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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie - 30 - 3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie 3.1 Ursprung der magnetischen Dipolmomente von Atomkernen Damit ein Atomkern einen Drehimpuls (Spin) besitzen kann, müssen die Nukleonen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Protonen und Neutronen besitzen einen Drehimpuls I 1 . Im Kern bilden Protonen mit entgegengesetztem Spin "Paare" und auch Neutronen entgegengesetzten Spins fügen sich wenn möglich zu "Neutronenpaaren" zusammen. Daraus folgt, dass in einem Atomkern mit einer geraden Anzahl von Protonen und Neutronen alle Nukleonen gepaart sind und daher kein Gesamtkernspin resultiert. Diese Verhältnisse führen zu einer Drehimpulsquantenzahl I mit dem Wert null. Derartige Kerne besitzen eine gerade Ordnungs- und Kernladungszahl (gg- Kerne). Kerne mit ungerader Ordnungs- oder Kernladungszahl oder Kerne mit ungerader Ordnungs- und ungerader Kernladungszahl weisen ungepaarte Nukleonen-Spins auf und haben somit einen Drehimpuls. Man bezeichnet sie als ug-, gu- oder uu- Kerne 2,3 . Die Bewegung einer elektrischen Ladung in einem geschlossenen Kreis verursacht, nach den Gesetzen der klassischen Physik, ein magnetisches Dipolmoment m . Das magnetische Dipolmoment der Kerne kann mit externen und internen lokalen Magnetfeldern in Wechselwirkung treten. Diese Tatsache bildet letztendlich die Grundlage für die Anwendung der kernmagnetischen Resonanz als analytische Messmethode. 3.2 Spinwechselwirkungen im Festkörper Die Interaktion mit einem externen statischen Magnetfeld ( B 0 -Feld) wird Zeeman- Wechselwirkung genannt. Zu den internen Wechselwirkungen zählen die dipolare Kopplung der Spins untereinander und die chemische Verschiebung, welche sich aus der elektronischen Umgebung der Spins ergibt. Bei Kernen mit einer Drehimpulsquantenzahl I > ½ beobachtet man eine quadrupolare Wechselwirkung, die ihren Ursprung in der “nicht sphärischen” Ladungsverteilung im Atomkern hat. Dabei kommt es zu einer Kopplung des Kernquadrupolmomentes mit elektrischen Feldgradienten in der elektronischen Umgebung. Da in der vorliegenden Arbeit keine Kerne mit Quadrupolmoment untersucht werden, soll auf diese Wechselwirkung nicht näher eingegangen werden. Auch die J-Kopplung, bei der die Wechselwirkungen der Kerne durch Bindungselektronen übertragen werden, sei hier nur am Rande erwähnt. Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Stärke spielt sie in der Festkörper-NMR-Spektroskopie nur eine untergeordnete Rolle. Während die dipolare Kopplung und die Anisotropie in der chemischen Verschiebung in kHz- Bereichen liegen,

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 30 -

3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

3.1 Ursprung der magnetischen Dipolmomente von Atomkernen

Damit ein Atomkern einen Drehimpuls (Spin) besitzen kann, müssen die Nukleonen bestimmte

Voraussetzungen erfüllen. Protonen und Neutronen besitzen einen Drehimpuls I1. Im Kern bilden

Protonen mit entgegengesetztem Spin "Paare" und auch Neutronen entgegengesetzten Spins fügen

sich wenn möglich zu "Neutronenpaaren" zusammen. Daraus folgt, dass in einem Atomkern mit einer

geraden Anzahl von Protonen und Neutronen alle Nukleonen gepaart sind und daher kein

Gesamtkernspin resultiert. Diese Verhältnisse führen zu einer Drehimpulsquantenzahl I mit dem Wert

null. Derartige Kerne besitzen eine gerade Ordnungs- und Kernladungszahl (gg- Kerne). Kerne mit

ungerader Ordnungs- oder Kernladungszahl oder Kerne mit ungerader Ordnungs- und ungerader

Kernladungszahl weisen ungepaarte Nukleonen-Spins auf und haben somit einen Drehimpuls. Man

bezeichnet sie als ug-, gu- oder uu- Kerne2,3. Die Bewegung einer elektrischen Ladung in einem

geschlossenen Kreis verursacht, nach den Gesetzen der klassischen Physik, ein magnetisches

Dipolmoment µµ .

Das magnetische Dipolmoment der Kerne kann mit externen und internen lokalen Magnetfeldern in

Wechselwirkung treten. Diese Tatsache bildet letztendlich die Grundlage für die Anwendung der

kernmagnetischen Resonanz als analytische Messmethode.

3.2 Spinwechselwirkungen im Festkörper

Die Interaktion mit einem externen statischen Magnetfeld (B0-Feld) wird Zeeman- Wechselwirkung

genannt.

Zu den internen Wechselwirkungen zählen die dipolare Kopplung der Spins untereinander und die

chemische Verschiebung, welche sich aus der elektronischen Umgebung der Spins ergibt.

