternehmens umgesetzt werden.

Diese Leitlinien wurden im Oktober 1994 von August Oetker in Kraft gesetzt.

25.4.2 Der Umweltschutzbeauftragte als Institution

Umweltschutzbeauftragte konnen bei Dr. Oetker differenziert werden in haupt­und nebenamtlich Tatige und in zentral und dezentral Institutionalisierte.

Der hauptamtliche Umweltschutzbeauftragte ist Mitglied der Umweltschutz­Abteilung und direkt der Geschaftsfuhrung unterstellt. Er erhalt aile relevanten Informationen, Befugnisse und Mittel und berichtet direkt dem fur Umweltschutz verantwortlichen Geschaftsfuhrer. Der Umweltschutzbeauftragte wird tiber um­weltrelevante Entscheidungen nach den gesetzlichen Anforderungen informiert, besitzt Mitspracherecht und berat aile Ressorts bei umweltbezogenen Aktivitaten. Ein Vetorecht ermoglicht ihm betriebliche Vorgange, z. B. Investitionen, zu stop­pen, wenn nach seiner Meinung der Umweltgedanke nicht gentigend berUcksichtigt worden ist. Das ausgesprochene Veto kann nur von der Geschaftsfuhrung aufge­hoben werden.

UmweltschutzmaBnahmen werden yom Umweltschutzbeauftragten initiiert, ko­ordiniert und kontrolliert, die Kommunikation und die Mitarbeitermotivation und -schulung gef6rdert. Die Leitung des Umweltausschusses und die Koordination der Arbeitskreise fallen in den Aufgabenbereich des Umweltschutzbeauftragten. Die Einhaltung der Umweltschutzgesetze und Verordnungen werden von ihm kontrol­liert und resultierende MaBnahmen durchgefuhrt. Die Erstellung von Abfallwirt­schaftskonzepten und -bilanzen, der Umweltjahresberichte und die Pflege des Umweltschutzhandbuches unterstehen dem Umweltbeauftragten, der auch nach innovativen, okonomisch und okologisch sinnvollen Umweltlosungen sucht. Hier­bei wird das Umfeld, Abnehmer und Lieferanten, miteinbezogen.

Page 332: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

330 Kapitei 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Die dezentralen Umweltbeauftragten der auswartigen Werke wurden zur Errei­chung eines einheitlich hohen Niveaus von extemen Beratem geschult und erfiillen vor Ort umweltschutzrelevante Aufgaben. Die Aktivitaten werden von der zentra­len Umweltschutzabteilung koordiniert. Der Erfahrungsaustausch zwischen den Umweltbeauftragten erfolgt einmal jiihrlich.

25.4.3 UmweltausschuB als Lenkungsgremium

Der UmweltausschuB tagt dreimal im Jahr und setzt sich aus je einem Mitglied der Geschiiftsfiihrung, FUhrungskraften, dem Betriebsrat und dem Umweltbeauftragten zusammen. Die Aufgaben des Ausschusses sind die PrUfung der okologischen Auswirkungen von Untemehmensentscheidungen und die Beratung der Geschafts­fiihrung.

25.4.4 Arbeitskreise zur Unterstutzung der Umweltorgane

Bei der Firma Dr. Oetker KG bestehen drei Arbeitskreise, die sich mit den Bezie­hungen zwischen der Umwelt und den entscheidenden umweltrelevanten Unter­nehmensaktivitaten der Produktion, des Verpackungswesens und der Verwaltung befassen.

Der Arbeitskreis Umwelt & Produktion besteht aus den Produktionsleitem und den Umweltverantwortlichen der Bielefelder Werke, dem Betriebsrat und dem Umweltbeauftragten. Er trifft sich viermal im Jahr und erarbeitet Verbesserungen im Produktionsablaufund im Abfall- und Wertstoftbereich.

Der Arbeitskreis Umwelt & Verpackung setzt sich dreimal jiihrlich zusammen und hat die Aufgabe, die Verpackungsmittel zu reduzieren und zu optimieren.

Der dritte Arbeitskreis "Umwelt und Verwaltung" beschaftigt sich seit Herbst 1995 sehr intensiv mit dem Umweltschutz in den verschiedenen Verwaltungsbe­reichen der Zentrale.

Page 333: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

25 Umweltschutz bei der Firma Dr. Oetker Nahrungsmittel KG 331

25.5 Instrumente der okologischen UnternehmensfOhrung

25.5.1 Das Umwelt-Audit

Erste Umwelt-Audits wurden bei der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG (Dr. Oetker) bereits ab 1989 von externen Beratungsgesellschaften durchgefiihrt. Sie dienten damals wie heute der Beurteilung und Verbesserung des Umweltschut­zes im Unternehmen, des Umweltmanagements und der Umweltschutzeinrichtun­gen. Seit 1992 fiihren wir flir aile Werke Umwelt-Audits in eigener Regie durch. Ober die Auditergebnisse (MaBnahmenkataloge) erhalt die Firmenleitung wichtige Daten und Informationen zur Umweltsituation des Unternehmens. Festgestellte Fehler und Mangel werden im AnschluB an das Audit durch entsprechende MaB­nahmen korrigiert, wodurch eine kontinuierliche Umweltverbesserung im Unter­nehmen erreicht wird. Die beim internen Umwelt-Audit eingesetzten Unter­suchungsteams bestehen aus qualifizierten und geschulten Mitarbeitern. Durch die aktive Beteiligung am Auditvorgang werden unsere Mitarbeiter flir betriebsbe­zogene Umweltthemen sensibilisiert und zu umweltgerechtem Verhalten motiviert. Bisher fiihrten wir interne Umwelt-Audits in den Werken Bargteheide, Bielefeld, Bielefeld-Brackwede, Oerlinghausen, Ettlingen, Hameln, Wittlich, Wittenburg sowie in der Unternehmensdruckerei durch. Bei unseren auslandischen Tochter­unternehmen wurden Umwelt-Audits bereits in Osterreich, Italien und der Schweiz durchgeflihrt.

Nach den Vorgaben der EG-Verordnung umfaBt die Umweltbetriebspriifung ei­ne systematische, regelmliBige, objektive und dokumentierte Bewertung der Lei­stung der Organisation, des Managements und der Ablaufe zum Schutz der Um­welt, d. h. es werden sowohl die MaBnahmen zum Schutz der Umwelt als auch die FunktionsHihigkeit des Umweltmanagement-Systems iiberpriift.

Durch die bisher durchgefiihrten zahlreichen Umwelt-Audits im In- und Aus­land liegen in der Umweltabteilung und im Unternehmen ausreichend praktische Erfahrungen zur Durchflihrung derartiger Untersuchungen vor. Ais besonders wichtig stellte sich heraus, daB das Umwelt-Audit moglichst wenig zusatzlichen Aufwand bzw. Zusatzkosten verursachen darf. Unter dieser Prlimisse wurde das auf Dr. Oetker zugeschnittene Audit-Programm kontinuierlich optimiert.

Unser primares Ziel war ein weitgehend standardisiertes Auditsystem zu erstel­len, das den zu auditierenden Dr. Oetker-Produktionsstatten aufkostengiinstige Art und Weise ermoglicht, Umwelt-Schwachstellen im Unternehmen zu erkennen und eine Standortbestimmung flir die Umsetzung der EG-Verordnung zu erhalten.

Page 334: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

332 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

GroBer Wert wurde bei der Systementwicklung darauf gelegt, daB trotz weitge­hender Standardisierung ein moglichst hoher Grad an FlexibiliUit erhalten bleibt.

Unabhangig von den untemehmensspezifischen Zielen orientiert sich das von Dr. Oetker praktizierte Auditsystem in vollem Umfang an den Vorgaben der EG­Oko-Audit-Verordnung.

Eine Zertifizierung nach ISO 14001 halten wir nicht fUr angebracht, da wir die Wirksamkeit der EG-Oko-Audit-Verordnung - allein schon durch die Umwelter­kliirung - hoher bewerten.

Als Ergebnis des Audits wird ein umfassendes Gesamtbild zurn "Umwelt- Ma­nagement- System" und den Auswirkungen auf die Umwelt des auditierten Betrie­bes erstellt.

Das Dr. Oetker Audit-System Das Umwelt~Audit in einem Untemehmen ist kein Selbstzweck, sondem verfolgt ganz konkrete Untemehmensziele. Von daher ist es wesentlich, daB das Audit­System sich flexibel den Erwartungen und den Zielen des Untemehmens anpassen kann. Ein Umwelt-Audit mit dem Ziel einer evt!. spiiteren "EU-Zertifizierung" muB aIle Aspekte des Umwelt-Management-Systems in gleichem MaBe betrachten. Der von uns bisher praktizierte mehrstufige Aufbau setzt sich aus den drei wesent­lichen Arbeitsschritten

• Vorbereitungsphase • DurchfUhrungsphase • Nachbearbeitungsphase

zusammen. Urn einen reibungslosen Projektablauf mit minimaler StOrwirkung auf den Normalbetrieb des Untemehmens zu gewahrleisten, wird der gesamte Audit-ProzeB bereits im Vorfeld sehr exakt geplant. Urn einen moglichst geringen Arbeitsaufwand sicherzustellen, wird die gesamte Abwicklung durch vorbereitete Arbeitspapiere und Arbeitsunterlagen wesentlich erleichtert und vereinfacht. Trotz dieser Standardisierung sind ausreichend Freiheitsgrade enthalten, urn die unter­nehmensspezifischen Belange optimal berUcksichtigen zu konnen. Dabei kommt der verwendeten Auditmethode eine wesentliche Bedeutung zu.

PrOfungsziele Diese mUssen eine Erfassung und Bewertung des gesamten Umweltmanagement­Systems bezUglich Umweltpolitik ink!. der gesetzlichen Vorgaben, Umweltziele und -programme sowie die Auswirkungen auf die Umwelt beinhalten.

PrOfungsumfang Der Schwerpunkt liegt auf dem bereichsUbergreifenden Umweltmanagement­System. Es ist moglich die UmweltbetriebsprUfung zuniichst fUr einzelne Bereiche oder Tiitigkeiten am Standort durchzufUhren. Spiitestens drei Jahre nach AbschluB der ersten UmweltprUfung muB der gesamte Standort erfaBt worden sein (voll­stiindiger UmweltbetriebsprUfungszyklus).

Page 335: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

25 Umweltschutz bei der Firma Dr. Oetker Nahrungsmittel KG 333

Der Auditbericht Das offizielle schriftliche Berichten der Auditergebnisse ist der letzte und we­

sentliche Schritt im gesamten AuditprozeB. Der Auditbericht faBt in komprimierter Form die elementaren Befunde zusammen. Unmittelbar verbunden mit der zu­sammenfassenden Berichtsdarstellung ist eine Bewertung der Sachverhalte nach Prioritaten.

Der wichtigste Teil des Auditberichtes ist der Befunds-/ MaBnahrnenkatalog. Dieser Katalog ist so aufgebaut, daB er als Arbeitspapier fur die Zukunft zu verste­hen ist und enthalt zusatzlich die nachfolgenden Angaben:

• Einzelheiten des PrUfungsprogramms (Ziele, Zeitablauf, Umfang und Mitglie-der des PrUfungsteams),

• Referenzdokumente anhand derer das Umwelt-Audit durchgefuhrt wurde, • festgestellte Abweichungen von den gesetzlichen oder betrieblichen Vorgaben, • Fortschritte des Umweltschutzes am Standort im Vergleich zu friiheren Um­

weltuntersuchungen • Wirksamkeit des Umweltmanagement-Systems, • Vorschlage fur KorrekturmaBnahrnen.

Nachbereitungsphase I KorrekturmaBnahmen umsetzen 1m AnschluB an den PrUfungsbericht werden die KorrekturmaBnahrnen zur Besei­tigung der erkannten Schwachstellen durchgefuhrt. Hierfur muB festgelegt werden, wer fur die Umsetzung der MaBnahmen zustandig ist (z. B. PrUfungsteam oder Umweltverantwortlicher) und welcher Zeitraum einzuhalten ist.

Umweltziele erneuern 1m AnschluB an die UmweltbetriebsprUfung erfolgt die Formulierung der neuen Umweltziele, urn der Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung des betrieb­lichen Umweltschutzes gerecht zu werden. Zu ihrer Umsetzung mUssen die bishe­rigen Umweltprogramme entsprechend angepaBt werden.

Anpassung des Umweltmanagement-Systems an neue Ziele Mit der betrieblichen Umweltpolitik hat sich Dr. Oetker zu einer angemessenen kontinuierlichen Verbesserung der Umweltschutzleistungen verpflichtet. Betroffen sind die gesamten Oetker-Betriebe mit allen Tatigkeiten, Produkten und Dienst­leistungen. Anhand der Ergebnisse der UmweltbetriebsprUfung muB die hochste geeignete Managementebene (z. B. der Verantwortliche fur das Umweltmanage­ment-System) neue Umweltziele setzen und Umweltpolitik und -programme diesen V orgaben anpassen.

Fazit Die Geschaftsfuhrung und die Mitarbeiter der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG befurworten die Durchfuhrung von Umwelt-Audits. Nach anfanglicher Skepsis sehen inzwischen die Mitarbeiter ein Umwelt-Audit als einen ehrlichen "Weg" zu

Page 336: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

334 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

einem guten praktizierten Umweltschutz im Untemehmen an. Umweltschutz ist fur sie kein leeres Wort, sondem ein durch das Umwelt-Audit faBbar gewordenes Gebilde. Als Ergebnis der bisher bei Dr. Oetker durchgefuhrten Umwelt-Audits und den damit einhergehenden kontinuierlichen Verbesserungen des Umweltzu­standes in den jeweiligen Betriebsstandorten, kann festgehalten werden:

Am Umwelt-Audit geht auch in den nachsten Jahren kein Weg vorbei, denn die bisher gewonnenen Erkenntnisse sind fur das Untemehmen Dr. Oetker weder End­ergebnis noch Idealzustand, sondem Verpflichtung fur eine aktive Zukunftsstrate­gie im Umweltschutz.

Somit stehen wir auch der EG-Oko-Audit-Verordnung positiv gegeniiber und werden noch in diesem Jahr die ersten Standorte validieren lassen.

25.5.2 ZusammenfUhrung von Qualitiits- und Umweltmanagement

Bei Dr. Oetker werden z. zt. die einzelnen Werke nach ISO 9001 zertifiziert. Gleichzeitig wird an der Umsetzung der EG-Oko-Audit-Verordnung gearbeitet. Das bedeutet, daB ein sehr groBer Arbeitsaufwand sowohl im QM-Bereich als auch in der Umweltabteilung besteht. Liegt es da nicht nahe, Uberlegungen anzustellen, ob durch eine Zusammenfuhrung der Systeme ggf. Synergieeffekte genutzt werden konnen, was wiederum Zeiterspamis und somit Kostenreduzierung zur Folge hatte.

Betrachten wir die beiden Systeme etwas naher. Zielsetzung des QM ist es, durch systematisches V orgehen ein definiertes Qualitatsniveau zu erreichen und aufrecht zu erhalten. Das QM hat sich weltweit durchgesetzt und wird auch in Zukunft Anwendung finden.

Das Umweltmanagement definiert die Aufgaben, mit denen die Umweltpolitik entwickelt, umgesetzt und aufrechterhalten wird.

Wie Dr. Oetker, haben auch viele andere Untemehmen die EG-Oko-Audit­Verordnung als wirkungsvolles Instrument im betrieblichen Umweltschutz begriiBt und eingefuhrt. Es werden aber auch Gegenleistungen in Form von Deregulierun­gen und anderen Erleichterungen vom Staat erwartet.

DaB betriebliche Umweltschutzmanagement ist Teil der Zielsetzung, durch die kontinuierliche Weiterentwicklung des Umweltschutzes in Deutschland und schlieBlich auch in Europa das Uberleben der Menschheit auf der Erde dauerhaft zu sichem.

Das Qualitatsmanagement dagegen ist ein Konzept zur Verbesserung des Un­temehmenserfolges. Die Systeme gleichen sich also nicht in allen Bereichen. Trotzdem mochten wir versuchen, sie so sinnvoll wie moglich miteinander zu verbinden. Es ist daher u. a. die Frage zu klaren, aufwelche Weise die Systeme auf betriebswirtschaftlicher Ebene zusammengefuhrt werden konnen.

Page 337: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

25 Umweltschutz bei der Firma Dr. Oetker Nahrungsmittel KG 335

Filr eine derartige Zusammenfuhrung ist die Bereitschaft in der Industrie zwar vorhanden (schon wegen der erhofften Synergieeffekte), aber es fehlen noch ge­setzliche Regelungen und auBerdem die Erfahrung, wie eine solche Zusammenfuh­rung am besten zu bewerkstelligen ist.

Ansatze fur die Zusammenfuhrung der Systeme beinhalten die Normen ISO 9000 ff. fur das QM und "ISO 14001" fur das Umweltmanagement, denn diesen Normenreihen Iiegt die gleiche Systematik zugrunde. Wir werden deshalb zur Zusammenfuhrung von QM und UM wie folgt vorgehen:

1. Integration der Systeme in die Aufbau- und Ablauforganisation. 2. Zusammenfuhren der QM- und UM-Verfahrens- und Arbeitsanweisungen

eben falls unter Einbeziehung von Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. 3. Prilfung von QM und UM durch einen fur beide Systeme zugelassenen Gut­

achter, mit dem Ziel der gleichzeitigen Zertifizierung / Validierung.

Betriebliche Ablaufe erhalten durch die Zusammenfuhrung der Systeme eine noch groBere Transparenz. Der personelle Einsatz von Mitarbeitem kann besser genutzt und auBerdem konnen Kosten eingespart werden.

Zum Autor

Gunter Larisch, Jg. 1933, in Meuselwitzl Thilringen geboren. Nach der kaufmannischen Ausbildung begann er 1954 seine berufliche Tatigkeit bei der zur Oetker-Gruppe gehoren­den REESE-Gesellschaft in Hameln als Buch­halter. Zwei Jahre spater wechselte er im selben Untemehmen in die Einkaufsabteilung. 1967 erfolgte seine Emennung zum Einkaufsleiter und 1978 ging er in die Oetker-Zentrale nach Bielefeld und wurde dort Abteilungsleiter des Verpackungsmitteleinkaufes. Nachdem er in den folgenden Jahren zusatzliche Aufgaben ilbemommen hatte, wurde er 1981 zum Ein­kaufsleiter emannt. Innerhalb dieses Aufgaben-gebietes ilbemahm er 1987 zusatzliche Aufga­

ben als Umweltbeauftragter der Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG. 1990 erfolgte die Emennung zum hauptberuflichen Umweltbeauftragten. Ab 1996 wurde sein Aufgabenbereich auf Oetker-Intemational erweitert.

Page 338: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

26 Agrar-Oko-Audit und okologischer Landbau zwischen Verbrauchertauschung und verbessertem Umweltschutz

Manon Haccius und Hanspeter Schmidt

Die ersten Entwtirfe der "Hammer Thesen zum Agrar-Oko-Audit" yom 21.02.1996 sagen, es sei ein "Oko-Audit-Qualitatssiegel" anzustreben, das "die erfolgreichen Ansatze des integrierten Pflanzenschutzes, des kooperativen Wasserschutz, die stickstoff- und phosphatreduzierte Flitterung oder die Erstellung von Dlingebilan­zen und anderer MaI3nahmen" einbeziehe, denn ein "solches Qualitatssiegel" gebe "dem Verbraucher eine Garantie fur standort- und umweltgerechte Produktion" (These 6). Andere Beitrage sprechen die Moglichkeit eines "'System-Oko-Audit' der Emahrungsindustrie" (Abresch) an, der "insbesondere die landwirtschaftliche Urproduktion einbeziehen" solie.

Die Verordnung 1836/93 des Rates der Europaischen Gemeinschaft regelt das "Oko-Audit". Es gilt in allen Mitgliedstaaten wie ein nationales Gesetz. Es sieht die Prlifung von gewerblichen Betrieben vor, fur landwirtschaftliche Betriebe gilt es jedoch nicht.

Dieser Beitrag behandelt folgende Fragen: (1) Was leistet das EG-Oko-Audit fur Untemehmen der Emahrungsindustrie, die Agrarerzeugnisse verarbeiten? (2) Was konnte ein an die EG-Verordnung "angelehnter", privater, nicht auf der EG­Verordnung beruhendas Oko-Audit fur die Landwirtschaft bewirken? Was konnte er fur (3) die konventionell bewirtschafteten Betriebe leisten und was fur (4) Be­triebe des okologischen Landbaus? (5) 1st fur den Bereich der landwirtschaftlichen Urproduktion ein "Oko-Audit-Qualitatssiegel", das dem Verbraucher Garantien geben soli, zumindest in "Anlehnung" an die EG-Oko-Audit-Verordnung zulassig? (6) Soli die Landwirtschaft 1998 bei der Fortschreibung das EG-Oko-Audit­Verordnung in deren Geltungsbereich aufgenommen werden?

Flir die Antworten sind drei gesetzlich geregelte Grundsatze besonders wichtig:

• Die exteme Validierung des EG-Oko-Audit verlangt nicht mehr Umweltschutz im zertifizierten Untemehmen als durch das gesetzliche Minimum vorgeschrie­ben. Das Oko-Audit-Logo (Stemenkreis), das fur den erfolgreichen Audit steht, belegt daher nicht zwingend einen gesteigerten Umweltschutzstandard der be­trieblichen Praxis.

Page 339: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

338 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

• Das Oko-Audit darf nicht der Produktwerbung dienen. Das Oko-Audit-Logo darf daher nicht so verwendet werden, daB damit potentielle Kaufer von Pro­dukten angesprochen werden.

• Die besondere Art der Agrarerzeugung, die Umweltschutz so gewahrleistet, wie dies nach den international anerkannten Stand der Praxis des Okolandbaus moglich ist, hat der Rat der Gemeinschaften in der Verordnung Uber den oko­logischen Landbau 2092/911EWG yom Juni 1991 gesetzlich definiert.

26.1 EG-Oko-Audit fUr lebensmittelverarbeitende Unternehmen

Das EG-Oko-Audit bietet fUr Unternehmen der Ernahrungsindustrie, die Agrarer­zeugnisse verarbeiten, nicht die Moglichkeit, dem Verbraucher eine Garantie fUr standort- und umweltgerechte Produktion zu geben. Dies ist ausdrUcklich verbo­ten l , denn das Oko-Audit darfnicht der Werbung urn Kaufer dienen.

Nach der externen Validierung dUrfen die Unternehmen fUr die Betriebsstatten, in denen ein Umweltmanagementsystem im Sinne der Verordnung eingerichtet wurde, das Oko-Audit-Logo verwenden. Wie aber darf das Logo praktisch verwen­det werden? Ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise kann durch diese Teilnahmeerklarungen zu Fehlvorstellungen gelangen2. Die Mitteilung, der produzierende Betrieb habe sich einem Oko-Audit unterzogen, kann in der Wahr­nehmung des Publikums leicht zu MiBverstandnissen fUhren. So kann die Reich­weite der mit dem Audit verbundenen Garantien bezUglich der Umweltfreundlich­keit der Herstellung oder der umweltschonenden Eigenschaften des hergestellten Produktes Uberschatzt werden. Dies hatte der Gemeinschaftsgesetzgeber erkannt und in der Foige der Verwendung des Teilnahmevermerks enge Grenzen gesetzt: Die Teilnahmeerklarung darf nicht in der Werbung fUr Produkte und nicht auf Produkten oder ihren Verpackungen eingesetzt werden3 . Nur "in der allgemeinen Unternehmenswerbung und Kommunikation" darfsie eingesetzt werden4 •

Bleibt dem Oko-Audit angesichts dieser beschrankten Verwendbarkeit noch Raum? 1st die "allgemeine Unternehmenswerbung" eine unattraktive Verwen­dungsnische? Bleibt Uberhaupt noch ein Anreiz fUr Unternehmen, sich dem Oko­Audit zu unterwerfen? Worin sollte der Anreiz Uberhaupt liegen? MuB das Verbot der produktbezogenen Werbung eng ausgelegt werden, damit Uberhaupt noch ein Teilnahmeanreiz verbleibt?

I) "Die TeilnahmeerkUlrung darf weder in der Produktwerbung verwendet noch auf den Erzeugnissen selbst oder auf ihrer Yerpackung angegeben werden" Art. 10 (3) YO 1 836/93/EWG

2) A. Wiebe, Umweltschutz durch Wettbewerb, NJW 1994,289,293 3) Art. 10 Abs. 3 VO 1836/93/EWG 4) G. Liibbe-Wolf, Das Umweltauditgesetz, NuR 1996,217

Page 340: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

26 Agrar-Oko-Audit und Okologischer Landbau 339

Die "allgemeine Unternehmenswerbung und Kommunikation" wendet sieh im Gegensatz zur Werbung fUr Produkte nieht an die potentiellen Kiiufer der Pro­dukte, sondern an andere interessierte Kreise ("Stakeholders" des Betriebes). Das dureh das Oko-Audit-Logo dokumentierte Umweltmanagement, eingefUhrt naeh den Regeln der Teehnik und gesichert dureh einen internen Audit mit externer VaIidierung, ist dem Unternehmen in anderer Weise vielfaltig nUtzIieh5:

• Banken zeigt das erfolgreiehe Oko-Audit, daB das Risiko noeh unerkannter Kostenfaktoren dureh Altlasten oder Umweltsehadensgeneigtheit der Betriebs­stiitte minimiert ist;

• Versieherungen werden die gesehaffene Transparenz bei der Beurteilung der Versieherbarkeit und bei der Gestaltung der Konditionen berueksiehtigen kOnnen;

• Triiger OffentIieher FOrderprogramme kOnnen die dureh das Oko-Audit ge­sehaffenen Naehweise in ihren Vergabebedingungen und -verfahren beruek­sichtigen;

• Investoren und Kapitaleignern wird der naehhaltige Marktwert des Untemeh­mens naeh dem Konzept des "shareholder value" (A. Rappaport) vermittelt. Das EG-Oko-Audit erleiehtert die Oberzeugungsarbeit, die von der Investoren­betreuung der Untemehmens geleistet werden muB: Es kann gezeigt werden, daB Umweltsehadensrisiken und dadureh drohende Wertverluste dureh vorsor­gendes Umweltmanagement klein gehalten werden6;

Es zeigt sieh, daB das Oko-Audit-Logo als "eigentIiehes Agens,,7 des gemein­sehaftsreehtliehen Oko-Audits seinen Reiz nieht dadureh verIiert, daB es nieht zur produktbezogenen Werbung eingesetzt werden kann.

