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77 Informationsdienst Tourismus und Entwicklung Dezember 2014 Religion im touristischen Alltag „Widerstand leisten oder untergehen“ - Protestbewegung auf Bali gegen Landgewinnung aus dem Meer 4 Brotbrechen und Brücken bauen - Drei Fragen an Breaking Bread Journeys 6 Christlich-theologische Reflektionen zur Tourismusentwicklung Von heiligen und weniger heiligen Tagen - Eine theologische Perspektive der Tourismuskritik 8 Sonne und Sand, Rum und Reggae - Die Herausforderung des Tourismus für Kirche und Gesellschaft in der Karibik 9 Gottes Willkommen für alle - Eine feministisch-theologische Perspektive zum Tourismus 11 Kurzinformationen und Hinweise Das soziale Gewissen des europäisch-asiatischen Gipfels - AEPF in Mailand 13 Mit zunehmender Dringlichkeit: Reflektionen zu Tourismus und Klimawandel 15 Angst vor Ebola beeinträchtigt Tourismus 16 Airline-Index 2014: Mehr CO2 trotz Effizienzverbesserungen 16 Nachhaltig Reisen: Diskrepanzen zwischen Wunsch und Umsetzung 17 Die Erklärung von Kolkata: Theologische Perspektiven zum Tourismus 17 Tipps für rücksichtsvolles Verhalten auf Hausbooten in Kerala 18 Fair Trade-Zertifizierung in Madagaskar 19 Literatur und Materialien „Kommt und seht! Reisen und Pilgern im Heiligen Land“ 19 Erholung mit geistigem Mehrwert - „Kulturfaktor Spiritualität und Tourismus“ 20 Die Wiederverzauberung Singapurs - „Religion und Tourismus“ 20 Sympathie statt Vorurteile - Sympathiemagazin „Islam verstehen“ 21 Veranstaltungen und Termine Studientagung „Unesco-Weltkulturerbe Kirchen und Klöster“ 21 Internationale Tourismusbörse (ITB) 2015 22 Fachkongress „Welterbe und Kirche“ 22

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Informationsdienst Tourismus und Entwicklung

Dezember 2014

Religion im touristischen Alltag

„Widerstand leisten oder untergehen“ - Protestbewegung auf Bali gegen Landgewinnung aus dem Meer 4

Brotbrechen und Brücken bauen - Drei Fragen an Breaking Bread Journeys 6

Christlich-theologische Reflektionen zur Tourismusentwicklung

Von heiligen und weniger heiligen Tagen - Eine theologische Perspektive der Tourismuskritik 8

Sonne und Sand, Rum und Reggae - Die Herausforderung des Tourismus für Kirche und Gesellschaft in der Karibik 9

Gottes Willkommen für alle -Eine feministisch-theologische Perspektive zum Tourismus 11

Kurzinformationen und Hinweise

Das soziale Gewissen des europäisch-asiatischen Gipfels - AEPF in Mailand 13

Mit zunehmender Dringlichkeit: Reflektionen zu Tourismus und Klimawandel 15

Angst vor Ebola beeinträchtigt Tourismus 16

Airline-Index 2014: Mehr CO2 trotz Effizienzverbesserungen 16

Nachhaltig Reisen: Diskrepanzen zwischen Wunsch und Umsetzung 17

Die Erklärung von Kolkata: Theologische Perspektiven zum Tourismus 17

Tipps für rücksichtsvolles Verhalten auf Hausbooten in Kerala 18

Fair Trade-Zertifizierung in Madagaskar 19

Literatur und Materialien

„Kommt und seht! Reisen und Pilgern im Heiligen Land“ 19

Erholung mit geistigem Mehrwert -„Kulturfaktor Spiritualität und Tourismus“ 20

Die Wiederverzauberung Singapurs -„Religion und Tourismus“ 20

Sympathie statt Vorurteile -Sympathiemagazin „Islam verstehen“ 21

Veranstaltungen und Termine Studientagung „Unesco-Weltkulturerbe Kirchen und Klöster“ 21

Internationale Tourismusbörse (ITB) 2015 22

Fachkongress „Welterbe und Kirche“ 22

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TourismWatch | 77

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

es ist wohl einer der fundamentalsten Widersprüche der Moderne: je mehr das Religiöse aus unserem Alltag verdrängt wird, desto größer wird die Nachfrage danach im Urlaub. In der touristischen Kom-munikation wird dann nicht mehr von Religion gesprochen, sondern von Spiritualität und „New Age“. Viele der Achtsamkeitsangebote und Besichtigungen von heiligen Stätten haben mit Religion aller-dings so wenig zu tun, wie der Wellness-Bereich im Hotel mit einer medizinischen Intensivstation.

Ein Grund mehr für uns, genauer zu beleuchten, welche Einflüsse der moderne Tourismus auf den re-ligiösen Alltag hat und welchen Stellenwert religiöse Zeremonien auch im Tourismus haben können. Dafür schauen wir auf die indonesische Insel Bali und nach Israel und Palästina. Auf Bali bedroht ein Landgewinnungsprojekt nicht nur die Umwelt, sondern auch das gesellschaftliche und spirituelle Gefü-ge. Im Heiligen Land widersprechen viele Menschen entschieden der voreiligen Interpretation vom re-ligiös motivierten Konflikt und betonen die Gemeinsamkeiten der Religionen. Reisen, die Begegnun-gen in Israel und Palästina ermöglichen, sind auch deshalb ein Hoffnungsschimmer für den Frieden.

Religion, Spiritualität oder Pilgerreisen waren in den letzten Jahren vielfach Themen auf internationa-len Konferenzen. Die Referenten waren oft Marketing-Fachleute, unter den Zuhörern waren viele Tou-rismusplaner, die ihre Urlaubsregionen fit machen wollen für neue Zielgruppen. Wer kaum zu Wort kam, waren „Religions-Praktiker“ – Pfarrerinnen, Theologen und Aktive aus Kirchen und Gemeinden unterschiedlicher Konfessionen.

Dabei kommt es nicht von ungefähr, dass es zuerst und oftmals bis heute die Kirchen im globalen Sü-den sind, die einer massentouristisch motivierten Umformung von Natur und Gesellschaft entgegen-treten. Aktuell erschienenen ist der englischsprachige Sammelband „Deconstructing Tourism: A Chal-lenge of Justice for the Church“, aus dem wir verschiedene Auszüge übersetzt haben. Die Analysen und Herausforderungen sind heute so aktuell wie zu Beginn der kirchlichen Tourismuskritik vor 40 Jahren.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre, besinnliche Weihnachtstage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Mit herzlichen Grüßen

Antje Monshausen & Christina Kamp

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77 | TourismWatch Religion im touristischen Alltag

„Widerstand leisten oder untergehen“Protestbewegung auf Bali gegen Landgewinnung aus dem Meer

Von Aryani Willems

Besucher, die derzeit nach Bali kommen, werden besonders in der Hauptstadt Denpasar überall riesige Banner mit den Worten „Bali Tolak Reklamasi Teluk Benoa“ sehen: Bali ist gegen die Landgewinnung in der Benoa-Bucht. Die Touristen spüren den Aufruhr in der balinesischen Bevölkerung wohl kaum. Doch der Tourismus ist der Auslöser für die politische Kampfansage gegen das Großprojekt, das nicht nur verheerende ökologische Folgen haben würde, sondern auch das gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Leben auf Bali noch mehr aus dem Gleichgewicht zu bringen droht.

Die kleine hinduistisch geprägte Insel Bali ist von großer Bedeutung für den indonesischen Touris-mus. Die Regierung unternimmt viel, um den Tou-rismus zu fördern. Die sieben Zauberwörter („Sap-ta Pesona“) – sicher, ordentlich, sauber, frisch, schön, freundlich, schöne Erinnerung – werden überall in Indonesien verbreitet. Mit diesen sie-ben Tugenden, die den Touristen zuliebe gepflegt werden, wird schnell akzeptiert, wenn Reisfelder Fünf-Sterne-Hotels weichen oder Wasserquellen betoniert werden, um sie „ordentlich zu gestalten“. Doch nun wächst der Widerstand.

„Bali Tolak Reklamasi“: Der Hintergrund zum Protest

Die Protestbewegung „Bali Tolak Reklamasi“ rich-tet sich gegen die geplante Landgewinnung aus dem Meer in der Bucht von Benoa. Ähnlich wie in Dubai ist auch in Bali die Anlage einer künst-lichen Insel geplant. Die Investoren, PT Tirta Wa-hana Bali International und chinesische Inves-toren, planen in der Bucht von Benoa eine „All inclusive“-Touristeninsel – einen Ort der Superla-tive mit Hotels, Resorts, Privathäusern, Spa- und Wellness-Einrichtungen, Restaurants und Cafés. Sogar ein Krankenhaus und ein Yachthafen sollen gebaut werden. Auf die „Hauptinsel“ Bali müssten die Touristen dann nur, wenn sie einen Tempel be-suchen möchten. Eine ähnliche Landgewinnung hat in den 1990er Jahren auf der kleinen Nachbar-insel Serangan stattgefunden. Besonderes die Fi-scher leiden bis heute darunter, denn es gibt nur noch wenige Fische und daher kaum noch Fang. Auf Grund dieser negativen Erfahrungen ist es nur verständlich, dass viele Balinesen ein neues Land-gewinnungsprojekt ablehnen.

