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Zusammenfassung 47. Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC) Chicago, Il, USA, 16. 20. Sept. 2007 von Sabine Majer, Philippe Rafeiner und Pietro Vernazza, St. Gallen mit Beitrag von Ursula Flückiger, Basel Disclaimer Die hier wiedergegebene Zusammenfassung ist eine persönliche Notiz. Als solche hat sie we- der den Anspruch auf Korrektheit, Vollständigkeit oder gar einer Behandlungsempfehlung. Kor- rekturvorschläge bitte an: [email protected] © www.infekt.ch, 2007. Kopien unter Quellenangabe (www.infekt.ch ) selbstverständlich erwünscht.

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Zusammenfassung

47. Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC)

Chicago, Il, USA, 16. – 20. Sept. 2007

von Sabine Majer, Philippe Rafeiner und Pietro Vernazza, St. Gallen

mit Beitrag von Ursula Flückiger, Basel

Disclaimer

Die hier wiedergegebene Zusammenfassung ist eine persönliche Notiz. Als solche hat sie we-der den Anspruch auf Korrektheit, Vollständigkeit oder gar einer Behandlungsempfehlung. Kor-rekturvorschläge bitte an: [email protected] © www.infekt.ch, 2007. Kopien unter Quellenangabe (www.infekt.ch) selbstverständlich erwünscht.

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Inhaltsverzeichnis Einleitung 3

Chicago – Warmer Wind und Wolkenkratzer 3 ICAAC – Infektiologen aller Länder vereinigt euch! 3

Bakterielle Infektionen 3 Nicht-tuberkulöse Mykobakterien 3 Bakteriämien mit Staph.aureus 4 Endokarditis News 5

Nosokomiale Infektionen 7 MRSA-Screening of Healthcare Workers: Pro or Con? 7

Pro 8 Contra 8

Tiere als Reservoir für nosokomiale Infektionen? 9 Pilzinfektionen 10

Allgemeines 10 Epidemiologie und Resistenzlage: 10 Diagnostik: 11

Neue Guidelines 2007 und 2008 12 Allgemeines: 12 Spezielle Erreger: 13

HIV-Infection 15 Die neuen zeigen weiterhin Profil… 15

Anhaltende Wirkung von Maraviroc über ein Jahr 15 ARTEMIS: Wird Darunavir First-Line Medikament? 16 48 Wochen Raltegravir – still kicking strong 16

… und die alten kann man behalten 17 Tenofovir und die Niere – a never ending story 17 Abacavir Hypersensitivity – Dank Genetik wohl ein Phänomen von gestern 17 Pfupf statt Nadel verbessert Verträglichkeit von Enfuvirtide 18 Nelfinavir ist back 18

HIV Pathogenese: Grundlagenforschung für Kliniker 18 Langerhans- und Dendritische Zellen: Empfangskomitee für HIV 18 Zeig mir deine Gene und ich sag dir ob du krank wirst 20 Wenn Ignoranten nicht einmal vom Affen lernen können 21 Und zurück zur Klinik: Cervixcarzinom und HAART 21

Therapie-Strategien – kontinuierliche Feinabstimmung 22 Welcher PI ist der beste? 22 Klean-Daten sind clean 22

Neuropathologie bei HIV 23 HIV-associated Dementia and Neuro-psychological Disorders: 23

Virale Hepatitis 24 Hepatitis B 24

Update Hepatitis B 24 Behandlungskriterien bei HBeAg-Positivität 24

Hepatitis C 25 Darf Abacavir bei Patienten mit HCV-Therapie verwendet werden? 25 Welches Interferon ist das stärkste im Land 25

Emerging Disease 25 Chikungunya 25

Erreger, Transmission und Reservoirs 25 Epidemiologie, Outbreaks 26

Neue Wege im Impfbereich 27 DNA-Vaccine: Protein-Produktion in den Körper verlegt 27 Impfung auf natürlichem Weg: Orale und Nasale Impfstoffgabe 28

Managementfragen 29 Diagnostik von Bakteriellen Infektionen 29

Kaloriemetrie: Die neue Methode aus Basel 29 Legionellen-Schnelltest: Initialtherapie der Pneumonie vereinfachen? 29

Antibiotische Therapie – wie man’s richtig macht 30 Kann man Drogensüchtige Menschen mit Infektionen im Spital behandeln? 30 Antibiotische Therapie bei akuter Exacerbation einer COPD 30

Last but not least: Chronic fatigue 30

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Einleitung

Chicago – Warmer Wind und Wolkenkratzer Ein warmer Wind empfing die ICAAC Besucher dieses Jahr in Chicago. Viel wärmer als sonst um diese Jahreszeit im Sep-tember, waren wir verwöhnt. Joggen war morgens früh angesagt, die Uferpromenade war morgens von Joggern überflutet. Satte 30°C wur-de es nachmittags, sodass sich mancher dankbar in die klimatisier-ten Kongressräume zurückzog. Deshalb waren wir ja auch da, der Blick aus dem Fenster (s. Abbil-dung) hat uns aber doch immer wieder erfreut. Ob das warme Wet-ter nun wirklich einen Klimawandel anzeigt, ist offen. Wenn dies so ist, so müssen wir wohl mit einer massiven Zunahme der Vektor-übertragenen Infektionen rech-nen – gut dass es Infektiologinnen und Infektiologen gibt.

ICAAC – Infektiologen aller Länder vereinigt euch! Stell dir vor, es ist ICAAC und keiner geht hin – unvorstellbar! ICAAC ist sicher der Kongress, an welchen die meisten Infektiologen einfach hingehen müssen. Interessant ist insbesondere die Vielfalt des Programmes. Viele finden hier Kontakte aus ihrem Spezialgebiet, doch es bietet sich auch die ausgezeichnete Möglichkeit, das Wissen auf anderen Gebieten der In-fektiologie, in welchen man nicht selbst vertieft arbeitet, aufzufrischen. Dies dürfte wohl der Grund sein, weshalb dieser Kongress über 12‘000 Interessierte aus aller Welt anzieht. Nächstes Jahr dürften es noch einige mehr sein, denn nach gut 15-jähriger Trennung wer-den die Kongresse der IDSA (Infectious Disease Society America) und der ASM (America Society of MicrobiologyICAAC Veranstalter), wieder gemeinsam stattfinden. Sicher für vie-le Internationale wieder ein Grund mehr, auch die IDSA-Tagung wieder zu besuchen.

Bakterielle Infektionen

Nicht-tuberkulöse Mykobakterien Mit R. J. Wallace vom University of Texas Health Center in Tyler, Texas, führte wohl der Ex-perte für atypische Mykobakterien in die Session über Rapidly Growing Mycobacteria / RGM ein. M. Drancourt aus Marseille (Hôpital de la Timone) und B. A. Brown-Elliot (Tyler, Texas), gaben einen Einblick in die Schwierigkeiten der Diagnostik und medikamentöse Therapie der nicht-tuberkulösen Mykobakterien: Atypische Mykobakterien wachsen zwar gut und relativ schnell («rapid») auf verschiedenen Medien. Für die Identifizierung der verschiedenen Spezies ist die Kultur aber nicht geeignet. Hier kann nur die genotypische Bestimmung weiterhelfen. Die Identifizierung gelingt derzeit am besten mit der 16s Ribotypisierung. Was die Diagnostik aber schwierig macht, ist die teils sehr grosse Ähnlichkeit der Keime und das Fehlen breiter, öffentlich zugänglicher Datenban-ken und Standards. Die genotypische Bestimmung der Mykobakterien kann hilfreich sein für die Wahl einer empi-rische Therapie, denn für die meisten klinisch relavanten RGM sind natürliche Resistenzen bekannt. Entscheidend für den klinischen Alltag ist aber auch die phänotypische Differenzie-rung und Resistenztestung. Gemäss den Empfehlungen des amerikanischen Clinical Labo-ratory Standard Instituts ist die Bouillon-Mikrodilution der aktuelle Goldstandard. E-Tests oder Disc-diffusion-Tests werden nicht empfohlen, da sie zu ungenau sind. Aber auch hier ergeben sich einige Probleme: Die Imipenem-MIC für M. chelonae und M. abscessus bei-spielsweise ist nicht reproduzierbar, obwohl davon ausgegangen werden darf, dass Impipe-

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nem in vivo noch eine gute Wirksamkeit zeigt. Im Genom von M. fortuitum konnte kürzlich die Gensequenz (ermGen) einer induzierbaren Makrolid-Methylase nachgewiesen werden, welche die teilweise in vivo beobachtete natürlich Resistenz gewisser Mykobakterien erklä-ren kann und insgesamt die Makrolidwirkung in Frage stellt (Nash, JAC 2004). Bei M. abs-cessus, konnten bisher noch keine Makrolid-Resistenzmechanismen nachgewiesen werden. Folgende MIC-Bestimmungen haben gemäss B. Brown-Elliot ihre Berechtigung: Amikin für M. abscessus, Tobramycin für M. chelonae, Imipenem und Clarithromycin für M. fortuitum. Keinen Sinn macht die Austestung der klassischen antituberkulösen Substanzen. Ch. Daley vom National Jewish Medical and Research Center in Denver und R. J. Wallace gaben einen Überblick über pulmonalen und extrapulmonale Manifestationen der RGM-Infektion. Kurz zusammengefasst: Bei pulmonalen RGM-Infektionen werden am häufigsten M. abscessus und M. fortuitum isoliert. Interessanterweise sind mehr als 90% der pulmonal Betroffenen weisse Nichtraucherinnen im Alter > 60 Jahre, ohne bekannte Lungenerkran-kung. Eine genetische Prädisposition ist denkbar; möglicherweise besteht ein Zusammen-hang mit gehäuft vorkommenden Mutationen einer zystischen Fibrose. Ein erwiesener Risi-kofaktor ist die chronische Aspiration infolge Reflux oder oesophagealer Dysfunktion. Der klinische Verlauf respiratorischer Infektionen durch nicht-tuberkulöse Mykobakterien zeigt zwei Extreme: Entweder sie verläuft langsam, chronisch, bedarf in Einzelfällen keiner Therapie und heilt auch schon mal spontan aus. Oder aber sie verläuft schnell progredient bis hin zur Kavernenbildung, kann therapeutisch nur schwierig kontrolliert werden und ist dann in der Regel fatal. Mehrere positive Sputa und im Speziellen der Nachweis von M. abs-cessus sind prognostisch schlecht. R. Wallance wies darauf hin, dass sich eine Infektion durch M. abscessus meist harmloser präsentiert als sie in Tat und Wahrheit ist. Der Keim kann zu ausgedehnten kutanen und subkutanen Fistelbildungen führen, die nur schwierig kontrolliert werden können. Extrapulmonale Infektionen sind gehäuft infolge Kontamination bei offenen Wunden und nach chirurgischen Eingriffen, die den Hygienestandards nicht entsprechen: Liposuction, andere plastisch-kosmetischen Eingriffe, Venen-stripping, Implantate etc. Seltener sind chronische Osteomyelitiden, Arthritiden, eine Keratitis oder nekrotisierende Lymphadenitis. Gefürchtet und oft therapierefraktär ist die disseminierte Infektion unter Immunsuppression, die sich als chronische Hauterkrankung manifestieren kann. Manchmal kann die Entzündung durch Beendigung einer immunsupprimierenden Therapie aber auch zum Stillstand kommen. Die medikamentöse Therapie stützt sich auf empirische Daten und muss meist sehr lange bis lebenslang durchgeführt werden (Griffith, Am J Resp Crit Care Med, 2007). Sie ist limitiert nicht nur durch die eingeschränkten medikamentösen Möglichkeiten, sondern auch durch finanzielle, soziale und logistische Überlegungen, durch medikamentöse Unverträglichkeiten und Langzeitnebenwirkungen (iv-Therapie, Hospitalisationskosten, Betreuung etc.). Wie bei der Tuberkulose stützt sie sich auf eine Kombinationstherapie zur Vermeidung von Resisten-zen, auf eine Einleitungs- und Konsolidierungstherapie. Vereinzelt wurden auch intermittie-rende Therapie-Regime versucht oder eine Suppression durch Makrolid-Monotherapie (Wallace, Am J Resp. Crit Care Med 1994). Chirurgische Massnahmen sind bei lokal be-schränkter Erkrankung eine Option (z. B. Wedge resection, plastisch-chirurgisch), bringen aber die Gefahr einen Metastasierung mit sich und neigen zu Rezidiven. Das Gebiet der Infektionen durch Nicht-tuberkulöse Mykobakterien ist noch nicht abgesteckt und für viele immer noch «terra nova». Wallace gab abschliessend zu bedenken, dass dies wahrscheinlich bis auf Weiters so bleiben wird: Das Interesse für notwendige klinische Trials auf Seiten möglicher Sponsoren ist klein, die kommerziellen Erfolgsaussichten zu gering.

Bakteriämien mit Staph.aureus Diverse interessante Poster befassten sich mit Staphylococcus aureus-Bakteriämien: Weshalb ist eine Methicillin resistente staph. aureus- (MRSA-) Bakteriämie im Vergleich zur Methicillin sensiblen staph. aureus- (MSSA-) Bakteriämie mit schlechterem outcome assozi-iert? Besteht eine erhöhte Virulenz von MRSA im Vergleich zu Penicillin sensiblem staph.

