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- 40 - Abb. 18 Gaskompres- sion Abb. 19 Feder mit Masse 7 Druck und Temperatur Bei der Einführung der Gibbs-Euler-Funktion (7.1) war angenommen worden, dass alle unabhängigen Größen außer der Entropie bereits in anderen Bereichen der Physik oder Chemie definiert worden waren. Bei allen intensiven Größen unter Einschluß von Druck und Temperatur muss die Übereinstimmung mit den entsprechenden Größen aus anderen Bereichen gezeigt werden. Insbesondere ist daher zu zeigen, dass der thermodynamische Druck und die thermodynamische Temperatur (7.2), (7.3) mit dem in der Mechanik definierten Druck bzw. der gasthermometrischen Temperatur entsprechend Gl. (1.2.8) übereinstimmen. Um dieses zeigen zu können, wird angenommen, dass die thermodynamische Energie E (oder die Innere Energie U) der gleichbenannten mechanischen Größe entspricht. 7.1 Druck Zuerst soll der Zusammenhang zwischen dem thermodynamischen Druck und der thermody- namischen Kraft untersucht werden. Wir be- nutzen das in Abb. 18 gezeigte abgebildete, zu- sammengesetzte isolierte System in einem Raum ohne Gravitationsfeld. Das Gas mit dem Druck p bildet ein System. Der masselose, volumenlose und reibungsfreie Kolben bildet die Wand zwischen den Systemen. Auf ihn wirkt die Feder F mit der Kraft K, die das 2. System bilden. Die Feder sei eine Spezialanfer- tigung. Ihre Kraft sei immer gerade so groß, dass sie der vom Gas über den Druck auf den Kolben ausgeübten Kraft das Gleichgewicht hält. Sie sei weiterhin ideal. Darunter versteht man eine Feder, bei der eine einmal angeregte Schwingung unendlich lange fortdauert (siehe Abb. 19). Auch hier möge kein Gravitations- feld vorhanden sein. Der Schwingungsprozess im isolierten System ist offensichtlich reversibel und da- her )S = 0. Da die Masse zumindest an den beiden Totpunkten die gleiche Entropie aufweisen muss, ist die Entropie dieser idealen Feder unabhängig von ihrer Dehnung. Mit ähnlichen Verfahren kann man die Isentropie vieler idealer, d. h. reibungsfreier, mechanischer Prozesse nachweisen. Bei dem Prozess mit dem Gas handelt es sich wegen der kraftfreien Verschiebbarkeit des Kolbens um einen reversiblen und daher isentropen Prozess. Da die Feder und der Kolben ihre Entropie nicht ändern, muss die des Gases auch konstant bleiben. Von der GFFF verbleibt daher (7.1.1) wobei sich p und V auf das Gas, K und r auf die Feder beziehen. Wegen der Parallelität von K und r genügen skalare Größen in der Gleichung. Einführung der Kolbenfläche A ergibt (7.1.2) Hier muss man mit den Vorzeichen aufpassen. V wächst bei der Ausdehnung des Gases, r wird jedoch

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Abb. 18 Gaskompres-sion

Abb. 19 Feder mitMasse

7 Druck und TemperaturBei der Einführung der Gibbs-Euler-Funktion

(7.1)

war angenommen worden, dass alle unabhängigen Größen außer der Entropie bereits in anderenBereichen der Physik oder Chemie definiert worden waren. Bei allen intensiven Größen unterEinschluß von Druck und Temperatur muss die Übereinstimmung mit den entsprechenden Größen ausanderen Bereichen gezeigt werden. Insbesondere ist daher zu zeigen, dass der thermodynamischeDruck und die thermodynamische Temperatur

(7.2), (7.3)

mit dem in der Mechanik definierten Druck bzw. der gasthermometrischen Temperatur entsprechendGl. (1.2.8) übereinstimmen.Um dieses zeigen zu können, wird angenommen, dass die thermodynamische Energie E (oder dieInnere Energie U) der gleichbenannten mechanischen Größe entspricht.

7.1 DruckZuerst soll der Zusammenhang zwischen demthermodynamischen Druck und der thermody-namischen Kraft untersucht werden. Wir be-nutzen das in Abb. 18 gezeigte abgebildete, zu-sammengesetzte isolierte System in einemRaum ohne Gravitationsfeld. Das Gas mit demDruck p bildet ein System. Der masselose,volumenlose und reibungsfreie Kolben bildetdie Wand zwischen den Systemen. Auf ihnwirkt die Feder F mit der Kraft K, die das 2.System bilden. Die Feder sei eine Spezialanfer-tigung. Ihre Kraft sei immer gerade so groß,dass sie der vom Gas über den Druck auf denKolben ausgeübten Kraft das Gleichgewichthält. Sie sei weiterhin ideal. Darunter verstehtman eine Feder, bei der eine einmal angeregteSchwingung unendlich lange fortdauert (sieheAbb. 19). Auch hier möge kein Gravitations-

feld vorhanden sein. Der Schwingungsprozess im isolierten System ist offensichtlich reversibel und da-her )S = 0. Da die Masse zumindest an den beiden Totpunkten die gleiche Entropie aufweisen muss,ist die Entropie dieser idealen Feder unabhängig von ihrer Dehnung. Mit ähnlichen Verfahren kannman die Isentropie vieler idealer, d. h. reibungsfreier, mechanischer Prozesse nachweisen.Bei dem Prozess mit dem Gas handelt es sich wegen der kraftfreien Verschiebbarkeit des Kolbens umeinen reversiblen und daher isentropen Prozess. Da die Feder und der Kolben ihre Entropie nichtändern, muss die des Gases auch konstant bleiben. Von der GFFF verbleibt daher

(7.1.1)

wobei sich p und V auf das Gas, K und r auf die Feder beziehen. Wegen der Parallelität von K und rgenügen skalare Größen in der Gleichung. Einführung der Kolbenfläche A ergibt

(7.1.2)

Hier muss man mit den Vorzeichen aufpassen. V wächst bei der Ausdehnung des Gases, r wird jedoch

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kleiner, d. h. es gilt

(7.1.3)

Aus Gl. (7.1.2) folgt wie beim mechanischen Druck

(7.1.4)

Jetzt muss noch nachgewiesen werden, dass die thermodynamische Kraft der mechanischen entspricht.In der Mechanik gilt

(7.1.5)

oder

(7.1.6)

Was wird bei der partiellen Differenziation der Federenergie konstant gehalten? Sicher die Stoffmenge,der Impuls, der Drehimpuls und & wie wir festgestellt haben & die Entropie. Gl. (7.1.6) stimmt dahermit der thermodynamischen Definition der Kraft überein. Wegen Gl. (7.1.4) gilt dies auch für denDruck.Wir stellen daher fest: Der thermodynamische Druck eines Gleichgewichtssystems kann mit jedem ge-eigneten mechanischen Druckmessgerät bestimmt werden.

7.2 TemperaturJetzt soll der Nachweis geführt werden, dass die thermodynamische und die gasthermometrischeTemperatur übereinstimmen. Dazu wird wie folgt vorgegangen. Die Gibbssche Fundamentalform wirdfür konstante Stoffmengen umgeschrieben.

(7.2.1)

dU wird durch das totale Differenzial von U(V,T) ersetzt.

(7.2.2)

Weiterhin wird der Schwarzsche Satz auf das Differenzial (6.13) der Freien Energie angewendet.

(7.2.3)

Vergleich mit Gl. (7.2.2) ergibt schließlich

(7.2.4)

TFür Stoffe mit (MU/MV) = 0 gilt daher

(7.2.5)

Integration dieser Differenzialgleichung liefert

(7.2.6)

Twobei C eine frei wählbare Konstante ist. Für Stoffe mit (MU/MV) = 0 ist daher bei konstantemVolumen der Druck proportional zur thermodynamischen Temperatur. Das Experiment zeigt nun, dass

Tfür bestimmte Gase, die Idealen Gase, (MU/MV) = 0 gilt (siehe Kap. 10), d. h. bei diesen Gasen ist bei

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Abb. 20 Zwei wechselwirkende Systeme

konstantem Volumen der Druck proportional zur Temperatur. Gasthermometer arbeiten nun nach derMessvorschrift p % T, so dass die gasthermometrische Temperatur mit der thermodynamischen Tempe-ratur übereinstimmt, wenn für beide Temperaturskalen die Proportionalitätskonstante C geeignet& z.B. durch die Festsetzung T = 273,16 K für die Temperatur des Tripelpunkts von Wasser & festgelegtwird.Die thermodynamische Temperatur eines Systems im Gleichgewicht kann daher mit jedem geeignetenGasthermometer gemessen werden. Bei der Messung wird davon Gebrauch gemacht, dass dieTemperaturen von zwei Körpern im Gleichgewicht übereinstimmen.

8 Arbeit und WärmeDie Prozessgrößen Arbeit und Wärme erlauben für vieleZwecke eine sehr praktische Beschreibung von System-wechselwirkungen. Wir verwenden dazu 2 Systeme ent-sprechend Abb. 20 und machen die Annahme: Das Sys-tem N ist geschlossen und im Gleichgewicht. Alle Prozes-se in ihm verlaufen reversibel.Die Einschränkung auf ein reversibles zweites Systemerlaubt eine einfache Beschreibung der Wechselwirkun-gen. Das zweite System stellt sozusagen das Messinstru-ment für die Wechselwirkungen mit dem ersten Systemdar, das selbst keinen Einschränkungen bezüglich chemi-scher Reaktionen oder irreversibler Prozesse unterliegt.Bei Isolation des zusammengesetzten Systems gilt

(8.1)

(8.2)

Der Summenterm mit den chemischen Potenzialen verschwindet, da sich das zweite System nachVoraussetzung im Gleichgewicht befindet, d. h. auch jede chemische Reaktion in ihm. Wegen Gl.(5.4.8) muss daher der Summenterm für die Reaktanden verschwinden. Für nicht reagierende Kompo-nenten verschwindet er, da kein Materiefluss erlaubt ist. Für einen Prozess zwischen den Zuständen 1und 2 gilt:

(8.3)

Jetzt werden folgende Definitionen getroffen.

(8.4)

(8.5)

Die Größen A und Q werden als Arbeit und Wärme bezeichnet. Gl. (8.3) kann daher in der folgenderForm geschrieben werden: Für ein geschlossenes System gilt

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(8.6)

Vom Standpunkt des Systems aus gesehen sagt man auch, am System wird Arbeit (die Innere Energiewird vergrößert und AN ist positiv) oder vom System wird Arbeit (die Innere Energie wird kleiner undAN ist negativ) geleistet. Entsprechend gilt für die Wärme: In das System fließt Wärme (die InnereEnergie wird vergrößert und QN ist positiv) oder aus dem System fließt Wärme (die Innere Energiewird kleiner und QN ist negativ).Unter der Bedingung, dass beide Systeme geschlossen und im Gleichgewicht sind, dürfen anstelle dergestrichenen Größen in den Gl. (8.4) und (8.5) auch die Systemgrößen verwendet werden. DieDifferenziale der Inneren Energie in Gl. (8.1) werden entsprechend der Gibbsschen Fundamentalformausgeschrieben.

(8.7)

Die Summenterme mit den chemischen Potenzialen verschwinden aus den oben genannten Gründen.Es verbleibt daher

(8.8)

Integration liefert

(8.9)

Analog zu den Gl. (8.4) und (8.5) setzt man daher

(8.10)

(8.11)

Gl. (8.6) bleibt gültig.

(8.12)

Ein Beispiel für ein System, bei dem Gl. (8.4) gültig ist, Gl. (8.10) jedoch nicht, ist die schnelleKompression eines Gases. Im Fall der schnellen Kompression entstehen Druckunterschiede im Gasund Gl. (8.10) verliert ihren Sinn. Gl. (8.4) bleibt gültig, wobei pN = K/A den von außen auf den Kolbenwirkenden Druck darstellt.Ein System bzw. die das System umgebende Wand wird als adiabatisch bezeichnet, wenn zwischenSystem und Umgebung kein Wärmefluss erfolgt.Ein Prozess, der bei konstanter Entropie anläuft, wird als isentrop bezeichnet.Ein adiabatischer und reversibler Prozess in einem geschlossenem System ist isentrop. Der Nachweiswird mit Gl. (8.11) erbracht, die unter den vorausgesetzten Bedingungen gültig ist. Ein Verschwindenvon Q für jeden Teil des Prozessweges lässt sich wegen T > 0 nur dadurch erreichen, dass die Integral-grenzen zusammenfallen, d. h. der Prozess isentrop verläuft.Der Begriff Arbeit wird auch für andere Wechselwirkungen, als die in Gl. (8.10) definierte Volumen-arbeit verwendet. So gibt es z. B. die "normale" Arbeit

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(8.13)

und die elektrische Arbeit

(8.14)

Wie bestimmt man in einem real durchgeführten Experiment, die in ein System geflossene Arbeit undWärme? Für die Arbeit verwendet man die Gl. (8.4), (8.10) oder (8.13), die messtechnisch leichtzugängliche Größen enthalten. Für die Wärme ist die Anwendung der Definitionsgleichungen (8.5)oder (8.11) schlecht praktikabel. Am Ende von Kap. 4 war ein Verfahren besprochen worden, mit demman mit einer Heizwicklung definiert Wärme in ein System fließen lassen konnte. Es gilt

(8.15)

und daher

(8.16)

Gl. (8.6) bzw. (8.12) stellen den Ausgangspunkt der traditionellen Darstellung der Thermodynamikdar. Man betrachtet Energie und Arbeit als durch die Mechanik vorgegebene Größen. Gl. (8.12) stelltdann die Definitionsgleichung für die Wärme dar. Gl. (8.12) ist dem Anfänger sicher leichter zugäng-lich als die GFF. Der große Nachteil dieser Darstellung ist, dass eine direkte Herleitung der GFF ausGl. (8.12) nicht möglich ist.Gl. (8.11) als Differenzial geschrieben lautet

(8.17)

Das sieht nach einem sehr einfachen Berechnungsverfahren für die Entropie aus! Leider weist dieseGleichung eine Reihe Schwierigkeiten auf. Die erste Schwierigkeit besteht darin, dass dQ keinDifferenzial ist und auch die Division durch T kein Differenzial daraus machen kann. Auf der linkenSeite der Gleichung steht jedoch ein Differenzial. Da dQ kein Differenzial ist, schreibt man auchanstelle von dQ häufig *Q oder pQ. Dies macht die Sache aber nicht besser.Eine zweite Schwierigkeit besteht darin, dass Gl. (8.17) bei irreversiblen Prozessen versagt. DenkenSie z. B. an den Temperaturausgleich zwischen zwei Körpern. Von außen wird keine Wärme zu-geführt; trotzdem erhöht sich die Entropie des aus den beiden Körpern zusammengesetzten Systems.Gl. (8.17) muss daher entsprechend den für Gl. (8.11) getroffenen Voraussetzungen auf reversibleProzesse beschränkt werden.Um Gl. (8.17) bei irreversiblen Prozessen verwenden zu können, wird wie folgt verfahren. DieEntropie ist eine Zustandsfunktion. Es ist daher für die Entropieänderung bei einem Prozess völligegal, auf welchem Weg dieser Prozess durchgeführt wird. Es müssen nur Anfangs- und Endzustand fürbeide Prozesse übereinstimmen. Wählt man nun einen reversiblen Ersatzprozess mit gleichemAnfangs- und Endzustand wie der irreversible Prozess, so darf die Berechnung mit (8.17) durchgeführtwerden.Als Beispiel wollen wir die bereits diskutierte in Kap. 4.1 diskutierte Entropieänderung für denTemperaturausgleich zwischen zwei identischen Körpern mit den Temperaturen TN und TO zu ansehen.Der reversible Ersatzprozess besteht darin, dass wir unendlich viele Wärmereservoire zwischen denTemperaturen TN und TO zur Verfügung stellen, so dass wir den wärmeren Körper bei p = const.

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reversibel auf die Endtemperatur abkühlen und den kälteren reversibel aufwärmen können. Dieentsprechende Rechnung führt zum gleichen Ergebnis wie in Kap. 12, wo die Berechnung auf einemanderen Weg durchgeführt wird.Läuft ein Prozess reversibel und isotherm ab, so darf die Temperatur vor das Integral gezogen werden,und es gilt

(8.18)

Arbeit und Wärme sind keine Zustandsgrößen. Wir vergleichen hierzu die Expansion eines IdealenGases in ein evakuiertes und isoliertes Gefäß mit einem konstanten Volumen (I) mit einer Expansionunter isothermen, reversiblen Bedingungen (II).Beim Prozess I gilt:

(8.19)

TBeim Prozess II gilt wegen (MU/MV) = 0 für ein Ideales Gas (siehe auch Kap. 10):

(8.20)

und daher

mit Q und A � 0 (8.21)

Stimmen die Anfangszustände des Gases bei beiden Prozessen und die Endvolumina überein, sostimmen auch die Endzustände überein, da sich die Temperatur bei beiden Prozesse nicht ändert.Arbeit und Wärme unterscheiden sich also, obwohl die Zustände des Systems identisch sind.Diese Prozesse sind auch gute Beispiele für Entropieberechnungen mit Gl. (8.17). Wendet man Gl.(8.17) unzulässigweise auf den irreversiblen Prozess der Gasexpansion in das Vakuum mit Q = 0 an,so ergibt sich das offensichtlich falsche Ergebnis )S = 0. Der Vorgang ist ja irreversibel und dieEntropie muss zunehmen. Richtig ist dagegen die Anwendung beim reversiblen Ersatzprozess derisothermen Expansion (siehe Kap. 12).

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9 Innere Energie und Enthalpie als Funktionen der TemperaturIm Kapitel 3 war die Gibbs-Euler-Funktion

(9.1)

eingeführt worden. Als unabhängige Größen enthält sie die Entropie, das Volumen und die Stoff-mengen. Auf der anderen Seite gibt es die praktische Messtechnik, für die es sehr schwer ist, dieEntropie konstant zu halten oder definiert zu verändern. Zur Ausführung von Messungen ist eserheblich sinnvoller, folgende Funktionen zu untersuchen

(9.2)

(9.3)

Die Differenziale dieser Funktionen lauten für einen einheitlichen Bereich

(9.4)

(9.5)

iHier haben die Differenzialquotienten (MU/MV) und (MU/Mn ) wegen der anderen Konstanthaltungen

ieine andere Bedeutung als in der GFF; insbesondere sind die (MU/Mn ) nicht die chemischen Potenziale.Die Abhängigkeit der Inneren Energie und der Enthalpie von der Temperatur wird in diesem Kapitel,die Abhängigkeit vom Volumen und den Stoffmengen bei chemischen Reaktionen in den Kapiteln 10bzw. 11 behandelt.

9.1 MolwärmenUnter den Molwärmen versteht man die Differenzialquotienten

(9.1.1)

Die klein geschriebenen Symbole u und h zeigen, dass 1 mol der reinen Substanz oder Mischungbetrachtet werden soll. Der Name Molwärme bei konstantem Volumen bzw. konstantem Druck ist inden frühen Zeiten der Thermodynamik entstanden: Man führte 1 mol einer Substanz bei konstantemVolumen oder Druck Wärme zu. Die für eine Temperaturerhöhung von 1 K notwendige Wärme wurdeals Molwärme bezeichnet. Gegen diese Bezeichnung spricht auch, dass die Energiezufuhr mit allenEnergieformen und nicht nur mit Wärme erfolgen darf; so wird für Messzwecke die Energie üblicher-weise in Form elektrischer Energie zugeführt. Geeignetere Namen wären: molare Energie- bzw.Enthalpiekapazität.

iWas ist unter der Konstanthaltung der n in Gl. (9.1.1) in chemisch komplexen Gleichgewichts-systemen, wie z. B. Wasser, zu verstehen? Während der Temperaturänderung ist es sicherlich nichtmöglich, die Stoffmengen der einzelnen Assoziate konstant zu halten. In solchen Fällen betrachtet man

21 mol der fiktiven Substanz H O & in welcher Form sie auch immer vorliegen möge & und untersuchtein geschlossenes System.