Balinesische Mythologie: Keine Gute-Nacht-Geschichte

In Bali ist die Mythologie keine Gute-Nacht-Ge-schichte, sondern gelebter Glauben, der durch die Kultur und Religion praktiziert wird. Der Schutz-gott Hyang Pasupati beauftragt drei seiner Söh-ne Batur, Agung und Andakasa, den Menschen in Bali bei der Landwirtschaft, der Viehwirtschaft und der Fischerei zu helfen. Eines Tages frisst das Vieh auf dem Feld alle Pflanzen weg. Batur, der Hüter der Pflanzen, ist erzürnt und spricht ei-nen Fluch aus: „Möge derjenige, der die Pflanzen zerstört hat, krank werden.“ Alsbald werden hun-derte von Tieren krank und sterben. Die Kada-ver stinken und die beiden Erdgötter Batur und Agung streiten sich, was sie damit machen sollen. Sie entscheiden, sie ins Wasser zu werfen. Die Ka-daver verschmutzen Flüsse, Seen und schließlich auch das Meer. Andakasa ist wütend und spricht seinerseits einen Fluch aus: „Wer das Wasser ver-schmutzt, wird durch Wind und Regen von hun-derten von Krankheiten befallen.“ Nachdem einer den anderen verflucht hat, stellen die drei Götter schließlich eine Regel auf, um das Gleichgewicht im Umgang mit Tieren, Pflanzen und Wasser zu erhalten. Sie gilt auch für die Menschen. Deshalb wird auf Bali zum Beispiel eine Sau erst geschlach-tet, nachdem sie mindestens zweimal Ferkel ge-worfen hat. Ein Baum wird erst gefällt, nachdem zwei andere Bäume gepflanzt wurden. Wasser wird verehrt wie die eigene Mutter.

Batur, Agung und Andakasa sind auch die Na-men von Bergen, die in Bali bis heute als lebendi-ge Gottheiten verehrt werden. Auf der Philosophie „Tri Hita Karana“, den drei Quellen der Harmonie

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TourismWatch | 77 Religion im touristischen Alltag

im Leben (Harmonie zwischen Mensch und Gott, Harmonie zwischen Mensch und Natur, und Har-monie unter den Menschen) basieren viele Rituale und das tägliche Leben der Balinesen. Die kultu-rellen Naturregeln, die auf „Tri Hita Karana“ basie-ren, nennen die Balinesen „Hukum Adat“. Sie gel-ten auch für den Tourismus.

Balis Strände: Zugebaut, privatisiert, erodiert

Nach dem „Hukum Adat“ sollen Hotelanlagen ei-nen Mindestabstand von fünf Kilometern zu Tem-pelanlagen einhalten und es muss eine mindestens 150 Meter breite Pufferzone zwischen Hotel und Meer geben. Dies wird von den Hotelbesitzern oft einfach ignoriert, denn die Gesetzgeber drücken ein Auge zu und erteilen Baugenehmigungen. Mit Hilfe von Schmiergeld ist „Hukum Adat“ schnell vergessen.

Viele Strände sind heute nicht mehr zugänglich, weil sie privatisiert wurden. Das beeinflusst das re-ligiöse Leben der Balinesen. Der freie Zugang zum Strand ist notwendig, damit dort religiöse Zere-monien stattfinden können. Die Gläubigen gehen mindestens einmal im Monat ans Meer, um Reini-gungszeremonien abzuhalten. Ohne Strand – wie soll das gehen? Wo sollen wir während der Zeremo-nie die Opfergaben hinstellen? Im nahegelegenen Hotelgarten bestimmt nicht. „Zutritt verboten!“

Ein weiteres Problem ist die Küstenerosion. Candi Dasa, ein Ort im Osten Balis, war einst ein char-mantes Fischerdorf mit kleinen Homestays, Strand und freundlichen Bewohnern. Doch aufgrund des Touristenbooms wurden die Korallen „geerntet“ und zum Bau von Hotelanlagen genutzt. Nach-dem der natürliche Schutzwall abgetragen worden war, fiel der Strand den Wellen zum Opfer, die bis-weilen auch die in den Restaurants sitzenden Tou-risten überraschten. Heute, zwanzig Jahre später, ist Candi Dasa kein Fischerdorf mehr, hat keinen Strand mehr und kaum noch Besucher – und damit kaum eine Chance auf eine lebenswerte Zukunft.

Folgen für das religiöse und kulturelle Leben

Auch Sanur, einer der besten Orte für Sonnenauf-gänge in Bali, hat kaum noch Strand. Noch vor zehn Jahren, als mein Vater starb, fuhren wir mit einem Boot hinaus, um seine Asche dem Meer zu übergeben. Im August dieses Jahres, als die Asche meiner Großmutter dem Meer übergeben wurde, gab es keine Möglichkeit mehr, mit dem Boot hin-aus zu fahren. Wir standen auf einer riesigen Mau-

er, unter uns starke Strömung und Wellen, und wir streuten die Asche von oben ins Meer. Wir konn-ten sehen, wie die Asche nicht so schnell im Meer verschwand wie sonst. Es tat weh, das zu sehen. Wir beteten auf Betonmauern und bei dem star-ken Wind konnten wir die Räucherstäbchen kaum anzünden.

Eine Zeremonie, die sonst ein paar Stunden gedau-ert hätte und während der wir ins Wasser gegan-gen wären, um die Abschiedsgebete zu flüstern, war nun nach knapp einer halben Stunde vorbei. Ein schneller Abschied mit einer Frage: Warum wird uns genommen, was in den Prospekten als Verkaufsmagnet versprochen wird: Bali, Insel der Götter und Dämonen? Wo sind sie geblieben?

In den Touristenbüros werden sakrale und private Zeremonien als Attraktionen verkauft. Tänze und Musikstücke werden gekürzt, um die Touristen zu unterhalten, aber nicht zu langweilen. Traditionel-le Bühnenprogramme werden an den Geschmack der Touristen angepasst.

Bali am Scheideweg

Durch die Arbeitszeiten in der Tourismuswirt-schaft haben die Balinesen kaum noch Zeit für „Ngayah“ oder „Gotong Royong“ – die freiwillige Arbeit, die nicht nur für die Gemeinde nötig ist, sondern die sehr substanziell für den kulturellen Alltag ist. Die freiwillige Mitarbeit in den Dorfge-meinschaften ist etwas, was balinesische Kultur ausmacht. Wenn es alles, was Bali im Ursprung so interessant macht, nicht mehr gibt, was wird dann noch die Besucher nach Bali ziehen?

Die Menschen in Bali stehen am Scheideweg, wo sie entscheiden müssen, wohin sie ihre Heimat steuern wollen. Bei dieser Entscheidung geht es nicht nur um Bali, es geht um unsere Erde, unser einziges gemeinsames Zuhause. Wenn die Wider-standsbewegung gegen das Landgewinnungspro-jekt in Bali erfolgreich ist, dann wird bei den Men-schen in Indonesien die Hoffnung wachsen, auch andere Missstände beeinflussen oder sogar stop-pen zu können: „Tolak atau tenggelam!“ – Wider-stand leisten oder untergehen!

Aryani Willems ist Balinesin und lebt seit fast 25 Jah-ren Deutschland. Sie ist Mutter von vier Kindern, Bühnenkünstlerin und liebt ihre Heimat Bali und Hannover.

(7.940 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

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77 | TourismWatch Religion im touristischen Alltag

Brotbrechen und Brücken bauen Drei Fragen an Elisa Moed und Christina Samara, Breaking Bread Journeys

Von Christina Kamp

Das Heilige Land, insbesondere Israel und Palästina, ist eine Region von herausragender religiöser und historischer Bedeutung. Zugleich kommt es seit Jahrzehnten immer wieder zu gewaltsamen Eskalationen und auch in den letzten Monaten hat die Region zumeist traurige Schlagzeilen gemacht. In einer israelisch-palästinensischen Kooperation organisieren „Breaking Bread Journeys“ Reisen im Heiligen Land. Um mehr über ihre Arbeit in diesem schwierigen politischen Umfeld zu erfahren, sprachen wir mit Elisa Moed und Christina Samara, den Gründerinnen des Reiseveranstalters Breaking Bread Journeys.

TW: Ihr Unternehmen heißt „Breaking Bread Jour-neys“. Was bedeutet es für Sie, Ihre Gäste und de-ren Gastgeber, das „Brot zu brechen“?

Elisa Moed: Wir sind davon überzeugt, dass das gemeinsame Essen und das gemeinsame „Brot-brechen“ die Basis sein kann, um eine Atmosphä-re für einen sinnvollen Dialog zu schaffen und um zwischenmenschliche Beziehungen aufzubau-en. Durch die persönliche Erfahrung des gemein-samen „Brotbrechens“ können die Gäste die Ge-meinschaft der anderen genießen und aus erster Hand etwas über kulturelle, gesellschaftliche oder religiöse Fragen lernen. Wenn Menschen in einer persönlicheren Umgebung Gelegenheit haben, ge-meinsam zu essen, sprechen die Gastgeber meist offener über ihre eigenen Lebensgeschichten und Erfahrungen. Sie können Themen diskutieren und Fragen beantworten, die in einem anderen Umfeld wahrscheinlich nicht zur Sprache kämen. Sie tei-len ihre Ängste, Hoffnungen und Träume für die Zukunft. Gastgeber und Gäste sind dann leichter in der Lage, sich in einer würdevollen und respekt-vollen Atmosphäre auszutauschen.

Christina Samara: Wir meinen, dass ein tieferes Verständnis dieser wahren Gefühle die Menschen inspirieren wird, Lösungen für ein besseres Zu-sammenleben zu finden und Brücken zwischen den beiden Nationen zu bauen. Die Religion spielt insofern eine Rolle, als dass man die Erfahrung macht und aus erster Hand lernt, wie Religion und Traditionen, die in einem bestimmten Glauben verankert sind, den Lebensstil beeinflussen. Wenn die Teilnehmenden etwas über die unterschiedli-

chen Kulturen lernen, sind sie oft überrascht, dass wir uns eher sehr viel ähnlicher sind, als dass wir uns voneinander unterscheiden. Sie gehen mit ei-nem tieferen Verständnis der Komplexitäten des politischen Konflikts und einer Wertschätzung der unterschiedlichen Kulturen und Menschen im Heiligen Land.

TW: Was sind angesichts der politischen Situation die größten Herausforderungen, vor denen Sie in Ihrer Arbeit stehen?