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aureus (PSSA) und MSSA? Ist MRSA bezüglich Virulenz nicht gleich MRSA? Oder besteht ein schlechteres Ansprechen auf die Antibiotika- (Vancomycin-) Therapie? Alle Ansätze sind richtig!! Eine Gruppe aus Korea (S. Kim et al.) untersuchte vergleichend die Behandlung von Methi-cillin-sensiblen staph. aureus mit Betalactamen vs. Vancomycin. Die Daten wurden retro-spektiv über 7 Jahre rekrutiert anhand einer Kohorte von 298 Patienten. Die Analytik wurde mittels einer (bezüglich Alter, Geschlecht, wichtigen zugrundeliegenden Erkrankungen und Schweregrad der aktuellen Erkrankungen gematchten) Fall-Kontroll-Studie mit einer Ratio 1:2 durchgeführt. Als Fälle galten mit Vancomycin behandelte Bakteriämien, als Kontrolle Betalactam-Therapien. Das outcome wurde mit dem Endpunkt Mortalität (leider keine Anga-be des Messintervalls) gemessen. Die Resultate sind eindrücklich und bestätigen die bishe-rigen (wenigen) Daten und Vermutungen: Unter Vancomycin zeigt sich eine mehr als doppelt so hohe Mortalität von 36% vs. 17% unter Betalactamen (p=0.02). Unter einer zusätzlich durchgeführten Multivariatanalyse (um unabhängige Faktoren der Mortalität herauszufiltern) zeigte sich ein noch deutlicherer Unterschied mit einer Mortalität von 36% in der Vanocin-Gruppe vs. 13% in der Betalactam-Gruppe (p=0.001) J.F. Gittzus et al. aus Lebanon, N.H. (USA) untersuchten ebenfalls retrospektiv mittels einer (etwas weniger gut gematchten) Fall-Kontroll-Studie Comorbiditäten und outcome von Peni-cillin sensiblen staph. aureus-Bakteriämien (Fälle) vs. MSSA- und MRSA-Kontrollen im Ver-hältnis 1:2:2. Leider wird der Therapiemodus nicht beschrieben. Es fand sich ein nicht signif-kanter Unterschied der Mortalität innerhalb des Spitals (PSSA 19%, MSSA 18%, MRSA 24%) und jedoch eine signifikant erhöhte Mortalität bei der MRSA-Gruppe von 55% (vs. 38% PSSA und 25% MSSA, keine Angabe von p). Eine der möglichen Erklärungen für ein schlechteres outcome unter Vancomycin ist eine steigende MHK unter der Therapie (Mutation zu heteroresistentem Vancocin intermediate staph. aureus: hVISA, MHK >1<4mg/l oder seltener zu VISA, MHK bis 8mg/l). Eine solche Resistenzbildung kann experimentell im Rahmen subtherapeutischer (2x750mg/d), therapeu-tischer (2x1g/d) und mässig supratherapeutischer (3g/d) Dosen bereits nach 72h hervorgeru-fen werden (W.E.Rose et al., Detroit, MI) und sich bei hohem Inoculum aufgrund von Ge-webspermeabilitätsproblemen ergeben (Y. Harigaya, Buffalo, NY). Bei supratherapeutischen Dosen (5g 12-stündlich) konnte keine Resistenzbildung gemessen werden. M. Tomas et al. aus La Coruna, Spanien fanden ebenfalls mittels einer Fall-Kontroll-Studie (MRSA als Fälle n=62, MSSA als Kontrollen n=209) als prädiktiven Faktor für die Mortalität die Co-Resistenz zu Chinolonen und Makroliden). R. Bhageshpur et al. aus Michigan typisierten das SCCmec-Gen von MRSA und fanden her-aus, dass der Typ ll für die erhöhte Mortalität verantwortlich zeigte. Hingegen ist der Typ lVa mit einer ähnlichen Mortalität wie MSSA assoziiert. Somit: steter Tropfen höhlt den Stein, das Ende des Tunnels ist noch nicht in Sicht!

Endokarditis News Mit Aspirin gegen die Staph. aureus-Endokarditis Es findet eine epidemiologische Verlagerung statt: Die Inzidenz von Staph. aureus nimmt stetig zu (z.B. im Bundesstaat Maryland, USA Rate von 75%!), es scheinen auch die Viru-lenzfaktoren anzusteigen. Damit steigt auch die Mortalität auf aktuell >20%. Im Tiermodell reduziert sich unter Acetylsalicylsäure (ASS) die Vegetationsgrösse und es wird eine bessere Sterilisation erreicht, v.a. wenn ASS bereits vor Entstehung der Endokardi-tis appliziert wird. Anavekar et al. (CID 2007) untersuchten in einer multizentrischen retro-spektiven Studie während den Jahren 1980-98 2760 Patienten mit einer wahrscheinlichen Staph. aureus-Endokarditis gem.Duke-Kreterien (Ausschluss von Patienten mit iv-Drogen-

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Abusus). Hiervon konnten 670 definitiv bestätigt werden, wovon bei Diagnosestellung 132 Patienten kontinuierlich einen Aggregationshemmer (ASS, Dipyridamol, Clopidogrel, Ticlopi-din oder entsprechende Kombionationstherapien) einnahmen (die Dosis wurde nicht doku-mentiert). Die Patienten in der Aspiringruppe war älter (66.6 vs. 57 Jahre) und hatte vermehrt Diabetes mellitus. Resultate: Aspirin reduzierte den Bedarf eines chirurgischen Eingriffs mit einer odds ratio von 0.53, Emboli um 0.65 und Stroke um 0.4. Es konnte kein Einfluss auf den Tod und multiple strokes nachgewiesen werden. Es wurden keine vermehrten cerebra-len Blutungsereignisse registriert. Als Studienlimitiation werden das observationelle Design, fehlende detaillierte echokardiographische Daten, fehlende ASS-Dosisangaben und ein limi-tierter follow up angemerkt. Rifampicin als Additivum bei nativer Klappe?? Rifampicin wird bei Staph. aureus-Endokarditis im Falle einer Kunstklappe aufgrund der Bio-filmbildung zusätzlich zu einer Antistaphylokokken-Therapie appliziert. Bis anhin existierte lediglich eine prospektive Studie, die bei nativen Klappen mit MRSA-Endokarditis Vancomy-cin alleine gegen Vancomycin und Rifampicin verglich und keinen Ueberlebensvorteil fest-stellte. Die aktuelle Studie von D.J. Riedel et al., Baltimore ging von Staph. aureus-Bakteriämien mit gem. Duke-Kriterien diagnostizierter Endokarditis bei nativer Klappe aus. Analysiert wurde gemäss einer Fall-Kontroll-Studie (42 Fälle, 42 Kontrollen, HIV-Patienten eingeschlossen, 33% MRSA). Es zeigte sich mit 4.1 Tagen eine verlängerte Bakteriämie bei den Fällen im Vergleich zu 2.1 Tagen bei den Kontrollen, was mit einer Rifampicin-Resistenz und Medikamenteninteraktion erklärt wurde. Es zeigte sich auch, dass diejenigen Patienten, denen Rifampicin dazugegeben wurde, kränker waren inkl. persistierender Bakteriämie und Linksherzendokarditis. Bezüglich Mortalität ergab sich kein Unterschied. Es zeigten sich unter Rifampicin gehäuft Transaminasenanstiege (v.a. bei Co-Morbidität mit HCV). Somit wird weiterhin von einer Kombinationstherapie bei nativer Klappenendokarditis abgeraten. Enterokokken-Endokarditis In Spanien wurde kürzlich eine observationelle Multizenter-Studie durch Gavaldà et al. aus Barcelona durchgeführt. Hierbei wurde bei einer Ampicillin sensiblen Enterokokken-Endokarditis während 6 Wochen initial bei 21 Patienten mit high level resistance (HLRG), dann auch bei 22 Patienten mit low level resistance auf Aminoglykoside (LLRG) mit Ampicil-lin und Ceftriaxon (in einer Dosierung von 2g 12-stündlich) behandelt. Bei allen Patienten bestand die Gefahr einer (progredienten) Niereninsuffizienz unter einer potentiellen Therapie mit Ampicillin und Gentamycin. Es zeigte sich eine Heilungsrate von 67% innert 3 Monaten, wobei die Mortalität in der Gruppe der HLRG mit 28.6% höher ausfiel als in der Gruppe mit LLRG (18.2%). Wir scheinen somit bei einer LLRG eine mögliche Alternative bei unter Ami-noglykosid befürchteter oder auftretender Nierentoxizität zu haben. Wissenswertes aus Marseille Prof. Raoult, der weltweit anerkannte Spezialist für Rickettsien-Erkrankungen aus Marseille, hielt die ICAAC-lecture über sein Lieblingsgebiet (den Rickettsien). An anderer Stelle refe-rierte er über kulturell negative Endokarditiden, über die er ebenfalls einen grossen Erfah-rungsschatz verfügt. Hier die Kernaussagen in Kürze: -79% der Endokarditiden sind kulturell pos., 10% werden serologisch detektiert. -Die häufigsten serologisch erfassbaren Endokarditiden: Coxiella und Bartonella. Weniger häufig: Legionellen, Brucellen, Chlamydien, Mycoplasmen, Pilze -Im europäischen Raum machen Bartonellen 3%, in Nordafrika 10% der Endokarditiden aus -cave 1): Bartonella und Coxiella: mögliche Kreuzreaktion -cave 2): Bartonella und Chlamydia: mögliche Kreuzreaktion -Q-Fieber-Endokarditis: nur bei vorbestehender Valvulopathie!! -PCR aus Klappenmaterial: noch bis zu 7 Jahre nach Endokarditis positiv Endokarditis: Altes und Neues in Schlagwörtern Prof. Elipioulos, Boston, M.A. berichtete , ohne nähere Literaturangaben zu machen, über das Mana-gement von resistenten grampositiven Keimen:

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- In den USA macht der MRSA-Anteil an Staph. aureus-Endokarditiden 37% aus - Bei MSSA....

o ist die Mortalität unter Vancocin 39% vs. 11% unter Betalactamen o bringt eine Kombinationstherapie von Oxacillin und Vancomycin nichts, da

Vancocin den Killing-Effekt von Oxacillin antagonisiert - Bei MRSA....

o und Rechtsherzendocarditis: Ansprechen zu 90% unter Vancomycin mit oder ohne zusätzlich Rifampicin

o schlechteres Ansprechen bei MRSA und Linksherzendokarditis wegen An-stieg der MHK über Zeit („MIC creep“) unter Vancomycin

o Die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines heteroresistenten Vancocin in-termediate staph. aureus (hVISA) ist bei einer MHK von 1.5mg/l 34%.

o ob die Kombination von Gentamycin und Vancocin den MIC creep verhindern kann, ist unklar

o Kombination von Vancomycin und Linezolid: kein besseres outcome beim Hasen

o Kombination von Linezolid und Carbapenem: wahrscheinlich ohne durch-schlagenden Erfolg

o Bei Mäusen scheint Telavancin (ebenfalls Glykopeptid) deutlich wirksamer zu sein als Vancomycin

o Oritavancin (Glykopeptid) in Erprobung o Bisher noch wenig Daten: Ceftobiprol (neues Cephalosporin mit einem Car-

bapenem-ähnlichen Spektrum) steht vor der Zulassung, Ceftaroline (neues Cephalosporin): Phase 2-Studien

- MSSA und MRSA.... o Daptomycin: gute Resultate für Bakteriämie und Rechtsherzendokarditis

(Fowler et al.:); cave: MIC kann unter Therapie ebenfalls ansteigen - Enterokokken....

o Daptomycin nicht zugelassen, aber in vitro aktiv o E. faecium:

Linezolid als compassionate use case reports: Ampicillin und Chinolon (Ciprofloxacin) bei high level re-

sistance auf Garamycin o E. faecalis:

Ampicillin und Ceftriaxon: s. oben

Nosokomiale Infektionen

MRSA-Screening of Healthcare Workers: Pro or Con? « People don’t believe it’s in their institution, and, if it is, that it’s too big to do anything about, that you just have to accept it,... » Zitat aus dem Artikel «Swabs in Hand, Hospital Cuts Deadly Infections», New York Times, July 27th, 2007

Mit Andreas Voss von der Universität Nijmegen, Holland, und J. M. Boyce vom Hospital of Saint Raphael in New Haven, USA, kreuzten zwei Spitalhy-gieniker die Klingen, stellvertretend für zwei Länder an den äusseren Ex-tremen der MRSA-Prävalenz: In Hol-land liegt die MRSA-Prävalenz bei ca. 1%, in den USA zwischen 40 und 50%. Genaue epidemiologische Da-ten für die Schweiz gibt es nicht, und

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die MRSA-Prävalenz zeigt zwischen den Regionen sehr grosse Unterschiede. Zahlen zwi-schen 2% und 25% wurden beobachtet.

Pro

Referent: A. Voss, Radboud University Nijmegen Medical Centre, the Netherlands Durch strenge spitalhygienische Massnahmen, welche in den holländischen Guidelines ver-ankert wurden, konnte die MRSA-Prävalenz in den letzten 15 Jahren von rund 5% auf 1% reduziert werden. Nebst der Vermeidung der Transmission von multiresistenten Keimen beinhalten die Guidelines auch ein aktives Contact-tracing (Dutch Guidelines: Voss A. Infec-tion. 2005). Dies meint, dass alle Personen, welche mit einem neu auf MRSA getesteten Patienten Kontakt hatten, auf eine Kolonisation hin gescreent werden (Nasenabstrich). Es meint aber auch, dass sich Träger einer Dekolonisation unterziehen müssen und dass es dadurch zu Arbeitsausfällen kommt. Die Nase ist das wichtigste Reservoir bei MRSA-kolonisierten Trägern, und von hier kommt es am ehesten zur Transmission. Gemäss den wunderbar illustrativen Zahlen, die A. Voss präsentierte, bohren 91% von uns Menschen regelmässig in der Nase ( 30% vor dem Fern-seher auf dem Sofa, 29% im Auto) und kaum jemand wäscht sich danach die Hände, oder desinfiziert sie gar. Dass es von der Nase eines Healthcare workers / HCW aus zu einer Übertragung auf Patienten und zu möglichen Infektionen kommen kann liegt – sprichwörtlich – auf der Hand. Zwischen 1999 und 2002 wurden in Holland 59 HCW positiv auf MRSA getestet. Es kam in dieser Zeit zu 17 beobachteten Outbreaks in Spitälern, wobei in 13 Fällen HCW involviert waren. Von den 59 HCW blieben 5 nach Dekolonisation wiederholt posi-tiv. Die Konsequenz davon war, dass sie den Arbeitsplatz wech-seln mussten, weg vom Gesundheitssystem. Eine im individuellen Fall tiefgreifende Massnahme, aus epidemiologischer und ge-sundheitspolitischer Sicht gemäss Dr. Voss eine aber durchaus vertretbare.

Contra

Der Opponent von A. Voss in der Pro-Con-Diskussion war J. M. Boyce vom Hospital of Saint Raphael in New Haven, USA. Im Gegensatz zu Dr. Voss, kommt Dr. Boyce aus einem «Hochprävalenz-Land»…die Ausgangslage ist also eine ganz andere: Bei 21 neu diagnosti-zierten MRSA-Fällen an seiner Klinik im Jahr 2006 müsste von rund 550 exponierten HCW ausgegangen werden. Entsprechend einer nationalen MRSA-Prävalenz von 6% bei HCW würde ein Screening (2x swab) die Klinik hochgerechnet zwischen 25’000 und 65’000, mit Kultur bis 200’000 USD kosten – dies rechne sich schlicht und einfach nicht. Er warf auch die Frage auf, ob die MRSA-Isolate nicht auch genetisch verglichen werden, der Beweis einer direkten Transmission also geführt werden müsste, um so weitreichende Konsequenzen wie einen Ausschluss vom Gesundheitssystem für die betroffenen HCW rechtfertigen zu kön-nen…die Kosten, Gel-Elektrophorese inklusive, wären natürlich noch exorbitanter. J. M. Boyce wies im Weiteren auf eine Arbeit hin, die aufzeigte, dass 46% (12/26) der positiv ge-testeten Nurses ein nur passageres Trägertum aufwiesen (Cookson B et al. J Clin Microbiol. 1989). In seiner MRSA-Surveillance-Arbeit von 2004 (Boyce JM et al. Infect Control Hosp Epidemiol. 2004) kam Boyce zu folgender Conclusion: «MRSA control programs are effec-tive if they include ASCs [active surveillance cultures] of high-risk patients, use of barrier pre-cautions when caring for colonized or infected patients, hand hygiene, and treating HCWs implicated in MRSA transmission.» Letzteres würde dann aber auch wieder eines Scree-nings bedürfen...[Anmerkung Autorin]. Beide Referenten waren sich einig, dass ein routinemässiges Screening von HCW, bei-spielsweise jährlich, nicht kosteneffektiv ist. Insofern war der Titel der Diskussion etwas missverständlich. Für Publikum wie auch Referenten war es klar, dass spitalhygienische Massnahmen wie minutiöse Händehygiene, Desinfektions- und Isolationsmassnahmen die

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wichtigsten Schritte zur Vermeidung einer Transmission multiresistenter Keime sind. Boyce ist eines selektiven Screenings von HCW gegenüber, wie es in Holland gemacht wird, aus besagten Gründen skeptisch. Allerdings muss bedacht werden, dass die hochgerechneten Kosten, mögliche Einsparungen nicht berücksichtigt. Das Publikums-Voting ergab ebenso zwei gespaltene Lager, leider ohne Aufschlüsselung nach Herkunftsland der Abstimmenden.