Es gibt angesiehts der FUlle wiehtiger Adressaten und des Gebrauehswertes der Teilnahmeerkliirung fUr diese Adressaten keinen Grund, die EG-Verordnung ent­gegen ihrem Wortlaut und ihrem Sinn so auszulegen, als sei mit dem Oko-Audit­Logo Untemehmenswerbung, die sieh an potentielle Produktkiiufer wendet, zuliis­sig. Die Kommunikation des Audit an diese Personengruppe ist immer unzuliissig, da sie auf deren KaufentsehluB zielt. Dem breiten Kreis potentieller Kiiufer darf die Teilnahmeerkliirung nieht mitgeteilt werden, weil der Gemeinsehaftsverord­nungsgeber das Risiko der IrrefUhrung des Verbrauehers dureh die produktbezo­gene Kommunikation des Oko-Audit als hoeh eingesehiitzt und konsequent die Produktwerbung mit dem Oko-Audit verboten hat. Dieses Verbot gilt streng. FUr eine korrigierende, einsehriinkende Auslegung des Werbeverbotes ist angesiehts der vielfaltigen anderen Teilnahmeanreize kein Raum.

Was bedeutet dies praktiseh fUr die Verwendung des Teilnahmevermerks? Darf das Oko-Audit-Logo auf BrietbOgen gesetzt werden? Ja, wenn die BOgen fUr die Korrespondenz und nieht etwa im Rahmen einer breitangelegten Hauswurfsendung

5) J. Lux, Das EU-Oko-Audit, 1995, S. 304 ff. (Publikation der Sparkassen!) 6) Neue ZUrcher Zeitung (NZZ), Verteufelter Shareholder value, 24.125.08.1996, Nr. 196, S. 9 7) G. LUbbe-Wolf, Das Umweltauditgesetz, NuR 1996,217

Page 341: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

340 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

verwendet werden. Darf es in Firmenprospekten fur Geschaftskunden verwendet werden? la, wenn die Leistungsfahigkeit des Betriebes einem Fachpublikum dar­gestellt wird, das fur eine betriebliche Zusammenarbeit gewonnen werden soll. Darf es in einer fur die Verteilung an Privathaushalte bestimmten Veroffentli­chung, beispielsweise einem Katalog oder einer lubilaumsschrift verwendet wer­den? Nein, der Teilnahmevermerk darf nicht gegeniiber Empfangem verwendet werden, die als Verbraucher angesprochen werden, denn sie werden in erster Linie als potentielle Kunden angesprochen. Dies schlieBt die Verwendung des Oko­Audit-Logos in allen Medien und Formen aus, die sich an den Kreis moglicher Produktkaufer wenden und die nicht praktisch ausschliel3lich die am Untemehmen aus anderen Grunden interessierten Gruppen oder Einrichtungen (Aktionare, Inve­storen, Banken, Versicherungen und andere Stakeholders) erreichen sollen. Darf es in Anzeigen veroffentlicht werden? la, in Borsenzeitungen und anderen Wirt­schaftspublikationen, die sich an andere Gruppen als an potentielle Kaufer richten. Dementsprechend darf es nicht in Publikumsmedien veroffentlicht werden, die die Masse der Kaufinteressierten erreichen. Ein Inserat, das einen Betrieb mit dem Oko-Audit-Logo im "Handelsblatt" vorstellt, kann unter diesem Aspekt zulassig sein, das im "Stem" nicht.

Ein Untemehmen kann also die Praxis seines betrieblichen Umweltschutzes durch seine Teilnahme am EG-Oko-Audit gegeniiber Banken, Investoren und anderen am Wohlergehen des Betriebs Interessierten dokumentieren. Es fallt nun aber auf, daB im August 1996 bei den Industrie- und Handelskammem 275 Unter­nehmensstandorte registriert waren, die am Oko-Audit teilgenommen haben. "Spitzenreiter ist das Emahrungsgewerbe"s: 14,2 Prozent aller Betriebe dieses Wirtschaftszweiges haben nach Angaben der DAU die Berechtigung erworden, das Oko-Audit-Siegel zu fuhren. Es kann vermutet werden, daB die lebensmittel­verarbeitenden Untemehmen keinen h6heren Bedarfhaben, die Qualitat ihres Um­weltmanagements gegeniiber ihren Stakeholders zu dokumentieren, als die Che­mie. Es liegt daher nahe, daB der vergleichsweise hohen Zertifizierungsrate in der Lebensmittelindustrie das MiBverstandnis zugrundeliegt, es sei zulassig, sich ge­geniiber dem Verbraucher auf das Oko-Audit zu berufen, durch ihn einen Beitrag zu einer sauberen Umwelt zu dokumentieren und dadurch einen Wettbewerbsvor­teil zu erlangen. Gerade dies ist aber - wie dargestellt - aus Grunden des Verbrau­cherschutzes nicht zulassig.

8) Sliddeutsche Zeitung, 22.08.1996, Nr. 193, S. 19

Page 342: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

26 Agrar-Oko-Audit und Okologischer Landbau 341

26.2 Oko-Audit fur die Landwirtschaft

Was ein "Oko-Audit" ist, hat die Verordnung der Europaischen Gemeinschaften9,

die wie ein nationales Gesetz in allen Mitgliedstaaten direkt anwendbar ist lO, ver­bindlich geregele 1. Landwirtschaftliche Erzeuger konnen am gesetzlichen EG­Oko-Audit nicht teilnehmen, wohl aber die lebensmittelverarbeitenden Untemeh­menl2.

9) Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates tiber die freiwillige Beteiligung gewerblicher Untemeh­men an einem Gemeinschaftssystem fUr das Umweltmanagement und die Umwe!tprtifung yom 29. Juni 1993; AB!. EG L 168, S. I, ber. AB!. EG L 203, S. 17

10) Das "Gesetz zur AusfUhrung der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates yom 29. Juli 1993 tiber die freiwillige Beteiligung gewerblicher Untemehmen an einem Gemeinschaftssystem fUr das Um­weltmanagement und die UmweltbetriebsfUhrung (Umweltauditgesetz - UAG)" yom 7. Dezember 1995, veroffent!. BGB!. I 1591, regelt nur die wenigen Punkte, die der gemeinschaftrechtliche Ver­ordnungsgeber den Mitgliedstaaten zur Regelung anvertraut hat: Verfahren der Gutachterzulassung, Aufsicht tiber die zugelassenen Gutachter, Ftihrung des Registers gepriifter Betriebsstandorte. Vor­rangig ist immer der Text der Ratsverordnung 1836/93.

II) Die VO I 836/93/EWG verbietet in Art. 10 (3) die Produktwerbung mit dem EG-Oko-Audit, spricht aber die Schaffung anderer umweltorientierter Betriebsprtifungssysteme und die Werbung damit nicht an. Diese Problematik ist vielmehr im Wettbewerbsrecht (Gesetz gegen den unlauteren Wett­bewerb) und im den Verbraucherschutzregelungen des Lebensmittelrechts geregelt: "Wer im ge­schilftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs tiber geschaftliche Verhaltnisse, insbesondere tiber ... den Ursprung, die Herstellungsart ... einzelner Waren ... oder des gesamten Angebots ... irre­flihrende Angaben macht, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden" (§ 3 UWG). Mallgeblich ist die Bedeutung, die der werbenden Aussage nach der Anschauung eines nicht vOllig unbeachtlichen Teils des angesprochenen Verkehrskreises zukommt (BGHZ 90, 604, 605 - Dr. S.­Arzneimittel). Der Eindruck des fltichtigen Durchschnittsbeschauers, der die Werbebehauptung ungezwungen und unkritisch wahmimmt, ist mallgebend (BGHZ 70, 425, 426 - Melitta-Kaffee). 1m Regelfall greift das Verbot wenn mindestens 10% der Verkehrsteilnehmer getiiuscht werden (BGH GR 79, 716, 718). Je nach der Bedeutung der Werbeaussage kann dieser Mindestanteil ge­tiiuschter Verbraucher abweichen und zwischen 5 % und 20 % liegen (BaumbachiHefermehl, Wett­bewerbsrecht, 18. Aufl., Mtinchen 1995, § 3 UWG, Anm. 27). Wenn ein Produkt mit der Aussage angeboten wird, das herstellende Untemehmen habe an einem Oko-Audit teilgenommen und dieser Audit entspricht nicht den Anforderungen der Verordnung, ist dies durch § 3 UWG verboten, wenn etwa 10 % der Verbraucher, die von der Werbung erreicht werden, den Eindruck gewinnen, hier handle es sich urn den EG-Oko-Audit gemall der VO 1836/93. Trifft die Aussage aber zu, handelt es sich also wirklich urn einen verordnungskonformen Oko-Audit ist sie wegen Verstolles gegen Art. 10 (3) der VO I 836/93/EWG untersagt und in Deutschland durch § 1 UWG verboten: "Wer im geschiiftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vomimmt, die gegen die guten Sitten verstollen, kann aufUnterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden". Wer sich durch Millachtung einer gesetzlichen Vorschrift einen Vorsprung vor Mitbewerbem zu ver­schaffen versucht, handelt wettbewerbswidrig, wenn die gesetzliche Norm dem Schutz der Verbrau­cher vor Irreflihrung dienen soli (BGHZ 70, 558, 559 - Sanatorium: BGH GR 84,376 - Johannis­beerkonzentrat).

12) Das Oko-Audit eines landwirtschaftlichen Erzeugers kann kein EG-Oko-Audit im Sinne der VO 1836/93 sein. Geriert sich ein Gutachter, der in einem landwirtschaftlichen Betrieb ein Oko-Audit durchflihrt, als sei er ein Gutachter im Sinne der VO 1836/93, flihrt er gegebenenfalls den Auftrag­geber und durch dessen Werbung mittelbar auch dessen Kunden irre.

Page 343: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

342 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Konnen Landwirte sich aber einem privaten Oko-Audit unterwerfen, der sich an die Oko-Audit-Verordnung anlehnt? la, aber das Leistungsspektrum des privaten Audit darf nicht hinter das des gesetzlichen Audit zuruckfallen, damit die "stakeholders", denen der private Audit vorgelegt wird, nicht irregefiihrt werden. Der gesetzliche Audit umfa13t die folgenden Schritte, die der private Audit nach­vollziehen mu13, sofern es sich nicht urn Schritte handelt, denen eine gesetzliche Regelung zugrundeliegen mul3: Das Unternehmen mul3 (I) eine erste Beurteilung der Betriebsstatte unter dem Gesichtspunkt ihrer Auswirkung auf die Umwelt durchfuhren;(2) ein umweltorientiertes betriebliches Programm fur die Betriebs­statte (Umweltmanagementsystem) einfuhren, das sich auf aile betriebliche Vor­gange bezieht;(3) eine interne Umweltbetriebsprufung der Betriebsstatte durchfiih­ren;(4) das betriebliche Umweltprogramm entsprechend den Ergebnissen dieser Prlifung liberarbeiten;(5) eine Umwelterklarung erstellen;(6) die Umweltziele, das Programm, das Umweltbetriebsfuhrungssystem, die Umweltbetriebsprlifung und den Umweltbericht von einem extern en Umwelt-Auditor prufen und bestatigen lassen;(7) den bestatigten Umweltbericht der im entsprechenden Mitgliedstaat zustandigen Verwaltungsstelle vorlegen;(8) den Umweltbericht publizieren.

Das Oko-Audit bewirkt, ahnlich wie die Vorbereitung auf die Zertifizierung nach der Qualitatssicherungsnorm ISO 9000, da13 sich die Betriebsleitung nach­haltig mit Moglichkeiten der Optimierung von betrieblichen Ablaufen in einer systematischen Weise und unter dem Einflul3 externen Expertenwissens ausein­andersetzt. Sie mul3 ein strukturiertes Umweltmanagement einrichten. Die Opti­mierung zielt auf die Verbesserung der Nutzung von natiirlichen Ressourcen und die Verringerung der umweltbeeintrachtigenden Wirkungen des Betriebs. In die­sem Proze13 der Reflexion und Umsetzung der optimierten Strategien liegt der Wert des Oko-Audits. Es ist ein Managementinstrument, das allen Beteiligten die umweltrelevanten Auswirkungen des Betriebs und die betrieblichen Moglichkeiten der Verringerung schadlicher Auswirkungen vor Augen fuhrt. Dieses Betriebsfuh­rungs instrument kann auch fur landwirtschaftliche Betriebe ntitzlich sein. Beson­ders fur gro13ere Unternehmen und im Verhaltnis zu Kreditgebern und Forderungs­tragem. Das Verbot der Verwendung des betrieblichen Oko-Audit zur Absatzfor­derung durch Ansprache der Kaufer gilt fur die private, an die EG-Verordnung angelehnte Oko-Audit-Validierung aber ebenso wie fur die auf der gesetzlichen Vorgabe das EG-Oko-Audit-Verordnung beruhende Validierung der Ernahrungs­industrie. Das Verbot stiitzt sich auf die durch die Verordnung gepragte Verkehr­sauffassung und die Irrefuhrungsverbote des Wettbewerbs- und des Lebensmittel­rechts sowie auf die Strafbarkkeit des Betrugs.

Page 344: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

26 Agrar-Oko-Audit und 6ko\ogischer Landbau 343

26.3 Oko-Audit fur die konventionelle Landwirtschaft

Kann ein konventionell bewirtschafteter Betrieb einen privaten Oko-Audit vollzie­hen? Ja, denn auch der gesetzliche Oko-Audit verlangt keinen bestmoglichen Um­weltschutz, ja noch nicht einmal einen Umweltschutzstandard, der Uber das ge­setzliche Minimum hinausgeht. Der Agrar-Oko-Audit auf privater Basis kann da­her auch durchgefiihrt werden, wenn nur die Voraussetzungen des Pflanzenschutz­gesetzes eingehalten werden: "Pflanzenschutzmittel dUrfen nur nach guter fachli­cher Praxis angewandt werden. Zur guten fachlichen Praxis gehort, daB die Grund­satze des integrierten Pflanzenschutzes berlicksichtigt werden" (§ 6 Abs. 1 PflSchG). "Integrierter Pflanzenschutz: Eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berlicksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzen­zlichterischer sowie anbau- und kulturtechnischer MaBnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige MaB beschrankt wird" (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG). Und natUrlich die Voraussetzungen des DUngegesetzes, das verlangt, daB die "Dlingung nach Art, Menge und Zeit auf den Bedarf der Pflanzen und des Bodens unter Berlicksichtigung der im Boden verfiigbaren Nahrstoffe und organischen Substanz sowie der Standort- und Anbaubedingungen ausgerichtet wird" (Art. 1 a DlingeG). Das Oko-Audit setzt keine bestmogliche Einhaltung dieser gesetzlichen Verpflichtungen voraus, wie der okologische Landbau sie ge­wahrleistet, sondem lediglich eine systematische Anstrengung, das gesetzliche Soli zu erreichen.

Die heutige gesetzliche Regelung der EG-Verordnung gibt somit nur einen Ar­beitskatalog im Sinne einer Check-Liste vor und setzt nicht inhaltliche Vorgaben. Sie schreibt kein bestimmtes Schutzniveau, z. B. bestimmte Emissionswerte, nicht die quantifizierte Verbesserung des erreichten Niveaus, z. B. urn einen bestimmten Prozentsatz jahrlich, und auch nicht bestimmte Organisationsformen verbindlich vor. Die Gutachter prlifen zwar, ob die Anforderungen das Oko-Audit-Verordnung erfiillt sind. Da deren Zielvorgaben aber unscharf gefaBt sind, belegt ihre GUltig­keitserklarung eher die formale Erfiillung von Dokumentationspflichten, als daB sie eine Aussage liber den Leistungsstand des betrieblichen Umweltschutzes ent­hielte.

Deutschland hatte im Verordnungsgebungsverfahren die Position vertreten, daB der Nachweis des Einsatzes der "besten verfiigbaren Technologie" Voraussetzung fiir die Teilnahme am EG-Oko-Audit sein solie. Diese strenge Anforderung lieB sich nicht durchsetzen. Dementsprechend wird jetzt in Art. 3 VO 1836/93/EWG nur verlangt, daB das Untemehmen unter anderem folgendes tun muB: " ... eine betriebliche Umweltpolitk festlegen, die nicht nur die Einhaltung aller einschlagi­ger Umweltvorschriften vorsieht, sondem auch Verpflichtungen zur angemessenen kontinuierlichen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes umfaBt; diese Verpflichtungen mlissen darauf abzielen, die Umweltauswirkungen in einem sol­chen Umfang zu verringem, wie es sich mit der wirtschaftlich vertretbaren An-

Page 345: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

344 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtsehaft

wendung der besten verfugbaren Technik erreichen laBt". Der Begriff "wirt­schaftlich vertretbar" wird allgemein nicht darauf bezogen, ob die Ertragslage eines Untemehrnens die entsprechenden Investititonen erlaubt, sondem ob diese den Untemehrnen einer Branche insgesarnt zuzumuten sind. Daraus folgt eine Ni­vellierung des durch den Begriff "beste verfugbare Technik" eigentlich hohen Standards auf einen deutlich niedrigeren, der etwa dem des "Standes der Technik", wie er in der Wirtschaftspraxis umgesetzt wird und damit den geltenden einschla­gigen Umweltgesetzen entspricht.

Ein Zertifikat belegt daher nicht zwingend einen hoheren als nur einen dem ge­setzlichen MindestmaB genligenden Umweltschutzstandard der betrieblichen Pra­xis. Das werbende Herausstellen von gesetzlich Selbstverstandlichem ist wegen Irrefuhrung der Verbraucher aber untersagt13. Aus diesem Grund hat der EG-Ge­setzgeber es untersagt, mit dem EG-Oko-Audit produktbezogen urn Kaufer zu wer­ben, denn wird des Einhalten des Gesetzes als etwas Besonderes herausgestellt, wird der Verkehr bezliglich der Umstande der Produktion irregefuhrt. Diese Irre­fuhrung ist auch nach dem deutschen Wettbewerbsrecht verboten (§ 3 UWG) und sie ist, wenn sie sich auf Lebensmittel bezieht, nach dem Lebensmittelrecht unzu­lassig (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG). Das Verbot der Produktwerbung mit dem Oko­Audit gilt daher auch fur den privaten Audit. Dieser Zusammenhang ist aber zu­gleich die Voraussetzung dafur, daB das Audit zumindest zum Zweck der Infor­mation derjenigen zulassig und sinnvoll ist, die nicht potentielle Kaufer sind. Das Verbot der Produktwerbung mit dem Oko-Audit gilt fur Produkte aus konventio­neller Landwirtschaft besonders streng, denn die Verbraucher werden dann, wenn ein Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse seine Produkte anbietet und sie in der einen oder anderen Weise von ihm erfahren, daB der Verarbeitungsbetrieb und eventuell sogar die zuliefemden Landwirte einen Oko-Audit durchlaufen haben, nichts anderes vermuten, als daB eine landwirtschaftliche Produktion und die Ver­arbeitung der Produkte den Grundsatzen des okologischen Landbaus entspricht: Der durchschnittliche Verbraucher wird, wenn er yom Begriff "Oko" bezogen auf landwirtschaftliche Erzeugnisse hort, ein "Okoprodukt" eines nach den Regeln des okologischen Landbaus wirtschaftenden Betriebes erwarten. DaB sich die Aussage im Fall des "privaten" Oko-Audits eines Tierhalters womoglich nur darauf bezieht, daB die Schadstofffracht des Abwassers einer Schweinemasterei verringert wurde, wlirde ihn ohne Zweifel liberraschen. Er wlirde sich betrogen fuhlen. Dies gilt in vergleichbarer Weise fur die Werbung mit dem gesetzlichen EG-Oko-Audit durch Lebensmittelverarbeiter: Wenn beispielsweise eine Brauerei in yom Untemehmen veranlaBten redaktionellen Beitragen von Massenmedien berichten laBt, sie habe

13) § 3 UWG sehOtzt das Publikum vor irreflihrenden Werbeangaben. Wenn Eigensehafien eines Produktes herausgehoben werden, die zwar vorhanden sind, aber nur einem gesetzliehen Gebot ent­spreehen, ist die werbende Heraushebung unzulassig, wenn ein nieht unwesentlieher Teil des ange­sproehenen Verkehrskreises den Eindruek gewinnt, es werde hier mit Eigensehaften geworben, die einen Vorzug des Produktes gegeniiber andem, vergleiehbaren Produkten bewirken, wiihrend in Wahrheit diese Eigensehafien bei allen Wettbewerbem vorliegen miissen (OLG Diisseldorf WRP 85,420).

Page 346: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

26 Agrar-Oko-Audit und Okologischer Landbau 345

sich einem Oko-Audit unterzogen, werden die Kaufer des Bieres erwarten, daB Gerste und Hopfen aus okologischem Landbau stammen.

26.4 Oko-Audit fur die okologische Landwirtschaft

FUr den Okolandbau ware ein privates Oko-Audit und fur die seine Erzeugnisse verarbeitenden Untemehmen ist die Teilnahme am gesetzlichen Audit ein ntitzli­ches Instrument der umweltschutzorientierten Betriebsfuhrung. FUr die Darstellung der Leistungen des Okolandbaus gegenUber dem Verbraucher ist das Oko-Audit jedoch untauglich, da er nicht auf die Erreichung eines bestmoglichen Standards abzielt und folglich grundsatzlich nicht zur Kauferinformation taugt.

26.5 Privates "Oko-Audit-Qualitatssiegel" fUr die Landwirtschaft?

Ein privates "Oko-Audit-Qualitatssiegel" fur die Landwirtschaft , das dem Ver­braucher Garantien geben wUrde, ist systemwidrig. Es wUrde das Befolgen gesetz­licher Vorgaben als etwas Besonderes hervorheben und daher gegen das Verbot der Werbung mit Selbstverstandlichem verstoBen. Eine solche SchOpfung ware da­her nicht zulassig. Wenn das private "Oko-Audit-Qualitatssiegel" aber abweichend von dem gesetzlichen Modell des EG-Oko-Audit-Verordnung nicht das gesetzliche Minimum, sondem das Optimum an Umweltschutz in der Landwirtschaft, also die Einhaltung der Regeln des okologischen Landbaus zur Voraussetzung machen wUrde, wUrde der Verkehr nicht getauscht. FUr ein solches privates Zeichensystem gibt es aber wohl keinen Bedarf, denn diese Leistungselemente werden schon im gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem fur den okologischen Landbau geprUft und durch jede Oko-Landbauauslobung sowie den Kontrollvermerk gemaB An­hang V der Verordnung 2092/911EWG auch auf Produktpackungen mitgeteilt. Die EG-Kommission hat sich zudem im Sommer 1995 ermachtigen lassen, diesen Wortvermerk durch ein EG-Okolanbau-Logo zu erganzen l4 . Uber den gesetzlichen KontrollmaBstab hinausreichende Gewahrleistungen werden schon heute durch die PrUfzeichen der Verbande des okologischen Landbaus mitgeteilt. Ein privates "Oko-Audit-Qualitatszeichen" und ein entsprechendes Kontrollsystem konnten jedenfalls nicht gesetzeskonform parallel zum gemeinschaftsrechtlichen Kontroll-

14) Art. 13 VO 2092/91lEWG

Page 347: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

346 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

system fur den okologischen Landbau - praktisch als Alternative dazu - aufgebaut werden, sondern allenfalls so, daB die erfolgreiche Kontrolle nach der Verordnung 2092/91/EWG immer Voraussetzung fur die Teilnahme am privaten Oko-Audit ware. Aber auch bei dessen Verwendung gegeniiber dem Verbraucher ware immer sorgfaltig darauf zu achten, daB dann, wenn nur die Einhaltung der - inzischen recht strengen - gesetzlichen Vorgaben dokumentiert wurde, das Audit nie der Produktwerbung dienen darf, weil dies mit dem Verbot der Werbung mit Selbst­verstandlichem unvereinbar ware.

26.6 Aufnahme der Landwirtschaft in den Geltungsbereich der EG-Oko-Audit-Verordnung

Wenn die landwirtschaftliche Primarproduktion in den Anwendungsbereich das EG-Oko-Audit-Verordnung aufgenommen wird, ist es der okologische Landbau, der den inhaltlichen MaBstab setzt, denn er verwirklicht das Ziel des Umwelt­schutzes in der Landwirtschaft in bestrnoglicher Weise. Das gesetzliche EG-Oko­Audit darf, dies ist gezeigt worden, grundsatzlich nie zur Mitteilung einer Garantie gegeniiber den potentiellen Kaufern verwendet werden. Die Obergange aber sind tlieBend. Daher bleibt festzuhalten, daB gegen eine Ausweitung des Anwendungs­bereichs der Verordnung 1836/93/EWG auf Landwirte nichts einzuwenden ware, wenn V oraussetzung der Validierung die Priifung auch der EG-Verordnung 2092/9I1EWG auf die Einhaltung des Grundsatze des okologischen Landbaus ware. Es ware unertraglich und wird von der Rechtsordnung miBbilligt, wenn kon­ventionelle Produzenten sich dem EG-Oko-Audit mit dem Ziel unterzogen, ihre umweltschiitzenden Leistung gegeniiber dem Verbraucher hervorzuheben, denn der Verbraucher wtirde das Oko-Audit als Garantie der Herkunft aus okologi­schem Landbau miBverstehen und folglich irregefUhrt.

Ergebnis 1. Dem Verbraucher darf mit dem EG-Oko-Audit keine auf ein Produkt oder eine

Dienstleistung bezogene Information kommuniziert werden. Die Mitteilung des Oko-Audit an diesen Kreis und zu diesem Zweck ist immer rechtswidrig, denn das Verbot der produktbezogenen Werbung mit dem Oko-Audit wtirde ver­letzt.

2. Das Oko-Audit konnte in Betrieben des okologischen Landbaus als internes BetriebsfUhrungsinstrument dienen, das ein systematisches und durch externes Expertenwissen bereichertes Verfahren der Optimierung der betrieblichen Um­weltschutzstrategie bereitstellt.

Page 348: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

26 Agrar-Oko-Audit und okoiogischer Landbau 347

3. Er kann auch Untemehmen nlitzen, die konventionelle landwirtschaftliche Produktion betreiben oder Erzeugnisse verarbeiten. Die Gefahr, daB der Ver­braucher durch Hinweise auf das Oko-Audit getauscht wird, ist bei diesen Be­trieben besonders groB: Der Hinweis auf die Durchfiihrung eines betrieblichen Oko-Audits wird beim Verbraucher in der Regel den Eindruck hervorrufen, die landwirtschaftliche Erzeugung habe nach den Grundsatzen des okologischen Landbaus stattgefunden.

4. Das Verbot der Produktwerbung mit dem Oko-Audit muB von diesen Betriebe besonderes genau beachtet werden. Das Oko-Audit darf nur den besonderen Stakeholders des Betriebes (Investoren, Banken etc.) zur Kenntis gebracht werden, nicht aber dem breiten Publikum, das als potentielle Kaufer angespro­chen werden soil.