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Abb. 21 Molwärmen einiger Gase als f(T)

Abb. 22 Molwärme von Elementen

Abb. 23 Molwärmen bei tiefenTemperaturen

9.1.1 Molwärmen von GasenAbb. 21 zeigt die Temperaturabhängigkeit der

LMolwärme c für einige Gase bei niedrigen Drü-

Lcken. Aufgetragen ist c /R gegen die Temperatur

LT. Die Größe c /R ist dimensionslos und es erge-ben sich so offensichtlich in vielen Fällen glatteWerte.Die Edelgase weisen unabhängig von der Tem-

Lperatur c /R = 3/2 auf. Wasserstoff und Stickstoffergeben bei höheren Temperaturen 5/2. Wasserergibt einen Wert oberhalb von 3. Ein tieferesVerständnis für dieses Verhalten wird erst mit denMitteln der Statistischen Thermodynamik möglichsein. Hier soll nur folgendes erwähnt werden. Fürjeden molekularen Bewegungsfreiheitsgrad beträgt

Lc = R/2.Einatomige Gase, wie die Edelgase: 3 Trans-

Llationsfreiheitsgrade, c = 3/2 R.

2 2 LZweiatomige Gase, wie H und N : 3 Translations- und 2 Rotationsfreiheitsgrade, c = 5/2 R. DieRotation um die Moleküllängsachse darf hierbei nicht mitgezählt werden. Bei tiefen Temperaturen sindbeim Wasserstoff die Rotationen noch nicht "voll angeregt". Das ergibt die Temperaturabhängigkeit.Wegen des höheren Trägheitsmoments und des höheren Siedepunkts wird dieser Effekt bei Stickstoffnicht beobachtet.Bei 3- und mehratomigen Gase ist die Temperaturabhängigkeit kompliziert.

9.1.2 Molwärmen von FestkörpernDie Molwärmen von Festkörpern sind stark temperaturabhän-gig. Bei hohen Temperaturen streben die Werte bei Elementen

Lgegen c /R = 3. In einem Festkörper können die Atome nurSchwingungen ausführen. Ist die Temperatur hoch genug, sosind diese Schwingungen voll angeregt. Für jedes Atom sind 3Schwingungsfreiheitsgrade zu zählen, die wegen der beidenEnergieformen in der Schwingung (potentielle und kinetischeEnergie) doppelt zu zählen sind. Der Grenzwert für hoheTemperaturen ist daher

(9.1.2.1)

Diese Gleichung wird als Dulong-Petitsche Regel bezeichnet.

Bei Verbindungen sind die Molwärmen der einzelnen Elemen-te zu addieren (Kopp-Neumannsche Regel).

(9.1.2.2)

wobei n die Zahl der Atome im Molekül darstellt.

LBei sehr tiefen Temperaturen ist c proportional zu T . Dieses 3

nach Debye benannte Gesetz ist auch mit Hilfe der Statisti-schen Thermodynamik erklärbar.

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p L9.1.3 c & c

LBisher wurde nur die Molwärme c bei konstantem Volumen diskutiert. Diese Größe ist auch von der

pTheorie her leichter verständlich, da in der Molwärme c bei konstantem Druck noch der Energie-

p Laufwand steckt, den die Substanz an die Umgebung bei ihrer Ausdehnung abgibt. Die Differenz c & c

pgibt gerade diesen Energieaufwand an. Im Experiment ist jedoch die Bestimmung von c wesentlicheinfacher. Wir wollen diese Differenz berechnen, die auch für andere Zwecke wichtig ist. Es gilt

(9.1.3.1)

(9.1.3.2)

(9.1.3.3)

(9.1.3.4)

Zur weiteren Rechnung benutzen wir Gl. (7.2.4)

(9.1.3.5)

Damit folgt:

(9.1.3.6)

(9.1.3.7)

(9.1.3.8)

Für ein Ideales Gas gilt nach Gl. (1.2.11)

(9.1.3.9)

und daher

(9.1.3.10)

(9.1.3.11)

Die Differenz der beiden Molwärmen entspricht gerade der allgemeinen Gaskonstante. Die Gleichungwird bei der Diskussion der adiabatischen Kompression Verwendung finden.

L p9.1.4 c als Funktion von L und c als Funktion von pDie Berechnung ist eine typische Anwendung des Schwarzschen Satzes in der Thermodynamik. UnterVerwendung von Gl. (7.2.4) findet man

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Abb. 24 Verlauf der Enthalpie über einePhasenumwandlung hinweg

(9.1.4.1)

(9.1.4.2)

In analoger Weise findet man

(9.1.4.3)

Für Ideale Gase verschwinden beide Abhängigkeiten.

9.2 U und H als Funktionen der TemperaturAus den Definitionen der Molwärmen findet man durch Integration

(9.2.1)

L pMit der Annahme c bzw. c = const. erhält man daraus

(9.2.2)

Für den Fall des Debyeschen Gesetzes findet man

(9.2.3)

Vielfach werden Molwärmen in Tabellen in Form von Reihenentwicklungen angegeben:

(9.2.4)

Zur Berechnung der Temperaturabhängigkeit von u bzw. h ist dann eine Integration entsprechend Gl.(9.2.1) durchzuführen.

9.3 Umwandlungsenergien, UmwandlungsenthalpienDie Gleichungen (9.2.1ff) gestatten die Berechnung derEnergie bzw. Enthalpie nur für den Fall, dass die Tempe-raturänderung nicht über eine Phasenumwandlung hin-weg erfolgt. Die dargestellte Enthalpiekurve, die bei ei-ner Substanz mit einer Phasenumwandlung beobachtetwird, kann mit dem in Kap. 11.6.1 beschriebenen Gerät

Ugemessen werden. Sie weist bei der Temperatur T derPhasenumwandlung einen Sprung auf, da der Substanzfür die Phasenumwandlung (z. B. Verdampfung) Energiebzw. Enthalpie zugeführt werden muss. Eine Beschrei-bung des Sprunges durch eine Molwärme ist nicht sinn-voll. Für den Fall unterschiedlicher Bereiche ist dasDifferenzial (9.5) auch anders zu schreiben. Bei kon-stantem p und T gilt:

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(9.3.1)wobei N die Niedertemperaturphase und O die Hochtemperaturphase darstellen sollen. Die Phasen-umwandlung wird nun wie eine Reaktion durch den Umsatz > beschrieben

(9.3.2)

(9.3.3)

Die Größe

(9.3.4)

wird als Umwandlungsenthalpie bezeichnet. Sie stellt die Enthalpieänderung für die Umwandlung von1 mol Substanz dar. Sie entspricht der Differenz der molaren Enthalpien der beteiligten Phasen.Man unterscheidet nach der Art der Phasenumwandlung:

Tab. 9.3.1 Phasenumwandlungsenthalpien

ProzessName der

UmwandlungsenthalpieSymbol

Name der Enthalpie fürden Umkehrprozess

Sfest 6 flüssig Schmelzenthalpie )H Kristallisationsenthalpie

Vflüssig 6 gasförmig Verdampfungsenthalpie )H Kondensationsenthalpie

Sufest 6 gasförmig Sublimationsenthalpie )H &

Ufest 1 6 fest 2 Umwandlungsenthalpie )H Umwandlungsenthalpie

In der Nähe des Tripelpunkts kann man durch eine geringfügige Änderung des Drucks statt über dieFlüssigkeit direkt vom Festkörper in die Gasphase kommen. Der 1. Hauptsatz verlangt dann

(9.3.5)

Den Verdampfungsprozess (bzw. den Sublimationsprozess) bei konstantem Druck kann man in 2Schritte zerlegen. Die Verdampfungsenergie bei konstantem Volumen dient zur Überwindung derWechselwirkung in der Flüssigkeit; bei konstantem Druck ist dann noch eine zusätzliche Kom-

V Vpressionsenergie p)V gegen den äußeren Druck p zu leisten. )V ist die Volumenveränderung bei der

Verdampfung von 1 mol. Insgesamt muss also gelten

(9.3.6)

Auch aus der formalen Thermodynamik lässt sich diese Gleichung gewinnen. Das Verfahren wird beider Ableitung der Gl. (11.1.10) bzw. (11.1.11) beschrieben.Verläuft die Verdampfung bei sehr viel niedrigerer Temperatur als der kritischen, so gilt

(9.3.7)

(9.3.8)

d. h. die Verdampfungsenthalpie und -energie unterscheiden sich gerade um RT.

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Abb. 25 Gasexpansion in ein Vakuum

10 Innere Energie als Funktion des Volumens, Enthalpie als Funktion des Drucks,Gaskompression bzw. -expansionZuerst soll der bereits angesprochene Unterschied zwischen den beiden Differenzialquotienten

S T(MU/MV) und (MU/MV) in Gl. (3.3) bzw. (9.4) diskutiert werden, wobei hier und in den folgenden

iGleichungen die Konstanthaltung der n nicht mitgeschrieben wird. In Gl. (3.3) gilt

(10.1)

In Gl. (9.4) gilt dagegen nach Gl. (7.2.4)

(10.2)

Für ein Ideales Gas verschwindet die rechte Seite von Gl. (10.2), d. h. für ein Ideales Gas gilt

(10.3)

Swährend (MU/MV) nicht verschwindet.

Die Expansion bzw. Kompression von Gasen, mit denen wir uns hier ausschließlich beschäftigenwollen, kann unter unterschiedlichen Bedingungen erfolgen.

1) Expansion in ein evakuiertes Gefäß mit konstantem Volumen unter Systemisolation.2) Expansion gegen einen verschiebbaren Kolben unter isothermen und reversiblen Bedingungen.3) Expansion gegen einen verschiebbaren Kolben unter adiabatischen und reversiblen Bedingungen.4) Expansion & meistens wird hierbei der Begriff Entspannung benutzt & durch ein Drosselventil unteradiabatischen Bedingungen (Joule-Thomson-Effekt).

Die Expansion in ein evakuiertes Gefäß mit konstantem Volumen unter isothermen Bedingungen istvon geringerem Interesse. Die vier beschriebenen Expansionsarten, wobei es sich bei den Fällen 2 bis4 auch um Kompressionen handeln kann, werden in den folgenden Kapiteln abgehandelt.

10.1 Adiabatische Expansion in ein evakuiertes Gefäß mit konstantem Volumen

Die ersten Experimente hierzu wurden im 19. Jahr-hundert von Gay-Lussac und von Joule durchgeführt.Die Expansion wird meistens durch Öffnen einesVentils zwischen den Volumina, die das Gas enthal-ten bzw. evakuiert sind, bewerkstelligt. Während desDruckausgleichs entsteht durch Expansion des aus-strömenden Gases und Kompression des bereitsausgeströmten Gases eine komplizierte Temperatur-verteilung im System. Eine Messung der Gastem-peratur vor und nach dem Experiment ergab & mit

der damals möglichen Genauigkeit & keinen Unterschied. Mit den heute zur Verfügung stehendenMethoden findet man nur bei Idealen Gasen keine Temperaturunterschiede. Für Ideale Gase lässt sichdaher der folgende Schluß ziehen. Da das Gesamtsystem isoliert ist, gilt

(10.1.1)

oder dU = 0. Da keine Temperaturänderung beobachtet wird, gilt T = const. Insgesamt ergibt daher das

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Experiment für ein Ideales Gas, dessen Volumen sich im Gegensatz zum Gesamtvolumen ändert:

(10.1.2)

wie oben bereits durch eine Berechnung mit der Idealen Gasgleichung gezeigt wurde. Bei einemIdealen Gas ist bei konstanter Temperatur die Innere Energie unabhängig vom Volumen. Für ein van-der-Waals-Gas findet man

(10.1.3)

(10.1.4)

Td. h. (Mu/ML) entspricht dem Binnendruck des van-der-Waals-Gases.Entsprechend findet man für die Enthalpie bei einem Idealen Gas

(10.1.5)

Twobei das Analogon zur Gl. (10.2) Kapitel 12.1 entnommen wird. (Mh/Mp) für ein van-der-Waals-Gasergibt einen relativ komplizierten Ausdruck.Wie groß ist die Temperaturänderung, die bei der Expansion eines realen Gases in ein evakuiertesGefäß entsteht? Am einfachsten geht man von der GFF aus und setzt dU = 0.

(10.1.6)

Dies oder die entsprechende Gl. des mathematischen Teils führen zu

(10.1.7)

Die Herleitung wurde mit wenig Kommentar durchgeführt, da es im Kap. 10.4 eine ausführlichbesprochene Herleitung des wichtigeren Analogons mit der Enthalpie gibt. In Analogie zu dem dortbesprochenen Effekt kann man den hier diskutierten als isoenergetische Expansion bezeichnen. Wegender für den technischen Einsatz günstigeren Eigenschaften der isenthalpischen Drosselung bei derAbkühlung von Gasen wird die isoenergetische Expansion technisch nicht eingesetzt. Für Ideale Gase

uverschwindet (MT/ML) .

10.2 Isotherme, reversible Expansion gegen einen verschiebbaren KolbenDas Experiment soll mit einem Idealen Gas durchgeführt werden. Die Arbeit beträgt dann

(10.2.1)

2 1 2 1Die Arbeit ist positiv für den Kompressionsfall (V < V ) und negativ für den Expansionsfall (V > V ).Sie hängt beim Idealen Gas nicht von den absoluten Volumen- und Druckwerten, sondern nur von denVerhältnissen ab. Sie ist bei gegebenem Volumenverhältnis und gegebener Temperatur unabhängigvon der Art des Idealen Gases. Die Einschränkung auf eine reversible Expansion ist aus folgenden

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Gründen notwendig. Eine Irreversibilität wird z. B. bei einer Gaskompression mit einer sehr hohenGeschwindigkeit vorliegen. Unter diesen Bedingungen wird zu Beginn nur das Gas in der Kolbennähekomprimiert, da sich das weiter hinten befindliche Gas wegen der endlichen Ausbreitungsgeschwindig-keit der Kompression erst später in Bewegung setzen wird. Es kommt daher zu einer ungleichenDruckverteilung im Gas, so dass Gl. (10.2.1) nicht mehr gültig sein kann.Im isothermen Fall ändert sich die Innere Energie des Gases nicht und die GFF lautet:

(10.2.2)

Das was an Kompressionsenergie &p dV vom Gas aufgenommen wird, muss als entropische Energie

T dS oder Wärme an ein Wärmereservoir wieder abfließen. Durch Integration von Gl. (10.2.2) oderdirekt aus Gl. (8.12) findet man

(10.2.3)

10.3 Adiabatische, reversible Expansion gegen einen verschiebbaren KolbenDie adiabatische Expansion eines Gases lässt sich mit unterschiedlichen Methoden bewerkstelligen.a) Das System erhält eine Umhüllung, die den Wärmetransport verhindert (Wärmeisolierung, Dewar-Gefäß)b) Die Expansion wird so schnell durchgeführt, dass der Wärmefluss vernachlässigbar wird. Zu schnelldarf der Kolben jedoch auch nicht bewegt werden, da man sonst zum Fall des Kap. 10.1 gelangt.Die GFF lautet

(10.3.1)

Unter den genannten Bedingungen (adiabatisch und reversibel) bleibt die Entropie konstant. Es ergibtsich daher für 1 mol

(10.3.2)

LDer Term mit der Molwärme c bei einem Prozess mit variablem L und p (!) resultiert aus dem totalenDifferenzial von U (Gl. (9.4)) für ein Ideales Gas bei konstanter Stoffmenge.Für ein Ideales Gas folgt

(10.3.3)

Die Integration der Differenzialgleichung ergibt

(10.3.4)

oder

(10.3.5)

p LDurch Einführung des Verhältnisses 6 = c /c erhält man

(10.3.6)

und

(10.3.7)

Mit Hilfe der Idealen Gasgleichung wird daraus die Poissonsche Gleichung

(10.3.8)

die auch noch in einer p,T-Darstellung geschrieben werden kann

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Abb. 26 Isotherme und Adiabatevon Gasen

Abb. 27 Isenthalpische Drosselung

(10.3.9)

Wann gilt pL = const., wann gilt pL = const.? Die Ideale Gasgleichung pL = RT gilt als Zustands-6

gleichung immer. Die anderen Gleichungen gelten nur für bestimmte Prozesse

im isothermen Fall (10.3.10)

im adiabatischen Fall (10.3.11)

Ein Vergleich der isothermen und adiabatischen Kompressionzeigt die Abbildung. Die Steilheit der Adiabaten nimmt mit 6 zu

p L(einatomiges Gas: 6 = c /c = 5/3; zweiatomiges Gas: 6 = 7/5).Die stärkere Abnahme des Drucks bei der adiabatischen Expansi-on wird durch die Abnahme der Temperatur bewirkt. DiePoissonsche Gleichung wird viel in der Technik benutzt (Kom-pressoren, Verbrennungsmotoren). Die vom Gas unter adiabatischen Bedingungen geleistete Arbeitund die Änderung der Inneren Energie erhält man durch Inte-gration von (10.3.2)

(10.3.12)

für n mol Gas. )T ist die Differenz zwischen End- und Anfangs-temperatur.

10.4 Isenthalpische DrosselungIm Unterschied zum vorherigen, auch adiabatischen Fall erfolgt hier die Entspannung in einemDrosselventil oder einer porösen Membran. Weiterhin handelt es sich um einen kontinuierlichenProzess mit strömenden Gasen. Das Drosselventiloder die Membran sollen nur die Herabsetzungdes Drucks bewirken. Das Gas soll keine kineti-sche Energie hinter der Membran aufweisen, wiebeispielsweise nach einer Durchströmung vonLöchern in einem Blech.Der Versuch, den Entspannungsvorgang in derDrossel mit der GFF zu untersuchen, würde dieBerechnung unnötig komplizieren. Es ist einfa-cher, eine Energiebilanz für das Gas vor und hin-ter der Drossel aufzustellen. Das Gesamtsystembesteht aus den beiden Gasmengen N und O. In dieses System fließt Kompressionsenergie aus derUmgebung hinein (Motor hinter dem Kolben N) bzw. heraus (Generator hinter dem KolbenO). Wirwollen eine gewisse Gasmenge ins Auge fassen und die von der Umgebung am System geleistetenArbeiten berechnen. Für diese Arbeiten gilt wegen des konstanten Drucks pNVN bzw. pOVO. Der für dasSystem resultierende Energiegewinn führt zur Erhöhung der Inneren Energie, wobei vorausgesetztwird, dass kein Energietransport durch Wärmeleitung über die Drossel hinweg auftritt.

(10.4.1)

oder

(10.4.2)

Die Enthalpie ändert sich also während des Prozesses nicht. Daher rührt auch der Name isenthalpischerDrosseleffekt; eine andere Bezeichnung ist Joule-Thomson-Effekt.Der Joule-Thomson-Effekt wird in der Technik zur Abkühlung und Verflüssigung von Gasen benutzt.

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Zur Berechnung der auftretenden Temperaturerniedrigung schreiben wir das totale Differenzial vonh(T,p) auf und setzen für den isenthalpischen Fall dh = 0

(10.4.3)

Die daraus folgende Gleichung ist auch direkt aus der entsprechenden Gleichung im mathematischenTeil herleitbar.

(10.4.4)

h(MT/Mp) ist die interessierende Größe; sie wird als Joule-Thomson-Koeffizient * bezeichnet. Mit Gl.(12.1.16), die das Analogon zu Gl. (7.2.4) darstellt

(10.4.5)

erhält man

(10.4.6)

Für ein Ideales Gas findet man * = 0. Für ein van-der-Waals-Gas ist die vollständige Berechnungkompliziert. Einfacher geht es mit der van-der-Waals-Gleichung in der Virialform

(10.4.7)

Damit ergibt sich

(10.4.8)

(10.4.9)

Offensichtlich ist sowohl * < 0 als auch * > 0 möglich. Die Temperatur bei der * = 0 wird, wird als

IInversionstemperatur T bezeichnet.