Tiere als Reservoir für nosokomiale Infektionen? Zahlreiche Beispiele von epidemiologisch relevanten Zoonosen sind uns gut bekannt (Cam-pylobacter und Salmonellosen, Malaria...). Als „emerging zoonosis“ gelten neu aufgetretene oder im Ausmass zunehmende Zoonosen wie beispielweise SARS oder das West Nile Virus. Die Empfehlung, Fleisch nicht roh zu geniessen, gründet auf der Gefahr der Uebertragung von Salmonellen und Parasiten, aber auch auf der Gefahr der Uebertragung von auch beim Menschen vorkommenden Besiedlungskeimen wie e. coli. Doch wie steht es mit nosokomia-len Erregern? Sind diese nur beim Menschen zu finden? Falls auch beim Tier: hat dies eine Relevanz? Nachfolgend ein paar Antworten... MRSA A. Voss aus Holland berichtete über MRSA bei Tieren. 1972 wurde MRSA erstmals bei einer Kuh festgestellt, in der Folge dann auch bei Nutz- und Haustieren, wobei lange Zeit nicht bei Pferden und nur selten bei Hunden. In Irland wurden in Veterinärpraxen vergleichend bei Mensch und Tier jeweils gleiche strains von MRSA gefunden. Auch bei Menschen mit Ar-beitsplatz im humanen Gesundheitswesen wurden im Falle einer humanen Kolonisation beim jeweiligen Haustier (Hund) untereinander gleiche MRSA-Stämme nachgewiesen. Es wird davon ausgegangen, dass die Uebertragung primär jeweils vom Mensch zum Tier statt-findet und im Falle eines fehlenden De-Kolonisationserfolgs sekundär eine Re-Kolonisierung durch das Haustier stattfinden kann. 23% der Schweine aus holländischen Schweinefarmen sind bereits MRSA-Träger, wovon 50% im Jahre 2006 primär „nicht typisierbar“ waren und einem Klon zu entsprechen schie-nen (ST 398). Ein nachfolgendes Screening ergab eine noch höhere Kolonisationsrate durch denselben Stamm, was Anlass zur Durchführung einer Fall-Kontroll-Studie beim Menschen gab. Es resultierte, dass bei den Fällen Kolonisationen häufiger in ländlichen Gegenden und bei vermehrtem direkten Schweine-Kontakt vorkommen und bei den Kontrollen vermehrt bei im Gesundheitssystem Arbeitenden vorhanden sind. Trotz steigender Prävalenz der MRSA-Kolonisation bei den Schweinen wurde beim Menschen bisher nur eine geringe klinische Relevanz durch den Stamm ST 398 betreffend schweren Infektionen vorgefunden (bisher 1 Falle einer Endokarditis). Allerdings sind seit 2005 im Spital zunehmend „nicht typisierbare“ MRSA vorzufinden, wovon bei 74% der Patienten ein direkter Kontakt mit Schweinen oder Huftieren festgestellt werden kann und es in 10% zur klinisch manifesten Infektion kommt. In Holland konnte MRSA direkt auch nebst im Endhandel vorhandenen Schweine- auch im Geflügel-, jedoch bisher nicht im Rindfleisch nachgewiesen werden. Eine Uebertragung via verzehrbarem Schweine- oder Geflügelfleisch auf den Menschen ist bisher nicht bekannt. Veterinäre und Tiermedizin-Studenten haben etwa die gleiche Rate an MRSA-Kolonisation wie holländische Patienten, die von einem auswärtigen Spital heimkehren (um 4.6%). Der nicht typisierbare Stamm ST 398 wurde nun auch ausserhalb den Nierderlanden (Deutschland, Oesterreich und Singapur, Kanada) beschrieben. In Kanada besteht bei Bau-ern eine Kolonisations-Prävalenz durch ST 398 von 45%, bei Schweinen zu 25% und bei Gesundheitspersonal zu 20% im Falle stattgehabten Kontakts mit Farmern. Hingegen zeigt sich in Regionen mit niedriger Kolonisationsprävalenz der Bauern auch eine fehlende Kolo-nisation beim Gesundheitspersonal. Es wird davon ausgegangen, dass der übertragende Vektor sowohl lokal wie interkontinental der Mensch (und nicht das Tier) ist.

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Zusammenfassend ist MRSA ST 398 ein internationaler challenge, zirkuliert beim Tier und beim Mensch und ist bisher beim Menschen klinisch bezüglich schwerer Infektion noch kaum manifest geworden. Hypervirulentes Clostridium difficile B. Limbago, Atlanta, GA referierte über Clostridium difficile (C diff.) beim Tier. Die Transmis-sion findet einerseits fäko-oral statt, andrerseits besteht eine Förderung der Aquisition und des Wachstums durch Antbiotikaeinnahme. Beunruhigend ist die erhöhte Prävalenz epide-mischer Stämme nun auch bei niedrigen Risikokgruppen, wobei verhältnismässig die höchs-te Aquisition nach wie vor innerhalb von Spitälern etc. (healthcare facilities) stattfindet. Die Rate der Antibiotika assoziierten C. diff. hat sich in den USA innert 2000 bis 2005 verdrei-facht, hiervon konnte zu 51% der gleiche hypervirulente Stamm (NAP1/B1/027, Toxintyp lll mit tcdC Deletion, eine Deletion die eine Alteration der Toxin-Produktion nach sich zieht) nachgewiesen werden mit 18x höhererToxin A- und 23 höherer Toxin B-Produktion (und Produktion eines binären Proteins). Dieser Stamm zeichnet sich auch durch eine formale Resistenz auf Chinolone aus und ist verantwortlich für eine erhöhte Pathogenität. Beim am-bulanten kolonisierten Patienten macht er aktuell einen Anteil von 16% aus und ist v.a. bei jüngeren Patienten (45-64a) und ohne vorgängige Antibiotikagabe (59%) zu finden. Es wird davon ausgegangen, dass der Mensch der Vektor für diese rasche Ausbreitung ist. Allerdings ist dieser Stamm auch bei verschiedenen Mammalia isoliert worden (Affe, Hund, Schwein, Pferd...). 9% von Katzen in Tierspitälern sind kolonisiert. Bei Hunden sind v.a. Neugeborene kolonisiert (offenbar eine Erkenntnis aus der Schweiz). Die Kolonisation von Hunden mit c. diff. im Spital ist assoziiert mit der Entwicklung von Diarrhö. Ca. 70% der Hun-de, die (z.B. im Rahmen von therapeutischen Konzepten) das Human-Spital besuchen, sind mit C. diff. besiedelt. Es wird somit postuliert, dass die Uebertragung vom Spital zum Hund und nicht umgekehrt stattfindet. Schweine können ebenfalls kolonisiert sein. In allen zum Verkauf angebotenen Fleischsorten wird c. diff. gefunden (Kolonisation bis zu 14%), der Ver-zehr ist aber bisher kein dokumentierter Uebertragungsweg auf den Menschen (liegt’s nur am Kochen??). Zusammenfassend ist die Uebertragung vom Tier zum Mensch bisher kein epidemiologi-sches Phänomen, hingegen lassen überlappende c. diff.-Stämme bei Mensch und Tier den Schluss auf ein Tierreservoir zu.

Pilzinfektionen

Allgemeines

Epidemiologie und Resistenzlage:

Bis anhin fand sich bei invasiven Mykosen bei gemischtem Krankengut etwa hälftig der Nachweis von candida, zu etwa einem Viertel der von Aspergillus und etwa zu 10% der Nachweis von Zygomyceten. Zu Besorgnis Anlass gaben Berichte einzelner Kliniken, bei hämato-onkologischem Krankengut einen deutlichen Trend zur Verschiebung von invasiver Candidiasis und Aspergillose zu vermehrtem Nachweis von Zygomyceten zu finden. So wird beispielsweise vom Universitätsspital Innsbruck (C.Lass-Floerl et al) für das Jahr 2007 der Anteil von Zygomyceten der labormässig definitiven Pilz-Nachweise um 50% prognostiziert. Die Resistenzlage von Candida krusei auf Voriconazole ist weltweit unterschiedlich. Weltweit beträgt die Sensibilität im Schnitt 82.9% (62-100%), in Südamerika, Osteuropa (71% in Un-garn) und Südostasien (80%) ist sie schlechter als in Nordamerika, Zentraleuropa und im restlichen Asien. In der Schweiz beträgt die Sensibilität aktuell 94%. Amphotericin B zeigt bei einem cut off von einer MIC von <= 1ug/ml lediglich eine 50 prozentige Sensibilität. Weltweit sind alle Echinocandine (noch) zu 100% sensibel.

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Diagnostik:

Bekanntlich beruht die Diagnostik von invasiven Aspergillosen bei nur seltenem blutkultu-rellem Wachstum häufig auf indirekten Kriterien wie der computertomographischen Bildge-bung (pulmonale Rundherde mit Halo, der aber (v.a. in Neutropenie) nicht als spezifisch für Aspergillen gilt), dem Galactomannan- (Sensitivität von 29-100%) oder dem 1.3-B-Glucan-Test (nicht spezifisch für Aspergillose). Andere Methoden wie der PCR sind nicht validiert, oder sind schlecht reproduzierbar (Platelia EIA), so dass sich die Frage nach alternativen Nachweismethoden stellt. Eine interessante Me-thode mittels proteomi-schem Fingerprinting stellte eine Gruppe aus Grossbritannien vor (D.Agranoff et al). Die Methodik (MALDI = matrix assisted laser desorption / ionisation) ist die folgende: Es wird eine Verbindung aus Matrix und Analyt (aus Plasma) herge-stellt. Mittels Laser-strahl werden aus Pro-teomen Partikel mobili-siert, die sich gemäss ihrer Struktur in ihrem Akzelerationsverhalten unterscheiden, was gemessen wird. Mittels Massenspektrumsanalyse resultieren entsprechende Kurven, die Aufschluss über das Vorhandensein gewisser Proteome geben. Untersucht wurden 97 Seren mit wahrscheinlicher oder bewiesener invasiver Aspergillose, welchen 50 invasiven Mykosen exclusiv Aspergillosen und 100 Seren von Neutropenikern mit Fieber ohne jeglichen Nach-weis einer invasiven Mykose gegenübergestellt wurden. Im Vergleich zu den non fungalen febrilen Neutropenien fand sich eine Sensitivität von 84% und eine Spezifität von 83%. Unter Einbezug von Galatomannan konnte die Sensitivität auf 88 und die Spezifität auf 91% erhöht werden (bei einer accuracy von 90%). Unter hypo-thetischer Annahme des Auftretens einer invasiven Aspergillose zu 10% im Verlauf von febri-len Neutropenien wurde ein beeindruckender negativer prädiktiver Wert von 98% berechnet. Kritischerweise muss angemerkt werden, dass der Nachweis der Konsistenz der Untersu-chungsergebnisse (gleiches Ergebnis bei mehrfacher Untersuchung einer Probe) noch aus-steht. Über positive Erfahrungen mit invasivem Nachweis fungaler Infektionen berichtete eine Gruppe aus Innsbruck (C.Lass-Floerl et al). Im Falle radiologischer pulmonaler peripherer Herde mit V.a. fungalen Ursprung wurde bei hämato-onkologischem Krankengut folgendes Vorgehen gewählt: Bei 19 Patienten (Kinder und Erwachsene) mit Immunsuppression wurde die Läsion CT-gesteuert bioptisch mit einem coaxialen Punktionssystem (17/18 gauge) an-gegangen, mittels Calcofluor mikroskopisch beurteilt und kultiviert (brain-heart-broth). Des weiteren wurden ein Aspergillus-PCR (18S rRNA), ein Galactomannan EIA (beide aus den Gewebsproben!) mit cut off >0.5 und eine Sequenzanalyse durchgeführt. Folgende Resultate ergaben sich: 2 Patienten waren der Biopsie nicht zugänglich. Bei 13/17 Patienten (76%) resultierte mikroskopisch eine Spezies-Differenzierung (zu 46% septiert, d.h. Aspergillus-like und zu 54% unseptiert = non Aspergillus-like). Kulturell waren 9/13 Proben (69%) positiv, hiervon in 7/13 mit Wachstum von Zygomyceten, was gut mit der mikroskopischen Erstbeur-teilung einherging. Offenbar gelingt eine genügende (rasche!) Spezifizierung mittels der