Christina Samara: Die politischen Spannungen im Heiligen Land waren schon immer eine Heraus-forderung für den Tourismus, nicht, weil es irgend-eine Gefahr gibt, sondern aufgrund der Wahrneh-mung von Gefahren, die von den Medien gefördert wird. Die Bilder im Fernsehen führen zu Unsicher-heit und Angst bei interessierten Reisenden. Die-jenigen, die schon einmal hier waren, wissen, dass es in Wirklichkeit nicht so ist. Das Heilige Land ist ziemlich sicher, bestimmt sehr viel sicherer als viele große Städte in Europa und den Vereinigten Staaten. Bei den meisten der Sehenswürdigkeiten und Erlebnisse in unseren Reiseprogrammen gibt es keinerlei Sicherheitsprobleme, auch in der aktu-ellen Situation nicht.

Elisa Moed: Zusammengenommen haben wir 50 Jahre Erfahrung im Tourismusgeschäft und be-obachten ständig die Sicherheitslage. Da wir un-ser Büro hier in Jerusalem haben, können wir bei Bedarf recht flexibel reagieren und unsere Reise-routen an jedem beliebigen Tag schnell anpassen, wenn wir eine bestimmte Gegend meiden sollten.

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TourismWatch | 77 Religion im touristischen Alltag

TW: Wie stellen Sie auf ihren Reisen eine gleich-berechtigte israelische und palästinensische Be-teiligung sicher, die Gästen wie Gastgebern zugu-te kommt?

Elisa Moed: Breaking Bread Journeys wurde auf Grundlage unserer gemeinsamen Vision gegrün-det, dass wir unseren Gästen die Schönheit der is-raelischen wie auch der palästinensischen Kultur, Folklore und Küche nahebringen wollen. Wir tun dies, indem wir unsere Kunden zu spannenden Se-henswürdigkeiten und Attraktionen sowohl in Is-rael als auch in den palästinensischen Gebieten bringen. Doch was noch wichtiger ist: Wir bringen sie auf beiden Seiten zu Gastgebern, die sie in de-ren eigenem Zuhause kennenlernen können. Jeder Reisetag ist in einer Erfahrung des „Brotbrechens“ verankert Jedes dieser Segmente wird sorgfäl-tig gestaltet, um die Authentizität der Erfahrung und die von den Gastgebern präsentierten Inhal-te sicherzustellen.

Christina Samara: Indem wir als Israelin und Palästinenserin zusammenarbeiten, bringen wir

unsere jeweils eigenen Perspektiven ein, die die Grundlage für das Gleichgewicht in jedem unse-rer Programme gewährleisten. Zusätzlich zu den gleichgewichtigen Inhalten und Erfahrungen be-mühen wir uns auch, in Bezug auf die wirtschaft-lichen Aspekte, eine Balance sicherzustellen. Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen können wir dafür sorgen, dass das erwirtschaftete Einkommen di-rekt den Gemeinschaften vor Ort zugute kommt, unter anderem Familien, Frauen und Jugendor-ganisationen. Der faire Tourismus ist ein integra-ler Bestandteil unseres Leitbilds und wir bemühen uns sehr, Programme anzubieten, die nicht nur gleichgewichtig gestaltet sind, sondern auch den wirtschaftlichen Nutzen gerecht verteilen.

Weitere Informationen: www.breakingbreadjourneys.com

(5.284 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

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77 | TourismWatch Christlich-theologische Reflektionen zur Tourismusentwicklung

Von heiligen und weniger heiligen Tagen Eine theologische Perspektive der Tourismuskritik

Von Caesar D’Mello

Gerechtigkeit ist ein zutiefst menschliches Bestreben und ein Recht, insbesondere für Menschen im globalen Süden, die leiden und die an den Rand der Gesellschaft gedrängt und unterdrückt werden. Den Ruf nach Gerechtigkeit bestätigen die wiederholten prophetischen Rufe im alten Testament und herausragende Texte im neuen Testament, wie Lukas 4:16-19 (das Jesaja ‘Manifest’), das ‘Magnifikat’, die Seligpreisungen und das gesamte Evangelium.

Auf konfessioneller wie auf ökumenischer Ebe-ne sind die Kirchen herausgefordert, sich für Ge-rechtigkeit einzusetzen und sich auf die Seite der-jenigen zu stellen, denen Gerechtigkeit verwehrt wird. Ein durch Ungerechtigkeit gekennzeichne-ter Bereich ist der kommerzielle Massentourismus im globalen Süden – ein globales Phänomen, das die Kirchen bisweilen übersehen, obwohl zahllose Menschen mit ihrer Armut und Marginalisierung den Preis für den wirtschaftlichen Erfolg des Tou-rismus zahlen.

Der heutige Tourismus floriert auf Grundlage der modernen Vorstellung von Urlaub. Der englische Wortursprung von ‚holidays‘, also heiligen Tagen, ist kaum noch erkennbar. Aus biblischer Perspek-tive ist ein ‚holiday‘ ein arbeitsfreier Tag im Sin-ne Gottes, der nach getaner Arbeit ruhte (Gen 2:2-3). Gott gebietet, den Feiertag heilig zu halten. Es ist keine Zeit zur persönlichen Gratifikation, wie es der Tourismus oft vorsieht, sondern eine Zeit, in der wir unsere tägliche Arbeit ruhen lassen, um eine engere Beziehung zu Gott als unserem Schöp-fer und zu seinem Volk zu pflegen und gesegnet zu sein. Es ist keine Zeit, sich von Gott abzuwenden oder ihn zu vergessen, sondern vielmehr sich ihm anzunähern.

Eine theologische Dimension zur Untersuchung und Reflexion des Tourismus ist der Kontext der Bewahrung der Schöpfung und ihrer Haushal-terschaft. Sie lenkt den Blick auf die Kreativität Gottes, beschrieben in der Schöpfungsgeschich-te, wo es heißt, „Gott sah … Es war sehr gut.“ (Gen 1:31). Nach Gottes kreativem Plan gehört die Schöpfung allen und soll von allen geteilt werden. Sie ist der Menschheit anvertraut, um ver-antwor t lich ver waltet, sorgf ä lt ig genährt

und dankbar geliebt zu werden.

Doch die Oikumene, also der bewohnte Teil der Erde, deren empfindliches gesellschaftliches und ökologisches Gleichgewicht durch verantwor-tungsloses menschliches Verhalten gestört wur-de, fordert die Kirche heraus. Gerechtigkeit ist ein Prüfstein ihrer Theologie, eine Verkörperung des Geistes, der Liebe und sogar des Zorns Christi. Wenn das, was Gott erschaffen hat, bedroht ist, sind Christinnen und Christen dazu verpflichtet, ihre Stimme zu erheben und sich für das Leben, für Gerechtigkeit und Frieden, für die Erhaltung und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Dabei werden wir inspiriert vom Beispiel Jesu, der durch seine Worte und sein Leben gezeigt hat, wo er in ei-ner Welt von Ungerechtigkeit stand.

Caesar D’Mello arbeitet als Berater zu Entwicklung, Frieden und Konflikten und gerechtem Tourismus. Von 2007 bis 2012 war er Direktor der Ecumenical Co-alition On Tourism (ECOT).

Dieser Beitrag ist ein bearbeiteter Auszug aus „Decon-structing Tourism: A Challenge of Justice for the Chur-ch. A Theological Perspective“ von Caesar D’Mello, er-schienen in „Deconstructing Tourism: Who Benefits? A Theological Reading from the Global South“. Redak-tion: Caesar D’Mello, Wati Longchar, Philip Mathew. Herausgegeben vom Programme for Theology and Cultures in Asia (Tainan) und SCEPTRE (Kolkata), 2014. Bezug: [email protected]

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(2.916 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

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TourismWatch | 77 Christlich-theologische Reflektionen zur Tourismusentwicklung

Sonne und Sand, Rum und Reggae Die Herausforderung des Tourismus für Kirche und Gesellschaft in der Karibik

Von Roderick Hewitt

Die karibische Volkswirtschaft war historisch so gestaltet, dass sie den Prioritäten der Kolonialmächte entsprach. Auch der Tourismus dient den Interessen des Nordens. Der Tourismus rund um die berüchtigten vier “s” – „sun, sea, sand, sex“ – hat zu einem zerstörerischen Verhalten geführt, das Fragen der Menschenwürde aufwirft, die die Kirchen zu Reaktionen herausfordern.

Die Karibik ist ein Schmelztiegel von Kulturen aus Europa, Afrika, Asien, Nord- und Südamerika. Die meisten der Inseln wurden absichtlich auf Mono-kulturen wie Tabak, Zucker und Bananen aufge-baut, die die Menschen in Armut und in Abhän-gigkeit von Nahrungsmittelimporten hielten. Die Kolonialwirtschaft wurde durch das kapitalisti-sche Wirtschaftsparadigma ersetzt, nach dem die Gewinne über allem anderen standen.

Mit der Wiederbelebung der Wirtschaft in Europa und den USA nach dem zweiten Weltkrieg wurde durch den Massentourismus eine neue wirtschaft-liche Kolonialisierung der Karibik eingeleitet. Die technologischen Veränderungen im Verkehrswe-sen brachten eine große Anzahl von Flugreisenden und Kreuzfahrttouristen auf die Inseln. Die Inseln hatten kaum eine Wahl, als dieses Entwicklungs-modell zu übernehmen. Der Tourismus wurde zum einzigen gangbaren Weg, um ihre Volkswirtschaf-ten über Wasser zu halten – doch zu einem hohen Preis.

Auswirkungen des Tourismus in der Karibik

Grundstücke entlang der Küsten und auf kleine-ren Inseln wurden an die Höchstbietenden, meist ausländische Wirtschaftseliten, verkauft. Die Ein-heimischen verloren ihre Rechte an den langen Stränden, denn die zahlenden Touristen hatten nun die exklusiven Nutzungsrechte. Durch die zu enge Bebauung mit Hotels auf kleinen Grundstü-cken am Meer entstanden Überbauungsprobleme entlang der Küste. Das Hauptargument, mit dem gerechtfertigt wird, dass die Tourismuswirtschaft mit bedeutenden Steuererleichterungen Privilegi-en genießt, ist der hohe volkswirtschaftliche Bei-trag, den der Sektor durch seine Beschäftigungs-wirkungen leistet. Doch die hohe Abhängigkeit

von ausländischem Kapital führt dazu, dass auch der Kapitalabfluss sehr hoch ist. Sehr viel Geld, das im Land ausgegeben wird, fließt direkt wie-der ab – in Form von Gewinnen oder zum Im-port ausländischer Produkte für den Bedarf der Tourismuswirtschaft.