Bei Kernen mit einer Drehimpulsquantenzahl I > ½ beobachtet man eine quadrupolare

Wechselwirkung, die ihren Ursprung in der “nicht sphärischen” Ladungsverteilung im Atomkern hat.

Dabei kommt es zu einer Kopplung des Kernquadrupolmomentes mit elektrischen Feldgradienten in

der elektronischen Umgebung. Da in der vorliegenden Arbeit keine Kerne mit Quadrupolmoment

untersucht werden, soll auf diese Wechselwirkung nicht näher eingegangen werden.

Auch die J-Kopplung, bei der die Wechselwirkungen der Kerne durch Bindungselektronen

übertragen werden, sei hier nur am Rande erwähnt. Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Stärke

spielt sie in der Festkörper-NMR-Spektroskopie nur eine untergeordnete Rolle. Während die

dipolare Kopplung und die Anisotropie in der chemischen Verschiebung in kHz- Bereichen liegen,

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 31 -

findet man bei der J-Kopplung Wechselwirkungen in Bereichen von weniger als hundert Hz. Damit

wird sie von den stärkeren Wechselwirkungen überlagert und ist in der Festkörper-NMR-

Spektroskopie nicht sichtbar. Die J-Kopplung ist allerdings in der Flüssigkeits-NMR-Spektroskopie

von großer analytischer Bedeutung.

Die folgende Tabelle fasst die oben aufgeführten Wechselwirkungen und deren Linienbreiten

zusammen4:

Wechselwirkung (WW) Verursacher Linienbreite [Hz]

Zeeman-WW externes Magnetfeld B0 106 bis 109

dipolare Kopplung andere Kernspins (WW über den Raum) 0 bis 105

chemische Verschiebung Magnetfelder, induziert durch Elektronen 0 bis 105

quadrupolare Kopplung elektrisches Quadrupolmoment 0 bis 109

J-Kopplung andere Kernspins (WW über Bindungen) 0 bis 104

Wechselwirkungen der Spins mit äußeren und inneren Magnetfeldern lassen sich quantenmechanisch

über Hamilton-Operatoren beschreiben. Diese besitzen folgende allgemeine Form5,6,7:

$ $H C Ti i i= I K (3.1)

Dabei ist Ci eine charakteristische Konstante für die Wechselwirkung i und $I ein Vektor-operator.

K ist entweder ein weiterer Vektoroperator oder der Magnetfeldvektor eines externen

Magnetfeldes. Der zweistufige Tensor Ti beschreibt die Orientierungsabhängigkeit der

Wechselwirkungen beider vektorieller Größen untereinander und wird mathematisch mit einer 3x3

Matrix ausgedrückt.

Mit dieser allgemeinen Formel lassen sich die bereits oben diskutierten Wechselwirkungen

quantenmechanisch beschreiben.

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3.2.1 Zeeman-Wechselwirkung

Die Wechselwirkung der magnetischen Momente der Kernspins mit dem externen, statischen

Magnetfeld B0 bezeichnet man als Zeeman-Wechselwirkung. Der entsprechende Hamilton-

Operator $H z lautet gemäß der Gleichung 3.1:

( )$ $ $ $H I I I

Bz I x y z= −

γ h

1 0 0

0 1 0

0 0 1

0

0

0

(3.2)

Die Größe γ I ist das für den Kernspin charakteristische gyromagnetische Verhältnis und h das durch

2π dividierte Plancksche Wirkungsquantum. Der Wechselwirkungstensor ist in diesem Fall die

Einheitsmatrix . Das Laborkoordinatensystem (Laboratory Frame = LF) ist so definiert, dass B0

entlang der z-Achse eines kartesischen Koordinatensystems liegt. Durch Ausmultiplizieren erhält

man:

$ $H B Iz I z= −hγ 0 (3.3)

Dabei ist der Ausdruck − γ IB0 gleich der Winkelgeschwindigkeit ω0 der um das B0 -Feld

präzidierenden Kernspins. Die sogenannte Larmor-Frequenz ν0 ist die durch 2π dividierte

Winkelgeschwindigkeit ω0. Die Larmor-Frequenz hat die Einheit s-1.

Durch Lösung der Eigenwertgleichungen unter Anwendung des Zeeman-Operators auf die Spin-

Funktionen I m, erhält man die Eigenwerte, die Energien des Spin-Systems im statischen

Magnetfeld.

$ , $ ,H I m B I I mz I z= −hγ 0 (3.4)

= −hγ IB m I m0 ,

Die Quantenzahl m, auch Magnetquantenzahl genannt, kann nur bestimmte diskrete Werte bei

vorgegebener Drehimpulsquantenzahl I annehmen, nämlich m I I I= − − +, ,...1 . Allgemein sind

2 1I + Energieniveaus möglich. Für Kerne mit I = ½ und einem positiven Vorzeichen für γ I werden

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- 33 -

zwei Energieniveaus E Bz I= ± =12 0

12 0h m hγ ω berechnet. Das höhere Energieniveau wird mit der

Spinfunktion 12

12,− = β , das niedrigere mit der Spinfunktion 1

21

2, = α erhalten.