(10.4.10)

Die Inversionstemperatur entspricht also der doppelten Boyle-Temperatur (s. Gl. (1.3.3.12)). Der Joule-Thomson-Effekt wird großtechnisch zur Kühlung von Gasen und zur Gasverflüssigung eingesetzt. Dastechnische Verfahren besteht aus folgenden Schritten:

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Abb. 28 Gasverflüssigung

1) Gaskompression2) Kühlung des durch die Kompression erhitzten Gases mit Luftoder Kühlwasser.3) Abkühlung durch Entspannung in einem Drosselventil.4) Zur Tiefkühlung wird ein Gegenstromverfahren benutzt, bei demdie abgekühlten Gase neu zuströmendes Gas vor der Drossel vor-kühlen (siehe Abb. 28).

Voraussetzung für die Anwendung des Joule-Thomson-Verfahren ist

h* = (MT/Mp) > 0, da bei einer Druckerniedrigung eine Abkühlung

2 2auftreten soll. Viele Gase wie O und N erfüllen diese Bedingung

2bereits bei Raumtemperatur. H muss dagegen auf 224 K und Hesogar auf 35 K vorgekühlt werden.

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11 Reaktionsenthalpien und Reaktionsenergien

11.1 Definitionen, Zusammenhang zwischen )H und )UChemische Reaktionen werden üblicherweise bei konstantem Druck durchgeführt. In den meistenFällen entspricht der Druck einfach dem Luftdruck, der mit ausreichender Genauigkeit als konstant undmit 1 bar angesetzt werden kann. Wir werden daher fast vollständig auf eine Diskussion der InnerenEnergie verzichten.Bei einer chemischen Reaktion ändert sich nun der letzte Term der Gl. (9.5)

(11.1.1)

Wir wollen bei unserem Gedankenexperiment p und T konstant halten, d. h. wir führen die ab-zugebende Enthalpie unter Konstanthaltung von T in ein anderes System über, z. B. in einen Thermo-staten.

iÄhnlich wie bei der Diskussion der Gleichgewichte sind die dn nicht frei variabel, sondern hängen

iüber die stöchiometrischen Koeffizienten < der Reaktion

(11.1.2)

mit dem Umsatz > wie folgt zusammen

(11.1.3)

Mit Gl. (11.1.1) ergibt sich damit bei konstantem p und T:

(11.1.4)

Unter der Reaktionsenthalpie wird nun

(11.1.5)

verstanden. Bei einer Festkörperreaktion, bei der die einzelnen Komponenten als reine Substanzenvorliegen, ist Gl. (11.1.5) einfach zu verstehen. Die Reaktionsenthalpie, d. h. die Enthalpieänderung

i ibei einem Umsatz von < mol aller R , entspricht der Summe aller molaren Enthalpien multipliziert mitden stöchiometrischen Koeffizienten. Die Vorzeichen der stöchiometrischen Koeffizienten bewirken,dass die molaren Enthalpien der Edukte und Produkte mit dem richtigen Vorzeichen eingehen.Entsprechend definieren wir die Reaktionsenergie

(11.1.6)

Zu den Einheiten von )H und )U ist folgendes zu bemerken. Da die stöchiometrischen Koeffizienteneinheitenfrei sind, weist der Umsatz wegen Gl. (11.1.3) die Einheit "mol" auf. )H und )U weisendaher die Einheit J/mol bzw. kJ/mol auf. Die Vorzeichen der beiden Reaktionsgrößen sind durch dieGFF festgelegt. Fließt bei konstant gehaltener Temperatur Enthalpie bzw. Innere Energie aus demSystem ab, so sind )H bzw. )U negativ (exotherme Reaktion); andernfalls sind sie positiv (endo-therme Reaktion).Der Zusammenhang zwischen )H und )U lässt sich aus einer Überlegung, wie sie bereits bei der

p LDiskussion der Differenz der Molwärmen c und c durchgeführt wurde, gewinnen. Analog finden wirfür den isothermen Fall

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(11.1.7)

und führen das Differenzial von U(V,>) bei T = const. ein

(11.1.8)

Bildung der Ableitung M/M> bei konstantem p und T ergibt

(11.1.9)

wobei (MV/M> ) die bei einem Formelumsatz auftretende Volumenänderung ist, die im folgenden mit)V bezeichnet wird.

(11.1.10)

a) Zuerst soll eine Reaktion zwischen Idealen Gasen untersucht werden. Es gilt

(11.1.11)

Formal lässt sich der Term p)V wie folgt berechnen (mit etwas Nachdenken geht es auch ohneRechnung)

(11.1.12)

Die Endformel für den Fall Idealer Gase lautet daher

(11.1.13)

)< ist die (vorzeichenbehaftete) Summe der stöchiometrischen Koeffizienten der Reaktionsgleichung.

2 2 3Beispiel: N + 3 H 6 2 NH )< = &2

b) Bei Reaktionen in kondensierter Phase ist )V so klein, dass der letzte Term in Gl. (11.1.10) i. a. ver-nachlässigt werden kann, d. h. )H = )U.

c) Entsteht ein Ideales Gas bei einer Reaktion in kondensierter Phase, so wird man nach der vor-angehenden Diskussion nur den Term p)V zu berücksichtigen haben, d. h.

(11.1.14)

gwobei < der stöchiometrische Koeffizient des Gases ist. Ein Beispiel zu c):

3 2 Ca CO 6 Ca O + C O

Bei 25 C ist die Reaktionsenthalpie bekannt. Sie beträgt )H = 178,1 kJ/mol. Die Reaktion wird�

jedoch unter diesen Bedingungen kaum ablaufen. Für die Reaktionsenergie findet man

)U = (178,1 & 1 @ 8,314 @ 298,15 @ 10 ) kJ/mol = (178,1 & 2,5) kJ/mol = 175,6 kJ/mol.&3

11.2 Temperaturabhängigkeit von )H und )UDie Temperaturabhängigkeiten von )H und )U lassen sich in einfacher Weise durch eine Vertau-schung der Differenziationsreihenfolge berechnen.

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(11.2.1)

Analog gilt

(11.2.2)

p V p VC und C sind die Wärmekapazitäten (besser Enthalpie- bzw. Energiekapazität) und )C und )C sinddie Änderungen bei einem Formelumsatz, d. h. es wird nicht auf 1 mol bezogen, sondern auf einenFormelumsatz. Bestehen zwischen den Reaktionspartnern des Systems keine Wechselwirkungen, d. h.bei Reaktion Idealer Gase, Festkörperreaktionen und Reaktionen in idealen Lösungen, so lassen sichdie )C aus den Molwärmen berechnen.

(11.2.3)

Es sind also die Molwärmen mit den vorzeichenbehafteten stöchiometrischen Koeffizienten zumultiplizieren.Die Integration von Gl. (11.2.1) ergibt unter Verwendung von (11.2.3)

(11.2.4)

p,iund mit der Annahme c � f(T) findet man

(11.2.5)

Diese Gleichung ist auch unter dem Namen "Kirchhoffscher Satz" bekannt. Bei einer Temperaturab-hängigkeit der Molwärmen muss die Integration mit Gl. (11.2.4) ausgeführt werden.

Die vorstehende Ableitung ist ein typisches Beispielfür eine formale thermodynamische Argumentation.Das ist der moderne, heute übliche Weg. Früher hatman den Beweis anders geführt. Dazu wird die Re-aktion bei zwei verschiedenen Temperaturen mitentsprechenden Abkühlungen und Erwärmungen imKreis geführt, so dass nach diesem Prozess wiederder Ausgangszustand entsteht und daher )H = 0 ist.Die Enthalpiebilanz für diesen Kreisprozess ist:

(11.2.6)

oder

(11.2.7)

Wir erhalten das gleiche Ergebnis. Die Voraussetzungen, unter denen das Ergebnis gültig ist, sindjedoch bei vielen Kreisprozessen schlechter erkennbar als bei der formalen Rechnung.Gl. (11.2.4) bzw. (11.2.5) sind für viele technische Anwendungen wichtig, da die Reaktionsenthalpienmeistens nur für 25 C tabelliert sind und Reaktionen oft bei höheren Temperaturen durchgeführt�

werden.

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Ein Beispiel für eine Berechnung:

2 2 2 g 2 H + O 6 2 H ODie Reaktionsenthalpie bei 25 C findet man in Tabellenwerken (siehe Anhang).�

25/)H = &483,6 kJ/molEs soll )H bei 350 K berechnet werden. Für die Molwärmen findet man in Tabellen:

= 28,8; = 29,1; = 33,6 J K mol &1 &1

p )C = 2@33,6 & 2@28,8 & 29,1 = &19,5 J K mol &1 &1

350 )H = &483,6 & 19,5 (350 & 298,15)@10 = &484,6 kJ/mol &3

11.3 Heßscher SatzDer Heßsche Satz besagt: Die Reaktionsenthalpien und -ener-gien sind unabhängig vom Weg, auf dem die Reaktion durch-geführt wird.Ein Nachweis dieses Satzes ist eigentlich nicht notwendig, dadie Enthalpie eine Zustandsfunktion ist und dementsprechenddie Enthalpiedifferenz zwischen den Zuständen Produkte undEdukte einen festen Wert aufweisen muss. Die Reaktionsenthalpie entspricht dieser Enthalpiedifferenzund muss daher unabhängig vom Weg sein. Die Argumentation gilt in gleicher Weise für die Re-aktionsenergie.Etwas anschaulicher ist vielleicht die folgende Argumentation.Zuerst wird die Behauptung bewiesen: Die Reaktionsenthalpien für eine Reaktion und ihre Rück-

Hin Rückreaktion müssen bis auf das Vorzeichen übereinstimmen. Annahme: )H � &)H . Man führt die

Hin RückReaktion im Kreis und findet für den Gesamtprozess )H = )H + )H � 0. Das verletzt den

Hin RückErhaltungssatz für die Enthalpie bei p = const. Es muss also gelten )H = &)H .

I IIJetzt wird der Heßsche Satz bewiesen. Annahme: )H � )H . Man lässt die Reaktion I rückwärtslaufen und führt den Prozess im Kreis.

(11.3.1)

IDas verletzt jedoch den Erhaltungssatz für die Enthalpie. Die Annahme der Ungleichheit von )H und

II)H ist unzulässig. Die beiden Reaktionsenthalpien müssen gleich sein.

11.4 Reaktionsenthalpien aus VerbrennungsenthalpienDer Heßsche Satz erlaubt die Bestimmung vonReaktionsenthalpien für Reaktionen, die direktnicht durchgeführt werden können. Als Beispielwollen wir Reaktionsenthalpien aus Verbren-nungsenthalpien bestimmen. Dabei wählen wirdie nebenstehend dargestellten Wege. Da dieVerbrennungsprodukte der Edukte und Produkteübereinstimmen, gilt

(11.4.1)

Der Index c kommt von "combustion". Die Größen der rechten Seite werden noch in einer Summezusammengefasst

(11.4.2)

iSind also die Verbrennungsenthalpien )H aller Reaktionspartner bekannt, so kann die Reaktions-c

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enthalpie nach Gl. (11.4.2) bestimmt werden. Dieses ist insbesondere für organische Verbindungen einwichtiges Verfahren, da die meisten Reaktionen organischer Verbindungen nicht vollständig ablaufen,aber fast alle organischen Verbindungen gut verbrennbar sind. Eine Schwierigkeit besteht darin, dassdie Reaktionsenthalpie aus einer Differenz großer Zahlen berechnet wird. Die Verbrennungsenthalpienmüssen daher sehr genau bekannt sein.

11.5 Reaktionsenthalpien aus BildungsenthalpienWären die absoluten Enthalpiewerte der Reaktionspartner bekannt und dürften & wie schon früherdiskutiert & jegliche Wechselwirkungen zwischen den Reaktionspartnern vernachlässigt werden, sofindet man mit Gl. (11.1.5)

(11.5.1)

iwobei die h die molaren Enthalpien der Reaktionspartner sind. Die absoluten Enthalpiewerte, d. h. diefür die Erzeugung der Reaktionspartner aus dem Vakuum heraus aufzuwendenden Enthalpien, stehen

inun nicht zur Verfügung. Zur Verfügung stehen in Tabellenwerken die Bildungsenthalpien )H . DasB

sind die Reaktionsenthalpien für die Bildungder Verbindungen aus den Elementen unterStandardbedingungen. Die Standardbedingun-gen sind 25 C und (leider) 1 atm, d. h.�

1,01325 bar. Wenn nicht anders vermerkt,beziehen sich die Daten immer auf die unterdiesen Bedingungen stabilen Modifikationen.Wie erhält man die Reaktionsenthalpien ausden Bildungsenthalpien? Analog zur Bestim-mung aus den Verbrennungsenthalpien findetman

(11.5.2)

(11.5.3)

Vorausgesetzt wird dabei, dass die zwischen den Reaktionspartnern möglichen Wechselwirkungenvernachlässigt werden können. Genauer gesagt: sowohl zwischen den Edukten als auch zwischen denProdukten soll es keine Mischungsenthalpien geben.Der Vergleich von Gl. (11.5.1) und (11.5.3) zeigt, dass man für diesen Zweck mit den Bildungs-enthalpien wie mit den absoluten Enthalpien rechnen kann, da die Absolutwerte der Elemententhalpienbei der Rechnung herausfallen.Dieses Verfahren funktioniert natürlich nicht mehr, wenn Kernumwandlungen zugelassen werden! EinBlick in die Tabelle im Anhang zeigt, dass für alle Elemente (natürlich!) )H = 0 gilt. Die bei Kern-B

umwandlungen auftretenden Enthalpieunterschiede sind definitionsgemäß nicht erfaßt.Wie erhält man die Bildungsenthalpien? Für viele anorganische und fast alle organischen Verbindun-gen gelingt das über die Verbrennungsenthalpien der Elemente und der entsprechenden Verbindungnach Gl. (11.4.2). Zusätzlich gibt es im Bereich der Anorganischen Chemie noch viele Reaktionen, dievermessen werden können, da diese oft schnell und quantitativ ablaufen. Auch die Kombinationmehrerer Reaktionen über den Heßschen Satz kann die interessierende Bildungsreaktion ergeben.Ein Beispiel für die Bestimmung einer Reaktionsenthalpie: die Hydrierungsenthalpie von Acetylen zuEthan

2 2 2 2 6 C H + 2 H 6 C H

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Abb. 33 Kalorimeter

Abb. 34 Kalorimeter für Gase

(11.5.4)

11.6 KalorimeterKalorimeter (von lat. calor: Wärme) sind Apparaturen, mit denen Molwärmen, Reaktionsenthalpien,Umwandlungsenthalpien usw. bestimmt werden können.

11.6.1 Bestimmung von MolwärmenIm Prinzip ist ein dafür geeignetes Kalori-meter bereits bei der Diskussion der GFFF inKap. 4 beschrieben worden. Der Aufbau istim Grund einfach, im Detail jedoch wegenunterschiedlicher und teilweise extremer An-forderungen (Gase, Festkörper; Messungenbei 1 K, 2000 K, 0,1 bar, 10 kbar) sehrkompliziert. Ein Gerät für Flüssigkeiten undFestkörper bei Normaldruck und nicht zuextremen Anforderungen bei der Temperaturzeigt Abb. 33. Wichtig sind die adiaba-tischen Wände (Vakuum, Verspiegelung),die den Energieaustauch zwischen Probenge-fäß und Umgebung weitgehend verhindern.Die Molwärme bei konstantem Druck wirdmit diesem Gerät wie folgt bestimmt. Manlässt über die Heizwicklung elektrische Ener-gie in die Probe fließen und bestimmt dieTemperaturänderung der Probe. Bei konstantem Druck gilt

(11.6.1.1)

pBleiben die Temperaturänderungen bei einem Messvorgang so klein, dass c als konstant angesehenwerden kann, folgt

(11.6.1.2)

und

(11.6.1.3)

Elwobei E die während eines Experiments indas Kalorimeter fließende elektrische Ener-gie darstellt. Der Anteil der Wärmekapazitätdes Probengefäßes ist mit einem zweitenVersuch zu bestimmen.Für Gase kann ein derartiges Kalorimeternicht verwendet werden, da die Wärmekapa-zität des Gases im Vergleich zum Probenge-fäß zu klein wäre. Für Gase werden daherKalorimeter mit einem kontinuierlichenGasstrom eingesetzt. Durch das mehrfacheGegenstromverfahren verhindert man einen

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Abb. 35 ReaktionskalorimeterAbb. 36 Reaktionskalorimeter

Energieabfluss nach außen. Die Auswertung ergibt sich aus Gl. (11.6.1.2) durch Differenziation nachder Zeit zu

(11.6.1.4)

und

(11.6.1.5)

wobei N die von der Heizwicklung abgegebene elektrische Leistung bedeutet. Die Temperaturdifferenzkann mit einem Thermoelement bestimmt werden.

11.6.2 Bestimmung von Reaktionsenthalpien in kondensierter PhaseVor der Reaktion müssen die Edukte getrennt in das Kalorimeter eingebracht werden. Das Reak-tionsgefäß muss diese Trennung, die anschließende Vereinigung der Edukte und den sicheren Ein-schluss der Produkte erlauben. Einige Reaktionsgefäße zeigen die Abbildungen 35 und 36. In den dreiersten Reaktionsgefäßen kann eine der Flüssigkeiten durch einen Festkörper ersetzt werden.

Bei der Ampulle wird die die Reaktanden trennende Glasfläche mit der u. U. ummantelten Stahlkugeldurchschlagen. Bei dem Rohrsystem wird die Glasspitze des inneren Rohrs durch Andrücken gegendas äußere Rohr zerbrochen. Das letzte Gefäß ist eine Verbrennungsbombe, in welcher der Presslingmit der Zündwicklung lokal kurz erhitzt wird, so dass die Verbrennung in dem unter einem Druck vonetwa 20 bar stehenden Sauerstoff eingeleitet wird. Die Reaktionsgefäße werden in das eigentlicheKalorimeter eingesetzt. Eine mögliche Form ist das in Abb. 37 dargestellte Wasserkalorimeter. Zur Bestimmung der Reaktionsenthalpie soll eigentlich der Druck konstant gehalten werden. Dies kannin einigen Reaktionsgefäßen, z. B. dem Rohrreaktor, eingehalten werden. In vielen Fällen sind dieGefäßvolumina über den Reaktanden evakuiert und weisen dann den Dampfdruck der Reaktanden auf.In fast allen Fällen können die Unterschiede zwischen )H und )U bei Reaktionen in kondensierterPhase vernachlässigt werden kann.Die Auswertung ergibt sich nach Gl. (9.5) bei p = const. zu

(11.6.2.1)

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Abb. 37 WasserkalorimeterAbb. 38 Wärmeflusskalorimeter

Abb. 39 Temperaturverlauf im Wär-meflusskalorimeter

(11.6.2.2)

Das negative Vorzeichen ist richtig, da bei MT/M> > 0 )H negativ sein muss. Die Wärmekapazität desKalorimeters samt Reaktionsgefäß wird in einem zweiten Versuch durch die Zufuhr elektrischerEnergie bestimmt.Schließlich soll noch ein Wärmeflusskalorimeter erwähnt werden, das insbesondere für den Bereichhoher Temperaturen eingesetzt werden kann. Bei diesemKalorimeter wird gerade ein definierter Wärmefluss zwi-schen Reaktionsgefäß und einem auf der Ausgangstempe-ratur befindlichen, dickwandigen Metallrohr zugelassen. DieTemperaturdifferenz zwischen dem Reaktionsgefäß bzw.einem dieses direkt umschließenden dünnwandigen Metall-rohr und dem äußeren Rohr wird durch eine große Zahlhintereinander geschalteter Thermoelemente gemessen.Abb. 39 zeigt den Verlauf dieser Temperaturdifferenz )Tnach der Reaktion in Abhängigkeit von der Zeit. Die unterdieser Kurve liegende Fläche ist proportional zur freigesetz-ten Enthalpie. Die Eichung des Kalorimeters kann entwedermit einer elektrischen Heizung oder durch Vermessung einerReaktion mit bekannter Reaktionsenthalpie vorgenommenwerden.