Die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Tourismuswirtschaft haben einige Probleme mit sich gebracht, die angegangen werden müssen. Touristen reisen für gewöhnlich mitsamt ihrer Kul-tur. Dies hat zu einem Verlust an kultureller Iden-tität geführt. Die traurige Realität ist, dass da, wo man erwartet, dass die Einheimischen mit dem Verkauf von Produkten an die Touristen viel ver-dienen würden, die schönen Handwerksprodukte oder „Jamaica“-T-Shirts bei genauerem Hinsehen meist “Made in China” sind.

Schließlich haben die kleinen Inselstaaten nicht die Ressourcen, die Gewässer zu patrouillieren, die von den Kreuzfahrtschiffen befahren werden. Das kann dazu führen, dass Abfälle illegal im Meer entsorgt werden, ohne dass jemand dafür zur Ver-antwortung gezogen wird.

Die Rolle der Kirche

Seit den Anfängen der touristischen Entwicklung waren die moralischen Verwerfungen durch die Tourismuswirtschaft das Hauptanliegen der Kir-chen. Der freie Lebensstil der Touristen im Zusam-menhang mit ihrer freizügigen Bekleidung, dem Rauchen von Marihuana, sexueller Freiheit, Hedo-nismus und Spielcasinos brachte die Kirchen dazu, sich bei der Regierung für Maßnahmen einzuset-zen, um die Einheimischen vor importierten Las-tern zu schützen. Sie sahen, dass die gesellschaft-lichen Kosten des Tourismus höher waren als der

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Nutzen. Die öko-theologische Reorientierung bein-haltete dann eine Verlagerung von der anthropo-zentrischen Vorherrschaft über die Schöpfung hin zu einem neuen Gleichgewicht, das auch alle ande-ren Lebensformen berücksichtigt.

Schutz des Kulturerbes

Eine weitere wichtige Rolle der Kirche und der Bil-dungsinstitutionen besteht darin, die Kultur und ihr Erbe aktiv zu vertreten. Viele der Kirchen, die mit der Missionszeit des 19. und 20. Jahrhunderts in Zusammenhang stehen, bewahren ein unersetz-liches Erbe aus einer vergangenen Zeit. In vielen karibischen Staaten ist die Kirche die einzige res-pektierte Institution, die auf Entscheidungen der Regierung und der Wirtschaft zur Bebauung histo-rischer Stätten Einfluss nehmen kann. Unter dem starken Druck auf Regierungen, Arbeitsplätze zu schaffen, werden manchmal im Namen des so ge-nannten wirtschaftlichen Fortschritts historische Stätten geopfert.

Förderung nachhaltiger Tourismusentwicklung

Die karibischen Kirchen sind auf lokaler Ebene wichtige Institutionen. Lange bevor Nichtregie-rungsorganisationen populär wurden, um das öf-fentliche Bewusstsein zu schärfen und sich für Umwelt- und Gerechtigkeitsanliegen einzuset-zen, diente die Kirche als alternative Stimme, die die Mächtigen in Politik und Wirtschaft zur Re-chenschaft zog. Heutzutage hat sich der Einfluss der Kirche in der Gesellschaft meist vom Zent-rum in Randbereiche verlagert. Deshalb müssen neue Methoden der Solidarität und Partnerschaft mit den Opfern unkontrollierter, den Massentou-rismus fördernder politischer und wirtschaftlicher

Interessen entwickelt werden, um eine nachhaltige Tourismusentwicklung zu fördern.

Die Rolle der Kirche besteht in einer kompromiss-losen Stimme für die Menschenwürde und den Re-spekt für die gesamte Schöpfung und darin, alle Akteure in der Tourismuswirtschaft zur Rechen-schaft zu ziehen. Die Kirchen und alle anderen religiösen Gemeinschaften in der Karibik sollten aktiv an der Gestaltung der Prinzipien für das Tou-rismusmanagement in der Region beteiligt sein. Die Kirche muss in Partnerschaft mit höheren theologischen Bildungsinstitutionen die Menschen mit den Fähigkeiten ausstatten, die trügerischen Optionen zu kritisieren, die durch die neo-libera-le Wirtschaftsordnung angeboten werden, die die Gier in der Tourismuswirtschaft anstachelt.

Prof. Dr. Roderick Hewitt stammt aus Jamaika und ist Professor für systematische Theologie am Institut für Religion, Philosophie und Klassik an der Univer-sität von Kwa Zulu Natal, Südafrika.

Dieser Artikel ist eine gekürzte, bearbeitete Versi-on von „Sun, Sand, Rum, Reggae. The Challenge of Tourism for Church and Society in the Caribbean“ von Roderick Hewitt, erschienen in „Deconstructing Tourism: Who Benefits? A Theological Reading from the Global South“. Redaktion: Caesar D’Mello, Wati Longchar, Philip Mathew. Herausgegeben vom Pro-gramme for Theology and Cultures in Asia (Tainan) und SCEPTRE (Kolkata), 2014. Bezug: [email protected]

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(5.860 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

Christlich-theologische Reflektionen zur Tourismusentwicklung

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TourismWatch | 77Christlich-theologische Reflektionen zur Tourismusentwicklung

Gottes Willkommen für alle Eine feministisch-theologische Perspektive zum Tourismus

Von Liza B. Lamis

Meine lokale Tradition, Gäste und auch Fremde willkommen zu heißen, baut darauf auf, festzustellen, ob sie schon gegessen haben: „Kumain ka na ba?“ ist immer die erste Frage. Sie dient dazu, sicherzustellen, dass der Gast nicht hungrig ist und dass es ihm oder ihr gut geht. In vielen indigenen Kulturen auf den Philippinen bedeutet eine gemeinsame Mahlzeit ein umfassendes Willkommen.

Die gesamte Schöpfung stelle ich mir wie ein gött-liches Willkommen für alle Menschen vor und alle haben das Recht, davon zu leben. Unsere schöne Welt ist die Gastfreundschaft Gottes. Die Erde als Leib Gottes ist der ultimative Ausdruck von Gast-freundschaft. Die Menschheit erfreut sich an der Schönheit der Schöpfung und dieser Wunsch nach göttlicher Schönheit verlockt die menschliche See-le. Deshalb reisen wir zu anderen Orten als unserer Heimat und suchen neue Begegnungen. Was sehr wichtig ist: In der Schönheit von Gottes Schöpfung wird ethisches Verhalten ermöglicht, indem man eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit wachruft.

Leider ist die Einheit der Menschheit mit der Schöpfung schon eine vergessene Erinnerung. „It’s more fun in the Philippines“, das Motto der staat-lichen Tourismuswerbung der Philippinen, gilt nur für diejenigen, die Zeit übrig haben, weil sie Geld zur Verfügung haben. Die meisten Filipinos wa-ren nie an den schönen Orten in den Philippinen und haben selbst ihre eigenen Inseln nie gesehen. Es gibt offensichtlich sehr viel Ungerechtigkeit im Tourismussektor, einem System, das zu weiterer Ausbeutung und Missbrauch führt, statt gemein-same Freude und ein Gefühl von Gemeinschaft zu schaffen. Sex als Lockmittel für den Tourismus zu benutzen, wie es in verschiedenen südostasia-tischen Ländern oft geschieht, ist ein moralischer Verfall der menschlichen Sexualität und ihrer Schönheit. Sextourismus heißt zu zerstören. Sex-touristen haben eine räuberische Gesinnung, sie machen die Schwächsten zu Opfern.

Zum Beispiel kommen saudi-arabische Männer in Horden als Sextouristen nach Indonesien, um ‘halal’ Sex zu haben (‚halal‘ = arabisch für ‘erlaubt’ oder ‘rechtmäßig‘). Diese Männer meinen, dass sie keine religiösen Gebote verletzen, wenn sie dem

Koran entsprechend zeitweise, für einen oder meh-rere Tage, eine Prostituierte heiraten, so dass sie im Prinzip keinen unehelichen Sex haben. Ihrer Meinung nach sind ihre sexuellen Beziehungen mit Prostituierten unter religiösen Gesichtspunk-ten rechtmäßig.

Gerechte Gastfreundschaft

Gastfreundschaft muss gerecht sein. Gerechtigkeit in der Gastfreundschaft heißt auch, ehrliche Soli-darität zu praktizieren, um Ausbeutung und Un-terdrückung ein Ende zu machen. Wenn die Gier nach Gewinnen die Bedingungen gestaltet, nach denen Tourismus stattfindet, verzerrt das oder zer-stört sogar die Möglichkeit, dass Gastgeber und Gäste “Gott im anderen sehen”. Gastfreundschaft führt zu solidarischen und freundschaftlichen Be-ziehungen zwischen den Völkern, über Unterschie-de und Entfernungen hinweg. Wenn wir reisen, sind Bescheidenheit und Geduld unser Reisepass – und das Bewusstsein, dass man heiligen Boden betritt.

Was heißt es, in unserer Gastfreundschaft gerecht zu sein, als Gäste wie als Gastgeber? Die Bewe-gung für Geschlechtergerechtigkeit ist zwar eigen-ständig, doch sie ist auch ein integraler Bestandteil der Transformationsbewegung der Unterdrückten und Marginalisierten. Wir sind daher gefordert, unsere traditionelle theologische Anthropologie in eine inklusive umzuwandeln, die uns sehen lässt, wie schlimm die Auswirkungen des Tourismus, insbesondere des Sextourismus sind. Wir müs-sen verstehen, dass in einer männlich dominier-ten und von Männern definierten Kultur immer der Frau die Schuld an der Verantwortungslosig-keit des Mannes gegeben wird. Dass es Prostituti-on gibt, sollte uns kritisch darüber nachdenken las-

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sen, warum sie gedeiht und wie sie Opfer wie Täter ihrer Menschlichkeit beraubt. Es ist äußerst wich-tig, unter Frauen ein kritisches feministisches Be-wusstsein zu schaffen.