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Kombination von Mikroskopie, PCR und Galactomannan-Test aus den Proben, so dass auf eine Kultur verzichtet werden könnte. Als Komplikationen wurden bei einem Patient ein Pneumothorax und bei einem anderen eine Blutung genannt. Cryptokokkose bei soliden Organtransplantatempfänger: Eine Gruppe aus England (N.Singh et al) untersuchte anlässlich einer Multizenterstudie zwischen 1999-2006 die Rele-vanz von Crytokokkosen-Antigen (CA) im Serum bei limitiertem pulmonalen Befall. Die Stu-die wurde aufgrund folgender Hintergründe durchgeführt: 25-54% der soliden Organtrans-plantatempfänger mit Cryptokokkose weisen einen pulmonalen Befall auf, wovon 6-33% pulmonal limitiert sind. Die Sensitivität des CA im Serum bei pulmonalen Befall ist limitiert (hingegen scheint die Sensitivität in jenen Fällen höher zu sein, wenn nach CA aus einer BAL gesucht wird). Als Studienpopulation diente der Anteil, bei dem eine Cryptokokken-Infektion bewiesen worden war (Kultur oder Histologie), 47 Patienten von 66 erfüllten die Einschlusskriterien. Hiervon hatten gesamthaft 83% ein pos. CA, aufgeschlüsselt 100% mit extrapulmonalem und 73% mit limitiertem pulmonalem Befall. Im Falle einer Fungämie fand sich eine Positivität von 90% vs. 80% ohne Fungämie. Einzelne pulmonale noduläre Formen gingen mit einer Positivität von 63%, multiple mit 90% und solche mit pulmonalem Infiltrat oder Pleuraerguss mit 100% Positivität einher. CA-Positivität bei limitiertem pulmonalem Be-fall ging mit signifikant rascher auftretender Manifestation einher (16.9 vs. 33.7 Monate nach Transplantation). Faktoren ohne Einfluss auf Positivität des CA waren Art der Immuno-suppression und Art der Organtransplantation Immunrekonstitutionssyndrome (IRS) Eine Gruppe aus der Dukes Universitiy, N.C. (John. R. Perfect et al) berichtete über das Auf-treten von Immunrekonstitutionssyndromen unter Behandlung von invasiven Pilzinfektionen unter Immunsuppression verschiedener Aetiologie. Hierbei wurde hervorgehoben, dass ver-schiedene Pathogene die zugrunde liegende Immunsuppression verstärken und die unter Behandlung einsetzende Immunantwort wohl in Abhängigkeit des Wirtes aber auch z.T. in Abhängigkeit des Therapeutikums entsteht. Pathophysiologisch liegt z.B. die durch Beta-1-3-Glycan hervorgerufene Aktivierung proinflammatorischer Substanzen zugrunde (vgl. unten). Als klassische Auslöser von IRS wurden Cryptokokkosen, die antifungale Therapie mit Amphotericin B sowie mit monoklonalen Antikörpern genannt. Beispielsweise geht eine HIV-Infektion unter HAART-Therapie bei Cryptokokkose mit dem Risiko von 30% eines Immunre-konstitutionssyndroms einher (als Risikofaktoren besteht hierbei ein erhöhter Liquoröff-nungsdruck, der Liquor-Glucose-Wert und die Zahl der Leukozyten im Liquor). Bei stattge-habter Organtransplantation und Cryptokokkose wird in ca. 5.5% ein Immunrekonstitutions-syndrom beschrieben. Die Wertigkeit des IRS ist unterschiedlich und reicht von „gut“ bei Cryptokokkose (aufgrund einer rascheren Hefe-Clearance aus dem Liquor unter y-Interferon) über „ugly“ bei HAART-Beginn und „schlecht“ z.B. bei invasiver Aspergillose unter G-CSF. Bei pulmonaler Aspergillose tritt bei Neutropenie im Stadium der Zellerholung zu 16% ein IRS auf, dauert etwa 1 Woche und hat eine gute Prognose. Als Akutbehandlung gilt die (nebst der antimykotischen Therapie parallele) Gabe von Steroiden, z.T. über Wochen bis Monate und ggf. rezidivierend (z.B. bei cerebraler Cryptokokkose). Das IRS unter invasiven Candidainfektionen unter Ampho B dauert sehr lange, statistisch gesehen dauert es etwa 40d bis empirisch Steroide eingesetzt werden. Hingegen scheinen unter Echocandinen (an bisher kleinen Patientengut untersucht) die Beta-1-3-Glucan-induzierten proinflammatori-schen Signale supprimiert zu werden (und hierunter keine IRS aufzutreten). Als Frage wird aufgeworfen, ob möglicherweise alle im Zusammenhang mit invasiven Mykosen auftreten-den ARDS einem Immunrekonstitutionssyndrom zuzuschreiben sind.

Neue Guidelines 2007 und 2008

Allgemeines: Folgende Änderungen und Neuerungen im Vergleich zu den Guidelines von 2004 sind fest-zuhalten:

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Es gilt die Empfehlung, Posaconazol prophylaktisch bei Patienten in Neutropenie einzuset-zen, was in Europa bisher nicht unumstritten ist Neu besteht statt einer ungewerteten Auswahl verschiedener Behandlungsoptionen die Dif-ferenzierung in first und second line-Empfehlungen; beispielsweise als erste Wahl bei zu vermutender invasiver Mykose mit unklarem Erreger und schwerem Krankheitsbild Amphote-ricin B Liposomales Amphotericin B (im Vergleich zum konventionellen Ampho B) wird aufgrund der besseren Verträglichkeit und der geringeren renalen Nebenwirkungen vermehrt empfohlen Echocandine, Voriconazol und Posaconazol werden (weiterhin) nicht als empirische first line Therapien bei vermuteten invasiven Mykosen empfohlen Bei Posaconazol fehlen hierzu noch die Daten (bisherige grössere Studien untersuch-ten vergleichend lediglich die prophylaktische Anwendung)

Voriconazol (vom Spektrum her am ehesten mit Itraconazol vergleichbar) und Echocandi-ne (vom Spektrum her am ehesten mit Fluconazol vergleichbar) haben im Vergleich zu Amphotericin B bezüglich fehlender Aktivität bei Zygomyceten Defizite Itraconazol bleibt (aufgrund der Histoplasmose und der Sporotrichose zummindest in den USA) das wichtigste orale Antimykotikum, wobei die Resorptionsproblematik weiterhin be-stehen bleibt (stabilere Spiegel unter liquider Applikation als unter Kapseln)

Spezielle Erreger:

Candidiasis Die publizierten Studien schlossen neutropenische Patienten im allgemeinen aus, bzw. die Anzahl der neutropenen Patienten waren immer sehr klein. Die Bewertung gilt somit nur für nicht neutropene Patienten. Allgemeines: Neue Guidelines werden erst im Jahre 2008 vorliegen, sie werden grundsätzlich Fluconazol und Echinocandine als first line drugs bevorzugen und Ampho B zuückdrängen Amphotericin B ist der ursprüngliche Goldstandard für Candidämien. Aufgrund der Neben-wirkungen und Toxizität wird dieses Medikament jedoch nur noch empfohlen, falls aus Kos-tengründen oder Verfügbarkeit keine Alternative vorliegt (AI). In der CH hat Amphotericin B bei Candidainfektionen keine Indikation mehr (Vorsicht: der Vergleich von konventionellem Amphotericin B mit dem liposomalen wurde nie durchgeführt. Deshalb ist das liposomale Amb B keine Alternative in der Behandlung von Can-didainfektionen). C. albicans ist die häufigste Candidaspezies. Bei der Bestimmung der Spezies kann die Empfindlichkeit gut vorausgesagt werden. Somit ist einen Empfindlich-keitstestung nicht unbedingt nötig. Wenn immer möglich sollte der Katheter gewechselt werden (AII). Eine ophthalmologische Untersuchung wird bei Can-didämien bei allen Patienten empfohlen, von einer routinemässigen Echokardiographie jedoch abgeraten (persönliche Auskunft). Nach Therapiebeginn wird eine negative Blutkultur gefordert. Behandlungen: Fluconazol (Ladedosis 800mg, gefolgt von 400mg i.v. oder p.o) bleibt die Therapie der Wahl bei einer Candidämie, bzw. invasiven Candidainfekti-on (AI). Ebenfalls AI sind sämtliche Echinocandine bewertet, wobei kein eigentlicher Vorteil einer Substanz besteht (Caspofungin, Micafungin, Anidulafungin). In der CH ist nur Caspofungin (Cancidas®; 70mg Ladedosis, dann 50mg i.v. erhältlich).

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Bei schwerer Sepsis oder nach kürzlicher Verabreichung von Azolen werden ebenfalls die Echinocandine empfohlen (AIII), um auch die auf Fluconazol weniger empfindlichen Keime zu behandeln insbesond. C. glabrata und C. krusei, der immer resistent auf Fluconazol ist). Anmerkung: C. krusei Infektionen kommen v.a. bei schwer immunsupprimierten Patienten, z.B. nach allogener HSZT oder Leukämie) vor. C. glabrata ist neben C. albicans in der CH die 2. häufigste Candida Spezies. Jedoch ist C. glabrata bei uns meistens auf Fluconazole-sensibel. Somit gibt es keinen Grund bei C. glabrata von Fluconazol auf ein Echinocandin zu wechseln, falls der Patient klinisch stabil ist, bzw. sich verbessert. Von den Echinocandinen sollte immer auf Fluconazole gewechselt werden (da Fluconazole p.o. gegeben werden kann und sehr viel billiger ist!), sobald die Identifikation, bzw. Resis-tenzbestimmung vorliegt) (AIII). Bei C. parapsilosis ist Fluconazol besser als die Echinocandine und somit vorzuziehen (BIII). Obwohl eine randomisierte Doppelblindstudie gezeigt hat, dass Voriconazole bei Candämien nicht schlechter ist als Amphotericin B (non inferiority Studie), sind die meisten Experten der Meinung, dass Voriconazole keinen grossen Stellenwert bei der Behandlung von Candämien hat. Als Azole wäre Fluconazol zu nehmen und sonst eher die Echinocandine. (Kullberg BJ, Voriconazole versus a regimen of amphotericin B followed by fluconazole for candidämia in non-neutropenic patients: a randomised non-inferiority trial. Lancet. 2005;366,1435-42). Ausnahme: bei C. krusei wäre Voriconazole eine Option für orale Therapie (BIII). Die Therapiedauer bei unkomplizierter Candidiasis bei nicht neutropenen Patienten beträgt 2 Wochen, die optimale Therapiedauer bei Neutropenen wurde bisher zu wenig untersucht. Invasive Aspergillose Therapie der Wahl ist Voriconazol. Als Alternative gilt zwar Amphotericin B, ist jedoch mit geringerem Überleben verbunden. Eine Dosierung von 3mg/kg KG des liposomalen Ampho-tericin B ist ausreichend (AmBiLoad Trial). Falls sich unter Voriconazol-Therapie ein refraktä-

res Ansprechen zeigt, wird empfohlen, auf Ampho B oder ein Echocandin zu wechseln. Das drug-monitoring von Voriconazol ist noch nicht genügend validiert; bekannt ist der toxische Bereich ab einem Spiegel von 6mg/l. Von Posaconazol ist ein (besseres) Ansprechen in Abhängigkeit des (höheren) Spiegels bekannt. Die Prophylaxe mit Posaconazol (Al) wird grundsätz-lich bei GVHD mit hohem Risiko und Neutropenikern mit ALL oder MDS empfohlen, wobei aber darauf hin-gewiesen wird, eine solche auf die lokale Inzidenz abzustützen (Inzidenz gemäss publizierter Daten 2-28%, Empfehlung einer Prophylaxe ab >20%). Als cavete wird zudem angefügt, dass in der Studie von

Wald A et al. die Fluconazolgruppe möglicherweise auch deshalb schlechter abschloss, da dort in der Baseline vermehrt Galactomannan-Positive vorherrschten (und es sich demnach nicht um prophylaktische, sondern mindestens um präemptive Therapien handelte). Histoplasmose Bei disseminierter Histoplasmose ist der Antigennachweis im Urin mit >90% und im Urin mit ca. 80% höher als bei der isolierten pulmonalen Form. Der Antigentiter dient als Verlaufspa-rameter; er sinkt unter Behandlung und steigt bei einem relapse wieder an (meiste Daten bei

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HIV). Eine Verlaufsbestimmung wird pulmonaler und 1 Jahr nach Behandlung zentralvenöser Infektionen empfohlen. Keine Empfehlung wird bezüglich allfälliger Prophylaxe immun-supprimierter Patienten (nach Organtransplantation oder unter Anti-TNF-alpha-Therapie). Milde Formen bei Immunkompetenten müssen nicht behandelt werden. Itraconazole bleibt Mittel der Wahl für milde bis moderate pulmonale und disseminierte Infektion. Bei schwere-ren pulmonalen, disseminierten oder ZNS-Infektionen wird als erste Wahl Amphotericin B empfohlen. Liposomales Amphotericin B in einer Dosierung von 3-5mg/kg KG erbringt zwar im Vergleich zu konventionellem Ampho B eine vermeintlich bessere Ansprechrate (88 vs. 64%), wobei kein signifikanter Unterschied bezüglich von Todesfällen besteht. Tendenziell wird liposomales Ampho B v.a. aufgrund der besseren Verträglichkeit bevorzugt, wobei die vermehrten Kosten zu berücksichtigen sind. Bei Kindern wird konventionelles d-Ampho B gut vertragen. Bei isoliertem ZNS-Befall bleibt liposomales Amphotericin B in einer Dosierung von 5mg/kg KG für 4-6 Wochen erste Wahl, im Anschluss modernere Azole während min-destens 12 Monaten (möglicherweise Dauersuppression), wobei für den Menschen keine Daten existieren. Azol der Wahl ist Itraconazol 200mg 2-3x/d. Fluconazol ist Mittel der 2. Wahl, wobei die Ansprechraten im Vergleich zu Itraconazol deutlich tiefer liegen. Für Vorico-nazol existieren nur anekdotische Daten, zudem sind zunehmende resistente Formen aufge-taucht. Posaconazol scheint zwar wirksam zu sein (6/7 Patienten), doch auch hier ist die Datenlage dünn. Die Gabe von Steroiden bei pulmonaler Histoplasmose und ARDS bleibt ungewiss. Blastomykose Es bleibt die Behandlungsempfehlung mittels Itraconazol für milde bis moderate pulmonale und extrapulmonale Infektionen. Amphotericin B bleibt Therapie der Wahl bei schweren In-fektionen. Neu ist die Empfehlung von liposomalem Ampho B für ausgeprägte pulmonale und extrapulmonale Manifestationen. Gewisse Zentren bevorzugen liposomales Ampho B auch weniger schwerer Manifestation, falls eine renale Beeinträchtigung oder eine Langzeit-therapie geplant ist. Für zentralnervöse Infektionen gilt ebenfalls die Empfehlung von liposo-malem Ampho B in der gleichen Dosierung wie bei der Histoplasmose. Als Anschlussthera-pien werden entweder Voriconazole 200-400mg bid, Fluconazol 800mg/d oder Itraconazole 200mg 2-3x/d empfohlen. Betreffend Posaconazol liegen noch keine Erfahrungen vor. Betreffend Steroideinsatz bei ARDS verhält es sich analog wie bei der Histoplasmose. Sporotrichose Als Therapieempfehlung gilt der Einsatz von Itraconazol für lymphocutane, ossäre und pul-monale Manifestationen, als second line-Option Fluconazol. Alternativ kann Terbinafin im Falle isolierter lymphocutanen Befalls gegeben werden. Der Heilungserfolg pulmonaler und Knochen- oder Gelenkssporotrichose ist ungewiss. Neu wird (auf der Basis einer länger dauernden Therapie und nicht aufgrund der Studienlage) liposomales Amphotericin B als erste Wahl für disseminierte oder zentralnervöse Infektionen empfohlen mit step down-Strategie auf Azole, wobei die neueren Azole nicht gegeben werden sollten (Voriconazole nicht wirksam, Posaconazol ohne klinischen Daten).

HIV-Infection

Die neuen zeigen weiterhin Profil…

Anhaltende Wirkung von Maraviroc über ein Jahr

Vom CROI 2007 konnten wir erstmals über die erstaunlichen Resultate von Maraviroc bei Patienten mit klinischem Versa-gen aller drei bekannten Medikamentenklassen (NRTI, NNRTI, PI) berichten. Die guten Resultate der Woche 24 Erhebung haben sich auch bis zum Ende der Studie nach 48 Wochen durchgesetzt. In dieser schwierig zu behandelnden Gruppe können wir durch die Zugabe von Maraviroc zu einer optimierten Therapie eine anhaltende Verdoppelung der anti-

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viralen Wirksamkeit der Behandlung erreichen. Die Verdoppelung der Wirksamkeit liess sich auch bei Patienten erzielen, die zusätzlich zum ersten Mal Enfuvirtide (T-20) erhielten (n=258). In dieser Gruppe stieg die Suppressionsrate (<50) von 27% (ENF ohne MVC) auf 64/61% mit qd/bid MVC. Die nebenstehende Abbildung zeigt den anhaltenden Effekt der Wirkung (HIV-RNA < 50 kop/ml) zwischen Woche 24 und 48. Auch in dieser Analyse war MVC bezüglich Nebenwirklungen mit Placebo vergleichbar, mit der Ausnahme der schon früher bekannten Tendenz zu mehr Schnupfen und Husten unter MVC, was weiterhin ungeklärt bleibt.

