24
AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-1 Prof. Dr. M. Kocher 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m ¨ arkten Ein Oligopol liegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- nige Anbieter gegen ¨ uberstehen – so wenige, dass jeder von ihnen einen nicht vernachl ¨ assigbaren Einfluss auf das Markt- geschehen hat. Oligopole sind Situationen mit strategischer Interaktion und damit der Analyse mit spieltheoretischen Methoden zug ¨ anglich. Wir werden im folgenden zumeist den einfachsten Fall be- trachten: ein Duopol (d.h. eine Situation mit nur zwei An- bietern) auf einem Markt f ¨ ur ein homogenes Gut. Dabei unterscheiden wir zum einen nach der strategischen Variable: Mengenwettbewerb: Entscheidungsvariable ist f ¨ ur je- des Unternehmen die zu produzierende Menge. Die Sum- me der Mengen aller Anbieter bestimmt ¨ uber die inverse Nachfragefunktion den Preis. Preiswettbewerb: Entscheidungsvariable ist f ¨ ur jedes Unternehmen der Preis. Die Konsumenten kaufen beim Anbieter mit dem niedrigsten Preis. c Sven Rady und Monika Schnitzer 2008

5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

  • Upload
    buinga

  • View
    225

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-1 Prof. Dr. M. Kocher

5 Strategische Interaktion auf Oligopol-markten

Ein Oligopol liegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we-nige Anbieter gegenuberstehen – so wenige, dass jeder vonihnen einen nicht vernachlassigbaren Einfluss auf das Markt-geschehen hat. Oligopole sind Situationen mit strategischerInteraktion und damit der Analyse mit spieltheoretischenMethoden zuganglich.

Wir werden im folgenden zumeist den einfachsten Fall be-trachten: ein Duopol (d.h. eine Situation mit nur zwei An-bietern) auf einem Markt fur ein homogenes Gut.

Dabei unterscheiden wir zum einen nach der strategischenVariable:

• Mengenwettbewerb: Entscheidungsvariable ist fur je-des Unternehmen die zu produzierende Menge. Die Sum-me der Mengen aller Anbieter bestimmt uber die inverseNachfragefunktion den Preis.

• Preiswettbewerb: Entscheidungsvariable ist fur jedesUnternehmen der Preis. Die Konsumenten kaufen beimAnbieter mit dem niedrigsten Preis.

c© Sven Rady und Monika Schnitzer 2008

Page 2: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-2 Prof. Dr. M. Kocher

Zum andern unterscheiden wir nach der Struktur der Markt-interaktion:

• Simultanes Spiel: Beide Anbieter mussen sich gleich-zeitig auf eine Entscheidung (uber Preis oder Menge)festlegen, ohne zu wissen, welche Entscheidung der Kon-kurrent getroffen hat.

• Sequentielles Spiel: Ein Anbieter (der “Stackelberg-Fuhrer”) dominiert den Markt und kann seine Ent-scheidung (uber Menge oder Preis) vor seinem Konkur-renten festlegen. Sein Konkurrent (der “Stackelberg-Anpasser”) trifft seine Entscheidung erst, nachdem erdie Entscheidung des Fuhrers beobachtet hat.

Wir konnen also grundsatzlich vier verschiedene Situa-tionen unterscheiden:

1) Simultane Wahl der Mengen

2) Mengenfuhrerschaft

3) Simultane Wahl der Preise

4) Preisfuhrerschaft

Da Preisfuhrerschaft nur bei heterogenen Gutern Sinn hat,werden wir sie nicht behandeln. Kartelle, in denen die An-bieter (explizite oder implizite) Absprachen treffen, sind Ge-genstand von Kapitel 6.

Page 3: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-3 Prof. Dr. M. Kocher

5.1 Simultaner Mengenwettbewerb

Augustin Cournot (1838)

Zwei Unternehmen, 1 und 2, wahlen simultan ihre Men-gen y1 und y2. Uber die inverse Marktnachfragefunktionbestimmt sich der Preis dann in Abhangigkeit von der Ge-samtmenge: p = p(y1 + y2).

Wenn beide Unternehmen gleichzeitig ihre Mengen fest-legen mussen, weiß keines, welche Menge der Konkurrentgewahlt hat. In diesem Fall mussen beide Unternehmen Er-wartungen uber die Handlung des Konkurrenten bilden.

