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„Freiheit und Ordnung“ Frankfurt am Main 2013 Eine Sonderpublikation des F.A.Z.-Instituts Magazin zum 4. Deutschen Human Resources Summit

„Freiheit und Ordnung“ · 2014-05-28 · Oktober 2013 haben wir mit rund 200 hochkarätigen Gästen und Sprechern darüber diskutiert, ... Bildungspolitik ausmacht und wie wir

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„Freiheit und Ordnung“

Frankfurt am Main 2013

Eine Sonderpublikation des F.A.Z.-Instituts

Magazin zum 4. Deutschen Human Resources Summit

Page 2: „Freiheit und Ordnung“ · 2014-05-28 · Oktober 2013 haben wir mit rund 200 hochkarätigen Gästen und Sprechern darüber diskutiert, ... Bildungspolitik ausmacht und wie wir

�� „Effizienz und Gemeinschaftssinn“ Interview mit Prof. Dr. Jürgen Tautz, Gründungsvorsitzender, Bienenforschung Würzburg e.V. 6

�� „Die Tonlage in Deutschland muss sich ändern“Interview mit Dr. Wolfgang Clement, Vorsitzender, Kuratorium „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ 8

�� Regeln und Freiräume in Balance 10

�� Kündigungsschutz in der KriseVon Dr. Alexius Leuchten, Partner, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH 12

�� Spielräume für HRVon Dieter Kern, Partner, Head Leadership & Organizational Performance Practice, Mercer Deutschland GmbH 13

�� Regulierung der Arbeitsmärkte: „Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen“Nachgefragt bei Dr. Alexius Leuchten, Partner, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH 14

�� Freiheit und Ordnung 15

�� Zeigen, was man hatVon Britta Groß, Human Capital Management Leader Germany, IBM Deutschland 16

�� Talente gewinnen und bindenVon Astrid Habeder-Preuß, geschäftsführende Gesellschafterin, Dr. Heimeier & Partner 17

�� Wo stehen Unternehmen bei der internationalen Rekrutierung?Von Frank Schabel, Head of Marketing/Corporate Communications, Hays AG 18

�� Beitrag zur Wertschöpfungskette: „Die Chance ergreifen“Nachgefragt bei Dr. Dagmar Wilbs, Leiterin des Geschäftsbereichs Human Capital Central Europe, Mercer Deutschland GmbH 19

�� Führungsstile heute 20

�� „Auch mal Freiheit für Phantasterei geben“Interview mit Frank Kohl-Boas, Personalleiter Nordeuropa, Google 22

�� Mut zur Unsicherheit: „Planbarkeit ist ein Mythos"Nachgefragt bei Frank Schabel, Head of Marketing/Corporate Communications, Hays AG 24

�� Der Kandidatenmarkt: „Die Situation wird noch dramatischer“Nachgefragt bei Astrid Habeder-Preuß, geschäftsführende Gesellschafterin, Dr. Heimeier & Partner 25

�� Impressionen vom 4. Deutschen Human Resources Summit 2013 26

IMPRESSuM

HERAuSGEBER/VERLAG F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbHFrankenallee 68–72 60327 Frankfurt am MainE-Mail: [email protected].: (069) 7591 3021

PROJEKTLEITuNG Cornelia Klaas

REDAKTION Ellen Bolduan (elb), Sarah Bautz (sah), Jennifer Berz (jb), Lara Hiller (ara), Julia Hoscislawski (hos), Lea Hübner (ale), Cornelia Klaas (ckl, verantw.)

GESTALTuNG Nina Jochum und Christine Lambert

DRuCK & VERARBEITuNG Boschen Offsetdruck GmbH, Frankfurt am Main

FOTOS Dirk Beichert BusinessPhoto/Robert Zolles mit Ausnahme von:Titelbild: © ThinkstockS. 7: Schwänzeltanz © H.R.Heilmann, Phänomen Honigbiene Tautz/Heilmann und Infrarotwärmebild © Phänomen Honigbiene Tautz/HeilmannS.15, 22: © Antarion J.W. Reinhard

Inhalt

2 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

Inhalt

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„Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“, das sagte Benjamin Franklin,

einer der Gründerväter der uSA, schon im 18. Jahrhundert. Auch heute gilt: Freiheit ist ein hohes Gut – für jeden Einzel-

nen, aber auch für unsere Gesellschaft und unser unternehmerisches Handeln.

Allerdings: Freiheit kann ohne Ordnung nicht funktionieren. Dieses Spannungsfeld zwischen „Freiheit und Ordnung“ ist

das Leitthema, das wir in diesem Jahr über das Programm des Deutschen Human Resources Summits gestellt haben.

Am 24. und 25. Oktober 2013 haben wir mit rund 200 hochkarätigen Gästen und Sprechern darüber diskutiert, wie viele

Strukturen und wie viel individuellen Spielraum wir wirklich in unserer Arbeitswelt brauchen. Wann nutzen europäische

Gesetze und Verordnungen unserem Arbeitsmarkt? Wo schützen oder hemmen sie die Weiterentwicklung? Welche Verän-

derungen im Arbeitsmarkt bringt die Wahl 2013 mit sich? Diese und weitere Themen haben einen intensiven Austausch

angestoßen und kontroverse Standpunkte hervorgerufen – und fi nden sich nun auch auf den Seiten dieses Magazins zum

Summit wieder. Wir laden Sie herzlich ein, nachzulesen und weiterzudenken, was zukunftsorientierte Arbeitsmarkt- und

Bildungspolitik ausmacht und wie wir richtungsweisendes HR-Management gestalten können.

Gemeinsam mit unseren Mitveranstaltern Beiten Burkhardt, Hays, Dr. Heimeier & Partner und Mercer freuen wir uns

sehr über den großen Zuspruch, den der 4. Deutsche Human Resources Summit 2013 in Frankfurt am Main verzeichnet

hat. unser herzlicher Dank gilt unseren Gästen, die sich – auch interaktiv – rege vor Ort eingebracht haben, unseren

Mitveranstaltern und Partnern für den wieder hervorragenden Austausch sowie allen Sprechern für ihre spannenden und

wegweisenden Impulse.

Wir freuen uns auf das Wiedersehen in Frankfurt am Main im Oktober nächsten Jahres.

Volker Sach Cornelia Klaas

Freiheit und Ordnung

Volker SachGeschäftsführerF.A.Z.-Institut

Cornelia KlaasBereichsleiterin Themenfeld HR F.A.Z.-Institut

4. Deutscher Human Resources Summit:Wie viel Struktur und wie viel Freiraum brauchen wir? Welche Wege, die wir gehen, erweisen sich als Irrwege oder haben keinen langfristigen Bestand, welche sind zukunftsweisend und zielführend?

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 3

Editorial

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Zu Lebzeiten muss das Iguanodon ein beeindruckendes Bild abgegeben haben: Fünf Tonnen schwer und acht Meter lang, aufrecht auf zwei Beinen laufend, mit besonderen Greifhänden und einem gefährlichen Dorn zur Verteidigung – so machte der Pfl anzenfresser die Unterkreidezeit unsicher. Allerdings: Diese vielver sprechend klingenden Anlagen zählen heute wohl nur noch auf der Jagd nach Punkten beim Dinosaurierquartett. Das Iguanodon ist ausgestorben wie alle seine Verwandten. Ihr Name wurde zum Synonym für Wesen und Dinge, die in eine frühere Zeit gehören, genauer: die es nicht geschafft haben, sich ihren wechselnden Umfeldern anzupassen. Statt seine Heimat, das belgische Bernissart, nach Farnen und Stachelhalmen zu durchstreifen, bleibt dem Iguanodon nur das Museum, in diesem Fall das Senckenberg Museum in Frankfurt am Main. Dort fasziniert es Generationen von Besuchern – und erinnert sie zugleich daran, wie überlebenswichtig die Fähigkeit ist, Veränderungen in der eigenen Lebens-(und Arbeits-)Welt zu refl ektieren, zu diskutieren und sich erfolgreich darauf einzustellen. (sah)

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„Effi zienz und Gemeinschaftssinn“Im Interview spricht Prof. Dr. Jürgen Tautz über Arbeitsteilung, Kommunikation und Schwarmintelligenz im Bienenstock

Das Interview führte Julia Hoscislawski.

Herr Tautz, Sie bescheinigen den Bienen

eine „Erfolgsgeschichte“ in der Evolution.

Woran machen Sie das fest?

Nehmen Sie zum Beispiel die Dinosaurier: Sie

waren bis zu 80 Tonnen schwer und bis zu 30

Meter lang – und sind heute verschwunden. Die

Größe oder das Gewicht sind also keine Garan-

tie für Erfolg im Sinne des Überlebens. Bienen

sind kleine Insekten, kleiner als 2 Zentimeter

und leichter als 100 Milligramm. Doch be-

stimmte Verhaltensregeln und Prinzipien führen

dazu, dass sie sehr erfolgreich sind. Sie haben

es geschafft, sich in ihrer Welt eine Monopol-

stellung zu erarbeiten und andere Spezies zu

dominieren.

Wo gibt es Ähnlichkeiten zur menschlichen

Zivilisation?

Auch der Mensch dominiert seine Welt. Noch

vor 30.000 Jahren gab es eine zweite Spezies,

den „Homo sapiens neanderthalensis“, der

heute aber verschwunden ist. Mensch und Bie-

ne sind extrem erfolgreich. Das kann man dar-

an ablesen, dass beide ihre Welt gestalten und

kontrollieren. Die Biene ist dabei fast noch er-

folgreicher als der Mensch. Das zeigt ein simp-

ler Blick in die Natur: Ihr Erscheinungsbild ist

überwiegend von Pfl anzen geprägt, und deren

Vielfalt verdanken wir den Honigbienen. Der

Mensch ist Nutznießer dieser Welt, die durch

die Bienen geformt wird.

Welche Faktoren sind ausschlaggebend

für diese dominante Stellung der Bienen

innerhalb ihrer Welt?

Effi zienz im Zusammenspiel von Einzelbiene,

Superorganismus Bienenstaat und Kommuni-

kation spielt eine wichtige Rolle. Bienen als

Individuen sind eher faul. Aber genau deshalb

sind sie sehr effi zient. Denn durch das Zusam-

menwirken von bis zu 50.000 Individuen kön-

nen Vorteile aus der Gemeinschaft gezogen

werden. Als Volk sind die Bienen fl eißig, und

das in unglaublicher Weise: Ein Bienenvolk be-

stäubt am Tag sieben Millionen Blüten.

Mit welchen Mitteln kann die Zusammen-

arbeit in einer Bienenkolonie gelingen?

Ein wichtiger Punkt ist die Arbeitsteilung. Es

gibt im Bienenstaat jede Menge Berufe, Spezi-

alisten sozusagen. Beispielsweise gibt es Bie-

nen, die den Baustoff, das Wachs, herstellen.

Es gibt Heizerbienen, die es schaffen, in einem

bestimmten Nestabschnitt die Temperatur auf

36 Grad zu halten. Dies gelingt ihnen mit Hilfe

von Honig, den sie verbrennen. Honig ist somit

keine Nahrung für die Bienen, sondern Brenn-

stoff. Hinzu kommen Brutpfl egebienen, Sam-

melbienen und Bienen, die den Stock vertei-

digen.

Und all diese Spezialisten kommunizieren

miteinander?

Anders als bei nichtstaatenbildenden Lebewe-

sen fokussiert sich die Kommunikation der Bie-

nen auf ein gemeinsam zu erledigendes Tages-

geschäft. Es gibt zwei Arten von Botschaften:

erstens die Kommunikation im Team, das heißt,

nur ein kleiner Teil der Individuen soll davon

etwas mitbekommen. Verständigungsinstru-

ment ist zum Beispiel der Schwänzeltanz, also

eine bestimmte Form der Bewegung. So fi ndet

beispielsweise der Austausch über neu zu er-

schließende Ressourcen statt. Zweitens gibt es

Kommunikation über sogenanntes „Broadcas-

ting“: Von massiven Bedrohungen, beispiels-

weise durch einen Nesträuber, sollen möglichst

alle Bienen schnell erfahren. Dafür landet eine

einzelne Biene auf dem Gipfel der Bienentrau-

be und warnt über ein bestimmtes Summen.