ARTEMIS: Wird Darunavir First-Line Medikament?

Jede Firma möchte ihr Medikament gerne in der Behandlung der ersten Stunde sehen. Kein Wunder, dass auch Darunavir – ein Protease Hemmer mit wertvollem Potential bei mehrfach vorbehandelten Patienten zeigte (Lancet 2007) in die Indikation first-line vorstossen will. Die Substanz wurde mit dem Standard unter den Protease-Hemmern, Lopinavir, verglichen. Da-runavir (800mg/qd) wurde mit 100mg Ritonavir geboostet. Die Vergleichsgruppe war durch die Umstellung der Lopinavir-Formulierung etwas heterolog. 77% nahmen das Medikament 2x tälich, 15% einmal und der Rest hat während der Studie auf 1xtäglich umgestellt. Auch die Formulierung (2% immer Tabletten, 83% Umstellung von Kapseln auf Tabletten) war heterogen. Dies ist nicht unwichtig, weil die Lopinavir/rit Tabletten (Kaletra®) signifikant sel-tener gastrointestinale Nebenwirkungen verursachen. Am ICAAC wurden die 48 Woche Da-ten vorgestellt, die Studie läuft wie alle First-line Studien 96 Wochen. 689 Patienten wurden in diese randomisierte non-inferiority Studie eingeschlossen. Insgesamt waren die 48-Woche Resultate vergleichbar, sicher war Darunavir Lopinavir nicht unterlegen (84% vs. 78% HIV-RNA<50). Doch die bekannten gastrointestinalen Nebenwirkungen der Lopinavir-Kapseln waren deutlich zu sehen (14% LPV vs. 7% DRV). Die hohe Nebenwirkungsrate ist ein mögli-cher Grund für die höhere Abbruchrate unter LPV. Die Umstellung der Lopinavir-Kapseln während der Therapie ist ein bedauerlicher Schönheitsfehler, der nicht zu umgehen war. Vermutlich werden sich die Unterschiede über 2 Jahre Therapie korrigieren.

48 Wochen Raltegravir – still kicking strong

Raltegravir wurde als erster Integrase-Hemmer aufgrund seiner guten Wirksamkeit recht schnell zum Fast-track-Verfahren für die FDA zugelassen. Eigentlich haben wir noch nicht sehr viel Daten zu Raltegravir doch die Wirksamkeit bei Patienten mit multipler Resistenz ist so beeindruckend, dass der Druck auf die Zulassungsbehörde FDA gross ist. Die anfängli-che Beobachtung einer Häufung von Krebskrank-heiten unter Raltegravir hat sich in der längeren Anwendungsbeobachtung nicht bestätigt, sodass wir heute davon ausgehen, dass es sich um eine zufällige Assoziation gehandelt hat. In Chicago präsentierte Grinsztejn et al. die 48 Wochen Daten der Merck 005 Studie zu Raltegravir bei Patienten mit multipler Therapieresistenz (Abstract H-713). Die Patienten welche die ursprünglichen 24 Wo-chen Therapie erhalten haben wurden im längeren Follow-up beobachtet. Die nebenstehende Abbil-dung zeigt, dass die eindrückliche Wirkung bei die-sen multiple vorbehandelten Patienten auch über 48 Wochen anhält. Wir können damit rechnen, dass Raltegravir schon bald für die Behandlung von therapieerfahrenen Patienten mit multipler Resistenz zugelassen wird. Aufgrund dieser Studie wurde die 400mg Dosis für die weitere klinische Anwendung ausgewählt (gelbe Kur-ve).

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… und die alten kann man behalten

Tenofovir und die Niere – a never ending story

Die Rolle von Tenofovir (TDF) bei Niereninsuffizienz wird wohl noch lange nicht restlos ge-klärt bleiben. Sicher ist, dass TDF von der prox. Tubuluszelle sezerniert wird und infolge Kompetition mit der Creatinin-Sekretion zu einer Erhöhung des Creatinins und der Crea-Clearance führt. Doch ob TDF zusätzlich noch einen glomerulären Schaden verursacht, wie man dies mit der Abnahme der Crea-Clearance assoziert, ist sehr fraglich, oder vermutlich recht selten der Fall. Jedenfalls sollten wir im klinischen Alltag dennoch aufmerksam bleiben und die Nierenfunktion bei Patienten unter TDF messen. Relevanter dürfte sich allerdings ein Tubulusschaden unter TDF auswirken, denn dieser führt zum Phosphatverlust, der nur durch Resorption von Phosphat aus dem Knochen kompensiert werden kann. Dennoch gab es auch am ICAAC wieder einige Arbeiten zur Nierenfunktion unter TDF. Heu-te bilden ja TDF und Abacavir (ABV) in Kombination mit FTC resp. 3TC die wichtigsten Nu-ke-Backbones. Eine Gruppe aus Baltimore (Abstract H-383) hat retrospektiv Patienten ver-glichen, die eine Therapie mit TDF oder ABV anfingen. Natürlich waren die beiden Gruppen nicht vergleichbar. Mit TDF wurden jüngere Patienten behandelt mit weniger vorbestehenden Nierenproblemenb. Insgesamt entwickelten die Patienten unter TDF-Therapie etwas häufiger eine Niereninsuffizienz (n.s.) und der GFR-Abfall war unter TDF um 8-10% grösser als unter ABV. Vier von 149 Patienten un-ter TDF und keiner der 68 Patien-ten unter ABV musste die Thera-pie wegen Niereninsuffizienz ab-setzen. Interessanterweise scheint der Effekt vor allem in den ersten 6 Monaten aufzufallen und wird dann geringer. Ebenfalls assoziiert mit einer Verschlechte-rung der Niereninsuffizienz waren auch ein Diabetes mellitus und eine Hyperlipidämie. Eine kleine Studie der HOPS-Kohorte konnte nicht viel beitragen (Abstract H-402). Die Auto-ren haben bei 19 Patienten mit vorbestehender Niereninsuffizienz unter TDF eher eine ge-ringgradige Verbesserung der GFR unter der Therapie mit TDF beobachtet. Doch die Zahl der Beobachtungen war klein. Viel interessanter fand ich die Arbeit von Kohler et al, aus Atlanta (Abstract H-384). Diese Autoren haben im Tiermodell (AIDS-transgene Mäuse) den Mechanismus des Tubulusscha-dens unter TDF untersucht. Von TDF wissen wir nämlich, dass es verglichen mit allen ande-ren NRTI recht wenig wenn überhaupt mitochondrialen Schaden anrichtet (s. Abb. Birkus et al.). Im Tiermodell fand sich eine grosse Überraschung: Die TDF-Therapie führte in den AIDS-transgenen Mäusen (mittels „laser-capture“ Mikroskopie) zur morphologischen Verän-derung der Mitochondrien der proximalen Tubluszellen sowie zum Abfall der mitochondrialen DNA in diesen Zellen. Möglich, dass die Erhöhung der intrazellulären TDF-Spiegel im proxi-malen Tubulus für die spezifische Toxizität in dieser Zellen verantwortlich ist. Zur Erinnerung: die mitochondriale Toxizität der meisten NRTI entsteht durch die Hemmung der mitochond-rien-eigenen Gamma-Polymerase, dem Enzym welches für die Replikation der mitochondria-len DNA verantwortlich ist.

Abacavir Hypersensitivity – Dank Genetik wohl ein Phänomen von gestern

In einem Poster über die Abacavir-Sensitivität (H-374) haben Autoren der SHAPE-Studie über das klinische Bild er ABV-HSR berichtet. Die Resultate der Predict Studie haben wir im

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IAS-2007 Bericht (S.12) zusammengefasst. Die Predict Studie hat gezeigt, dass man die echten ABV-Hypersensitivitätsreaktionen mit dem genetischen Test voraussagen, respektive verhindern kann. Die Autoren der SHAPE studie haben Fälle von HSR untersucht und solche mit HLA-B5701 Genotyp und solche ohne den Risikofaktor untersucht. Auch hier wird erneut offensichtlich, dass die „echten“ Fälle von ABV-HSR fast immer Fieber haben, meist innert 7 Tagen auftreten (maximal 34 Tage) und dass Übelkeit, Hautausschlag und Muskelschmer-zen die klinischen Manifestationen sind. Es würde mich nicht überraschen, wenn wir nach der nun erfolgten Einführung der routinemässigen HLA-B5701-Testung keine Hypersensitivi-tätsreaktionen mehr sehen werden.

Pfupf statt Nadel verbessert Verträglichkeit von Enfuvirtide

Eine randomisierte Studie (Boss-Trial, abstract H-370) bei Pat, mit signifikanten subkutanen Knötchen unter s.c.-Behandlung mit Enfuvirtide (T-20) hat den Einsatz eines nadelfreien In-jektionsgerätes untersucht (ein Schema der Wirksamkeit des Biojectors findet sich unter DNA-Vaccine). Das neue Gerät verbessert die Verträglichkeit von T20 massiv und die sub-kutane Knotenbildung geht deutlich zurück. Der Biojector ist noch nicht erhältlich.

Nelfinavir ist back

Am letzten Tag der ICAAC wurde in einem Pressecomunique mitgeteilt, dass die neue Form von Nelfinavir von der Europäischen Zulassungsbehörde wieder registriert worden sei. Nelfi-navir wurde früher dieses Jahr vom Markt gezogen, weil sich zeigte, dass die Substanz Spu-ren von Verunreinigung enthielt. Nelfinavir wird heute nicht mehr für den Ersteinsatz bei HIV empfohlen, es ist gegenüber den boosted PI deutlich weniger wirksam. Doch für jene Patien-ten, bei welchen Nelfinavir zu einer vollständigen Virussuppression führte, war die Einnahme kein Problem. Ob sich die Patienten, welche nun ihre Therapie umstellen mussten wieder auf die zweimal tägliche Einnahme von Nelfinavir umstellen lassen, dürfte in vielen Fällen frag-lich sein. HIV Pathogenese: Grundlagenforschung für Kliniker Das ICAAC ist kein Kongress für Grundlagenforscher. Doch die spannenden Übersichtsrefe-rate von Grundlagenforschern sind auch für uns Kliniker wichtig, denn aus diesen Arbeiten warden zukünftig neue Therapie- oder Präventionsstrategien abgeleitet.

Langerhans- und Dendritische Zellen: Empfangskomitee für HIV

In der Pathogenese-Session gab Vincent Piguet aus Genf einen faszinierenden Vortrag über die Rolle der beiden Zelltypen, mit welchen das HIV bei der Infektion zuerst in Kontakt kommt (H-641). Tatsächlich sind die beiden Zelltypen nicht ganz identisch in ihrer Funktion. Die Langerhans-Zellen (LC) sitzen im epithelialen Gewebe, gleich an der (Schleim-)haut-Oberfläche, während die dendri-tischen Zellen (DC) im darunterliegenden subepithe-lialen Gewebe zu finden sind. Beide Zelltypen kön-nen als Vorhut des Immunsystems betrachtet wer-den. Sie kommen mit fremden Erregern in Kontakt und bringen diese zu den T-Helferzellen (Antigen-Präsentation). Diese Übertragung kann grundsätzlich auf zwei Ar-ten erfolgen (s. Abbildung rechts aus Piguet & Sat-tentau, J Clin Invest 2004): Die DC können Virus aufnehmen und auch vermehren, und geben es dann wieder an die T-Zelle weiter (a und b). Die Virusvermehrung erfolgt besonders effizient in der sogenannten „DC/TC infektiösen Sy-napse“ (c und d). Dort wo sich die beiden Zelltypen berühren, werden von der DC hohe Mengen an Cytokinen gebildet, welche die HIV-Vermehrung im „synaptischen Spalt“ stimu-

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lieren. In der Abbildung auf der nächsten Seite sieht man in der konfokalen Aufnahme (glei-che Schnitte, unterschiedliche Proteine gefärbt), dass HIV (grün) dort gebildet wird, wo sich die DC (zentral, rot gefärbt DC-Sign) und die T-Zelle berühren (Überlagerung gelb).

Ein zweiter Mechanismus ist der „short-term DC-TC-transfer“. Die DC können HIV auf der Oberfläche mit dem DC-Sign-Rezeptor binden und transportieren es dann in dieser Form zur T-Zelle. Zunächst einmal untersuchte Piguet die Frage, wes-halb HIV so ineffizient in DC repliziert obwohl diese Zellen alles haben (CD4, CCR5, Cytokine) was es für die HIV-replikation braucht. Die Antwort dürfte bei einem Restriktionsfaktor (RF) liegen, der nach dem Eintritt in die Zelle aktiv wird. (Pion et al, J Invest Dermatol, 2007). Denn wenn man HIV in ein ande-res Hüllenprotein (Vesicular Stomatitis Virus) ein-packt, so kann es in DC perfekt replizieren. Vom zellulären RF APOBEC3G (A3G) wissen wir, dass er eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von Retro-viren hat. Wir berichteten darüber aus Toronto (s. Bericht, S.5). Neu haben wir dort gelernt, dass A3G auch beim Eintritt des HIV in die Zelle die Infektion verhindert. Doch wir haben gesehen, dass in der aktivierten Zelle Apobec damit absorbiert ist, neu entstehende Proteine, welche aus retroviralen Se-

quenzen in der DNA stammen, abzufangen. Daher kann HIV nur aktivierte Zellen anfallen. Die DC wird nicht aktiviert, daher funktioniert der A3G-Mechanismus noch, welcher das HIV beim Eintritt in die Zellen inaktiviert (Pion, JEM 2006). Die Gruppe hat auch zeigen können, dass DC, welche kein A3G produzieren (knockout) gut infizierbar sind. In der erstgenannten Arbeit haben die Autoren auch gezeigt, dass die Infektion der DC nur über den CCR5-Co-Rezeptor geht, nicht über CXCR4, was erklärt, weshalb bei der sexuellen Transmission nur Infektionen mit CCR5 Viren beobachtet werden. Die Autoren haben auch noch gezeigt, dass der zweite gut bekannte RF, Trim-5alfa beim Schutz der DC vor einer HIV-Infektion keine Rolle spielt. DC haben natürlicherweise nicht immer gleichviel A3G, tatsächlich konnten sie auch zeigen, dass eine HIV-Infektion nur in den DC zustande kommt, welche kein A3G exprimieren. Bei der Reifung der DC wird mehr A3G gebildet und die Zellen werden resisten-ter als im unreifen zustand (iDC). Eine zweite interessante Beobachtung betraf die Wirkung von Arsen. Arsen-Trioxide wird bei der promyelocten-Leukämie therapeutisch eingesetzt. Es induziert eine Apop-tose von antigenpräsentierenden Zellen möglicherweise durch eine Zerstörung von einigen RF. Arsen macht HIV-resistente Zellen permissiv für HIV. Dieser Effekt ist aber unabhängig von A3G. Pidoux pos-tuliert, dass noch andere RF eine Rolle spielen. Der zweite Mechanismus, mit dem DC Virus an die T-Zelle bringen, funktioniert über einen Oberflächenmarker. Bei DC ist dies das DC-Sign, ein Oberflächenprotein welches mit der nicht aktivierten (naïven) T-Zelle über deren ICAM-3 Rezeptor in Kontakt tritt (Geijtenbeek,

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Cell 2000). An dieser Bindungsstelle wird nun durch Cytokine stimuliert eine HIV-Virusproduktion ausgelöst, was dieser Synapse den Namen „Infektiöse“ Synapse verlieh. Pidoux‘s Gruppe hat mit siRNA knockout Zellen produziert, welche kein DC-Sign exprimie-ren. Mit diesen Zellen sieht man eine um mindestens 60% reduzierte HIV-Produktion im Sy-naptischen Spalt zwischen T-Zelle und DC (Arrighi JEM, 2004). Zwar fand sich noch Virus in der DC, doch es konnte nicht übertragen werden. Somit ist schön gezeigt, dass DC-Sign die Übertragung von HIV auf die T-Zelle üernimmt. Und wie geht das bei Langerhans-Zellen? LC sind die Makrophagen der Epidermis. Sie tragen auf ihrer Oberflä-che auch einen ähnlichen Marker wie DC-sign bei DC. Dieser heisst Langerin (Abbildung oben, untere Hälfte: DC-Sign rot gefährbt, obere Hälfte Langerin grün). Nun hat aber eine holländische Gruppe gemeinsam mit Piguet ge-zeigt, dass Langerin die LC vor einer HIV-Infektion schützt. Wird Langerin im Experiment mit Antikörpern geblockt, so wird in einer Ko-Kultur von LC und T-Zellen die HIV-Infektion problemlos übertragen (Abb. Rechts). Piguet for-dert, dass man Langerin als möglichen Ansatz für die Prä-vention der sexuellen Übertragung verwenden sollte, oder mindestens darauf achten müsste, dass der Mechanismus beim Einsatz von vaginalen Mikrobiziden nicht zerstört wird.