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12 EntropieNach der kurzen Diskussion in Kap. 3 wollen wir uns mit Freude an die ausführliche Behandlung derunanschaulichsten Größe der Thermodynamik begeben.

12.1 Entropie als Funktion von p, V, T für reine PhasenDie GFF ergibt

(12.1.1)

wenn alle anderen extensiven Größen, insbesondere V und n, konstant gehalten werden. Unter diesenBedingungen folgt für 1 mol

(12.1.2)

und durch Division

(12.1.3)

Wem die Division nicht gefällt, der kann auch das totale Differenzial von s(T,V) hinschreiben und mitGl. (12.1.2) mit dem gleichen Ergebnis vergleichen.Analog zu Gl. (12.1.3) gilt bei konstantem Druck

(12.1.4)

T TDie Ableitungen (MS/MV) und (MS/Mp) erhalten wir aus den Differenzialen der Freien Energie und derFreien Enthalpie

(12.1.5)

(12.1.6)

durch Anwendung des Schwarzschen Satzes

(12.1.7)

(12.1.8)

Diese Gleichungen werden als Maxwellsche Beziehungen bezeichnet. Die Gl. (12.1.3) und (12.1.7)sowie (12.1.4) und (12.1.8) kann man in zwei totalen Differenzialen zusammenfassen

(12.1.9)

(12.1.10)

Diese beiden Gleichungen erlauben es uns, die beiden bereits häufig verwendeten Gleichungen für

T T T(MU/MV) bzw. (MH/Mp) abzuleiten. Für (MU/MV) ist das zwar bereits in Kap. 7.2 erfolgt; aus Sym-metriegründen erfolgt es hier noch einmal. Die GFF wird umgeschrieben und entsprechend wird mitdem Differenzial der Enthalpie verfahren

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(12.1.11)

(12.1.12)

du und dh werden durch die Differenziale von u(T,L) und h(T,p) ersetzt.

(12.1.13)

(12.1.14)

Der Vergleich mit (12.1.9) und (12.1.10) ergibt

(12.1.15)

(12.1.16)

Zuerst wollen wir die Gleichungen (12.1.9) und (12.1.10) auf ein Ideales Gas anwenden. Wir erhaltenmit (Mp/MT) = R/L und (ML/MT) = R/p

(12.1.17)

(12.1.18)

Bei Annahme temperaturunabhängiger Molwärmen ergibt die Integration

(12.1.19)

(12.1.20)

Im Prinzip genügt eine dieser Gleichungen zur Berechnung der Entropieänderung bei beliebigen

2 1 2 1Prozessen in Idealen Gasen, da L /L und p /p zusammenhängen. Ersetzt man die Volumina in deroberen Gleichung durch die aus dem Idealen Gasgesetz folgenden Ausdrücke, ergibt sich die untereGleichung. Mit )s = 0 ergeben sich aus Gl. (12.1.19) und (12.1.20) direkt die Poissonschen Glei-chungen (10.3.7) und (10.3.9).Für den Fall realer Gase und kondensierter Phasen wollen wir uns nur die Temperaturabhängigkeit beikonstantem Druck ansehen. Aus (12.1.4) folgt

(12.1.21)

Für den Fall temperaturunabhängiger Molwärmen folgt

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(12.1.22)

Ähnlich wie bei der Enthalpie gilt diese Formel nur innerhalb einer Phase und darf nicht über einePhasenumwandlung hinweg verwendet werden. Die Änderung der Entropie über eine Phasenumwand-lung hinweg wird als Umwandlungsentropie (Schmelzentropie, Verdampfungsentropie) bezeichnet. Sielässt sich aus der Umwandlungsenthalpie bzw. -energie berechnen. Es gilt bei konstantem Druck bei

Uder Umwandlungstemperatur T

(12.1.23)

Für die Umwandlung gilt dnN = &dnO und im Gleichgewicht ist :N = :O, so dass die beiden letztenTerme entfallen.

(12.1.24)

oder

(12.1.25)

oder

(12.1.26)

Diese Gleichung gilt nur für die Umwandlung im Gleichgewicht!Im Prinzip ist es mit den Gleichungen (12.1.21) und (12.1.26) möglich, falls die entsprechenden Datenzur Verfügung stehen, die Entropie jeder Verbindung bezogen auf den Entropiewert bei 0 K zuberechnen

(12.1.27)

Die Untersuchung der GFF zeigt nun, dass alle intensiven und extensiven Größen & außer derEntropie & absolut festgelegte Größen sind. Es ist daher zu erwarten, dass dieses auch für die Entropiegilt.Planck hat aufgrund experimenteller Erkenntnisse und theoretischer Überlegungen den Vorschlag

0gemacht, die Nullpunktsentropie S für reine, ideal aufgebaute Kristalle Null zu setzen. Diese Annahmewird auch als 3. Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet. Wegen des engen Zusammenhangs dieserAnnahme mit Überlegungen aus der Statistischen Thermodynamik wollen wir uns kurz die Begrün-dung aus der Statistischen Thermodynamik ansehen.Die Quantenmechanik zeigt, dass die Materie Energie nicht kontinuierlich aufnehmen kann, sonderndass die Energiezustände der Atome und Moleküle i. a. gequantelt, d. h. & wenn auch u. U. sehr eng &diskontinuierlich sind. Unter der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit W versteht man die Zahl derMöglichkeiten, ein thermodynamisch definiertes System über diese Energiezustände zu verteilen.Dabei sollen alle Fälle gezählt werden, die mit dem gegebenen thermodynamischen Zustand verträglichsind. S ist nun eine unbekannte Funktion der thermodynamischen Wahrscheinlichkeit

(12.1.28)

Die funktionelle Abhängigkeit lässt sich nun relativ einfach mit folgender Methode bestimmen. Man

1 1 2 2stelle zwei Systeme (mit S , W und S , W ) nebeneinander. Dann gilt für das Gesamtsystem

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(12.1.29)

(12.1.30)

Das Produkt ergibt sich aus der Unabhängigkeit der Wahrscheinlichkeiten. Mit Gl. (12.1.28) folgtdaraus

(12.1.31)

1 2Die gemischte partielle Ableitung nach W und nach W ergibt

(12.1.32)

oder

(12.1.33)

Die Lösung dieser Differenzialgleichung ist

(12.1.34)

Die Durchrechnung eines Beispiels, z. B. ein Gas in einem vorgegebenen Volumen, ergibt für a die

ABoltzmann-Konstante k = R/N . Um eine Übereinstimmung mit dem dritten Hauptsatz zu erhalten,muss die Konstante C verschwinden.

(12.1.35)

Diese berühmte Gleichung wurde zuerst von Boltzmann diskutiert. Hat man nun einen reinen, idealaufgebauten Kristall, so gibt es bei 0 K nur eine Anordnungsmöglichkeit W, d. h. S = 0. Schwierigerwird der Fall beim Vorliegen von Isotopengemischen. Für einen aus einer Isotopenmischung aufgebau-

0ten Kristall muss es die bereits kurz diskutierte Mischungsentropie geben, d. h. S � 0. In der Chemiebleibt nun diese Isotopenmischung i. a. erhalten, d. h. dieser Mischungsterm bleibt bei allen Prozessen

0erhalten und muss daher nicht berücksichtigt werden. Man darf daher auch für diesen Fall S = 0setzen.Ein berühmtes Beispiel für einen experimentellen Hinweis auf die Entropien bei 0 K ist die Untersu-chung am Schwefel. Vom Schwefel gibt es eine rhombische Tieftemperaturmodifikation und einemonokline Hochtemperaturmodifikation. Der Umwandlungspunkt liegt bei 368,5 K. Die Hoch-temperaturmodifikation ist bei tiefen Temperaturen so stabil, dass die Molwärmen mit den be-schriebenen Verfahren bis zum Umwandlungspunkt bestimmt werden können. Man findet amUmwandlungspunkt nach einer Auswertung des Experiments mit Gl. (12.1.21)

(12.1.36)

Am Umwandlungspunkt gilt daher

(12.1.37)

Andererseits lässt sich die Umwandlungsentropie direkt aus der Umwandlungsenthalpie mit Gl.(12.1.26) bestimmen

(12.1.38)

od. h. )S = 0,13 J K mol bei einem geschätzten Fehler von ±0,65 J K mol . Innerhalb der experi-&1 &1 &1 &1

omentellen Genauigkeit gilt daher )S = 0. Dies hat man auch für eine Reihe anderer Umwandlungen

ound Reaktionen gefunden, so dass die Annahme S = 0 zulässig ist.Es gibt jedoch eine Reihe von Verbindungen, für die dieses nicht zutrifft. Ein Beispiel dafür ist daskristalline Kohlenmonoxid. In einem ideal aufgebauten Kristall sollten die CO-Moleküle mit einerdefinierten Orientierung der CO-Achse im Kristall vorliegen. In einem Realkristall sind jedoch die CO-

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Abb. 40 Gerät mit semipermeabler Membran

Moleküle nicht einheitlich ausgerichtet, sondern statistisch orientiert eingebaut. Dies hängt damitzusammen, dass der Energieunterschied für die unterschiedlichen Einbaurichtungen im Kristall sehrviel kleiner als kT bei der Kristallisation ist. Bei tiefen Temperaturen ist dann eine Drehung derMoleküle im Kristall nicht mehr möglich. Für diesen Fall lässt sich die Nullpunktsentropie relativ

Aeinfach aus Gl. (12.1.35) bestimmen. Jedes CO-Molekül kann 2 Lagen einnehmen. Für N Moleküleist daher die thermodynamische Wahrscheinlichkeit

(12.1.39)

(12.1.40)

Experimentell findet man auch einen Wert in dieser Größenordnung.

Die Entropiewerte werden für viele Zwecke benötigt. Sie sind daher für viele Verbindungen mitgroßem experimentellen Aufwand (siehe oben) bestimmt oder mit Hilfe der Statistischen Thermo-dynamik berechnet worden und werden in Tabellenwerken für Standardbedingungen angegeben (sieheAnhang).

12.2 MischungsentropieWährend sich U, H und V bei der Herstellung einer idealen Mischung (z. B. einer Mischung aus nichtwechselwirkenden Idealen Gasen) additiv verhalten, kann das bei der Entropie nicht der Fall sein, dadie Entropie nach (12.1.35) unterschiedlich sein muss, wenn zwei Gase getrennt oder gemischt eingegebenes Volumen erfüllen. Für die Berechnung der Mischungsentropie verwenden wir zwei IdealeGase 1 und 2 mit gleicher Temperatur und gleichem Druck.

p, T

1 1n , Vp, T

2 2n , V

1 2 1 2Es muss gelten n /n = V /V . Entfernt man die Trennwand, so läuft der irreversible und damit en-tropieerhöhende Mischungsvorgang ab. Zur Berechnung wird ein reversibler Prozess mit identischemAnfangs- und Endzustand durchgeführt. Da die Entropie eine Zustandsfunktion ist, ist dies erlaubt.Schritt I

1 2Isotherme Expansion beider Gase in reinem Zustand auf V = V + V

(12.2.1)

Schritt IIDie beiden Gase werden mit dem in Abb. 40 dar-gestellten Gerät ineinander geschoben: Der Platte

1P ist eine semipermeable Membran, die nur das

2Gas 1 durchlässt; P lässt nur das Gas 2 durch. DieGase lassen sich mit diesem Gerät ohne Kraftauf-wand ineinander schieben. Der Vorgang ist adi-abatisch und reversibel; daher gilt )S = 0. DieMischungsentropie besteht also nur darin, dassjedes Gas das Gesamtvolumen V einnehmen darf.

1 1 1 2Gl. (12.2.1) wird noch durch Einführung der Molenbrüche in der Mischung x = n /n = V /V und xumgeschrieben

(12.2.2)

Für 1 mol der Mischung finden wir schließlich

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Abb. 41 Temperaturausgleichzwischen zwei Körpern

(12.2.3)

Die Gleichung kann leicht auf Vielkomponentensysteme erweitert werden

(12.2.4)

iDa x < 1 gilt, folgt grundsätzlich )s > 0. Diese Aussage ist offensichtlich richtig, da die Entropie beidiesem irreversiblen Prozess zunehmen muss.Die Gleichung kann auch für flüssige Mischungen verwendet werden, wenn sich die Mischung idealverhält. Dies ist der Fall, wenn ähnliche Verbindungen miteinander gemischt werden.

12.3 Entropieänderung beim Temperaturausgleich zwischen zwei KörpernAn dieser Stelle wollen wir noch dieses im Kap. 4.1 begonnene Problem endgültig behandeln. DieEntropieänderungen für jeden Einzelkörper lässt sich mit (12.1.22) berechnen. Beim Vorliegen

0identischer Körper N und O wird die Endtemperatur T = (TN+TO)/2 betragen. Die Gesamtentropie-änderung ist daher

(12.3.1)

(12.3.2)

pwobei C die Wärmekapazität eines der Körper ist. Im Logarithmussteht nun das Verhältnis des arithmetischen zum geometrischenMittel der Ausgangstemperaturen. Dieses Verhältnis ist für unglei-che Temperaturen immer größer als 1, d. h. )S > 0, wie es sich füreinen irreversiblen Prozess gehört.

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13 Prozesse in isolierten zusammengesetzten Systemen

13.1 AllgemeinesProzesse in isolierten zusammengesetzten Systemen können nur so ablaufen, dass sich ein Term in derGFFF auf Kosten eines anderen ändert. Es gilt in einem aus zwei SystemenN und O zusammengesetztenisolierten System

(13.1.1)

Bei dem Prozess ist auf die Einhaltung des zweiten Hauptsatzes zu achten. Der erste Hauptsatz wirddurch Gl. (13.1.1) grundsätzlich erfüllt. Alle Prozesse gemäß Gl. (13.1.1.), bei denen sich die Entropienicht ändert, sind daher grundsätzlich möglich.Beispiele dafür sind:1) Kinetische Energie in Verschiebungsenergie (senkrecht nach oben geworfener Ball)2) Deformationsenergie in Rotationsenergie (Unruh einer Uhr)3) Deformationsenergie in Verschiebungsenergie und kinetische Energie (Masse an einer Feder im Gravitationsfeld)4) Elektrische Energie in Verschiebungsenergie (Entladung eines Kondensators über einen Elektromotor, der mit einer Seilwinde ein Gewicht im Gravitationsfeld der Erde hebt)

Falls die Umwandlung nicht vollständig erfolgt, ist das eine Folge mehr oder weniger großer Anteileanderer, meist irreversibler Prozesse, wie Luftreibung, bleibende Verformung von Federn, ohmscheWiderstände usw. Gl. (13.1.1) bleibt gültig; in solchen Fällen wird Entropie produziert und der TermTdS muss berücksichtigt werden.Falls bei der Umwandlung Entropie erzeugt wird, ist die Umwandlung mit dem 2. Hauptsatz ver-träglich und daher auch vollständig möglich. Beispiele dafür sind:1) Kinetische Energie in entropische Energie (Autobremse)2) Elektrische Energie in entropische Energie (Heizlüfter)Die entropische Energie fließt dann zumeist als Wärme in die Umgebung ab.Falls bei einer Umwandlung Entropie vernichtet werden würde, ist die Umwandlung grundsätzlichunmöglich. Beispiele dafür sind:Wärme in alle "entropiefreien" Energieformen wie elektrische Energie, Verschiebungsenergie usw. Esist noch nie beobachtet worden, dass ein Stein unter Abkühlung nach oben springt, obwohl das mit Gl.(13.1.1) verträglich wäre. Der technisch wichtige Prozess der Umwandlung von Wärme in Arbeit ist daher nur mit Kunstgriffenmöglich und erlaubt i. a. nur geringe Wirkungsgrade (siehe nächstes Kapitel).Kompliziert ist die Umwandlung chemischer Energie in andere Energieformen. Die Ablauffähigkeitchemischer Reaktionen wird in Kap. 16 diskutiert werden. Eine Möglichkeit zur Nutzung chemischerEnergie besteht darin, durch einen Verbrennungsprozess Wärme zu erzeugen und diese mit dem leiderniedrigen Wirkungsgrad weiter umzusetzen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der direkten Umset-zung in elektrische Energie in einer Brennstoffzelle (Kap. 26.3). Dies kann theoretisch zu Wirkungs-graden über 100 % (!) führen, da u. U. sogar Wärme aus der Umgebung mit verwendet werden kann.

2 2Bei einer Brennstoffzelle für die Reaktion C + O 6 CO beträgt der theoretische Wirkungsgrad bei1000 C etwa 200 %! Leider ist dieses Verfahren wegen technischer Schwierigkeiten heute noch nicht�

einsetzbar.

Im Kapitel 10.2 war gezeigt worden, dass es bei einer isothermen Gasexpansion eine vollständigeUmwandlung von Wärme in Arbeit gibt. Der vermeintliche Widerspruch zum 2. Hauptsatz ist keiner,da durch die Gasexpansion ein Entropiegewinn von )S = Q/T erfolgt und damit die Entropieerniedri-gung des Wärmereservoirs um )S = Q/T gerade aufgehoben wird. Für eine Wärmekraftmaschine lässt

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Abb. 42 Wärmekraftma-schine

sich dieses Umwandlungsverfahren nicht einsetzen, da das Gas unter Einsatz der gerade gewonnenenArbeit wieder komprimiert werden müsste. Auch eine Umgehung dieser Rück-Kompression durchVerwendung neu zuströmender Luft von 1 bar und Expansion auf einen kleineren Druck führt & wieman leicht einsehen kann & nicht zum Ziel.

13.2 Wirkungsgrad von WärmekraftmaschinenDie bisherigen Erkenntnisse gestatten in relativ einfacher Weise, den Wirkungsgrad von Wärme-kraftmaschinen (WKM) zu berechnen. Die von der WKM abgegebene elektrische Energie oderVerschiebungsenergie soll als Arbeit A bezeichnet werden. Die WKM benutzt Wärmereservoire. Dassind Systeme, in die bei einer bestimmten Temperatur Wärme hinein-oder herausfließen kann, ohne dass sich die Temperatur des Systemsändert. Eine sehr große Menge Wasser stellt ein Wärmereservoir dar.Eine WKM, die nur durch einen Wärmefluss aus einem einzigen Wär-mereservoir Arbeit leistet, kann es nicht geben (s. Kap. 4.1). Eine WKMmuss daher mindestens mit zwei Wärmereservoiren, einem Hoch-temperatur- (HTWR) und einem Niedertemperaturwärmereservoir(NTWR), arbeiten. Als Wirkungsgrad definieren wir die Größe

(13.2.1)

wobei in dieser und den folgenden Gleichungen die Vorzeichen von derWKM aus gesehen werden sollen. Das negative Vorzeichen vor A ver-hindert, dass der Wirkungsgrad eine negative Größe wird.Wir untersuchen jetzt folgende Behauptung: Alle reversibel und zyklischarbeitenden WKM zwischen zwei Wärmereservoiren mit gegebenenTemperaturen haben den gleichen Wirkungsgrad. Nachweis: Falls eseine reversibel und zyklisch arbeitende WKM mit einem größeren oderkleineren (!) Wirkungsgrad gäbe, führt das zu einem Widerspruch. Dazulässt man zwei WKM mit unterschiedlichen Wirkungsgraden "gegenein-ander" arbeiten. Die WKM mit dem größeren Wirkungsgrad erzeugt viel Arbeit und gibt wenig Wärmean das NTWR ab. Mit der zweiten, umgedreht laufenden Maschine wird die wenige Abwärme aus demNTWR mit einem hohen (!) Wirkungsgrad wieder in das HTWR gepumpt. Im Endeffekt ist so Arbeitdurch Wärmeentzug aus einem Wärmereservoir entstanden.