Gleichzeitig sieht man, dass die Zeeman-Aufspaltung proportional zu der angelegten

Magnetfeldstärke ist. Ohne das statische Magnetfeld findet keine Aufspaltung statt. In diesem Fall

sind die beiden Spinzustände entartet (s. Abb. 3.1).

Zwischen den Energieniveaus können Übergänge ( α β↔ ) durch Radiofrequenzfelder (B1-

Felder) mit der Larmor- oder Resonanz-Frequenz induziert werden, die aus einer Richtung senkrecht

zu B0 wirken. Außerdem gilt die Auswahlregel ∆m = ±1, die sich letztendlich aus dem

Drehimpulserhaltungssatz ergibt8.

Die Verteilung der Spins über die einzelnen Energieniveaus wird durch das Boltzmann-Gesetz

beschrieben:

ω−=

α

β

kTexp

N

N0h

(3.5)

Nα und Nβ sind die Besetzungszahlen der beiden in Abbildung 3.1 gezeigten Energieniveaus. Dabei

ist ω0 die Winkelgeschwindigkeit, k die Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur.

Für eine Resonanzfrequenz von ω0/2π = ν0 = 400 MHz und bei einer Temperatur von 298K

berechnet man für den Quotienten Nβ/Nα einen Wert von 0.9999356. Damit wird deutlich, dass die

β

α

B0 0= B0 0>

∆E = hω 0

Abb. 3.1: Zeeman-Aufspaltung für einen Kernspin mitI = ½ und einem positiven gyromagnetischen Verhältnis.

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- 34 -

kernmagnetische Resonanzspektroskopie, im Vergleich zu anderen analytischen Methoden, sehr

unempfindlich ist.

Die Abbildung 3.2 soll die oben diskutierten Ergebnisse zusammenfassen.

β

α

B 0

M

µµ

ω 0

Abb. 3.2: Die Summe der magnetischen Momente µµder Spins ergibt den Gesamtmagetisierungsvektor M, derim thermischen Gleichgewicht parallel zu B0 steht. Dieeinzelnen Kernspins rotieren mit derWinkelgeschwindigkeit ω0 um das statische Magnetfeld.

In der Vektordarstellung präzidieren die einzelnen Kernspins µµ mit der Winkelgeschwindigkeit ω0 um

das B0-Feld. Die Spinorientierung parallel zu B0 ( α ) liegt energetisch niedriger als die antiparallele

( β ). Dadurch kommt es, gemäß der Boltzmann-Verteilung, zu einem Populationsüberschuss der

α -Spins, der zu einer makroskopischen Gesamtmagnetisierung M parallel zu B0 führt.

Die Auswirkungen der bereits erwähnten Radiofrequenzfelder (B1-Felder) lassen sich anschaulicher

in einem rotierenden Koordinatensystem x´, y´ und z´ beschreiben9.

Für die zeitliche Änderung des Magnetisierungsvektors M im rotierenden Koordinatensystem gilt:

d

dt roteff

MM B

= ×γ (3.6)

ΒΒ ΒΒωω

effrot= +0 γ

(3.7)

Der Ausdruck ωω rot/γ beschreibt ein fiktives Magnetfeld Bfik, das durch die Rotation des

Koordinatensystems um die z´-Achse mit der Winkelgeschwindigkeit ωrot generiert wird. Es ist dem

statischen Magnetfeld B0 entgegengerichtet (Abb. 3.3). Für den Fall, dass ωrot = ω0

(Resonanzbedingung) wird das statische Magnetfeld vollständig durch das fiktive Magnetfeld

kompensiert. Die einzelnen Kernspins µµ in der Abbildung 3.2 sind unter diesen Bedingungen ortsfest.

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Beim Einstrahlen einer elektromagnetischen Welle (mit oszillierendem B1-Feldvektor) wird das B1-

Feld das einzige effektiv wirkende Magnetfeld. Das B1- Feld ist bei der Erfüllung der

Resonanzbedingungen statisch. Unter dem Einfluss von B1 präzidiert der Magnetisierungsvektor M

nun um die Richtung des B1-Feldes (z.B. entlang der x´-Achse). Die dazugehörige

Winkelgeschwindigkeit beträgt ω1 = -γB1. Die Einstrahldauer des B1-Feldes bestimmt, wie weit der

Magnetisierungsvektor M gedreht wird. Der Winkel θ beträgt in Abhängigkeit von der

Einstrahldauer tP:

θ γ= B tP1 (3.8)

θ

ω 0

′x

′y

′z

B1

B0

M

Bfik

Abb. 3.3: Verhalten des Magnetisierungsvektors M imrotierenden Koordinatensystems unter Einstrah-lungeines oszillierenden B1-Feldes bei Erfüllung derResonanzbedingung.

Eine Drehung der Magnetisierungsvektors M z. B. auf die y´-Achse wird durch einen sogenannten

90°-Puls verursacht. Das heißt, dass nun keine Magnetisierung mehr in z´-Richtung gefunden wird.

