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DIE JUNGFRAU VON DER DORNENWEIDE Inspiriert von der Sage „Die Doorweetsjuffer von Hambach aus „Sagen und Überlieferungen des Jülicher Landes“ (ausgewählt und bearbeitet von E. Behrens-Hommel) nachgespürt und erzählt

5€¦  · Web viewEin Jahr nach der Hochzeit gebar Amanda ihrem Gatten eine Tochter, ein wunderschönes, zartes, auch eher dunkelhäutiges Mädchen, auch mit dunklen Augen

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DIE JUNGFRAU VON DER DORNENWEIDE

Inspiriert von der Sage „Die Doorweetsjuffer von Hambach

aus

„Sagen und Überlieferungen des Jülicher Landes“(ausgewählt und bearbeitet von E. Behrens-Hommel)

nachgespürt und erzähltvon

Dagmar Faust

Die Jungfrau von der Dornenweide in Hambach

Der Sage nach gibt es eine linienförmige Verbindung zwischen dem Hambacher Schloss, der Burg Obbendorf und der Burg Niederzier, dem derzeitigen Rathaus.

Und ebenso sagt die Sage, dass einst zwischen Burg Obbendorf und Burg Niederzier ein weiteres Schloss gestanden hat.

Alle 4 Bauten waren durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden.Er verläuft ungefähr dort, wo z. Zt. ein fast geradliniger Feldweg von der alten Burg Niederzier auf die Burg Obbendorf zuläuft.

Das heute nicht mehr sichtbare Schloss hieß "Schloss Rosenborn".

Dieses Schloss und sein näheres Umfeld hat vor etwa 300 Jahren eine Geschichte erlebt, die ich erzählen möchte.

Schloss "Rosenborn" lag, ebenso wie Burg Obbendorf, Burg Niederzier und das Schloss Hambach, unweit des Ellbaches, inmitten eines kleinen Parkes, den große und schöne Bäume zierten.

Vater und Großvater des Schlossherrn hatten diese Bäume von verschiedenen Reisen in ferne Länder mitgebracht, und sie gediehen unter der sorgfältigen Pflege des jetzigen Schlossherrn weiterhin prächtig.

Das Schloss selbst war mit Rosen umpflanzt, Rosen in rosa und roten Farben.

In dem Schloss lebte der Ritter Kunibert.

Er zeigte sich mir in seinem schönen bestickten Gewand, mit weißem Haupthaar, mit einem Bart und von nicht großer Gestalt.

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Er saß in einem Sessel, hatte den Kopf in die Hände gestützt und dachte nach darüber, was hier in diesem Schloss geschehen war..Kunibert war jetzt etwa 60 Jahre alt.

Es kam ihm in Erinnerung, wie er vor 30 Jahren seine junge Frau heimgeführt hatte an diesen Ort.

Eine schöne dunkelhaarige, hoch aufgewachsene, schlanke Frau, mit mädchenhaftem Charme, mit langen dunklen Locken, mit dunkler Haut und schwarzen Augen - wunderschön.

Ihr Name war Amanda gewesen.

Er erinnerte sich an ihre Liebe zueinander, an die Leidenschaft ihrer Umarmungen und Küsse, und wie sie lachend, jauchzend, mit ihm zusammen das Schloss zum erstem Mal betreten hatte - damals vor 30 Jahren. Voller Hoffnung, dass sich zwischen ihr und ihrem Gatten ein Leben voller Wunder entwickeln würde.

Aber - das Leben so weit entfernt von ihrer eigentlichen Heimat, dem Morgenland, in dem über so lange Zeiträume hin das Licht ganz hell ist und der Himmel blau und Blumen das ganze Jahr hindurch blühen...

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Der Vergleich des hiesigen Hambacher Landes mit dem Land, aus dem sie hergekommen war, machte sie traurig und immer trauriger.