Prof. Dr. Jürgen Tautz, Gründungsvorsitzender der Bienenforschung Würzburg e.V., spricht im Senckenberg Naturmuseum über Arbeitsorganisa-tion und Schwarmintelligenz in Bienenkolonien.

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Die Kolonie antwortet einstimmig. Größer kann

die Reichweite der Kommunikation nicht sein.

Tiere wie Ameisen oder Bienen sind bekannt

für sogenannte Schwarmintelligenz. Ist auch

sie Teil der Erfolgsgeschichte der Bienen?

Ja, der Schwarm fi ndet in Entscheidungssitua-

tionen immer die bestmögliche Lösung, und

das ist doch sehr effi zient. Schlicht gesagt, fi n-

det dabei ein Überzeugungsprozess statt: Über

den Schwänzeltanz vertreten mehrere Bienen

verschiedene Meinungen. Nach und nach hö-

ren die weniger überzeugten Bienen auf zu tan-

zen, und die überzeugten gewinnen Anhänger

in der Gruppe, die sich ihrer Meinung anschlie-

ßen. Am Ende sind alle einer Meinung.

In welchen Situationen kommt es zu solchen

Entscheidungen durch Schwarmintelligenz?

Zum Beispiel, wenn eine Kolonie ein neues Zu-

hause sucht. Der Superorganismus Honigbiene

entwickelt sich nach dem Prinzip der Zweitei-

lung: Die neue Königin bleibt mit einer Hälfte

der Kolonie im Stock. Die alte Königin zieht mit

der anderen Hälfte aus. Je länger sie sich au-

ßerhalb des Stocks aufhalten, umso mehr

wächst das Risiko, dass ein Gewitter oder Re-

gen aufzieht, der das Volk vernichten kann. Es

muss daher schnell eine neue Behausung ge-

funden werden. Daher starten zunächst Kund-

schafterbienen, die nach potentiellen Nistmög-

lichkeiten suchen. Daraus ergeben sich sehr

viele Vorschläge: Jede Kundschafterbiene tanzt

ihren Vorschlag – also die Richtung, in der die

neue Behausung liegt – den anderen vor, über

den dann kollektiv entschieden wird.

Worin liegt schließlich der Vorteil

von Schwarmintelligenz?

Da keine Top-down-Entscheidung gefällt, son-

dern eine Lösung durch Schwarmintelligenz

erreicht wird, kommt es, kollektiv gesehen, nie

zu Fehlentscheidungen. Bei Einzelentscheidun-

gen gibt es eine begrenzte Informationsmenge,

Konsens ist nicht möglich, und es besteht eine

schwache Rückkopplung bei Fehlentscheidun-

gen. uninformierte Individuen können somit

großen Schaden anrichten. Im Kollektiv ist in

der Summe die Informationsmenge größer als

bei einem Individuum. Ein Konsens kann so

durch Abwägen divergierender Meinungen er-

folgen. Es gibt eine starke Rückkopplung bei

Fehlentscheidungen, und in der Folge können

uninformierte Individuen keinen Schaden an-

richten. �

Der Schwänzeltanz – eine Form der Bienenkommunikation.

Optimierte Organisation durch Arbeits teilung: Wärmebildaufnahme

einer Heizerbiene.

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 7

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„Die Tonlage in Deutschland muss sich ändern“Dr. Wolfgang Clement über den Spagat zwischen gesellschaftlicher Verantwortung, Sicherung der Zukunftsfähigkeit und wirtschaftliches Wachstum

Das Interview führte Ellen Bolduan.

Herr Dr. Clement, die Bundestagswahl 2013

liegt hinter uns. Was haben wir von einer

schwarz-roten Regierung zu erwarten?

Im Großen und Ganzen gehe ich nicht davon

aus, dass die Politik in der nächsten Zeit refor-

merische Kräfte entwickeln wird. Vielmehr

sollten wir uns auf eine Art „Wohlfühlpolitik“

einstellen. So gut wie sicher sind Veränderun-

gen mit Blick auf den Arbeitsmarkt: etwa die

Einführung eines flächendeckenden gesetz-

lichen Mindestlohns und die Befristung der

Zeitarbeit.

Sie selbst sind ein harter Gegner eines

gesetzlichen Mindestlohns. Warum?

Ich halte ein gesetzliches Eingreifen in die

Lohnfindung grundsätzlich für falsch. Kein an-

deres Land in Europa hat eine so hoch und so

positiv entwickelte Tariffreiheit und Sozialpart-

nerschaft wie Deutschland. Wir profitieren alle

davon. Während die Löhne in Südeuropa im

zurückliegenden Jahrzehnt teils drastisch ange-

hoben worden sind, haben sie sich bei uns fast

nicht verändert und damit unsere Wettbe-

werbsfähigkeit wieder hergestellt. Warum soll-

ten wir daran etwas ändern?

Wie weit sollte und darf staatliche

Regulierung Ihrer Meinung nach gehen?

Der Staat kann ins Marktgeschehen eingreifen,

wenn zum Beispiel der Arbeitsmarkt grund-

sätzlich aus den Fugen gerät. Seine Eingriffe

dürfen aber nicht die Funktionsfähigkeit einer

Wett bewerbswirtschaft beeinträchtigen oder

die Grund elemente der freien Marktwirtschaft

außer Kraft setzen. Wir befinden uns aktuell in

der Gefahr einer permanenten Überregulie-

rung. In manchen Bereichen haben wir sie

schon erreicht, wie zum Beispiel in der Energie-

wende: Hier geschieht nichts mehr ohne staat-

liche Intervention und ohne entsprechende

Subventionen. Der Weg zum Bevormundungs-

staat wird immer schneller eingeschlagen und

dringt immer tiefer in die Substanz unterneh-

merischer Freiheitsrechte ein.

Was müssen wir tun, um hinsichtlich

dieser Entwicklung gegenzusteuern?

Wenn man den Staat erst mal zu Gast hat,

dann bleibt er Dauergast. unser Ziel muss des-

halb sein, die Grenzen der Staatsaktivität in

einer freien und offenen Gesellschaft wieder

sichtbar und erlebbar zu machen.

Vor welchen gesellschaftspolitischen und

wirtschaftlichen Herausforderungen stehen

wir aktuell in Deutschland?

Was uns jetzt und auch noch in nächster Zeit

definitiv beschäftigen wird, ist der gespaltene

Arbeitsmarkt. Auf der einen Seite haben wir

den Fachkräftemangel, auf der anderen Seite

die nach wie vor große Zahl der geringqualifi-

zierten Arbeitnehmer. Aktuell erreichen rund

50.000 junge Menschen keinen Schulab-

schluss und 15 Prozent der 20- bis 30-Jähri-

gen keine Berufsausbildung. Diese Zahlen sind

alarmierend. um insbesondere jungen Men-

schen künftig bessere Chancen zu garantieren,

brauchen wir eine engere und bessere Verzah-

nung von Schulen und Berufsleben sowie eine

professionelle Berufsberatung. An dieser Stelle

können und sollen sich auch die unternehmen

unmittelbar in der Mitverantwortung sehen

und noch mehr in Qualifizierung und lebens-

langes Lernen ihrer Mitarbeiter investieren. un-

Ted-Abstimmung: Was meinen Sie? Müssen wir als unternehmer noch mehr auf die individuellen Belange (z.B. flexible Arbeitszeiten, -orte) eingehen, um Talente zu gewinnen/zu halten?

Die Grafik zeigt ausgewählte Ergebnisse der interaktiven Teilnehmerumfrage auf dem 4. Deutschen HR Summit.

Quelle: DigiMod by DIMA.

58,8% ja, unbedingt

34,0% eher ja

6,2% eher nein

1,0% nein, auf keinen Fall

0,0% weiß nicht

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ser Ziel in Deutschland muss die Vollbeschäfti-

gung sein, und damit meine ich eine Arbeitslo-

sigkeit von unter 4 Prozent.

Aktuell haben wir in Deutschland 2,8

Millionen Arbeitslose. Sie hingegen sagen,

es gebe in unserem Land heute niemanden

mehr, der nicht die Möglichkeit hätte, einen

seiner Qualifi kation entsprechenden Job

auszuüben. Wie passt das zusammen?

Die Tonlage in Deutschland muss sich ändern.

Wir leben immer noch in einem Jammertal der

prekären Arbeitsverhältnisse. Wir tun so, als

wären immer noch keine Jobs vorhanden. Das

ist der Gewöhnungsprozess aus 2005, als wir

tatsächlich zu wenig Arbeitsplätze hatten. Heu-

te stehen wir aber vor dem Problem, für die

Jobs, die wir haben, zu wenige qualifi zierte Ar-

beitnehmer im eigenen Land zu fi nden. Dieses

Problem müssen wir mit aller Kraft angehen.

Die entscheidende Schnittstelle zur Chancen-

gerechtigkeit für Kinder gleich welcher Herkunft

ist die frühkindliche Erziehung im Alter von drei

bis sechs Jahren. und ich spreche hier nicht

nur von Kitaplätzen. Wir brauchen eine früh-

kindliche Förderung und ein besseres und

nachhaltigeres Bildungssystem, das auch nicht

von unserem reformreifen Bildungsförderalis-

mus zerschnitten wird.

Stichwort Lebensalter: Wie beurteilen

Sie die Auswirkungen des demographischen

Wandels auf Deutschland?

Der demographische Wandel ist bereits da, und

er wird erst noch an Wucht gewinnen. Fakt ist:

Die heute 45 Millionen Erwerbstätigen werden

bis zum Jahr 2050 auf 27 Millionen abschmel-

zen, es werden also jährlich 500.000 weniger,

wenn wir nicht massiv gegensteuern. Hier be-

steht dringender Handlungsbedarf aus gesetzli-

cher und auch aus unternehmerischer Sicht.

Frauen müssen zum Beispiel nach Kindererzie-

hung und Elternzeit wieder schnell in einen

qualifi zierten Beruf zurückkehren können. und

wir brauchen erheblich mehr Ältere erheblich

länger auf unseren Arbeitsplätzen.

Wie sieht das aus?

Jedes zweite Kind, das heute bei uns geboren

wird, kann 100 Jahre alt werden. und die Be-

reitschaft der Älteren zwischen 65 und 80 Jah-

ren, weiterhin berufl ich aktiv zu sein, nimmt zu.

30 Prozent sagen schon heute: Sie würden am

liebsten wieder arbeiten, mit der alten oder ei-

ner neuen Aufgabe. Dieses Potential müssen

wir ausschöpfen. Der Gesetzgeber sollte darauf

verzichten vorzuschreiben, was ein Mensch mit

fortschreitendem Alter tun sollte. Eine gesetzli-

che Altersgrenze ist von gestern. Der Renten-

eintritt muss sich doch entsprechend der stetig

steigenden Lebenserwartung erhöhen.

Was würde das für das Personalmanagement

in Unternehmen bedeuten?

unternehmen werden in Zukunft auf die Älteren

angewiesen sein, es muss ihnen daher leichter-

gemacht werden, Menschen über das gesetz-

liche Rentenalter hinaus zu beschäftigen. Die

Lösung ist ein altersgerechtes Personalma-

nagement. Nirgendwo in Europa außer in Itali-

en gibt es eine so niedrige Geburtenrate und

eine so dynamisch wachsende ältere Bevölke-

rung wie bei uns. Im Vergleich zu früheren Ge-

nerationen haben wir heutzutage ein Leben

dazugewonnen – und damit auch ein unglaub-

liches Gestaltungspotential. Das müssen wir in

die Köpfe und in die Herzen bringen. �

Wolfgang Clement, ehemaliger Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und Vorsitzender des Kuratoriums der „Initiative Neue Soziale Markt-wirtschaft“.

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Page 10: „Freiheit und Ordnung“ · 2014-05-28 · Oktober 2013 haben wir mit rund 200 hochkarätigen Gästen und Sprechern darüber diskutiert, ... Bildungspolitik ausmacht und wie wir

Regeln und Freiräume in BalanceBrauchen wir einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn? Oder wirkt sich dieser womöglich beschäftigungs-

schädigend aus? Ist ein einheitliches Rentenalter von 65 Jahren noch zeitgemäß, oder sollte jeder selbst

entscheiden dürfen, wann er in Rente geht? Welche regulatorischen Eingriffe in den Arbeitsmarkt zeichnen sich

in Deutschland nach der Wahl ab, und welche Folgen bringen sie mit sich?