3.2.2 Chemische Verschiebung

Die Wechselwirkungen des B0-Feldes mit den Elektronen, die einen Kernspin umgeben, induzieren

lokale Magnetfelder. Diese Magnetfelder ergeben sich aus der Tatsache, dass Elektronen in einem

Magnetfeld Bewegungszustände einnehmen, die ihrerseits ein Magnetfeld erzeugen. Je nach der

Symmetrie des Moleküls können nun die Kernspins Orte im Molekül einnehmen, an denen ein

verstärktes oder abgeschwächtes effektives Magnetfeld Beff wirkt. Das bedeutet, dass durch die

elektronische Umgebung in einem Molekül die Resonanzfrequenzen im Vergleich zum “ nackten”

Kernspin verschoben werden. Durch die chemische Verschiebung werden demnach die

Energieniveaus in der Abbildung 3.1 modifiziert.

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Der Hamilton-Operator für die chemische Verschiebung lautet:

$Hcs I= hγ σI B0 (3.9)

Die Wechselwirkung der chemischen Verschiebung ist anisotrop. Diese Anisotropie wird durch den

Tensor σ beschrieben. Die Anisotropie tritt auf, wenn die Elektronenverteilung in einem Molekül

nicht kugelsymmetrisch ist. Damit wird die Resonanzfrequenz eines Kernspins abhängig von der

räumlichen Lage der Moleküle bezüglich B0.

Im Laborkoordinatensystem (LF) lautet der Hamilton-Operator in ausführlicher Form:

( )$ $ $ $H I I I

Bcs I x y z

xx xy xz

yx yy yz

zx zy zz

LF

=

hγσ σ σσ σ σσ σ σ

0

0

0

= + +hγ σ σ σI x xzLF

y yzLF

z zzLFI I I( $ $ $ )B0 (3.10)

Die chemische Verschiebung liefert im Vergleich zur Zeeman-Aufspaltung nur einen sehr kleinen

Betrag zur Gesamtenergie. Bei solchen Verhältnissen ist es in der Quantenmechanik üblich,

Störungsrechnungen durchzuführen10. Bei der Störungsrechnung erster Ordnung findet man, dass nur

diejenigen Ausdrücke aus $HCS die Zeeman-Energien verändern, die mit $Hz kommutieren5.

Dadurch wird die Gleichung (3.10) vereinfacht und der Operator für die Störenergien lautet:

$ $H I Bcs I z zzLF= hγ σ 0 (3.11)

Aus der Kombination der Gleichungen 3.3 und 3.11 erhält man folgenden Ausdruck

$ $ $ ( )H H I Bz cs I z zzLF+ = − −hγ σ1 0

= −hγ I z effI B$ (3.12)

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- 37 -

Durch eine Ähnlichkeitstransformation11 kann der “Chemical Shift” Tensor aus Gleichung 3.10

diagonalisiert werden. Damit wird der Abschirmungstensor aus dem Laborkoordinatensystem (LF)

in das sogenannte “Principal Axes System”(PAS) überführt.

σ σ σσ σ σσ σ σ

xx xy xz

yx yy yz

zx zy zz

LF

σσ

σ

11

22

33

0 0

0 0

0 0

PAS

Das PAS ist für jeden Kern mit seiner speziellen elektronischen Umgebung und seiner Lage im

Molekül charakteristisch. Definitionsgemäß gilt: σ σ σ11 22 33PAS PAS PAS≤ ≤ . Somit ist σ11

PAS das am

wenigsten abgeschirmte Tensorelement mit der höchsten Resonanzfrequenz und σ33PAS das am

stärksten abgeschirmte Tensorelement mit der geringsten Resonanzfrequenz12.

Im PAS fallen die Elemente des Abschirmungstensors mit den Koordinatenachsen zusammen und B0

liegt nicht notwendigerweise in der Richtung der zPAS-Achse. Diese Zusammenhänge lassen sich

geometrisch anhand eines Ellipsoids verdeutlichen (s. Abbildung 3.4):

zPAS

xPAS

yPAS

ϕ

θ

B0

r

( ) 2/1PAS11

−σ

( ) 2/1PAS22

−σ

( ) 2/1PAS33

−σ

Abb. 3.4: Ellipsoid als Modell für einen chemischen Abschirmungstensor.Die Längen der Halbachsen sind definiert durch: (σ11

PAS )-1/2, (σ 22PAS )-1/2 und (σ 33

PAS )-1/2. Die Orientierung bezüglich

des externen Magnetfeldes B0 ist durch die Winkel θ und ϕ festgelegt.

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- 38 -

Die Längen der Halbachsen des Ellipsoids sind mit ( )σ11

1 2PAS − /, ( )σ22

1 2PAS − /und ( )σ33

1 2PAS − /gegeben.

Bei einer Orientierungsänderung des Moleküls verschiebt sich die Lage der anisotropen

Elektronenverteilung in Bezug auf B0. Im Ellipsoid würde dies einer Längenänderung des Vektors r

entsprechen, der parallel zu B0 orientiert ist und vom Ursprung des Koordinatensystems bis zur

Mantelfläche des Ellipsoids reicht. Der für die beobachtete chemische Verschiebung maßgebliche

Beitrag δzz ergibt sich aus der Länge r mit der Gleichung δzz = r-2. In einer pulverförmigen Probe sind

sämtliche Orientierungen der Moleküle vorhanden und deshalb die Resonanzfrequenzen aller

möglichen Orientierungen in einem Spektrum sichtbar13.