Page 349: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

348 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Zu den Autoren

Dr. Manon Haccius, Jg. 1959, studierte an den Universitaten Gottingen, Berlin, Fort Collins (Colorado, USA) und Kiel Agrarwissenschaf­ten. Eine Promotion wurde im Themengebiet Tierzucht angefertigt. Ab 1987 zunachst Mit­arbeiterin des Forschungsring fur Biologisch­dynamische Wirtschaftsweise, 1988 Ubernah­me der Koordination und Geschaftsfuhrung der neu gegrUndeten Arbeitsgemeinschaft Okologi­scher Landbau, von 1990 bis 1992 zusatzlich Koordination des international en Program Eva­luation Kommittee der Dachorganisation der Oko-Landbaugruppierungen in der IFOAM­EU-Gruppe. Ausfuhrliche Kommentierung der EG-Verordnung Okologischer Landbau ge­meinsam mit Rechtsanwalt Hanspeter Schmidt, sowie anderer VerOffentlichungen.

Hanspeter Schmidt, Jg. 1954, studierte an den Universitaten Freiburg und Athens, Georgia (Fulbright) Rechtswissenschaft und Journalis­mus. Seit 1983 arbeitet er als Rechtsanwalt in Freiburg im Breisgau, bis 1985 angestellt und seither in eigener Praxis . Er ist auf das allge­meine und besondere Verwaltungsrecht und den gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist der okologi­sche Landbau. Er berat Verbande, landwirt­schaftliche Erzeuger, Unternehmen und staat­liche Stellen. In einem anderen Schwerpunkt vertritt er betroffene Gemeinden, Unternehmen oder BUrgerinitiativen in StraJ3en-, Abfall- und anderen fachrechtlichen Planfeststellungsver­fahren oder Verfahren der Bauleitplanung.

Page 350: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

27 Zur Arbeit eines Prufverbandes fur okologischen Landbau und Ernahrungswirtschaft

Von der Anmeldung bis zum Zertifikat

Johannes Fetscher

27.1 Der Ablauf des Kontrollverfahrens in den Bereichen Erzeugung, Verarbeitung und Import

27.1.1 Kontrollstelle

Bauer Meier entschlieJ3t sich, seine Landwirtschaft auf okologischen Landbau umzustellen. Er erkundigt sich bei der landwirtschaftlichen Beratung nach der Adresse von Kontrollstellen, die fur die Kontrollen des okologischen Landbaus nach EG-VO 2092/91 zugelassen sind. Er holt mehrere Angebote ein und meldet sich bei einer der Kontrollstellen an. Die Anbauverbande des okologischen An­baues arbeiten mit unterschiedlichen Kontrollstellen zusammen.

Herr Meier bekommt z. B. den EG-Verordnungstext, einen Vertrag, die Gebiih­renordnung und die Sanktionsordnung zugeschickt; letztere enthait die Regeln dariiber, was geschieht, wenn die Vorschriften nicht eingehalten werden. Dazu gehoren Abmahnungen, BuJ3geldbescheide bis zu Teil- oder Vollaberkennungen.

Untemehmen der Verarbeitung und des Importes melden sich zunachst in glei­cher Weise an. Meistens bedarf es hier jedoch einer vorbereitenden Beratung iiber die Notwendigkeiten und Bedingungen der Kontrolle. Eine Mosterei hat ganz andere Fragen und Probleme als eine Backerei, Molkerei, Kaserei oder ein Unter­nehmen, das Krauter trocknet, mischt und verpackt bzw. wenn erhitzte Konserven von Gemiisen oder Tietkiihlkost hergestellt werden. Hier bedarf es in der Regel jeweils einer individuellen Beratung iiber technische und rechtliche Fragen, die Mengenverhaltnisse an Zutaten, die Vorschriften der Etikettierung und Deklaration und Beschrankungen in der Methodik.

Page 351: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

350 Kapitel 4: Nahrungsminelindustrie und Landwirtschaft

Unter Verarbeitung fallt das Verandem und Mischen verschiedener Rohstoffe und Zutaten aber auch das Haltbarmachen und Verpacken zugekaufter landwirt­schaftlicher Erzeugnisse.

Das an einer Kontrolle interessierte Untemehmen wendet sich an eine Kon­trollstelle, die im zustiindigen Bundesland und im entsprechenden Bereich A (Erzeugung), B (Verarbeitung) oder C (Import) zugelassen ist.

27.1.2 Oas Meldeverfahren

Das Meldeformular wird dem Untemehmen von der Kontrollstelle zugestellt. Es enthiilt Angaben tiber die Art der Tiitigkeit (Erzeugung, Verarbeitung, Import); bei Erzeugung werden Flachenangaben aus dem amtlichen Flachenkataster, ein Fla­chennutzungsnachweis in Form einer Schlagliste mit den darauf angebauten Frtich­ten beigelegt. Es werden Erklarungen verlangt tiber die bisherige Bewirtschaftung der Flachen sowie dartiber, daB sich das Untemehmen den Regeln der Verordnung unterstellt, insbesondere, daB es bereit ist, alle Ausktinfte zugeben, die fur die Feststellung der Art des Anbaues erforderlich sind.

Das unterschriebene Meldeformular geht an die Kontrollstelle zurtick und wird von dieser mit der EG-Kontroll-Nr. versehen und an die zustandige Landesbehor­de weitergeleitet. Die Landesbehorden registrieren alle Namen, Adressen und Arten von Untemehmen. Nicht registrierte Untemehmen dtirfen nicht mit dem Hinweis aufbiologische oder okologische Produktion werben.

27.2 Kontrollverfahren

27.2.1 Ersterhebung

In Zusammenarbeit mit der Kontrollstelle erstellt das Untemehmen eine vollstiin­dige Beschreibung der Betriebseinheit bzw. der Tatigkeiten mit Angaben und Planen tiber alle Lagerpllitze und Produktionseinheiten, sowie der Beschreibung des Produktionsprogrammes und dessen Warenflusses. Die Rezepturen mit Men­gen und Verlusten mtissen fUr alle Er~ugnisse vorgelegt werden (Mengenflu/3-diagramm). Erzeugerbetriebe fUlIen einen Betriebsbericht zu den verschiedenen Erzeugungsbereichen aus. Die Belege tiber Dtinger-, Saatgutzukauf, Pflanzenpfle­gemittelangaben, Angaben zur Beikrautregulierung, Maschinenausstattung, Verar­beitung und Vermarktung (Ein- und Verkaufsmengen) werden eingesehen und die Gerate besichtigt.

Page 352: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

27 Zur Arbeit eines PrOfverbandes 351

Der Ersterhebung folgen die jahrlichen Kontrollen und unangemeldete Stich­probenkontrollen.

27.2.2 Kontrolle vor art

Bauer Meier ist nervos, denn er hat keine klare Vorstellung, wie die Inspektion vor sich gehen wird. Mit der Kontrolle wird ihm ein Spiegel vorgehalten, in dem er sehen kann, wie die Gesellschaft sein Untemehmen aus okologischer und verwal­tungstechnischer Sieht zur Zeit beurteilt. Die Kontrolle sollte als Selbstkontrolle betrachtet werden; so gesehen, ist sie ein Mittel der Betriebsfuhrung, des Quali­tatsmanagements.

Aile Produktions- u. Lagerstatten werden yom Inspektor besichtigt. Anhand des Flurplanes werden die Felder inspiziert und die Angaben gepriift. In den Gebauden werden die Lagerraume und Aufbereitungsanlagen sowie ggf. die Raume fur die Weiterverarbeitung besichtigt. Es diirfen keine richtlinienwidrigen Mittel auf dem Betrieb sein. Das Verhaltnis von Tierhaltung zu Flachenausstattung muB ein oko­logisch entsprechendes Verhaltnis sein, urn die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und zu steigem. Die verantwortlichen Personen werden in den Besichtigungs- u. Kon­trollprozeB mit einbezogen. Neben den unangekiindigten Inspektionsbesiehtigun­gen fuhrt die Kontrollstelle mindestens einmal im Jahr eine vollstandige Besichti­gung der Betriebseinheit durch.

In Verarbeitungsbetrieben werden die Produktions- und Lagerraume inspiziert. Der ProduktionsprozeB wird durch WarenfluBdiagramme iiberschaubar gemacht und die Mengenfliisse stiehprobenartig gepriift. Besonderes Augenmerk gilt der Lagerhaltung wenn konventionelle und okoiogische Zutaten verarbeitet werden. 1m Zweifel kann eine besondere Lagerbuchhaltung notwendig sein.

27.2.2.1 Erstellung des Inspektionsberichtes Nach AbschluB der Vor-Ort-Kontrolle werden MaBnahmen festgelegt, die zu tref­fen sind, urn die Einhaltung der Verordnung zu gewahrleisten. Die Beschreibung der Betriebseinheit und der MaBnahmenplan werden in einem Inspektionsbericht zusammengefaBt. Dabei werden insbesondere etwaige Mangel dokumentiert und Auflagen zu ihrer Beseitigung erteilt. An einzelnen Erzeugnissen werden Mengen­fluBberechnungen durchgefuhrt: Aus den Verkaufsbelegen wird auf die Produkti­onsmenge rilckgeschlossen. Dazu ist eine liickenlose Dokumentation der Einkaufe und der Verkaufe sowohl an Endverbraucher als auch an Wiederverkaufer oder Verarbeiter notwendig und vorgeschrieben. Es werden ggf. Vorschlage fur eine rationelle Buchhaltung gemacht.

Die Dokumentation ist in kleineren iiberschaubaren Betrieben mitunter ein Problem, weil die Betriebsleiter alles im Kopf haben, was gebraucht und vermark­tet wird. In diesen Betrieben sind die Aufzeichnungen eine zusatzliche Belastung.

Page 353: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

352 Kapitei 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Probleme bestehen im Bereich des Okosaatgutes, da nicht aile Sorten in Oko­qualitat verfugbar sind. Sehr mtihsam ist die Beschaffung der Bescheinigungen der okologischen und ungebeizten Qualitat des Saatgutes. Urn der Chancengleichheit willen miissen diese Bescheinigungen vorliegen. Sind die Saatgutfirmen kontrol­liert? Was macht man mit Hybridsaatgut oder geschtitzten Sorten im Gemtisebau? Manchmal ist sogar nur gebeiztes Saatgut am Markt verfugbar. Dafur gibt es zwar eine Ausnahmeregelung, wenn tatsachlich nichts anderes verfugbar ist; dies muB jedoch nachgewiesen werden.

1m Verarbeitungsbereich konnen Beschaffungsengpasse zu Problem en fuhren. Wenn zum Beispiel gerade keine geschnittenen Mandeln in Okoqualitat erhaltlich sind, muB das Geback unter Umstanden anders deklariert werden. Das hat Konse­quenzen fur die Etikettenbeschriftung. 1st das Erzeugnis dann noch als Bioprodukt auslobbar oder dtirfen nur die einzelnen Zutaten in der Zutatenliste als aus okolo­gischem Anbau stammend deklariert werden?

Gibt es von einer Zutat nur konventionelle Ware, muB der Anteil berechnet werden; diese Zutaten mils sen in einer Positivliste des Anhang VI Liste C enthal­ten sein, dann dUrfen bis 5 % davon verwendet werden. Es handelt sich dabei meist urn in Europa nicht verfugbare Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs.

Die zulassigen nichtlandwirtschaftlichen Zutaten sind dem Anhang VI Teil A der EG-VO 2092/91 zu entnehmen. 1m Vergleich zu tiblichen Verarbeitungsbe­trieben ist die Auswahl sehr stark eingeschrankt.

27.2.2.2 Auswertung und Zertifizierung

Die Unterlagen werden abschlieBend in der Kontrollstelle EDV -maBig verarbei­tet und ausgewertet. Bei der Auswertung werden an Hand einer Checkliste aile kritischen Punkte abgefragt. Wenn keine gravierenden Unstimmigkeiten gefunden wurden, wird das Zertifikat ausgestellt. Dem Qualitatshandbuch der Kontrollstelle entsprechend werden die Untemehmen in Mangelklassen eingruppiert und dem­nach der Betrieb anerkannt (mit geringen Mangeln, mit Mangeln) oder wegen erheblicher Mangel aberkannt. Die Anerkennung gilt in der Regel ein Jahr oder langstens bis zur nachsten abgeschlossenen Jahres-Kontrolle.

Die festgestellten Mangel werden im Inspektionsergebnis mitgeteilt und die Be­seitigung derselben mit Fristsetzung sanktioniert. Der Sanktionskatalog enthalt die Vorgehensweise bei VerstoBen. Die Sanktionen gehen von Mitteilungen tiber Abmahnungen und GeldbuBen bis zu Aberkennungen.

Page 354: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

27.3 Dritllandskontrollen

27 Zur Arbeit eines Priifverbandes 353

Drittmittelkontrollen unterliegen denselben Kriterien wie im europaischen Inland. Importerzeugnisse dUrfen jedoch nicht den Konformitatsvermerk "akologische Agrarwirtschaft - EWG-Kontrollsystem" tragen.

In Drittlandem konnen die Verhaltnisse so anders sein, daB diese zu nicht mehr vergleichbaren Kontrollen ruhren. Solche Verhaltnisse mUssen beschrieben wer­den. Wenn es keine Flurkarten gibt mUssen andere Beschreibungen filr das Auffin­den der Schlage und Betriebseinheiten verwendet werden z. B. durch markante Punkte, Steinwalle oder Gebaude.

Die Dokumentationspflicht wird unter Umstanden ganz unterschiedlich behan­delt. Hier mUssen verbindliche Absprachen gefunden werden. Es gilt der Gleich­heitsgrundsatz.

27.4 Kontrolle der Kontrolle

Die Kontrollbehorden sind weisungsberechtigt. In Deutschland erfolgt die Uber­wachung der privaten Kontrollstellen durch die LanderbehOrden. In manchen Bun­deslandem sind mehrere Behorden zustandig. Es werden regelma/3ige Berichte verlangt Uber den Stand der Inspektionen und deren Ergebnisse ohne Namensnen­nung. Am lahresende werden die Adressen und Sanktionen tabellarisch mitgeteilt. Einmal j1ihrlich finden Besuche in den Kontrollstellen statt, bei denen die Arbeit auf Vollstandigkeit und Zuverlassigkeit gepruft wird. Dabei werden stichproben­weise Akten gepruft und Betriebe besucht, urn die Qualitat der Arbeit vor Ort zu evaluieren.

DarUber hinaus prUft ein Kontrollbeirat, der aus verschiedenen betroffenen Be­rufsgruppen zusarnmengesetzt ist stichprobenartig jahrlich einmal die Akten.

27.5 Oko-Kontrolle und Oko-Audit

Die Begriffe "ako" und "Bio" in Bezug auf Nahrungsmittel sind durch die EG­Bio-Verordnung 2092/91 geschUtzt. Nahrungsmittel mit ako-Audit zu bewerben, ohne, daB eine entsprechende Kontrolle nach der VO 2092/91 stattfindet, ist ein Widerspruch in sich selbst.

Page 355: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

354 Kapitei 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Genau davor soli die EG-Bio-KennzeichnungsVO den Verbraucher schiitzen : Wo Oko draufsteht muB Oko drin sein. Was Oko in Bezug auf Nahrungsmittel ist, wird in dieser VO definiert, namlich Qualitat yom Boden, Anbau und Wachstum , nicht von den chemischen Analysen her. Diese werden in Bezug auf die Bodenmi­neralstoffe regelmiillig durchgefiihrt. Riickstandskontrollen werden in Verdachts­fallen vorgenommen. Oko-Anbau ist eine Anbaumethode, die beschreibbar ist und yom Gesetzgeber in der EG-Bio-Verordnung 2092/91 beschrieben wurde.

Eine Agrar-Oko-Audit-VO darf es von der Definition der EG-Bio-VO her nicht geben, denn die Silbe "Oko" wiirde dem Verbraucher signalisieren, daB dort oko­logisch gearbeitet wird. Da eine Agrar-Oko-Audit-VO dies jedoch nicht garantiert und keine Standards vorgesehen sind, wiirde das den Verbraucher total verunsi­chern. In der Natur gibt es keine Halbschwangerschaften: entweder schwanger oder nicht. Den Grad der Umweltvertraglichkeit eines Verfahrens oder einer Tech­nik kann man auch anders als mit den Begriffen Oko und Bio beschreiben. Wenn eine Baumschule kein oder weniger Plastik in der Verpackung verwendet, so kann es diese Tatsache benennen, dazu ist der Begriff Oko nicht notig.

Umgekehrt kann es sehr sinnvoll sein, einen okologisch arbeitenden Landwirt­schaftsbetrieb nach der Oko-Audit-VO zu priifen, urn festzustellen, inwiefern die Umweltparameter Energie-, Wasser-, Rohstoffverbrauch und die Natiirlichkeit des Materials im Betrieb eine Rolle spielen und ihn umweltfreundlich in Bezug auf Energiesparen, 1mmissionen und baubiologische Vorteile machen.

Eine Agrar-Oko-Verordnung wiirde das Vertrauen des Verbrauchers eher ver­wirren als es zu starken.

Zum Autor

Dr. agr. Johannes Fetscher, Jg. 1945, Dipl.­Ing. agr. , Praxis in der Schweiz, England, Frankreich, Deutschland, Praktikantenpriifung, Studium und Promotion in Stuttgart-Hohen­heim, Geschaftsfuhrer und Berater bei der AG fur Biol.-Dynamische Landwirtschaft in Nord­rhein-Westfalen, Kontrollstellenleitung des OKOL e.V. in Witten.

Page 356: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

28 Einige grundsatzliche Oberlegungen zum Marketing und seinen Beziehungen zum Oko-Audit

Werner Wannbier

28.1 Einleitung

Wenn man den Verbrauchennarkt der letzten Jahre beobachtet, so ist deutlich zu erkennen, daB das Thema "Umwelt" im weitesten Sinne bei den Teilnehmem auf beiden Seiten des Marktes an Bedeutung gewonnen hat. Auf der einen Seite haben die Verbraucher zunehmend ein UmweltbewuBtsein entwickelt. Auf der anderen Seite greifen die Anbieter das Thema Umwelt auf und versuchen auf unterschied­lichste Weise, es in ihr Marketing zu integrieren. Wahrend sich die einen mit ge­zielten Hinweisen auf einzelne umweltrelevante Aspekte ihrer Untemehmenspoli­tik begnUgen ("GrUner Punkt"), wahlen andere romantisch verkliirte Sujets einer heilen Umwelt als Leitmotiv ihrer Werbung oder auch markige Spruche fur Ima­gekampagnen ("Landwirtschaft ist Umweltschutz"), wieder andere sind Sponsoren fur Umweltprojekte geworden. Die Reihe von Beispielen zum Einsatz umweltrele­vanter Aktivitaten mit klarem Bezug zum Marketing HeBe sich fortsetzen.

Die Landwirtschaft tragt nicht unwesentlich zu den Belastungen von Boden, Luft und Wasser bei und ist aufgrund ihrer Produktionsweise (neben Forstwirt­schaft und Gartenbau) wohl der am engsten mit der Umwelt verzahnte Sektor der Wirtschaft. Diese Meinung hat sich mittlerweile aufbreiter Basis durchgesetzt und Forderungen nach objektiv anwendbaren MaBstiiben zur konkreten Bestimmung ihrer UmwelteinflUsse laut werden lassen.

Es steht zu erwarten, daB der okologische Handlungsdruck auf die Landwirt­schaft noch starker wird. Dies nicht nur von Seiten des Verbrauchers (und Wah­lers!), der in den letzten Jahren durch eine Reihe von Skandalen stark verunsichert wurde, sondem auch von Industrie und Handel des Emiihrungsgewerbes, die im hohen Wettbewerbsdruck des Gemeinsamen Marktes ihre Marktposition sichem wollen. Als konkreter, aktueller Hinweis darauf, daB sich allgemein eine Entwick­lung zur Einbeziehung von Umweltaspekten abzeichnet, sei nur daran erinnert, daB seit kurzem Banken und Versicherungen dam it begonnen haben, bei der Gestal-

Page 357: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

356 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

tung ihrer Vertrage und Konditionen das Umweltverhalten des Geschaftspartners zu berUcksichtigen.

Dieser Beitrag will einige Aspekte der Beziehungen und Zusammenhange zwi­schen Marketing und Oko-Audit im land- und emahrungswirtschaftlichen Sektor aufzeigen, eine systematische und erschopfende Behandlung des Themas war weder das Ziel noch ist hier genUgend Raum dazu. Die Diskussionen zum Thema Oko-Audit in der Landwirtschaft haben vor nicht allzu langer Zeit begonnen und konzentrieren sich noch auf grundsatzliche und methodische Fragen. Wegen des starken OffentIichkeitsbezugs des Oko-Audit kann man aber erwarten, daB in die­sen Diskussionen Marketing eine zunehmende Bedeutung erlangen wird.

28.2 Zum 8egriff des Marketing

Der Begriff des Marketing bezeichnet eine Reihe unterschiedlicher Gesichtspunk­te, die weit Uber den engeren Bezug des Verkaufs von Waren hinausgehen.

Marketing wird zum einen als Philosophie oder Konzept gesehen, mit dem In­halt, daB die Grundlage fUr jedweden Erfolg in den BedUrfnissen und WUnschen bestimmter Zielmarkte und -gruppen zu suchen ist. Ais Maxime fUr untemehmeri­sches Handeln gilt dann, daB aile Entscheidungen sich an den aktuellen und erwar­teten Charakteristika der Markte auszurichten haben. Die Aktivitaten sind also von den Absatzmarkten her zu steuem.

In der Vielzahl der Faile mfissen zur Erstellung eines Angebots Vorleistungen zugekauft werden. Auch dies geschieht fiber Markte. Urn zu verdeutIichen, daB Marketing der Bereich mit den engsten Schnittstellen zur betrieblichen Marktum­welt ist, wird haufig nicht nur von einem Absatzmarketing sondem auch von einem Beschaffungsmarketing gesprochen.

Die Planung und Durchflihrung der auf die Markte gerichteten Aktivitaten gilt als das Marketing im engeren Sinne oder auch Marketing-Management. Die Ge­staltungsmoglichkeiten oder Instrumente des Marketing werden im allgemeinen vier Bereichen zugeordnet, die den Marketing-Mix bilden. Einige der wesentIichen GestaltungsgroBen dieser vier Bereiche sind im einzelnen:

• Konditionen-Mix: Preis, Rabatte, Bindungen,Finanzierungsmoglich-keiten • Kommunikations-Mix: Werbung, Verkaufsf6'rderung, Markierung, OffentIich­

keitsarbeit (Public Relations, PR) • Distributions-Mix: Vermarktungskanale und -partner, Entfemung der (Beschaf­

fungs- und Absatz-) Markte, Lagerung, Transport • Produkt-Mix: Beschaffenheit des Produkts (Qualitat, Herstellungsverfahren,

verwendete Rohstoffe), Sortiment, Verpackung.

Page 358: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

28 Oko-Audit und Marketing 357

Wohl kaum ein anderer Wirtschaftssektor dUrfte eine so breite Palette sehr ver­schieden gestalteter Vermarktungskanlile haben wie die Landwirtschaft. Sie reicht von der in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnenden Direktver­marktung Uber kurze Kanlile mit wenigen Stufen bis hin zu extrem langen Kanalen, die eine Reihe von Beteiligten unterschiedlicher GroBe, Struktur und natUrlich Interessen vereinigen. Dieser Aspekt spielt bei der Wahrung von Produkteigen­schaften und der Markierung bzw. Differenzierung der Produkte eine wichtige RoBe.

Marketing wird haufig als eine Funktion gesehen, die sich ausschlieBlich auf Wirtschaftsuntemehmen bezieht. Diese Sichtweise ist jedoch zu eng. Wenn man sich einmal nicht auf die im Wirtschaftsleben Ublichen Transaktionsobjekte Ware und Geld beschrankt und auch nicht-materieBe und nicht-monetare Austauschin­halte in Betracht zieht wie z. B. Ideen oder Programme, dann lassen sich Instru­mente und Strategien des Marketing auch auf ganz andere Bereiche Ubertragen, wie dies etwa im Rahmen eines Social- oder eines Non-Profit-Marketing getan wird.

28.3 Gestaltung des Marketing und Oko-Audit

Landwirtschaftliche Produkte haben als Nahrungsmittel eine direkte Beziehung zur Gesundheit des Verbrauchers. Daher wird diesem Sektor Uber die zuvor genannten EinflUsse auf die Umwelt hinaus eine erhohte Sensibilitat entgegen gebracht. Ge­maB der Marketing-Maxime soBten sich die landwirtschaftlichen Erzeuger auf die WUnsche des Marktes einsteBen und versuchen, ihnen gerecht zu werden. LaBt sich der Oko-Audit dabei sinnvoB in das Marketing einbeziehen?

In letzter Zeit haben einige Studien daraufhingewiesen, daB die Bereitschaft der Verbraucher, fUr okologisch hoher wertige Produkte einen Aufpreis zu bezahlen, konjunkturabhlingig ist. Daraus wurde haufig der falschliche SchluB gezogen, daB das UmweltbewuBtsein mit abschwingender Konjunktur erlahme. Diese Sicht ist nur insofem richtig, als das verftigbare Einkommen des Verbrauchers narurlich EinfluB auf die tatslichliche Produktauswahl hat. Die derzeit aktueBsten Umfragen zeigen aber, daB der Wunsch nach umweltschonenden Produkten ungebrochen ist. Dabei vertraut mit ca. 5 % nur ein sehr geringer Teil der Verbraucher aBgemeinen Aussagen von Anbietem zu einer angeblich positiven Umweltpolitik. ABe Ubrigen Kunden vertrauen nur solchen Aussagen, zu denen auch konkrete Belege geliefert werden.

Konzept und Methode des Oko-Audit bieten eine Reihe positiver Ansatze zu Verdeutlichung der UmweltbemUhungen, die sich auch gut in Marketingstrategien integrieren lassen. Umweltpolitik, -programm und -erkllirung sind ein verbindli­cher, nachvoBziehbarer und nach auBen veroffentlichter Teil der Untemehmens-

Page 359: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

358 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

politik. Form und Inhalt dieser Absichtserkliirungen lassen sich auf Wiinsche und Vorstellungen we iter Verbraucherkreise abstimmen und damit auch im Sinne der Marketing-Maxime gestalten. Weiterhin werden Vorgaben fUr die Umsetzung der Untemehmenspolitik gemacht, die Managementbezug haben.

SchlieBlich lassen sich gegeniiber der Marktumwelt unter Einsatz des Marke­ting-Instrumentariums Leistungen verdeutlichen, die im Vollzug des Oko-Audit erbracht werden.

FUr den Verbraucher kann als schlagkrilftiges Argument fUr das Marketing ins­besondere angesehen werden, daB die Teilnahme am Oko-Audit freiwillig ist. Aus seiner Sicht unterstreicht dies nicht nur die auBerordentlichen Bemiihungen der Oko-Audit Teilnehmer, sondem schafft auch eine tragfiihige Basis fUr die Identifi­kation des Verbrauchers mit dem Untemehmen und damit fUr eine glaubwiirdige Kundenansprache.

Urn im Marktangebot eine gezielte Auswahl treffen zu konnen, muB fUr den Verbraucher erkennbar sein, welchem Anbieter und welchem Produkt eine - nicht immer klar definierte - Umweltfreundlichkeit zuzuordnen ist. Diese ist nicht immer ohne weiteres von auBen erkennbar, zur Erleichterung der Auswahlentscheidung sind daher Hilfen anzubieten.