5.1.1 Entscheidungsproblem eines Unternehmens

Nehmen wir einmal an, Unternehmen 2 erwartet, dass Un-ternehmen 1 die Menge ye

1 wahlt.

Gewinn von Unternehmen 2 bei erwartetem ye1:

p(ye1 + y2) · y2 − c2(y2)

BEO fur Gewinnmaximum (MR2 = MC2):

p(ye1 + y2) + p′(ye

1 + y2) · y2 = c′2(y2)

Diese Bedingung legt die optimale Menge y2 als Funktionder erwarteten Menge ye

1 fest, d.h.,

y2 = f2(ye1).

Page 4: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-4 Prof. Dr. M. Kocher

Die Funktion f2(ye1) wird Reaktionsfunktion genannt. Die-

se Bezeichung ist aber irrefuhrend, denn Unternehmen 2kann ja nicht tatsachlich auf die von Unternehmen 1 gewahl-te Menge reagieren, sondern seine Menge nur mit Blick aufdie erwartete Menge optimieren.

Ganz analog konnen wir das Entscheidungsproblem von Un-ternehmen 1 analysieren. Die Bedingung MR1 = MC1

fuhrt zur Reaktionsfunktion von Unternehmen 1:

y1 = f1(ye2).

5.1.2 Gleichgewicht

Ein Nash-Gleichgewicht im Cournot-Spiel (auch Cournot-Gleichgewicht genannt) ist eine Mengenkombination(y∗1, y

∗2), so dass

• y∗1 eine optimale Reaktion auf y∗2 ist: y∗1 = f1(y∗2);

• y∗2 eine optimale Reaktion auf y∗1 ist: y∗2 = f2(y∗1).

Im Gleichgewicht sind die Erwartungen der Unternehmenmit den tatsachlich gewahlten Mengen identisch: Unterneh-men 1 erwartet die Menge ye

2 = y∗2 und “reagiert” dar-auf mit y∗1; Unternehmen 2 erwartet seinerseits die Mengeye

1 = y∗1 und setzt tatsachlich y∗2.

Page 5: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-5 Prof. Dr. M. Kocher

Graphisch:

����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������

����������

����������

����������

����������

y1

y2

Figur 5.1: Reaktionskurven und Cournot-Gleichgewicht

5.1.3 Lineare Nachfrage, konstante Grenzkosten

Inverse Marktnachfragefunktion:

p = a − b · (y1 + y2)

Grenzerlos von Unternehmen 2, gegeben ye1:

MR2 = a − bye1 − 2by2

Kostenfunktion mit symmetrischen konstanten Grenzkos-ten:

c1(y) = c2(y) = c y

Page 6: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-6 Prof. Dr. M. Kocher

Reaktionsfunktion von Unternehmen 2:

y2 =a − c

2b− ye

1

2

Analog: Reaktionsfunktion von Unternehmen 1:

y1 =a − c

2b− ye

2

2

Im Gleichgewicht muss gelten:

y1 = ye1, y2 = ye

2

Substitution von y2 in Reaktionsfunktion 1:

y1 =a − c

2b−

a−c2b

− y12

2

Auflosen ergibt das Cournot-Gleichtgewicht:

y∗1 =a − c

3b= y∗2

Marktergebnis:

y∗1 + y∗2 =2(a − c)

3b, p =

a + 2c

3

Welche Gewinne werden erzielt?

Page 7: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-7 Prof. Dr. M. Kocher

Bemerkungen:

1) Das Cournot-Gleichgewicht hat die Eigenschaft, dasskein Unternehmen einen Anreiz hat, seine Menge zuandern, nachdem es die tatsachlich gewahlte Menge desKonkurrenten erfahrt.

2) Bei symmetrischer Kostenstruktur ist das Ergebnis sym-metrisch: die Firmen wahlen identische Mengen.

Frage: Was passiert bei asymmetrischen Grenzkosten?

3) Der Gesamtoutput ist großer als im Monopol, kleiner alsbei vollkommener Konkurrenz.

4) Die Summe der Gewinne ist kleiner als im Monopol.