Die Frequenz der chemischen Verschiebung CSν berechnet sich in Abhängigkeit von den

Polarwinkeln θ und ϕ nach folgender Gleichung14:

[ ]PAS33

2PAS22

22PAS11

220ICS )(cos)sin(sin)cos(sin

2B σθ+σϕθ+σϕθπ

γ=ν (3.13)

Unter Berücksichtigung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung5,6 der molekularen Orientierungen erhält

man die in den Abbildungen 3.5 und 3.6 gezeigten Pulverspektren:

σ11PAS

σ22PAS

σ33PAS

σ iso

ν

Abb. 3.5: Schematische Darstellung einesPulverspektrums für einen allgemeinen Tensor4.

σ σ11 22PAS PAS=

σ33PAS

ν

Abb. 3.6: Schematische Darstellung einesPulverspektrums für einen axialsymmetrischenTensor mit zwei identischen Hauptachsen-werten4.

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- 39 -

Die Abbildung 3.6 zeigt einen Spezialfall. Es ist das Pulverspektrum eines Kerns dargestellt, der von

einer Elektronenverteilung umgeben ist, die durch einen axialsymmetrischen Tensor repräsentiert

wird. Hier ist σ σ11 22PAS PAS= , was geometrisch einem Rotationsellipsoid entspricht. Diese Verhältnisse

treten beispielsweise dann auf, wenn die Shiftanisotropie teilweise durch einen bestimmten

Bewegungsmodus im Molekül herausgemittelt wird. Anschaulich würde das einer, in der NMR-

Zeitskala schnellen, Rotation um die zPAS-Achse in der Abbildung 3.4 entsprechen.

In Lösungen geringer Viskosität sind die Moleküle schnellen willkürlichen Bewegungen (tumbling)

unterworfen, so dass in der NMR-Zeitskala eine sphärische Elektronendichteverteilung ensteht.

Detektiert wird demnach der isotrope Mittelwert σ iso der Anisotropie in der chemischen

Verschiebung.

Aus den drei Hauptachsenwerten des PAS folgt:

σ σ σ σisoPAS PAS PAS= + +1

3 11 22 33( ) (3.14)

Diese Verhältnisse führen zu schmalen Absorptionsbanden.

Definiert wird die chemische Verschiebung δ als feldunabhängiger Relativwert, der bezogen auf eine

Standardsubstanz, meist TMS (Tetramethylsilan), in ppm (parts per million) angegeben wird.

δν ν

ν=

−0 610ref

ref

(3.15)

mit

νref : Resonanzfrequenz der Standardsubstanz

ν0 : Resonanzfrequenz des entsprechenden Kerns

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- 40 -

3.2.3 Dipolare Kopplung

Die dipolare Kopplung bezieht sich auf die gegenseitige Wechselwirkung der Kernspins über den

Raum. Sie ist die dominierende linienverbreiternde Wechselwirkung im Festkörper für Atomkerne

mit I = ½. Dabei beinflussen die Magnetfelder der Nachbarspins das lokale Magnetfeld eines

betrachteten Spins und damit seine Resonanzfrequenz. Die Größe der dipolaren Kopplung ist

abhängig vom Abstand beider Spins und der Richtung des Abstandsvektors zwischen den Spins

bezüglich des statischen Magnetfeldes (s. Abb. 3.7)10,15.

B0

θ

rIS

µµ ZS

B ZI

µµ ZI

Abb. 3.7: Dipolare Kopplung zwischen denbeiden Spins I und S. Die z-Komponente BZI

des magnetischen Moments des Kernspins Iverändert das lokale Magnetfeld amKernspin S. Die Stärke dieser Kopplung istabhängig von rIS und θ16.

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- 41 -

Der Hamilton-Operator für die dipolare Kopplung lautet:

$ $ $ ( $ )( $ )1 2

2 12 1 12Hr rD = −

µ γ γπ

0 1 22

123

1224

3h

I II r I r

(3.16)

µ0 ist die Permeabilität des Vakuums und γ1 bzw. γ2 sind die gyromagnetischen Verhältnisse der

entsprechenden Kernspins. Im Ausdruck vor dem Operatorterm ist die Kopplungskonstante νD

enthalten:

ππγγµ

=ν2r4 3

12

210D

h(3.17)

Durch Ausmultiplizieren der Vektoroperatoren in der Gleichung 3.16 kann man $HD in eine Form

bringen, die jener in der Gleichung 3.1 entspricht.

$ $ $Hr

DD =µ γ γ

π0 1 2

2

123 1 24

hI I (3.18)

D ist der Tensor der dipolaren Kopplung. Er spiegelt die Richtungsabhängigkeit dieser

Wechselwirkung wider. In seiner diagonalisierten Form, d.h. im PAS des dipolaren

Wechselwirkungstensors, ist er spurlos. Der isotrope Mittelwert ist null. Deshalb sind in Flüssigkeiten

die Auswirkungen der dipolaren Kopplung im Spektrum nicht sichtbar.