Spricht man über Regulatorien innerhalb der

Arbeitswelt, kommt man sehr schnell zum The-

ma Mindestlohn. Fakt ist: Der gesetzliche Min-

destlohn wird kommen. Aber er spaltet die Na-

tion. IG Metall-Vorstand Hans-Jürgen urban ist

ein klarer Befürworter eines flächendeckenden

Mindestlohns. „Wir brauchen den Mindestlohn,

damit es in Deutschland wieder gerechter zu-

geht“, sagt er. „Die aktuellen Bedingungen in

Deutschland – Stichwort Strukturwandel und

Ost-West-Lohngefälle – machen ein umdenken

erforderlich. Der Mindestlohn stellt ein wesent-

liches Element der sozialstaatlichen Neuord-

nung des Arbeitsmarktes dar.“

Die aktuelle Rechtslage rund um Mindestlohn

und sittenwidrige Löhne beurteilt Klaus Bepler,

Honorarprofessor an der Martin-Luther-univer-

sität Halle-Wittenberg und langjähriger Vorsit-

zender Richter am Bundesarbeitsgericht, als

unbefriedigend. „Derzeit haben wir in Deutsch-

land sittenwidrige Löhne in großer Zahl, die

durchgängig von der Agentur für Arbeit aufge-

stockt werden.“ Kritisch sieht Bepler vor allem

die Durch- und die umsetzung des Mindest-

lohns: „Das Thema Mindestlohn betrifft eine

bestimmte soziale Schicht, und ich bin mir

nicht sicher, ob das Geld dort dann auch wirk-

lich ankommt.“

Mindestlohn: Chance oder Gefahr

Jeder sollte von seiner Arbeit leben können –

das ist zumindest die Theorie. Gegenwärtig gibt

es laut Hans-Jürgen urban aber immer mehr

Menschen, denen dies trotz einer Vollzeitan-

stellung nicht gelingt. Ein flächendeckender

Mindestlohn würde urban zufolge befördern,

dass Arbeitnehmer wieder von ihrem Lohn le-

ben können und nicht auf staatliche oder kari-

tative unterstützung angewiesen sind. An die-

ser Stelle mahnt urban aber auch zur Vorsicht:

„Ein Mindestlohn von 8,50 Euro bedeutet nicht

automatisch, dass dieser für alle Beschäftigten

gilt. Je nach Qualifikation kann nach oben dif-

ferenziert werden. Der Mindestlohn ist nichts

anderes als eine Schranke nach unten.“

Aber ist ein gesetzlicher Mindestlohn nicht be-

schäftigungsschädigend? „Nicht grundsätz-

lich“, antwortet Joachim Möller, Direktor am

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

in Nürnberg. In gewissem Maße könne ein Min-

destlohn die Beschäftigung stabil halten. und

Möller sieht auch positive Effekte: „Wenn wir

einen Mindestlohn hätten, könnten offene Stel-

len schneller besetzt werden, und es würde

weniger Fluktuation in den Jobs geben, weil die

Bindung an die jeweilige Arbeit stärker wäre.“

Die vielen unbesetzten Stellen – insbesondere

im Niedriglohnsektor – sowie die hohe Jobfluk-

tuation, die wir heute haben, sind laut Möller

hauptsächlich auf die schlechte Bezahlung zu-

rückzuführen. und das wirke sich nicht nur ne-

gativ auf den Arbeitsmarkt aus; auch den un-

ternehmen entstünden dadurch beträchtliche

Kosten, so Möller.

Vor dem Hintergrund des fortwährend starken

Lohngefälles zwischen Ost- und Westdeutsch-

land plädiert auch Joachim Möller für eine

Lohndifferenzierung. „Je näher der Mindestlohn

an den mittleren Lohn heranrückt, desto größer

ist das Risiko von beschäftigungsschädlichen

Effekten“, sagt Möller. Außerdem müssten die

jungen Menschen vom Mindestlohn ausge-

nommen werden: „Der Mindestlohn darf nicht

bewirken, dass junge Leute den Anreiz verlie-

ren, sich zu qualifizieren, weil sie in einer unge-

lernten Tätigkeit ähnlich gut verdienen.“

Flexible Altersgrenzen

Ebenfalls in das Spannungsfeld zwischen ge-

setzlicher Regulierung und unternehmerischer

Freiheit gehört die Diskussion um eine gesetz-

lich vorgeschriebene Altersgrenze und flexible

Arbeitszeitmodelle sowie die Frage, ob zu viel

Regulierung die Eigeninitiative der Arbeitneh-

Ted-Abstimmung: Was glauben Sie? Wird durch den allgemeinen Mindestlohn Beschäftigung abgebaut oder nicht?

Die Grafik zeigt ausgewählte Ergebnisse der interaktiven Teilnehmerumfrage auf dem 4. Deutschen HR Summit.

Quelle: DigiMod by DIMA.

11,0% ja, unbedingt

32,1% eher ja

50,5% eher nein

5,5% nein, auf keinen Fall

0,9% weiß nicht

10 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

Page 11: „Freiheit und Ordnung“ · 2014-05-28 · Oktober 2013 haben wir mit rund 200 hochkarätigen Gästen und Sprechern darüber diskutiert, ... Bildungspolitik ausmacht und wie wir

mer einschränkt. „Die Altersgrenze von derzeit

65 Jahren gehört zu der Welt, in der wir uns

eingerichtet haben“, sagt Klaus Bepler. um

eine gesunde Fluktuation in der Arbeitswelt zu

garantieren, habe sie laut Bepler auch noch

ihre Legitimation. Eine Anhebung der Alters-

grenze auf 67 Jahre hält Hans-Jürgen urban für

falsch: „Ich wünsche mir fl exible Modelle. Das

Rentenrecht sollte den Leuten verschiedene

Optionen geben und ihnen passgenaue Mög-

lichkeiten bieten.“

Ähnlich sieht es auch Anke Giesen, Vorstand

Ground Handling der Fraport AG: „Bei der

Altersgrenze muss die Leistungsfähigkeit der

Mitarbeiter berücksichtigt werden, das ist indi-

viduell verschieden.“ Ihr unternehmen bietet

den Mitarbeitern bereits verschiedene Arbeits-

zeitmodelle an und arbeitet mit sogenannten

Lebensarbeitszeitkonten. „unsere Mitarbeiter

auf dem Vorfeld haben die Möglichkeit, ur-

laubstage und Mehrarbeit auf einem Konto zu

speichern, um gegebenenfalls früher aus dem

Beruf ausscheiden zu können.“

Auch befristete Arbeitsverträge sind laut Giesen

in ihrem unternehmen ein bewährtes Instru-

ment, um insbesondere jungen Menschen, die

nach Orientierung suchen, den Einstieg ins Ar-

beitsleben zu ermöglichen. „Selbstverständlich

muss man mit dem Thema Befristung verant-

wortungsvoll umgehen“, sagt Giesen. Sie hält

es für fragwürdig, wenn der Staat hier eingrei-

fen und befristete Beschäftigungsverhältnisse

und Zeitarbeit in Zukunft beschränken würde.

Darüber, dass eine Marktwirtschaft gewisse Re-

geln braucht, sind sich die Beteiligten einig.

„Die Regulierung muss aber intelligent sein

und nicht mit dem Holzhammer daherkommen,

wie es beispielsweise bei einer abrupten Ab-

schaffung der Zeitarbeit der Fall wäre“, sagt

Joachim Möller. Ein gewisser Ordnungsrahmen

muss sein, fi ndet auch Anke Giesen. „Wir ha-

ben in den vergangenen Jahren eine gute Ba-

lance geschaffen. Wenn es künftig noch weitere

eingreifende Maßnahmen durch den Staat

gibt, fürchte ich, dass diese gestört wird und

dass sich der Eingriff letztlich auch negativ auf

die Eigenverantwortung und die Initiative der

Arbeitnehmer auswirken könnte.“ (elb) �

Ted-Abstimmung: Was glauben Sie? Wird in den nächsten zwei Jahren in Deutschland die Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte beschlossen?

Die Grafi k zeigt ausgewählte Ergebnisse der interaktiven Teilnehmerumfrage auf dem 4. Deutschen HR Summit.

Quelle: DigiMod by DIMA.

10,0% ja, sicher

43,6% vermutlich ja

37,3% eher nein

9,1% nein, auf keinen Fall

v. l. n. r.: Anke Giesen, Fraport AG, Prof. Klaus Bepler, Prof. Joachim Möller, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Dr. Hans-Jürgen urban, IG Metall, Sven Astheimer, F.A.Z..

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 11

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Kündigungsschutz in der KriseVon Dr. Alexius Leuchten, Partner, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

In der europäischen Wirtschaftskrise haben viele Länder ihren Kündigungsschutz gelockert – mit dem Ziel,

den Arbeitsmarkt zu fl exibilisieren und Arbeitslosigkeit abzubauen. Wie unterscheidet sich der deutsche Kündigungsschutz

vom spanischen und englischen, und was können wir von den Erfahrungen anderer Länder mit Deregulierung lernen?

„Grundsätzlich ist der Kündigungsschutz in

England viel schwächer ausgeprägt als in

Deutschland“, beschreibt Bettina Bender den

größten unterschied zwischen den beiden Län-

dern. Sie ist Partnerin bei CM Murray LLP und

Expertin im englischen Arbeitsrecht. „In Eng-

land kann man eigentlich jeden entlassen.“

Allerdings ist das Prozedere sehr streng und

aufwendig, es gibt viele Diskriminierungskla-

gen. Nach dem Regierungswechsel im Jahr

2010 versuchte die Koalition aus Konservati-

ven und Liberaldemokraten, das Arbeitsrecht

zu deregulieren. Die Beschäftigungszeit, die

abgeleistet werden muss, um überhaupt Kün-

digungsschutz zu erlangen, wurde auf zwei Jah-

re erhöht: Damit ist eine Kündigung ohne Anga-

be eines Grundes vor dem Ablauf dieser zwei

Jahre möglich. Allerdings bleibt das Risiko ei-

ner Diskriminierungsklage. Auch Massenentlas-

sungen wurden vereinfacht.

„Die Krise hat deutlich gezeigt, welche Schwä-

chen das spanische Arbeitsrecht hat“, erklärt

Gregor Erlebach von Cuatrecasas, Gonçalves,

Pereira. 2012 wurden in Spanien grundlegen-

de Reformen des Kündigungsschutzes umge-

setzt. Kündigungsgründe wurden klarer umris-

sen, so dass der Arbeitgeber ein geringeres Ri-

siko eingeht. Jedoch müssen im Kündigungs-

schreiben bereits alle Kündigungsgründe

benannt sein. „Dies bedeutet für die unterneh-

men einen hohen Aufwand“, meint Gregor Erle-

bach. Während früher betriebsbedingte Kündi-

gungen nur nach mehrjährigen Verlusten des

unternehmens möglich waren, sind die Anfor-

derungen heute geringer. Allerdings haben Ge-

richte aufgrund von Gesetzeslücken teilweise

wieder das alte Recht eingesetzt. Des Weiteren

wurde die Abfi ndungshöhe bei wirksamen wie

auch bei unwirksamen Kündigungen reduziert.

Daneben gibt es noch die sogenannte „Ex-

presskündigung“, die bei entsprechender Ab-

fi ndung auch unkomplizierte, fristlose Kündi-

gungen möglich macht.

Im Gegensatz dazu gab es in den vergangenen

Jahren in Deutschland keine größeren Ände-

rungen beim Kündigungsschutz. „Der Kündi-

gungsschutz ist eine absolute Säule des deut-

schen Arbeitsrechts“, stellt Markus Künzel,

Partner bei Beiten Burkhardt, fest. Grundsätz-

lich gilt: Wenn ein Arbeitnehmer länger als

sechs Monate bei einem unternehmen mit

mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt ist,

kann er nur aus Gründen, die in der Person

oder im Verhalten liegen, oder aus betriebsbe-

dingten Gründen gekündigt werden. Ist die

Kündigung unwirksam, besteht die Pfl icht zur

Wiedereinstellung. Es handelt sich also anders

als in Spanien um ein Bestandsschutzsystem.

Neben dem Kündigungsschutz gibt es einen

sehr breiten Sonderkündigungsschutz. „Die

einzige grundlegende Änderung war die 2003

eingeführte sogenannte 1a-Kündigung“, erklärt

Markus Künzel.