D e m M a c ht q u o t i e nt e n A u f m e rk s a m ke it schenken

Wenn man sich vorstellt, dass die gesamte Schöp-fung Gottes Tisch ist, an dem alle willkommen sind, muss die Aufmerksamkeit auf die Machtver-hältnisse gelenkt werden und darauf, mehr Gleich-heit bei den Zugangsmöglichkeiten zu den Ge-schenken der Erde zu erreichen. Für Gerechtigkeit ist die Machtfrage von zentraler Bedeutung. Ge-rechtigkeit in Hinblick auf richtige Beziehungen ist daher Macht-im-Verhältnis. Macht und Verant-wortung darf man nicht trennen. Damit ein Sys-tem oder eine Person niemanden ausbeutet, müs-sen Macht und Verantwortung eng miteinander verbunden sein.

Mögliche Partnerschaften für Gerechtigkeit im Tourismus

Um die konkreten Ungerechtigkeiten in der Touris-muswirtschaft in der „Dritten Welt“ wahrzuneh-men, müssen die Erfahrungen mit Ungerechtigkeit und Widerstand erzählt und gehört werden. Die ungehörten Stimmen sind die der Einheimischen im Tourismus. Die Frage ist: Können die Gäste hö-ren, was die Einheimischen nicht sagen dürfen?

Wenn wir als Christinnen und Christen in Part-nerschaft mit Gott eine Welt schaffen wollen, die Leben für alle spendet, dann sind wir beauf-tragt, uns mit anderen zusammen zu tun, um die Welt für alle positiv zu verändern. Im Zusam-menschluss könnten unsere Erkenntnisse, un-ser Widerstand und unser Neuaufbau Kraft und Wirkung entfalten. Falls und wenn Kirchen sich entscheiden, einen verantwortlichen Tourismus zu fördern, sollte eine auf Gerechtigkeit basieren-de Gastfreundschaft sein Maß und Standard sein.

Dr. Liza B. Lamis war bis vor kurzem Koordinato-rin des Asian Women’s Resource Centre for Culture and Theology in Yogyakarta, Indonesien, und arbei-tet weiter an verschiedenen kirchlichen Programmen mit.

Dieser Artikel ist eine gekürzte, bearbeitete Versi-on von „God’s Welcome is for All: A Feminist Theolo-gical Perspective on Tourism“ von Liza B. Lamis, er-schienen in „Deconstructing Tourism: Who Benefits? A Theological Reading from the Global South“. Redak-tion: Caesar D’Mello, Wati Longchar, Philip Mathew. Herausgegeben vom Programme for Theology and Cultures in Asia (Tainan) und SCEPTRE (Kolkata), 2014. Bezug: [email protected]

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

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Das soziale Gewissen des europäisch- asiatischen Gipfels Asia-Europe People‘s Forum (AEPF) in Mailand

Von Christina Kamp

Durch den vorherrschenden Entwicklungsansatz der vergangenen Jahrzehnte – mit der Deregulierung der Märkte, der zunehmenden Macht multinationaler Konzerne und multilateraler Institutionen, denen es an Rechenschaftspflicht fehlt – ist es nicht gelungen, den Bedürfnissen und Rechten aller Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen. Stattdessen wurden Bedingungen geschaffen, die zu Armut, Ungleichheit, Umweltzerstörung und zunehmenden sozialen Unruhen geführt haben. Diese Bilanz zogen über 400 zivilgesellschaftliche Vertreterinnen und Vertreter aus 42 Ländern auf dem Asia-Europe People‘s Forum (AEPF) im Oktober 2014 in Mailand.

Alle zwei Jahre bietet das AEPF eine Plattform für zivilgesellschaftliche Gruppen aus Asien und Eu-ropa, um drängende Herausforderungen zu disku-tieren und sich untereinander besser zu vernetzen.

Europäisch-asiatischer Austausch auf verschie-denen Ebenen

Asien ist wichtig – für Europa. Und Europa ist wichtig – für Asien. Diese einfache Erkenntnis hat-te 1996 zum ersten europäisch-asiatischen Gipfel (ASEM) geführt und hat seitdem nicht an Bedeu-tung eingebüßt. Im Gegenteil: Asien und Europa sind immer stärker miteinander verflochten. Die vielen Beziehungsebenen werden auch rund um den europäisch-asiatischen Gipfel deutlich. Neben den Staats- und Regierungschefs treffen sich im Vorfeld auch Parlamentarier, Wirtschaftsvertreter und die Zivilgesellschaft – letztere auf dem Asia-Europe People‘s Forum (AEPF), das zu einer Art „sozialem Gewissen“ des ASEM geworden ist. In diesem Jahr in Mailand erhielten Vertreterinnen und Vertreter des AEPF erstmals die Gelegenheit, ihre Sichtweisen, Forderungen und Empfehlun-gen an die Regierungen auf dem europäisch-asia-tischen Gipfel (ASEM) persönlich zu präsentieren.

Tourismus auf dem AEPF

Wie bereits vor zwei Jahren in Laos (vgl. TW 69, Dezember 2012) gab es auch in diesem Jahr auf dem AEPF wieder einen Tourismus-Workshop. Ei-nen Schwerpunkt bildeten die verschiedenen Ar-

ten von struktureller Benachteiligung, mit denen kleine Tourismusprojekte und Initiativen in vielen Ländern zu kämpfen haben. Auf Druck von Wirt-schaftslobbys sind die politischen Rahmenbedin-gungen oft so gestaltet, das große Unternehmen davon profitieren – nicht selten auf Kosten der Um-welt und der Bevölkerung vor Ort.

Regierungen müssen ihre Regulierungsaufgaben stärker wahrnehmen, um die Tourismusentwick-lung in ihren Ländern nachhaltiger zu gestalten und den Sektor auch für gemeinschaftlich organi-sierte Tourismusinitiativen zugänglich zu machen. Gleichzeitig dürfen sie unter dem zunehmenden Liberalisierungsdruck im Rahmen von Handels-abkommen ihren Gestaltungsspielraum nicht auf-geben, so die Empfehlung aus dem Tourismus-workshop. „Die Regierungen müssen günstige Rahmenbedingungen für innovative Ansätze im Tourismus sicherstellen, bei denen die Menschen im Mittelpunkt stehen, beteiligt sind und durch die die Gemeinschaften gestärkt werden“ heißt es in der Abschlusserklärung des AEPF10.

„Systemwandel statt Klimawandel“

Auch der Klimawandel war ein wichtiger Schwer-punkt des AEPF. In der Abschlusserklärung wird auf dringend nötige Systemveränderun-gen hingewiesen. Konsum- und Produktions-muster müssen auf einen nachhaltigen und um-weltfreundlichen Weg gebracht werden, der die Bedürfnisse der Menschen und nicht die

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von Großunternehmen erfüllt. Die zwei Grad Cel-sius, die die Erderwärmung nicht überschreiten dürfe, seien keine „magische Zahl“, sondern eine politische Entscheidung, so Lidy Nacpil von Jubi-lee South Asien/Pazifik. „Wir haben keine 15 Jahre mehr, um das zu tun, was getan werden muss, be-vor es schließlich unmöglich wird.“ Deshalb müsse das Tempo deutlich erhöht werden.

Auch haben schon heute Menschen unter den Aus-wirkungen des Klimawandels zu leiden. Auf den Philippinen würden Super-Taifune wie Haiyan zum „neuen Normalfall“. Den Opfern solcher Ka-tastrophen könne man nicht sagen, sie sollten auf Systemveränderungen warten.

Die Regierungen müssen ihre Verantwortung zum Klimaschutz erfüllen, ihre ökologischen Schulden gegenüber den armen Ländern begleichen und den Entwicklungsspielraum auf der Erde fair auftei-len. Die EU müsse dazu ihre Bemühungen für eine nachhaltige Energiewende auf Grundlage erneu-erbarer Energien, Energieeffizienz und -suffizienz deutlich beschleunigen und intensivieren.

Sombath Somphone noch immer vermisst

Schließlich war auch die Tatsache, dass Sombath Somphone, einer der Hauptorganisatoren des AEPF9 2012 in Vientiane, immer noch vermisst wird, ein wichtiges Anliegen in Mailand. Vor ge-nau zwei Jahren, am 15. Dezember 2014 (s. TW 70, März 2013 ). verschwand Sombath Somphone nach einer Polizeikontrolle in Vientiane und bis heute fehlt von ihm jede Spur. In ihrer Abschlusserklä-rung erinnerten die Teilnehmenden des AEPF in Mailand die ASEM-Mitgliedsstaaten an ihre Ver-pflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und fordern sie auf, sich dafür einzusetzen, dass Som-bath unversehrt zu seiner Familie zurückkehren kann.

Weitere Informationen: http://aepf.info

Die Abschlusserklärung des AEPF zum Down-load: http://aepf.info/resources/finish/11-other-issues/162-aepf10-final-declaration/0

(4.924 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

Kurzinformationen und Hinweise

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TourismWatch | 77 Kurzinformationen und Hinweise

Mit zunehmender Dringlichkeit: Reflektionen zu Tourismus und KlimawandelDer Klimawandel stellt die Tourismusbranche vor enorme Herausforderungen. Effizienzverbesse-rungen im Flugverkehr oder bei Kreuzfahrtschif-fen reichen nicht aus, um die Emissionen des Tou-rismussektors auf ein klimaverträgliches Maß zu reduzieren. Die internationalen Klimaverhand-lungen haben zwar zur Einführung marktbasier-ter Mechanismen geführt, doch bislang ist es nicht gelungen, verbindliche Emissionsreduktionszie-le festzulegen – weder für den Tourismus noch für den Flugverkehr.