Produktbezogene Standards und Zeichen unterrichten den Verbraucher beziig­lich der Umweltqualitilten von Produkt und gegebenenfalls Verpackung. Dabei gilt jedoch zu berucksichtigen, daB aus Sicht der Umwelt das Produkt nur ein Teil eines umfassenderen Ganzen ist, nilmlich der Gesamtheit der Beschaffungs-, Pro­duktions- und Vermarktungsaktivitilten des Untemehmens insgesamt. Konzept und Methode des Oko-Audit kommen einer umfassenden Bewertung entgegen und schlieBen die Bereiche mit ein, die bei ausschlieBlicher Betrachtung des Produkts auBen vor bleiben.

Produktionsrichtlinien, sei es der Erzeugerverbilnde oder im Sinne der EU­Richtlinie, betreffen bekanntlich nicht den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb und auch nicht seinen Marketingbereich. Sie erfassen natiirlich einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Bereich landwirtschaftlicher Aktivitilten und verbUrgen dem Verbraucher auch klar defmierte Produktstandards. Dies war und ist bis heute der tragende Grund dafUr, daB so viele der verunsicherten Verbraucher zu Oko­Kunden wurden. Es ist jedoch zu erwarten, daB der Verbraucher kiinftig ein um­weltgerechteres Verhalten auch in Bereichen erwarten wird, die iiber die reine Herstellung der Erzeugnisse hinaus gehen. Oko-Audit kann hierzu den grundsiltz­lichen Rahmen geben.

Fiir den landwirtschaftlichen Betrieb, der eine "okologische" Richtung verfolgt, stellt sich die Frage, wie er seine Marktposition einschiltzen und sichem kann. In der Landwirtschaft haben wir es mit einer groBen Zahl von Betrieben zu tun, denen im Distributionssystem eine begrenzte Zahl von Marktpartnem gegeniiber stehen. Mit zunehmender Normierung der Produktqualitilten werden die Erzeugnisse aus­tauschbarer. Individuelle Gestaltungsmoglichkeiten werden eingeschrilnkt, land­wirtschaftliche Anbieter konnen nur "Anpasser" sein, wenn sie vorgegebenen Standards fur ihre Produkte nachkommen. So lange einer steigenden Nachfrage

Page 360: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

28 Oko-Audit und Marketing 359

relativ wenige Anbieter gegeniiber stehen, macht sich diese Tendenz noch nicht bemerkbar.

Wenn sich die Marktsituation andert und Marketingkanale mit relativ festen Strukturen und Machtverhaltnissen entstanden sind, wird es entschieden schwieri­ger, bei definierten Standards seine Marktposition iiber Qualitatsanpassungen in der Produktpolitik zu sichem. In einer solchen Situation scheint eher eine Profilie­rung des Gesamtbetriebes angesagt, urn sich von der Anonymitat normierter Er­zeugnisse abheben zu konnen. Auch in diesem Sinne bietet Oko-Audit gute Ansat­ze.

Wie konnten denn nun Marketingaktivitaten im Hinblick auf Umweltpolitik und -programm eines Oko-Audit gestaltet werden?

1m Bereich des Konditionen-Mix ware sicherlich eine umweltorientierte Gestal­tung der Preise wiinschenswert. Fiir den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb sind die Moglichkeiten alIerdings in der Regel sehr eingeschrankt. Starke Markt­partner haben ihre eigene Preispolitik, die sie nach ihren Zielen gestalten und wenn die Landwirtschaft schon fur ihre eigenen Konditionen keine besonders starke Verhandlungsposition hat, so hat sie kaum EinfluB auf die Endverbraucherpreise des Lebensmittelhandels.

In Analogie zu den HerstelIverfahren miiBten differenzierte Preisforderungen gestelIt werden, die unterschiedliche Umweltanspriiche verschiedener Vermark­tungswege reflektieren. Unabhangig von der Frage, ob die Marktpartner der der Landwirtschaft nachgelagerten Bereiche hierzu bereit waren, sind auch fur den Verbraucher erkennbare und eindeutige Formen zu finden.

Fiir den Direktabsatz gibt es Beispiele, die im Distributionsbereich eine Ver­minderung der Umweltbelastungen erzielen. Gemeinsam von Erzeugem und Ver­brauchem organisierte Marketingsysteme konnen durch Koordination im Vertrieb den Transportaufwand erheblich verringem. Das gleiche kann der Landwirt gezielt durch Rabattgewahrung im Rahmen von Vereinbarungen iiber SammelbestelIun­gen erreichen. Wenn es dem Erzeuger gelingt, hierbei gleichzeitig seinen eigenen Aufwand zu reduzieren, konnen selbst erlosschmalemde Handlungsaltemativen erfolgsneutral sein.

Ein Schritt in Richtung Transparenz des Umweltbezugs der Untemehmen und ihrer Marketingsysteme ware es, neben monetaren GroBen auch okologisch rele­vante Daten auszuzeichnen, die nicht lediglich rein plakative Angaben machen, sondem quantitativ begriindete Entscheidungen zulassen. Damit wird dem Ver­braucher erleichtert, das Angebot zu wahlen, das seinen VorstelIungen aus okolo­gischer Sicht am nachsten kommt. Eine solche Bedienung von Praferenzen gestat­tet nach alIer Erfahrung Preisaufschlage.

Fiir Emahrungsprodukte, die iiber lange Kanale yom Erzeuger zum Verbraucher gelangen, wird es aber nicht geniigen, Angaben fur die einzelnen am Kanal Betei­ligten zu machen. Solche Daten gingen entweder auf spateren Stufen verloren odeT wiirden eine Beurteilung durch den Verbraucher erheblich erschweren. In Marke­tingkanalen miissen untemehmensiibergreifende Gesamtbilanzen fur die Absatz-

Page 361: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

360 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

wege erstellt werden, da nur so die aus okologischer Sicht komplexe Erfassung durchfuhrbar und integriert darstellbar ist.

1m ako-Audit kann ein geeigneter Rahmen fur unternehmenstibergreifende Be­trachtungen gesehen werden. 1m Grunde ist diese Sicht sogar in der Verpflichtung der Teilnehmer impliziert, u.a. auf Lieferanten und Kunden (also die Marktum­welt) einzuwirken. Bevor Kennzahlen zur Verfugung stehen, die aussagekraftige und gleichzeitig verbrauchergerechte, auf Marketingkanale bezogene Aussagen machen, sind allerdings noch methodische Entwicklungen und Verfeinerungen der Hilfsmittel notwendig.

Eine der wesentlichsten Funktionen des Kommunikations-Mix ist es, das eigene Angebot darzustellen und abzugrenzen, urn dem Verbraucher die IdentifIkation eines bestimmten Produktes zu erleichtern. Man bedient sich dazu eines sehr brei­ten Spektrums von Gestaltungsmoglichkeiten. Sie reichen von Informationen, die dem Produkt und seiner Verpackung angefugt sind (z. B. Gtitesiegel) tiber Signete, die ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen verkorpern bis hin zu Erken­nungsmustern, die unmittelbar mit dem Erscheinungsbild des Produktes verbunden sind. Einige der Ausgestaltungen sind zu Ikonen der modern en Industriegesell­schaft geworden und haben einen weltweiten Bekanntheitsgrad erlangt (z. B. die "Muschel" als Symbol fur Shell oder die "Flasche mit der Taille" fur Coca-Cola).

Produkte aus Unternehmen, die am ako-Audit teilnehmen, sollten als solche er­kennbar sein. Zum einen laBt sich auf diese Weise der hohere Aufwand kenntlich machen, der in der Regel fur Herstellung und Vertrieb notwendig ist. Zum anderen sind die Produkte und ihre Verpackungen narurlich geeignete Informationstrager, die sich fur die Umsetzung der Verpflichtung eignen, auf die Marktpartner im Sinne des ako-Audit einzuwirken.

Die ako-Audit Verordnung gibt ein Signet vor, dessen Verwendung fur pro­duktbezogene Werbung (derzeit) nicht erlaubt ist. In Artikel 20 der VO wird ge­sagt, daB diese Regelung bei spateren Anderungen zu tiberdenken ist. Damit stellt sich die Frage, ob ein Siegel, das "von Amts wegen" in Umlauf kommt und dem Produkt anhangt, fur Marketingstrategien von ako-Audit Teilnehmern tiberhaupt sinnvoll ist.

Gerade bei Lebensmitteln konnen wir seit geraumer Zeit beobachten, daB dem Verbraucher eine recht ansehnliche Zahl von Siege In, Zeichen, Garantieerklarun­gen o.a. angeboten werden. Ob diese dem Verbraucher, wenn er sie denn tiber­haupt wahrnimmt und berucksichtigt, den Kaufentscheid erleichtern oder nicht, wird haufIg kontrovers diskutiert und hier nicht we iter betrachtet. Es muB aber gerade fur den Bereich der Nahrungswirtschaft die Frage gestellt werden, was ein Siegel reprasentiert, das der Endverbraucher auf seinem Produkt fIndet.

Steht nur derjenige fur die Verpflichtungen des ako-Audit ein, der als letzter im Marketingkanal das Produkt dem Konsumenten zum Kauf anbietet? Dann lie­Ben sich tiberspitzt gesagt tiber ein auditiertes Verkaufsgeschaft Produkte jedweder Herkunft mit einem ako-Siegel kaschieren. Der Verbraucher ware dann wohl besser beraten, sich nur direkt beim auditierten Erzeuger zu versorgen.

Page 362: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

28 Oko-Audit und Marketing 361

Wie sich auch ohne Benutzung des Siegels fUr Produktwerbung eine ako-Audit Teilnahme sinnvoll fUr Strategien im Kommunikations-Mix nutzen LaBt, zeigen bereits eine Reihe von Untemehmen. Sie tun dies irn Bereich der PR, der AuBen­werbung, der Gestaltung von Mitteilungen usw. Weder sind hier bisher aIle denk­baren Formen angewendet worden noch sind die Grenzen ausgelotet, bis wohin man bei den teilweise flieBenden Ubergiingen der Handlungsaltemativen im Kom­munikations-Mix gehen kann, urn einen ako-Audit in einzelbetriebliche Strategien einzubinden. Dies gilt insbesondere fUr landwirtschaftliche Betriebe, die in der Regel nicht iiber entsprechendes Know-how und auch nicht iiber ausreichende Mittel verrugen, urn systematische Kommunikationsstrategien durchzufiihren.

Uber die Frage nach Sinn und Akzeptanz eines weiteren Siegels hinaus sind fUr den Sektor weitere Formen iiberbetrieblicher Aktivitaten zu entwickeln und durch­zufiihren. Wenn sich das Siegel auf aIle Aktivitaten und Beteiligten des Marke­tingkanals beziehen soli, dann sind eine Reihe wiehtiger Koordinations- und Or­ganisationsprobleme zu losen, da es nicht geniigen wird, wenn die einzelnen Ka­nalbeteiligten vollig unabhlingig voneinander ihr jeweiliges ako-Audit realisieren.

Aufgrund der Verderblichkeit vieler Produkte der Nahrungswirtschaft ist der Distributions-Mix ein kritischer Bereich, der naturgemaB besonders hohe Ansprii­che stellt. Haufig fiihrt dies dazu, daB umweltfreundlichere Techniken, Verfahren und Organisationsformen nur mit erheblich groBerem Aufwand als in anderen Wirtschaftssektoren verwirklicht werden konnen. Wir kennen in diesem Sektor aber auch Phanomene, die schon auf den ersten Blick (nicht nur) aus Umweltsicht keiner logischen Betrachtung stand halten wie z. 8.: jahrelange Lagerung von Frischprodukten in Kiihlhliusem als Mittel zur Preisstabilisierung; tumusmaBiges Verbringen von Produkten in Nachbarlander, urn beim Grenziibertritt fiskalpoliti­sche Profite abzuschopfen; Transport von Produkten iiber beachtliche Entfemun­gen zur Bearbeitung an Standorten mit geringrugig geringeren Lohnkosten und Riicktransport zur Distribution yom Ausgangspunkt.

Am Beispiel der MarkterschlieBung der ako-Produkte laBt sich zeigen, daB die Gestaltungsmoglichkeiten im Vertriebsbereich in hohem MaBe yom bestehenden Distributionssystem abhiingen. Ais sich diese Marktliicke entwiekelte, waren die Vermarktungskanale nicht darauf eingerichtet, neben den konventionellen auch okologisch oder altemativ erzeugte Produkte aufzunehmen. Daher wurden haufig die aus Sieht des Einsatzes von Zeit und Energie aufwendigsten Distributionsalter­nativen gewahlt: die individuellen Formen des ab-Hof-Verkaufs bzw. der frei­Haus-Lieferung. Urn eine umweltgerechte Produktgestaltung zu verwirklichen, muBten im Vertriebsbereich Abstriche gemacht werden. Mittlerweile haben sich eine Anzahl anderer Vertriebsformen etabliert, die u.a. nicht nur rationellere Wege aufweisen sondem auch den Wiinschen der Verbraucher nach standortnahen Ein­kaufsquellen entgegenkommen.

Wenn die Sprache auf ako-Audit in der Landwirtschaft kommt, wird oft ge­fragt, wozu es dienen solI, da doch fUr den okologischen Landbau die Produk­tionsriehtlinien der Verbiinde und der EU definiert sind. Diese Sichtweise verkennt zwei wesentliche Unterschiede.

Page 363: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

362 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

ako-Audit geht tiber den Produktionsbereich und seine Funktionen hinaus und betrifft den gesamten Betrieb einschlieBlich seiner Beschaffungs- und Absatzfunk­tionen. Letztendlich gibt es nur dann sinnvolle und systematische akobilanzen in Vermarktungskanalen, wenn insbesondere auch die Schnittstellen zwischen den Kanalbeteiligten erfaBt werden.

1m Vergleich zu den Produktionsrichtlinien ist ako-Audit nicht auf statische, genau definierte Normen ausgerichtet sondem auf einen dynamischen ProzeB permanenter Entwicklung. Genau hier liegt fUr das Marketing ein Problem. GroB­untemehmen von Industrie und Handel, die an einem Vermarktungskanal beteiligt sind, bedtirfen zu ihrer Steuerung einer Planungssicherheit tiber gewisse Zeitrau­me, urn ihre Prozesse rationell steuem zu konnen. Eine so\Che Planungssicherheit erlaubt ihren Lieferanten Produktvariationen nur in abgestimmten, koordinierten Schritten. Dies wiederum wird eine Normierung oder Standardisierung erforder­lich machen, die eine laufende individuelle Entwicklung behindem kann.

28.4 Oko-Audit von Gestaltungsbereichen des Marketing

Das ako-Audit den gesamten Betrieb erfaBt, fallt neben der Produktion hierunter auch der Marketingbereich. Dieser ist hinsichtlich neuerer Erkenntnisse und Mog­lichkeiten einer urnweltvertraglichen Funktionserfiillung zu untersuchen und gege­benenfalls anzupassen. Damit ist der Marketing-Mix selbst auch Gegenstand des Audit.

Das Audit hat zunachst Bezug zum Konditionen-Mix. Zum einen sind Kosten und Folgekosten eines Audits tiber die Preise zu erwirtschaften. Zum anderen kann das Audit und seine Form Gegenstand der Verhandlungen zwischen den Markt­partnem sein. Wenn der Anbieter seiber keine befriedigende Losung bietet, wird letztlich der Nachfrager seine Vorstellungen durchdrticken, zumal wenn er eine starke Verhandlungsposition hat. Er wird dabei natUrlich versuchen, so weit wie moglich seine eigenen Interessen zu wahren. Ftir die Landwirtschaft konnte dies bedeuten, daB die Marktpartner sehr konkrete Vorgaben machen, die einer Nor­mierung gleich kommen.

Der Kommunikations-Mix spielt nur bei Landwirten eine groBere Rolle, die ei­ne aktive Marketingpolitik verfolgen. Ein ako-Audit wird hier z. B. zu prUfen haben, ob umweltgerechte Materialien fUr Briefe, Prospekte o.a. verwendet wer­den. Es bieten sich aber bereits neue Technologien an, die die Notwendigkeit des Transports von Informationen auf physischen Datentragem einschranken und kon­sequenterweise ktinftig einzusetzen waren. Damit kann das ako-Audit auch Ein­fluB auf die Wahl der Informationstrager haben. Wie weit das Audit auch die In­formationsinhalte einbezieht, ist bei der Verpflichtung, auf die Marktpartner ein-

Page 364: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

28 Oko-Audit und Marketing 363

zuwirken, nicht nur eine ethische sondem auch eine fonnal-rechtliche Frage der Durchfiihrungskompetenz des Audit.

1m Distributionsbereich sind die Transportmittel und -wege wesentliche Unter­suchungsgegenstande. Auch das vollstandig recyclebare solargetriebene Transport­fahrzeug stellt AnsprUche an die Umwelt, da es Wegetrassen benotigt. Je geringer dieser Anspruch, desto umweltvertraglicher ist der Vertrieb. Damit sind kurze Vennarktungswege und regionale Distributionssysteme, irn Idealfall geschlossene kleinraumige Wirtschaftskreislaufe, vorgezeichnet, die Absatz-, Beschaffungs- und Reststoffmarketing vereinen.

Allerdings sind in dieses Szenario die Wiinsche des Verbrauchers noch nicht eingegangen. Er ist umweltbewul3t und wird tendenziell auch regional orientierte Vennarktungssysteme begriil3en, mochte aber z. B. auf Stidfiiichte nicht verzich­ten. Ais standortabhangiger Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft auf die natiir­lichen Voraussetzungen angewiesen. Der Erzeuger kann kiinstliche Umwelten schaff en und verbrauchemah FrUhgemtise (oder Stidfiiichte) unter Glas produzie­ren. Das hat dann mit Sicherheit Einfltisse auf die Umwelt, die gegen langere Transportentfemungen abzuwagen sind.

Entsprechend ware irn Rahmen eines regionalen Oko-Audit eine Balance zu finden zwischen moglichst breit gestreuten, sehr verbrauchemahen Betrieben und solchen, die groB genug sind, urn Maschinen, Produktionssysteme usw. umweltop­timal einsetzen zu konnen. Hier gibt es weder derzeit allgemein giiltige MeBiatten, noch ist zu erwarten, daB sie endlos Bestand haben konnten, da der technologische und organisatorische Fortschritt sehr wahrscheinlich nicht groBenneutral sein wer­den . .Ahnliche Oberlegungen zur Bestimmung idealer Standorte aus Sicht der Dis­tribution hat (wenn auch ausgehend von anderen Faktoren) bekanntlich bereits v. Thtinen angestellt.

1m Produkt-Mix steht neben dem Produkt seiber die Verpackung im Vorder­grund der Betrachtung. Der Anteil der Landwirtschaft an der auch in der Lebens­mittelbranche zu beobachtenden Verpackungsflut ist recht gering. Beirn Direktab­satz tiberwiegen Mehrweggebinde bzw. Minimalverpackungen, die aufnehmende Hand wird in der Regel lose bedient.

Aus Produktsicht haben manche der bei den industriell erzeugten Gtitem irn Vordergrund stehenden Umweltprobleme bei Nahrungsmitteln entschieden gerin­gere Bedeutung wie z. B. Entsorgung und Recycling. Emahrungsgtiter, die ihrer Bestimmung gemaB verwendet, namlich gegessen oder getrunken werden, folgen natiirlichen Kreislaufen (bei Produkten, die aus welchen Grunden auch immer "vom Markt genommen", "eingelagert", "denaturiert" o.a. werden ist die Lage etwas anders).

Agrarprodukte konnen aus unterschiedlichen Charakteristiken heraus wie z. B. Verderblichkeit, Hygiene, Fragilitat hohe umweltrelevante AnsprUche an das ge­samte Handling stellen, urn sie den Wiinschen der Verbraucher entsprechend pra­sentieren zu konnen. Wie Produktlinien-, Lebenszyklus- oder Risikoanalysen fur ziichterisch oder gentechnisch weiter entwickelte landwirtschaftliche Erzeugnisse

Page 365: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

364 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

im einzelnen ausgehen, sei zunachst einmal dahin gestellt. Die Vorstellung, eine Tomate zu haben, deren verringerter Wasseranteil die Transportkosten senkt, de­ren Textur eine lose Verpackung erlaubt und deren Haut dafur sorgt, daB sie vier Wochen ohne Kiihlung gelagert werden kann, hat aus Umweltsieht jedenfalls auch positive Aspekte.

Wie ist das Oko-Audit in der Landwirtschaft aus Sieht des Marketing nun zu gestalten? Grundlage ist sicherlich das Audit des landwirtschaftlichen Betriebs. Hier steht die Diskussion erst an den Anfangen, urn ausreiehend genaue und gleichzeitig praktikable Methoden zu entwickeln. Fiir den Verbraucher ist zu for­dem, daJ3 ihm Informationen angeboten werden, die aile relevanten Umweltdaten zusammenfassen. Dies bedeutet, daJ3 nicht ein Wust isolierter Angaben zu einzel­nen Umweltqualitaten der Produkte oder ihrer Herstellprozesse auszuweisen ist, sondem daJ3 aile an Produktion und Marketing beteiligten Funktionen und Unter­nehmen zu beriicksichtigen sind. Hierzu scheint die Einrichtung entsprechender Schnittstellen zwischen den am Marketingkanal Beteiligten sinnvoll zu sein. In­wiefem diese Schnittstellen auch fur Qualitatssicherungssysteme genutzt werden konnten oder sollten, ist eine weiterfuhrende Frage.

28.5 Ausblick

Das Oko-Audit nach der Verordnung der Europaischen Union ist in gewisser Weise flir die derzeitige Startphase als Provisorium konzipiert. Es wurden nicht nur von vomherein spatere Anpassungen auf Basis der Erfahrungen angekiindigt, sondem auch ganze Wirtschaftssektoren zunachst nicht erfaJ3t. Die Landwirtschaft gehort zu diesen Sektoren und es gibt ein heftiges Flir und Wider Oko-Audit in der Landwirtschaft.

Aller Voraussicht nach wird sich die Landwirtschaft iiber kurz oder lang der Forderung nach groJ3erer Transparenz hinsichtlich ihrer Einfllisse auf die Umwelt nicht entziehen konnen: wahrend Verbraucher und Politiker diese Forderung auf allgemeinere Weise erheben, beginnen bereits Marktpartner mit der Umsetzung nach dem aktuell giiltigen Modell des Oko-Audit. Eine Verweigerungshaltung, die jegliche Form von Umwelttransparenz verhindem will, erscheint daher auJ3erst unklug.

Vielmehr erscheint ein proaktives Vorgehen angesagt, das genligend Zeit laJ3t, einen der Situation in der Landwirtschaft angemessenen Rahmen zu erarbeiten und angepaJ3te Organisationsformen, Methoden und Hilfsmittel zu entwiekeln, die es den landwirtschaftlichen Betrieben ermoglichen, mit vertretbarem Aufwand die benotigten Daten bereit zu stellen.

Daneben gilt es auch, die Landwirte als Zielgruppe fur Strategien zur Einfuh­rung des Oko-Audit zu sehen. Bei diesem Non-Profit-Marketing fur die Idee des

Page 366: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

28 Oko-Audit und Marketing 365

landwirtschaftlichen Oko-Audit sind berufsstandische Vertreter, Politiker, For­scher und Berater gleichermaBen gefordert. Aile Beteiligten konnen dabei davon ausgehen, daB eine "Umweltfreundlichkeit", die belegt und transparent gemacht ist, eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Verbesserung des Image des Sek­tors allgemein und zur Sicherung der Marktposition der landwirtschaftlichen Er­zeuger ist.

Zurn Autor

Prof. Dr. Werner Warmbier, Jg.1945, studierte Betriebswirtschaftslehre an der traditionsrei­chen Wirtschaftshochschule Uetzt Universitat) Mannheim. 1m Rahmen seiner Diplomarbeit behandelte er ein Thema zu Marketing-Infor­mations-Aktions-Systemen in der Landwirt­schaft. AnschlieBend promovierte er am Institut fur landwirtschaftliche Betriebslehre der Justus-Liebig-Universitat GieBen. Ais Dok­torand und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Dr. hc Friedrich Kuhlmann konnte er die Arbeit am landwirtschaftlichen Marketing fortsetzen, einem Gebiet, das zu der Zeit von vielen noch als exotisch betrachtet wurde. Seine Dissertation befaBte sich mit Marketing­systemen fur den Trinkmilchabsatz. Daneben

behandelte er in einer Reihe von VerOffentlichungen alternative Absatzwege und -formen fur landwirtschaftliche Produkte.

Nach seiner Zeit an der Universitat war er tiber 15 Jahre als Gutachter und Bera­ter im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tatig. Seit Marz 1996 betreut er am Fachbereich Landwirtschaft der Fachhochschule OsnabrOck die Gebiete UmweltOkonomie und Marketing einschliel3lich des Oko-Marketings.

Page 367: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

29 Umweltschonender Pflanzenschutz mit dem Expertensystem PRO_PLANT

Thomas Yolk

In der ptlanzlichen Produktion werden hohe, sichere Ertriige bei optimaler Qualitiit des Emtegutes angestrebt. Unkriiuter, Schiidlinge und Pilzkrankheiten erschweren die Erreichung dieses Zieles und werden daher in der Regel durch chemischen Ptlanzenschutz ausgeschaltet. Der Einsatz von Ptlanzenschutzmitteln kann aber zu Belastungen der Umwelt, genauer von Boden, Wasser und Luft ruhren. Deshalb ist der einzelne Landwirt bestrebt, den Einsatz der Mittel auf das geringstmt>gliche MaB zu reduzieren, ohne wirtschaftliche Nachteile in Kaufnehmen zu mUssen. Bei der Erreichung dieses Vorhabens kann das Ptlanzenschutz-Beratungssystem PRO PLANT eine wertvolle Hilfe sein.

29.1 Das Pflanzenschutz-Beratungssystem PRO_PLANT

Seit 1989 arbeiten die Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe und das Institut fur Agrarinformatik an der WestflHischen Wilhelms-Universitiit zusammen an dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt PRO]LANT. Durch den Einsatz modemer Kommunikationstechniken soil der Einsatz von Ptlanzenschutzmitteln reduziert und damit die Umwelt vorsorglich geschont werden. Finanziert wurde die Ent­wicklung dieses Computer-gestUtzten Beratungssystems durch das Ministeriurn fur Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

PRO ]LANT lauft auf jedem handelsUblichen Computer, der Landwirt arbeitet mit dem System auf seinem Hof-PC, es handelt sich also urn eine dezentrale stand­alone Lt>sung. Das Expertensystem PRO ]LANT berat die Landwirte in unter­schiedlichen Bereichen, beispielsweise beim Einsatz von Ptlanzenschutzmitteln gegen Pilzkrankheiten im Getreide oder bei der Unkrautbekiimpfung in Mais. Die Beratung erfolgt fur einen einzelnen Schlag, rur den bestimmte Informationen vom Landwirt bereitgestellt werden, beispielsweise die Fruchtfolge, die angebaute Sorte und die Stickstoff-DUngung.