Warum wurden in Deutschland weniger Refor-

men durchgeführt als in anderen europäischen

Ländern? Dies kann zum einen daran liegen,

dass Deutschland von der Krise weniger betrof-

fen war als die anderen Länder. „Ohne die Kri-

se wären auch in Spanien die weitreichenden

Änderungen nicht möglich gewesen“, weiß Gre-

gor Erlebach. Des Weiteren könnte es daran

liegen, dass in Deutschland Gewerkschaften

und Betriebsräte stärker sind als in anderen

Ländern. Oder „der deutsche Kündigungs-

schutz ist schon ausgereift und gut so, wie er

ist“, fi ndet Markus Künzel, „allerdings gibt es

vor allem im Bereich Sonderkündigungsschutz

noch einigen Reformbedarf.“ �

Markus Künzel, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Gregor Erlebach, Cuatrecasas, Gonçalves, Pereira

Bettina Bender, CM Murray LLP

Dr. Alexius Leuchten, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

12 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

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Spielräume für HRVon Dieter Kern, Partner, Head Leadership & Organizational Performance Practice, Mercer Deutschland GmbH

Die Anforderungen an das HR-Management steigen. Heute sind HR-Experten gefordert, sich nicht durch neue Regeln

und Vorgaben einschränken zu lassen, sondern unter nehmerisches Handeln aktiv mitzugestalten.

Die Erwartungen an die HR-Funktion sind viel-

fältig: So verlangt beispielsweise das Manage-

ment qualifi zierte Mitarbeiter und den Aufbau

einer fl exiblen Organisation. Schnellstmöglich

sollen HR-Manager hier aktiv werden, auch

wenn das umfeld angesichts zäher politischer

Entscheidungsbildung bei Mindestlohn, Ver-

gütung und Co. schwierig ist. Auch branchen-

spezifi sche Regulierungen können herausfor-

dern, wie aktuell bei der Energiewende zu

beobachten ist. Dazu stellen die Mitarbeiter

selbst hohe Ansprüche, vor allem die „Genera-

tion Y“ mit ihrem Wunsch nach fl achen Hierar-

chien, aber auch die „Generation X“ mit dem

Bedürfnis nach Vereinbarkeit von Familie und

Beruf. Nicht zuletzt sind es die Personaler

selbst, die an sich selbst den Anspruch haben,

mitgestaltend und wertschöpfend arbeiten zu

wollen.

Arbeitsrecht und Arbeitssicherheit haben schon

immer einen sehr hohen Stellenwert in der Per-

sonalarbeit, gerade weil diese Bereiche stark

reglementiert sind. Insgesamt nimmt die Regu-

lierungsdichte in Deutschland stetig zu. Com-

plianceanforderungen spielen eine immer grö-

ßere Rolle, doch Heidi Stopper, Vorstand Hu-

man Resources bei der ProSiebenSat. 1 Media

AG, sieht keine gravierenden Veränderungen für

die HR-Arbeit: Reglementierungen stellen „Hy-

gienefaktoren“ dar, sie verhindern, dass bei

Mitarbeitern unzufriedenheit entsteht, und soll-

ten daher berücksichtigt werden. Auch gesell-

schaftspolitischen Trends können sich unter-

nehmen nicht verschließen, stellen sie doch

selbst einen Spiegel der Gesellschaft dar. „Es

ist gut, Themen wie demographischer Wandel,

Burn-out oder Frauenquote proaktiv aufzugrei-

fen“, sagt Stopper, allerdings müsse genau ge-

prüft werden, welche dieser Themen Nutzen für

das eigene unternehmen brächten.

Matthias Robke, Personaldirektor der ING-DiBa

AG, geht noch einen Schritt weiter: „Regulie-

rung ist gut, sie ist sogar zwingend notwen-

dig“. Mitbestimmung sei sehr wichtig, daher

sehe er sich als Freund von Gewerkschaften

und Betriebsräten, obwohl er zugeben müsse,

dass die Zusammenarbeit nicht immer ein-

fach sei.

Felicitas von Kyaw, Corporate Vice President

Organisational Development & Change bei Vat-

tenfall, wünscht sich dagegen weniger gesetzli-

che Beschränkungen, sie glaubt an die „Kräfte

der Marktwirtschaft“. Das momentane Volumen

an Regulierung empfi ndet sie als erdrückend.

In Deutschland sei dies besonders durch die

Energiewende zu spüren, da nun ganz klare Vor-

gaben für Personalkosten oder Vergütungsfor-

men vorlägen.

Bei neuen gesetzlichen Vorgaben, wie der Ins-

tituts-Vergütungsverordnung (IVV) in der Ban-

kenbranche, dürfe nicht außer Acht gelassen

werden, dass die Dinge auch praxistauglich

bleiben müssten, mahnt Robke. Der große

Arbeitsumfang, den diese Vorschrift mit sich

bringe, schaffe Verunsicherung, die letztend-

lich auch dazu führe, dass Personaler die

Verantwortung nicht mehr auf sich nehmen

wollten.

Gesetzliche Regulierung muss als ein wichtiger

Bestandteil des Rahmenwerks für HR ange-

nommen werden. Stopper fordert Personaler

auf, sich nicht nur als Businesspartner zu ver-

stehen. Sie sagt: „Wir sind Business!“ Durch

diese Haltung können sowohl die Erwartungen

der Mitarbeiter, Gesetzgeber und Interessenver-

treter erfüllt werden als auch die eigenen, als

Personaler das Business voranzubringen. Nur

ein proaktiver umgang mit Regulierung stellt

die unternehmerischen Freiräume sicher. �

Dieter Kern, Mercer Deutschland GmbH

Felicitas von Kyaw, Vattenfall

Matthias Robke, ING-DiBa AG

Heidi Stopper, ProSiebenSat. 1 Media AG

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 13

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Das Interview als Video auf unserem YouTube-Channel

Regulierung der Arbeitsmärkte

„Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen“Nachgefragt bei Dr. Alexius Leuchten, Partner, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Das Interview führte Sarah Bautz.

Herr Dr. Leuchten, wie viel und welche

Form der Regulierung ist einer nachhaltigen

Entwicklung zuträglich?

Ausgangspunkt ist für mich der Grundsatz, den

der Nobelpreisträger Robert J. Shiller kürzlich

hervorgehoben hat: Die Wirtschaft muss dem

Menschen dienen, nicht der Mensch der Wirt-

schaft. Das heißt: Wir müssen dort, wo es not-

wendig ist, Regulierungen treffen, um zu verhin-

dern, dass Menschen zum bloßen Produktions-

mittel werden. Regulierung an sich ist nichts

Böses. Im Bankenbereich ist der Ruf nach Re-

gulierung weit verbreitet, da sagt die Mehrheit

der Bevölkerung: jawohl, wir müssen die All-

macht der Banken und auch die Haftung des

Steuerzahlers für die Schulden der Banken

begrenzen. und jetzt sollen Regulierungen für

den Arbeitsmarkt generell schädlich sein? Dem

kann ich mich nicht anschließen.

Was halten Sie von der Frauenquote

im Aufsichtsrat?

Ich bin sehr für Frauen in Führungspositionen,

und ich bin auch sehr dafür, dass Frauen mehr

gefördert werden, als das heute der Fall ist.

Aber ich halte eine gesetzliche Frauenquote für

falsch, weil sie eine sehr formale Vorgabe in

Vorgängen trifft, die individuell sehr unter-

schiedlich gelagert sein können.

Wie beurteilen Sie den Kündigungsschutz

in Deutschland im Vergleich zu anderen

Ländern?

Zunächst einmal hat der Kündigungsschutz in

Deutschland einen grausam schlechten Ruf,

besonders im internationalen Vergleich. Das

Hauptproblem liegt darin, dass jeder Arbeitneh-

mer, der gekündigt worden ist und dessen Kün-

digung für unwirksam erklärt wurde, wieder an

seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Die

Engländer nennen das „Reinstatement“. Daran

sind aber in der deutschen Praxis nach einem

gegebenenfalls emotional geführten Kündi-

gungsschutzprozess weder Arbeitgeber noch

Arbeitnehmer interessiert. Das ist ein wirksamer

Hebel für diejenigen Arbeitnehmer, die letztlich

gar nicht wieder zurückwollen, sondern es auf

eine hohe Ab findung anlegen. Das verkompli-

ziert den Kün digungsschutz und macht ihn teu-

er: Denn anders als in England, wo es dafür

Höchstgrenzen gibt, ist das Maß in Deutschland

nach oben offen. So kommen die Millionenab-

findungen zustande, die den schlechten Ruf

des Kündigungsschutzes in Deutschland mitbe-

gründen. Wer den Kündigungsschutz reformie-

ren will, sollte an ein Entschädigungsmodell

denken, das diesem Effekt vorbeugt.

Was sind die wichtigsten Mittel für Unter-

nehmen, um Krisenzeiten gut zu überstehen?

Lassen Sie mich dies an dem Beispiel Kurz-

arbeit zeigen. 2009 hat es die deutsche Regie-

rung verstanden, Massenentlassungen in der

Industrie zu verhindern, indem die Sozialab-

gaben für Kurzarbeitslöhne vom Staat getra-

gen wurden. Damit standen, nachdem der

Aufschwung wieder da war, alle Arbeitnehmer,

die vorher beinahe entlassen worden wären,

wieder zur Verfügung. Das war ein sehr wich-

tiger Schritt, der in Europa meines Wissens

auch einmalig war. Die Kurzarbeit hat sich da-

mit als sehr wichtiges Mittel erwiesen, die Kri-

senzeiten ohne größere Entlassungsmaßnah-

men zu überstehen. �

14 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

Nachgefragt

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Das Interview als Video auf unserem YouTube-Channel

Transparenz für den Stellenmarkt

Michael Radix, Senior Account Executive, IBM Kenexa Germany

„Laut der

CEO-Befragung

von IBM im Jahr

2012 ist das

Humankapital

für sieben von

zehn CEOs der

wichtigste Treiber für Wachstum in der

Zukunft. Auf diese Anforderungen müssen

sich Personalabteilungen einstellen.

Dabei helfen können digitale Tools für

Talentmanagement: Sie automatisieren

den Prozess der Talentbeschaffung,

bringen einen eigenen Talentpool mit und

filtern Netzwerke nach den gesuchten

Skills. Auch Assessments werden online

absolviert. So kann man zu 90 Prozent

vorhersagen, ob die Person zum

unternehmen passt und umgekehrt.

Zudem zentralisiert das Tool die Daten:

Kein Profil eines interessanten Bewerbers

geht verloren, nur weil im Moment gerade

nicht die passende Stelle frei war. Teams

können besser zusammengestellt werden,

und auch interne Kandidaten werden

für Personaler an anderen Standorten

‚sichtbar‘.“

KurzgefasstFreiheit und OrdnungWährend des 4. Deutschen HR Summits befragten wir mit Hilfe eines interaktiven

Brainstormings die rund 200 Teilnehmer zu den Handlungs rahmen, die HR in

Zukunft maßgeblich beeinflussen werden. Freiheit und Ordnung spielten dabei

eine wichtige Rolle. Die drei wichtigsten Trends finden Sie hier:

Generation Y

Mit der Generation Y erfolgt ein gesellschaftlicher Wertewandel. Work-Life-Balance rückt für junge Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Eine Herausforderung für HR wird es sein, den Mitarbeitern die gewünschten Freiräume zu ermöglichen.

Lebensphasengerechte Personalpolitik

Die Bedürfnisse der Mit arbeiter verändern sich in verschiedenen Lebens altern. Flexible Strukturen zu schaffen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, sich um Kinder und Eltern zu kümmern, ist eine fordernde Aufgabe für HR der Zukunft.

Priorisieren Sie bitte: Welche Meta-Trends sind speziell für Ihr Unternehmen am wichtigsten?

Die Grafiken zeigen ausgewählte Ergebnisse der interaktiven Teilnehmerumfrage auf dem 4. Deutschen HR Summit.

Quelle: DigiMod by DIMA.

Flexible Beschäftigungsformen

Lebensphasengerechte Personalpolitik und Personalentwicklungs-Strategien

Generationen-, Wissens- und Verantwortungstransfer

26,0%

15,1% 13,8%

Die zentralen Diskussionsthemen und umfrageergebnisse wurden durch

Graphic Recording, ein „visuelles Mitschreiben“ von Kernaussagen in Gruppen-

Arbeitssituationen, visualisiert.