Es ist üblich, die Gleichung 3.18 in Polarkoordinaten (r, θ, ϕ) auszudrücken und die

Operatorelemente $Ix und $Iy durch die spin-up- und spin-down-Operatoren $I+ und $I− zu

beschreiben. Nach Umformung kann man den Hamilton-Operator DH durch das sogenannte

“dipolare Alphabet”5 ausdrücken.

)FEDCBA(r4

H12

3

2210

D +++++π

γγµ= h(3.19)

)1cos3(IIA 22z1z −θ−=

[ ] )1cos3(IIII41

B 22121 −θ+= +−−+

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- 42 -

Für die Beschreibung der dipolaren Kopplung sind im homonuklearen Fall die Operatoren $A und

$B , für den heteronuklearen Fall der Operator $A wichtig. Alle anderen können die Zeeman-

Energien nicht beeinflussen. Sie beschreiben die Relaxation des Spin-Systems.

Aus der Gleichung 3.18 wird für den Fall, dass zwei isolierte gleichartige Kerne koppeln:

[ ]$ ( cos ) $ $ ( $ $ $ $ )Hr

I I I I I IDII I

IIII z z= − − ++ − − +

µ γπ

θ02 2

32

1 214 1 2 1 24

3 1h

(3.20)

In der Gleichung 3.20 besteht der Operatorterm aus einem Ausdruck, der einen Einfluss auf die

Zeeman-Energien hat und einem, der energieerhaltende flip-flop Prozesse beschreibt

( ($ $ $ $ )I I I I+ − − ++ =1 2 1 2 1 2 1 2α β β α ). Diese Prozesse sind wichtig für den Magnetisierungstransfer

innerhalb eines homonuklearen Spinsystems.

Für die Kopplung zweier ungleichartiger Kerne I und S gilt:

$ ( cos )$ $Hr

I SDIS I S

ISIS z z= − −

µ γ γπ

θ02

32

43 1

h(3.21)

Aus der Kopplungskonstanten νD ist erkennbar, dass die dipolaren Kopplungen empfindlich vom

Abstand der wechselwirkenden Spins abhängen. Für ein isoliertes C-H-Paar mit einem

internuklearen Abstand von 110 pm berechnet man z.B. eine Kopplungsfrequenz νD = 22.5 kHz.

Unter Berücksichtigung aller möglichen Orientierungen bezüglich B0 und der

Wahrscheinlichkeitsverteilung der Spins in ihren Orientierungen berechnet man theoretisch für ein

isoliertes Spin-Paar das “Pake Dublett”6. In der Praxis sind die Verhältnisse allerdings komplizierter.

Hier müssen die Kopplungen eines Spins mit allen Nachbarkernen entsprechend ihren Abständen

und Orientierungen in Betracht gezogen werden.

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- 43 -

3.3 Relaxation

Durch die Anregung eines Spinsystems werden die Besetzungszahlen, die durch die Boltzmann-

Verteilung gegeben sind, verändert. Ein 90°-Puls würde z.B. bei Kernen mit I = ½ eine

Gleichverteilung beider Energieniveaus (Nα = Nβ) bewirken. Nur in diesem Fall verschwindet die

Magnetisierung in der z´-Richtung des rotierenden Koordinatensystems vollständig. Ein Puls ist eine

Energieübertragung auf das Spinsystem. Nach der Energieübertragung muss das System gemäß der

Boltzmann-Verteilung (Gl. 3.5) in den Gleichgewichtszustand zurückkehren. Deswegen muss die

aufgenommene Energie an das “Gitter” abgegeben werden. Der Begriff “Gitter” steht stellvertretend

für sämtliche Bestandteile, die Energie vom Spinsystem aufnehmen können. Das können Moleküle,

aber auch Gefäßwände sein. Wie schnell diese Rückkehr in den Gleichgewichtszustand M Mz' = 0

erfolgt, wird durch die longitudinale Relaxationszeit T1 bestimmt. Die longitudinale Relaxation ist

ein enthalpischer Prozess.

Die Rückkehr der Magnetisierung in den Gleichgewichtszustand wird mathematisch durch die

Blochsche Gleichung ausgedrückt9:

dM

dt

M M

Tz z′ ′= −

− 0

1

(3.22)

Direkt nach dem 90°-Puls aus der x´-Richtung liegen die einzelnen Spins µµ phasenkohärent auf der

y´-Achse im rotierenden Koordinatensystem (ω = ω0) vor und bilden die Quermagnetisierung My´.

Durch den Verlust der Phasenkohärenz kommt es zu einer Auffächerung des Magnetisierungsvektors

My´, wodurch die effektive Magnetisierung in der y´-Richtung abnimmt.