Ein Jahr nach der Hochzeit gebar Amanda ihrem Gatten eine Tochter, ein wunderschönes, zartes, auch eher dunkelhäutiges Mädchen, auch mit dunklen Augen. Sie freuten sich beide an diesem Mädchen, das heranwuchs zu einem blond gelockten hübschen Kind voller Temperament und Feuer.

Aber der Schmerz der Mutter über die verlorene Heimat, über die Sonne, die sie hier über lange Zeiten des Jahres entbehren musste, - ihr Schmerz darüber, dass der Gesang der Vögel im Winter nur noch spärlich ist, der Schmerz darüber, dass der Winter so lange aufkeimendes Leben in der Erde festhält, brach ihr nach 4 Jahren das Herz.

Sie wurde krank und verschied in der Hoffnung, so wieder zurückzukommen in ihre alte Heimat.

Der Ritter war gram vor Schmerz und Trauer.

Seine ganze Liebe hängte er nun an seine kleine Tochter Violetta.Er behütete sie in seiner Angst, auch dieses geliebte Wesen zu verlieren.Nichts durfte von außen an die kleine Violetta herankommen.

So ließ er auch die Rosen rings um sein Schloss zu gewaltigen, undurchdringlichen Gebilden heranwachsen, die mit dem süßen Duft ihrer Blüten das Schloss wie mit einem betäubenden Nebel durchzogen.

Aber in dem Mädchen sprudelte das innere Feuer seiner Mutter.

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Es wollte lernen, es wollte singen und tanzen.So wurden Lehrer in das Schloss Rosenborn geholt, Violetta zu unterrichten.

Aus Violetta wurde eine kluge junge Frau, darüber hinaus voll strahlender Schönheit und Grazie.

In aufrechter stolzer Haltung wandelte sie durch den Innenhof des kleinen Schlosses, denn hinaus durfte sie nicht. Sie wandte sich den Blumen zu, den Vögeln und den Schmetterlingen und hatte ihre Freude an ihnen.

In dieser Freude glomm jedoch manchmal auch eine leichter Schmerz auf, aber Violetta war die Ursache dieses Schmerzes unbekannt.

Da war einer unter den Dienern des Ritters, mit Namen Alexander.

Er hatte Violettas Gesang durch ein geöffnetes Fenster gehört und heimlich ihre stolze Gestalt bewundert.

Er begegnete Violetta häufig, wenn sie sich durch den Innenhof des Schlosses bewegte.

Sein Herz tat sich auf für dieses schöne junge Mädchen, und Violetta erwiderte mit ihren schwarzen Augen seinen sehnsüchtigen Blick.

So wurde es mit den Tagen deutlicher, dass beide ein Begehr danach hatten, ohne Aufsicht des Vaters einmal beieinander zu sein.

Heimlich verabredeten sie, sich am kommenden Tag zu Mittag im 1 Uhr in dem Gang zu treffen, der das Schloss Hambach mit der Burg in Niederzier verbindet.

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Um einen Grund für das Verlassen des Schlosses zu haben, bat Violetta inständig ihren Vater, doch ihre selbst gewirkten Leinen im Ellbach waschen zu dürfen.

Der Vater gab dem Drängen seiner geliebten Tochter nach, jedoch mit einer kleinen Furcht im Herzen, dass ihr nur ja nichts widerfahren möge.

Am nächsten Mittag um 12 Uhr verließ Violetta das Schloss, unter dem Arm einen Korb mit dem selbst gewebten Leinen, um es im Ellbach, dort, wo er an der Bohnenkaule eine Biegung macht, zu waschen.

Ihr Herz klopfte in gespannter Erwartung - was hatten Alexanders Augen ihr versprochen? Der Ausdruck in seinen Augen war ihr unbekannt, jedoch voller betörender Verheißung gewesen.

Sie erglühte in Vorfreude auf das Treffen mit Alexander, den sie nun ganz heimlich und scheu ihren "Liebsten" nannte.

Um 1 Uhr wollten sie beide sich im unterirdischen Gang, etwa 100 m vom heimischen Schloss entfernt, treffen.