Zeig mir deine Gene und ich sag dir ob du krank wirst

Markus Altfeld vom Mass. General Hospital hat in der ausgezeichneten HIV-Pathogenese-Session berichtet, welche genetischen Faktoren alle das Schicksal des HIV-Verlaufs mit-bestimmen (H-642). Eigentlich ist es ganz ernüchternd: Wenn es einmal zur HIV-Infektion gekommen ist, so ist das Schicksal bereits bestimmt. Der ganze Verlauf dürfte vom Virus selbst und den genetischen Faktoren mitbestimmt sein. Ernüchternd darum, weil alle guten Ratschläge zur Verbesserung der Immunlage sei es durch Sport, durch Ernährung- oder andere Umstellungen bezüglich HIV-Infektionsverlauf eigentlich gerade gar nichts nützen. Natürlich kennen wir noch nicht alle Faktoren, die mitbestimmen, wie der Verlauf sein wird. Altfeld hat die drei wichtigsten HLA-Typen genannt, welche für eine langsame Krankheits-progression verantwortlich sind: HLA-B57, HLA-B27 und HLA-B51 findet sich viel häufiger bei Patienten mit tiefer Viruslast.

Als Altfeld das Aus-mass der Immunant-wort während der Pri-moinfektion studiert hat, fand er, dass die Patienten mit guter Kontrolle eine recht begrenzte, dafür eine umso stärkere Antwort

mit den drei genannten HLA-typen haben (Altfeld, PLOS Med 2006). In der nebenstehenden Abbildung sieht man, dass die drei HLA-Typen den grössten Anteil der während allen Pri-moinfektionen gemessenen Immunantworten ausmachen. Wenn B27 und B57 gleichzeitig vorhanden sind, dann ist die Immunantwort der beiden sogar so stark, dass man keine weitere Immunantwort mehr findet. Umgekehrt werden Peptide, welche von Zellen mit HLA-B35 präsentiert werden recht schlecht erkannt. Entsprechend findet sich bei Personen mit diesem Typ eine raschere Krankheitsprogresion.

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Altfeld berichtete auch noch über genotypische Unterschiede bei der natürlichen Immunität durch NK-Zellen. Diese Zellen brauchen zur Intereaktion mit der T-Zelle auch einen Rezep-tor: den KIR. Dieser kann hemmende oder aktivierende Signale abgeben. Nun haben auch die KIR-rezeptoren genetische Unterschiede. Es gibt nun solche, welche eine HIV-Infektion in einer Kultur mit T-Zellen völlig verhindern können. Altfeld geht davon aus, dass es aktivie-rende KIR-Rezeptoren gibt (z.B 3DL1), welche HIV-infizierte T-Zellen besser erkennen und somit auch besser kontrollieren können (Martin et al, Nature Genetics 2007).

Wenn Ignoranten nicht einmal vom Affen lernen können

Silvestri aus Philadelphia zeigte dass bei den meisten Affenarten die SIV-Infektion nicht pa-thogen ist (Abstract H-643). Die Quintessenz des Vortrags – wir haben darüber schon aus Sydney berichtet – ist der Unterschied in der Immunaktivierung. Es zeigt sich, dass in der Evolution von SIV der Wirt sich so angepasst hat, dass er das SIV replizieren lässt, ohne eine wesentliche Immunantwort dagegen aufzubauen. Die fehlende Aktivierung des Immun-systems scheint tatsächlich der wichtigste Schutzmechanismus zu sein, mit welchem sich die Affen gegen HIV schützen. Immer wieder ärgere ich mich über die selbsternannten Experten, welche den HIV-Patienten Johanniskraut und andere „gesunde“ Substanzen empfehlen, welche das Immunsystem stärken sollen. Johanniskraut aktiviert in der Tat das Immunsystem, macht also genau das Gegenteil, was die gesunden Affen für sich gelernt haben. Ob diese Experten wohl von den Affen etwas lernen können oder ob wir noch lange gegen diese Johanniskrautprediger ar-gumentieren müssen? Silvestri hat noch auf einen weiteren Adaptationsschritt bei SIV hingewiesen. Die infizierten Affen haben auf ihren T-Lymphocyten sehr wenig CCR-5 Rezeptoren. Dieser Korezeptor, welcher für die Fusion des Virus mit der Zelle notwendig ist, wird ja auch von den neuen Entry-Inhibitoren gehemmt. Es scheint so, als dass die Downregulation der CCR-5 Rezepto-ren beim Affen Interessanterweise auch keinen Phänotyp-Switch auf X4 Varianten begüns-tigt. Der Mangel an CCR5-Rezeptoren auf den CD4 Zellen führt nicht nur dazu, dass weniger Zellen infiziert werden, sondern auch dazu, dass weniger CD4 in infizierte Regionen gelan-gen. Erste Resultate aus den Studien mit Maraviroc bei Patienten, die beide Virustypen ha-ben (R5 und X4) bestätigen, dass die Blockade der CCR5-Rezeptoren auch dann noch ei-nen positiven Einfluss auf die Erholung der CD4 Zellen hat, auch wenn die Virusvermehrung nicht vollständig blockiert ist. Ganz nach dem Motto: Stell dir vor das Virus vermehrt sich und keiner wird krank!

Und zurück zur Klinik: Cervixcarzinom und HAART

Wir wissen, dass das Cervixcarcinom bei HIV-Infizierten Frauen gehäuft auftritt. Doch was geschieht, wenn wir diese Frauen nun mit HAART behandeln? Die Theorie würde sagen, dass das Risiko einer malignen Entartung dennoch erhöht ist, denn das HPV Virus hatte in der Phase der nicht behandelten HIV-Infektion (vorausgesetzt wir haben nicht früh behan-delt) von der Immunschwäche profitiert, sich rasch vermehrt und den zellulären Schaden im Cervixepithel schon gesetzt. Die maligne Entartung wäre demnach nur noch eine Frage der Zeit. Somit stellt sich die Frage, ob die erhöhte Inzidenz der Cervixaplasien bei HIV-infizierten Frauen unter HAART sinkt. Bisher nicht, meinen die Autoren aus Barcelona (Abstract H-1727). In die retrospektive Analyse wurden alle Frauen eingeschlossen, welche bei zwei auf-einanderfolgenden Visiten (seit 1997) normale Zervixabstriche hatten, über 350 CD4 Zellen hatten und entweder mit HAART (n=90) oder ohne HAART (n=37) behandelt wurden. Intrae-pitheliale Aplasien (SIL) fanden sich in der Folge bei 30% der Frauen unter HAART und 19% der Frauen ohne HAART. Die Chance, innert 3 Jahren keine pathologischen Läsionen auf-zuweisen war 78% resp. 70% mit oder ohne HAART. Natürlich sind die beiden Gruppen nicht vergleichbar, aber immerhin scheint die Therapie nicht zu einer massiven Senkung des Entartungsrisikos zu führen.

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Therapie-Strategien – kontinuierliche Feinabstimmung Grundsätzlich kann man mit Freude konstatieren, dass sich die IAS und andere Gremien nun dazu entschlossen haben, für alle Therapien ein einheitliches Therapieziel zu akzeptieren.

Bisher wurde für Therapieerfahrene Personen immer noch akzeptiert, wenn die Viruslast „nur“ unter 400 kop/ml sank. Doch die verbesserten Möglichkeiten bei therapieerfahren-den Patienten ma-chen nun auch das hohe Therapieziel <50kop/ml zur realistischen Grösse. Dies ist aus zwei Gründen

positiv. Patienten haben bessere Therapien und die Resultate werden besser vergleichbar.

Welcher PI ist der beste?

Die virologische Auswertung der ALERT-Study (Woche 48) wurde in einem Poster präsen-tiert (Abstract H-360). In dieser Studie wurden die beiden geboosteten PI ATV und FPV ver-glichen, beide kombiniert mit FTC+TDF bei Therapie-naiven Patienten. Insgesamt hatten sieben der 106 Patienten ein Therapieversagen. Keiner der vier FPV-Patienten einer der ATV-Patienten hatte eine neue aufgetretene Resistenz gegen den entsprechenden PI. Inte-ressanterweise hatten 2 der 4 Patienten mit Therapieversagen unter FPV bereits eine FPV-Resistenz bei Studienbeginn. Die Studie ist ein weiteres Beispiel dafür, dass unter einem ritonavir-geboosteten PI höchst selten Resistenzmutationen beobachtet werden. Eine Feststellung, die zunächst bei LPV/r beobachtet wurde, später dann aber auch für FPV/r und SQV/r.

Klean-Daten sind clean

Eine weitere Head-to-Head Analyse von zwei Protease-Hemmern, ebenso bei therapie-naiven Patienten, ist die KLEAN-Studie. Diese hatte gezeigt, dass FPV/r bezüglich Wirksam-keit und Nebenwirkungsrate mit LPV/R ver-gleichbar ist (Eron et al, Lancet 2006). Nun wurden noch die 96 Wochen-Daten in einem Poster vorgestellt (H-361). Um es kurz zu fas-sen: die Tendenz bleibt bestehen. Beide Rito-navir-geboosteten Proteasehemmer zeigen eine ausgesprochen gute Wirksamkeit. In der Follow-up Phase zwischen W48 und W96 hat-ten noch 105 (FPV/r) und 91 (LPV/r) Patienten mitgemacht. Die Studie läuft noch ein drittes Jahr doch die Zwischenauswertung nach zwei Jahren (s. Abbildung) zeigt doch eine sehr sta-bile Situation bei diesen Patienten (intention to treat: feste linie, observed: gestrichelte Linie). Der Unterschied (< 50kop/ml ITT: 75% bei LPV/r vs. 85% bei FPV/r) der beiden Therapien ist nicht signifikant.

Patients with VF

BL VF

TDF/FTC PI TDF/FTC PI

FPV/r-1 TAM‡,

FPV RS* and M46I

TAM +M184V; FTC RS FPV RS* and M46I + I54M

FPV/r-2 None§ None TAMs§ +M184V; TDF and FTC RS

None

FPV/r-3 (Clade G)

None FPV RS*

M184V, FTC RS FPV RS*and M46I+I50V

FPV/r-4 None None K65K/R prior to PI Mut**; TDF+FTC RS

After K65R selecti-on**, FPV RS*; V32I+M46I+I47V

ATV/r-1 None None M184M/V; FTC RS None

ATV/r-2 None None None ATV RS*

ATV/r-3 None None None None, but >2X inc-rease ATV FC||

‡TAM= thymidine analog mutation, *RS= reduced susceptibility, ||FC= fold change, §TAMs are not selected by TDF or FTC but do impact res-ponse so must have been archived at BL, ** timepoint prior to VF was also analyzedorder of mutation selection

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Neuropathologie bei HIV

HIV-associated Dementia and Neuro-psychological Disorders:

Referent: Justin McArthur, Johns Hopkins University, Baltimore Durch die Einführung der hoch aktiven, antiretroviralen Therapie (HAART) 1996 ist die Le-benserwartung von HIV-Infizierten deutlich gestiegen. In der Ära vor HAART war die Diagno-se einer HIV-assoziierten Demenz (HAD) eine gefürchtete Diagnose. Neuro-psychologische Veränderungen unter HIV (HIV-associated neuro-psychological disorders / HAND) wurden erstmals Mitte der 80er-Jahre genauer analysiert und beschrieben (Grant I et al., Ann Intern Med, 1987). Zwar ist die mittlere Lebenserwartung bei Erstdiagnose einer HAD nach Einfüh-rung der HAART 1996 von 6 Monaten auf 44 Monate gestiegen. Eine durch ART unterdrück-te inflammatorische Komponente scheint also eine Rolle zu spielen. Über die Pathogenese an sich ist aber wenig bekannt, und es gibt keine Standards bezüglich Diagnostik und The-rapie.