Page 368: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

368 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Eine zentrale Grundlage flir die Entscheidungsfindung stellen aktuelle Wet­terdaten dar, die vom System automatisch hinsichtlich der Entwicklungsmoglich­keiten von Pilzkrankheiten und Schadlingen ausgewertet werden (s. Abb. 1, S.373).

Diese Wetterdaten konnen von einer hofeigenen Wetterstation oder von Statio­nen des Deutschen Wetterdienstes tiiglich aktuell tiber T-Online tibemommen werden (Niederschliige sind lokal korrigierbar). Durch die Zusamrnenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst werden speziell fiir PRO_PLANT automatisch ab­rutbare, aktuelle Wetterdaten angeboten, und zwar bundesweit fiir 110 Wettersta­tionen.

Durch die Berticksichtigung aller relevanten Entscheidungsfaktoren leitet PRO_PLANT konkret fiir einen einzelnen Schlag die Entscheidung her, ob eine PflanzenschutzmaBnahme wirtschaftlich sinnvoll ist und wenn ja, mit welchem Mittel in welcher Aufwandmenge wann behandelt werden sollte. Die Ergebnisse einer Beratung konnen gespeichert werden und dienen bei nachfolgenden Beratun­gen als Grundlage.

Das Prograrnm wird durch Updates stlindig auf dem aktuellen Stand gehalten (z. B. neue Sorten, neue Pflanzenschutzmittel werden berticksichtigt). Es k5nnte von der Konzeption her an veriinderte Rahmenbedingungen angepaBt werden, beispielsweise wenn die EU-Agrarpolitik die Getreidepreise dermaBen veriinderte, daB sich dadurch die Relation von Kosten (flir ein Pflanzenschutzmittel) und Nutzen (Verkaufserl5se flir das nach Einsatz eines Pflanzenschutzmittels zusiitz­lich geemtete Getreide) - also der Grenznutzen - entscheidend verschieben wtirde.

29.2 Der okologische Ansatz von PRO_PLANT

Das Ziel dieses Beratungssystems ist, den Einsatz von Pflanzenschutzmittel zu optimieren, urn die Umwelt vorsorglich zu schonen. Durch die Verringerung des Aufwandes k5nnen betriebswirtschaftliche Ziele des einzelnen Landwirtes mit dem volkswirtschaftlichem Ziel Umweltschutz verbunden werden. Erreichbar ist dieses Ziel nur, wenn mehr Informationen in die Entscheidungsfindung einflieBen als bei Routinespritzungen, so daB ein gezielter Pflanzenschutz mit dem geringstrn5g­lichen Aufwand erm5glicht wird. Die Reduzierung des Einsatzes kann erfolgen durch

• Verringerung der Anzahl an MaBnahmen Durch das Unterlassen von tiberfltissigen MaBnahmen oder das Zusamrnenfas­sen von zwei Anwendungen auf einen Termin liiBt sich die Anzahl der Einsiitze reduzieren. Beispielsweise kann dadurch der Pilzbefall in Weizen mit 2 An­wendungen statt mit den tiblichen 3-4 Anwendungen kontrolliert werden.

• Verringerung der bei einer MaBnahme eingesetzten Menge

Page 369: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

29 Umweltschonender Pflanzenschutz mit dem Expertensystem PRO]LANT 369

In Deutschland wird von der Biologischen Bundesanstalt fur Land- und Forst­wirtschaft eine Aufwandmenge zugelassen, fur die vom Pflanzenschutzmittelher­steller unter den verschiedensten Randbedingungen (Befall, Witterung, Sorte, Pflanzenentwicklung) eine Wirkung garantiert wird, also auch unter ungtinstigsten Anwendungsvoraussetzungen (worst case). Da dem System PRO_PLANT die tatsachlich in der aktuellen Situation gegebenen Bedingungen bekannt sind, kann es in Abhangigkeit hiervon die zugelassene volle oder eine reduzierte Aufwand­menge empfehlen, ohne daB damit ein entscheidender Wirkungsverlust verbunden ware. Dadurch kann die eingesetzte Menge urn 50%, in EinzeWillen bis zu 70% reduziert werden.

Bei der Auswahl empfohlener Pflanzenschutzmittel werden vom System aile umweltrelevanten Daten automatisch berticksichtigt (z. B. Anwendungsverbote fur bestimmte Mittel in Wasserschutzgebieten, Schutz von Bienen, Schutz von Ntitz­lingen). Ober die gesetzlichen Bestimmungen hinaus erhalten die Landwirte wert­volle Informationen, die bei der Anwendung berticksichtigt werden sollten. Bei­spielsweise erfahrt er fur jedes Mittel, welche Temperaturen am Einsatztag optimal sind, urn eine hohe Wirksamkeit sicherstellen zu konnen (s. Abb. 2, S. 374). Bei Nichtbeachtung dieser Zusammenhange kann bei bestimmten Produkten und ho­hen Temperaturen die Verdampfung von Wirkstoffen in die Luft zu Minderwir­kungen und Umweltbelastungen fuhren. Die Eindringgeschwindigkeit eines Mittels ist ein wichtiger Parameter fur den Landwirt, wenn bei unbestandigem Wetter unmittelbar vor prognostizierten Niederschlagen eine Behandlung unumganglich sein sollte. Mittel, die innerhalb von Minuten in die Pflanze eindringen, sind in diesem Fall besser geeignet als Mittel, die fur die Eindringung mehrere Stunden benotigen und daher abwaschungsgefahrdet sind.

Zusatzlich ist bei der Anwendung dieses Expertensystems ein Lemeffekt beab­sichtigt, urn zuktinftiges Handeln frtihzeitig beeinflussen zu konnen. Der Landwirt wird beispielsweise darauf aufrnerksam gemacht, wenn ein Pflanzenschutz­mitteleinsatz deshalb notwendig ist, weil eine hoch anfallige Sorte angebaut wurde, die Dtingung zeitweise zu hoch war oder eine zu enge Fruchtfolge bestimmte Schaderreger begtinstigt hat. Dadurch wird der Landwirt auf die Moglichkeit hin­gewiesen, in der nachsten Anbauperiode durch den Anbau einer resistenten Sorte. (s. Abb. 3, S. 375), eine angepaBte Dtingung oder eine vielseitige Fruchtfolge das Risiko eines Schadensereignisses zu verringem.

Grundlage fur einen gezielten Pflanzenschutz ist die Diagnose, also das Fest­stellen des augenblicklichen Kulturzustandes. Wahrend die Unterscheidung von Kuiturpflanzen und sog. Unkrautem dem Landwirt keine Probleme bereitet, gestal­tet sich die Fragestellug beim Auftreten von Insekten ungleich schwieriger. Hier muB zwischen Schadlingen, indifferenten Arten und Ntitzlingen unterschieden werden. Urn diese Arbeit zu erleichtem, bietet PRO_PLANT ein Informationssy­stem mit tiber 100 Farbbildem und Feldkontrollhilfen fur Schadlinge im Raps. Durch dieses anschauliche Informationssystem wird die Grundlage fur die weitere Entscheidungsfindung geschaffen (s. Abb. 4, S. 376).

Page 370: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

370 Kapitel4: Nahrungsmitlelindustrie und Landwirtschaft

29.3 Erfahrungen in der Praxis

PRO ]LANT wird seit 1993 in der landwirtschaftlichen Praxis eingesetzt, wobei in der Zwischenzeit der Leistungsumfang und die technische Umsetzung (zuerst unter dem Betriebssystem MS-DOS, seit 1995 unter Windows) stetig verbessert wurden. Das Beratungssystem wird zur Zeit flachendeckend in den Bundeslandem Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Wiirttemberg genutzt. Berater der Offizialberatung, die PRO_PLANT anwenden, erreichen durch die Informations­weitergabe tiber Telefon, Telefonansagedienst und Telefax eine groBe Anzahl an Landwirten. Mittlerweile verwenden auch Berater auBerhalb der Bundesrepublik (Holland, Osterreich, England) das System.

Die Erfahrungen in den letzten lahren zeigten, daB mit Hilfe von PRO ]LANT der mogliche Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Boden, Wasser und Luft und demzufolge eine Umweltgefahrdung deutlich reduziert werden konnte. 1m Durch­schnitt setzten die beteiligten Landwirte eine urn 30 % geringere Menge an Pflan­zenschutzmitteln ein. Gleichzeitig erfUllten Sie damit die Anforderungen an die "gute fachliche Praxis" (vgl. Novellierung des Deutschen Pflanzenschutzgesetzes) und eine umweltorientierte Landwirtschaft.

29.4 PRO_PLANT als mogliches Werkzeug fUr ein Agrar-Oko-Audit

Ein Vergleich zwischen der Nutzung von PRO_PLANT und dem Entwurf der auf einer Veranstaltung am 21.02.1996 in Hamm diskutierten "Hammer Thesen" zum Agrar-Oko-Audit kann aufzeigen, inwieweit dieses EDV-gestlitzte Beratungsystem einen Beitrag zu dem von der Europaischen Union initiierten Verfahren sein kann:

1. Landwirte haben sich freiwillig aus okonomischen und okologischen Grunden fUr die Nutzung von PRO ]LANT entschieden. Sie gehen damit das Thema "chemischer Pflanzenschutz und Umweltschutz" offensiv an und erhohen die Akzeptanz ihrer Produktionsweise bei Verbrauchem und politischen Entschei­dungstragem, da sie Pflanzenschutzmittel nur unter wissenschaftlich nachvoll­ziehbaren Gesichtspunkten einsetzen.

2. Mit Hilfe von PRO PLANT kann das Ziel der Betriebsleiter und ihrer Fami­lien erreicht werden, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu minirnieren. Durch die optimale Ausnutzung des Leistungspotentials der Pflanzenschutzmit­tel lassen sich bei gleichbleibenden oder sogar gesteigerten Ertragen Kosten reduzieren. Wie die Erfahrungen in den letzten lahren gezeigt haben, fUhrt die

Page 371: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

29 Umweltschonender Pflanzenschutz mit dem Expertensystem PRO_PLANT 371

umweltgerechte Erzeugung damit gleichzeitig auch ZU okonomischen Vorteilen (s. Abb. 5, S. 377).

3. Der Einsatz von PRO_PLANT kann selbstbewu13t und offensiv in der Werbung eingesetzt werden, urn Verbraucher auf die umweltorientierte Produktion hin­zuweisen.

4. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Produktionsweise wird ver­hindert, daB eingefahrene Wege ohne kritische Reflexion fortgesetzt werden. Der Einsatz von Produktionsmitteln wird Jahr fur Jahr neu an die aktuellen Ge­gebenheiten angepaBt.

5. Der Vergleich der Produktionsweise mit und ohne PRO_PLANT verdeutlicht die Verbesserungen der Umweltschutzleistungen und kann in der Diskussion mit Dritten herausgestellt werden.

6. PRO_PLANT ist ein Instrument des integrierten Pflanzenschutzes und wird (z. B. in Nordrhein-Westfalen) im Rahmen des kooperativen Wasserschutzes eingesetzt. Bei der Vergabe eines Oko-Audit-Qualitatssiegels konnte der Ein­satz von PRO_PLANT als ein Beleg fur eine umweltgerechte Erzeugung im Bereich Pflanzenschutz herangezogen werden.

Das Beratungssystem PRO_PLANT bietet wichtige Voraussetzungen, urn im Rahmen einer Oko-Audit-Anerkennung eingesetzt werden zu konnen. Die vom Landwirt gewahlte Handlungsweise wird nachvollziehbar, da die Entscheidungs­grundlagen protokolliert werden (Abb.6, S. 378). Damit kann im nachhinein tiber­prtift werden, warum zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Pflanzen­schutzmitteleinsatz erfolgt ist. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird schlag­spezifisch tiber die Jahre hin gespeichert. Die Landwirte archivieren Ausdrucke der Protokolle und grafisch autbereitete Informationsgrundlagen. Diese primar fur die betriebsinterne Auswertung gesammelten Informationen konnten fur eine Offenlegung der Betriebsablaufe genutzt werden.

29.5 Ausblick

Computergestiitzte Entscheidungssysteme fur den Pflanzenschutz haben in den letzen Jahren in Deutschland und im europaischen Ausland Einzug in die landwirt­schaftliche Praxis gehaiten. Die in der Regel zunachst mit staatlicher Forderung entwickelten Systeme haben den Sprung von der Wissenschaft in die Praxis ge­schafft und sind zu alltaglichen Werkzeugen fur die Landwirte geworden. Sowohl aus der Sicht der Landwirte als auch der Verbraucher und der poiitischen Ent­scheidungstrager sollten die neuen Informations- und Kommunikationstechnologi­en gezielt fur die Optimierung der Produktionsprozesse und Verbesserung des be­trieblichen Umweltschutzes eingesetzt werden. Es existieren praxisreife Anwen­dungen aus den Bereichen Simulationsmodelle, datenbankbasierte Management-

Page 372: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

372 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

systeme und Expertensysteme. Die zur Zeit laufenden Entwicklungen verbinden die vorhandenen Programme mit neueren Techniken, urn beispielsweise die zu be­handelnden Flache exakter erfassen zu konnen. Die bislang entwickelten Systeme basieren auf der Pramisse, daB ein Schlag eine einheitliche, homogene Flache ist. Auf heterogenen Flachen (z. B. durch Bodenunterschiede) wird aber erst eine differenziertere Betrachtungsweise der Realitat gerecht. Die anvisierte teilt1achen­spezifischen Anwendung von Produktionsmitteln (Pflanzenschutzmitteln, Diinge­mitteln) erfordert als Grundlage Ortungssysteme wie DGPS (Differential Global Positioning System). Mit Hilfe von geographischen Informationssystemen (GIS) konnen digitale Applikationskarten erstellt und wahrend der Anwendung die In­formationen automatisch an die Pflanzenschutzspritze weitergeleitet werden, so daB die Applikation nicht mehr fur eine heterogene Flache, sondem spezifisch fur jede Teilflache erfolgt. Insbesondere in den neuen Bundeslandem mit relativ gro­Ben Schlagen versprechen teilflachenspezifische Applikationen auch betriebswirt­schaftliche Vorteile. Die ersten Praxistests lieferten vielversprechende Ergebnisse.

PRO_PLANT und auch die zukiinftig zu erwartenden EDV -gestUtzten Verfah­rensweisen konnen eine wertvolle Grundlage fur die Auszeichnung eines Betriebes im Rahmen eines Agrar-Oko-Audit darstellen.

Page 373: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

;J>

cr" ?""

:-<

TO

a· ~

t:

::r

:;l

0-

ao

_

. V

> <'l

§, ;J>

ao

t:

-

V>

n· ~

::

r<'l

7

';4

a· §

<'l

ao

:;

l -<

-< 0

g :;

l

-o~

::::":

2 N

<'l

q

=

Pl

<'l

:;l

:;l

&:E

~.

(1

)

--<'l ~

:;l ~

0- ~ :;l

<'l §. ~ -0

;:::! o 1-

0 c- ~ -l

0- ~ <'l

";'

IV

-.0

Tem

p M

ax.

c

I I T

emp

Dur

ch

3 ~ " Gf

DT

em

pM

in 2

m

0 ::r

0

I I Te

mp

. Min

20c

m

=

" =

e-

D

Tau

punk

t 14h

~

..",

=>

40

11.

.1-I N

iede

rsch

lag

'" =

N "

20 !.

ill So

nnen

sche

in

~

()

::r

o 11

.il1 re

I. F

euch

te 1

4h

c: " g e- "

NR

W. M

unst

er

3 tTl

x "0

" :4 " ~ '< ~ " 3 ..

",

;>;l 0 I..",

r ~ -I

t;.>

-.

l t;

.>

I B~~fiif Me"~

am 2

.519

96c

optin

aIcc

= _

__

~ _

__

__

__

__

__

__

__

__

__

__

_

Page 374: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

>

cr

?" ~

3 N

'"

c

e.t.

-.

o (1

) ;:

! 0

-(1

) (1

)

? 3

~;g

cr§

~

. N

~~

.....

n

5>[

:;;

N

(1)

3 ;:

! _0

O-~

§ -

(fQ

(1

) .....

N

::r

c "'

, cr;

:;"

(1)

0-

~~

'"'r

(1

) '"

;:

! ;:

!

60

~

0-

-0 ::l- e:.

Bes

chre

ibu

ng

vo

n P

ron

to 0

.. 6

sser

sch

utz

:

Bie

nen

sch

utz

:

rte

zeit

: la

ss

un

g:

sser

abst

and

:

sser

aufw

and

men

ge

: ch

ssch

ich

tbed

arf

: E

ind

rin

gg

esch

win

dig

keit

: O

auer

wir

kun

g b

ei A

BH

:

N

Bit

35

Tag

e E

C 2

9 -

61

20 m

20

0 -

200

I/ha

N

9 10

0aC

d

~ W

i rks

toff

M

en 9

e [

g/h

a]

Wi r

ksto

ffkl

ass

e

& T

ebu

con

azo

l 1

20

A

zol

~ F

enp

rop

idin

1

80

P

iper

idin

-Der

ivat

e Pi

---=

------

-__

0_

, _

_ 0

0_

0 _~o-__

-_ .'-

11 a

~ ------

__

_ --

-...-

~ III

We

ite

r III

";'

..., -oJ .,. ;><:

oo

"0 ff: :':­ Z

§..

2 '" ~ 3 ~ 50

0.

I: ~ iiiO

I: '" 0.

r § 0. :;; a"

co

::r­

oo

;:p

Page 375: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

29 Umweltschonender Pflanzenschutz mit dem Expertensystem PRO_PLANT 375

G.)

= :1:1

Abb. 3. PRO ]LANT weist auf die Moglichkeit hin, durch den Anbau von gesunden Sorten den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren

Page 376: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

~

0- ?" ~

3 "

~r tr

~'"

_ (J

>

S'

- ::>

§ 0

' (J

> ..

,

"0

3 ..

, P

'

'" -

(")

-, ::

rO

'"

::>

::>

(J

> 0

.(J>

",'

-<

.., ~

'"r'

l'"

o 3

3 3

Cl

;:;:

..,

'"r'l

c P

' ::>

..,

0

.

0"

-0

"

P'

_,

flO

-'"

0

.

::>

'"

:;; 3

V;'

" (J

> C

l '"

.., ::>

P

' c,

::!

l 0

""'"

'" '"

..,

::>

G"....

, "0

P

' (J

> 0

"

(J>

'"

(") -

gg

0

.

:=:c

::>

::>

flO

0

.

'" ;:;l

x rD

::>

'" ~

Erd

flo

hve

rgle

ich

Klif

er:

I~eben d

em

Rap

serd

flo

h [

H ]

we

rde

n a

uch

die

an

de

ren

Erd

flo

har

ten

, de

r B

'au

seid

ige-

[ H

J, d

er

Ge

we

ltts

tre

ifig

e-

[ H

] u

nd

de

r G

elb

str

eif

ige

Ko

hle

rd­

f10h

I H

] im

Her

bst

in G

elb

sch

a'en

gef

ang

en_

• +

Leg

end

e

Bes

chre

ibu

ng

Fu

nd

ort

Ze

itra

um

Lu

pe

Inh

alt

zuru

ck

En

de

Tex

t-T

yp:

1 __

Fun

do

rt

Sch

iidlin

gs-

Ki.i

rzel

:

I u

RE

F

\;J

-J

0- ;;-; '" '0 ~

:':­ Z

§. 2 ::l

UO 3 ~ :r

Q.

~

q'

(i'

t:

::l

Q.

r '" ::l Q.

:;; a' (") :r

~

Page 377: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

;p-

er '7

~

§ ~

0 0

. ....

. c::

-..

....

'"

:::l

()

3 ~

OJ"

~. g ~

(1)

:::l

5· ~ (J

O

OJ"

OJ"

(1)

0'

-N

;r

§!i

.....

-

(1)

to

(1)

...,

(1

) ~

O:o

-::

:l

(1)

'"

::E :::

l tT

l S

' 2=

~.

:::l

:::l

'"

(1)

(JO

-

.....

(1)

N

~.

::s

-< ~o.o

(1)

(1)

:::l

::>

..... ;;:::'

"0

.....

::!l

'" '"

::>

::>

;.;-

N

OJ"

(1)

(1)

::>

_. '"

Vi

()

erO

j"

(1)

c::

~N

=3

~

~:r

=t' ~

2":

:>

::>

-(J

O

"',

'"

<;:

:> <:

-

o '"

=

(S. ;.

;-O

J"

o ::>

-ct

a

o -

_N

~(1)

.....

-.

(1)

::>

::>

(1) .....

35

30

25

20

15

10 5 0

Pilz

befa

U E

rgeb

niss

e vo

n 5

Fel

dver

such

en in

Win

terw

eize

n W

estf

alen

-Lip

pe 1

996

DP

ilzb

efaI

l (in

%)

Zab}

der

Beh

andl

unge

n

.Gew

inn

(dt

lha)

Beh

andl

unge

n /

Gew

inn

un

be

ha

nd

elt

(95

dt/

ha

) S

tan

da

rd

PR

O_

PL

AN

T

14

12

10

8 6 4 2 o

N ~

c :3 ::;; ~ n ::r

o " " " 0- ~

"C

=>

0> " ~ ~ n ::r c N g 0

- " 3 m

;< "'" " :4 " " '" ~ " 3 "C

;;0 I; r ~ -l

W

-.J

-.J

Page 378: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

>

<:r

?"

?'

=-$

; ~

=."

::I

'"0

::I

;:>:l

8'0

...

. 1

3 '"

0 ~

r =-

>­o

Z

~ -l

::I

;.;­

~

0:

::1

"::1

-::I

~

g en

't:

J ~

(1)

::::

N

(1

)

~2?

o ....

::

1"0

. 't:

J (1

)

a ::

I -tT

l ~ s

-o

en

::::~

(ii0

N

:4

<

:;::

0 (1

) ::

I ....

'"

0 ~:

:!>

::I ~

::I ~ ::I

en

CO

::I"

C ~ ::i- (1) 5"

:;:: n- 7"

II

Ber

atu

ng

spro

tok:

oll

Fu

ng

izid

e D

ill

Ber

atu

n1s

dat

en

---

--

III B

etri

eb:

NR

W.

MU

nst

er.

MU

nst

er -

Gre

ven

j'a

--

< ~

Tei

lfia

che:

J\,v

vi Mii

n~t~

r 1

Dat

um

: 10

3.06

.199

6 B

er.-

Nr:

8

Art

: Jp

P ,

Sch

lag

dat

en

----

---

---

--.

Kul

tur:

fNW

,I E

rtra

gse

rwar

tun

g: I

] Be~t

.dic

hte:

Im

itte

l ,J

S

ort

e:

Pil

z

Sti

ck:s

toff

-Sta

tus:

Bie

nen

sch

utz

: I[

II W

ach

st.r

egle

r: i

j,

Bes

tock

un

g;

Infe

k:tio

ns­

bed

ing

un

gen

giin

stig

op

tim

al

Red

uz.

Menge

Q1i1P~o

nto

0~6

--

=.I

Sim

bo

1,0

zi

dw

ahl:

I(m

ista

r 0.

5 ..

Pro

nto

0.6

jl F

oli

cur

0,5

+ C

orb

el 0

,5

m:11

Ta

!le

Na

ch

ste

~er

.: ~99 .

Pro

nto

1.0

'-'

-'

00

r: '" '" ~ :"­ Z g- c:

:l

q;J 3 ~ :; 0- ~ ;:;-

c:

:l

0- r § 0- :;:: a' " ::r '" ::p

Page 379: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

29 Umweltschonender Pflanzenschutz mit dem Expertensystem PRO_PLANT 379

Literatur

EpKE, K. , MICHEL, S. & YOLK, T. (1996): Entwicklung des wissensbasierten Beratungssy­stems PRO PLANT fur den umweltschonenden Einsatz von Ptlanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Forschung und Beratung Reihe C. Heft 50, 154 S.

FRAHM, J. & STREIT, U. (1991): Chancen zur Minimierung des Einsatzes von Ptlan­zenschutzmitteln durch bessere Beratungskonzepte: Das PRO_PLANT - Projekt. In: Ernst, W.; Hoppe, W. & R. Thoss (Hrsg.): Gewasserschutz in urbanen und landlichen Raumen; Materialien zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd 31 ; MUnster; 121-136.

FRAHM, 1. & YOLK, Th. ( 1994): PRO_PLANT als Instrument der Pflanzenschutzberatung in integrierten Anbausystemen. Tagungsband "Wissens- und Technologietransfer fur integrierte Landbausysteme" am 29./30.6.1994 in Soest. S. 144-152.

FRAHM, J. , YOLK, T. & JOHNEN, A. (1996) : Development of the PRO]LANT decision­support system for plant protection in cereals, sugarbeet and rape. Proceedings EPPO Conference on Forecasting in Plant Protection, EPPO Bulletin (in press).

MANCHE, A. & SIMON, K.-H. (1994): Schwellensituation - Was bringen Expertensysteme dem Umweltschutz? c' t 5: 110-115.

MORITZ, H. (1996): Cercospora & Co. - mit dem PC sicherer im Griff? top agrar 6: 54-57. STREIT, U. & 1. FRAHM (1991): Konzeption eines wissensbasierten Beratungssystems fur

den umweltschonenden Einsatz von Fungiziden in der Landwirtschaft. In: GUnther, 0. ; Kuhn, H. ; Mayer-Foil , R. & J. Radermacher (Hrsg.): Workshop Umweltinformatik 1990; FAW Ulm, 255-268.

YOLK, TH., JOHNEN, A. & KUNGENHAGEN, G. (1995): Was Pro_Plant jetzt bietet. DLG­Mitteilungen 3: 28-35.

Zurn Autor

Thomas Volk, Jg. 1963, studierte von 1983 bis 1988 in Bonn Agrarwissenschaften mit Schwerpunkt Pflanzenproduktion, welches mit dem Abschluf3 eines Dipl.-Ing. agr. beendete. Von 1988 bis 1989 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Pflanzenschutz der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe in Mi.inster. Von 1990 bis 1996 leitete er die Arbeitsgruppe PRO ]LANT am Institut fur Agrarinformatik der Universitat Mi.inster. Seit dem 1.7.1996 ist er Geschaftsfuhrer der Pro _ Plant-Gesellschaft fur Agrar- und Umwelt­informatik mbH in Mi.inster.