Im Vorfeld der 20. UN-Klimakonferenz im Dezem-ber 2014 in Lima haben verschiedene Autorinnen und Autoren aus Europa, Asien, Afrika und Latein-amerika ihre Perspektiven zum aktuellen Stand der Tourismus- und Klimadebatte eingebracht und in einem Reader zusammengefasst. Unter dem Ti-tel „Increasing the Sense of Urgency. Reflections on Tourism and Climate Change“ ist der Sammel-band auf Englisch erschienen. Auch eine spani-sche Fassung liegt vor.

In dem Reader werden verschiedene Ansätze in den Bereichen Klimaschutz und Anpassung vor-gestellt, sowohl in Form von deutlicher Kritik an „falschen Lösungen“ wie Agrotreibstoffen und der Rolle internationaler Organisationen, als auch in Form konkreter Erfahrungen in touristischen Zielgebieten.

Konferenz „Tourismus in Zeiten des Klimawan-dels“ in Lima

Aufbauend auf der in der Publikation dokumen-tierten „Kuala Lumpur Declaration“ der asiatisch-pazifischen Allianz der CVJM (APAY) diskutierten Brot für die Welt und APAY mit Teilnehmenden aus Afrika, Süd- und Nordamerika, Asien und Eu-ropa vom 3. bis 4. Dezember in Lima Lösungs-

ansätze für einen klimafreundlichen und verant-wortlichen Tourismus. Die Konferenz „Tourismus in Zeiten des Klimawandels“ fand anlässlich der Weltklimaverhandlungen statt. Die Teilnehmen-den fassten ihre Einsichten und Schlussfolgerun-gen in der „Kuala Lumpur – Lima Declaration on Tourism in Times of Climate Change“ zusammen. Die Erklärung beinhaltet konkrete Handlungs-vorschläge zur Förderung von Nachhaltigkeit im Tourismus, zum Beispiel durch Stärkung der Netzwerkarbeit, Umwelt- und Sozialverträglich-keitsprüfungen, erneuerbare Energien, Bildungs- und Lobbyarbeit. Auch die Kontrollmöglichkeiten lokaler Gemeinschaften über die touristische Ent-wicklung sollen verbessert werden.

Increasing the Sense of Urgency. Reflections on Tourism and Climate Change. Redaktion: Chris-tina Kamp und Annegret Zimmermann. Heraus-gegeben von Brot für die Welt – Tourism Watch in Kooperation mit Alba Sud, Spanien, und Kabani – the other direction, Indien. Berlin, 2014.

Download der englischen Fassung: http://tou-rism-watch.de/files/profile16_increasing_the_sense_of_urgency.pdf

Download der spanischen Fassung: http://tou-rism-watch.de/files/profil16_aumentar_la_sensaci-on_de_urgencia.pdf

Weitere Informationen: Kuala Lumpur – Lima De-claration on Tourism in Times of Climate Change. Download: http://tourism-watch.de/files/kuala_lumpur-lima_declaration.pdf

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(2.234 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

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Angst vor Ebola beeinträchtigt Tourismus

Die Ebola-Epidemie in den westafrikanischen Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia hat nicht nur in der betroffenen Region, sondern auch in anderen Ländern Westafrikas zu Einbrüchen im Tourismusgeschäft geführt. Sogar im östli-chen und südlichen Afrika spürt die Tourismus-wirtschaft die Auswirkungen der Angst um die öffentliche Gesundheit. „Afrika ist kein Land, son-dern ein Kontinent“, betonten Vertreter der Kam-pagne „Unite4WestAfrica“ auf dem World Tra-vel Market im November 2014 in London. Neben der Hilfe für die tatsächlich betroffenen Ebola-Ge-biete bemüht sich die Kampagne um Aufklärung und ermutigt Reisende, die Ebola-freien und als sicher geltenden Länder weiterhin zu besuchen. Die Unwissenheit über die Geographie Afrikas und allgemeine Fehlinformationen über Ebola hätte zu Überreaktionen geführt, unter denen nun immer mehr Länder zu leiden hätten.

Die Weltgesundheitsorganisation ruft in Bezug auf Ebola weltweit zu Wachsamkeit auf, sieht aber bis-lang keine Notwendigkeit für internationale Rei-sebeschränkungen. Angesichts der aktuellen Lage in Bezug auf Ebola rät das Auswärtige Amt derzeit nur von Reisen nach Guinea, Liberia und Sierra Leone ab. Zu allen anderen Ländern, in denen es keine oder nur einzelne Ebola-Fälle gegeben hat, bietet das Auswärtige Amt jeweils Reise- und Si-cherheitshinweise, die laufend aktualisiert werden.

Weitere Informationen: http://unite4westafrica.org, www.auswaertiges-amt.de

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(1.351 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

Airline-Index 2014: Mehr CO2 trotz Effizienzverbesserungen

Um knapp fünf Prozent wuchs der Flugverkehr in einem Jahr. Gleichzeitig haben die großen Flug-gesellschaften ihre CO2-Emissionen 2012 um nur rund ein Prozent verringert. Das geht aus dem neu-en Airline-Index (AAI) 2014 von Atmosfair hervor, der im Vorfeld der Weltklimakonferenz in Peru er-neut deutlich machte, wie weit die Branche von einem klimaverträglichen Kurs entfernt ist. Ins-gesamt stiegen die gesamten Emissionen der Luft-verkehrsindustrie um etwa drei Prozent und sind damit weit von einem Kurs entfernt, durch den sich die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius beschränken ließe.

Nach den neuen Zahlen fliegen nur 15 der 193 ge-testeten Fluggesellschaften in der Effizienzklasse B – eine Gesellschaft mehr als im Vorjahr. Keine der Fluggesellschaften erreicht die beste Effizienz-klasse A. Insgesamt erfasst der Airline-Index etwa 92 Prozent des weltweiten Luftverkehrs.

Die steigende Effizienz der Airlines sei zum Groß-teil auf den Ersatz älterer Flugzeugmodelle wie der Boeing 747 durch die Boeing 777 oder den Air-bus 330 zurückzuführen, so die Erklärung von At-mosfair. Hinzu komme auch ein verstärkter Ein-satz der hocheffizienten Boeing 787. Positiv wirke sich auch die Nachrüstung mit aerodynamischen

Flügelspitzen (Winglets) und die leicht verbesserte Auslastung aus.

Die besten Werte erreichen Fluggesellschaften, die modernes Fluggerät einsetzen, das gut auf die Streckenlänge passt, viele Sitze darin unterbringen und dann sowohl Sitze als auch Frachtraum gut auslasten. Die Unterschiede zwischen den Flugge-sellschaften können erheblich sein, stellt Atmos-fair fest. Der Treibstoffverbrauch pro Passagier und Kilometer könne auf derselben Strecke bei ei-ner Fluggesellschaft mehr als doppelt so hoch lie-gen wie der einer anderen.

„Der aktuelle Index zeigt, dass die Möglichkeiten der Fluggesellschaften, ihre Effizienz zu steigern, mit der Zeit geringer werden“, erklärt Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer von Atmosfair. „Der ungebrochen steigende CO2-Ausstoß des Luftver-kehrs ruft nach einer Verdoppelung der Bemühun-gen der Staaten auf der Klimakonferenz in Peru.“

Weitere Informationen: www.atmosfair.de/airlineindex

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(1.351 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

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TourismWatch | 77 Kurzinformationen und Hinweise

Die Erklärung von Kolkata: Theologische Perspektiven zum TourismusVon Caesar D‘Mello

Nachhaltig Reisen: Diskrepanzen zwischen Wunsch und Umsetzung

Nachhaltigkeit ist zwar in den Köpfen der Men-schen angekommen, hat aber nicht ausreichend Gewicht, als dass sich Reisende bei der Buchung daran orientieren würden. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Nachfrage für nachhaltigen Tourismus“ im Rahmen der Reiseanalyse 2014, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt wurde. Danach ist derzeit für 31 Prozent der Bevölkerung die ökologische Verträglichkeit von Urlaubsreisen wichtig, 38 Prozent möchten so-zialverträglich verreisen. 42 Prozent der Befrag-ten finden, dass Reiseveranstalter sich in Sachen Nachhaltigkeit engagieren sollten, z.B. für Bil-dungsprojekte oder den Umwelt- und Artenschutz. 12 Prozent geben an, dafür gerne auch etwas mehr zu bezahlen.

Allerdings gibt es zwischen dem Wunsch, nachhal-tig zu verreisen, und der tatsächlichen Umsetzung eine deutliche Diskrepanz. 55 Prozent derjenigen, die gerne nachhaltig verreist wären, sehen in den zusätzlichen Kosten einen Hinderungsgrund, 43 Prozent nannten als Hürden fehlende Informatio-

nen und 32 Prozent das begrenzte Angebot.

Wolle man erreichen, dass mehr Konsumenten sich für einen nachhaltigen Urlaub entscheiden, müsse der Aufwand für sie in einem attraktiven Verhältnis zum Nutzen stehen, so die Schlussfolge-rung. Auf Anbieterseite gelte es Angebote zu schaf-fen, die attraktiv und kreativ die vielfältigen Ur-laubsbedürfnisse der Gäste befriedigen und dabei trotzdem nachhaltig sind.

Weitere Informationen: Abschlussbericht zu dem Forschungsvorhaben: Nachfrage für Nachhaltigen Tourismus im Rahmen der Rei-seanalyse. Hg. Forschungsgemeinschaft Ur-laub und Reisen (FUR). Kiel. September 2014. Download: www.bmub.bund.de/fileadmin/Da-ten_BMU/Download_PDF/Tourismus_Sport/nachhaltiger_tourismus_nachfrage_bericht_bf.pdf

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Im März 2011 fand in Chennai, Indien, eine „Theo-logische Konsultation zum Tourismus“ statt, un-ter Federführung der Ecumenical Coalition on Tourism (ECOT) und organisiert ins Zusammen-arbeit mit dem Nationalen Rat der Kirchen in Indien (National Council of Churches in India – NCCI). Im November 2013 folgte eine internatio-nale Konsultation „Theologie des Tourismus“ in Kolkata (Kalkutta), organisiert vom Senate Centre for Extension and Pastoral Theological Research (SCEPTRE), Serampore (University).