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 15

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Zeigen, was man hatVon Britta Groß, Human Capital Management Leader Germany, IBM Deutschland

Employer-Branding gewinnt in unternehmen immer mehr an Bedeutung. Was gilt es dabei zu beachten?

und: Für wen lohnt sich Employer-Branding überhaupt?

Die Flut neuer Informationswege verändert die

Arbeitswelt grundlegend. Selten waren die

Menschen besser darüber im Bilde, wofür ein-

zelne unternehmen stehen und wie sie als

(künftiger) Arbeitgeber einzuschätzen sind.

umso mehr Bedeutung gewinnt ein gezieltes

Employer-Branding. „Beim Employer-Branding

geht es darum, die eigene Arbeitgebermarke

positiv vom Wettbewerb abzuheben und bei

Mitarbeitern, Bewerbern, Kunden und Stake-

holdern als Marke erster Wahl zu positionie-

ren“, erklärt Michel Gabriel, Managing Director

der Markenberatung Interbrand Zürich.

Die Frage, ob eine starke Arbeitgebermarke au-

tomatisch ein starkes Employer-Branding nach

sich ziehe, verneint Gabriel: „Eine starke unter-

nehmensmarke ist ein Pluspunkt, aber auch

erfolgreiche Marken brauchen eine Strategie,

um Bewerber zu gewinnen, Mitarbeiter zu hal-

ten und im Wettbewerb zu bleiben.“ Wichtig ist

laut Gabriel, je nach unternehmen die richtige

Form des Employer-Brandings zu fi nden: „Em-

ployer-Branding bei IKEA unterscheidet sich

wesentlich von dem des Bundesgerichtshofs –

wenn dieser überhaupt solche Maßnahmen

betreibt.“

Idealerweise ist Employer-Branding ein in der

unternehmensstrategie verankerter Prozess,

der im unternehmen gelebt und kontinuierlich

weiterentwickelt werden muss – das weiß Mi-

chael Radix, Senior Account Executive, Kenexa

Germany GmbH. „Für ein zielgerichtetes Emplo-

yer-Branding ist es unabdingbar, dass Perso-

nalabteilung, Marketing und PR eng zusam-

menarbeiten“, sagt Radix. Entscheidet sich ein

unternehmen für eine Investition in Employer-

Branding, sollte es laut Radix zunächst ins ei-

gene unternehmen hineinhorchen: „Die eige-

nen Mitarbeiter sind der Schlüssel zu einer

authentischen und glaubhaften Wertevermitt-

lung nach außen.“ Voraussetzung dafür sei na-

türlich, dass die Werte auch nach innen gelebt

würden.

Aber wie und über welche Kanäle vermitteln

unternehmen idealerweise ihre Botschaften?

„Das hängt vom jeweiligen unternehmen ab“,

weiß Michael Radix. „Mittelständler sollten

viele Kanäle nutzen, insbesondere Social Me-

dia.“ Er weist darauf hin, dass auch hier wie-

der die Mitarbeiter kommunizieren sollten, um

die größtmögliche Glaubhaftigkeit zu garan-

tieren. „Human Capital ist heutzutage der

wichtigste Stellhebel für Wachstum und die

Verteidigung des Marktes“, gibt Radix zu be-

denken.

Das weiß auch Haakon Fischer, Bereichsleiter

Personal der Schwarz Finanz und Beteiligungs

GmbH & Co. KG, der Verwaltungsgesellschaft

für die Marken Kaufl and und Lidl: „Als unter-

nehmen muss ich meine Mitarbeiter davon

überzeugen, dass sie eine gute Arbeit machen.

Sie müssen sich wertig fühlen – ganz gleich,

ob sie Regale einräumen oder Führungsver-

antwortung haben. Nur dann kann ich auch

damit rechnen, dass sie ihre Arbeit und das

unternehmen nach außen positiv darstellen.“

Auch interne Weiterbildung ist laut Fischer er-

fahrungsgemäß eine Investition in Employer-

Branding, die sich auszahlt: Allein in der letz-

ten Dekade hat das unternehmen 67 Milliar-

den Euro umsatz erwirtschaftet, mit einer

jährlichen Steigerung zwischen 3 und 8 Pro-

zent. �

Michel Gabriel, Interbrand Zürich

Haakon Fischer, Schwarz Finanz- und Beteiligungs GmbH & Co. KG

Britta Groß, IBM Deutschland

Michael Radix, Kenexa Germany GmbH

Employer-Branding auf einen Blick

� unternehmensbrand und Employer-Branding müssen eng miteinander verzahnt sein.

� HR, Marketing und PR müssen Hand in Hand arbeiten.

� Der Faktor Mensch macht den unterschied.

� Ziele defi nieren, Programme entwickeln und anschließend Erfolg messen.

16 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

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Talente gewinnen und binden Von Astrid Habeder-Preuß, geschäftsführende Gesellschafterin, Dr.Heimeier & Partner

Der Arbeitsmarkt in Deutschland hat sich bereits zu einem Bewerbermarkt entwickelt. Kandidaten mit gefragten

Qualifi kationsprofi len erhalten oft mehrere interessante Angebote, aus denen sie auswählen können. und das gilt nicht

mehr nur für die MINT-Berufe.

Bei den Bewerbern lässt sich ein deutlicher

Wertewandel feststellen: Heute steht Karriere

um jeden Preis nicht mehr an erster Stelle. Die

Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das

Ausleben von Hobbys nehmen an Bedeutung

zu. Arbeitgeber stehen nun vor der Herausfor-

derung, erfolgversprechende Angebote und

Rahmenbedingungen zu schaffen, um Talente

zu gewinnen und sie dann auch langfristig im

unternehmen zu halten.

Spricht man über Gestaltungsmöglichkeiten,

so drängt sich zunächst der Bereich Benefi ts

auf – davon ausgehend, dass ein der jeweili-

gen Position angemessenes Vergütungspaket

als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Bei-

spiele hierfür sind Dienstleistungsangebote,

teilweise auch zur Erhaltung der Gesundheit,

wie Sportgeräte und Physiotherapie am Ar-

beitsplatz, oder Angebote, um Ausfälle bei der

Kinderbetreuung zu überbrücken. Die Nord-

zucker AG hat bereits einen Reinigungsservice,

einen kleinen Massageraum und ein Vater-

Mutter-Kind-Büro eingerichtet „Das sind Klei-

nigkeiten, die aber sehr gut aufgenommen

werden“, beschreibt Michael Gauss, Ge-

schäftsführer Zentraleuropa, Nordzucker AG,

seine Erfahrungen.

Weitere Möglichkeiten sind die Individualisie-

rung von Arbeitszeitmodellen und der Ausbau

von Home-Offi ce-Lösungen, einhergehend mit

einer Sensibilisierung der Führungskräfte

für die Neugestaltung von Arbeitsprozessen.

Auch die selbstverständliche Organisation von

Elternzeiten – für Mütter wie Väter – sowie die

unterstützung von Sabbaticals, um Mitarbei-

tern die Erfüllung des Traums einer besonderen

Reise oder die Pfl ege von Angehörigen zu er-

möglichen, gehören dazu.

Ein aktuelles Thema ist die Weiterbildung von

älteren Mitarbeitern, um sie möglichst lange

erfolgreich im Arbeitsprozess halten und von

ihrer Erfahrung profi tieren zu können. „Ältere

Mitarbeiter haben einen entscheidenden Vor-

teil“, erklärt Dr. Peter Körner, Autor des Buches

Bachelor 40 plus, „sie sind viel treuer. Wenn

Sie hier investieren, investieren Sie an der rich-

tigen Stelle.“ Auch Dr. Edgar Schmitt, Ge-

schäftsführer bei der Sauer Compressors Grup-

pe, hat mit der „Sauer-Akademie“ gute Erfah-

rungen gemacht: Langjährige Mitarbeiter geben

hier ihr Wissen an junge Kollegen weiter. „Das

empfi nden auch unsere erfahrenen Mitarbeiter

als sehr positiv. Sie bereiten sich gut vor und

bilden sich weiter“, erklärt Dr. Schmitt.

Der Phantasie der Arbeitgeber sind keine Gren-

zen gesetzt. Wichtig bei der Auswahl geeigneter

Maßnahmen ist die Befragung der Belegschaft

danach, wo es tatsächlich brennt. Das Ma-

nagement ist gefordert, sich von einheitlichen

Angeboten für alle zu verabschieden. Das Er-

folgsrezept lautet: Investieren Sie Zeit, um indi-

viduell mit einem (potentiellen) Mitarbeiter zu

klären, was für ihn attraktiv oder sogar notwen-

dige Voraussetzung ist, um in Ihrem unterneh-

men zum gemeinsamen Erfolg bestmöglich

beitragen zu können.

Bei alldem sind Vertrauen und Loyalität wichti-

ge Grundlagen für ein erfolgreiches Zusam-

menspiel von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In

den letzten Jahren wurde dieses Vertrauen in

den Arbeitgeber oft erschüttert, meist durch

Veränderungen im Sinne einer Optimierung des

Shareholdervalues. unternehmen, die ihren

Mitarbeitern eine zumindest mittelfristige Per-

spektive mit einiger Sicherheit bieten können,

haben einen wertvollen Wettbewerbsvorteil,

den es zu nutzen gilt. �

Dr. Peter Körner, Autor des Buches Bachelor 40 plus

Astrid Habeder-Preuss, Dr. Heimeier & Partner

Michael Gauss, Nordzucker AG

Dr. Edgar Schmitt, Sauer Compressors Gruppe

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 17

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Wo stehen unternehmen bei der internationalen Rekrutierung?Von Frank Schabel, Head of Marketing/Corporate Communications, Hays AG

Der Fachkräftemangel führt dazu, dass Mitarbeiter zunehmend über den deutschen Arbeitsmarkt hinaus gesucht werden.

Doch bei der internationalen Rekrutierung gibt es noch viele Hürden zu bewältigen.

Der demographische Wandel in Deutschland,

aber auch ein immer globaler werdender Markt

lassen unternehmen verstärkt nach neuen Mit-

arbeitern auf dem internationalen Arbeitsmarkt

suchen. „Aufgrund von Sprachbarrieren liegt

der Fokus zunächst oft auf dem deutschspra-

chigen Ausland, also auf Österreich und der

Schweiz“, stellt Anna Beeger, Head of Business

Development, Hays AG, fest. umgekehrt gelte

zugleich Deutschland für diese Nachbarländer

ebenfalls als lukrativer Rekrutierungsmarkt.

Das weiß auch Peter Kosel, Vice President Em-

ployer Branding and Recruiting bei der Schwei-

zer Sensirion AG: „Der Schweizer Arbeitsmarkt

bietet oft nicht genügend Ingenieure, daher

richtet sich der Blick gerne auf Deutschland.“

Doch der Rekrutierungsbedarf könne so selbst-

verständlich nicht gedeckt werden.

Bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern

gehen viele unternehmen eher pragmatisch

vor. Sie setzen auf einen Rekrutierungsmix, vor

allem auf Social-Media-Kanäle und Personal-

dienstleister. Dieses Vorgehen kennt Beeger

aus der Praxis. Ähnliches belegt auch Professor

Dr. Jutta Rump, Direktorin des Ludwigshafener

Instituts für Beschäftigung und Employability, in

empirischen untersuchungen. Sie bemängelt:

„unternehmen fehlt eine Strategie für das The-

ma internationale Rekrutierung.“ Diese sei

dringend notwendig: „Wenn wie im Fall der

Fachkräfte ein knappes Gut identifi ziert ist,

dann verändern sich Machtverhältnisse in den

unternehmen und auf den Arbeitsmärkten.“

Ein professioneller umgang damit sei gefragt.

„Meist fehlt schnell wachsenden unternehmen

die Zeit, eine passende Strategie zu entwickeln

und zugleich den dringend benötigten Mitar-

beiterbedarf zu decken“, berichtet Kosel.