Page 380: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

30 Erfahrungen mit der Zertifizierung nach DIN/ISO 9002 fur Schlachtrinder aus 6kologischer Haltung

Wolfram Buschmann und Erika Hufschild

30.1 Vorstellung des Unternehmens

Die Mi1chgenossenschaft Heideland eG GroB-Briesen ist am 16.05.1991 durch Umwandlung in eine eingetragene Genossenschaft auf BeschluB von ehemaligen Mitgliedem der LPG Tier- und Pflanzenproduktion und Grundeigentiimem (Um­wandlungsversammlung yom September 1990) entstanden. Sie ist beim Register­gericht FrankfurtiOder unter der Registemummer GnR 65 eingetragen. In ihrer wirtschaftlichen Struktur zeichnet sich der Betrieb durch okologischen Pflanzen­bau (seit 1993 anerkannt kontrollierter Betrieb nach den EWG Richtlinien Nr. 2092/91) und nach Biolandrichtlinien gehaitenen Mi1ch- und Jungrinderbestanden aus.

Bewirtschaftet werden 1141 ha Ackerland und Weiden. 1m Ackerfutteranbau iiberwiegt der Luzeme- und Kleegrasanbau. Zur eigenen Versorgung der Tierbe­stande werden jahrlich fur die Konzentratversorgung ca. 500-550 ha Roggen, Hafer und Komerleguminosen ausgesat. Durch die okologische Anbauweise und der geringen Bodenwertzahl (durchschnittlich 23 Punkte) liegen die Ertragserwar­tungen bei Getreide im Durchschnitt zwischen 12 und 16 dUha und im Feldanbau zwischen 240 und 300 dt./ha.

Zur Energieversorgung der Milchviehbestande werden bis 200 ha Mais fur hochwertige Maissilagen eingedrillt. Zur Diingung der Acker und hierbei vor allen Dingen zur Stickstoff- und Phosphorversorgung, wird ausschlieBlich Stallmist und Jauche nach festgelegten Einsatzplanen verwendet. Weiterhin wird eine Boden­verbesserung durch gezieite Griindungaussaaten (Seradella) gewahrleistet. Der Mi1chviehbestand wird an einem Standort in drei Stalleinheiten gehalten, davon 2 Laufstalle mit insgesamt 400 Platzen und einem Reproduktionsanbindestall mit 80 Platzen. Fiir die Reproduktion wird ausschlieBlich eigene Nachzucht eingesetzt. Die Nachzucht wird am Standort mit Weidehaltungsmoglichkeiten (fast Gesamt­jahr) gefuhrt. Die ca. 80 ha Weiden und Wiesen stehen somit erstrangig unter weiterer Einbeziehung von Ackerfutterflachen der Aufzucht von weiblichen und mann lichen Kalbem und Jungrindem zur Verfugung. Am Standort Reudnitz wurde

Page 381: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

382 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

noch ein altes Stallgebaude fur 120 Tierplatze auf Laufstallhaltung (Stroh) umge­baut. Seit Sommer 1994 werden dort vorrangig Mastbullen gehalten. Speziell diese Stalleinheit, und das hier erzeugte Endprodukt, das heiBt Schlachtrinder aus oko­logischer und zertifizierter Haltung, war das Ziel, den Betrieb auf dieser Erzeuger­schiene nach der DIN ISO Norm 9002 prUfen zu lassen. Dazu wurden umfangrei­che betriebliche Veranderungen eingeleitet. Ein Qualitatsmanagement-Handbuch und die zugeordneten Dokumente wurden erarbeitet. Nach erfolgter PrUfung am 27.l0.1994 konnten mit dem 09.1l.l994 die ersten 7 Schlachtfarsen mit einem Preis von DM 11,50 pro kg Schlachtgewicht vermarktet werden. Diese bisher einmalige Vermarktung war moglich, weil zum damaligen Zeitpunkt der Babykost­produzent Milupa vorrangiges Interesse fur seine Produktenpalette an okologisch und zertifiziertem Schlachtrind angemeldet hatte. Die Bedingungen konnten somit erfullt werden und die Milchgenossenschaft Heideland eG stellte sich darauf ein, in erster Linie Bullen und zuchtuntaugliche Fiirsen zu einem Schlachtendgewicht von ca. 125-140 kg in ihre Produktionspalette aufzunehmen. Aile aus dem Quali­tatsmanagement Handbuch und den zugeordneten Dokumenten zu erbringenden Leistungs- und Arbeitsaufgaben des Betriebes wurden somit in diesen okologisch gUnstig sich abzeichnenden Produktionsbereich eingebunden.

30.2 Betriebsinterner Umgang mit der DIN ISO Norm 9002

Unabhangig davon, daB ein landwirtschaftliches Untemehmen aufgrund der gerin­gen erzielbaren Agrarpreise in seinem Leistungs- und Arbeitskraftebestand und somit in den Lohnkosten zu einem standig strafferen Haushalt gezwungen wird, muB grundsatzlich anerkannt werden, daB Mehraufwand an Zeit und Geld in Vor­bereitung der Organisation des Betriebes, der Erarbeitung der Dokumente, der Beratung mit den Arbeitsgruppen und dazugehorigen KontrollmaBnahmen sich langfi'istig auszahlen wird. Die tiefgrUndige Beschiiftigung mit den Verfahrensan­weisungen und Arbeitsprozessen, wie das bei der Erarbeitung fur die Dokumente der DIN ISO Norm erforderlich ist, deckt immer betriebliche Mangel und Schwa­chen auf, deren Uberwindung durch somit vorhandene schriftliche Anleitung und Kontrolle beseitigt werden Die Frage ob aile nach der DIN ISO Norm 9002 vor­gegebenen Punkte im landwirtschaftlichen Betrieb auch sinnvoll zum Tragen kommen konnen, ist aus unserer Erfahrung nicht immer okonomisch realisierbar. Wie durch Untemehmensleitung, QM Beauftragten und aile in dies en ProzeB ein­gegliederten Mitarbeiter in Praxis mit den Dokumenten bzw. deren Umsetzung verfahren wird, soli hier diskutiert werden. Dabei ist unseres Erachtens der Wer­tungsUberblick einmal aus dem Bereich der Leitung und einmal aus dem Bereich der Produktion zu sehen.

Page 382: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

30 Zertifizierung nach DINIISO 9002 383

30.2.1 Wertung der Arbeit mit den Dokumenten aus der Sicht der Leitung

Grundsatzlich steht fest, daB trotz aller Einbeziehung der Produktionsfachkrafte die Leitung fiir die Erarbeitung und Revision der Dokumente nach erfolgten Audits den Hauptzeitfonds aufwenden muB. Er liegt auf jeden Fall entscheidend h5her, als das bisher in landwirtschaftlichen Betrieben ublich war. Dabei ist die Hauptver­antwortung und der gr5Bte Arbeitsteil durch den QM Beauftragten und Geschafts­fUhrer zu bewaltigen. Das wird dann besonders unangenehm, wenn der Zeitfonds dieser genannten Personen durch jahreszeitlich bedingte landwirtschaftliche H5chstanforderungen, z. B. Ernte, bis an seine Grenzen ausgesch5pft ist. 1m vor­hinein gesagt bedeutet das, daB die kontinuierliche Arbeit mit den Dokumenten wie erforderlich (interne Audits, Revisionen, Archivierung etc.) nicht konsequent durchfUhrbar erscheint. Es sollte angeraten sein, deshalb fiir landwirtschaftliche Produktionen, die in ihrem Ursprung aus der Industrie kommende Normung so­wohl im Qualitatsmanagement Handbuch als auch in den Verfahrensanweisungen nach Umfang und Wichtung zu Uberdenken. Anhand der Wertung des vorhande­nen QM Handbuches und der dazugeMrenden Verwahrungsanweisungen wird versucht, dieses aus unserer Sicht zu erlautern.

Selbstverstandlich sind im QM Handbuch die Punkte Betriebsdarstellung, die Einleitungen, Inhaltsverzeichnis, Verbindlichkeitserklarungen und Leitungsverant­wortlichkeiten als Grundsatz unentbehrlich. Wiederum aber mUssen ausfiihrliche Darlegungen, was ein QM System Uberhaupt bedeutet und wie sich dieses in den Elementen der Norm DIN ISO widerspiegelt im praktischem Wert als UberflUssig betrachtet werden, denn letztendlich soli der Kunde des Produktes beim Einblick in das QM Handbuch sich auf die wesentlichen Dinge beziehen k5nnen und diese beginnen unseres Erachtens in seinem Interesse bei dem Kapitel der Vertragsprii­fungen und der damit auch dargestellten Betriebsbeziehungen. Es hat sich als gUnstig erwiesen, daB im betriebsinternen Bereich die Lenkung der Dokumente nachgewiesen werden kann. Die in der Matrix dargestellte Obersicht zur Lenkung der Dokumente und Daten, an welchem Ort welche Dokumente vorhanden sein mUssen und wie sie zu fiihren sind, mit der Angabe ihrer Zeit der Autbewahrung (Archivierung), gibt mit Sicherheit, wie von uns an einem Fallbeispiel nachgewie­sen, eine langfristige Aussagekraft Uber durchgefiihrte MaBnahmen des Betriebes.

1m gegenwartigen Schlachtrinderabsatz ist durch die Verunsicherung des Mark­tes durch die BSE Problematik und des jUngst nachgewiesenen Chloramphenicol­einsatzes, die Handlernachfrage an betrieblich und amtlich zertifizierten Schlacht­tieren vordergriindig. So war uns der Verkauf, wenn auch nicht besonders hono­riert, obwohl 5kologisch aufgezogen, von 50 Jungbullen zur Weitermast nur da­durch m5glich, indem der lUckenlose Nachweis Uber das Muttertier, Haltung und Behandlung der Jungtiere, Dokumentation und Kennzeichnung erbracht werden konnte. Wir mUssen jedoch hinzufiigen, daB die DIN ISO Zertifizierung nicht verlangt wurde. Die Frage der Beschaffung, unter Punkt 5 im QM Handbuch aus­gewiesen, war ebenfalls in ihrer Dokumentation sehr hilfreich, indem bei einer Auseinandersetzung mit dem Kraftfutterlieferanten auf die Einhaltung mit der mit ihm in Audit festgelegten Grundelemente (nur zugelassene Futterkomponenten im

Page 383: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

384 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Kraftfutter) anhand un serer aufbewahrten Belege nachgewiesen werden konnte, da/3 der Lieferant Abweichungen in der Zusammensetzung seines Futtermittels und dessen Deklaration zuge\assen hatte. Damit konnte der okologischen Kontrollstelle glaubhaft gemacht werden, da/3 unser Untemehmen aufgrund der von uns abver­langten Zertifizierung des Kraftfutterherstellers nicht von der Annahme ausgehen mu/3te, da/3 die Kraftfutterinhaltsstoffe Abweichungen aufweisen. In Rtickverfol­gung nach einem halben Jahr des Geschehens und in der ltickenlosen Nachweis­fuhrung unserer Dokumente, mu/3te der Kraftfutterlieferant Ersatz leisten. Die ein­deutige Tierkennzeichnung und Rtickverfolgbarkeit, einschliel3lich der Proze/3len­kung sind zu Grundsatzarbeiten des Betriebes geworden, und werden von den Fachkraften tagesfertig dokumentiert. Gleiches ist festzustellen zu Kapitel 8 des QM Handbuches: Prtifungen. Hierzu mu/3 man aber vermerken, daB dieser Teil des ofteren einer Revision bedarf. Die Revisionen ergeben sich meist daraus, indem Betreuer und Verantwortlichkeiten wechseln, in den genannten Hochdruckzeiten der Landwirtschaften Uberprtifungen von Priifmitteln nicht standig gewahrleistet werden konnen und auch die Riickfuhrung von Schlachtdaten aus den Schlachtho­fen oft als unzureichend betrachtet werden mu/3, urn qualitatsverbessemde MaB­nahmen daraus ableiten zu konnen. Als besonders gut hat sich die Dokumentation zur Lenkung fehlerhafter Produkte erwiesen. So ist z. B. schon bei den Muttertie­ren das rechtzeitige Erkennen, dokumentarisch Anzeigen, gesondert Aufstallen und das unmittelbare Einleiten besonderer Ma/3nahmen (tierarztliche Behandlun­gen) herdengesundheits- und leistungsf6rdemd. Als Bsp. sollte hier die Verbesse­rung der Eutergesundheit im Rahmen der Zellsanierung genannt werden. In der Kalber- und Jungrinderaufzucht werden die Tiere, die augenscheinlich gesund­heitliche Probleme zeigen, in besonderen Gruppen erfa/3t, und ihre betriebliche weitere Lenkung dokumentiert. Auch hat sich die Kontrolle der Handhabung der Tiertransporte und der Endkontrolle durch den Leiter Viehwirtschaft bei der Uber­gabe an Tiertransportuntemehmen als unbedingt notwendig erwiesen. Bis hierher kann man in der Arbeit mit dem QM Handbuch und den Verfahrensanweisungen eine durchaus positive Bilanz aus der Sicht der Leitung ziehen. In den nachfolgen­den Punkten wird dann die Einhaltung der taglichen Arbeit diesbeziiglich praktisch weit schwieriger.

So ist bei der Einhaltung von Qualitatsaufzeichnungen die Einbeziehung weite­rer Mitarbeiter des Betriebes erforderlich und erfordert von ihnen eine weitere gedankliche und schriftliche Arbeitsleistung, die zu ihrem gewohnten und prakti­schen Arbeitsfeld hinzukommt. Der QM Beauftragte mu/3 immer wieder feststel­len, da/3 eine tagesfertige Dokumentation aller Bereiche einheitlich nicht zu errei­chen ist. Der QM Beauftragte ist nicht in der Lage, die von den einzelnen zur Auf­zeichnung Verpflichteten, betriebsintemen undextem Dokumente, die wiederum sich daraus ergebende Lenkung der Dokumente mit den Mitarbeitem so zu regeln, daB sie in seinem Zeitma/3 bewaltigt werden konnen. Es scheint uns hier erforder­lich, wenn diese Arbeit fur den Betrieb schluBfolgerungsfahig in unmittelbare Leitungstatigkeit umgesetzt werden soli, eine Hauptkraft zu beschaftigen. Dieses aber wiederum wtirde sich okonomisch fur die Landwirtschaft nur dann tragen, wenn sich im Markt tatsachlich eine kontinuierliche Nachfrage nach DIN ISO zertifizierten Produkten ergeben sollte.

Page 384: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

30 Zertifizierung nach DIN/ISO 9002 385

30.2.2 Wertung der Arbeit mit den Dokumenten aus der Sieht der Produktion

Aus der Sicht der Beschaftigten in der Produktion, konnte die doch recht umfang­reiche Niederschrift gegentiber vorhergehenden Dokumentationen nie recht nach­vollzogen werden. Dabei muJ3 man beachten, daJ3 die Produktionsfachkrafte in erster Linie zur praktischen Arbeit und weniger zur schriftlichen Arbeit neigen. Sie werden also, und dies besonders bei oft erforderlicher Notwendigkeit neuer Vorla­gen, in der Dokumentation sich unbeweglich zeigen. Sie begrunden das in erster Linie mit dem hohen MaJ3 an korperlich praktischer Tatigkeit. So ist ein 10-Stun­dentag in der Landwirtschaft fast die Regel und ein zusatzlicher Dokumentations­aufwand stOJ3t auf eine gewisse Uneinsichtigkeit zum praktischen Nutzen. Beson­ders schwierig wird das bei der Durchfuhrung der intemen Qualitatsaudits, die durch den QM Beauftragten in den Arbeitsbereichen durchzufuhren sind und bei der Einhaltung des Schulungsprogrammes der Mitarbeiter. Hier moge aus der Sicht der Landwirtschaft gegentiber der Industrie folgende Tatsache wohl eine negative Auswirkung haben und zwar diese, daB VOR-ORT-AUDITS und Schu­lungen immer mit zusatzlicher Zeitaufwendung fur die Arbeitskrafte des Unter­nehmens verbunden sind, die sie trotz Vergtitung auf Grund ihres ohnehin schon langen Arbeitstages als unangenehm empfinden.

30.3 Nutzen des Zertifikats nach DIN/ISO 9002 fur Schlachtrinder aus okologischer Haltung im Markt

Aus unseren bisherigen Erfahrungen zeigt sich, daJ3 das Zertifikat DIN/ISO 9002 und auch der Nachweis des Untemehmens den Markterfolg nicht brachte. Die Hoffuung unseres Betriebes fur einen speziellen Verarbeiter wie Milupa konti­nuierlich zuliefem zu konnen, hat sich bis auf den erwahnten Probeabsatz von 7 Schlachtfarsen nicht erfullt. Ursachlich scheint das daran zu liegen, daJ3 wieder­urn der Markt des Vermarkters den somit fur ihn hohen Einkaufspreis nicht her­gibt. Das heiJ3t, unabhangig von den genannten betriebsintemen Vorteilen nach dem System eines Qualitatsmanagements zu verfahren, bleibt das auf den betrieb­sextemen Bereich ohne Eindruck. So haben wir gegentiber unseren Abnehmem die Zertifizierung immer betont, und aIle Moglichkeiten im Markt gepruft, inwieweit neben dem okologischen Nachweis die Nennung des DIN/ISO-Zertifikats absatz­begtinstigend wirken konnte. Dies ist bis auf wenige Ausnahmen in der Regel nicht der Fall, wird aber mit Freundlichkeit zur Kenntnis genommen. Preisvorteile im Markt, das muJ3 hier eindeutig gesagt werden, sind gegenwartig nicht zu erreichen.

Wir werden prtifen mtissen, ob eine weitere Zertifizierung unseres Untemeh­mens, da mit hohen Kosten verbunden, okonomisch vertretbar ist.

Page 385: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

386 Kapitei 4: Nahrungsmitteiindustrie und Landwirtschaft

Zu den Autoren

Dr. med. vet. Wolfram Buschmann, Jg. 1939, hat nach Mitt1erer Reife (1956) und landwirt­schaftlicher Tatigkeit in einer LPG als Fachar­beiter in der Rinderzucht gearbeitet. Nach dem Abitur an der Volkshochschule Rangsdorf hat er an der Humboldt-Universitat in Berlin Tier­medizin studiert und 1971 die Priifung zum Diplom-Veterinarmediziner bestanden. 1973 erfolgte die Approbation zum Tierarzt. Von 1973 bis 1974 war er als Tierarzt an der Karl­Marx-Universitat in Leipzig tatig. 1m selben Jahr wurde er leitender Tierarzt fur Rinder­zucht in Schneeberg im Kreis Beeskow. Nach seiner Promotion zum Dr. med. vet. im Jahr 1977 wurde er zum Leitenden Tierarzt der

Mi1chviehanlage Birkholz im Kreis Beeskow berufen. 1988 wurde er zum Leiter der Tierproduktion beim Rat des Kreises Beeskow emannt. Seit 1990 steht er der Mi1chgenossenschaft Heideland eG als Vorsitzender vor.

Erika Hufschild, Jg. 1963, absolvierte zunachst nach der Polytechnischen Oberschule eine Lehre zur Zootechnikerin und Mechanisatorin. Nach einem Studium zur Ingenieurpadagogin, Fachrichtung Tierproduktion, war sie als Lehr­ausbilderin in einer Landwirtschaftlichen Pro­duktionsgenossenschaft tatig. Von 1987 bis 1992 arbeitete sie in verschiedenen Positionen in LPG en und der Mi1chgenossenschaft "Heideland" in GroB-Briesen. Seit 1992 ist sie als geschaftsfuhrendes Vorstandsmitglied und Ausbilderin in GroB-Briesen tatig.

Page 386: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits

Reiner Doluschitz und lens Pape

30.1 Einleitung

Wenngleieh die Teilnahme am Oko-Audit-Gemeinsehaftssystem der EU derzeit fur landwirtsehaftliehe Betriebe noeh nieht moglieh ist l , so fOrdert und unterstUtzt die EMAS2 -Verordnung dennoeh die "Einbeziehung weiterer Sektoren" (Artikel 14). Demgegeniiber ist die DIN EN ISO 14001 im Landwirtsehaftssektor bereits anwendbar, sodaB sich landwirtsehaftliehe Betriebe gegen diese Norm zertifizieren lassen konnen. Vor diesem Hintergrund sowie in Anbetracht der 1998 anstehenden Oberpriifung der EMAS-Verordnung (Artikel 20), ist damit zu reehnen, daB in absehbarer Zeit auch der Agrarsektor zum Anwendungsbereich der EMAS­Verordnung zu zahlen sein wird.

Spatestens dann wird die Implementierung eines Umweltmanagementsystems nach der EMAS-Verordnung fur den Agrarsektor an Bedeutung gewinnen. Ver­sehiedene Anspruehsgruppen landwirtschaftlicher Untemehmen fordem namlich bereits jetzt schon vermehrt Informationen zur Umweltleistung der Betriebe; dies, weil gerade die (konventionell wirtschaftende) Landwirtschaft in zunehmendem MaBe fur bestimmte Umweltprobleme, wie etwa die Stickstoff- und Phosphatbela­stung der Oberflachengewasser und des Grundwassers, verantwortlieh gemacht wird.

Gerade in dies em Bereich sind Ansatze wie etwa Hoftorbilanzen fur Diingemit­tel und andere Stoffe verfugbar und werden z.T. aueh angewandt. Daruber hinaus leistet die in Kraft getretene Diingeverordnung (BGB!., 1996) eine Beitrag zum naehweisbaren betrieblichen Umweltschutz. Die Einfiihrung eines Umweltmana­gementsystems, verbunden mit der erfolgreichen Teilnahme am Gemeinschaftssy­stem, erOffnet die Moglichkeit einer Differenzierung innerhalb konventionell wirt-

I) Teilnahmeberechtigt sind Unternehmen die einer gewerblichen Tiitigkeit gemliB Abschnitt C und D des NACE-Codes (Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 9. Oktober 1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschafiszweige in der Europliischen Gemeinschaft (NACE Rev. I ) nachgehen. Landwirtschaftliche Betriebe werden hiervon nicht erfaBt.

2) EMAS = Environmental Management and Audit Scheme

Page 387: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

388 Kapitei 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

schaftender Betriebe und bietet gegenUber okologisch wirtschaftenden Betrieben eine Moglichkeit, die eigene Umweltleistung darzustellen. Neben dem innerbe­trieblichen Nutzen und der Einbeziehung der Marktkrafte im Sinne des Umwelt­schutzes, der sich aus neuen Informationsbereichen und InformationsflUssen durch die Umsetzung der EMAS-Verordnung ergibt (KRAEMER, A., 1995), profitieren landwirtschaftliche Betriebe auch yom sich hierdurch ergebenden Imagegewinn beim Verbraucher. Innerhalb der Produktionslinie sind validierte Untemehmen -hier die Emiihrungsindustrie als der Landwirtschaft nachgelagter Bereich- angehal­ten, "betrieblichen Umweltschutz und Praktiken bei [ ... ] Lieferanten" (Anhang 1 C 8 der EMAS-VO), d.h. u.a. bei landwirtschaftlichen Betrieben, im Rahmen der Umweltpolitik und -programme sowie der UmweltbetriebsprUfung zu berucksich­tigen. Dies hat zur unmittelbaren Folge, daB bei konsequenter Auslegung des Oko­Audits die Landwirtschaft gegenUber ihren Abnehmem eine umweltorientierte Untemehmensfiihrung nachzuweisen hat.

31.2 Von den Hoftorbilanzen zum Agrar-Oko-Audit

Wenngleich bei der Anwendung bzw. der Dbertragung der EMAS-Verordnung auf landwirtschaftliche Betriebe die Besonderheiten des Agrarsektors berucksichtigt werden mUssen und eine angepaBten Vorgehensweise notwendig machen, so kon­nen dennoch die Instrumente, welche die Verordnung als Handlungsanleitung vorgibt (Abb. I), zu einer Verbesserung und Kontrolle des betrieblichen Umwelt­schutzes fuhren (vgl. ausfiihrlich DOLUSCHITZ, R. UND PAPE, J., 1996).

1m Rahmen der UmweltprUfung, wie auch innerhalb der sich im weiteren Ver­lauf der Umsetzung der EMAS-Verordnung anschlieBenden UmweltbetriebsprU­fungszyklen

• sind die "umweltrelevanten Tatbestande und Wirkungen" zu erfassen und zu bewerten (Performance-Audit),

• ist die Rechtskonformitat zu prUfen (Compliance-Audit) sowie • die Organisationsstruktur bzw. das Umweltmanagementsystem hinsichtlich

seiner Funktionsfahigkeit zu UberprUfen (System-Audit).

Die OberprUfung der Auswirkungen auf die Umwelt (Performance-Audit) stellt dabei mithin ein Problem dar, sind diese Auswirkungen im Landwirtschaftsbereich doch oft sehr komplex, die "standortspezifische" bzw. untemehmensspezifische Zuordnung jedoch meist schwierig bzw. kaum mogJich und zudem schwer quanti­fizierbar (BEITZ, A. UND WENDT, J., 1996). Dies trifft insbesondere fiir die Aus­wirkungen von DUnge- und Pflanzenschutzmittel zu. Urn hier zu einer standort­bzw. untemehmensspezifischen Aussage zu geJangen, mUssen - iihnlich wie im gewerblichen Bereich - standortspezifische Input-IOutputanaJysen fur den Einsatz von DUngemitteln durchgefiihrt werden.

Page 388: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits 389

'I Oko-Audit U mwelt(betriebs )priifung

1 1 Wirkungsaudit Rechtsaudit Managementaudit

Peifonnance ~udit Compli.ance Audit System Audit ",i'

Stoff- / Energieflilsse RechtskonformiUit Organisationsstruktur

Erhebung der Erhebung der Rechts- Erhebung der umweltrelevanten und Verwaltungs- Organisation / des Tatbestande und vorschriften Umweltmanagement-

Wirkungen system

I I I Dokumentation: Dokumcntation:

betricbliche Umweltlrolldbuclr / nput- IOutputalllyse

I Aus- und Bewertung I Aus- und Bcwertung I Aus- und Bcwertung

I • Priitberichte •

U mweltprogramm

UmweUcrkllirung

Umsetzung

Abb. 1. Der EMAS-Proze/3 ("Augsburger Modell"), (Quelle: IMU, 1996)

Page 389: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

390 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Abwasser- H=====::::!..-----=..! verband

Gcwerbe Handel

Inlporl ierte Futlerminel

BelnebsHrenl.e

Abb.2. Quellen und Ziele sowie innerbetriebliche Umsetzung von Stickstoff im landwirt­schaftlichen Betrieb (fett: Komponenten der Hoftorbilanz) (Quelle: in Anlehnung an OBRIST et a!., 1993)

Auch rechtliche Vorschriften, deren Einhaltung im Rahmen der Umwelt(betriebs)­prufung ebenfalls zu uberprufen sind (Compliance-Audit), fordem die Erstellung derartiger Analysen. So mit der seit Februar 1996 giiltigen Dungeverordnung fur Betriebe mit mehr als 10 Hektar landwirtschaftlich genutzter Flache3 "auf Betrieb­sebene fur Stickstoff jahrlich, fur Phosphat und Kali mindestens aile drei Jahre [ ... ] Vergleiche [ ... ] tiber die Nahrstoffzu- und -abfuhr [ ... ] zu erstellen" (§ 5 (1) Dun­geverordnung). Ein derartiger Vergleich kann anhand sogenannter "Hoftor­bilanzen" gefuhrt werden (Abb. 2). Hoftorbilanzen dienen somit als Instrument zur Durchftihrung einer Umweltprufung bzw. Umweltbetriebsprlifung und konnen daher als Grundlage eines Agrar-Oko-Audits betrachtet werden.