Die Teilnehmer der Konsultation haben ihre Bei-träge im Sammelband “Deconstructing Tourism – Who benefits? A Theological Reading from the Global South” zusammengefasst. Er ist eine theo-logische Reflektion der Erkenntnisse aus jahre-langer Untersuchung über die Auswirkungen die-ses Wirtschaftssektors auf den globalen Süden. Über dreißig Jahre lang haben die deutschen Kir-

chen Visionäre und Aktivisten aus aller Welt un-terstützt, den Massentourismus aus der Perspekti-ve der Marginalisierten in Frage zu stellen und zu analysieren. Heute arbeiten eine ganze Vielzahl von Gruppen, darunter die Kirchen, Nichtregie-rungsorganisationen, Wissenschaftler und andere Interessierte weiter daran, den globalisierten Mas-sentourismus und die ihm innewohnenden Unge-rechtigkeiten eingehend zu untersuchen. Die Rolle der Deutschen bei der Förderung dieser Bemühun-gen, die die Inspiration für diese einmalige Publi-kation darstellen, wird dankbar gewürdigt.

Aus der Konsultation ist die ‚Kolkata-Erklärung‘ hervorgegangen, die die Auswirkungen des Tou-rismus reflektiert und unterschiedliche Akteu-re anspricht. Kirchen, theologische Institutionen und alle anderen, denen der Tourismus ein Anlie-gen ist, werden aufgefordert, Kritik an ungerechten Strukturen zu üben und die Potenziale von Touris-

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mus als ‘Pilgerreise’ zu untersuchen. Medienbot-schaften und Tourismuswerbung sollen in Frage gestellt werden und die Zusammenhänge zwischen Tourismus und Klimagerechtigkeit genauer ange-schaut werden. Die Kirchen sollen in ihrer Rolle gestärkt werden, einen gerechten Tourismus zu för-dern und sich Tourismusthemen in interreligiösen Zusammenhängen anzunehmen.

Weitere Informationen: „Deconstructing Tou-rism: Who Benefits? A Theological Reading from the Global South“. Redaktion: Caesar D’Mello,

Wati Longchar Philip Mathew. Herausgegeben vom Programme for Theology and Cultures in Asia (Tainan) und SCEPTRE (Kolkata), 2014. Be-zug: [email protected]

‚Kolkata-Erklärung‘ zum Download: http://tourism-watch.de/files/kolkata_statement.pdf -ck- (2.132 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

Tipps für rücksichtsvolles Verhalten auf Hausbooten in Kerala

Mit einer neuen, ansprechend gestalteten Bro-schüre für Touristen weist der indische Reisever-anstalter „Sita Travel India“ auf die Vielzahl von Problemen hin, die mit dem Hausboot-Touris-mus im südindischen Bundesstaat Kerala verbun-den sind. Die als attraktives Fotomotiv gewählten Wasserhyazinten sind gleichzeitig ein Indikator für den dramatischen Zustand der stark belasteten Binnengewässer.

Touristen erhalten mit der Broschüre einige wich-tige Anregungen, sich möglichst rücksichtsvoll zu verhalten. Dazu gehört, sich angemessen zu klei-den, die Angestellten auf den Booten respektvoll zu behandeln und ein paar Worte Malayalam (der Sprache Keralas) zu lernen sowie Wasser zu sparen und die Gewässer nicht zu verschmutzen. Außer-dem sollten Touristen kein Geld oder Süßigkeiten an Kinder verteilen und zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung „merkwürdige oder verdäch-tige“ Interaktionen zwischen erwachsenen Besu-chern und einheimischen Kindern melden. Sita Travel empfiehlt in solchen Fällen den Repräsen-tanten des Veranstalters oder den Reiseleiter anzu-sprechen. In vielen europäischen Ländern, so auch in Deutschland, gibt es zudem die Meldeplattform www.reportchildsextourism.eu, über die man Ver-dachtsfälle an das Bundeskriminalamt oder an die Kinderschutzorganisation ECPAT melden sollte.

Einige der Tipps aus der wichtigen Broschüre für Reisende greifen allerdings zu kurz. Die Bitte, Ab-fall nicht ins Wasser zu werfen, reicht in Kerala nicht aus. Mangels umweltverträglicher Abfal-lentsorgung wird ein großer Teil des Mülls offen verbrannt. Deshalb gilt es in erster Linie das Ab-fallaufkommen zu reduzieren und z.B. Plastikfla-

schen grundsätzlich zu vermeiden. Auch die Bitte, Strom zu sparen, der oft durch umweltschädliche Dieselmotoren generiert wird, ist durchaus wich-tig. Doch sehr viel umweltfreundlicher wäre es, Hausbootanbieter zu wählen, die Solarstrom nut-zen und auf Klimaanlagen ganz verzichten. Aktu-eller denn je ist der Hinweis, Einheimische entlang der Backwaters nicht bei ihren Alltagstätigkeiten zu fotografieren. Die Anwohner haben inzwischen begonnen, wenig fotogene Sichtschutzzäune zu errichten.

Die Broschüre zur Sensibilisierung der Reisenden ist eine erste Reaktion auf die menschenrechtliche Wirkungsanalyse, die der Schweizer Reisekonzern „Kuoni“ gemeinsam mit Sita Travels als indischer Partneragentur durchgeführt hat. Beide Unterneh-men bemühen sich um mehr Verantwortung ent-lang ihrer touristischen Wertschöpfungsketten.

Visiting Backwaters Responsibly. Hg. Sita Travel India, Gurgaon, 2014.

Download: www.kuoni.com/docs/visiting_backwa-ters_responsibly_0.pdf

Weitere Informationen: Assessing Human Rights impacts. India Project Report. Hg. Kuoni, Zürich, Februar 2014. Download: www.kuoni.com/docs/kuoni_ hria_india_2014_website_0.pdf

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TourismWatch | 77 Literatur und Materialien

Das Heilige Land auf beiden Seiten der „grünen Linie“ „Kommt und seht! Reisen und Pilgern im Heiligen Land“

Fair Trade-Zertifizierung jetzt auch in Madagaskar

Seit zehn Jahren gibt es die südafrikanische Fair Trade-Zertifizierung für Tourismusangebote. Mit der geplanten Ausweitung auf andere Länder im südlichen Afrika hat sich Fair Trade in Tou-rism South Africa (FTTSA) in Fair Trade Tourism (FTT) umbenannt. Acht Länder sind jetzt Teil des Programms: Botsuana, Lesotho, Madagaskar, Mo-sambik, Namibia, Südafrika, Swasiland und Tan-sania. Kürzlich wurden fünf Unterkünfte in Mada-gaskar zertifiziert. Diese Unternehmen erfüllen die FTT-Standards, darunter faire Löhne und Arbeits-bedingungen, einen fairen Einkauf, eine gerech-

te Verteilung des Nutzens aus dem Tourismus und die Achtung der Menschenrechte, der Kultur und der Umwelt. Hinzu kommen Initiativen zur Unter-stützung der Schulbildung der Kinder, der Gesund-heitsversorgung, und zur Zusammenarbeit mit Fi-schern und Bauern vor Ort.

Weitere Informationen: www.fairtrade.travel

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Das Heilige Land übt eine große Anziehungskraft auf Gläubige aus aller Welt aus – insbesondere auf Christinnen und Christen, die mit eigenen Augen sehen wollen, wo Jesus lebte und wirkte. Viele in-teressieren sich auch für das Verbindende von Ju-dentum, Christentum und Islam im Alltag. Die heiligen Stätten aller drei monotheistischer Religi-onen sind eng miteinander verwoben. Sie befinden sich heute unter anderem auf den Territorien von Israel und Palästina.

Mit einer Broschüre für Reisende und Pilger will Brot für die Welt – Tourism Watch „Orientierun-gen für einen fair gestalteten Tourismus in Israel und Palästina unter Berücksichtigung des Völker-rechts“ bieten. Die gemeinsame Initiative Huma-nitäres Völkerrecht Nahost von Misereor und Brot für die Welt war intensiv an der Entwicklung des Leitfadens beteiligt, der auch eine illustrierte Falt-karte enthält, die den genauen Verlauf der Grenzli-nie zwischen Israel und den palästinensischen Ge-bieten zeigt.

Unter dem Titel „Kommt und seht!“ zeigt Autor Klaus Betz, wie schwierig – aber nicht unmöglich – ein fairer Tourismus in der von einem andauern-den Konflikt geprägten Region ist. Wer nach Israel und Palästina reise, müsse sich bewusst machen, unter welchen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen die Reise stattfindet. Dazu gibt die Broschüre Tipps und Hilfestellungen sowie kon-krete Adressen.

Kommt und seht! Reisen und Pilgern im Heiligen Land. Hg. Brot für die Welt, Berlin, 2014. 48 Sei-ten. Art. Nr. 129 70 01 10, [email protected]

Download: http://tourism-watch.de/files/pilgerbro-schuere_einzelansicht_internet.pdf

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77 | TourismWatch Literatur und Materialien

Erholung mit geistigem Mehrwert „Kulturfaktor Spiritualität und Tourismus“Sinnorientierung durch Reisen und auf Reisen war schon immer und ist heute wieder ein starkes Rei-semotiv. Gegenüber „religiösem Reisen“ trägt der Containerbegriff „spiritueller Tourismus“ dem ak-tuellen Trend zur Sinnsuche stärker Rechnung. Er steht für verschiedene Tendenzen zwischen alter Tradition und moderner Esoterik und ist das The-ma eines Sammelbandes der Deutschen Gesell-schaft für Tourismuswissenschaft (DGT), „Kul-turfaktor Spiritualität und Tourismus“. Darin beleuchten verschiedene Autorinnen und Autoren vorwiegend aus kultur- und sozialwissenschaftli-cher Perspektive unterschiedliche Facetten religi-ös oder spirituell motivierter Reisen.