Als das Leinen gewaschen war, machte sie sich auf zu einer kleinen Tür, die in den Tunnel zwischen dem Schloss Hambach und der Burg Niederzier führte.

Um 1 Uhr war auch Alexander eingetroffen.

Sie ergriffen sich bei den Händen und umschlangen einander schließlich in zarter aufblühender Liebe.

"O du mein Liebster", hauchte Violetta, "ich bin glücklich, dass wir uns hier sehen dürfen. Aber ich habe Angst vor meinem Vater. Niemals erlaubt er mir eine Begegnung mit anderen Menschen außer den Mägden und den Lehrern. Niemals darf er uns hier treffen!“

"Ach du zauberhafte Liebste", entgegnete Alexander, " wie schön du bist ! Mein Herz verlangt danach, in deine dunklen

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Augen einzutauchen, sie zu ergründen, deine Seele zu erfassen. -Ganz geheim sollen unsere Begegnungen bleiben !"

So ging es 12 Wochen lang.

Violetta webte und stickte eifrig, um für jeden Tag neues Leinen zu haben, mit dem sie an den Ellbach gehen konnte, um anschließend ihren Liebsten zu treffen.

"Geliebte Violetta", sprach Alexander, "ich liebe dich so sehr, und ich möchte, dass wir für immer zusammen sind !"

Violetta entgegnete: "Ja, mein geliebter Alexander, ich verspreche dir, bis zum letzten aller Tage werde ich dir treu sein, denn du bist der, den ich mir ersehnt habe, seit ich Schmerz und Traurigkeit fühlte".

"Das ist wundervoll, sagte Alexander. "Auch ich möchte für immer der Deine sein. Ich werde zu deinem Vater gehen und um deine Hand anhalten ."

"Oh, mein Liebster, tu das. Ich hoffe, dass mein Vater sich darüber freut, dass ich einen so wunderschönen und so guten Gemahl an meiner Seite haben werde!"

Und so trennten sie sich nun bis zum folgenden Tag.

Alexander ging zurück zum Schloss, und er nahm sich ein Herz und bat den Schlossherrn um ein Gespräch.

Ritter Kunibert war verwundert über das Ansinnen seines Kammerdieners, aber er gab ihm einen Termin für das Gespräch.

Am Abend, nach dem Abendessen, klopfte Alexander an die Tür des Schlossherrn, und er wurde eingelassen.

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Scheu stand er vor Ritter Kunibert, der in seinem mächtigen Sessel tronte.

"Nun, was ist dein Begehr ?"Rau und finster blickte er auf Alexander.

"Mein Herr", antwortete Alexander, "ich habe einen tiefen inniglichen Wunsch:Violetta, eure Tochter - sie ist eine wunderschöne junge Frau.Ich liebe sie, und ich begehre sie zu meinem Weib. "

Alexander schlug die Augen nieder.

"Was ? Es ist dein Begehr, meine Tochter als dein Weib zu haben ? Was für Hirngespinste hast du in deinem Kopf ? Hast du nicht genügend Arbeit ? Niemals werde ich dir meine Tochter geben !!! Mach, dass du hier heraus kommst, an die Arbeit ! Und denke nie mehr an meine Tochter, sonst wird es dich deinen Kopf kosten! " So polterte Ritter Kunibert, schnaubend vor Zorn.Alexander verbeugte sich demutsvoll. Tränen waren ihm in die Augen getreten; rückwärts gehend verließ er den Raum. Draußen strömten ihm die Tränen aus den Augen. Er war verzweifelt.

Wie sollte er das seiner geliebten Violetta überbringen ?

Am nächsten Mittag trafen sich die beiden Liebenden wieder.

Violetta fragte: "Nun, Alexander, was hat mein Vater zu dir gesagt ?"

"Meine geliebte Violetta, ich bin zu Tode betrübt, denn dein Vater hat meinen Wunsch abgeschlagen. Und er hat gesagt, wenn ich mir den Wunsch, dich zu meiner Gemahlin zu haben, nicht aus dem Kopf schlage, so wird es mich mein Leben kosten.“

"O mein Liebster, mein Alexander, - so müssen wir uns weiterhin hier treffen wie bisher, jeden Mittag um 1 Uhr. "

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Sie umarmten sich und küssten einander.