5.1.4 Mehr als zwei Unternehmen

Cournot-Gleichgewichte lassen sich auch fur Markte mitn > 2 Unternehmen berechnen und charakterisieren.

Betrachten wir den Fall mit n Unternehmen, die jeweils zukonstanten Grenzkosten c produzieren und einen Markt mitlinearer Nachfrage bedienen:

p = a − b(y1 + y2 + . . . + yn)

Grenzerlos von Unternehmen i, gegeben einen erwartetenGesamtoutput Y e

−i der anderen Firmen:

MRi = a − bY e−i − 2byi

Page 8: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-8 Prof. Dr. M. Kocher

Reaktionsfunktion von Unternehmen i:

yi =a − c

2b− Y e

−i

2

Im Gleichgewicht muss der tatsachliche gleich dem erwar-teten Output der anderen Firmen sein:

Y−i = Y e−i

Außerdem werden die gewahlten Mengen wegen der Sym-metrie der Firmen wiederum identisch sein:

y1 = ... = yi = ... = yn = y∗

In die Reaktionsfunktion von Unternehmen i eingesetzt:

y∗ =a − c

2b− (n − 1) y∗

2

Auflosen ergibt das Cournot-Gleichgewicht mit n Firmen:

y∗ =a − c

(n + 1) b

Gesamtoutput aller n Firmen:

n y∗ =n (a − c)

(n + 1) b

Resultierender Preis:

p =a + nc

n + 1= c +

a − c

n + 1

Page 9: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-9 Prof. Dr. M. Kocher

Beachten Sie: Wenn die Anzahl der Unternehmen wachst,

• konvergiert der Preis gegen die Grenzkosten,

• konvergiert die gesamte abgesetzte Menge gegen dieMenge bei vollkommener Konkurrenz,

• geht der Gewinn aller Unternehmen gegen 0.

Dies ist eine Rechtfertigung fur das Modell vollkommenerKonkurrenz.

5.2 Mengenfuhrerschaft

Heinrich von Stackelberg (1934)

1) Unternehmen 1, der Stackelberg-Fuhrer, wahlt seine Men-ge y1.

2) Unternehmen 2, der Stackelberg-Anpasser, beobachtety1 und wahlt seine Menge y2.

3) Auf dem Markt ergibt sich der Preis als Funktion dergesamten Menge: p = p(y1 + y2).

Wenn der Stackelberg-Fuhrer uber seine Menge entschei-det, berucksichtigt er, dass seine Mengenentscheidung dieEntscheidung des Anpassers beeinflusst.

Page 10: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-10 Prof. Dr. M. Kocher

Dieses Modell wird oft verwendet, wenn es auf einem Markteinen dominanten Anbieter gibt, an den alle ubrigen Anbie-ter ihr Verhalten anpassen.

Beispiele:

• Saudi-Arabien als großter Olproduzent legt seine Mengezuerst fest. Andere Produzenten passen sich an.

• Sudafrika: Dominierender Diamantenproduzent De Beers.

• Andere Marktfuhrer: Microsoft, IBM, Telekom, etc. Esgeht hier jedoch meist um Preis- und/oder Qualitats-wettbewerb bei heterogenen Gutern.

Das Stackelberg-Modell ist ein sequentielles Spiel. Wir losenes durch Ruckwartsinduktion.

5.2.1 Das Entscheidungsproblem des Anpassers

Der Anpasser maximiert seinen Gewinn

p(y1 + y2) · y2 − c2(y2)

durch geeignete Wahl von y2. Dabei liegt die Menge y1

bereits fest und ist bekannt.

BEO fur Gewinnmaximum (MR2 = MC2):

p(y1 + y2) + p′(y1 + y2) · y2 = c′2(y2)

Page 11: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-11 Prof. Dr. M. Kocher

Diese Bedingung legt die optimale Menge y2 als Funktionvon y1 fest, d.h.,

y2 = f2(y1).

Die Funktion f2(y1) wird wieder Reaktionsfunktion vonUnternehmen 2 genannt. Im Gegensatz zum Cournot-Modellist diese Bezeichnung hier gerechtfertigt, denn Unterneh-men 2 kann tatsachlich auf die beobachtete Menge von Un-ternehmen 1 reagieren.