Für Christen zählen dazu zum Beispiel Wallfahr-ten, der Klosterurlaub oder Kirchenbesuche. In In-dien spielen die Pilgerreisen verschiedener Religi-onsgruppen und die Reisen zu religiösen Festen eine herausragende Rolle im inländischen Tou-rismus. Der Hadsch – die obligatorische Pilger-reise der Muslime ins saudi-arabische Mekka – ist eine enorme logistische Herausforderung und er-fordert eine umfangreiche touristische Infrastruk-tur. 2,5 Millionen Menschen zieht es gleichzeitig an

fünf bestimmten Tagen im Jahr dorthin und weit-aus mehr würden kommen, wenn die Pilgerzah-len durch behördliche Reisegenehmigungen nicht streng kontrolliert würden.

Wo auch immer religiös oder spirituelle motivier-te Reisen stattfinden, hinkt die Tourismuswirt-schaft im Allgemeinen hinterher, entsprechende Angebote zu gestalten. Der Sammelband schließt einige der Lücken in der Erforschung des als zu-kunftsträchtig wahrgenommenen Reisemarktes und zeigt andere auf. Die ökonomischen Aspekte des Themas werden in einem extra Sammelband „Wirtschaftsfaktor Spiritualität und Tourismus“ ausführlicher behandelt.

Kulturfaktor Spiritualität und Tourismus: Sin-norientierung als Strategie für Destinationen. Herausgegeben von Hans Hopfinger et al., Erich Schmidt Verlag, Berlin, 2012. 252 Seiten. ISBN-13: 978-3503141166

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Die Wiederverzauberung Singapurs „Religion und Tourismus“Chinesische Tempel, Moscheen und verschleier-te Menschen, hinduistische Feste als „Entertain-ment“: In Reiseführern tauchen religiöse Bezü-ge immer wieder in verschiedener Weise auf. Am Beispiel des „Lonely Planet Singapore“ hat Religi-onswissenschaftlerin Regina Tödter untersucht, wie die verschiedenen Religionen des kleinen Lan-des für Touristen dargestellt werden. Singapur wurde als Beispiel für „suggerierte perfekte Mul-tikulturalität, Harmonie und Moderne“ gewählt. Die Autorin stellt fest, dass chinesische Religio-nen, Islam und Hinduismus wiederholt exotisie-rend und orientalisierend beschrieben werden, und das nicht zufällig. Über einen Zeitraum von 20 Jahren, für den sie den Lonely Planet Singapo-re untersucht hat, seien derartige Beschreibungs-muster wiederholt und bewusst verwendet, ausge-baut und präzisiert worden. Die Beschreibungen seien vereinfachend und teils irreführend, pau-schalisierend und zeitlos. Religion werde zur

„Ressource“, zur touristischen Komponente.

Es wird deutlich, dass der Reiseführer eine gewis-se „Macht“ hat: „Bilder und Vorstellungen über die Religionen Singapurs werden aufgegriffen, konzi-piert, bestätigt, aber auch entkräftet. Verhaltens-strukturen werden entworfen, Tourismusströme gesteuert und Blicke gelenkt, indem besonders Se-henswertes ausgewählt wird.“ Die Religionen Sin-gapurs (oder die religiösen Versatzstücke) würden als „kulturelle Besonderheit“ für kommerzielle Zwecke instrumentalisiert.

Religion und Tourismus. Darstellungen von Re-ligionen im Lonely Planet Singapore. Von Regi-na Tödter, ibidem-Verlag, Stuttgart, 2014. 120 Seiten, ISBN 978-3-8382-0571-7 -ck-

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TourismWatch | 77 Veranstaltungen und Termine

Studientagung „Unesco-Weltkulturerbe Kirchen und Klöster“

Sympathie statt Vorurteile Sympathiemagazin „Islam verstehen“Viele islamisch geprägte Länder sind auch be-liebte Urlaubsländer. Gleichzeitig leben allein in Deutschland, Österreich und in der Schweiz knapp fünf Millionen Muslime. Mit der komplett überar-beiteten Neuausgabe des Sympathiemagazins „Is-lam verstehen“ eröffnet der Studienkreis für Tou-rismus und Entwicklung Einblicke in die Vielfalt islamischer Lebenswelten. Drei Themen ziehen sich wie rote Fäden durch das neue Heft: Vorur-teile gegenüber Muslimen, die Wahrung der Men-schenrechte und die Rolle der Frau. Dabei wird deutlich: Diskriminierung entspringt nicht dem Koran, sondern unterschiedlichen Rechtstraditio-nen. Vieles, was mit dem Islam in Verbindung ge-bracht wird, findet sich im Koran nicht wieder.

Redakteurin Hamida Behr hat Islamwissenschaf-ten studiert und spart auch drängende Debatten

um Freiheit und Rechtsstaatlichkeit im Islam nicht aus. Verschiedene Autorinnen und Autoren erklä-ren, dass Islam nicht gleich Islamismus ist, was man unter „halal“ versteht und wie christlich-isla-mischer Dialog gepflegt werden kann. „Dialog ist erfolgreich, wenn man offen ist für unterschiedli-che Perspektiven auf dieselbe Wahrheit“, schreibt die bekannte Imamin Halima Krausen. Und: „Per-sönliche Begegnungen sind eine Chance, Vorurtei-le zu überdenken und Andersartigkeit schätzen zu lernen.“

Weitere Informationen und Bezug: www.sympathiemagazin.de

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(1.288 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

Eine ökumenische Studientagung wird sich vom 1. bis 3. Februar 2015 mit Chancen, Herausforderun-gen und Wechselwirkungen in Bezug auf Kirchen und Klöstern auseinandersetzen, die gleichzei-tig Orte des Glaubens und touristische Attraktio-nen sind. Wie kann seelsorgerische Arbeit in Kir-chen aufrechterhalten werden, die in großer Zahl Reisende empfangen? Wie können Besucherinnen und Besucher eingeladen werden, Kirchen nicht nur als touristische Orte, sondern als Orte der Be-sinnung und des Gottesdienstes wahrzunehmen? Diese Fragen sollen gemeinsam mit Praktikern aus der kirchlichen Arbeit und aus dem Tourismus erörtert werden. Als Standort der Konferenz wur-de nicht ohne Grund Hildesheim gewählt – eine

Stadt, die Heimat von zwei Unesco-Welterbestät-ten ist.

Veranstalter: Deutsche Bischofskonferenz, Evan-gelische Kirche in Deutschland, Thomas-Morus-Akademie, Bensberg, und die Akademie der Versi-cherer im Raum der Kirche.

Weitere Informationen: www.tma-bensberg.de, [email protected]

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(763 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

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77 | TourismWatch Veranstaltungen und Termine

Internationale Tourismusbörse (ITB) 2015 in Berlin

Die ITB Berlin 2015 findet vom 4. bis 8. März statt. Parallel dazu läuft vom 4. bis 7. März auf dem Mes-segelände der ITB Berlin Kongress. Am Mittwoch, den 4.3.2015 von 16 bis 17 Uhr wird sich ein inter-national besetztes Panel auf der großen Bühne in Halle 4.1 mit menschenrechtlichen Sorgfaltspflich-ten im Tourismus beschäftigen. Am Freitag, den 6.3. von 11 bis 12 Uhr plant Tourism Watch eben-falls auf der großen Bühne in Halle 4.1 gemeinsam

mit ECPAT eine Podiumsdiskussion zum Thema Volunteer-Tourismus.

Weitere Informationen: www.itb-berlin.de, www.itb-kongress.de

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(507 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

Fachkongress „Welterbe und Kirche“

Unter den Titel „Slow tourism und Pilger-Boom“ findet vom 17. März 2015, 13.00 Uhr bis 18. März 2015, 13.00 Uhr in Rostock der 6. Fachkongress Kir-che und Tourismus im Norden statt. Dabei geht es um Reisende auf der Suche nach Sinn und um die Kirche als Partner und Leistungsträger. Es soll ein Austausch darüber stattfinden, welche spirituellen Interessen Menschen haben und wie sie mit ent-sprechenden Angeboten erreicht werden können.

Weitere Informationen: Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutsch-land, www.gemeindedienst.nordkirche.de

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(435 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)

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TourismWatch | 77 Weihnachtsgrüße

Gesegnete Weihnachten und ein gutes neues Jahr

Und seht, der Stern, dessen Aufgang sie beobachtet hatten, zog vor ihnen her,

bis er ankam und über dem Ort stillstand, an dem das Kind war. Als sie den Stern dort sahen, waren sie überwältigt vor Freude.

Matthäus 2, 9–10

Ein aus Blättern gebastelter Stern hängt am Eingang des Gemeinschaftshauses im Dorf Maasin auf der Insel Palawan auf den Philippinen. Die Partner organisation IDEAS unterstützt die Bauernfamilien der Region in nachhal tiger Landwirtschaft und hilft ihnen bei der Vermarktung ihrer Produkte.

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Der Informationsdienst TourismWatch erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.

HerausgeberBrot für die Welt ‒ Evangelischer Entwick­lungsdienst, Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.Caroline­Michaelis­Straße 110115 BerlinTel +49 30 65211 0Fax +49 30 65211 3333Mail info@brot­fuer­die­welt.de tourism­watch @brot­fuer­die­welt.dewww.brot­fuer­die­welt­dewww.tourism­watch.de

Redaktion Christina Kamp, Antje MonshausenV.i.S.d.P. Thomas SandnerLayout Corinna Rach Druck Zentraler Vertrieb des EWDE, Leinfelden­Echterdingen

Berlin, Dezember 2014

Ein Nachdruck der Beiträge mit Quellenangabe ist erwünscht. Wir bitten um die Zusendung von zwei Belegexemplaren.

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