Integration stellt den wesentlichen Erfolgsfak-

tor für internationale Rekrutierung dar, darin

sind sich die drei Experten einig. Wie Erfahrun-

gen bei Hays zeigen, zählt dazu auch, Partner

und Familie der potentiellen Fachkraft in Ge-

spräche einzubeziehen, um deren Interessen

zu berücksichtigen. Besonders wichtig ist, Mit-

arbeiter und vor allem auch ihre Angehörigen

beim Spracherwerb zu unterstützen. „Englisch

reicht zwar meist für den Arbeitsplatz, nicht

aber, um am öffentlichen Leben in Deutsch-

land teilhaben zu können“, betont Rump.

Langwierig und unnötig erschwert wird die in-

ternationale Rekrutierung zudem durch die

mangelnde Vergleichbarkeit von Qualifi katio-

nen: Hier ist auch der Staat gefordert. „unter-

suchungen zeigen, dass ein Punktesystem als

Anerkennungsverfahren für Qualifi kationen und

Ausbildungen eine wirkliche Alternative dar-

stellt“, stellt Jutta Rump fest.

Die Anforderungen sind vielfältig, aber Lösun-

gen müssen gefunden werden, denn der Stand-

ort Deutschland braucht – aus wirtschaftlicher

Sicht wie auch mit Blick auf die alternde Ge-

sellschaft – Einwanderung durch internationale

Rekrutierung. Mit strategischer Planung und

integrativen Maßnahmen sollten sich unter-

nehmen für die Rekrutierung auf dem globalen

Arbeitsmarkt fi t machen und nicht zuletzt die

Beliebtheit Deutschlands im Sinne eines

„Country-Brandings“ als Vorteil nutzen. �

Anna Beeger, Hays AG

Frank Schabel, Hays AG

Prof. Dr. Jutta Rump, Institut für Beschäftigung und Employability

Peter Kosel, Sensirion AG

18 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

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Das Interview als Video auf unserem YouTube-Channel

Beitrag zur Wertschöpfungskette

„Die Chance ergreifen“Nachgefragt bei Dr. Dagmar Wilbs, Leiterin des Geschäftsbereichs Human Capital Central Europe, Mercer Deutschland GmbH

Das Interview führte Sarah Bautz.

Frau Dr. Wilbs, das Bewusstsein hinsichtlich

des Beitrags von HR zur Wertschöpfungskette

in Unternehmen wächst. Warum?

Viele Themen, die unternehmen heute umtrei-

ben, sind HR-relevant. Dazu gehören zum Bei-

spiel demographischer Wandel, Fachkräfte-

mangel, Talentmanagement, altersgemischte

Gruppen, Leistung und Entwicklung. Es gibt ei-

nen echten und nachhaltigen Bedarf aus dem

Business, in diesen Bereichen von HR unter-

stützung zu bekommen. Die Möglichkeiten, ei-

nen aktiven Beitrag zur Wertschöpfungskette zu

leisten, waren noch nie so gut wie heute.

Welche Rahmenbedingungen braucht HR,

um diese Rolle wahrnehmen zu können?

Natürlich gibt es ein paar formelle Vorausset-

zungen. Dazu gehört etwa die Frage: Wie ist HR

im unternehmen strukturell positioniert? Wie

ist die Rollenausgestaltung von HR? Welche

Befugnisse gibt es? Ist HR – idealerweise – in

der ersten Führungsebene angesiedelt, in der

Person eines Chief Human Resources Officers

oder über einen Vorstand für das HR-Ressort,

das klassischerweise mit dem Bereich Recht

gekoppelt wird? Viel wichtiger als solche For-

malien ist aber, dass HR die Möglichkeiten in-

nerhalb des bestehenden Rahmens nutzt und

sich entschlossen als gestaltender Faktor im

Geschäft und in der Geschäftsentwicklung po-

sitioniert. Der Begriff des HR-Businesspartners

gilt mittlerweile zu Recht als veraltet. HR ist ein

relevanter Businessbestandteil.

Sie haben das Thema altersgemischte

Gruppen genannt: Wie weit sind Unter-

nehmen in Deutschland mit ihren Bemühun-

gen, das Thema Vielfalt umfassend zu

implementieren?

In Deutschland ist Diversity-Management noch

stark in Richtung „Gender“ ausgerichtet. Das

kommt auch von der – schon seit langem im

Raum stehenden – Drohung des Staates, Reg-

lementierungen zu Frauenquoten einzuführen.

um das zu vermeiden, haben viele unterneh-

men mit Selbstverpflichtungen zur Frauenför-

derung reagiert. umfassendes Diversity-Ma-

nagement umfasst aber viel mehr, etwa alters-

gemischte Teams und den Schritt zur Multige-

nerationenbelegschaft: Es gibt einen klaren

Trend, der Seniorität stärker Rechnung zu tra-

gen und zugleich den jungen Kollegen die Mög-

lichkeit zu geben, eine interessante Position im

unternehmen zu erreichen und nicht abwarten

zu müssen, bis der Chef mit 65 oder 67 Jahren

das unternehmen verlässt.

Wo sehen Sie mit Blick auf Vielfalt noch

Nachholbedarf?

Es ist zwar spannend und auch bewunderns-

wert, wie sich zum Beispiel DAX-30- oder

MDAX-unternehmen in diesem Bereich weiter-

entwickeln. Zugleich wird aber die Realität der

kleinen und mittelständischen unternehmen

kaum berücksichtigt. Die haben eben keinen

Diversity-Beauftragen, sind aber genauso vom

Fachkräftemangel betroffen oder müssen kul-

turelle Vielfalt managen. Auch sie müssen un-

terschiedlichste Kandidaten so ins unterneh-

men integrieren, dass nicht nur ein gutes Mit-

einander, sondern auch ein deutlicher Mehr-

wert entsteht. Da muss noch viel mehr

passieren, auch was die öffentliche Aufmerk-

samkeit betrifft. �

Nachgefragt

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 19

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Führungsstile heute Welche sind die häufi gsten Führungsfehler? Wie können und sollen wir unternehmen und Mitarbeiter heute führen –

und wie künftig? In Zeiten des Wandels, der Transformation von unternehmen werden Führungsprinzipien wie Partizipation

und Shared Leadership immer wichtiger.

„Gute Führung heißt für mich, dass die Füh-

rungskräfte Führung auch lernen. Das ist nicht

so einfach wie Fahrradfahren, deshalb verglei-

che ich es einmal mit Orgelspielen. Ein perfek-

ter Orgelspieler muss in der Lage sein, alle Re-

gister zu ziehen“, sagt Wilhelm Segerath. Der

Konzernbetriebsratsvorsitzende arbeitet seit

1972 für ThyssenKrupp. Er weiß: „Gerade im

Changeprozess müssen Führungskräfte genau

das vorleben und genau das deutlich kommu-

nizieren, was das unternehmen voranbringt.“

Nicht allein entscheiden, vielmehr die Arbeits-

platzexperten einbinden, so lautet das Erfolgs-

rezept, glaubt Segerath.

Häufi ge Führungsfehler

Gunther Olesch, Geschäftsführer Personal von

Phoenix Contact, hat durch Mitarbeiterbefra-

gungen drei zentrale Führungsfehler identifi -

ziert: fehlendes Einbeziehen der Mitarbeiter in

Entscheidungen, zu wenig Anerkennung und

mangelnde Mitgestaltung, wenn es um die un-

ternehmenszukunft, die Verwirklichung der Visi-

on, geht. Für Personalvorstand Peter Hadasch

von Nestlé ist stetige Kontrolle der häufi gste

Führungsfehler. Denn das gehe meistens

schief: „Freiräume schaffen ist sehr viel erfolg-

reicher als Überwachung und Anweisung.“

„Noch schlimmer ist destruktive Führung:

Rücksichtslosigkeit, Kälte, bewusstes Klein-

machen-Wollen“, ergänzt Dieter Frey. Der Sozi-

alpsychologe leitet an der LMu München das

Center für Leadership and People Management

und kennt leider zu viele Beispiele dafür. Ge-

nauso schlimm sei, wenn Manager Mitarbeiter

klonen wollten – die Vorstellung, Mitarbeiter

sollten den Vorgesetzen ähneln, sei eher

schädlich. Freys Studien zeigen zudem, dass

Mitarbeiter von ihren Führungskräften allzu oft

Basics einfordern, wie „zuhören, bitte und dan-

ke sagen, ausreden lassen“. Hier reden wir

über Defi zite im Charakter, ist sich Frey sicher.

Strukturen schaffen

Wie jedoch etabliert man Strukturen für gute

Führung? Frey bemängelt, dass viele Chefs

sich selbst überschätzten und keine Freiräume

gäben. Er fordert: „Wir brauchen zunächst eine

konkrete Führungsvision, dann eine Kultur des

Shared Leadership, der Teilung von Verantwor-

tung, und des Weiteren Strukturen, die beides

absichern.“ So gelte es beim Thema Familien-

freundlichkeit, Strukturen im unternehmen zu

schaffen, die die Teilung von Jobs und Verant-

wortung ermöglichten. Individuelle Freiheit

müsse institutionell ermöglicht werden, betont

Frey, denn was zähle, sei die umsetzung. „Oft

jedoch begegnet man in der Praxis aber Dop-

pelmoral und Heuchelei“, bemängelt Frey.

„unsere Vision zur Führungskultur war, einer

der besten Arbeitgeber zu werden, und das in

v.l.n.r.: Prof. Dr. Dieter Frey, Lehrstuhl für Sozialpsychologie, LMu München, Peter Hadasch, Nestlé Deutschland AG, Prof. Dr. Gunther Olesch, Phoenix Contact GmbH & Co.KG und Wilhelm Segerath, ThyssenKrupp AG, Sven Astheimer, F.A.Z.

„Führung muss gelernt

werden. Führung hat man

nicht.“Wilhelm Segerath, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats, ThyssenKrupp

20 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

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Qualität für die Rekrutierung

Andreas Formen, Verlagsgeschäftsführer, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH

„Der Megatrend

der Individuali-

sierung gehört

heute zu den

größten treiben-

den Kräften

von Arbeitswelt,

Gesellschaft und Wirtschaft. All diese

Bereiche werden zunehmend von der

„Kultur der Wahloptionen” geprägt.

Ein unternehmen, das diese Wahloptionen

in der Rekrutierung nicht verlieren will,

muss seine Employer-Branding-Kampagne

entsprechend strategisch ganzheitlich und

stimmig ausrichten: Ihr Ziel muss sein,

angesichts der neuen Wahlfreiheit eine

unterscheidbare, authentische, glaub-

würdige und attraktive Arbeitgebermarke

im Markt zu positionieren, die zugleich

auch positiv auf die unternehmensmarke

einzahlt. Dafür ist eine umfassende

Kommunikationsstrategie erforderlich,

in deren Rahmen auch ein Qualitäts-

medium wie die F.A.Z. Bestandteil sein

sollte.

unabhängig von der Frage „Print oder

Digital“ kann vor allem die unangefoch-

tene Qualität der eingesetzten Medien-

marke dabei helfen, im Recruitingwett-

bewerb von Wirtschaft und unternehmen

um kluge Köpfe erfolgreich zu sein.“

KurzgefasstWettbewerben zu beweisen“, schildert Olesch.

„Eigentlich wichtig ist uns dabei die regelmäßi-

ge Mitarbeiterbefragung, sie zeigt uns Verbes-

serungsbedarf. Wie wichtig uns das ist, möch-

ten wir auch in der umsetzung beweisen“, be-

tont Olesch, „deshalb bestimmen bei Phoenix

Contact neben umsatz und Profit auch Ergeb-

nisse der Mitarbeiterbewertung das variable

Gehalt der Führungskräfte."

Hadasch ergänzt, dass man Führungsprinzipien

konzernweit umsetzen müsse: Gerade Konzer-

ne wie Nestlé würden immer global betrachtet.