Unter suppressiver Therapie sind neuro-psychologische Symptome weniger ausgeprägt als in der Ära vor HAART und sind teilweise auch reversibel. Trotz suffizienter Therapie scheinen aber neurologische Defizite bestehen zu bleiben. Verschiedene Risikofaktoren wurden in den letzten Jahren diskutiert: wirtseigene, genetische Faktoren, fortgeschrittenes Alter, intravenöser Drogenkonsum, HIV/HCV-Koinfektion, HIV-assoziierte Thrombozytopenie sowie eine schlechte Ab-wehrlage mit ungenügend supprimiertem Virus und einer

CD4-Zellzahl <200/l. In der Arbeit von Tozzi et al. (AIDS Res Hum Retroviruses, 2005) war das Sterberisiko für Pati-enten mit neuro-psychologischem Defizit und gleichzeitig ungenügend supprimierter Viruslast deutlich erhöht (HR: 2.9, 95% CI: 1.2-7.1). Gemäss Chang L et al. (Neuroimage, 2004) ist eine Aktivie-rung der Gliazellen bereits in der asymptomatischen Phase

der HIV-Infektion möglicherweise Voraussetzung für die Ausbildung von HAND und HAD. In ihrer Arbeit, die sich auf die MR-Spektroskopie stützt, zeigte sich eine Korrelation zwischen erhöhter entzündlicher Aktivität im Bereich der Basalganglien, Verlust weisser Substanz und neuropsychologischen Veränderungen. Astrozyten und perivaskuläre Makrophagen schei-nen ein Reservoir für das HI-Virus im ZNA zu sein (Churchill MJ et al. J Neurovirol, 2006). Die Studien der letzten Jahre weisen gemäss dem Referenten Justin McArthur darauf hin, dass wohl nicht ein direkter Effekt des HI-Virus auf die neuronalen Zellen verantwortlich ist für die Ausbildung neuro-psychologischer Defizite und einer Demenz, sondern vielmehr ein «oxidativer Stress» im weitesten Sinne...auch unter ART (Steiner J et al. Antioxid Redox Signal, 2006) (Turchan J et al. Curr HIV Res, 2003). Die Virus-Replikation im Liquor hinge-gen, scheint nicht eindeutig korreliert mit dem Ausmass an neuronalem Schaden. In den letzten Jahren wurden verschiedenen Substanzen mit ZNS-Penetration erprobt, um den besagten oxidativen Stress zu reduzieren. Gewisse Wirkung zeigten beispielsweise SSRTI, Erythropoietin, Valproinsäure und Minocyclin. Die Initiatoren der CHARTER-study hoffen, bald mehr Informationen zur Pathogenese und Therapie von neuropsychologischen Veränderungen und Demenz bei HIV-Infizierten geben zu können.

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Virale Hepatitis

Hepatitis B

Update Hepatitis B

Die Zirrhose-Rate korreliert gemäss der REVEAL-HBV-study (observationelle taiwanesische Kohortenstudie) mit der Virämie (mind. 100’000 Kopien/ml). Zudem gilt, je früher die Hepati-tis erworben wird, desto höher die Zirrhose-Rate. Parallel dazu verhält sich das Risiko eines Lebercarcinoms. Mittels Lamivudine über 3 Jahre kann eine Progression der Pathologie vermindert wird, dies whs. aufgrund der direkten Wirkung auf die Höhe der Virämie. Surro-gatmarker für das outcome sind zudem die Histologie, eine allfällige Serokonversion und die Höhe der Lebertransaminasen. Eine HBe-Konversion gilt als sehr günstig. Therapieziele sind: Im Falle Positivität von HBe-Ag (Wildtyp): Verlust von HBe-Ag und Serokonversion, dauerhafte HBV-DNA-Suppression (niedrige oder nicht nachweisbare Titer) und anhaltender Therapieerfolg nach Therapiestop. Im Falle von HBe-Negativität: dauernde Suppression von HBV-DNA, wobei ein relapse bei stop der oralen Therapie häufig ist, so dass in der Regel eine orale Langzeittherapie notwendig ist.

Behandlungskriterien bei HBeAg-Positivität

Falls HBV DNA < 100’000U/ml: Keine Behandlung, Monitoring des viral loads alle 6-12 Mo-nate. Falls HBV DNA > 100’000U/ml und Transaminasen normal: Monitoring alle 3-12 Monate, Biopsie erwägen, falls Alter > 35-40a, Behandlung beginnen, falls signifikante histologische Veränderungen vorhanden (moderate bis schwere Entzündung od. signifikante Fibrose) Falls HBV DNA > 100’000U/ml und Transaminasen >2x obere Norm: Peg Interferon alpha, Adefovir oder Entecavir als first line drugs. Falls HBV DNA > 100’000U/l und Transaminasen zwischen normalen und erhöhten Werten fluktuieren: Biopsie erwägen und mit Therapie beginnen, falls histologisch signifikante Ver-änderungen bestehen (moderate bis schwere Entzündung od. signifikante Fibrose), allenfalls Langzeittherapie (abhängig von erreichter Virussuppression) Der bisherige Therapiestandard ist eine Monotherapie, wobei unter fortwährender Therapie mit Lamivudine eine zunehmende Resistenzentwicklung (Zunahme der Virämie um mind. 1 log der zuvor existierenden Viruslast) beobachtet wurde: Im 4. Jahr zeigte sich eine Resis-tenz von 70%, weshalb Lamivudine nicht mehr Therapeutikum der ersten Wahl ist. Adefovir erbrachte eine Resistenz zu 18% nach 4a und eine solche vonn 25% nach 5a. Betreffend Entecavir sind die Daten noch nicht freigegeben (wahrscheinlich kommt es unter Telbivudine im Vgl. zu Entecavir zu vermehrter Resistenzbildung). Resistenzbildungen sind assoziiert mit Progression der Erkrankung, Transaminasenerhöhung und geringerer Sekonversion. In die-sem Fall wird ein monitoring für HBV-DNA und Transaminasen während allen 3-6 Monaten empfohlen. Unter Behandlung mittels Lamivudine zeigt lediglich in 40% eine anhaltende Servoconversi-on. Adefovir zeigt eine HBe-Ag-Eliminierung während 3 Jahre von ca. 50%, über viele weite-re Endpunkte sind im Vergleich mit Lamivudine die besseren Resultate vorhanden. Entecavir zeigt bei 80% einen fehlenden Virusnachweis nach Woche 96, und auch Telbivudine ist ef-fektiver als Lamivudine. Die heutige Therapiestrategie ist die folgende: die (Mono-) Therapie wird erst dann moduliert oder erweitert, wenn bereits Resistenzen aufgetreten sind. In der Zukunft wird entweder eine „erly-add-on“- Therapie zwecks früherer HBV-Suppression resultieren oder bereits zu Beginn eine Kombinationstherapie (peg INF-alpha in Kombination mit Vireostatikum oder Lamivudin und Adefovir, Telbivudine und Lamivudine,...) eingeleitet werden. Hierunter ist zwar keine

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Verbesserung der Therapieeffizienz, jedoch eine verminderte Resistenzrate zu erwarten (z.B. bei früherer HB-Virus-Suppression Resultierung einer niedrigeren Lamivudin-Resistenz).

Hepatitis C

Darf Abacavir bei Patienten mit HCV-Therapie verwendet werden?

Eine Spanische Gruppe unter Soriano hat in einer retrospektiven Untersuchung die Interaktion von Abacavir mit einer Hepatitis-C Therapie untersucht (Abstract H-1731). Die Theorie dahinter ist, dass Abacavir und Ribavirin beide Guanosin-Analoga sind und somit intreazellulär um die Phosphorylie-rung konkurrieren. Insgesamt wurde die HCV-Therapie von 426 Koinfizierten Patien-ten untersucht. In einer univariaten Analyse waren Genotyp (1/4), HCV-Viruslast tiefer Ribavirin-Spiegel und eine HIV-Therapie mit AZT oder ABV mit einer schlechteren SVR assoziiert. Es zeigte sich dann, dass der Effekt von Abacavir nur in der Subpopulation der Personen mit tiefem Ribavirin-Spiegel nachweisbar war. Aus der retrospektiven Analyse kann man natürlich keine sichere Empfehlung ableiten. Doch der biologische Mechanismus hinter der möglichen Interaktion sollte uns vorsichtig stimmen. Werden Patienten mit HCV-behandelt (was ohnehin besser in früheren Phasen der HIV-Infektion vor der HIV-Therapie gemacht würde) so sollte bei gleichzeitiger ABV-Therapie die Ribavirin-Dosierung besonderes beachtet werden.

Welches Interferon ist das stärkste im Land

Seit sie auf dem Markt sind, stehen sie in Konkurrenz zueinander, die beiden pegylierten Lebensretter. Doch wie man es auch wenden will, auffällige Unterschiede lassen sich bei den getrennt evaluierten Substanzen bisher nicht erkennen. So wird nur eine head-to-head Studie weiter helfen. Die Spanische GESIDA-Kohorte hat einen retrospektiven Vergleich der beiden verfügbaren Peg-Interferone (IFN-2a, Pegasys®, IFN-2b Pegintron®) durch Beren-guer präsentiert (Abstract V-1897). Doch wie es halt so ist mit retrospektiven Untersuchun-gen: Es waren signifikant mehr Patienten in der IFN-2a-Gruppe mit fortgeschrittener Leber-fibrose (44% Stadium 3-4, verglichen mit 34% in IFN-2b) und die HIV-Therapie war ebenfalls unterschiedlich. Die Resultate (sustained virologic response, SVR, s. Abbildung) waren in beiden Behandlungsgruppen sehr ähnlich und sicher nicht signifikant unterschiedlich. Es dürfte wohl dabei bleiben: Wenn es Unterschiede zwischen den beiden Substanzen gibt, dann sind diese wohl bezüglich Wirksamkeit sehr gering.

Emerging Disease

Chikungunya

Erreger, Transmission und Reservoirs

Powers vom CDC fassste die Kenntnisse dieser „neuen“ Infektionskrankheit zusam-men.Beim Chikungunya-Virus / CHIKV handelt es sich um einen Alphavirus. Es sind 32 Spe-zies bekannt, und sie finden sich überall auf der Welt. So wie sie sich genetisch unterschei-den, so zeigen sie auch deutliche Unterschiede in ihrer klinischen Präsentation.

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Cases of chikungunya-fever, 1952-2006 (CDC)

Man unterscheidet einen silvatischen Lebenszyklus – dieser spielt sich zwischen der Stech-mücke Aedes aegypti und Primaten ab (nicht Menschenaffen) – und einen urbanen Zyklus, in dem der Mensch den Primaten ersetzt als Zwischenwirt.

Epidemiologie, Outbreaks

Um die urbane Erkrankung handelt es sich denn auch, wenn wir in den Nachrichten von Chikungunya hören. Seit 2004 wurde erst aus Afrika, später aus Asien von «Chikungunya-Outbreaks» berichtet. Die Feldforscher des CDC, so berichtet Ann Powers, waren 2004 vor Ort, als es zu einer ersten Häufung von Chikungunya-Erkrankungen vor der Küste von Ostafrika, auf Luma Island kam. Hochrechnungen ergaben mit 75% eine sehr hohe Attack-rate, und 86% der Erkrankten waren derart krank, dass sie für mehrere Tage das Bett nicht verliessen oder gar hospitalisiert wurden. Man kann sich vor-stellen, was dies für einen Einfluss auf das täg-lich Leben auf der Insel hatte! Die Forscher des CDC konnten aus einem grossen Teil (31%) der Süsswassertanks, die sich in jedem Haushalt finden, grosse Mengen an Larven der Aedes-aegypti-Mücke isolieren – ein wunderbarer Brutplatz! Kurz darauf, im Februar 2005, wurden die Komoren heimgesucht – man dachte hier zuerst an Dengue – und innerhalb zweier Monate wurden mehr als 200’000 Krankheitsfälle regist-riert. Nach der Ostküste von Afrika und den Komoren kamen Meldungen von den Seychel-len, von La Réunion, Mayotte, Madagaskar, Indien (>2,6 Mio Erkrankungsfälle) und Sri Lan-ka. Die Erkrankung scheint immer weitere Kreise zu ziehen, und hat dieses Jahr bereits un-seren südlichen Nachbarn Italien erreicht (197 Verdachtsfälle). Es handelte sich um einen importierten Fall aus Indien. Nicht zu vergessen: Erste Aedesmücken wurden bereits im Tessin gesichtet! Bei Chikungunya handelt es sich nicht um eine neue Erkrankung. Auch in den 60er- und 70er-Jahren war es zu Epidemien gekommen. Was zwischenzeitlich mit dem Erreger pas-sierte, wieso er vorübergehend an Virulenz eingebüsst und welches Reservoir er sich aus-gesucht hatte, wissen die Leute vom CDC (noch) nicht. Gibt oder gab es bisher unbekannte ökologische Nischen, neue Vektoren? Handelt es sich um einen neuen, virulenteren Virus-typ? Bisher sind allerdings keine spezifischen Virulenzfaktoren bekannt. Auffallend ist auch, dass sich das klinische Bild verändert hat: Nebst der klassisch grippalen Erkrankung, werden immer häufiger neurologische Symptome beobachtet und neu wurde von Todesfällen berich-tet (>200). Weitere Fragen, die sich aufdrängen: Ist eine transplazentare Transmission mög-lich? Gibt es eine Chikungunya-Erkrankung bei Neugeborenen? Was sind die Risikofaktoren, was die Voraussetzungen für einen schweren Krankheitsverlauf? Klinik, Therapie, Prophylaxe Die Betroffenen auf Lamu Island klagten über grippeartige Symptome wie Fieber, Malaise, Kopfschmerzen und Gliederschmerzen. Ausgeprägte Muskelschmerzen (80%) und Arthrala-gie mit oft schmerzhaften Schwellung der (kleinen) Gelenke unterscheiden die Kankheit von einer «normalen Grippe». Es ist noch unklar, ob die beobachtete Polyarthrits durch das Virus direkt oder aber durch einen immunologischen Effekt verursacht ist. Bisher ist die Therapie der Chikungunya symptomatisch und beihaltet vor allem Entzün-dungshemmer. In der Regel klingen die Krankheitssymptome nach einigen Tagen ab. Sie können aber auch länger anhalten und ein Chronic-fatigue-Syndrom nach sich ziehen. Ob wir Reisende in Endemiegebiete in Zukunft mit einer Impfung schützen können ist noch offen: Eine Lebendvakzine zeigte in ersten klinischen Trials offenbar eine gute Immunogeni-

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tät; geforscht wir auch an einer chimären Impfung. CDC, Chikungunya: Changing patterns of chikungunya virus: re-emergence of a zoonotic arbovirus.

Neue Wege im Impfbereich

DNA-Vaccine: Protein-Produktion in den Körper verlegt

Barney Graham: DNA vaccine Um die die Entwicklung der DNA-Vaccine war es längere Zeit recht stumm, nachdem die ersten Hoffnungen anfangs der 90-er Jahre durch das Versagen der Strategie in einer In-fluenza-DNA-Impfung 1995 gezeigt wurde. Doch das Feld ist wieder aktiv, denn in den letz-ten Jahren hat sich das Verständnis der Wirkung dieser Impfstoffe wesentlich verbessert, was die Effizienz der DNA-Vaccinierung deutlich steigerte. DNA-Impfstoffe haben den grossen Vorteil, dass sie einfach in grossen Mengen produziert werden können, dass sie kaum Nebenwirkungen verursachen, dass sie sehr flexibel sind, also auch einfach kleine Änderungen möglich sind. Im Gegensatz zu konventionellen Impf-stoffen, bei welchen wir ein Antigen in einem in-vitro Kultursystem produzieren (und dann noch aufreinigen müssen) wird die menschliche Zelle dazu benutzt, aufgrund der DNA-Vorlage das Protein zu bilden. Dies kann in jeder Muskelzelle erfolgen. Die DNA-Sequenz wird in ein Plasmid eingebaut. Plasmide sind zirkuläre doppelsträngige DNA sequenzen und arbeiten in der Zelle unabhängig von der chromosomalen DNA. Damit die DNA überhaupt abgelesen wird, baut man promotor-Sequenzen im Plasmid ein. Es wird ein CMV Promotor verwendet. Dieser leitet die Transkription von DNA zu mRNA ein. Das Plasmid gelangt in die Zelle wie ein einfaches Virus. Im Zellkern leitet der Promotor die Transkription ein, d.h. es wird messen-gaer-RNA gebildet, diese und von da an geht alles den nor-malen Weg der Zelle, die mRNA wird im Zytoplasma in Prote-in- umgeschreieben und dieses gelangt in den Körper wo es die Immunreaktion aus-löst. In den letzten Jahren wurden nun beachtli-che Fortschritte gemacht, einer da-von betrifft die Codon modification: Jede der zwanzig Aminosäuren (AS) wird durch einen Code von drei Nukleotiden definiert. Mit 4 Nukleotiden gibt dies total 43, also 64 Möglichkeiten. Also können mehrere Codes eine AS definieren. In der Regel ist immer der letzte der drei codons redundant. Nun hat man jeweils an den dritten Codons ein anderes Nukleotid verwendet, als in der ursprünglichen DNA vor-handen war, welches aber noch die gleiche AS codiert. Dadurch wird die Stabilität der DNA und die Expression der RNA verbessert. In der Folge wurde auch das industrielle „Scaling-up“ verbessert (Listner et al, Biotechnol Progress 2006), sodass die Impfung heute gut funk-tionieren sollte.