2 1z. B.: 1. WKM (0 = 80%): Q = 100 J, A = &80 J, Q = &20 J

2 12. WKM (0 = 50%): Q = &40 J, A = 20 J, Q = 20 J

2Gesamtprozess: Q = 60 J, A = &60 JDas ist nicht erlaubt (siehe oben).Zur Berechnung des Wirkungsgrads faßt man die WKM und die beiden Reservoire zu einem Systemzusammen, in dem ein adiabatischer und reversibler, d. h. isentroper, Prozess abläuft. Vergleicht mannun den Systemzustand mit dem nach einem Zyklus, so haben sich der Zustand und damit die Entropieder WKM nicht geändert (d. h. ja gerade zyklisch). Bezeichnet man die Entropieänderungen der WR

1 2 1 2bei den Temperaturen T und T mit )S und )S , so gilt

(13.2.2)

und daher mit Gl. (8.18)

(13.2.3)

Weiterhin gilt aufgrund des 1. Hauptsatzes

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Abb. 43 Carnotprozess

(13.2.4)

Aus diesen beiden Gleichungen folgt

(13.2.5)

und schließlich

(13.2.6)

für jede reversibel und zyklisch arbeitende WKM. Eine WKM, mit der dieses prinzipiell durchführbarist, werden wir weiter unten kennenlernen. In der Praxis werden durch Irreversibilitäten (Reibungs-verluste, Verluste durch endliche Wärmeleitfähigkeiten) geringere Wirkungsgrade erreicht. DieÜbertragung der Diskussion am Anfang dieses Kapitels auf eine WKM mit teilweise irreversiblenProzessen zeigt, dass der Wirkungsgrad für eine derartige WKM zwischen 0 und dem in Gl. (13.2.6)angegebenen Wirkungsgrad liegen muss.Bei einer Wärmepumpe interessiert das Verhältnis der bei der höheren Temperatur abgegebenenWärme zur eingesetzten Arbeit. Als Wirkungsgrad wird daher

(13.2.7)

2 1 Pdefiniert. Ist die Differenz T & T klein, so lassen sich hohe Wirkungsgrade 0 >> 1 erzielen.Bei einem Kühlaggregat interessiert das Verhältnis der bei der niedrigen Temperatur entzogenenWärme zur eingesetzten Arbeit. Als Wirkungsgrad wird daher

(13.2.8)

definiert. Mit Gl. (13.2.4) folgt aus Gl. (13.2.6)

(13.2.9)

13.3 Carnot-ProzessEine Realisierung einer reversiblen, zyklischen Wärmekraftmaschi-ne, die zwischen zwei Wärmereservoiren arbeitet, ist der Carnot-Prozess (Sadi Carnot, franz. Ingenieur, Anfang 18. Jahrhundert). Erbesteht aus einer Abfolge von vier Schritten, die in Abb. 43 und derfolgenden Tabelle beschrieben sind. Der Prozess wird hier mit 1mol eines Idealen Gases durchgeführt.

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Tab. 13.3.1 Arbeiten und Wärmen beim Carnot-Prozess

2 1Schritt Prozess A Q Q

1 Isotherme Expansion

2 21 22bei T von V auf V0

2Adiabatische Expansion

2 22 1 12von T , V auf T , V0 0

3Isotherme Kompression

1 12 11bei T von V auf V0

4Adiabatische Kompressi-

1 11 2 21on von T , V auf T , V0 0

E Gesamtprozess

Alle Vorzeichen werden von der WKM aus gesehen. Bei der Berechnung der sich insgesamt er-gebenden Arbeit wird die aus folgender Überlegung resultierende Gleichheit der Volumenverhältnisseverwendet:

(13.3.1)

Durch Division dieser zwei Gleichungen folgt:

(13.3.2)

Der Wirkungsgrad einer Carnot-Maschine

(13.3.3)

stimmt natürlich mit dem oben berechneten Wirkungsgrad (Gl. (13.2.5)) überein.

13.4 Thermodynamische TemperaturskalaGl. (13.2.3) kann auf die Form

(13.4.1)

gebracht werden. Diese Gleichung bzw. Gl. (13.2.6) geben prinzipiell die Möglichkeit, Verhältnissevon Temperaturen über Energiemessungen zu bestimmen. Zur Festlegung des absoluten Wertes mussein Wert festgesetzt werden. Dies ist der Wert T = 273,16 K für den Tripelpunkt des Wassers (dazusiehe Kap. 5.5 und 17.5). In der traditionellen Darstellung der Thermodynamik und in gesetzlichenVorschriften werden diese Gleichungen als Definition der thermodynamischen Temperatur bezeichnet.Da diese Gleichungen aus der erheblich fundamentaleren Gl. (3.7) folgen, führt dies zum gleichenErgebnis wie die Definition mit Gl. (3.7).Natürlich wird keiner ernsthaft versuchen, aus dem Wirkungsgrad einer niemals idealen WKM oder

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gemäß Gl. (3.7) Temperaturen zu bestimmen. Bei der Diskussion der Idealen Gasgleichung hatten wirbereits festgestellt, dass sich präzise Gasthermometer über die Proportionalität p % T bei V = const.aufbauen lassen und gezeigt, dass die damit bestimmten Temperaturen mit der thermodynamischenTemperatur übereinstimmen.Da auch der Umgang mit Gasthermometern aufwändig ist, hat man in der ITS-90 (InternationaleTemperaturskala 1990) eine Reihe von Fixpunkten durch Vermessung mit Gasthermometern festgelegt(neben dem Tripelpunkt von Wasser bei 273,16 K werden darin z. B. der Tripelpunkt von Neon(24,5561 K) und der Erstarrungspunkt von Zink (692,677 K) festgelegt), zwischen denen im Bereichmittlerer Temperaturen mit Widerstandsthermometern interpoliert wird. Bei den Widerstandsthermo-metern wird die Temperatur über die Temperaturabhängigkeit eines Platinwiderstands bestimmt.Die Hierarchie der Temperaturskalen sieht daher wie folgt aus:1) Thermodynamische Temperatur gemäß Gl. (3.7).2) Temperatur entsprechend Gl. (13.2.6) bzw. (13.4.1). Die so definierte Temperatur stimmt mit derTemperatur entsprechend 1) überein.3) Gasthermometrische Temperatur entsprechend Gl. (1.2.8). Die so definierte Temperatur stimmt mitder Temperatur entsprechend 1) überein.4) Internationale Temperaturskala 1990. Diese stimmt weitgehend (im Bereich mittlerer Temperaturenbesser als 1 mK), aber nicht exakt mit der Temperatur entsprechend 1) überein.

13.5 Sprache und naturwissenschaftliche ErkenntnisseDie Sprache hat sich lange vor den Naturwissenschaften entwickelt. Jede Sprache enthält Kon-struktionen, die den naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand der Zeit ihrer Entstehung widerspiegeln.Man hat lange Zeit die Begriffe "Wärme" und "Temperatur" nicht auseinander halten können. Sobezeichnet man einen Körper als "warm" und man "erwärmt" ihn, wobei letzteres nicht ausdrückensoll, dass man ihm Wärme zuführt, sondern seine Temperatur erhöht. "Erwärmen" und "Abkühlen"sollten durch "Zutempern" und "Abtempern" ersetzt werden und "warm" und "kalt" durch "temp" und"untemp". Dies lässt sich heute wohl nicht mehr erreichen.Wärme ist eine Prozessgröße. Deswegen sind Aussagen, wie z. B. "Dem System wird Wärme entzo-gen" nicht korrekt, da sie implizieren, dass das System Wärme enthält. Korrekt & aber nicht üblich &ist dagegen die Aussage: Die Änderung der Energie des Systems erfolgt durch Wärme.Überträgt man den Begriff "Wärmereservoir" oder noch schlimmer "Wärmespeicher" auf den Fall desDrucks, so gäbe es kein Druckreservoir, sondern ein "Volumenarbeitsreservoir" oder das Wärme-reservoir müsste Temperaturreservoir heißen.

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- 76 -

14 Freie EnthalpieDie Freie Enthalpie wurde in Kap. 6 eingeführt. Für das Differenzial wurde der Ausdruck

(14.1)

igefunden. Durch Vergleich mit dem totalen Differenzial von G(p,T,n ) findet man

(14.2)

j i iDer Index n � n heißt: es sollen alle Stoffmengen außer n konstant gehalten werden. Diese Gleichun-gen gestatten es uns, die Abhängigkeit der Freien Enthalpie von p und T zu ermitteln. Die Druck-abhängigkeit ergibt sich bei konstanter Temperatur mit

(14.3)

zu

(14.4)

Für ein Ideales Gas ergibt sich

(14.5)

Die Temperaturabhängigkeit bei konstantem Druck ist komplizierter

(14.6)

(14.7)

Da S selbst schon eine komplizierte Funktion der Temperatur ist, soll das hier nicht weiter verfolgtwerden. Bei der Diskussion der Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante des MWGwerden wir uns noch einmal damit befassen müssen.Wie ändert sich G bei einer Phasenumwandlung?

(14.8)

Erfolgt die Umwandlung bei einem vorgegebenen Druck bei der Gleichgewichtstemperatur, so istdT = dp = 0, :N = :O und dnN = &dnO, d. h.

(14.9)

Eine andere Sicht ergibt sich aus der Definition

(14.10)

(14.11)

wegen Gl. (12.1.26). Die Freie Enthalpie ist die ideale Größe, um Gleichgewichte bei p,T = const. zuuntersuchen. Im Gleichgewicht muss dG = 0 sein.Wie ändert sich G beim Mischen von Gasen? Wir wollen uns hier wie bei der Entropie auf dieUntersuchung von idealen Gasmischungen beschränken. Für den irreversiblen Prozess wird )G sicher

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- 77 -

� 0 sein. Wie gerade zuvor gilt bei p,T = const:

(14.12)

Mit )S nach Gl. (12.2.4) ergibt sich

(14.13)

Für den Mischungsvorgang Idealer Gase gilt )g < 0 im Gegensatz zur Entropie, die ansteigt. G wird

p,Tim Gleichgewicht minimal; daher muss dG bei irreversiblen Prozessen < 0 werden.

Für viele Zwecke ist es nützlich, die Arbeit berechnen zu können, die von einem System für einebestimmte Zustandsänderung unter isothermen Bedingungen maximal geliefert werden kann. Diesemaximale Arbeit erhält man bei einer reversiblen Prozessführung. Würde für eine bestimmte Zustands-änderung ein anderer Prozessweg mehr als diese reversible Arbeit ergeben, so könnte man eineMaschine konstruieren, die Wärme vollständig in Arbeit verwandelt. Dazu wird die Zustandsänderungauf dem alternativen Prozessweg durchgeführt und so viel Arbeit (und wenig Wärme, um dem 1.Hauptsatz Genüge zu tun) gewonnen. In einem zweiten Schritt wird mit dem reversiblen Prozesswegdiese Wärme mit wenig Arbeit in das System zurückgeschoben. Es wäre daher möglich, aus einemWärmereservoir Wärme zu entnehmen und zu 100 % in Arbeit umzuwandeln. Dies widerspricht demzweiten Hauptsatz.Für einen reversiblen, isothermen Prozess gilt

(14.14)

oder

(14.15)

oder

(14.16)

Die Änderung der Freien Energie entspricht unter isothermen Bedingungen der reversiblen und daherauch der maximalen Arbeit. Aus diesem Grund wurde auch die Bezeichnung "Freie" Energie gewählt:Sie enthält den unter isothermen Bedingungen in Arbeit umsetzbaren Anteil der gesamten Energie.Für die Freie Enthalpie gibt es eine entsprechende Beziehung für isotherme und isobare Bedingungen.Unter der Arbeit AN sollen alle Arbeiten außer der Volumenarbeit verstanden werden, wie beispiels-weise die elektrische Arbeit, die Verschiebungsarbeit usw. Aus Gl. (14.15) folgt durch Addition vonp)V

(14.17)

wobei hier unter AN alle interessierenden Arbeiten subsummiert werden sollen. Unter isothermen undisobaren Bedingungen steht auf der linken Seite gerade )G, d. h.

(14.18)

Die Änderung der Freien Enthalpie ergibt unter isothermen und isobaren Bedingungen gerade diereversible Arbeit unter Ausschluß der Volumenarbeit.

Das Prinzip von Le Chatelier und BraunDas Prinzip von Le Chatelier und Braun macht eine Aussage über die Richtung der in einem Gleich-gewichtssystem auftretenden Prozesse, wenn dieses Gleichgewichtssystem von außen gestört wird. DasPrinzip lautet: Ein Gleichgewichtssystem reagiert auf einen äußeren Zwang so, dass es diesen Zwangzu vermindern versucht. Die vorsichtige Formulierung mit "versucht" drückt aus, dass die Vermin-derung des Zwangs nicht immer gelingt. Führt man beispielsweise einem System mit einem che-mischen Gleichgewicht Wärme zu und erhöht so die Temperatur, so läuft im System die endotherme

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Reaktion (siehe Beispiel 2) ab. Ob sich der Zwang "Temperaturerhöhung" vermindert oder nicht, hängtdavon ab, wie die Ankopplung des Systems an die Umgebung ist. Erfolgt diese Ankopplung durcheinen Thermostaten, so erniedrigt sich die Temperatur trotz Ablaufs der endothermen Reaktionnatürlich nicht. Eine etwas allgemeinere, aber vielleicht nicht so griffige Formulierung des Prinzips istdie folgende. Jedes System im Gleichgewicht reagiert auf eine Änderung einer der das Gleichgewichtbestimmenden Größen so, dass wenn die Reaktion des Systems allein erfolgen würde, sie eineÄnderung der gestörten Größe in umgekehrter Richtung bewirken würde.Hier soll der Nachweis des Prinzips für zwei Beispiele geführt werden.1) Zwei Phasen & beispielsweise zwei feste Modifikationen einer Verbindung & sollen sich bei derunter dem angelegten Druck vorliegenden Umwandlungstemperatur im Gleichgewicht befinden. DasSystem wird jetzt durch eine geringe Erhöhung des angelegten Drucks gestört. Der Phasenumwand-lungsprozess wird wie eine Reaktion durch den Umsatz > beschrieben.

(14.19)

Jetzt wird das totale Differenzial der Freien Umwandlungsenthalpie

(14.20)

bei konstanter Temperatur gebildet

(14.21)

)V ist das Reaktionsvolumen, d. h. die Volumenänderung bei einem Umsatz von 1 mol.Der Druck wird jetzt langsam geändert, so dass das System dieser Änderung folgen kann und sichimmer im Gleichgewicht befindet. Für jeden Druck gilt unter isothermen Bedingungen entsprechendGl. (6.14)

(14.22)

Ändert man daher den Druck und lässt das Gleichgewicht sich dauernd einstellen, so gilt für diesenProzess

(14.23)

und daher mit Gl. (14.21)

(14.24)

oder

(14.25)

Nun ist G als Funktion von > bei p, T = const. im Gleichgewicht minimal, d. h. M G/M> ist positiv.2 2

Daher ändert sich > mit steigendem p so, wie es das Vorzeichen von -)V vorgibt. Die Änderung von

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- 79 -

> ist daher positiv, wenn )V negativ ist, d. h. das Volumen bei der Umwandlung abnimmt. Unter derAnnahme, dass die Dichten der beiden festen Phasen nicht vom Druck abhängen, gilt für das System-volumen

(14.26)

und daher

(14.27)

d. h. eine Druckerhöhung bewirkt unabhängig vom Vorzeichen von )V eine Volumenverminderungdurch die Phasenumwandlung.

2) Eine Reaktion befinde sich im Gleichgewicht. Dem System wird Wärme zugeführt und damit dieTemperatur erhöht. Wie verschiebt sich das Gleichgewicht? Bei konstantem Druck gilt analog zumVorgehen beim vorhergehenden Beispiel

(14.28)

und daher im Gleichgewicht

(14.29)

wobei die letzte Manipulation nur für ein System im Gleichgewicht wegen

(14.30)

möglich ist. > ändert sich daher mit steigender Temperatur so, wie das Vorzeichen von )H ist, d. h. beieiner endothermen Reaktion läuft die "Hinreaktion" ab - dafür wird nämlich Wärme aus der Umgebungbenötigt - und umgekehrt. Wie im vorigen Beispiel kann die Rechnung auch noch einen Schritt weitergeführt werden. BeiVernachlässigung der Abhängigkeit der Systementhalpie von der Temperatur über die Molwärmen gilt

(14.31)

und daher

(14.32)

d. h. die Systementhalpie steigt bei einer Temperaturerhöhung durch Ablauf der entsprechendenReaktion immer an.Die Gültigkeit des Prinzips von Le Chatelier und Braun kann durch eine Herleitung mit den all-gemeinen intensiven und extensiven Größen > und X und einem beliebigen thermodynamischenPotenzial unter Verlust des letzten Rests an Anschaulichkeit sehr allgemein nachgewiesen werden undist dann von außerordentlich großer Tragweite.

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Der Name "Braun" wird häufig bei der Bezeichnung des Prinzips weggelassen, obwohl die Arbeit vonBraun in Z. Phys. Chem. 1887 erschien und die von Le Chatelier erst ein Jahr später.

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15 Chemisches PotenzialWir hatten in Kap. 5.3 und 5.4 das chemische Potenzial als wichtige Größe zur Beschreibung vonGleichgewichten kennengelernt, bei denen sich die Stoffmengen ändern. Für diesen Zweck benötigenwir die Abhängigkeit des chemischen Potenzials von p, T und der Zusammensetzung in Mischungen.

iWeiterhin wird für die Berechnung von Gleichgewichten die Kenntnis der Differenziale d: und

id(: /T) von Nutzen sein.

15.1 Chemisches Potenzial reiner Phasen

1Aus Gl. (14.2) folgt für eine reine Phase (n = n)

(15.1.1)

p,TFür reine Phasen entspricht (MG/Mn) der molaren Freien Enthalpie g. Aus Gl. (14.2) ergeben sichdamit die Beziehungen

(15.1.2)

und

(15.1.3)

Für ein reines Ideales Gas resultiert daraus bei T = const.

(15.1.4)

(15.1.5)

1Setzt man insbesondere p dem Standarddruck p (i. a. p = 1,013 bar) gleich, folgts s

(15.1.6)

: entspricht dem chemischen Potenzial bei p = p , da dann das logarithmische Glied verschwindet.s s

Für das Differenzial von :/T finden wir

(15.1.7)

Der zweite Term ist einfach zu berechnen. Für den ersten gilt

(15.1.8)

so dass sich insgesamt ergibt

(15.1.9)

15.2 Chemisches Potenzial in idealen MischphasenAnalog zu Gl. (15.1.1) erhält man für eine Mischphase

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NT

1 2 ip , p , ..., p

1 2 ix , x , ..., x

OT

ip

ix = 1

(15.2.1)

Derartige Größen werden im Gegensatz zu molaren Größen in reinen Phasen als partielle molareGrößen bezeichnet. Das chemische Potenzial entspricht daher der partiellen molaren Freien Enthalpie.Da nun (MG/Mp) und (MG/MT) bekannt sind, kann man durch Vertauschung der Differenziations-

ireihenfolge die entsprechenden Differenzialquotienten für : berechnen

(15.2.2)

i i iBei der Differenziation sind alle n konstant zu halten. s und L sind die partielle molare Entropie unddas partielle molare Volumen.