5.2.2 Das Entscheidungsproblem des Marktfuhrers

Der Marktfuhrer kennt das Entscheidungsproblem des An-passers und weiß, dass er die Menge y2 = f2(y1) wahlenwird. Der Marktfuhrer maximiert somit die Gewinnfunktion

p(y1 + f2(y1)) · y1 − c1(y1)

durch geeignete Wahl von y1.

BEO fur Gewinnmaximum:

p(y1 + f2(y1)) + p′(y1 + f2(y1)) [1 + f ′2(y1)] y1 = c′1(y1)

Beachten Sie: Bei der Berechnung des Grenzerloses einerzusatzlichen Einheit berucksichtigt der Marktfuhrer nichtnur, wie diese zusatzliche Einheit den Marktpreis direkt senkt,sondern auch, wie sie die Menge seines Konkurrenten senktund damit indirekt den Marktpreis hebt. Dieser indirekteEffekt erhoht den Grenzerlos.

Page 12: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-12 Prof. Dr. M. Kocher

5.2.3 Lineare Nachfrage, konstante Grenzkosten

Lineare Nachfrage:

p(y1 + y2) = a − b · (y1 + y2)

Kostenfunktion mit symmetrischen konstanten Grenzkos-ten:

c1(y) = c2(y) = c y

Grenzerlos des Anpassers:

MR2 = a − by1 − 2by2

Reaktionsfunktion des Anpassers:

y2 =a − c

2b− y1

2

Marktpreis in Abhangigkeit von y1:

p(y1 + f2(y1)) = a − b⎛⎜⎝y1 +

a − c

2b− y1

2

⎞⎟⎠

=a + c

2− b

2y1

Grenzerlos des Stackelberg-Fuhrers:

MR1 =a + c

2− by1

Page 13: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-13 Prof. Dr. M. Kocher

Teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht:

• Stackelberg-Fuhrer:

y∗1 =a − c

2b

• Stackelberg-Anpasser:

y∗2 =a − c

2b− y∗1

2=

a − c

4b

• Gesamtmenge:

y∗1 + y∗2 =3(a − c)

4b

• Marktpreis:

p =a + 3c

4

Bemerkungen:

1) Ein Monopolist hatte die Menge yM = a−c2b

gewahlt, diein diesem linearen Beispiel zufallig gleich der Stackelberg-Menge y∗1 ist. Die Gesamtmenge ist bei Mengenfuhrer-schaft aber hoher als im Monopol, der Preis dement-sprechend niedriger. Deshalb ist auch die Summe derGewinne kleiner als der Monopolgewinn.

Page 14: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-14 Prof. Dr. M. Kocher

2) Der Gewinn des Stackelberg-Fuhrers ist hoher als derdes Anpassers. Warum?

3) Der Gewinn des Stackelberg-Fuhrers ist hoher als derGewinn eines Cournot-Duopolisten. Warum?

4) Im Stackelberg-Spiel ist der Anpasser besser informiertals ein Duopolist im Cournot-Spiel. Er kann beobachten,welche Menge der Stackelberg-Fuhrer auf den Marktwirft. Trotzdem geht es dem Anpasser schlechter alsdem Cournot-Duopolisten. Warum?

5) In Ein-Personen-Entscheidungssituationen ist es unmog-lich, dass sich der Entscheidungstrager schlechter stellt,wenn er zusatzliche Informationen oder zusatzliche Hand-lungsmoglichkeiten bekommt.

In interpersonellen Entscheidungssituationen ist es da-gegen oft besser, weniger Informationen oder wenigerHandlungsmoglichkeiten zu haben. Beispiele:

– Cournot- versus Stackelberg-Spiel

– Marktzutrittspiel (siehe Ubung)

– Viele andere Beispiele fur den Wert von Selbstbin-dung (Commitment)

Page 15: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-15 Prof. Dr. M. Kocher

5.3 Simultaner Preiswettbewerb

Joseph Bertrand (1883)

Jedes Unternehmen wahlt seinen Preis und bedient alle Nach-frager zu diesem Preis. Da es sich um ein homogenes Guthandelt, stromen alle Kaufer zum billigeren Anbieter.

Annahmen:

• Jedes der beiden Unternehmen hat ausreichende Kapa-zitat, um den gesamten Markt allein zu bedienen.