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Ein grosser Vorteil der Anwendung von DNA-Impfstoffen ist die gute Verträglichkeit. Lokale Reaktionen können am ersten, bis selten maximal 3. Tag beobachtet werden, doch systemi-sche Reaktionen sind praktisch inexistent. Ein grosses Programm betrifft die HIV-Impfung. Es wurden zunächst 4 verschiedene Plas-mide eingesetzt, eines drei verschiedene, die Gp145 machen (verschiedene HIV-Clades) und eines mit einem gag-pol-nev Protein (Studie VRC-004). Doch eine gute Antwort gegen gag und pol gab es erst, als das vierte Protein auch aufgeteilt sodass total 6 Plasmide ver-impft wurden (Abbildung oben: gute Antwort auf env, gag und pol aus Catanzaro et al, Vac-cine 2007). Mit diesem neuen Impfstoff konnte in ein ver Phase 1 Studie eine recht gute zellulaläre Immunantwort gegen alle Proteine erreicht werden. Ein weiterer wichtiger Schritt war dann die Anwendung des Prime-boost Prinzipes. Graham konnte überzeugend zeigen, dass die DNA-Impfung primär die CD4-Antwort stimuliert. Wenn später mit einem anderen Impfstoff geboostet wird (in diesem Fall ein Adeno-Vektor), so ent-stehen sowohl hohe Antikörper-Titer (bis 10‘000x höher) als auch eine gute (4-7-fach erhöh-te) CD8 Immunantwort. Beides ist nicht der Fall, wenn die beiden Modalitäten einzeln verab-reicht werden. Es scheint also, dass die DNA-Vaccine die notwenige Hilfe der CD4-Zellen vorbereitet, damit später die weitere CD8-Cytotoxische Antwort und die Antikörper produziert werden. Graham zeigte dann auch Resultate mit weiteren Programmen: Ebola, West-Nile-Virus und Sars und H5N1. Das beeindruckende ist das Tempo, mit welchem solche Impfstoffe nun produziert werden können. Bei Sars ging es noch 18, bei H5N1 11 Monate von der Se-quenzanalyse des Erregers bis zum Start einer Phase I Studie, inkl. FDA-approval etc. Zuletzt dann noch eine beeindruckende tech-nische Verbesserung: Mit der sog. Gene-Gun (s. Abbildung) werden die Plasmide mit Druck unter die Haut in den Muskel gespritzt. Be-eindruckend ist, dass diese Produkte im Muskel sehr viel mehr verteilt werden. Gra-ham zeigte eindrücklich, dass die Immunant-wort mit dieser Gabe um ein Vielfaches verbessert werden kann (im Gegensatz zur Injektion, wo ein Flüssigkeitsdepot an einer Stelle deponiert wird..

Impfung auf natürlichem Weg: Orale und Nasale Impfstoffgabe

Carol Tacket hat über die Mukosalen Impfstoffe gesprochen. Dabei hat sie über vier Pro-gramme berichtet: i) orale Impfung gegen Typhus, ii) Shigella Impfung, iii) Norovirus und iv) zuletzt noch über Impfstoffe durch Nahrungsmittel. Leider hatte sie zu allen Methoden kaum Ergebnisse zeigen können, da die entsprechenden Studien (Typhus und Shigella) noch unterwegs sind. Beim Typhus gibt es bisher einen pa-renteralen Impfstoff gegen das Vi-Toxin. Doch dieses wird durch den oralen Impfstoff nicht stimuliert. Das Protein ist beim Typhus im Blut und Darm nachzuweisen, nicht aber in Makrophagen. Vermutlich entzieht es sich dadurch der Immun-Kontrolle. Nun ist es gelun-gen, das Protein so abzuändern, dass es oral verabreicht werden kann und auch von Makrophage erkannt wird. Doch leider entstehen nur cytotoxische Zellen, keine Antikörper. Zur Zeit werden nun Versuche mit einem Prime-Boost Konzept gemacht, in der Hoffnung, dass nun damit doch eine gute humorale Immunantwort erreicht werden kann. Interessant ist die Kombination von Shigella mit ETEC (enterotox. E. coli). Dies wäre sicher auch für Reisende eine sinnvolle Impfung. Hier gelang es, bei guter Verträglichkeit in einen Shigella-Impfstoff (S. flexneri) auch noch zwei Proteine von ETEC zu integrieren. Im Tierver-

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such war der Impfstoff gut wirksam, die Phase I Studie läuft. Später werden noch andere Shigella-Stämme dazu kommen. Ein besonderer Challenge ist auch die Norovirus-Impfung. Auch hier laufen noch Phase I studien, wobei neu auch noch eine nasale Applikationsform mit einem Spray erprobt wird. Das problem sind starke nasale Reizungen. Es scheint, dass diese allein vom Adjuvans her-rühren. Im Moment ist eine Immunität bei knapp der Hälfte der Geimpften zu finden. Ein ganz interessanter weitere Aspekt ist die Einführung von Impfstoffen durch Nahrungsmit-tel. Anstatt wie bei der DNA-Vaccine die Produktion in die Zelle zu verlegen, wird die Protein-Produktion in der Pflanzenzelle gemacht. Tatsächlich ist dieses Konzept möglich und unter allen Impfstoffproduktionen die billigste (0.1 US$ pro Gramm Impfprotein). Es ist erstaunlich, dass wir gegen die Pflanzlichen Proteine keine Immunantwort machen und gegen die darin versteckten transgenen Proteine tatsächlich mit einer z.T. guten Immunantwort reagieren. Erfolgreich erprobt wurden Kartoffeln und Korn, wobei der Genuss von rohen Kartoffeln kaum je auf Begeisterung stossen wird. Das Kornpulver kann einfach mit Wasser oder Jo-ghurt eingenommen werden und die Wirksamkeit der erprobten Impfungen (Norovirus und ETAC) ist kurzfristig belegt. Die Sorge bei den pflanzlichen Impfstoffen ist die Gefahr, dass die Plasmide auf normale Lebensmittel übertragbar sein könnten. Dieses Problem muss noch gelöst werden.

Managementfragen

Diagnostik von Bakteriellen Infektionen

Kaloriemetrie: Die neue Methode aus Basel

Andrej Trampuz hat in einem Poster die Resultate seiner neu entwickelten kalorimetrischen Methode zur Detektion von Bakterien vorgestellt (Abstract D:1596). Die Methode ist denkbar, wenn man mal ein präzises Gerät hat, welches Temperaturschwankungen verlässlich mes-sen kann. Mikroorganismen verbrauchen wie wir Menschen auch, Energie wenn sie sich vermehren. Diese Energie kann gemessen werden. Faszinierend ist, dass für die Diagnose einer Bakteriämie schon ein einziger Milliliter genügt, wärend in konventionellen Blutkultu-ren 10-15ml verwendet werden. Dass die Methode mindestens im Prinzip funktioniert, hat Trampuz in spiking Versuchen gezeigt. Blut von Gesunden wurde mit kleinen Mengen von Mikroorganismen (103-105 cfu/ml) versetzt und dann im Blutkultur-Automaten oder mittels Kalorimetrie gemessen. Auch wenn die kalorimetrische Methode nur einen Zehntel der Blut-/Keimmenge benötigte, war sie in praktisch allen Fällen (Ausnahme: S. epi) doppelt so rasch positiv wie die konventionelle Kultur. Die Methode funktioniert auch für Candida. Natürlich muss anschliessend wie bei der Kultur die Differenzierung erfolgen, doch die Vorteile Zeit und Menge machen die Methode ideal für die Sepsis-Diagnose.

Legionellen-Schnelltest: Initialtherapie der Pneumonie vereinfachen?

Bei Patienten mit community-acquired Pneumonia setzen wir bei hospitalisationsbedürftiger Pneumonie immer noch ein Legionellenmittel ein, bis die Diagnostik des Legionellen-Antigens im Urin abgeschlossen ist. Ein Legionellen-Schnelltest könnte auch diese initiale Doppeltherapie noch verkürzen. Eine Arbeit (D-1590) hat zwei verfügbare Legionellen-AG-Schnelltests bei Patienten mit gesicherter Legionellen-Pneumonie untersucht (Kontrollgrup-pe: IPS-Patienten mit Pneumonie, keine Legionellose). Beide Urintests (UniGoldTM [Trinity Biotech] und Binax Now Legionella) zeigten im normalen Urin eine Sensitivität von ca. 65% doch durch Anreicherung durch Zentrifugation liess sich die Sensitivität mit beiden Methoden auf über 95% anheben. Die Durchführung des Tests dauert nur 15 Minuten, die Anreiche-rung kann mit einer kleinen Tisch-Zentrifuge erfolgen.

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Antibiotische Therapie – wie man’s richtig macht

Kann man Drogensüchtige Menschen mit Infektionen im Spital behandeln?

Ja, zeigen unsere Basler Kollegen in einer gründlich durchgeführten retrospektiven Analyse der letzten 6 Jahre (Abstract L-491). Das Basler Team hat unter allen in den letzten 6 Jahren hospitalisierten intravenös drogensüchtigen Patienten (IVDU) 344 Episoden identifiziert, bei welchen der Infektiologische Konsiliardienst wegen einer Infektionskrankheit zugezogen wurde. Gut ein Drittel betraf Haut- und Weichteilinfekte, 15% Endokarditiden und bei 38% war Staph. aureus im Spiel. Die Erfahrungen sind deutlich besser, als man vielleicht anneh-men würde. Knapp 4 von 5 Patienten (79%) konnten gemäss Guidelines behandelt werden. Dies war mit einer tiefen Rezidivrate assoziiert (2.6%). Doppelt so hoch war die Rezidivrate bei den 11% Patienten, bei welchen die infektiologische Behandlung mit einer alternative (z.B. orale Therapie) durchgeführt werden musste und bei den restlichen 10% konnte keine genügende Behandlung abgeschlossen werden, mit einer Rezidivrate von gut 11%. Die Arbeit zeigt, dass Drogensüchtige – wird es richtige gemacht - besser zu behandeln sind, als dies üblicherweise angenommen wird.

Antibiotische Therapie bei akuter Exacerbation einer COPD

Die Frage, ob man eine akute Exacerbation einer COPD antibiotisch behandeln soll, ist ein Dauerbrenner. Es gibt Evidenz für eine Behandlung (insbesondere bei neu aufgetretenen Keimen), doch die Dauer der Behandlung ist immer noch eine Frage. Autoren aus Amster-dam (Moussaoui et al.) haben eine Metaanalyse von 21 Studien verfasst (Abstract L-484), in der Studien welche 5 Tage und kürzer behandelten (ohne Azithromycin) ebenso gut ab-schlossen wie Studien mit längerer Therapiedauer. Der primäre Studienendpunkt war klini-sches Ansprechen innerhalb 25 Tage.

Last but not least: Chronic fatigue Nach einem anstrengenden Kongress wird man müde, das Verfasssen des Berichts fügt das seinige dazu. Fast hätten wir vergessen, über eine kleine aber feine Session zur Chronic fatigue zu berichten. Das chronische Müdikgkeitssyndrom (CFS) ist eine Krankheit, mit der sich jeder Infektiologe schon auseinandersetzen musste (vgl. unseren Bericht: Chronic fatigue syndrome - Und es exisitiert doch!). Natürlich gibt es zahlreiche Zustände mit chronischer Müdigkeit. Doch es wird immer deutlicher, dass es sol-che gibt, welche eindeutig nach ei-ner Infektionskrankheit auftreten. Jos van der Meer aus Nijmegen, NL gab eine ausgezeichnete Übersicht über 20 Jahre Erfahrung mit CFS. Die Quintessenz ist einfach zusam-mengefasst: Es scheint nicht eine einzige Infektion zu geben, die zum CFS führt. Es gibt offenbar auslö-sende Faktoren, das kann eine Infektionskrankheit (meist viral) sein. Doch dann braucht es Faktoren, welche das Syndrom unterhalten. Das typische ist auch, dass in dieser „Erhal-tungsphase“ keine Krankheitserreger nachgewiesen werden können. Und alle Studien mit medikamentösen Therapien haben bisher versagt. Es scheinen nach dem somatischen Aus-löser (Infektion) psychosoziale Faktoren dafür verantwortlich zu sein, dass ein „sense of control“ der initialen Müdigkeit nicht mehr gelingt. Tatsächlich finden sich im CFS immer nur subjektive Symptome doch es kommt zu einer gestörten Wahrnehmung der Symptome. Die-se werden bei den betroffenen Personen als schwerer erlebt. Diese Unterschiede konnten auch im Neurimaging mittels MRI nachgewiesen werden.

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Das Einzige, was in diesen Situationen weiter hilft, sind verhaltenstherapeutische Massnah-men. Kürzlich hat die Gruppe von Van der Meer im Mausmodell untersucht, wie es zum Ge-fühlt der Müdigkeit kommt. Aufgrund von MRI-Daten haben die Autoren schon angenommen, dass es biochemische Unterschiede beim Erlebnis der Müdigkeit geben muss. Sie haben nun postuliert, dass TNF-alfa für diese Information im Gehirn verantwortlich ist. Das Team konnte nun mit knock-out Mäusen zeigen, dass dies tatsächlich der Fall ist (Netea, Eur J Clin Invest, 2007, s. Abbildung). Die Mäuse werden auf ein Laufrad gesetzt, und laufen, so lange wie sie mögen. Die Mäuse, welche weder TNF-alfa noch Lymphotoxin-alfa hatten, konnten viel weiter laufen (10km!!). Es zeigt sich, dass TNF-Alfa für das subjektive Erleben der Er-müdung eine Rolle spielt. Weitere Arbeiten werden nun zeigen, ob dieser Weg auch beim CFS eine wichtige Rolle spielt. Falls dieser Bericht einem Marathonläufer in die Finger kommt, möchte jedoch ich ausdrücklich vor der Einnahme von TNF-Antikörpern abraten…..