(15.2.3)

Am Beispiel des partiellen molaren Volumens soll die Bedeutung der partiellen molaren Größenveranschaulicht werden. Man nehme eine so große Menge der Mischung, dass der Zusatz eines Molsder Komponente i die Konzentrationen nur unwesentlich verändert. Dann entspricht die nach diesem

iZusatz auftretendende Volumenveränderung dem partiellen molaren Volumen L .

iMit Hilfe von Gl. (15.2.2) können wir das totale Differenzial von : (p,T) bei fester Zusammensetzungformulieren:

(15.2.4)

Analog findet man

(15.2.5)

Als nächstes wollen wir die Abhängigkeit von der Zusammensetzung in einer idealen Gasmischunguntersuchen. In einem Gedankenexperiment trennen wirdurch eine nur für die Komponente i durchlässige Membran

idie Mischung mit dem Partialdruck p und das reine Gas

iunter dem gleichen Druck p . Da die Membran für dieKomponente i durchlässig ist, steht das Gas i in den zweiVolumina im Gleichgewicht und es gilt

(15.2.6)

wegen der Gleichgewichtsbedingung und Gl. (15.1.6). Die Striche können jetzt weggelassen werden,da nur noch im System N definierte Größen auftreten.

(15.2.7)

i: ist das chemische Potenzial des reinen Gases i beim Standarddruck. Eine Umstellung mits

1 2p = p + p + ... ergibt

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(15.2.8)

i iund mit p /p = x folgt

(15.2.9)

Oft werden noch die beiden ersten Glieder der rechten Seite zu einem neuen Glied, dem Standard-potenzial : für die reine Phase beim Gesamtdruck p, zusammengefassto

(15.2.10)

Damit folgt

(15.2.11)

Die letzte Gleichung enthält dann nur die Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Gases. Die

iGesamtdruckabhängigkeit steckt bereits im : .o

i iGl. (15.2.11) gestattet die Berechnung des Differenzials von : (T, p, x ). Um die Berechnung zuvereinfachen, wird aus dem zweiten Term von (15.2.11) die Temperatur entfernt

(15.2.12)

und das Differenzial mit Hilfe von Gl. (15.1.9) gebildet

(15.2.13)

i ih und L stellen die molare Enthalpie und das molare Volumen für die reine Komponente i dar.o o

Wegen der zentralen Bedeutung der Gl. (15.2.7) bis (15.2.13) soll noch ein zweiter Weg zu ihnengezeigt werden. Da sowohl der Zusammenhang zwischen : und G als auch die Freie Mischungs-enthalpie bekannt sind, muss eine Ableitung dieser Gleichungen daraus möglich sein. Für die Mi-schung von zwei Idealen Gasen gilt nach Gl. (14.13)

(15.2.14)

1Jetzt wird M/Mn gebildet

(15.2.15)

(15.2.16)

(15.2.17)

und wir erhalten das Gl. (15.2.11) entsprechende Ergebnis für den Fall einer idealen Gasmischung auszwei Komponenten.Wie kommt man nun zu einer Gleichung für das chemische Potenzial in flüssigen Mischungen? Der

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zu (15.2.11) führende Weg ist nur für die Gasphase beschreitbar. Auch der Weg zu Gl. (15.2.17) ist nurüber die Gasphase möglich, da die Freie Mischungsenthalpie nur für die Gasphase zugänglich ist. Vonder Thermodynamik her unterscheiden sich nun die Gasphase und die flüssige Phase nicht grundsätz-lich. Der gravierende Unterschied ist die in der flüssigen Phase etwa um den Faktor 1000 größereTeilchendichte. Dies bewirkt in der flüssigen Phase erheblich stärkere Wechselwirkungen als in derGasphase. Grundsätzlich gibt es jedoch kein Argument gegen die Benutzung von Gl. (15.2.11) in derflüssigen Phase. Die in Gl. (15.2.11) auftretenden Größen sind in der flüssigen Phase definiert. Dieflüssige Mischung muss sich nur ideal verhalten. Diese Bedingung ist in Flüssigkeiten wegen dergrundsätzlich höheren Wechselwirkung der Teilchen deutlich schwerer als in der Gasphase zu erfüllen.An dieser Stelle ist es von Nutzen, den Begriff "ideal" genauer zu diskutieren. Die für ein Ideales Gasgeforderten Voraussetzungen können in der flüssigen Phase sicherlich nicht vorliegen. Es kann keine"ideale" Flüssigkeit geben, da das Eigenvolumen und das eingenommene Volumen vergleichbar sindund auch merkliche Wechselwirkungen vorhanden sein müssen, um den Zusammenhalt der Flüssigkeitzu gewährleisten. Es kann nur noch ideale Mischungen geben. Darunter wollen wir Mischungenverstehen, bei denen die Größen V, U und H beim Mischungsvorgang bei entsprechenden Kon-

m 1 2stanthaltungen additiv sind (X = X + X ) und für welche die Gl. (12.2.4), (14.13) und (15.2.11) für dieMischungsentropie, die Freie Mischungsenthalpie bzw. das chemische Potenzial gelten. DieseForderungen sind nicht unabhängig voneinander; so folgt z. B. die Forderung für die Enthalpie aus derForderung für die Innere Energie und das Volumen. Bei H und U sagt man auch, dass die Mischungs-enthalpie und die Mischungsenergie im idealen Fall verschwinden.Wir sollten jetzt einen Blick ins mikroskopische Geschehen bei der Herstellung einer Mischung aus

11 22den Komponenten 1 und 2 werfen. Offensichtlich ist es wichtig, dass die Wechselwirkungen W , W

12 12 11 22und W übereinstimmen oder zumindest W = (W +W )/2 gilt. Andernfalls treten Temperatur-änderungen bei der Mischung auf. Dies führt sicher zu Abweichungen von der Freien Mischungs-enthalpie idealer Systeme, da )H in Gl. (14.12) nicht mehr verschwindet.Eine Auswahl von Systemen, die in der flüssigen Phase weitgehend ideale Mischungen bilden, ist diefolgende: Mischungen optischer Antipoden, Mischungen von Komponenten mit unterschiedlichen Isotopen, Mischungen von benachbarten Gliedern in homologen Reihen, stark verdünnte Lösungen bezüglich der gelösten Komponente.Die zuletzt aufgeführten Lösungen befolgen zwar Gl. (15.2.11), jedoch nicht die oben angegebeneAdditivität einiger Größen.Für Mischungen von Komponenten, die sich in der Polarität, der Molekülgröße oder dem Vorliegenspezifischer Wechselwirkungen (z. B. Wasserstoffbrückenbindungen) auch nur mäßig unterscheiden,muss von nichtidealem Verhalten ausgegangen werden.Das Verhalten derartiger realer Systeme wird in einer späteren Vorlesung (PC III) behandelt werden.Im Prinzip lässt sich Gl. (15.2.11) auch für ideale feste Mischungen verwenden. Hierzu ist jedochfestzustellen, dass bereits die Bildung von festen Mischungen (Mischkristalle) die Ausnahme darstellt(siehe Kap. 20.3 und 21.2), und die für die Idealität zu fordernde Ähnlichkeit der Komponenten nochstrenger als bei den Flüssigkeiten ist. Mischkristalle von Komponenten mit unterschiedlichen Isotopensind ein Beispiel für ideale Systeme.Ist das chemische Potenzial einer Komponente in einer idealen oder realen Zweikomponentenmischungbekannt, so lässt sich das der anderen Komponente berechnen. Für das Differenzial der FreienEnthalpie gilt für vielkomponentige Systeme

bei p,T = const. (15.2.18)

Diese Gleichung wird jetzt über die Stoffmengen bei fester Zusammensetzung integriert

(15.2.19)

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Bildung des Differenzials und Vergleich mit (15.2.18) liefert

(15.2.20)

(15.2.21)

Dieser Zusammenhang wird als Gibbs-Duhemsche Gleichung bezeichnet. Entsprechende Gleichungenlassen sich aus den Differenzialen der thermodynamischen Potenziale für viele andere Größen finden.Aus der Mathematik ist dieser Zusammenhang als Eulersches Theorem bekannt.Für eine zweikomponentige Mischung gilt

(15.2.22)

(15.2.23)

(15.2.24)

1 2 1 1Trägt man : und : gegen x auf, so müssen die Steigungen an der Stelle x = 0,5 bis auf das Vorzei-

1chen übereinstimmen. Die Auflösung von Gl. (15.2.24) nach d: und Integration liefert schließlich

(15.2.25)

(15.2.26)

2 1 1Ist : = f(x ) bekannt, so lässt sich : mit Hilfe dieser Gleichung bestimmen. Für ideale Mischungenentsteht daraus die bereits bekannte Abhängigkeit. Wichtig ist die Gleichung für die Untersuchungrealer Mischungen.

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16 Chemisches Gleichgewicht

16.1 Massenwirkungsgesetz (MWG)In Kap. 5 und 6 war gezeigt worden, dass für die Reaktion

(16.1.1)

im chemischen Gleichgewicht bei beliebigen Konstanthaltungen

(16.1.2)

igilt. Die Gleichgewichtsbedingung gilt unabhängig davon, ob die R in einer Phase (homogenesGleichgewicht) oder in unterschiedlichen Phasen (heterogenes Gleichgewicht) vorliegen. Zuerst wollenwir uns aber auf die Gasphase beschränken und ideales Verhalten annehmen. Mit Gl. (15.2.7) findenwir

(16.1.3)

(16.1.4)

wobei A das zu G analoge Zeichen für ein Produkt ist.

(16.1.5)

pDen ersten Teil dieser Gleichung bezeichnet man als Massenwirkungsgesetz (MWG). K & dieKonstante des MWG & ist für eine gegebene Reaktion und eine gegebene Temperatur eine Konstante,die nicht von den Partialdrücken und vom Gesamtdruck (siehe rechten Teil der Gl. (16.1.5)) abhängt.

iDie p sind die Partialdrücke im Gleichgewicht. Ist

(16.1.6)

so befindet sich die Reaktion nicht im Gleichgewicht und bewegt sich mit mehr oder weniger großerReaktionsgeschwindigkeit auf das Gleichgewicht zu. Über die Reaktionsgeschwindigkeit kann dieThermodynamik keine Aussage machen.

pK ist in der Schreibweise von Gl. (16.1.5) einheitenfrei, da jeder Partialdruck durch den Standarddruckdividiert wird. Dieses an und für sich korrekte Verfahren führt leider zu einer Reihe von Schwierig-

pkeiten. In der einheitenfreien Schreibweise enthält die Angabe von K keinen Hinweis mehr, ob alsStandarddruck 1 atm, 1 bar oder 1 Pa verwendet wurde. Mit unterschiedlichen Standarddrücken

pergeben sich jedoch unterschiedliche K -Werte. Z. B. kürzen sich bei der Gasreaktion

(16.1.7)

bei der Umrechnung von bar in Pa die Umrechnungsfaktoren 10 im Produkt nur teilweise heraus und5

pes bleibt ein Faktor 10 im Zähler stehen, d. h. K ändert sich um den Faktor 10 . Unabhängig von den5 5

verwandten Einheiten sind die Gleichgewichtskonstanten nur für den Fall )< = 0.Bei den Übungsaufgaben wird daher entweder p angegeben oder die einheitenbehaftete Form desÈ

Massenwirkungsgesetzes

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(16.1.8)

verwendet.Statt der Drücke werden in der Gasphase oft Molenbrüche verwendet.

(16.1.9)

Das MWG lässt sich daher auch mit Molenbrüchen formulieren

(16.1.10)

x xK ist grundsätzlich einheitenfrei. K hängt vom Gesamtdruck entsprechend Gl. (16.1.10) ab. BeiReaktionen mit gleicher Molekülzahl rechts und links ()< = 0) entfällt die Druckabhängigkeit.Das mit Molenbrüchen formulierte MWG lässt sich auch für die flüssige Phase verwenden. Eine vonder vorhergehenden Ableitung in der Gasphase unabhängige Ableitung erhält man aus der Gleichge-

i iwichtsbedingung G< : = 0 und Gl. (15.2.11), die beide auch in der flüssigen Phase gültig sind.Natürlich muss auch hier die bei Gl. (15.2.11) vorausgesetzte Idealität vorliegen.

i iSchließlich wollen wir noch das Konzentrationsmaß c = n /V in der Gasphase einführen.

(16.1.11)

(16.1.12)

Das MWG lässt sich daher auch mit Konzentrationen formulieren.

(16.1.13)

Im Prinzip könnte man die Klammer in der zweiten Gleichung mit Gl. (16.1.11) weiter vereinfachen.p und c sind jedoch festgelegte Größen mit inkompatiblen Einheiten und folgen daher dem Zu-s s

p csammenhang (16.1.11) nicht. Bei der Umrechnung von K in K muss daher auf die Umrechnung der

p cEinheiten geachtet werden! Das bereits bei der Diskussion von K Gesagte gilt auch für K : Wegen derUnsicherheit bzgl. der Einheit von c (1 mol/dm oder 1 mol/m ) ist c anzugeben oder das MWG istÈ 3 3 È

einheitenbehaftet

(16.1.14)

zu formulieren. Die Gl. (16.1.13) und (16.1.14) können auch für chemische Gleichgewichte in derflüssigen und festen Phase verwendet werden.

pAls nächstes wollen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen K und den chemischen Potenzialenunter Standardbedingungen befassen (s. Gl. (16.1.5))

(16.1.15)

oder

(16.1.16)

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pDamit dies eine ordentliche Gleichung ist, muss K dimensionslos sein. Diese wichtige Gleichung derThermodynamik gestattet es, Gleichgewichtskonstanten aus Reaktionsgrößen zu berechnen. )G ists

die Freie Reaktionsenthalpie unter Standardbedingungen. )G < (bzw. >) 0 heißt, die entsprechendes

Verbindung ist stabil (instabil oder metastabil) gegen einen Zerfall in die Elemente, wenn alleReaktanden unter Standardbedingungen vorliegen. Beispiele für Verbindungen mit )G > 0 sind Ozon,s

Ethen, Benzol und Ethin. Benzol kann jedoch sogar ohne Gegenwart von 1 atm Wasserstoff beliebiglange ohne Zerfall gelagert werden, da die Zerfallskinetik gehemmt ist. Derartige Verbindungenwerden als metastabil bezeichnet. Natürlich ist für Verbindungen mit )G > 0 eine direkte Syntheses

aus den Elementen ausgeschlossen.Viele Tabellenwerke (siehe Anhang) enthalten analog zu den Bildungsenthalpien die Freien Bildungs-enthalpien )G unter Standardbedingungen. Ganz analog zu den Reaktionsenthalpien lassen sich dieB

Freien Reaktionsenthalpien unter Standardbedingungen nach

(16.1.17)

berechnen.Woher stammen die )G -Werte? Dazu leiten wir die Definitionsgleichung für G und > ab und findenB

für die Bildungsreaktion unter Standardbedingungen

(16.1.18)

Sind also die entsprechenden Bildungsenthalpien und -entropien bekannt, so kann )G berechnetB

werden. Beispielsweise gilt für Wasser unter Standardbedingungen

(16.1.19)

was mit dem im Tabellenanhang angegebenen Wert übereinstimmt.Die Bildungsentropie lässt sich aus den nach Kap. 12.1 ermittelten Entropien der Reaktionspartnerberechnen:

(16.1.20)

Schwierigkeiten mit der Mischungsentropie gibt es nicht, da die Entropie eines Gases in einer idealenMischung nur eine Funktion des Partialdrucks ist, und dieser ist unter Standardbedingungen festgelegt.Zusätzlich verlangt auch der Standardzustand reine Komponenten.Im Prinzip ist die Angabe von )G neben )H und den Entropien in Tabellenwerken unnötig, aberB B

sehr praktisch.Als Beispiel soll die Gleichgewichtskonstante für die Dimerisierungsreaktion

(16.1.21)

in der Gasphase bei der Standardtemperatur berechnet werden. Es gilt

(16.1.22)

und daher

(16.1.23)

wobei der Standarddruck entsprechend der Tabelle 1 atm entspricht.

Wegen der für den Chemiker zentralen Bedeutung des MWG wollen wir uns noch eine zweiteHerleitung dieses Gesetzes ansehen. Dazu schreiben wir die Freie Reaktionsenthalpie für eine Reaktionauf, die sich nicht im Gleichgewicht befindet.

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(16.1.24)

(16.1.25)

i iwobei wir den Zusammenhang g = : und die Abhängigkeit des chemischen Potenzials in idealenGasmischungen vom Partialdruck verwendet haben. Diese Gleichung zeigt folgendes:

ia) Gilt für alle i p = p , so wird natürlich )G = )GÈ È

b) Im Gleichgewicht muss unter isobaren und isothermen Bedingungen dG und damit auch )G

pverschwinden. Die rechte Seite ergibt dann das MWG und den Zusammenhang von )G mit K . )GÈ

stellt also ein Maß für die Abweichung vom Gleichgewicht dar. In einigen Lehrbüchern wird daher für&)G die besondere Bezeichnung "Affinität" eingeführt.

16.2 Berechnung von Gleichgewichtsdrücken mit Hilfe des MWGs

pa) Es sei K für eine Gasphasenreaktion bekannt. Weiterhin sollen alle Partialdrücke im Gleichgewichtbis auf den einer Komponente bekannt sein. Das MWG wird nach diesem Partialdruck aufgelöst.

i pEinsetzen der bekannten p und K führt zum Ergebnis.

pb) Es sei K für eine Gasphasenreaktion bekannt. Das Reaktionsgefäß wird mit festgelegten Partial-

idrücke p der Edukte gefüllt. Danach erfolgt die Reaktion zum Gleichgewicht im konstant gehalteneno

Volumen. Die Berechnung ist vom Rechenaufwand her bei Reaktionen, an denen viele Komponentenbeteiligt sind, aufwändig.An der Reaktion mögen n Komponenten beteiligt sein. Wir führen den Umsatz > ein. Insgesamt gibtes dann n+1 Unbekannte. Andererseits gibt es als Gleichungen das MWG und n Bilanzgleichungen

i ip = f (>). Die Bilanzgleichungen erhält man wie folgt:

(16.2.1)

Mit Hilfe des Idealen Gasgesetzes berechnet man daraus die Drücke

(16.2.2)

Einsetzen in das MWG ergibt

(16.2.3)

Diese Gleichung enthält nur noch eine Unbekannte und ist daher lösbar. Die Auflösung des Polynoms

i, Edukte i, Produkte ivom Grade Max(&E< , E< ) nach >N kann aufwändig sein. Die Partialdrücke p werdendann mit Gl. (16.2.2) berechnet.In vielen Fällen lässt sich die Einführung des Umsatzes vermeiden. Liegt eines der Produkte vor derReaktion mit dem Partialdruck 0 vor, so kann man diesen Partialdruck als Umsatzvariable benutzen.

kDas Produkt, für das dies zutreffen möge, sei R . Der Zusammenhang mit dem Umsatz ergibt sich ausGl. (16.2.2)

(16.2.4)

Für die anderen Komponenten ist dann im Gleichgewicht

(16.2.5)

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Einsetzen in das MWG ergibt

(16.2.6)

kAuch das Glied mit i = k ist in dieser Gleichung korrekt enthalten, da p nach Voraussetzung ver-o

schwindet und das Verhältnis der stöchiometrischen Koeffizienten 1 wird.Gl. (16.2.6) ist das kürzeste Verfahren, um das Problem zu lösen. Vermeintlich einfachere Eigen-konstruktionen sind mit Sicherheit falsch. Mit solchen Fehlrechnungen gewinnt man jedoch vielErfahrung.Im folgenden soll ein Beispiel durchgerechnet werden. Die Gleichgewichtsreaktion seiA + 3B W C + 2D; die Gleichgewichtskonstante betrage 4 bar ; vor Einstellung des Gleichgewichts &1

A Bsollen die Drücke p = 1 und p = 2 bar betragen. Die Reaktion soll bei konstantem Volumen ablaufen.Gl. (16.2.3) ergibt

(16.2.7)

oder

(16.2.8)

Diese Bestimmungsgleichung für >N wird nun mit Hilfe irgendeines Verfahrens (Intervallschachtelung,Regula falsi, Newtonsches Näherungsverfahren, Solve-Funktion eines Taschenrechners oder ent-sprechendes Programm auf einem PC) gelöst. Für das Beispiel gibt es zwei reelle Lösungen>N = 0,472 005 und 1,311 558 bar, wovon die zweite physikalisch sinnlos ist, da damit die Partial-drücke von A und B negativ werden würden. Die erste Lösung ergibt mit Hilfe von Gl. (16.2.2)folgende Partialdrücke:

A p = 0,527 995

B p = 0,583 985

C p = 0,472 005

D p = 0,944 010 barZur Kontrolle sollten die gefundenen Werte immer in das MWG eingesetzt werden. Hier ergibt sich fürdas Produkt der Wert 4,000 045 bar . &1

Die entsprechende Rechnung mit Hilfe von Gl. (16.2.6) und k = D ergibt

(16.2.9)

DDer Vergleich mit Gl. (16.2.7) zeigt, dass p = 2>N gilt und die beiden Gleichungen sich entsprechen.

c) Bei den sogenannten offenen Systemen durchströmt ein Gemisch den Reaktor, reagiert dort und

2 2 3verlässt den Reaktor. Ein Beispiel ist die Umsetzung von SO und O zu SO an einem Katalysator ineinem von dem Gemisch durchströmten Rohrreaktor. Im Gegensatz zum Fall b) ist jetzt nicht mehr dasVolumen konstant, sondern es soll p = const. angenommen werden. Für diesen Fall ist die Berechnungder Partialdrücke nun nicht mehr so einfach wie im Fall b). Am günstigsten ist es, das mit Molenbrü-chen formulierte MWG zu verwenden.