• Bei gleichen Preisen verteilen sich die Kaufer zu gleichenAnteilen auf die beiden Anbieter.

• Die Unternehmen haben identische konstante Grenzkos-ten c und keine Fixkosten.

Behauptung:

Es existiert ein eindeutiges Nash-Gleichgewicht. Indiesem Gleichgewicht wahlen beide Anbieter den Preisp = c. Jedes Unternehmen bedient den halben Marktund macht Nullgewinne.

Beweis:

1) Im Gleichgewicht muss gelten, dass jedes Unternehmeneinen Preis wahlt, der seinen Gewinn maximiert, gege-ben den Preis des Konkurrenten.

Page 16: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-16 Prof. Dr. M. Kocher

2) Es kann fur kein Unternehmen optimal sein, pi < c zuwahlen, weil es dann Verluste macht.

3) Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi > pj > c?

Nein, denn Unternehmen i kann nichts verkaufen. Eswurde sich besser stellen, wenn es pi = pj − ε setzte.

4) Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi > pj = c?

Nein. Zwar kann sich Unternehmen i nicht mehr ver-bessern, aber Unternehmen j konnte sich besser stellen,wenn es seinen Preis auf pj = pi − ε erhohte.

5) Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi = pj > c?

Nein, denn dann hatte jedes Unternehmen einen Anreiz,den Konkurrenten zu unterbieten, um den ganzen Marktbedienen zu konnen.

6) Also ist der einzige verbleibende Kandidat fur ein Gleich-gewicht, dass pi = pj = c.

7) Ist das ein Gleichgewicht?

Ja, denn gegeben pi = c ist es optimal, pj = c zu wahlen,obwohl es nur Nullgewinne gibt:

– pj < c fuhrt zu Verlusten;

– pj > c fuhrt wiederum zu Nullgewinnen, ist also auchkeine Verbesserung.

Q.E.D.

Page 17: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-17 Prof. Dr. M. Kocher

Bemerkungen:

1) Das Marktergebnis im Bertrand-Gleichgewicht istdasselbe wie bei vollkommener Konkurrenz: Preis gleichGrenzkosten, Nullgewinne.

2) Dieses Resultat wird Bertrand-Paradoxon genannt,weil es unplausibel scheint, dass bei nur zwei Anbieternkeine Marktmacht herrscht.

3) Das Resultat beruht auf der extremen Preiselastizitatder Nachfrage, der sich jeder Anbieter bei gegebenemPreis des Konkurrenten gegenubersieht, sowie auf derAnnahme, dass jeder Anbieter groß genug ist, den Marktallein zu bedienen.

4) Es gibt Marktsituationen, die durch das Bertrand-Modellsehr gut beschrieben werden, z.B.:

– Zwei benachbarte Tankstellen.

– Bieterwettbewerb bei Auktionen (z.B. fur offentlicheAuftrage).

5) Wenn die Bedingungen des Bertrand-Wettbewerbs vor-liegen, gibt es einen starken Anreiz fur die Unternehmen,den Wettbewerb durch Preisabsprachen (Kartelle)auszuschließen oder ihre Produkte zu differenzieren.

Frage: Was passiert, wenn ein Anbieter niedrigere Grenz-kosten hat als der andere (ci < cj)?

Page 18: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-18 Prof. Dr. M. Kocher

5.4 Preiswettbewerb und Wechselkosten

Bisher haben wir immer unterstellt, dass die Konsumentenvollig indifferent sind, von welchem Anbieter sie kaufen, so-lange diese den gleichen Preis verlangen. Aus diesem Grundreagieren sie bereits auf marginale Preisunterschiede. Wennein Konsument aber schon ofter von einem bestimmten Ver-kaufer gekauft hat und wenn ihm bei einem Wechsel desAnbieters Kosten entstehen, dann ist er vielleicht nicht soschnell geneigt, fur einen marginalen Preisvorteil zu einemneuen Anbieter zu wechseln.