"Und immer werde ich dir treu sein, Alexander, trotz des Widerstandes meines Vaters, Alexander!“

"Ja, meine geliebte Violetta, auch ich verspreche dir für ewig meine Treue!!"

Und so gingen sie, mit Gram und Furcht im Herzen, aber gestärkt von ihrer tiefen Liebe, wieder auseinander.

Violetta trug ihre gewaschene Wäsche zurück zum Schloss.

Ritter Kunibert stampfte in seinem Burgzimmer auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt - hin und her, her und hin.

Und er sagte: "Ich muss mein Kind beobachten und ebenso meinen Kammerdiener. Was hat das denn wohl auf sich, dass sie an jedem Tag zur Bohnekaule am Ellbach geht und dort Leinen wäscht ? - Das geht wohl nicht mit rechten Dingen zu !

Ja, ich werde sie nicht aus den Augen lassen !"Er liebte seine Tochter so sehr, dass er nicht zulassen wollte, dass irgendein Mensch Hand an sie legte und sie ihm entführte. Er wollte sie für immer für sich haben, da er ja schon seine Ehefrau verloren hatte.

Und so schickte er am nächsten Tag einen Diener hinter Violetta her, der sollte sie beobachten.

Und der sah, wie Violetta die Wäsche wusch, wie sie dabei sang, fröhlich war, und er spürte ihre Freude, die sich anhörte, wie eine "Vorfreude", aber gemischt zu sein schien mit einem leichten Schmerz.

"Was hat sie wohl im Sinn?“, fragte sich der Diener.

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Als Violetta mit dem Waschen fertig war und das Ufer des Ellbaches verließ, folgte er ihr heimlich und sah, wie sie plötzlich ein paar Stufen abwärts ging und durch eine Tür verschwand.

Mit diesem Wissen ging er zurück zu seinem Herrn und erzählte es ihm.

"So, so, sie verschwindet dort in unserem Verbindungsgang zwischen den Schlössern! So werde ich nun auch Alexander beobachten lassen!", brummte der Ritter nachdenklich vor sich hin.

Am kommenden Tag sandte er einen anderen Diener hinter Alexander her.

Der verließ etwa um 12 Uhr das Schloss, ging in den Keller und betrat dort den Gang.

Der nun als "Spitzel" tätige Diener beobachtete, wie Alexander weiter und weiter gen Niederzier durch diesen Tunnel ging. Er folgte ihm in einem Abstand von etwa 20 m, immer geduckt hinter die Steinvorsprünge, die diesen Tunnel verstärkten.

Und als er so an einem Vorsprung wieder halt machte, hörte er leises Flüstern, und er vernahm, dass sich dort hinten, 20 m von ihm entfernt, Alexander und Violetta getroffen hatten, und dass Küsse getauscht wurden und Flüstern und liebevolle Umarmungen, die er auch aus dieser Entfernung sehen konnte.

Leise kehrte er um und erzählte dem Schlossherrn, was er beobachtet hatte.

Als er den Raum verlassen hatte, schäumte der Ritter vor Wut:

" Da hüte ich nun meine Tochter, dass ihr nichts widerfährt, und da kommt da so ein hergelaufener Diener und will sie mir fortnehmen !

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Ich werde ihn umbringen !!!"

Und er ergriff sein gesatteltes Pferd und machte sich auf den Weg zu einem Freund, der jenseits des Hambacher Waldes in einer Burg wohnte.

Er erzählte ihm von dem, was beobachtet worden war, und von seiner großen Sorge, seine Tochter zu verlieren.

Sein Freund sagte: "Ja, da gibt´s nur eines: gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen ! Du kannst den Beiden die Liebe nicht verbieten.