(16.2.10)

(16.2.11)

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(16.2.12)

(16.2.13)

Weiterhin wollen wir noch folgendes Maß für den Umsatz definieren

(16.2.14)

d. h. den auf die anfängliche Stoffmenge bezogenen Umsatz. Damit wird aus (16.2.13), wobei Zählerund Nenner durch n geteilt werdeno

(16.2.15)

Dies ist eine Bestimmungsgleichung für ..Die Molenbrüche in der Gleichgewichtsmischung erhält man direkt aus dem Ausdruck in der Klammer

i iin (16.2.15) und die Partialdrücke p = x p berechnet man nach

(16.2.16)

Gl. (16.2.15) darf auch für homogene Gleichgewichte in der flüssigen und festen Phase verwendetwerden.

16.3 Heterogenes GleichgewichtDa die Physikochemiker nicht viel von der restlichen Chemie verstehen, wollen wir wieder das bereits

diskutierte Beispiel

3, s s 2, g Ca CO W Ca O + CO

verwenden. Für die Formulierung des MWG ist folgendes Verfahren zwar nicht sehr elegant, abersicher richtig. In der Gasphase gilt

(16.3.1)

CaO CaCO3p und p sind die extrem kleinen Partialdrücke in der Gasphase! Im Gleichgewicht stehen dieseGase auch im Gleichgewicht mit den festen Phasen, d. h. die Partialdrücke entsprechen den Dampf-drücken der festen Phasen. Es gilt daher

(16.3.2)

CaO CaO CaCO3d. h. für eine gegebene Temperatur ist p festgelegt. Wir können daher p und p in die

pKonstante K N einbeziehen und erhalten

(16.3.3)

Ein etwas entartetes, aber sicher korrektes MWG!In manchen Lehrbüchern der Anorganischen Chemie findet man als Argument für das Streichen der

CaO CaCO3Größen p und p in Gl. (16.3.1), die Größen sind klein und können daher gestrichen werden. Dasist Unsinn! Das Streichen einer kleinen, multiplikativ eingehenden Größe macht eine Gleichung total

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falsch. Nur kleine additive Größen dürfen gestrichen werden. Unsere Argumentation zeigt, dass derWert der Größe völlig unerheblich ist. Auf die Konstanz kommt es an!Eine andere und bessere Sicht des heterogenen Gleichgewichts ist die folgende: Wir gehen auf diechemischen Potenziale zurück

(16.3.4)

kDie Komponente R soll jetzt in der festen Phase vorliegen. Bei der Diskussion der Herleitung dieser

kGleichung hatten wir festgestellt, dass dann das : für die entsprechende Phase zu verwenden ist. Istdiese feste Phase nun rein, d. h. kein Mischkristall, so ist das chemische Potenzial nur eine Funktionder Temperatur und sicher unabhängig von der Zusammensetzung der Gasphase. Das entsprechendechemische Potenzial tritt daher im Exponenten von Gl. (16.1.15) auf; es entsteht jedoch kein Druck-term im MWG, d. h. man erhält wieder Gl. (16.3.3).Etwas anders ist die Lage, wenn ein heterogenes Gleichgewicht zwischen einer flüssigen Mischungund einer gasförmigen Phase vorliegt, wobei eine Komponente fast nur in der flüssigen Phase auftretensoll. Hier wird man mit Vorteil die Formulierung mit den Molenbrüchen verwenden. Gl. (16.3.4) ergibtauch für den heterogenen Fall

(16.3.5)

iwobei die x in den entsprechenden Phasen zu verwenden sind.

p16.4 Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante K

pGl. (16.1.16) enthält den Zusammenhang zwischen K und der Freien Reaktionsenthalpie )G unterÈ

Standardbedingungen. Die Freie Reaktionsenthalpie hängt selbst von der Temperatur ab. Zur Fest-stellung dieses Zusammenhangs wird die Definitionsgleichung für G wie bereits früher nach > abgelei-tet.

(16.4.1)

(16.4.2)

)H und )S sind die Reaktionsenthalpie bzw. -entropie der reinen Komponenten unter dem Standard-È È

druck, wobei die Temperatur aber frei variabel sein soll. Mit diesen Gleichungen ist es nun möglich,

pdie interessierende Temperaturabhängigkeit von K zu bestimmen.

(16.4.3)

(16.4.4)

Diese Gleichung wird als "van't Hoffsche Reaktionsisobare" bezeichnet. Der Begriff "isobare" beziehtsich auf die Konstanthaltung des Drucks bei der Differenziation nach der Temperatur. Für den hier

pdiskutierten Fall der idealen Systeme ist dies ohne Belang, da K sowieso nicht vom Druck abhängt.Anstelle von )H darf auch )H, die Reaktionsenthalpie unter den vorliegenden Bedingungen, in Gl.È

(16.4.4) verwendet werden, da in idealen Systemen beide Größen übereinstimmen, da sowohl die Mi-

Tschungsenthalpien als auch (MH/Mp) verschwinden.

x cDie Temperaturabhängigkeiten von K und K lassen sich aus Gl. (16.4.4) und (16.1.10) bzw. (16.1.13)

x cberechnen. Für K ergibt sich bei p = const. eine zu Gl. (16.4.4) analoge Gleichung. Für K ist der Fall

petwas komplizierter, da der Zusammenhang mit K selbst temperaturabhängig ist. I. a. kann man jedochdiese Abhängigkeit vernachlässigen, so dass auch für diesen Fall die van't Hoffsche Reaktionsisobare

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Abb. 44 van’t Hoffsche Reaktionsisobare

mit ausreichender Genauigkeit angesetzt werden kann. Auch für flüssige und feste Phasen lässt sich die

x cmit K bzw. K formulierte van't Hoffsche Reaktionsisobare anwenden.Für nicht zu große Temperaturbereiche kann nun )H als unabhängig von der Temperatur angenommenwerden. Die Integration von Gl. (16.4.4) ergibt dann

(16.4.5)

pTrägt man daher ln K gegen 1/T auf, so solltesich eine lineare Abhängigkeit mit der Steigung&)H/R ergeben. Abb. 44 zeigt die Änderung von

pK mit der Temperatur für endo- und exothermeReaktionen. Die Richtung der Änderung ist be-reits mit dem Prinzip von Le Chatelier und Braunvorraussagbar; der quantitative Zusammenhangergibt sich jedoch erst aus der van't HoffschenReaktionsisobare.Gl. (16.4.5) wird in der Praxis für zwei Dingegenutzt.

p1) Ist K = f (T) bekannt, so lässt sich daraus dieReaktionsenthalpie bestimmen.

p2) Ist K bei einer Temperatur & z. B. bei derStandardtemperatur & bekannt und soll für eineandere Temperatur berechnet werden, so gelingtdas bei bekannter Reaktionsenthalpie. Dazu wird (16.4.5) für zwei Temperaturen angesetzt und dieDifferenz gebildet

(16.4.6)

Ist die Annahme der Konstanz von )H unzureichend, so werden i. a. nicht an Gl. (16.4.5) Verbes-serungen angebracht, sondern man geht auf die Ausgangsgleichung (16.1.16) und (16.4.2) zurück underhält die Ulichschen Näherungen.Es gilt immer exakt

(16.4.7)

d. h., wenn )H und )S bei der interessierenden Temperatur bekannt sind, lässt sich )G und damitÈ È È

pK exakt berechnen.

p1. Näherung: Alle c sollen verschwinden.

(16.4.8)

In dieser Gleichung steckt wenigstens in T noch die korrekte Abhängigkeit.

p2. Näherung: Alle c sind � 0, aber sollen unabhängig von T sein.Mit den bekannten Gleichungen für die Temperaturabhängigkeit von )H und )S finden wir

(16.4.9)

In der dritten, hier nicht aufgeführten Ulichschen Näherung wird schließlich ein linearer Ansatz

pc = a + b T für die Molwärmen verwendet.

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x16.5 Druckabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante K

p xWie wir gesehen haben, ist K bei idealen Systemen nicht abhängig vom Druck. K ist nach Gl.(16.1.10) abhängig vom Druck. Dies wird bei technischen Anwendungen, z. B. bei der Ammoniak-Synthese, ausgenutzt.Für Lösungen darf die Druckabhängigkeit nach Gl. (16.1.10) natürlich nicht verwendet werden. FürLösungen wird wie folgt verfahren. Aus den Gleichgewichtsbedingungen

(16.5.1)

und der Abhängigkeit der chemischen Potenziale idealer Lösungen vom Molenbruch

(16.5.2)

iwobei sich auf die reine Phase mit x = 1 bezieht, erhält man nach dem für die Gasphase durch-o

geführten Verfahren

(16.5.3)

wobei )G die Freie Reaktionsenthalpie für die reinen Phasen ist. Diese Gleichung erlaubt, dieo

Druckabhängigkeit zu berechnen

(16.5.4)

wobei )V die Änderung des Volumens bei einem Formelumsatz unter den obigen Standardbe-o

dingungen ist. )V wird höchstens einige 10 cm betragen. Dies ergibto 3

(16.5.5)

xDie Änderungen von K für Gleichgewichte in Lösungen bei Drücken im Bereich einiger bar kanndaher vernachlässigt werden. Größere Effekte erreicht man erst bei Drücken von einigen kbar.

16.6 Experimentelle Bestimmung der Gleichgewichtskonstante Ka) Direkte MessungenIn vielen Fällen können die Partialdrücke der Reaktionspartner in der Gasphase oder die Konzen-trationen in Lösungen direkt gemessen werden. Dafür kommen in erster Linie spektroskopischeVerfahren (UV-, IR-, NMR-Spektroskopie) in Frage. Das Messverfahren darf dabei die Gleichge-wichtszusammensetzung nicht ändern.b) Bei Gleichgewichtsreaktionen, bei denen sich die Molekülzahl ändert (z. B. Dissoziationsreaktionenvom Typ A W 2 B), reicht schon die Bestimmung der Gasdrucks bei einer Reaktion in einem kon-stanten Volumen zur Berechnung der Partialdrücke aus.c) Einfrieren von GleichgewichtenBei Reaktionen, die nur bei hohen Temperaturen an Katalysatoren ablaufen, ist es oft möglich, dieGleichgewichtsmischung nach Kontakt mit dem Katalysator so schnell abzukühlen, dass die Molen-brüche der Reaktionspartner erhalten bleiben (Einfrieren des Gleichgewichts). Die bei a) genannteEinschränkung entfällt dann und die Gasmischung kann bei Raumtemperatur einer Gasanalyse, z. B.mit der Gaschromatographie, unterworfen werden.d) Für Ionenreaktionen in wässrigen Lösungen lassen sich häufig elektrochemische Zellen aufbauen,an denen Spannungen gemessen werden können. Dies erlaubt in vielen Fällen die direkte Bestimmungvon )G mit hoher Genauigkeit (siehe Kap. 24.5).È

e) Für Reaktionen, bei denen Ionen entstehen oder verschwinden, kann oft die sehr einfache Messungder elektrischen Leitfähigkeit zur Konzentrationsbestimmung herangezogen werden.

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16.7 Schwache Säuren und Basen und deren SalzeAls Beispiel für eine Anwendung des MWGs sollen die Dissoziationsgleichgewichte dieser Verbindun-gen in wässrigen Lösungen untersucht werden.

16.7.1 DissoziationskonstantenUnter schwachen Säuren/Basen versteht man Säuren/Basen, die in wässriger Lösung nur teilweisedissoziieren.

(16.7.1.1)

(16.7.1.2)

wobei HS und BOH allgemeine Symbole für Säuren und Basen darstellen. Im Gegensatz zu denstarken Säuren/Basen, wie HCl und NaOH, findet man bei diesen Verbindungen auch die undis-soziierte Form in der wässrigen Lösung.Obwohl bei der Dissoziation Ionen entstehen und schon bei mäßig konzentrierten Ionen-Lösungennichtideales Verhalten hervorgerufen wird, ist hier das Problem nicht so schwerwiegend, da die beihöheren Konzentrationen schwache Dissoziation die Ionenkonzentrationen relativ gering hält.In der folgenden Tabelle sind die Dissoziationskonstanten

(16.7.1.3)

Seiniger organischer Säuren bei 25 C als pK -Werteo

(16.7.1.4)

S Sdargestellt. K ist dimensionslos; K ' dagegen nicht!

S S SSäure pK Säure pK Säure pK

Ameisensäure 3,75 Benzoesäure 4,19 Phenol 9,99

Essigsäure 4,75 2-Hydroxybenzoes. 3 2-Chlorphenol 8,49

Propionsäure 4,87 3-Hydroxybenzoes. 4,08 4-Chlorphenol 9,18

Monochloressigs. 2,85 4-Hydroxybenzoes. 4,58 2-Methylphenol 10,2

Dichloressigsäure 1,48 2-Nitrobenzoesäure 2,17 2-Nitrophenol 7,23

Trichloressigsäure 0,7 3-Nitrobenzoesäure 3,49 2,4-Dinitrophenol 4,09

"-Hydroxypropions. 3,86 4-Nitrobenzoesäure 3,44 2,4,6-Trinitrophe-nol

0,29

$-Hydroxypropions. 4,51 2-Aminobenzoes. 6,97

Dimethylessigsäure 4,86 4-Aminobenzoes. 4,92

Trimethylessigsäure 5,05

3CH COOD 5,23

Ein Vergleich der aliphatischen Carbonsäuren zeigt, dass die Säurestärke der Ameisensäure durch die

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Substitution am "-Kohlenstoff mit Methylgruppen abnimmt. Die Methylgruppe wirkt als Elek-trondonator und hemmt die Abgabe des H . In der Sprache der Organiker ist das der +I-Effekt (I von+

induktiver Effekt). Substitution mit Chlor oder einer Hydroxylgruppe, die als Elektronakzeptor wirken(&I-Effekt), ziehen Elektronendichte ab und erleichtern die H -Abgabe. Bei der Trichloressigsäure+

Sergibt sich so eine drastische Erhöhung des pK -Wertes. Am Beispiel der beiden Hydroxypropion-säuren erkennt man die Wirkung unterschiedlicher Abstände des Substituenten zum Wasserstoffatom.

3 3Die elektronischen Strukturen von CH COOH und CH COOD stimmen vollständig überein. Dieschwächere Säurestärke der deuterierten Verbindung kommt dadurch zustande, dass das Deuteronwegen seiner größeren Masse langsamer in seinem Potenzialtopf schwingt und wegen seiner kleinerenNullpunktsenergie ½h< etwas tiefer in diesem Potenzialtopf sitzt und daher schwerer ablösbar ist.Die substituierten Benzoesäuren zeigen eine Abhängigkeit der Säurestärke von der Art und Stellungdes Substituenten. Neben dem I-Effekt spielt hier der M-Effekt (Mesomerie-Effekt) eine Rolle. Weistein Substituent ein freies Elektronenpaar an dem Atom auf, das an den Benzolring gebunden ist, sowird dieses Elektronenpaar partiell in den Ring geschoben.

Dieser +M-Effekt erhöht die Elektronendichte im Ring und verringert die Säurestärke.Weist dagegen der Substituent eine zum Ring konjugierte Doppelbindung und ein endständiges,elektronegatives Atom an dieser Doppelbindung auf, so wird Elektronendichte aus dem Ring herausge-zogen (&M-Effekt).

M- und I-Effekt überlagern sich und wirken teilweise mit unterschiedlichen Vorzeichen.Die Säurestärken der Hydroxy-, Nitro- und Amino-benzoesäuren lassen sich durch den &I-Effekt, &M-Effekt bzw. +M-Effekt erklären. Die unterschiedlich starke Wirkung bei der 2- und 4-Substitution wirddurch die Überlagerung des M- und I-Effekts verursacht, wobei letzterer in der 4-Position erheblichschwächer wirkt. Bei den 2-Hydroxybenzoesäuren tritt darüber hinaus eine Stabilisierung der Anionendurch die Bildung von Wasserstoffbrücken in den Anionen auf.Die Wirkung der Substituenten bei den Phenolen ist ähnlich wie bei der Benzoesäure.

Organische Basen (Amine, Anilinderivate) dissoziieren in wässriger Lösung entsprechend

(16.7.1.5)

Das zugehörige MWG ist

(16.7.1.6)

BDie weitgehend konstante Wasserkonzentration wird in K O einbezogen und ergibt die zur Dis-soziationskonstante der Säure analoge Basizitätskonstante

(16.7.1.7)

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BBase pK

Anilin 9,37

2-Chloranilin 11,35

3-Chloranilin 10,48

4-Nitroanilin 13,00

4-Methylanilin 8,92

Bei den Basen ist die Wirkung der Substituenten um-gekehrt wie bei den Säuren: Der +M-Effekt und der +I-Effekt erhöhen die Basenstärke wie in der Tabelle miteiner kleinen Auswahl von Anilinderivaten bei 25 Co

gezeigt wird.

16.7.2 Dissoziationsgrad, pH-WertUnter dem Dissoziationsgrad " versteht man den Anteil der dissoziierten Moleküle an der Gesamtzahl.Für die Säuredissoziation gilt

(16.7.2.1)

owobei c die Gesamtkonzentration ("Einwaagekonzentration" oder analytische Konzentration) derSäure darstellt. Als Maß für die Konzentration der Wasserstoffionen wird der pH-Wert

(16.7.2.2)

eingeführt. Diese logarithmische Definition komprimiert den viele Zehnerpotenzen umfassendenKonzentrationsbereich auf handliche Zahlen. Die Definition (16.7.2.2) gilt nur für verdünnte Lösungen,die hier auch nur von Interesse sind.Die im folgenden durchgeführte Berechnung der Wasserstoffionenkonzentration und des Dissozia-tionsgrades schwacher Säuren bei gegebener Säurekonzentration ist für viele Zwecke wichtig. Dieexakte Berechnung ist leider etwas aufwändig; in den meisten Fällen darf man jedoch mit sehreinfachen Näherungen arbeiten. Folgende Gleichungen stehen für die Berechnung der Säuredis-soziation zur Verfügung.1) Das MWG

(16.7.2.3)

2) Eine Bilanzgleichung für den Zerfall der Säure.

(16.7.2.4)

3) H -Ionen werden auch durch die Dissoziation des Wassers geliefert.+

(16.7.2.5)

4) Die drei Bestimmungsgleichungen reichen für die Bestimmung der vier Unbekannten nicht aus. Diefehlende Gleichung erhält man aus der "Elektroneutralitätsbedingung" der Ionenlösung: Die Ladungenaller Kationen und Anionen müssen sich aufheben.

(16.7.2.6)

OH&Die Auflösung dieses Gleichungssystems gelingt wie folgt. Gl. (3) wird nach c aufgelöst und in Gl.