Wechselkosten resultieren aus dem Wunsch eines Konsu-menten, beim selben Anbieter zu bleiben, und zwar aufgrundeiner vorher getatigten Investition. Diese Investition konntebeispielsweise sein:

• eine physische Investition:

– Notwendigkeit, dass das zu kaufende Gut kompati-bel mit der bestehenden Ausrustung ist (verschiedeneZubehorteile eines Computers, Kameras und Wech-selobjektive, Kugelschreiber und Minen);

– Transaktionskosten (Bankkonto, Telefongesellschaft);

• eine Investition in die Beschaffung von Informationen:

– Kosten, die Bedienung bzw. Nutzung eines Produktszu erlernen;

Page 19: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-19 Prof. Dr. M. Kocher

– Unsicherheit uber die Qualitat von bisher nicht be-nutzten Produkten;

• eine kunstlich erzeugte Investition:

– Rabattmarken und ahnliches (Vielfliegerprogramme);

• eine psychologische Investition:

– nicht okonomische Markenloyalitat.

Durch Wechselkosten haben Anbieter eine gewisse Markt-macht uber ihre Kundschaft und reduzieren dadurch die In-tensitat des Preiswettbewerbs.

Um diesen Punkt zu illustrieren, betrachten Sie bitte dasfolgende Szenario:

• Es gibt zwei Anbieter, 1 and 2, die ein homogenes Gutproduzieren.

• Die Stuckkosten, zu denen Unternehmung 1 produziert,sind c1, die Stuckkosten von Unternehmung 2 sind c2.

• Es gibt N Konsumenten, von denen jeder hochstens eineEinheit des Gutes konsumieren mochte und dafur bis zuv zu zahlen bereit ist.

• Ein Anteil α aller Konsumenten hat das Gut bisher vonUnternehmung 1 gekauft, die ubrigen Konsumenten (An-teil 1 − α) von Unternehmung 2.

Page 20: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-20 Prof. Dr. M. Kocher

• Jedem Konsumenten entstehen Wechselkosten s, wenner den Anbieter wechselt, wobei s ≥ v − c1 > 0 unds ≥ v − c2 > 0.

• Die Unternehmen wahlen simultan Preise p1 und p2.

Behauptung:

Es existiert ein eindeutiges Nash-Gleichgewicht. Indiesem Gleichgewicht verlangen die Unternehmen dengleichen Preis p1 = p2 = v und erzielen Gewinne vonπ1 = αN(v − c1) bzw. π2 = (1 − α)N(v − c2).

Beweis:

• Beachten Sie zunachst, dass im Gleichgewicht keine Un-ternehmung einen Preis verlangen wird, der uber derZahlungsbereitschaft v oder unter den eigenen Grenz-kosten liegen wird.

• Gegeben, dass c1 ≤ p1 ≤ v, ist es fur Unternehmen 2optimal, p2 = v zu setzen. Denn selbst wenn p1 = c1,werden keine Kunden zu Unternehmen 1 abwandern –die Wechselkosten sind zu hoch (s ≥ v − c1).

• Ebenso ist es fur Unternehmen 1 optimal, den Preis p1 =v zu verlangen.

Q.E.D.

Page 21: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-21 Prof. Dr. M. Kocher

Diskussion:

• Die Wechselkosten im obigen Modell sind so hoch, dassjeder Anbieter gegenuber seinem Kundenstamm als Mo-nopolist auftreten kann.

• Wenn die Wechselkosten niedriger sind, konnen die An-bieter nicht wie Monopolisten agieren. In jedem Fall wirdaber der Preiswettbewerb weniger intensiv sein, wennWechselkosten bestehen, als wenn keine bestehen.

• Wechselkosten implizieren, dass Marktanteile wertvollsind. Das aber kann wiederum dazu fuhren, dass zu Be-ginn sehr aggressiv um Marktanteile konkurriert wird,um einen eigenen Kundenstamm aufzubauen.

Um diesen Punkt zu illustrieren, betrachten wir jetzt dasfolgende zweiperiodige Szenario, eine Erweiterung des obenbetrachteten Beispiels:

• Unternehmen 1 und 2 produzieren homogene Guter zukonstanten Stuckkosten c.

• Es gibt N Konsumenten mit jeweils gleicher Zahlungs-bereitschaft v fur eine Einheit des Gutes pro Zeitperiode.