1m Rahmen der Hoftorbilanzen wird auf Betriebsebene eine Input-IOutput­betrachtung vorgenommen, bei der die Zufuhr an Nahrstoffen in Form von Futter, Mineraldunger, Saatgut und Vieh mit der Nahrstoffabfuhr durch den Verkauf der erzeugten pflanzlichen und tierischen Produkte verglichen wird. Dber das Konzept der Hoftorbilanz erfolgt somit eine Quantifizierung des Nahrstoffaustausches zwi­schen Bezugs- und Absatzmarkten. Die betriebsintemen Nahrstofffltisse tiber

3) oder mehr als I Hektar Anbau von GemOse, Hofen, Reben, Erdbeeren, Geholze oder Tabak (Ausnahmen vgl. § 5 (2) Olingeverordnung)

Page 390: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits 391

Giille, Stallmist und Emteprodukte bleiben dabei ebenso unberiicksichtigt wie die Ein- und Austrage aus/in Luft und Grundwasser; es werden also lediglich die Pro­dukte erfaBt, die im Rahmen von Geschaftsvorgangen in den Betrieb hineingelan­gen bzw. diesen verlassen.

Dennoch verbindet die Aus- und Bewertung der betriebsspezifischen Hoftorbi­lanz okonomische und okologische Zielsetzungen, indem sie wichtige Ergebnisse fur Entscheidungen hinsichtlich der betrieblichen Diingeplanung und auch eine Be­wertungsmoglichkeit beziiglich der Umweltauswirkungen der landwirtschaftlichen Tiitigkeit am Standort liefert (FRITSCH, F., 1990). Die Ergebnisse einer Hoftorbi­lanz konnen somit als eine Bemessungsgrundlage fur das AusmaB der umweltbe­lastende Wirtschaftsweise dienen. Dariiber hinaus kann die Rechtskonformitat ge­priift werden, d.h. z. B. ob die Landbewirtschafiung in Wasserschutzgebieten ord­nungsgemaB erfolgt oder ob bestimmte Anforderungen der Diingeverordnung eingehalten werden.

31.3 Verfugbare Ansatze

Urn z. B. fur Stickstoff die von landwirtschaftlichen Betrieben ausgehenden Um­weltbeeintrachtigungen exakt darstellen zu konnen, mUBte dieser durch eine direk­te Bestimmung des mineralisierten und damit auswaschungs-gefahrdeten Stick­stoffs im Boden bzw. die Durchfiihrung von Exaktversuchen zur Messung gas­f6rmiger Verluste quantifiziert werden (vgl. auch DOLUSCHITZ ET AL., 1992 sowie die dort angegebene Literatur). Eine flachendeckende Umsetzung dieser Ansatze ist kaum vorstellbar. Einfacher durchfuhrbar ware hingegen eine Auflagenbuchfuh­rung fur Mineraldiinger und Giille oder das Heranziehen von Ackerschlagkartei­Aufzeichnungen zur vergleichsweise exakten Stickstoftbilanzierung auf Schlage­bene (HEILMANN, H., 1991; DOLUSCHITZ, R. ET AL., 1993). Aufdieser Grundlage lassen sich auch gesamtbetriebliche bzw. sektorale Bilanzierungen erstellen (KOEPF, H., 1990; NOLTE, C. UNO WERNER, W., 1990).

31.4 Erstellung einer Hoftorbilanz am Beispiel von Stickstoff

1m folgenden soli das Konzept der Hoftorbilanz auf gesamtbetrieblicher Ebene fur Nahrstoffe am Beispiel Stickstoff vorgestellt werden (DOLUSCHITZ ET AL., 1992). Der iiberwiegende Teil des Datenmaterials zur Erstellung der Hoftorbilanz ist dabei der betrieblichen Buchfiihrung zu entnehmen (DOLUSCHITZ ET AL., 1992;

Page 391: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

392 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

BRINGS, G., 1996). Dabei bieten diese gesamtbetrieblichen Bilanzen, die auf der Basis bereits vorliegender Buchfuhrungsergebnisse beruhen, den Vorteil, daB eine weitraumige Umsetzung eines standardisierten Konzeptes vergleichsweise einfach moglich und auswertbar ist. Eine wesentliche Voraussetzung fur die Erstellung der Bilanz ist die Kenntnis der Rein-Stickstoff-Gehalte der bewegten Mengen an Be­triebsmitteln und Produkten - wie etwa Handelsdtinger, Futtermittel, Tierkorper sowie tierischen und pflanzlichen Erzeugnissen, also all denjenigen Produkten, die Stickstoff enthalten - , urn den Stickstoffaustausch zwischen dem Betrieb und den Bezugs- und Absatzmarkten quantifizieren zu konnen. So sind die Rein-Stickstoff­Gehalte der verschiedenen Handelsdtinger wie auch fur der mittlere Stickstoff- und Rohproteingehalt z. B. der Futtermittel sowie der tierischen und pflanzlichen Pro­dukte bekannt bzw. berechenbar. Diese Daten sind fur den Bilanzierungszeitraum mengenmaBig in Form der Zu- und Verkaufe in der steuer lichen bzw. betriebswirt­schaftlichen Buchfiihrung grundsatzlich dokumentiert, wenngleich diese haufig nicht disaggregiert genug sind.

Die Erstellung einer umfassenden gesamtbetrieblichen Stickstofibilanz, wie sie in Abbildung 3 dargestellt ist, ist neben diesem Aggregationsproblem auch des we­gen schwer moglich, weil die Berechnung einzelner Parameter wegen sehr um­fangreicher Datenanforderungen und sehr komplexer Wirkungszusammenhange auBerst schwierig ist. So sind z. B. die durch biochemische und physikalische Vor­gange verursachten Zu- und Abgange von Stickstoff schwer quantifizierbar und einzelbetrieblich kaum zuordenbar. Dabei handelt es sich urn diejenigen Verlust­und Zugangsquellen fur Stickstoff, die zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb und den Markten nicht nachvollzogen werden konnen. Beispiele fur derartige Zu­gangsquellen sind zum einen der Eintrag von Stickstofftiber Niederschlage aus der Atmosphare sowie die Luftstickstoff-Fixierung, z. B. durch den Anbau von Legu­minosen. Schwer quantifizierbare Verlustquellen fur Stickstoff sind in der Denitri­fikation sowie in Arnmoniakverlusten bei Gtillewirtschaft und Mineraldtingung zu sehen. Auch durch Nitratauswaschung kann Stickstoff den Stoftkreislauf des Be­triebes verlassen. Diese Stickstoffverluste bzw. -anreicherungen mtissen bei der Erstellung der Hoftorbilanz daher unberticksichtigt bleiben.

Das Konzept der Hoftorbilanz erfaBt daher lediglich die Mengen an Stickstoff, die tiber Zukauf in den landwirtschaftlichen Betrieb hineingelangen bzw. dies en tiber den Verkaufverlassen (Abb. 3, Rubrik 1.). Anhand dieser Parameter kann die Hoftorbilanz - im Gegensatz zur innerbetrieblichen Nahrstoffbilanz - hinreichend genau erstellt werden und wird somit zu einer wichtigen Bemessungsgrundlage fur die Geschlossenheit eines landwirtschaftlichen Betriebes, indem sie verdeutlicht, inwieweit es gelungen ist, den Output an erzeugten Produkten sowie den Input in ein ausgewogenes Verhaltnis zu bringen, wodurch die Nutzung der betriebseige­nen Leistungsfahigkeit und unter Berlicksichtigung des Zeitablaufs, die Nachhal­tigkeit der Erzeugung, optimiert wird (KOEPF, H., KAFFKA, S. UND SATTLER, F., 1989).

Page 392: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits 393

INPUT

I. von / zu Bezugs- und Absatzrniirkten

- Diingemittel

- Futtermittel

- Vieh

- Saat- und Ptlanzgut

II. von / zu Atmosphiirenstickstoff

OUTPUT

- Ptlanzliche Produkte

- Tierische Produkte

- Vieh

- Eintrag iiber Niederschlage - Denitrifikation

- Luftstickstoff-Fixierung - Ammoniakverluste bei Giillewirtschaft (symbiotische und nicht symbio- und Mineraldiingung tisch)

III. zu Grundwasser

- Nitratauswaschung

Abb. 3. Die vollstandige Stickstoff-Betriebsbilanz (Que lie: Doluschitz et ai, 1992)

Ursachen iiberdurchschnittlich hoher Stickstoff-Salden der Hoftorbilanz sind be­reits den Input- und Output-Konten zu entnehmen. So kann beispielsweise eine unter okonomischen und pflanzenbaulichen Gesichtspunkten iiberhohte N-Diin­gung am N-Import von Handelsdiinger, bezogen auf die Betriebsflache, erkennbar sein. Auch unter okonomischen und produktionstechnischen Gesichtspunkten iiberhohte Futtermittelimporte - erkennbar am Rohprotein-Import, bezogen auf den Viehbestand - konnen zu einem iiberdurchschnittlich hohen N-Saldo fiihren (vgl. ausfiihrlich DBG, 1992).

Anhand derartiger absoluter bzw. relativer (Umwelt-)Kennzahlen kann eine Auswertung der Hoftorbilanz erfolgen. Gleichzeitig findet eine Bewertung des Diingungs-Managements statt. Diese Aus- und Bewertungen finden im Rahmen des EMAS-Prozesses Eingang in die Priifberichte, die nach jeder Umwelt(be­triebs )priifung zu erstellen sind (vgl. Abb. 1). Aus den erarbeiteten Ergebnissen lassen sich Umweltziele ableiten, die in einem Umweltprogramm durch entspre­chende MaBnahmen zur Zielerreichung, Fristen und die Zuordnung von Zustan­digkeiten konkretisiert werden.

Page 393: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

394 Kapitei 4: Nahrungsmitteiindustrie und Landwirtschaft

31.5 Kritische Wiirdigung der Hoftorbilanz als Grundlage des Agrar-Oko-Audits

Das vorgestellte Konzept einer gesamtbetrieblichen Stickstoff-Bilanzierung auf der Grundlage von BuchfUhrungsdaten (vgl. auch DOLUSCHITZ, R. ET AL., 1992) ist ein Instrument, das sich vergleichsweise einfach umsetzen und auswerten liiBt und somit die Moglichkeit bietet, als standardisiertes Konzept flachendeckend umgesetzt zu werden, da es auf aile buchfUhrenden landwirtschaftlichen Untemeh­men, unabhangig von Produktionsrichtung und Standortgegebenheiten, ubertragbar ist. Zur Ouantifizierung der NiihrstoffiiberschUsse ist dieses Konzept als Indikator fUr mogliche Umweltbelastungen durch Stickstoffbesser geeignet als anderer Indi­katoren wie etwa der Viehbesatz. Der Viehbesatz als Indikator berUcksichtigt be i­spielsweise nicht die Art der Futterung oder das Leistungsniveau des Viehbestan­des und vemachlaBigt somit wesentliche, den betrieblichen Stickstoffanfall be­stimmende Faktoren (DOLUSCHITZ, R. ET AL., 1992).

Die fUr die Erstellung der Hoftorbilanz notwendigen Daten liegen in der Regel als monetare GroBen vor bzw. ist eine Transformation aggregierter Daten in Para­meter notwendig, die fUr den Stickstoff-Kreislauf des Betriebes relevant sind. Da­her sind fUr die Anwendung dieser Parameter im Rahmen einer Hoftorbilanz fol­gende Einschrankungen zu berucksichtigen:

• Grundlage fUr die Disaggregation sind i.d.R. nicht betriebsspezifische, sondem im Durchschnitt gUltige Annahmen.

• Die Unterstellung von mittleren Protein- bzw. Stickstoffgehalten einzelner Pro­dukte wird betriebsspezifischen Verhaltnissen nicht vollstandig gerecht.

• Betriebsindividuelle Daten uber die erzeugten Mengen der wichtigsten Acker­fiiichte sind zwar im lahresabschluB enthalten, jedoch lassen sich diese Werte nicht direkt fUr die Stickstoff-Bilanzierung verwenden, da zwischen innerbe­trieblicher Verwendung und Verkaufnicht differenziert wird.

• Die Kalkulation des Stickstoff-Outputs muB daher auf der Basis von Verkaufs­erlosen erfolgen, was bei bedeutenden Produktgruppen, wie Getreide und Kartoffeln, direkt moglich ist. FUr andere Produkte, wie z. B. HUlsenfiiichte, sind Hilfsparameter zu berechnen.

• FUr die Tierhaltung mussen ebenfalls Durchschnittswerte der verkauften Men­gen vorgegeben werden. So laBt sich beispielsweise die Zahl der verkauften Ferkel nur aus dem Erlos des Ferkelverkaufs berechnen; der Abgang an Alt­kuhen und Altsauen wird unter Vorgabe der durchschnittlichen Nutzungsdauer und des mittleren Verkaufsgewichtes ermittelt.

Die Berechnung des betrieblichen Stickstoff-Inputs ist fUr Futtermitttel und Dungemittel sowie fUr zugekauftes Saatgut und Dungemittel anhand von Tabellen moglich (vgl. DOLUSCHITZ, R. ET AL., 1992). Beim Vieh-Zukauf muB auf Durch­schnittswerte zuruckgegriffen werden.

Page 394: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits 395

Diese Kompromisse, die bei der Berechnung eingegangen werden (mtissen) sowie die VemachHissigung schwer quantifizierbarer innerbetrieblicher Stickstoff­gewinne und -verluste, die auBerhalb der Marktbeziehungen des Untemehrnens auftreten und sich somit nicht in den Buchfiihrungsergebnissen wiederfinden, schranken die Aussagefahigkeit der auf BuchfUhrungsergebnissen beruhenden Hoftorbilanzen ein.

Ais Einstieg in die betriebliche Stickstoftbilanzierung ist das Konzept jedoch aufgrund seiner vergleichsweise einfachen Handhabung, Obertragbarkeit und den eingangs erwahnten Vorteilen zu empfehlen, urn - beispielsweise im Rahmen des Agrar-Oko-Audits - erste Erkenntnisse der betrieblichen Umweltwirkung zu ge­winnen.

Die Tatsache allerdings, daB trotz einer scheinbar ausgeglichenen Stickstoff­Hoftorbilanz betrachtliche Oberschtisse und eventuell hohe Nitrateintrage in das Grundwasser vorliegen konnen, weil betriebliche Stickstoff-Gewinne dem Betrieb auBerhalb von Marktbeziehungen zugetuhrten werden (z. B. N-Bindung durch Leguminosen, N-Eintrag tiber Niederschlag) macht es mittelfristig erforderlich, die Nahrstoffbilanz - hier fur Stickstoff - auf einzelne Produktionsverfahren herunter­zubrechen (z. B. Pflanzenbau, Tierproduktion oder einzelne bilanzierungsfahige Prozesse), urn so zu Ergebnissen zu gelangen, die eine aussagekraftigere okologi­sche Schwachstellenanalyse ermoglichen (REITMA YR, 1995). Ftir das Produktions­verfahren Pflanzenbau konnte daher eine ausfUhrliche Nahrstoftbilanz wie folgt aussehen (Abb. 4):

Zufuhr Abfuhr

* Mineraldiinger .. Abfuhr Yom Feld durch Ernteprodukte

.. tierische Ausscheidungen .. Ammoniakverfliichtigung bei der Lagerung

.. Lieferung aus dem Boden und Ausbringung von Wirtschaftsdiingern

.. symbiotische Stickstoftbindung und Mineraldiingern

.. asymbiotische Stickstoftbindung .. Immobilisierung

.. N iedersch lag .. Denitrifikation

.. Siedlungsabfalle .. Erosion

.. Saatgut .. unvermeidliche Auswaschung

Sal do

Abb. 4. Nahrstoffbilanz fOr ptlanzliche Produktionsverfahren (MAIDL, 1991)

Page 395: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

396 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

31.6 SchluBbetrachtung

Zu den wesentlichen Umweltbereichen, die im Rahmen der Umweltprtifung bzw. Umweltbetriebsprtifung im EMAS-ProzeJ3 erfaJ3t und bewertet werden mUssen, ge­horen im landwirtschaftlichen Betrieb neb en dem Einsatz von DUngemitteln auch weitere Gesichtspunkte (Anhang I C der EMAS-Verordnung), wie etwa die Be­rUcksichtigung der Auswirkungen der landwirtschaftlichen Tatigkeit auf Boden, Wasser, Luft, das Energie-, Transport- und Rohstoffinanagement sowie das Was­ser- und Abwassermanagement, urn die wesentlichsten zu nennen.

FUr die Erfassung der Stoff- und EnergieflUsse wird in gewerblichen Untemeh­men i.d.R. eine betriebliche Input-IOutputanalyse erstellt. Dies ist im landwirt­schaftlichen Betrieb aufgrund der angesprochenen Schwierigkeiten schwer mog­lich. Von besonderer Umweltrelevanz sind hier insbesondere der Einsatz der Pro­duktionsmittel DUnge- sowie Pflanzenschutzmittel, da diese potentielle Gefahren zur Beeintrachtigung aller Umweltgtiter bergen (BEITZ, A. UND WENDT, 1., 1996). Hierbei kommt der Belastungen von Gewassem durch Stickstoff- und Phosphat eine besondere Bedeutung zu.

Die Erstellung einer Hoftorbilanz fur Stickstoff auf der Grundlage von Buch­fuhrungsdaten ermoglicht eine erste Orientierung fur den einzelnen Betrieb, ist die Umweltbelastung doch nicht zuletzt abhangig von der Betriebsform. Zur we iter­fiihrenden Analyse okologischer Schwachstellen werden verfahrensbezogene Nahrstoffbilanzen und Untersuchungen notwendig, urn so zu aussagekraftigen In­formationen Uber die tatsachliche Umweltbelastung zu kommen, von denen ggf. entsprechende Umweltziele abgeleitet werden konnen, die dann - ganz im Sinne des Oko-Audit-Gedankens - zu einer kontinuierlichen Verbesserung des betrieb­lichen Umweltschutzes fuhren.

Page 396: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits 397

Literatur

BEITZ, A. UNO WENDT, J., 1996: Entwicklung einer Methode zur praktischen Umsetzung der EG-Oko-Audit.verordnung in landwirtschaftlichen Betrieben. Diplomarbeit an der Landwirtschaftlich-Giirtnerischen Fakultat an der Humboldt-Universitat zu Berlin.

BRINGs, G., 1996: Diingegewohnheiten iiberdenken. In: Pfalzer Bauer, 48. Jg, Nr. 25, S. 22 ff.

BGB!. (Bundesgesetzblatt) 1996: Verordnung iiber die Grundsatze der guten fachlichen Praxis beim Diingen (Diingeverordnung) yom 26.01.1996, BGB!. Teil I Nr. 6, S. 118 ff.

DBG (Deutsche Bodenkundliche Gesellschaft), 1992: Strategien zur Reduzierung standort­und nutzungsbedingter Belastungen des Grundwassers mit Nitrat. AG Bodennutzung in Wasserschutz- und -schongebieten. Oktober 1992.

DOLUSCHITZ, R., WELCK, H. UNO ZEODIES, 1., 1992: Stickstoffbilanzen landwirtschaftlicher Betriebe - Einstieg in eine okologische Buchftihrung? Berichte iiber Landwirtschaft 70, S.551-565.

DOLUSCHITZ, R., FUCHS, C. UNO SCHANZENBA.CHER, B., 1993: EDV -Ackerschlagkarteien zur Unterstiitzung eines umweltorientierten Managements in Ackerbaubetrieben. In: Zeitschrift rur Agrarinformatik 1 (4), S. 74 ff.

FRITSCH, F., 1990: Zur Niihrstoffbilanz landwirtschaftlicher Betriebe. In: Pfalzer Bauer. 42. Jg., Nr. 48, S. 18 f.

GOTZ, B. UNO ZETHNER, G., 1996: Regionale Stoffbilanzen in der Landwirtschaft - Der Niihrstofthaushalt im Hinblick auf seine Umweltwirkung am Beispiel des Einzugsgebie­tes Strem. Monographien Band 78, Umweltbundesamt, Wien, S.12.

HEILMANN, H., 1991: Betriebswirtschaftliche Analyse und Beurteilung einzelbetrieblicher Moglichkeiten zur Reduzierung von Nitratauswaschungen und Bodenerosion - darge­stellt anhand von Betrieben im Kraichgau. Dissertation am Institut rur Landwirtschaftli­che Betriebslehre der Universitat Hohenheim.

IMU (Institut rur Management und Umwelt, Augsburg), 1996: Materialien zur Seminarrei­he Umweltmanagement und Umweltbetriebspriifung. Kontaktstudium Management an der Universitat Augsburg

KOEPF, H., KAFFKA, S. UNO SATTLER, F., 1989: Nahrstoffbilanz und Energiebedarf im landwirtschaftlichen Betriebsorganismus. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, S. 27 f.

KOEPF, H., 1990: Thesen zur Niihrstoffbilanz in altemativ wirtschaftenden Betrieben. In: Wissenschaftliche Mitteilungen der Bundesforschungsanstalt rur Landwirtschaft Braun­schweig-V olkenrode, Niihrstoffdynamik und Niihrstoffbilanz altemativ wirtschaftender Betriebe, SH 113, S. 6 f.

KRAEMER, A., 1995: Zielsetzung der EG-Oko-Audit-Verordnung und ihr Umfeld in der Europaischen Umweltpolitik. In: Fichter, K. (Hrsg.): Die EG-Oko-Audit-Verordnung -Mit Oko-Controlling zum zertifizierten Umweltmanagement. Hanser Verlag, Miinchen­Wien; S. 19 ff.

MAIOL, F.x., 1991: Verbesserung der Trinkwasserqualitat durch Optimierung der Land­bewirtschaftung. In: HeiBenhuber, A., Ring, H. (Hrsg.): Grundwasserschutz und Land­bewirtschaftung. Wasserwirtschaftliche, pflanzenbauliche und okonomische Aspekte. Vortrage anliilllich einer Tagung am 11. April 1991 an der Technischen Universitat Miinchen-Weihenstephan. Stuttgart. S. 84 ff.

Page 397: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

398 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

NOLTE, C. UND WERNER, W., 1990: Die Hoftorbilanz des Boschheidehofes. In: Wissen­schaftliche Mitteilungen der Bundesforschungsanstalt fUr Landwirtschaft Braunschweig­Volkenrode, Niihrstoffdynamik und Nahrstoftbilanz alternativ wirtschaftender Betriebe, SH 113, S. 20 f.

OBRIST, 1., VON STEIGER, B. UND STEINMOLLER. H., 1993: Regionale Friiherkennung der Schwermetall- uud Phosphorbelastung von LandwirtschaftsbOden mit der Stoftbuchhal­tung "Proterra". Landwirtschaft Schweiz Band 6 (9)

PAPE, J. UND DOLUSCHITZ, R., 1996: Die EG-Oko-Audit Verordnung: Darstellung, Be­schreibung, Umsetzung im Unternehmen und Bewertung. In: Fleischwirtschaft 76 (3), S. 209 ff.

REITMAYR, T., 1995: Entwicklung eines rechnergestiitzten Kennzahlensystems zur okono­mischen und okologischen Beurteilung von agrarischen Bewirtschaftungsformen - dar­gestellt an einem Beispiel. Agrarwirtschaft - Zeitschrift fUr Betriebswirtschaft, Marktfor­schung und Agrarpolitik. Sonderheft 147, Frankfurt, 1995. S. 76 ff.

Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 iiber die freiwillige Beteili­gung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem fUr das Umweltmana­gement und die Umweltbetriebspriifung. Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften, Nr. L 168/1 vom 10.07.1993

Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 9. Oktober 1990 betreffend die statisti­sche Systematik der Wirtschaftszweige in der Europllischen Gemeinschaft (NACE Rev. 1 ). Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften, Nr. L 29311 vom 24.10.1990

Page 398: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

31 Hoftorbilanzen als Grundlage des Agrar-Oko-Audits 399

Zu den Autoren Prof. Dr. Reiner Doluschitz, Jg. 1956, absol­vierte von 1976 bis 1981 sein Studium der Allgemeinen Agrarwissenschafien, Fachrich­tung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus, an der UniversiHit Hohenheim und arbeitete anschlieBend dort als wissenschaft­licher Mitarbeiter im 1nstitut fur Landwirt­schaftliche Betriebslehre. 1984 erfolgte die Promotion und die Obemahme als Hochschul­assistent. 1986 verbrachte er im Rahmen eines Ausbildungsstipendiums der Deutschen For­schungsgemeinschaft ein Jahr an der Oregon State University. 1991 erfolgte die Habilitation im Fach "Landwirtschaftliche Betriebslehre" und 1992 die Emennung zum Hochschuldozen­

ten an der Universitat Hohenheim. 1993 folgte er einem Ruf auf eine Professur fur "Landwirtschaftliche Betriebslehre" an der Fachhochschule Neubrandenburg. 1995 trat er eine Stelle als Professor fur das Fachgebiet "Agrarinformatik und Untemehmensfuhrung" an der Universitat Hohenheim an. Einer der Forschungs­schwerpunkte von Prof. Doluschitz liegt im Bereich der betrieblichen Umweltin­formationssysteme in der Agrarwirtschaft.

Jens Pape, Jg. 1968, Dipl.-Ing. sc. agr., von 1989 bis 1995 Studium der Allgemeinen Agrarwissenschaften in GieBen, Hauptstudium in Hohenheim, Fachrichtung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues. 1993 bis 1995 Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe betrieb­licher Umweltschutz im Agrargewerbe (ARUMA) an der Universitat Hohenheim. Diplomarbeit tiber das Thema Informationsver­sorgung zum betrieblichen Umweltschutz. Seit Ende 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Landwirtschaftliche Betriebslehre, Fachrichtung Agrarinformatik und Untemeh­mensfuhrung an der Universitat Hohenheim. Betreuung eines Projektes mit dem Ziel der

Implementierung von Umweltrnanagementsystemen sowie der Umsetzung der EMAS-Verordnung in Untemehmen der baden-WOrttembergischen Milchwirt­schaft. Seit 1996 ist er Vorstandsmitglied des Doktoranden-Netzwerkes Oko­Audit.

Page 399: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

32 Agrar-Oko-Audit auf der methodischen Grundlage der "Kritischen Umweltbelastung Landwirtschaft (KUL)"

Thomas Koch

Ein wesentliches methodisches Problem fur die Einftihrung des Oko-Audit­Systems in der Landwirtschaft ist das Fehlen geeigneter einzelbetrieblicher Kenn­zahlen- und libergreifender Indikatorensysteme fur Umweltauswirkungen der Landwirtschaft. Die bisherigen Systeme sind eher als Leitlinien zu charakterisie­ren, die Umweltauswirkungen der landwirtschaftlichen Produktion meist nur mit­telbar integrieren, etwa auf der Grundlage rechtlicher Vorgaben, die ihrerseits insbesondere in der Landwirtschaft haufig nur als verbal formulierte Rahrnenbe­dingungen vorliegen.