Der Verlust an Quermagnetisierung wird durch die transversale Relaxationszeit T2 beschrieben.

dM

dt

M

Ty y′ ′= −

2

(3.23)

Die transversale Relaxationszeit ist ein energieerhaltender Prozess, bei dem sich nur die Entropie

des Spinsystems ändert. Hierbei spielen die bereits erwähnten flip-flop-Prozesse eine wichtige Rolle.

Die Besetzungsverhältnisse in der Boltzmann-Verteilung werden dadurch nicht verändert.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 44 -

Die praktische Bedeutung der T2-Zeiten liegt vor allem in ihrer Beziehung zur Halbwertsbreite der

beobachteten NMR-Signale.

∆ν1 22

1/ =

πT(3.24)

Eine weitere Relaxationszeit T1ρ beschreibt den Rückgang der Magnetisierung entlang eines

“gelockten” B1-Feldes. Gelockt bedeutet hier, dass das B1-Feld für einen definierten Zeitraum

permanent eingestrahlt wird. Im rotierenden Koordinatensystem wird das in Resonanz eingestrahlte

B1-Feld statisch und das einzig wirksame Magnetfeld, welches üblicherweise um den Faktor 1000

schwächer ist als das B0-Feld13.

Relaxationen durch “spontane Emission” sind in der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie

wegen der geringen Energiedifferenz zwischen dem Grundzustand und dem angeregten Zustand

vernachlässigbar klein. In einem Magnetfeld der Stärke 1T brauchen angeregte Spins durchschnittlich

1019 s zur Spinumkehr. Das ist eine Zeitspanne, die dem Alter des Universums entspricht17. In der

NMR werden Relaxationsprozesse durch lokale fluktuierende Magnetfelder im Gitter basierend auf

Molekülbewegungen wie Rotationen oder Schwingungen induziert.

Die Effektivität der Bewegungsmoden bezüglich der vorgestellten Relaxationsprozesse (T1,T2,T1ρ) ist

abhängig von der statistischen Frequenzverteilung der erzeugten fluktuierenden Magnetfelder.

Diese Zusammenhänge sollen im folgenden quantifiziert werden.

Man stelle sich eine große Anzahl von Molekülen vor, die das Gitter bilden und statistischen

Reorientierungen als Funktion der Zeit unterworfen sind. Um die Fluktuationen innerhalb dieses

Gitters zu beschreiben, wird die Korrelationsfunktion definiert als15,18,19:

C t a tii i( ) ( )a ( )= ∑ 0 , (3.25)

wobei ai ein beliebiger Gitterparameter i = 1,...,n und t die Zeit ist. Für große Werte von t geht C(t)

gegen null, wenn der Durchschnittswert von ai gleich null ist. Dieser Umstand soll an einem Beispiel

verdeutlicht werden. Der Parameter ai sei das Magnetfeld i, welches seine Richtung, bezüglich seiner

Ausgangsposition ai(0), statistisch mit der Zeit t ändert. Für große Zeitintervalle ist die

Wahrscheinlichkeit, dass ai(0) und ai(t) gleiche und entgegengesetzte Richtungen (Vorzeichen)

aufweisen gleich groß.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 45 -

Die Summe der Produkte ai(0)ai(t) über alle i ist somit annähernd null. Für kleine Werte von t ist es

wahrscheinlicher, dass ai(0) und ai(t) dieselbe Richtung besitzen. Unter diesen Bedingungen hat C(t)

große Werte. Die Korrelationsfunktion hat den größten Wert Σi(ai(0))2 für t = 0. Wenn diese

fluktuierenden Magnetfelder durch isotrope Molekülbewegungen verursacht werden, dann

vereinfacht sich die Gleichung (3.25) zu:

( )C t at

iic

( ) ( ) exp=−

∑ 0

2

τ(3.26)

Der Parameter τc ist die Korrelationszeit der fluktuierenden Magnetfelder. Der reziproke Wert 1/τc

ist die durchschnittliche Fluktuationsrate.

Wichtiger als die Korrelationsfunktion C(t) ist ihre fouriertransformierte Form J(ω), die spektrale

Dichtefunktion. Aus der Korrelationsfunktion in der Gleichung 3.26 erhält man eine Lorentz-

Funktion:

( ) ( )J a ic

ci

ωτω τ

=+∑ ( )02

1

2

2 2(3.27)

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 46 -

In der Abbildung 3.8 sind spektrale Dichtefunktionen für drei unterschiedliche Korrelationszeiten τc,

also unterschiedlich schnelle fluktuierende Magnetfelder, angegeben.

101

102

103

104

105

106

107

108

109

1010

1011

10-12

10-11

10-10

10-9

10-8

10-7

10-6

10-5

10-4

10-3

10-2

10-1

100

τc = 10

-7s

τc = 10-9s

τc = 10-5s

J (ω

)

ω [s-1]

Abb. 3.8: Logarithmische Auftragung der Frequenzverteilung in der spektralen Dichtefunktion für isotropeMolekülbewegungen unterschiedlicher Korrelationszeit.