So würden soziale Probleme z.B. einer afghani-

schen Niederlassung immer auf andere Länder

zurückwirken: „Daher haben wir global gültige

Leadership-Prinzipien und -messsysteme: Die

Grundprinzipien, Standards und KPIs gelten

überall.“

Mitarbeiterbefragungen zeigten, erläutert Gun-

ther Olesch, dass der Wunsch nach vertrauens-

voller unternehmenskultur an erster Stelle ste-

he, denn Vertrauen sei ein urbedürfnis. Frey

bestätigt das: „Die internationale Forschung

lehrt uns, dass es weltweite Sehnsüchte gibt,

wie Erklärbarkeit, Beeinflussbarkeit oder Ver-

trauen. Das Vertrauen zu Vorgesetzten ist das

zentrale Element: Man muss es langfristig auf-

bauen, durch Zuhören, Einbinden oder auch

durch die Ansprache von Kritischem. Denn Füh-

rung ist immer auch das Management von Ent-

täuschungen. Wir schaffen Vertrauen, wenn wir

Soll-Ist-Diskrepanzen thematisieren.“

Partizipation und Shared Leadership

Die Partizipation der Mitarbeiter ist wichtig, nur

müssen die Mitarbeiter ihre Rolle im Entschei-

dungsprozess verstehen: Führungskräfte ha-

ben die Richtlinienkompetenz für die letztend-

liche Entscheidung, sie können Mitarbeiter auf

mehreren Ebenen einbinden: bei der Pro-

zesspartizipation, bei der Entscheidungsfin-

dung oder in der Implementierungsphase.

Davon abzugrenzen ist der Trend Shared Lea-

dership. Dieter Frey erklärt: „Hier gebe ich teil-

weise meine Führung an die Gruppe ab, ich

definiere die Rahmenbedingungen, und die

Gruppe entscheidet selbstorganisiert. Oft je-

doch erleben wir noch eine Scheindemokratie:

Eine Riesenfrustration entsteht, wenn Partizi-

pation kommuniziert, aber Einzelentscheidun-

gen durchgesetzt werden.“

Leadership-Kompetenz

Heute fordert gerade die Generation Y Mitwir-

kung, Entwicklungschancen, Feedback und

Wertschätzung. „Diese Einstellungen sind nicht

negativ“, findet Peter Hadasch, es schade un-

ternehmen nicht, über Sinn und Wertbeiträge

nachzudenken. Problematisch sei allerdings

die schwache Leadership-Kompetenz: „Viele

Talente der Generation Y sind abgeneigt, selbst

Führungsverantwortung zu übernehmen, und

haben wenig Sendungsbewusstsein.“

„Es führen oft die Falschen“, kritisiert Dieter

Frey, und fordert, Führungsfragen auch bei der

Ausbildung für Fachlaufbahnen zu thematisie-

ren. Ingenieure und Betriebswirte müssten ler-

nen, wie man Innovation, Motivation und Krea-

tivität wecken könne. Die Brisanz nimmt zu,

denn „in zehn bis 15 Jahren sind nur noch 20

Prozent der Verantwortlichen klassische Füh-

rungskräfte, 80 Prozent sind Fach- und Projekt-

leiter“, bestätigt Olesch.

Letztendlich ist die unternehmenskultur der

entscheidende Motivator. Führung ist eigentlich

ganz einfach, ist sich Frey sicher: „Wir brau-

chen Vorgesetzte, die eine Kultur der Exzellenz,

der Innovation und des anständigen umgangs

etablieren und die Fairness, Sinnvermittlung,

Transparenz wertschätzen. Denn nur so kann

auf Dauer Exzellenz in einer zunehmend kom-

plexeren Welt erzeugt werden.“ (ckl) �

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 21

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„Auch mal Freiheit für Phantasterei geben“Interview mit Frank Kohl-Boas, Personalleiter Nordeuropa, Google, über zukunftsorientiertes Personalmanagement

Das Interview führte Jennifer Berz.

Herr Kohl-Boas, der technische Fortschritt

und die Vernetzung haben die Art, wie wir

leben und arbeiten, revolutionär verändert.

Geräte wie das Smartphone sind heute

Jedermanntechnologien. Was bedeutet das

für uns als Menschen und als Mitarbeiter?

Es wird oft behauptet, dass wir in einem Zeital-

ter der Individualisierung leben. Das glaube ich

nicht. Aus meiner Sicht ist unser Zeitalter ge-

prägt von Dialog und Zugehörigkeit. Wir alle

vernetzen uns, reden mit und geben unser eige-

nes urteil ab. Im Netz zählt, was man weiß und

wen man kennt – nicht, was man hat. Men-

schen als soziale Wesen wollen kooperieren,

und das Netz gibt uns die Möglichkeit dazu.

Das müssen wir auch im unternehmensumfeld

zulassen.

Was bedeutet das konkret für Unternehmen

und Personaler?

Das Netz hat die Innovationsgeschwindigkeit

extrem beschleunigt, Innovationsdruck und

Komplexität haben zugenommen. Während es

circa 38 Jahre gedauert hat, bis das Radio von

50 Millionen Menschen genutzt wurde (eine

Nutzungsschwelle, bei der man sagen kann,

dass sich eine Innovation im Markt etabliert

hat), brauchte Facebook dafür gerade mal drei-

einhalb Jahre – und Google+ nur noch ein hal-

bes. Wenn die Welt sich so schnell dreht, kön-

nen Führungskräfte immer seltener den An-

spruch erheben, zu wissen, wo es langgeht.

Wissen, Erfahrung und Intuition haben heute

eine deutlich geringere Halbwertszeit als früher,

weshalb man meines Erachtens gut beraten ist,

bei Entscheidungen Informationen aus den

Netzwerken heranzuziehen und zu versuchen,

Tendenzen, Trends und Strömungen zu antizi-

pieren.

Was sind unter diesen Bedingungen

Schlüsselqualifikationen bei Mitarbeitern?

Die Fähigkeit, Innovationen hervorzubringen, ist

extrem wichtig. Dafür braucht man Kreativität,

die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, und man

muss in der Lage sein, schnell zu lernen. Bei

Google sind die Mitarbeiter das größte Asset,

und das macht mitarbeiterorientierte unter-

nehmensführung zu unserem Erfolgsrezept. Wir

wissen aus unserer eigenen, noch jungen un-

ternehmensgeschichte, dass die Kultur eines

unternehmens auch Freiheit geben muss für

Visionen und Phantasterei. Das fällt amerikani-

schen unternehmen deutlich leichter als euro-

päischen. Wir Europäer sind mehr auf Kompro-

miss konditioniert und nehmen uns dadurch zu

oft zu früh den Freiraum, etwas Neues auszu-

probieren. Ich wünsche mir, dass wir diesbe-

züglich in Deutschland umdenken und mutiger

werden.

Wie kann man Mitarbeiter zum Umdenken

motivieren?

Das umdenken muss bei den Entscheidern

stattfinden. Bei Google haben wir ein Men-

schenbild, das davon ausgeht, dass jeder

Mitarbeiter nicht motiviert werden muss, son-

dern motiviert ist und bei uns etwas leisten

will. Es ist unsere Aufgabe als Personaler, Moti-

vation zu fördern, indem wir reduzieren, was die

Mitarbeiter frustriert und sie davon abhält,

Spitzenleistungen zu erbringen. Identifikation

und Wertschätzung sind dabei immens wichtig.

Mitarbeiter müssen sich mit den Produkten

ihres unternehmens identifizieren können und

sie ausprobieren dürfen, bevor sie auf den

Markt kommen. Innovation ist Teil unserer

DNA – da muss es Anspruch sein, dass jeder

Einzelne innovativ ist, auch im HR-Bereich. Bei

Google wird das nicht nur geduldet, sondern

auch gewünscht. So etwas signalisiert ebenso

Wertschätzung wie das Fördern und Fordern

von Diversity. Wie sehr darf ein Mitarbeiter

Mensch sein, wenn er im unternehmen ist?

Hier müssen Freiheiten eingeräumt werden.

Wie lässt sich diese Freiheit in Leistungs-

bereitschaft ummünzen?

Wir sagen, dass man Menschen Freiheit geben

muss, dann werden sie einen in Staunen ver-

setzen. Wir gehen davon aus, dass Freiräume

für Mitarbeiter dem unternehmen letzten En-

des zugutekommen. Dadurch, dass zum Bei-

spiel das Internet das Arbeiten de facto orts-

und zeitunabhängig macht, ist das Büro für uns

nicht mehr primär der Ort, an dem eine Tätig-

keit verrichtet wird, sondern der Ort, wo man

Kollegen trifft und sich austauscht.

22 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

Page 23: „Freiheit und Ordnung“ · 2014-05-28 · Oktober 2013 haben wir mit rund 200 hochkarätigen Gästen und Sprechern darüber diskutiert, ... Bildungspolitik ausmacht und wie wir

Sie setzen der Freiheit der Mitarbeiter

aber sicherlich auch Grenzen. Wie sieht

Mitarbeiterführung bei Google aus?

Führungskräfte operieren heute nicht mehr mit

Know-how, sondern vielmehr mit Know-why: Sie

müssen Ideen priorisieren, Entscheidungen

treffen und die Gründe dafür ihren Mitarbeitern

vermitteln können. Wir wollen, dass letzten En-

des alle Mitarbeiter hinter der besten Idee ste-

hen, so, als hätte es nie eine andere gegeben.

Das erfordert Führungsqualität, denn eigentli-

che Führung wird qua Reputation von den Ge-

führten verliehen. Gute Argumente zählen, nicht

Hierarchien. Beim datengetriebenen unterneh-

men Google zeichnen sich gute Argumente vor

allem durch Zahlen, Daten und Fakten aus,

auch im Bereich HR. Dadurch werden wir vom

Business verstanden und können nachweisen,

welchen Einfl uss unsere Arbeit hat. Transparenz

ist uns dabei sehr wichtig.

Wie äußert sich Transparenz in Bezug auf

Mitarbeiterführung?

Mitarbeiter wollen wissen, was in ihrem umfeld

passiert. Bei Google stellt sich die Führungs-

mannschaft wöchentlich den Fragen der Beleg-

schaft. Die Freiheit des Zugangs zu allen Hier-

archieebenen und die Kommunikation mit un-

seren Mitarbeitern nehmen wir sehr ernst. Im

Zeitalter der Vernetzung gibt es für Führungs-

kräfte keine wichtigere Aufgabe, als zu kommu-

nizieren und für die Mitarbeiter ansprechbar zu

sein. Mitarbeiter dürfen aus dem Internet nicht

mehr über ihr unternehmen erfahren als aus

dem eigenen unternehmen selbst.

Was erwarten Sie im Gegenzug von Ihren

Mitarbeitern?

uns sind die Prinzipien Eigenverantwortung,

Eigenständigkeit und lebenslanges Lernen sehr

wichtig. unsere Mitarbeiter sind hochmotiviert

und bereit, sich über einen klassischen 9-to-5-

Job hinaus einzubringen. Aber sie sind auch

privilegiert, und deshalb fördern wir, dass sie

soziales Engagement zeigen und der Gesell-

schaft etwas zurückgegeben. Außerdem sind

wir überzeugt davon, dass jeder Mensch etwas

hat, das er anderen beibringen kann. Wir

geben Mitarbeitern Mittel an die Hand, dieses

Wissen zu artikulieren und weiterzugeben. Die-

se Coachings, die wir GtoG nennen – Googler

to Googler –, sind im weitesten Sinne sogar

Innovation.

Wie defi nieren Sie die Rolle von HR im

Spannungsfeld von Freiheit und Ordnung?

Wir müssen mehr Freiheit und Selbstverant-

wortung wagen. Menschen wie Erwachsene zu

behandeln bedingt auch, den Mut zu haben,

nicht alles und jedes regeln zu wollen. Das

wird nicht selten als anstrengend empfunden,

weil man mehr nachdenken und selbst ent-

scheiden muss. Gerade in Zeiten steigender

Komplexitäten entsteht vielerorts der Drang,

mehr zu regeln, weil das zumindest kurzfristig

Struktur und Ordnung gibt. Letztlich führt es

aber zu starren Korsetts, und man verliert

Freiheiten, Flexibilität und Agilität – die Zutaten

für ein erfolgreiches Navigieren durch Komple-

xität. Das Netz und die Verteilung von Wissen

werden ein neues Führungsverständnis erfor-

dern. Dafür ist die unternehmenskultur der

wesentliche Erfolgsfaktor. Der größte Wert-

beitrag, den HR im Spannungsfeld Freiheit und

Ordnung leisten kann und muss, ist es, die

entsprechende unternehmenskultur voranzu-

treiben. �

Frank Kohl-Boas, Personalleiter Nordeuropa, Google

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 23

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Das Interview als Video auf unserem YouTube-Channel

XxxxxxMut zur unsicherheit

„Planbarkeit ist ein Mythos“Nachgefragt bei Frank Schabel, Head of Marketing/Corporate Communications, Hays AG

Das Interview führte Sarah Bautz.