Du wirst deinen Diener töten müssen; nur so wird sie sich trennen können von ihrem Geliebten, und du wirst sie für immer als die Deine haben !"

"Ich werde ihn töten lassen müssen, ja, aber wie verdinge ich Mörder, denn ich will es nicht selber tun ?"

"Ja, Kunibert, nicht weit von hier, mitten im Hambacher Wald - eine Stunde zu Pferde von hier - da gibt es ein Räuberhaus.

Dort wohnen drei Räuber, und du kannst sie für deine Pläne gewinnen. Sie treiben allerlei Unrecht in der hiesigen Gegend, und wenn du sie gut bezahlst, werden sie dir wohl das Morden abnehmen!"

Also ritt Kunibert weiter zu dem beschriebenen Räuberhaus. Dort wurde er mit lautem Gegröle empfangen und willkommen geheißen. Man bot ihm etwas zu trinken an, einen scharfen Schnaps.

Ritter Kunibert trug ihnen sein Ansinnen vor und sagte. " Wenn ihr dieses vollbracht habt, dann bekommt ihr einen Sack Gold. Aber ihr müsst den Kammerdiener schnappen, bevor er sich mit meiner Tochter trifft. Dort hinten, etwa 500 Schritte entfernt von meinem Schloss, dort ist der Treffpunkt.

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Er verlässt bei mir jeden Mittag gegen 12 Uhr Schloss und Keller. Also folgt ihm unauffällig!

Überwältigt ihn und tötet ihn!"So sagte er und ritt wieder heim.

Die 3 Räuber machten sich am nächsten Tag auf den Weg, lauerten Alexander auf, und als dieser um 12 Uhr wieder in den Keller hinunterging, den Tunnel entlang in Richtung der Burg Niederzier, folgten sie ihm.

Nach kurzer Zeit überwältigten sie ihn und durchschnitten ihm die Kehle.

Ein tiefer Seufzer entrang sich Alexanders Brust, dann verröchelte er sei Leben.

Auf der anderen Seite aber betrat um 1 Uhr Violetta, von der Bohnenkaule am Ellbach her kommend, den Tunnel und wartete an dem gewohnten Platz auf ihren Liebsten. - Aber Alexander erschien nicht.

Nach einer halben Stunde verließ sie den Gang und ging zurück zum Schloss, voller trüber Gedanken und auch voller Ahnung, dass vielleicht etwas Schreckliches geschehen wäre.

Zuhause ließ sie sich nichts anmerken. Sie tat wie gewohnt ihre Arbeiten. Sie saß über dem Leinen, das sie bestickte, und sie hoffte auf den kommenden Tag - um dann ihren Alexander zu treffen.

Am nächsten Tag betrat sie wieder zur verabredeten Stunde den langen Gang, und wieder erschien Alexander nicht.

Genauso erfolgte es auch am 3. Tag.

Die Sorge um Alexander, den sie auch im Schloss nicht mehr sah, ergriff ihr Herz, und als sie zurückgekehrt war in ihr Gemach, übermannte sie der Schmerz.

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Sie konnte keine Handarbeiten mehr machen. Sie saß nur noch dort und weinte und weinte und weinte.

Sie warf sich auf ihr Bett, krallte die Finger in ihre Kissen, verhüllte ihren Kopf und weinte und weinte.

Zum Abend erwartete der Vater wie an jedem Abend seine Tochter zum gemeinsamen Mahl, aber sie erschien nicht. So schickte er eine Mamsel hinauf in ihr Burgzimmer.Diese fand Violetta, wie sie weinend auf ihrem Bett lag.

Violetta war nicht dazu zu bewegen, zu ihrem Vater mitzukommen, denn sie ahnte, dass ihr Vater Hand an ihren geliebten Alexander selbst gelegt oder hatte legen lassen.

Und dabei liebte sie doch ihren Vater, und sie verstand nicht, dass er ihr vielleicht einen solchen Kummer hatte bereiten können.

So verging dieser Tag.

Am nächsten Tag weinte Violetta immer noch.