• In Periode 1 reagieren die Konsumenten nur auf die ver-langten Preise. Ist ein Anbieter billiger, werden alle Kon-sumenten bei ihm kaufen. Sind beide Anbieter gleichteuer, verteilen sich die Kunden zu gleichen Anteilen.

Page 22: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-22 Prof. Dr. M. Kocher

• Nach dem ersten Kauf hat jeder Konsument Wechsel-kosten s zu tragen, wenn er in der zweiten Periode voneinem anderen Anbieter kauft, wobei s ≥ v − c > 0.

• Die Unternehmen wahlen in Periode 1 und in Periode 2jeweils simultan ihre Preise.

Behauptung:

Im teilspielperfekten Gleichgewicht verlangen beideUnternehmen einen Preis p1

1 = p12 = c − (v − c) in

Periode 1 und einen Preis p21 = p2

2 = v in Periode2. Die Nachfrage verteilt sich in beiden Periodengleichmaßig auf die beiden Anbieter, und beide ma-chen Nullgewinne.

Beweis:

• Vom einperiodigen Modell her kennen wir die Gewinneder Anbieter in Periode 2: π2

1 = αN(v − c) undπ2

2 = (1 − α)N(v − c).

• In einem Gleichgewicht wird kein Anbieter einen Preisp1

i < 2c − v verlangen, denn dann ware der Gesamtge-winn uber beide Perioden pro verkaufter Einheit negativ.Es ware also auf jeden Fall besser, den Preis anzuheben,nichts zu verkaufen und Nullgewinne zu erzielen.

Page 23: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-23 Prof. Dr. M. Kocher

• Kann es ein Gleichgewicht sein, dass p1i > p1

j > 2c−v?

Nein. Bei p1i > p1

j verkauft Anbieter i in keiner Peri-ode etwas, erzielt also Nullgewinne. Er kann sich besserstellen, indem er Anbieter j leicht unterbietet. Wahlt ereinen Preis p1

i kleiner als p1j , aber großer als 2c − v, so

erzielt er einen positiven Gesamtgewinn.

• Kann es ein Gleichgewicht sein, dass p1i = p1

j > 2c− v?

Nein. Bei p1i = p1

j bedient Anbieter i in beiden Peri-oden die Halfte des Marktes. Anbieter i kann sich wie-der besser stellen, indem er Anbieter j leicht unterbietet.Wahlt er den Preis p1

i = p1j − ε mit hinreichend kleinem

ε > 0, so bedient er den gesamten Markt und erzieltsomit einen hoheren Gesamtgewinn.

• Kann es ein Gleichgewicht sein, dass p1i > p1

j = 2c− v?

Nein. Hier kann sich Anbieter j besser stellen, indemer den Preis leicht anhebt, aber Anbieter i immer nochunterbietet.

• Also ist der einzige Kandidat fur ein teilspielperfektesGleichgewicht, dass p1

i = p1j = 2c − v.

• Ist p1i = p1

j = 2c − v ein Gleichgewicht?

Ja, denn keiner der Anbieter kann sich durch Verande-rung des Preises einen Vorteil verschaffen:

– Eine Preissenkung bringt negative Gesamtgewinne.

Page 24: 5 Strategische Interaktion auf Oligopol- m¨ · PDF file5 Strategische Interaktion auf Oligopol-m¨arkten Ein Oligopolliegt vor, wenn vielen Nachfragern einige we- ... Die Summe der

AVWL I Mikro (Sommer 2008) 5-24 Prof. Dr. M. Kocher

– Eine Preiserhohung bringt wiederum Nullgewinne.

Q.E.D.

Beachten Sie: In einem zweiperiodigen Szenario mit Wech-selkosten sind in der ersten Periode die Preise niedriger, inder zweiten Periode hoher als in einem einperiodigen Sze-nario ohne Wechselkosten.

Beispiele fur solch aggressiven Wettbewerb um Marktanteilein den fruhen Phasen sind:

• Kostenlose Kontofuhrung fur Studenten;

• Preisnachlasse fur Computerausrustung fur Bildungsein-richtungen;

• Private Fernsehstationen zeigen weniger Werbung zuBeginn einer Sendung.

Dieser Wettbewerb um Marktanteile erklart Preiskriege, wennneue Markte entstehen oder neue Konsumentengruppen bzw.Unternehmen in den Markt eintreten.