Herr Schabel, einerseits verzeichnen

Unternehmen eine Flexibilisierung der

Märkte, andererseits ein großes Bedürfnis

ihrer Mitarbeiter nach Sicherheit.

Wie können sie diesen Spagat

bewältigen?

Ein interessanter Ansatz ist das Konzept der

„Flexsecurity“, an dem auch die Europäische

union derzeit arbeitet. Sie beinhaltet quasi ei-

nen Deal: Auf der einen Seite garantiert der

Arbeitgeber seinen Mitarbeitern sichere Ar-

beitsverhältnisse, zum Beispiel durch unbefris-

tete Verträge. Auf der anderen Seite ist der Ar-

beitnehmer bereit, sich flexibel zu zeigen, etwa

mobil zu sein, das Arbeitsfeld zu wechseln oder

sich neue Kompetenzen anzueignen. Hinzu

kommt aber auch immer eine kulturelle Dimen-

sion. Denn Sicherheit ist etwas sehr Emotiona-

les. Wenn ich als unternehmenslenker über-

zeugend sagen kann: Ich schätze meine Mitar-

beiter, ich geben ihnen Freiräume, ich zeige ih-

nen, wie wichtig sie für das unternehmen sind,

ich investiere in die Mitarbeiterbindung – dann

ist das die beste Basis für das Sicherheitsge-

fühl der Arbeitnehmer.

Sie sind Mitautor eines Buches

mit dem Titel „Mut zur Unsicherheit“.

Was meinen Sie damit?

unsicherheit ist nichts Schlechtes. Man sollte

es zum Beispiel nie mit „Angst haben“ überset-

zen. Viel wichtiger ist zu akzeptieren, dass die

Wirtschaftswelt nicht mehr planbar ist. Wir wis-

sen nicht mehr genau, wie das Geschäft abläuft

oder was genau in den nächsten zwei oder drei

Jahren passieren wird. Es entstehen neue Märk-

te und neue Technologien, die Geschäftsmodel-

le komplett verändern. Das zu akzeptieren be-

deutet, sich zu verabschieden von der Idee: Ich

habe alles im Griff. Stattdessen geht es darum,

dieses umfeld mit einer offenen und frischen

mentalen Einstellung anzunehmen. Sich auch

mal überraschen zu lassen und in den Dialog

mit anderen Akteuren zu treten.

Betrifft dieser Wandel Arbeitgeber

und Arbeitnehmer gleichermaßen?

Ja. Arbeitnehmer sollten zum Beispiel verste-

hen, dass die Kompetenzen, die sie erworben

haben, vielleicht in drei oder vier Jahren nicht

mehr State of the Art sind, weil sich neue Ent-

wicklungen ergeben haben. Sie müssen den

Mut haben, sich auf neue Themen und Tech-

niken einzulassen, die sie vielleicht vor zwei

oder drei Jahren noch gar nicht auf dem Schirm

hatten.

Inwiefern sind die Arbeitgeber gefordert?

unternehmen müssen verstehen, dass Plan-

barkeit ein Mythos ist. Wir können nicht immer

alles wissen, nicht immer feste Pfade vor uns

haben. Wir müssen auch bereit sein, einen Weg

auszuprobieren, zu erkennen: es ist nicht der

richtige – und dann in eine andere Richtung zu

gehen. Es geht darum, ein bisschen damit zu

experimentieren, wie wir im Business konkret

agieren. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch

unternehmensstrategien sehr kritisch. Wir re-

den heute eigentlich von „adaptivem Business“

jenseits von Fünf- oder Dreijahresstrategien.

Ich muss wissen: Wo steht mein Kunde? Weiß

ich, was ihn bewegt? Das kann ich nicht mit

einer abstrakten Strategie regeln, wo ich mit

Begriffen agiere, die nur selten mit der Realität

vereinbar sind. �

24 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

Nachgefragt

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Das Interview als Video auf unserem YouTube-ChannelDas Interview als Video auf unserem YouTube-Channel

Der Kandidatenmarkt

„Die Situation wird noch dramatischer“Nachgefragt bei Astrid Habeder-Preuß, geschäftsführende Gesellschafterin, Dr. Heimeier & Partner

Das Interview führte Sarah Bautz.

Frau Habeder-Preuß, wie beurteilen Sie die

Entwicklung des Kandidatenmarktes in den

letzten Jahren?

Die Entwicklung ist dramatisch. Der Fachkräfte-

mangel macht sich bereits bemerkbar, im Füh-

rungskräftebereich wird es deutlich enger. Qua-

lifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte sind

immer weniger verfügbar, und zugleich werden

die Anforderungen größer. Wir in Deutschland

haben es noch nicht geschafft, die älteren Mit-

arbeiter so in die unternehmen zu integrieren,

dass wir sie bis ins Alter von 65, 67 und darü-

ber hinaus beschäftigen können. Das heißt, wir

werden eine deutliche Fachkräftelücke bekom-

men. Im Nachwuchsbereich sieht es katastro-

phal aus. Das meine ich quantitativ, nicht qua-

litativ, denn wir haben ganz hervorragend aus-

gebildete Kandidaten. Das Problem ist die

fehlende Masse.

Was bedeutet das für Unternehmen mit Blick

auf die nächsten Jahre?

Die Situation wird noch dramatischer werden,

der Markt noch enger. Wir kommen jetzt lang-

sam zu den geburtenschwachen Jahrgängen.

Das heißt, dass die Anforderungen an unter-

nehmen höher werden. Sie werden sich überle-

gen müssen: Wie gestalten wir Arbeitsplätze?

Wie gehen wir auf Work-Life-Balance und auf

unterschiedliche Familiensituationen ein? Wie

reagieren wir auf individuelle Wünsche zu Ar-

beitszeiten und Arbeitsplatzgestaltung? Wir

müssen uns viel mehr um die Einzelnen bemü-

hen. Nur dann haben die unternehmen eine

Chance, an die Menschen heranzukommen,

um die sich letztlich alle streiten werden: die

Hochqualifizierten und die Toptalente.

Gerade die „Generation Y“ kann mehr von

ihrem Arbeitgeber fordern als andere

Generationen vor ihr. Welche Rolle spielen

hier Freiheit und Bindung, Sicherheit oder

Unsicherheit?

Das Thema Arbeitsplatzsicherheit spielt vor al-

lem für eine bestimmte Klientel eine Rolle, und

zwar nicht nur innerhalb der sogenannten Ge-

neration Y: Es geht meist mit mangelndem

Selbstbewusstsein einher oder mit der unsi-

cherheit, ob die eigene Qualifikation noch ad-

äquat ist. Wenn Kandidaten selbstbewusst sind

und eine gute Ausbildung haben, fragen sie

überraschenderweise kaum mehr nach The-

men wie Sicherheit oder Altersversorgung. Sie

suchen nach Inhalten, nach idealen Rahmen-

bedingungen, auch nach Familie – das ist wie-

der ein hoher Wert. Viele Menschen sagen: Ich

bin zwar verfügbar, aber ich bin nicht uneinge-

schränkt am Arbeitsplatz. Ich will um fünf uhr

heimgehen, bringe meine Kinder ins Bett, und

danach stehe ich wieder für die Telko zur Verfü-

gung. Diese Art von Freiheit ist es, die Füh-

rungskräfte von heute und morgen suchen.

Wie beurteilen Sie die Bemühungen

deutscher Unternehmen im Bereich

grenzüberschreitende Rekrutierung ?

Für eine wirklich internationale Rekrutierung

gibt es viele Hürden. Oft scheitert sie schon

dann, wenn es darum geht, dass die Kandida-

ten deutsche Sprachkenntnisse mitbringen

müssen. Wer junge Leute aus dem Ausland

holt, zum Beispiel aus Spanien, Portugal und

Italien, muss zudem Integrationsprogramme

anbieten, um sie wirklich in die unternehmen

hineinzubringen. Dazu sind viele unternehmen

nicht in der Lage, oder sie scheuen die Zeit und

den Aufwand. �

Nachgefragt

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 25

Nachgefragt

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Professor Dr. Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, und Dr. Hans-Jürgen urban, Vorstand IG Metall, im Austausch

Dr. Roland Gerschermann. Geschäftsführer, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, und Professor Dr. Bepler, Vorsitzender Richter am Bundesgericht a.D., im Gespräch

Interaktive Beteiligung mittels Digitaler Moderation by DIMA

Björn Rühl, Business Development Manager, MTI/DIMA, moderiert den interaktiven Teil des Summits.

Astrid Habeder-Preuß, geschäftsführende Gesellschafterin, Dr.Heimeier& Partner, im Gespräch mit Dr. Michael Gauss, Geschäftsführer Zentraleuropa, Nordzucker AG

Teilnehmer während des Tagesprogramms in der Villa Kennedy

Gregor Erlebach, Rechtsanwalt & Abogado, CuATRECASAS, GONCALVES PEREIRA im Gespräch

Ingolf Prüfer, Global Human Resources Director, Deere & Company European Offi ce, beim Networking

Joachim Husl, Bereichsleiter HR, E.Breuninger GmbH & Co. KG, und Rudolf Seiler, Leiter Recht, Globus SB-Warenhaus Holding GmbH & Co. KG

Kaffeepause zwischen den Veranstaltungseinheiten am Haupttag in der Villa Kennedy

26 || 4. Deutscher Human Resources Summit 2013

Impressionen vom 4. Deutschen Human Resources Summit 2013

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Impressionen vom 4. Deutschen Human Resources Summit 2013

Teilnehmerfrage im Anschluss an ein Themenforum

Teilnehmer während der Führung im Senckenberg Naturmuseum

Teilnehmer eines Themenforums in der Villa Kennedy

Peter Kosel, Vice President Employer Branding and Recruiting, Sensirion AG, im Gespräch

Dr. Georg Kolle-Görgen, Geschäftsführer, BASF Services Europe GmbH, während des Get-together beim Vorabendprogramm im Senckenberg Naturmuseum

Frank Schmith, Leiter Konzern-Personalmarketing und -auswahl, Deutsche Lufthansa AG, und Heiner Fels, Leiter LH Business Services, Deutsche Lufthansa AG, beim Networking Teilnehmer während des Vorabendprogramms im Senckenberg Naturmuseum

Cornelia Klaas, Bereichsleiterin Themenfeld HR, F.A.Z.-Institut, eröffnet den 4. Deutschen Human Resources Summit 2013.

Borries von Müller, Personalleiter, Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA, wendet sich an die Referenten eines Themenforums.

Frank Schabel, Head of Marketing/Corporate Communications, Hays AG, und Monika Müthing, Abteilungsleiterin Career Transition, Hays AG

4. Deutscher Human Resources Summit 2013 || 27

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Medienpartner

Partner FördererPartner für die digitale Moderation

Britta GrossKarl-Arnold-Platz 1 A | 40474 Düsseldorf Telefon: +49 151 12 16 46 54 E-Mail: [email protected]

DIMA-Offi ce c/o Machwürth Team InternationalHelene Heinz | Zur Burg 4a | 27798 HudeTelefon: +49 44 08 80 3 23 - 21E-Mail: [email protected]

Stefan HugenbuschHellerhofstraße 2–4 | 60327 Frankfurt am MainTelefon: +49 69 75 91 - 34 00E-Mail: [email protected]

Mitveranstalter

Dr. Alexius LeuchtenGanghoferstraße 33 | 80339 MünchenTelefon: +49 89 3 50 65-11 21E-Mail: [email protected]

Frank Schabel, M.A.Willy-Brandt-Platz 1–3 | 68161 MannheimTelefon: +49 621 17 88-11 40E-Mail: [email protected]

Astrid E. Habeder-PreußFeldbergstraße 21 | 60323 Frankfurt am MainTelefon: +49 69 97 20 88-40E-Mail: [email protected]

Corinna RygalskiLyoner Straße 36 | 60528 Frankfurt am MainTelefon: +49 69 68 97 78-6 63E-Mail: [email protected]

Veranstalter

Stefan HugenbuschHellerhofstraße 2–4 | 60327 Frankfurt am MainTelefon: +49 69 75 91-13 22 | Telefax: +49 69 75 91-34 39E-Mail: [email protected]

Cornelia KlaasFrankenallee 68–72 | 60327 Frankfurt am MainTelefon: +49 69 75 91-12 94 | Telefax: +49 69 75 91-80 12 94E-Mail: [email protected]