Vom Vorhandensein und der Funktionsfahigkeit geeigneter Kennzahlen- und lndikatorensysteme hangt jedoch die Funktionsfahigkeit eines Managementsystems und damit auch des Oko-Audit-Systems ganz wesentlich abo In der gewerblichen Wirtschaft geben Produkt- und Produktionsnormen, neben in der Regel praziseren ordnungsrechtlichen Vorschriften, Kennzahlen und Indikatoren auch fur den Um­weltbereich umfassender vor.

Zusatzliche Schwierigkeit in der Landwirtschaft ist die Offenheit des gesamten Produktionssystems. Wahrend in der gewerblichen Wirtschaft i.d.R. ein weitge­hend geschlossenes System von der Rohstoffbeschaffung liber die verschiedenen Veredelungsstufen bis hin zur Vermarktung besteht, auf das das Unternehmensma­nagement sehr direkt Einflul3 nehmen kann, kommen in der Landwirtschaft aul3ere Einflul3faktoren hinzu, auf die der Betriebsleiter fast keinen Einflul3 hat (Klima, Boden, diffuse Depositionen von Nahr- und Schadstoffen).

Der dritte Problernkomplex ist die haufig fehlende DatenverfUgbarkeit aufgrund der Vielzahl erforderlicher Daten, die auf der einzelbetrieblichen Ebene haufig nicht mit einem vertretbaren Aufwand verfUgbar gemacht werden konnen. Ein landwirtschaftliches Unternehmen ist eben kein Gewerbebetrieb, der liber das klassische betriebliche Rechnungswesen fast aile Input- und Output-Grol3en we­nigstens wertmal3ig erfal3t hat.

Ein Unternehmen, das in der Landwirtschaft ein Umweltmanagementsystem in­stallieren will, mlil3te also zunachst ein Kennzahlen- und Indikatorensystem ent-

Page 400: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

402 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

wicke In, urn seine urnweltrelevanten Stoff- und EnergieflUsse zu erfassen und zu bewerten. Dies bedeutet einen erheblichen Entwicklungsaufwand. Ais Randbedin­gung ist zu beachten, daB ein solches System narurlich aufVergleichbarkeit ange­legt sein sollte. Ohne den Vergleich zu anderen Untemehmen kann auch nicht die Wettbewerbsposition bestimmt werden. AuBerdem muB das Untemehmen im Rahmen des Oko-Audits auch realistische und realisierbare VerbesserungsmaB­nahmen in Umweltzielen und Umweltprogramm formulieren.

Gleichzeitig ware es wenig hilfreich und betriebswirtschaftlich kaum vertretbar, wenn ein solches System schon in der Definition eines Regelwerkes im o.g. Sinne individuelle Wege vorzeichnete. Zweifellos ist das isolierte Ziel der Reduzierung von Umweltbelastungen der landwirtschaftlichen Produktion auch durch ein sehr schlichtes, innerbetriebliches "Indikatorsystem" Weniger - Mehr, weniger DUn­gung, weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Maschineneinsatz, geringere Schlag­groBen, mehr Feldgeholze, mehr Biotpovemetzung etc., zu erreichen.

Sinn und Zweck des Oko-Audit-Systems ist jedoch neben der kontinuierlichen Verbesserung der Umweltsituation die Ermoglichung eines Wettbewerbs urn eine gute - im Idealfall die beste - Umweltsituation. In einem marktwirtschaftlich orga­nisierten Wirtschaftssystem soli durch das Oko-Audit der Umweltzustand, die Um­weltqualitlit des einzelnen Untemehmens, zum Wettbewerbsargument werden. Nur wenn es gelingt, dem Produkt - und im Hinblick auf das Oko-Audit dem Produk­tionsprozeB - den Zusatznutzen "nicht umweltbelastend hergestellt" glaubwUrdig hinzuzufiigen, ist auch der Markt bereit, diesen Zusatznutzen durch die Entschei­dung fiir ein Produkt aus diesem ProduktionsprozeB direkt oder indirekt zu hono­rieren.

Dafiir ist jedoch die Vergleichbarkeit des Zusatznutzens unabdingbare Voraus­setzung. Das schlichte "Indikatorensystem" Weniger - Mehr genUgt diesen Anfor­derungen an die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Produktionsprozessen und Produkten jedoch nicht mehr. Es erlaubt nur den fiir die innerbetriebliche Steuerung erforderlichen Vergleich mit der vorherigen Periode, nicht jedoch den periodenunabhlingigen Vergleich mit Konkurrenten oder Mitbewerbem. Nur wenn es dem Untemehmen gelingt, sich durch das Argument "besser als der Durch­schnitt" zu profilieren, wird es in einem Wettbewerb, der tiber dieses Kriterium ausgetragen wird, ein Zukunftschance haben.

FUr die Umweltqualitlit der landwirtschaftlichen Produktion bedeutet dies, daB ein Indikatorensystem erforderlich ist, das folgene:le Voraussetzungen erfiillt:

1. Die Indikatoren mUssen physikalisch meBbar sein, urn im Rahmen eines Mana­gementsystems Zielvorgaben und Erfolgskontrollen zu ermoglichen. 1m Ideal­fall sollte es sich urn direkt meBbare Indikatoren handeln.

2. Die IndikatorgroBen sollten skalierbare GroBen sein. Nur im Ausnahmefall konnen Indikatoren herangezogen werden, fiir die es nur die beiden Zustlinde "erfiillt" und "nicht erfilllt" gibt.

Page 401: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

32 Agrar-Oko-Audit auf der methodischen Grundlage der "KUL" 403

3. Der AufWand fur Ersterhebung bzw. Aufbau des betriebsspezifischen Daten­systems und des sen kontinuierliche Fortschreibung muB in Relation zum mog­lichen Nutzen stehen.

4. Die Indikatoren und ihre Skalierung sollten die Umweltrelevanz hinreichend prazise abbilden.

Insbesondere die Forderungen nach physikalischer MeBbarkeit und Skalierbar­keit der GroBen war jedoch bisher - aus unterschiedlichen Griinden - nicht gege­ben.

Prof. Dr. agr. habil. Gerhard Breitschuh und Dr. agr. habil. Hans Eckert et al. haben an der Thtiringer Landesanstalt fur Landwirtschaft dafur das System der Kritischen Umweltbelastung Landwirtschaft (KUL) entwickelt. 1m folgenden soli das Verfahren der Kritischen Umweltbelastung Landwirtschaft vorgestellt und tiber den aktuellen Stand der Erprobung in der Praxis berichtet werden.

32.1 Kritische Umweltbelastung Landwirtschaft: Ein Verfahren zur Erfassung und Bewertung landwirtschaftlicher Umweltwirkungen

Das Konzept Kritische Umweltbelastung Landwirtschaft (KUL) definiert bisher zwanzig Kriterien aus den Kategorien Niilirstofthaushalt, Bodenschutz, Pflanzen­schutzmitteleinsatz, Landschafts- und Artenvielfalt sowie Energiebilanz (vgl. Ab­bildungen lund 2, S. 408 und 409). Damit konnen einerseits die Umweltwirkun­gen der Bodennutzung relativ umfassend dargestellt werden und andererseits erful­len diese Kriterien die Anforderungen an einzelbetriebliche Zuordnung, MeBbar­keit, Datenzugang und Praktikabilitat.

Die Kriterien tragen eine Dimension. Ihre Erfassung im Betrieb liefert einen Zahlenwert, mit dem beurteilt werden kann, ob der Betriebswert noch tolerabel ist oder bereits eine nicht akzeptable Umweltbelastung darstellt. Bedingung fur eine derartige Wertung ist die Vorgabe von Toleranzbereichen fur jedes Kriterium. Das ist erforderlich, weil landwirtschaftliche Flachennutzung immer zur Beeinflussung der Umwelt fuhrt. Es muB folglich entschieden werden, welches AusmaB an Um­weltwirkung unvermeidbar mit der Landwirtschaft verbunden bzw. im Interesse anderer Ziele (Emahrungssicherung) hinzunehmen ist und welches AusmaB mit dem Schutz der Umwelt und der nachhaltigen Wahrung des Agrarokosystems selbst nicht mehr vereinbar ist.

Toleranzbereiche stecken damit den Rahmen ab, der tolerable Umweltwirkun­gen von Umweltbelastungen trennt, der eine Differenzierung zwischen der guten fachlichen Praxis und landwirtschaftlichem Fehlverhalten sowie zwischen unver-

Page 402: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

404 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

meidlichen Einfliissen und venneidbaren Beeintrachtigungen erlaubt. Damit ist Umweltbelastung meB- und kontrollierbar und in der Praxis iiberzeugend zu ver­mitteln.

Bei der Entwicklung der Toleranzbereiche war es von entscheidender Bedeu­tung, wie diese begriindet werden konnen. Diese Toleranzbereiche geben an, in welchem Bereich sich standortabhangig der Nahrstoffsaldo bewegen darf, was fur ein Bodenabtrag noch toleriert wird, wie hoch der fossile Energie-Input sein kann usw. Sie verlangen Abwagungsprozesse und spiegeln die oft widerstreitenden Meinungen der unterschiedlichen Interessengruppen im Agrarraum. Toleranzbe­reiche sind als ProzeB zu sehen, in den stan dig neue Erkenntnisse, neue Prioritaten und neue WertmaBstabe aufzunehmen sind.

Basis zur Festlegung von Toleranzbereichen ist das Prinzip der Nachhaltigkeit als Grundgesetz einer umweltvertraglichen und dauerhaften Wirtschaftsweise. Ein nachhaltiges Agrookosystem ist nicht nur umweltvertraglich, es muB auch prod uk­tiv sein, urn die Emahrungssicherung dauerhaft zu gewahrleisten und es muB wirt­schaftlich konsolidiert sein, urn existenzfahig zu bleiben. Dem hat der Abwagungs­prozeB zur Festlegung der Toleranzbereiche Rechnung zu tragen.

Die Kriterienbewertung iiber Toleranzbereiche soil hier am Beispiel des Stick­stoff-Flachenbilanzsaldos veranschaulicht werden. Der Nahrstoffsaldo gibt an, welche Mengen an Nahrstoffen im Verlaufe eines Wirtschaftsjahres im Agraroko­system verblieben oder diesem entzogen worden sind. Es ist daher der Saldo, und nicht die zugefuhrte Diingennenge, der Auskunft tiber potentielle Nahrstoffaustra­ge, aber auch tiber Nahrstoffaushagerungen gibt.

Ein Saldo kann allerdings nur im Zusammenhang mit dem Bilanzierungsverfah­ren gewertet werden, da das Fehlen einer verbindlichen Methode derzeit erheb­liche Spielraume zulaBt. 1m Rahmen der Kritischen Umweltbelastung Landwirt­schaft wird nach der gesamtbetrieblichen Bilanz (Hoftorbilanz) gerechnet. Bei diesem Bilanzierungsverfahren werden aile in den Betrieb gelangenden Nahr­stoffe, einschlieBlich der legumen Stickstoftbindung, mit den Nahrstoffen saldiert, die in Fonn tierischer und pflanzlicher Produkte oder auch als Wirtschaftsdiinger den Betrieb verlassen.

Zur Zeit werden Stickstoffeintrage durch Deposition und Asymbionten mit den Austragen durch Denitrifikation auf null gesetzt. Diese Vorgehensweise muBte als Notbehelf gewahlt werden, solange nicht beide GroBen einzelbetrieblich hinrei­chend exakt erfaBt werden konnen. Vom Stickstoff-Bruttosaldo wird die tierhal­tungsbedingte Ammoniakemission (N-Bruttoausscheidungen * 0,3) abgezogen, so daB die auf die Luft gerichtete Ammoniakemission und der auf den Boden gerich­tete Stickstoff-Flachenbilanzsaldo getrennt ausgewiesen und bewertet werden konnen.

Der Toleranzbereich fur den so ennittelten Stickstoff-Flachenbilanzsaldo er­streckt sich zwischen dem anzustrebenden Optimum (Bonitumote I), das standort-

Page 403: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

32 Agrar-Oko-Audit auf der methodischen Grund\age der "KUL" 405

unabhangig bei (+) 5 bis 20 kg Stickstofflha gesehen wird (= unvermeidbare Nitratverlagerung aus der Wurzelzone) und der maximal tolerablen Belastung (Bonitumote 6). FUr letztere wird je nach Auswaschungsdisposition ein Salden­Uberhang von 30 bis 50 kg Stickstofflha festgesetzt, aber auch ein Negativsaldo von 50 kg Stickstofflha.

Ein Betrieb, der z. B. in der trockenen Ackerebene im gleitenden dreijahrigen Mittel einen SaldoUberhang von Uber 30 kg Stickstofflha aufweist, erhalt die Boni­tumote 7, also negativ bewertet. Ebenso wird aber auch ein Minussaldo von 55 kg Stickstofflha mit der Bonitumote 7 bewertet, da eine kontinuierliche Entnahme mit der Nachhaltigkeit nicht vereinbar ware.

Nach diesem Vorgehen sind die Toleranzbereiche fur die zwanzig Kriterien und die Korrekturparameter zur standortspezifischen Anpassung festgelegt worden. Nach intensiven Diskussionen besteht fur diese Kriterien in zwischen weitgehend wissenschaftlicher Konsens.

32.2 Fehlende Problembereiche

Anliegen des Systems Kritische Umweltbelastung Landwirtschaft ist eine mog­lichst umfassende Beschreibung landwirtschaftlicher Umweltwirkungen. Das ist allerdings nur insoweit moglich, als sich fur Umweltwirkungen Kriterien formulie­ren lassen, die den Anforderungen an einzelbetriebliche Zuordnung, MeBbarkeit, Datenzugang und Praktikabilitat entsprechen. Neue Kriterien werden daher in dem MaBe aufgenommen, wie sich der methodische Zugang und die Datenverfugbar­keit im Betrieb verbessem.

Gegenwartig werden die COrBilanzierung, die Schwermetallkontaminationen und die Schlaglange eingefugt. In Bearbeitung sind tierhaltungsbedingte Emissio­nen, tiergerechte Haltung und die GrUnlandwirtschaft. Methodisch nicht darstellbar sind Lachgasemissionen und bodenbiotische Optima. FUr beide sind aber ausgegli­chene Nahrstoff- und Humussalden, ein optimaler Reaktionszustand und ein an­gemessenen Porenvolumen geeignete Stellvertreterkriterien.

DarUber hinaus wird derzeit an einer weiteren Aggregierung der bisherigen Kriterien zu einem Umweltbelastungsstatus des landwirtschaftlichen Gesamtbe­triebes gearbeitet. Die dazu erforderlichen Arbeiten, die Einzelkriterien hinsicht­lich ihrer Umweltrelevanz zu wichten und zu einem Index zu aggregieren sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

FUr die Betrachtung im Zusammenhang mit dem Oko-Audit in der Landwirt­schaft ist diese hohere Aggregationsniveau derzeit auch nicht erforderlich. Auf der betrieblichen Ebene ware eine solche Aggregation sogar eher hinderlich, da sie eine Gegensteuerung bei Fehlentwicklungen wegen fehlender Transparenz er­schweren wtirde.

Page 404: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

406 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

32.3 Verknupfung Oko-Audit und Kritische Umweltbelastung Landwirtschaft

Ausgehend von den Vorarbeiten von Breitschuh, Eckert et al. zur Kritischen Um­weltbelastung Landwirtschaft, den Offnungsklauseln der EG-Oko-Audit-Verord­nung (Art. 14) und des deutschen Umweltauditgesetzes (§3) sowie der besonderen Situation der landwirtschaftlichen Untemehmen in den neuen Uindem entstand im Thiiringer Ministerium fur Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt die Dberle­gung, die Einfuhrung des Oko-Audits in der Landwirtschaft auf der Basis der Kri­tischen Umweltbelastung Landwirtschaft zu erproben.

Mit dieser Erprobung werden zwei Kemziele verfolgt:

1. soli ermittelt werden, ob ein Umwelt-Management-System gem. Oko-Audit­Verordnung in landwirtschaftlichen Betrieben sinnvoll anwendbar ist und

2. soli iiberpriift werden, ob die Kriterien der Kritischen Umweltbelastung Land­wirtschaft ein geeignetes Kriterien- bzw. Indikatorensystem fur ein solehes Managementsystem sein konnen.

Folgende Ausgangshypothesen lagen der Zielformulierung zugrunde:

1. Die Landwirtschaft allgemein und insbesondere die groBstrukturierten Betriebe in den neuen BundesHindem sehen sich einem standigen Begriindungszwang zu ihrer okologischen Leistungsfahigkeit ausgesetzt. Sehr pauschal wird in der Of­fentlichkeit unterstellt, groBe Betriebe erbrachten per se eine schlechtere Um­weltleistung als bauerliche Familienbetriebe. Diese Argumentation wider­spricht jedoch den Erfahrungen zu Umweltleistungen der Wirtschaft insgesamt. Dort laBt sich eben keine eindeutige Korrelation zwischen UntemehmensgroBe und Umweltleistungen ableiten. Sollte das in der Landwirtschaft tatsachlich anders sein?

2. Landwirtschaftliche Produktion ist eine Managementaufgabe, die in ihrer Komplexitat iiber das Management in klassischen gewerblichen Untemehmen weit hinausgeht. Das bisherige Agrar-Management integriert - mutmaBlich als Folge der ohnehin hohen Komplexitat - vorrangig okonomische aber nur sehr schwach okologische und soziale Rahmenbedingungen. Diese Komplexitat spiegelt auch die Rechtsetzung im Konfliktfeld Landwirtschaft und Umwelt wider, die sich sehr stark auf die Vorgabe von Verhaltensregeln aber nicht von Umweltqualitatszielen beschrankt.

3. Vorteilhaft an dieser Situation ist fur die landwirtschaftlichen Betriebe die relativ groBe Freiziigigkeit bei der Wahl der Produktionsmethoden, nachteilig ist jedoch der daraus entstehende Begriindungszwang fur die getroffene Wahl. Eine solehe Begriindung kann aufgrund einer haufig fehlenden (okologischen) Ergebnisdokumentation nicht hinreichend gegeben werden.

Page 405: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

32 Agrar-Oko-Audit auf der methodischen Grundlage der "KUL" 407

4. Die Hypothese dazu lautet: Oko-Audit auf der Basis der Kritischen Umweltbe­lastung Landwirtschaft ist geeignet, das Agrar-Management urn eine okolo­gische Komponente zu ergiinzen und die Umweltleistungen der landwirtschaft­lichen Produktion besser als bisher zu dokumentieren.

5. Die Nachhaltigkeitsindikatoren der Kritischen Umweltbelastung Landwirt­schaft sind nicht geeignet, urn zwischen okologisch und konventionell wirt­schaftende Betrieben im klassischen Sinne zu differenzieren. Allerdings kann das System dazu beitragen, die extemen Umweltleistungen uber aile Betriebs­formen und BetgriebsgroBen hinweg bewertbar zu machen.

Leider lagen bei RedaktionsschluB fUr das vorliegende Buch noch keine ab­schlieBenden Ergebnisse aus den Modellprojekten vor. In der Tendenz zeigt sich jedoch, daB die Implementierung des Oko-Audits in den beteiligten Agrarbetrieben moglich und sinnvoll ist. Wie in der gewerblichen Wirtschaft ist auch hier mit Kostensenkungspotentialen durch effizienteren Ressourceneinsatz bzw. geringeres Aufkommen von Rest- und Abfallstoffen zu rechnen.

Das System der Kritischen Umweltbelastung Landwirtschaft hat sich bisher als praktikabel erwiesen. Interessante Ergebnisse werden aus einem der Pilotprojekte erwartet, in dem das System der Kritischen Umweltbelastung Landwirtschaft mit anderen Skalierungssystemen (Schweizer Okopunkte) verglichen wird.

Page 406: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

408 Kapitel4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Kriterium Dimension Anzustrebendes Unerwiinschte Korrektur-Optimum Situation parameter

Bonitur 1 ................................. 6

NAHRSTOFFHAUSHALT

Stickstoffsaldo kg N/ha 5 - 20 < - 50; >30 - 50 Sickerwasser (mm)

Ammoniak-Emission kgNlha • > 50

Phosphat-Saldo kg Plha 0 < - 25; > 5 - 50 Erosion OK Kalium-Saldo kg Klha 0 < - 50; > 50 Oehaltsklassen

OK)

Oehaltsklasse A-E C Abzw. E Einzelschlag Phosphat Oehaltsklasse Kalium A-E C Abzw. E Einzelschlag Oehaltsklasse A- E C A bzw. E Einzelschlag Magnesium Bodenreaktion A - S E A,B,C,S Einzelschlag Humusreproduktion % 100 < 80; > 150 Zukauf

Zeitraum % Feb. - Mai > 50 < 30 Oiilleapplikation

BODEN SCHUTZ

Erosion (ABAO) tlha.a • > 2 - 10 Ackerzahl Bodenverdichtung PT/PB 1 < 1,0 > 1,25 SchlaggroBe ha • > 10 - 40 Naturraum (50. Perz)

PFLANZENSCHUTZMITELEINSA TZ Regelspur % beh. AF 100 < 90 Schadschwellen % beh AF 100 < 90 Oerate-TOY ha < 1500 >2000 LANDSCHAFTS-I ARTENVIELFAL T OLy 2 % Agrarraum • < 7 - 18 Naturraum Kulturartendiversitat Index > 1,8 < 1,2 - 1,8 Schlagbonitur ENERGIEBILANZ

Energieinput Oesamtbetrieb OJ/ha < > 10 - 20 %Orunland Pflanzenbau OJlha < > 5 - 15 % Oriinland Tierhaltung OJ/OY < >5-5 % Oriinland

Energiegewinn Oesamtbetrieb OJ/ha > < 0 - 50 Tierbesatz (OY Iha) Pflanzenbau OJ/ha > < 50 Tierhaltung OJ/OY > < - 10

Tierhaltungsbedingte Emissionen (in Bearbeitung) Tierartgerechte Haltung (in Bearbeitung)

Oriinland (in Bearbeitung)

Abb. 1. Kriterien und Toleranzbereiche des Systems Kritische Umweltbelastung Land­wirtschaft

I) PT Druckbelastung; PB Druckbelastbarkeit 2) Okologisch-landeskuIturelle Yorrangflachen

Page 407: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

32 Agrar-Oko-Audit auf der methodischen Grundlage der "KUL" 409

Kriterium Dimen- kritisch I Betriebs- Bonitur

sion uner- wert Ende des Toleranzbereiches

wiinscht '" (Stand- 0 ... ort) 6

... 12

N AHRSTOFFHAUSHAL T

Stickstoffsaldo kgN/ha < - 50; 113 XXXXXXXXXXXXX XXXXXXX(IO)

>40

Ammoniak-Emission kgN/ha >50 22 XXXXXX(3)

Phosphat-Saldo kg P/ha < - 25; > 5 19 XXXXXXXXXXXXX XXXXXXX (10)

Kalium-Saldo kgK/ha A;E 72 XXXXXXXXXXXXX XXXX(8)

Gehaltsklasse A-E A,E D (3,8) XXXXXX(3)

Phosphat

Gehaltsklasse Kalium A-E A,E D (4,2) XXXXXXXXXX (5)

Gehaltsklasse Magnesium A-E A,B,C,S k.A. (0)

Bodenreaktion A-S <80, D (4,4) XXXXXX(3)

> 150

Humusreproduktion % <30 134 XXXXXXXXX (4)

Zeitraum GOlle- % Feb. - 65 XX (I) applikation Mai

BODENSCHUTZ

Erosion (ABAG) t/ha.a 4,40 10,5 XXXXXXXXXXXXX XXXXXXX (10)

Bodenverdichtung PTIPS > 1,25 1,07 XXXXXX(3)

SchlaggrOBe (50. Perz) ha >10 14,0 XXXXXXXXXXXXX XX (7)

PF LANZENSCHUTZM ITELEINSA TZ

Regelspur %beh. AF <90 100 XX (I)

Schadschwellen %behAF <90 100 XX(I)

Gerate-TOV ha >2000 980 XXXXXX(3)

LANDSCHAFTS-I ARTENVIELFAL T

OLV % Agrar- <8,4 6,0 XXXXXXXXXXXXX XX (7)

raum

Kulturartendiversitat Index 1,55 1,89 XXXXXXXX (4)

ENERGIEBILANZ

Energieinput

Gesamtbetrieb GJ/ha > 17 25,5 XXXXXXXXXXXXX XX (7)

Pflanzenbau GJ/ha > 12 14,1 XXXXXXXXXXXXX XX (7)

Tierhaltung GJ/GV > 12 21,2 XXXXXXXXXXXXX XXXXXX(9)

Energiegewinn

Gesamtbetrieb GJ/ha < 12 12,0 XXXXXXXXXXXXX (6)

Pflanzenbau GJ/ha < 50 81,4 XXXXXXXXX (4)

Tierhaltung GJ/GV < - 10 - 9,3 XXXXXXXXXXXXX (6)

Abb. 2. Kritische Umweltbelastung Landwirtschaft - beispielhafte Betriebsauswertung

Page 408: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

410 Kapitel 4: Nahrungsmittelindustrie und Landwirtschaft

Zurn Autor

Thomas Koch, Jg. 1963, Dipl.-Ing. agr., stu­dierte nach einer Ausbildung zum Redakteur, Umweltsicherung und Entwicklung landlicher Raume an der Agrarwissenschaftlichen Fakultat der Justus-Liebig-Universitat, GieBen. Nach einer Tatigkeit bei einem Sanierungstrager in Sachsen ist er seit 1992 im Thiiringer Ministerium fur Umwelt und Landesplanung, inzwischen Thiiringer Ministerium fur Land­wirtschaft, Naturschutz und Umwelt, fur Grundsatzangelegenheiten und damit unter anderem fur Umweltokonomie und Umwelt­management zustandig. Seit Dezember 1995 ist er Mitglied im UmweltgutachterausschuB beim Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Page 409: Agrar-Oko-Audit: Praxis und Perspektiven einer umweltorientierten Land- und Forstwirtschaft

Springer und

Umwelt A1s internationaler wissenschaftlicher

Verlag sind wir uns unserer besonderen

Verpflichtung der Umwelt gegenuber

bewuBt und beziehen umweltorientierte

Grundsiitze in Unternehmens­

entscheidungen mit ein. Von unseren

Geschiiftspartnern (Druckereien,

Papierfabriken, Verpackungsherstellern

usw.) verlangen wir, daB sie sowohl

beim Herstellungsprozess selbst als

auch beim Einsatz der zur Verwendung

kommenden Materialien okologische

Gesichtspunkte berucksichtigen.

Das fUr dieses Buch verwendete Papier

ist aus chlorfrei bzw. chlorarm

hergestelltem Zellstoff gefertigt und im

pH-Wert neutral.

Springer