S&(4) eingesetzt. Die neue Gl. (4) nach c auflösen und in die Gl. (1) und (2) einsetzen. Es entstehen

HSdann zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten, aus denen sich c eliminieren lässt. Die daraus

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resultierende Gleichung

(16.7.2.7)

H+ist dritten Grades in c und daher sehr unübersichtlich und für die meisten Anwendungen nutzlos.Immerhin kann man mit ihr den pH-Wert einer 10 -molaren Essigsäurelösung berechnen (pH 6,98),&8

was mit der jetzt herzuleitenden Näherung dann nicht mehr gelingt.Zu den Näherungsgleichungen kann man von Gl. (16.7.2.7) aus gelangen. Einfacher ist es jedoch, dieNäherungen gleich bei den Ausgangsgleichungen einzuführen. Für die Näherungsrechnung wirdangenommen, dass die durch die Wasserdissoziation erzeugte H -Konzentration gegenüber der aus der+

Säuredissoziation stammenden vernachlässigt werden kann. Dadurch braucht Gl. (3) nicht mehrberücksichtigt zu werden und Gl. (4) wird zu

(16.7.2.8)

was auch ohne die Elektroneutralitätsbedingung einsichtig ist. Gl. (2) und (4) werden in Gl. (1)eingesetzt.

(16.7.2.9)

H+ oNimmt man jetzt noch an, dass der Dissoziationsgrad klein ist, d. h. c n c , so folgt

(16.7.2.10)

und der Dissoziationsgrad ergibt sich zu

(16.7.2.11)

(16.7.2.12)

Diese Gleichungen ergeben natürlich nur sinnvolle Resultate, wenn die oben getroffenen Annahmen

o Szutreffen (Dissoziationsgrad einer Säure bei c < K N ?). Eine etwas genauere Gleichung für denDissoziationsgrad erhält man aus Gl. (16.7.2.9) mit Gl. (16.7.2.1).

(16.7.2.13)

oder

(16.7.2.14)

Es entsteht so eine quadratische Gleichung für ".

Für die Basen findet man analog

(16.7.2.15)

und daher

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Abb. 47 Dissoziationsgrad und pH-Wert

(16.7.2.16)

und

(16.7.2.17)

Eine sehr elegante Darstellung zur Bestimmung des pH-Wertes in Abhängigkeit vom Dissoziations-grad findet man wie folgt. Für die Säuredissoziation gilt nach Gl. (16.7.2.1) und (16.7.2.4)

(16.7.2.18)

Einige Umstellungen ergeben

(16.7.2.19)

Weiterhin folgt durch Logarithmieren des Säure-MWGs

(16.7.2.20)

oder

(16.7.2.21)

d. h. es ergibt sich eine für alle Säuren universelleFunktion. Der Dissoziationsgrad kann z. B. durch Verdün-nung der Lösung oder durch Zusatz einer Base (dazu sieheKap. 16.7.3) verändert werden.

Bei der Dissoziation mehrbasiger Säuren treten eine Reihe

2Besonderheiten auf. Bei zweibasigen Säuren H S sind dieMWGs für die Dissoziation in den beiden Dissoziationsstufen

(16.7.2.22)

(16.7.2.23)

Die zweistufige Dissoziation in einem Schritt ergibt sich durch Multiplikation der Gleichungen

(16.7.2.24)

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S,1 S,2Säure pK pK

Oxalsäure 1,23 4,19

Malonsäure 2,83 5,69

Bernsteinsäure 4,16 5,61

Glutarsäure 4,31 5,41

Entsprechend ist das )G für die zweistufige Dissoziation die Summe aus den )G -Werten für dies s

einzelnen Dissoziationsstufen.

In der Tabelle sind die Dissoziationskonstantenfür einige organische, zweibasige Säuren bei25 C zusammengestellt.o

Durch die negative Ladung des Anions der ers-ten Dissoziationsstufe wird die Dissoziations-konstante für die zweite Stufe stark herabge-setzt. Dieser Effekt ist um so deutlicher, je ge-ringer der Abstand der Carboxylgruppen ist. Beider Oxalsäure unterscheiden sich die Dissozia-tionskonstanten um nahezu drei Zehnerpoten-zen, bei der Glutarsäure um etwas mehr als eineZehnerpotenz. Für den Zusammenhang zwischen pH-Wert und Dissoziationsgrad darf man Gl. (16.7.2.21) für die

Seinzelnen Stufen nur dann verwenden, wenn die pK -Werte genügend weit auseinander liegen, was z.

2 SB. bei H S (hier ist jetzt wirklich Schwefelwasserstoff mit pK = 7,04/11,96 gemeint) und Phosphor-

Ssäure (pK = 2,00/6,69 für die beiden ersten Stufen) der Fall ist. Liegen die Dissoziationskonstantendagegen sehr viel näher beieinander, so wird die Berechnung des pH-Wertes kompliziert, da dieDissoziation in erster Stufe noch nicht vollständig ist, wenn die in zweiter Stufe bereits beginnt. Fürden allgemeinen Fall hat man die Gl. (16.7.2.22) und (16.7.2.23) mit vier Unbekannten & bei Ver-nachlässigung der Wasserdissoziation & zur Verfügung. Des weiteren gibt es die Bilanzgleichung fürdie Säure

(16.7.2.25)

und die Elektroneutralitätsgleichung

(16.7.2.26)

Dies erlaubt die hier nicht durchgeführte Berechnung aller interessierenden Konzentrationen.

16.7.3 Salze schwacher Säuren mit starken Basen, Mischungen von schwachen Säuren mit starkenBasenDie Berechnung der pH-Werte von Mischungen schwacher Säuren mit starken Basen ist für dieUntersuchung von Puffern wichtig und erlaubt die Berechnung der pH-Werte beim Titrieren einerschwachen Säure mit einer starken Base. Die Eigenschaften des Salzes dieser Säure und Base fallen alsSpezialfall der allgemeinen Rechnung mit an. Der umgekehrte Fall (schwache Base/starke Säure, z. B.

4NH Cl) lässt sich analog lösen und wird hier nicht gesondert behandelt.Eine Mischung der schwachen Säure HS mit der starken Base KOH, wobei K ein allgemeines Kation+

darstellt, enthält die Ionen und undissoziierten Moleküle H , S , HS, OH , K+ & & +

Es gibt daher fünf unbekannte Konzentrationen, denen eine entsprechende Anzahl Gleichungen

K+gegenüberstehen muss. Von den unbekannten Konzentrationen wird c durch die Einwaagekonzen-

Btration c der Base festgelegt. Die restlichen Unbekannten entsprechen den bereits beim Fall derDissoziation der schwachen Säure auftretenden Konzentrationen. Auch die zur Verfügung stehendenGleichungen sind identisch bis auf Gl. (4), die hier

(16.7.3.1)

lautet. Im Prinzip ist die Lösung dieses Gleichungssystems wie bei den schwachen Säuren möglich, wobei der entstehende Ausdruck

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Abb. 48 pH-Wert bei Zusatz einer Base

(16.7.3.2)

noch etwas komplizierter ist. Abb. 48 zeigt die mit einem Programm berechnete Abhängigkeit des pH-Werts bei der Titration einer 10 -molaren Säurelösung, wobei als Dissoziationskonstante der Säure&2

B10 mol/dm angenommen wurde. Man erkennt den Pufferbereich bei c . 0,005 mol/dm , d. h. den&5 3 3

Bereich, in dem Salz und Säure neben-einander vorliegen, und den Bereich des

BSalzes bei c = 0,01 mol/dm , der für die3

Titration von Interesse ist.Für eine Berechnung mit der Hand mussein Verfahren gefunden werden, dass dieKomplexität des allgemeinen Ausdrucksdeutlich verringert.Es soll zuerst der pH-Wert-Bereich un-tersucht werden, in dem die Base unter-schüssig vorliegt, d. h. man kann diesesSystem als Lösung eines Salzes mit über-schüssiger Säure betrachten. Da dieserBereich deutlich im Sauren liegt, darf dieWasserdissoziation vernachlässigt wer-den. Das Salz ist vollständig dissoziiertund durch die hohe S -Konzentration&

wird die Säuredissoziation fast vollstän-dig unterbunden. Dies führt zu einerMöglichkeit, in der Dissoziationsglei-chung der Säure die darin auftretenden Konzentrationen mit den bekannten Größen zu verknüpfen. Esgilt

(16.7.3.3)

H+ S& HSAus c wird der pH-Wert berechnet, c entspricht der Salzkonzentration und c der Säurekonzen-tration bei einer aus Salz und Säure zusammengesetzten Mischung, d. h.

(16.7.3.4)

oder

(16.7.3.5)

Die Pufferwirkung dieses Salz/Säure-Gemischs beruht darauf, dass der Zusatz einer starken Base bzw.

Salz SäureSäure das Verhältnis c /c verändert, das nur logarithmisch zum pH-Wert beiträgt. Die Puffer-wirkung ist auf Zusätze von Stoffmengen beschränkt, wie sie in der Lösung vorliegen. Setzt man soviel einer starken Säure zu, dass das Salz vollständig zum Salz der starken Säure umgesetzt wird unddie Konzentration der schwachen Säure entsprechend erhöht wird, so ist die Pufferwirkung aufge-hoben. Die Pufferkapazität sowohl gegen den Zusatz starker Säuren als auch den starker Basen ist

Salz Säureoptimal für c = c . Unter diesen Bedingungen ist auch die Pufferwirkung optimal, d. h. dieSteigung in der obigen Abb. minimal. Es gilt für die Ableitung von Gl. (16.7.3.5)

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(16.7.3.6)

S B Salz SäureDas Minimum, d. h. der Punkt geringster Steigung, liegt daher bei c = 2c oder c = c .Es fällt auf, dass die funktionelle Abhängigkeit im Pufferbereich und die Funktion in der vorherge-henden Abb. sehr ähnlich aussehen. Dies hat folgenden Grund. In der vorhergehenden Abb. war derpH-Wert als Funktion des Dissoziationsgrades aufgetragen. Dabei war nicht diskutiert worden, wieman diesen Dissoziationsgrad einstellt. Der pH-Wert bzw. der Dissoziationsgrad wird durch Zugabeeiner starken Base zur Lösung der schwachen Säure eingestellt. Genau dieses Verfahren beschreibt Gl.

S& S(16.7.3.5). Der Dissoziationsgrad ist per definitionem c /c und das entspricht weitgehend dem

B SVerhältnis c /c . Gl. (16.7.3.5) kann man daher auch in der Form

(16.7.3.7)

geschrieben werden. Gl. (16.7.2.21) ist abgesehen von der vernachlässigten Wasserdissoziation exakt;Gl. (16.7.3.5) ist es nicht mehr.Der pH-Wert des reinen Salzes, d. h. am Äquivalenzpunkt der Titrationskurve, ist mit Gl. (16.7.3.5)

Säurenicht mehr zugänglich (c = 0!). Zur Berechnung dieses pH-Wertes wird wie folgt verfahren. Diealkalische Reaktion des Salzes wird durch die Hydrolyse nach

(16.7.3.8)

bedingt. Das MWG lautet

(16.7.3.9)

Bezeichnet man mit ( den Hydrolysegrad, so folgt aus dieser Gleichung

(16.7.3.10)

und daher für den Fall ( n 1

(16.7.3.11)

Die Wasserstoffionenkonzentration beträgt

(16.7.3.12)

und daher

(16.7.3.13)

WDer Term ½pK ergibt den pH-Wert des reinen Wassers. Die Hydrolyse ergibt eine um so alkalischereLösung, je schwächer die Säure ist und je größer die Salzkonzentration ist. Für den diskutierten Fallgilt

(16.7.3.14)

Weitere einfach zugängliche Werte der Kurve des obigen Diagramms sind der pH-Wert der reinenschwachen Säure und der Bereich der stark alkalischen Lösungen, für die

(16.7.3.15)

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gilt.Mit etwas modifizierten Methoden kann man den Fall eines Salzes einer schwachen Säure mit einerschwachen Base behandeln. Je nach der relativen Schwäche von Säure und Base entstehen hier leichtsaure oder basische Lösungen. Dieser Fall soll hier nicht im einzelnen behandelt werden.

16.7.4 Ampholyte, ZwitterionenSubstanzen, die sich sowohl wie Säuren als auch wie Basen verhalten können, werden als amphotereElektrolyte oder Ampholyte (von griechisch amphoteros: beiderseitig und griechisch lysis: Trennung)

2 2bezeichnet. Beispiele sind die Aminosäuren, wie Glycin NH CH COOH, und viele Metallhydroxide,

3wie Al(OH) . Alle Ampholyte können je nach pH-Wert als Kationen oder Anionen vorliegen. ImBereich mittlerer pH-Werte liegen sie entweder als neutrale Substanzen vor oder bilden Innere Salze

3 2oder Zwitterionen mit zwei Ladungen verschiedenen Vorzeichens, wie beispielsweise NH CH COO .+ &

Die Bildung eines Zwitterions ist nur dann möglich, wenn die basische und saure Gruppe räumlich

3getrennt sind und sich nicht wie beim Al(OH) an einem Atom befinden. Weiterhin dürfen die Säure-und Basenstärke nicht zu gering sein, da sonst & wie z. B. bei den Aminophenolen & im Bereichmittlerer pH-Werte die Dissoziation zu gering ist.Für den allgemein mit HXOH bezeichneten Ampholyten gibt es & abgesehen von der jetzt nichtangenommenen Bildung eines Zwitterions & folgende Dissoziationsmöglichkeiten

(16.7.4.1)

(16.7.4.2)

mit den MWGs

1) (16.7.4.3)

2) (16.7.4.4)

Daneben gibt es noch die Bilanzgleichung

3) (16.7.4.5)

Awobei c die Einwaagekonzentration des Ampholyten darstellt, und die Wasserdissoziation

4) (16.7.4.6)

und die Elektroneutralitätsbedingung

5) (16.7.4.7)

Die vollständige Rechnung führt auf eine komplizierte Gleichung 3. Grades. Belässt man jedoch die

HXOHan und für sich unbekannte Konzentration c in der Endgleichung, d. h. Gl. (3) wird nicht berück-sichtigt, so erhält man aus (1) und (2)

(16.7.4.8)

WAddition von K ergibt

(16.7.4.9)

(16.7.4.10)

Division ergibt

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(16.7.4.11)

wobei das Kürzen der Klammer wegen der Elektroneutralitätsbedingung möglich ist. Schließlich wirdnoch die OH -Konzentration in die H -Konzentration umgerechnet und es entsteht& +

(16.7.4.12)

S B H+ WIst K N = K N, so folgt c = (K ) , d. h. pH 7. Ist die Dissoziationskonstante der Säure höher als die der½

Base, so entsteht eine saure Lösung. Die explizite Berechnung eines pH-Wertes mit Gl. (16.7.4.12) istnur dann möglich, wenn sowohl die Säure- als auch die Basedissoziation so gering sind, dass Gl.

HXOH A(16.7.4.5) mit c = c gilt.Legt man an eine "normale" Elektrolytlösung ein elektrisches Feld, so wandern Säureanion bzw.Basekation in diesem Feld auch bei teilweiser Dissoziation. Bei den Ampholyten kann man den pH-Wert durch Säure- bzw. Basezusatz so einstellen, dass der Ampholyt im Mittel kein Ladung trägt, d.h. die Konzentrationen von XOH und HX übereinstimmen. Dieser pH-Wert wird als isoelektrischer& +

Punkt (was heißt hier Punkt!?) bezeichnet. Am isoelektrischen Punkt ist die Wanderungsgeschwindig-keit des Ampholyten vernachlässigbar klein, da sich die Wanderung des Kations und Anions wegen derim Mittel gleichen Konzentration und der weitgehend übereinstimmenden Geschwindigkeitenaufheben. Den pH-Wert des isoelektrischen Punkts findet man aus den Gl. (1) und (2), die nach diesenKonzentrationen aufgelöst und gleichgesetzt werden.

(16.7.4.13)

oder

(16.7.4.14)

oder

(16.7.4.15)

oder

(16.7.4.16)

Sind die Säure- und Basestärke gleich, so liegt der isoelektrische Punkt bei pH 7, sonst geht dieDifferenz der pK-Werte ein, wobei bei einer starken Säure die saure Dissoziation durch Zusatz vonSäure zurückgedrängt werden muss. Am isoelektrischen Punkt ist die Ampholytdissoziation minimal.Dies ist aus dem folgenden Diagramm ersichtlich. Für dieses Diagramm wurde der gesamte Dissozia-tionsgrad

(16.7.4.17)

berechnet. Diesen erhält man ohne Lösung des gesamten Gleichungssystems wie folgt. In die Bilanz-

XOH& HX+gleichung (3) werden die nach den Konzentrationen c bzw. c aufgelösten Dissoziationsgleich-gewichte (1) und (2) eingesetzt. Dies führt zu

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Abb. 49 Dissoziationsgrad von Ampholyten

(16.7.4.18)

(16.7.4.19)

und

(16.7.4.20)

Diese Gleichung zeigt die Symmetrie bezüglichder Säure- und Basedissoziation. Für die Berech-nung der Funktionen im Diagramm wurde dannnoch die OH -Konzentration über die Wasserdis-&

soziation eliminiert. Für die im Diagramm dar-

S Bgestellten Funktionen wurde K = K gewählt.Der an den Kurven angegebene Parameter ist der

SpK -Wert. Demnach gibt es Ampholyte, bei de-nen am isoelektrischen Punkt durch geringe Dis-soziationskonstanten fast nichts dissoziiert ist. Indiesem Fall wandert der Ampholyt auch in einemgewissen pH-Wert-Bereich um den isoelektri-schen Punkt nicht. Sind dagegen die Dissozia-tionskonstanten größer, so bleibt der Ampholytnur am isoelektrischen pH-Wert stehen. Die für

Sden Ampholyten mit pK = 8 bei pH 7 auftreten-de Dissoziation wird durch die Dissoziation als Säure oder als Base bewirkt. Eine Zwitterionenbildungkann nicht auftreten, da sie in den Gl. (1) bis (5) nicht berücksichtigt wurde. Bei einem realen Ampho-lyten wäre dies jedoch sicherlich der Fall.Gibt es in einem Molekül räumlich getrennt eine saure und eine basische Gruppe, so können sichZwitterionen bilden. Dieses wird in Lösung dann auftreten, wenn die beiden Gruppen nicht zu weitvoneinander entfernt sind und die beiden Dissoziationskonstanten nicht zu gering sind. Die Dis-soziation einer Gruppe hilft durch die entstehende Ladung der anderen Gruppe bei der Dissoziation.Bei den Aminosäuren liegen die Moleküle bereits im Kristall als Zwitterionen vor. Ein Hinweis dafürsind die hohen Schmelzpunkte von 230 C und höher.o

Am isoelektrischen Punkt liegt bei den Verbindungen mit Zwitterionenbildung kein undissoziierterAmpholyt, sondern das Zwitterion vor. Es gibt jetzt die beiden Gleichgewichte

(16.7.4.21)

(16.7.4.22)

d. h. hier wird der andere Extremfall im Vergleich zu den Gl. (16.7.4.1) und (16.7.4.2), wo keinerleiZwitterionenbildung vorliegen sollte, angenommen. Für den Grundkörper des Zwitterions wurde dieBezeichnung XY gewählt, um die räumliche Trennung anzudeuten. Für die beiden Gleichgewichte giltunter Einbezug der Wasserkonzentration in die Gleichgewichtskonstante

(16.7.4.23)

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(16.7.4.24)

Da auch die restlichen Gleichungen (3), (4) und (5), wobei die letzte wegen der Gesamtladung 0 desZwitterions auch erhalten bleibt, identisch sind, gelten die bereits hergeleiteten Ergebnisse. Auch dieÜberlegungen zum isoelektrischen Punkt bleiben gültig, da das Zwitterion nach außen neutral ist.