Ihr Vater schickte zwei Mamsellen hinauf zu ihr. Sie zerrten Violetta von ihrem Bett und hin zu ihrem Vater.

Dort brach sie zusammen in einen Stuhl, und schluchzte und schluchzte.

Endlich konnte sie die Frage hervorbringen: "Vater, was ist mit Alexander ?"

Und ihr Vater brauste auf:

"Du hattest eine Liebesbeziehung zu diesem gemeinen Burschen ?

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Was habt ihr miteinander getrieben ? Niemals mehr sollst du dieses Haus verlassen, denn du bist das Einzige, das ich noch habe, und ich werde dich nie an irgendeinen Mann hergeben. Ich will, dass du immer um mich bist.

Meine Frau habe ich verloren, deine Mutter die ich so sehr geliebt habe. Du bist nun das Einzige, das mir geblieben ist, und ich befehle, dass du für immer bei mir bleibst“.

Kunibert verhaspelte sich fast, indem diese Worte aus ihm heraussprudelten, denn in ihm waren Zorn, Trauer und - Angst.

Violetta konnte kein Wort mehr über ihre Lippen bringen. Sie saß da, mit gebrochenem Herzen.

Die beiden Mamsels trugen sie hinauf in ihr Zimmer, und dort blieb sie.

Sie erkrankte schwer; sie hustete schließlich Blut.Tiefe Ringe lagen um ihre Augen, die ihren Glanz verloren hatten; ihr Mund war bitter geworden.

Und so hauchte sie nach 8 Tagen ihren Geist aus.

Seit dem Tod seiner Tochter saß der Vater in seinem Sessel und es war ihm so gram ums Herz. Und er bestieg nicht mehr sein Pferd, und er verließ nicht mehr das Schloss.

Und jeden Tag ging er zu dem kleinen Grabhügel unter den alten Bäumen, wo seine Frau und seine Tochter lagen, die beide so jung, mit nicht einmal 20 Jahren, diese Welt verlassen hatten.

Und immer wenn er dort war, vernahm er um die Mittagszeit ein starkes Rauschen in den Blättern der Bäume, die über dieser Grabstätte wuchsen. Und er sah ein sonderbares Licht, das sich

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erhob aus diesem Grab, und es verschwand durch die Mauer hindurch. Wenn er voller Erstaunen hier sitzen blieb, dann kam nach etwa einer Stunde dieses Licht zurück und verschwand wieder in dem Grab.

Darüber sann der Schlossherr nach. "Was mag das für eine Licht sein? Ist es die Seele meiner dahingesiechten Tochter ?"

Es war nur noch Frage und Trauer und auch Reue in seinem Herzen. Er begriff, dass man Liebe nicht zerstören darf, ohne Leben zu zerstören.

In der Einsicht, dass die in Schmerzen vergangenen Leben seiner Frau und seiner Tochter auch sein Leben zerstört und unwert gemacht hatten, siechte auch er nach 10 Jahren dahin.

Die Rosen umschlangen weiterhin das Schloss Rosenborn.Kein Mensch hatte von außen Zugang zu ihm, weil diese Blumen der Liebe alles mit Dornen umrankten.

Und so zerfiel langsam das Schloss und es sank zu Boden.

Heute noch fördern die Bauern bei tiefem Pflügen Steine und Dachziegel des Schlosses zu

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Tage, und immer noch sprießen Triebe der einstigen Rosen hier aus dem Boden.

Und an jedem Mittag erscheint hinten an der Bohnenkaule am Ellbach die weiße Gestalt der Violetta. Nach einer Stunde geht sie hinüber zu dem Gang und zu der Stelle, an der ihr Liebster ermordet wurde. Dort trifft sie ihn.

Und so halten sie beide ihr Versprechen der ewig dauernden Liebe.

Die Blumen, die dort wachsen, lassen in der Mittagszeit ihre Köpfchen hängen, und zwischen 12 und 1 Uhr mittags spielt hier kein Kind.

Um diesen Ort weht immer noch ein großes Geheimnis.

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