Für kurze Korrelationszeiten (z.B. τc = 10-9 s, schnelle isotrope Molekülbewegungen) fällt die

Korrelationsfunktion sehr schnell ab, damit erhält man eine breite Verteilung der Frequenzen

oszillierender Magnetfelder relativ geringer Intensität. Im Gegensatz dazu findet man eine schmalere

Verteilung relativ hoher Intensität der Frequenzen für eine lange Korrelationszeit (z.B. τc = 10-5 s,

langsame isotrope Molekülbewegungen). Die Fläche unter den einzelnen Kurven ist identisch.

Daraus folgt, dass die Gesamteffektivität zur Relaxation im Gitter gleich ist. Durch

Molekülbewegungen wird nur die Frequenzverteilung der fluktuierenden Magnetfelder beeinflusst. In

Molekülen gibt es eine Vielzahl von Bewegungsmoden, die sich überlagern, so dass in den meisten

Fällen Relaxationsphänomene nicht durch eine einfache isotrope Rotation beschrieben werden

können.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 47 -

3.3.1 Relaxation über dipolare Kopplungen

In diesem Abschnitt soll die Relaxation eines Protons, das mit einem weiteren Proton dipolar

koppelt, diskutiert werden. In diesem Fall ist I1 = I2 = ½. Es gibt vier Energieniveaus: α1α2, α1β2,

β1α2, β1β2. Dabei sind für das Proton 1 folgende Übergänge möglich: 1. β1α2 ↔ α1α2 und β1β2

↔ α1β2 (∆m = 1) mit einer Frequenz ω0; 2. β1β2 ↔ α1α2 (∆m = 2) mit einer Frequenz 2ω0 und 3.

die sogenannten flip-flop-Übergänge α1β2 ↔ β1α2 (∆m = 0), die im homonuklearen Fall keinen

Energieaustausch mit dem Gitter bewirken.

Die relevanten Übergangswahrscheinlichkeiten W sind proportional zur Intensität der spektralen

Dichtefunktion J(ω) bei den entsprechenden Übergangsfrequenzen. Für eine isotrope Rotation muss

die Gleichung 3.27 eingesetzt werden und man findet20:

W kmc

c∆ = =

+1 102 2

2

1

τω τ

(3.28)

W kmc

c∆ = =

+0 202 2

2

1 4

τω τ

(3.29)

Die Relaxationsraten (1/TR) sind proportional zu den Übergangswahrscheinlichkeiten. Für die

longitudinale Relaxationsrate lautet der vollständige Ausdruck:

1 3

10 4

1

1

4

1 41

4 2 6 02

02 2

02 2T

rH

H H Hc c

c=

+

++

−γµπ ω τ ω τ

τh (3.30)

Für die Relaxationsrate entlang eines B1-Feldes im rotierenden Koordinatensystem findet man:

1 3

20 4

3

1 4

5

1

2

1 41

4 2 6 02

12 2

02 2

02 2T

rH

H H Hc c c

γµπ ω τ ω τ ω τ

τ=

+

++

++

−h (3.31)

Die transversale Relaxationsrate wird durch folgenden Ausdruck beschrieben:

1 3

20 43

5

1

2

1 42

4 2 6 02

02 2

02 2T

rH

H H Hc c

c=

+

++

+

−γµ

π ω τ ω ττh (3.32)

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 48 -

Aus den Gleichungen geht hervor, dass die dipolare Relaxation stark vom Abstand (≈ r-6) beider

Protonen abhängt.

In der Abbildung 3.9 sind die Relaxationszeiten der Protonen in Abhängigkeit von der

Korrelationszeit τc für isotrope Molekülbewegungen aufgeführt. Für die Berechnungen wurde ein

Abstand von rH-H = 260 pm zugrunde gelegt. Des weiteren gelten die Bedingungen

ω0/2π = 400 MHz und ω1/2π = 50 kHz.

10-13

10-12

10-11

10-10

10-9

10-8

10-7

10-6

10-5

10-4

10-3

10-7

10-6

10-5

10-4

10-3

10-2

10-1

100

101

102

103

104

ω1 τ

c = 1

ω0 τ

c = 1

T1H

(ω0/2π = 400MHz)

T2H

(ω0/2π = 400MHz)

T1ρΗ

(ω0/2π = 400MHz,

ω1/2π = 50kHz)

T 1H, T

2H, T

1ρΗ [s

]

τc [s]

Abb. 3.9: Logarithmische Auftragung der 1H T1-, T1ρ- und T2-Relaxationszeiten in Abhängigkeit von denKorrelationszeiten τc. Die Berechnung bezieht sich auf ein isoliertes 1H-1H-Spinpaar mit einem Abstand von 260pm. Das Modell beruht auf einer isotropen Molekülbewegung.

Man sieht, dass die Kurve für die T1H-Zeiten minimale Werte für ω0τc = 1 einnimmt. Demnach ist die

Relaxation entlang B0 besonders effektiv für Bewegungen mit Fluktuationsraten im MHz-Bereich.

Die T1ρH-Relaxation entlang B1 ist besonders effektiv für Bewegungen mit Fluktuationsraten im kHz-

Bereich, wobei gilt: ω1τc = 1. Transversale Relaxationen können sowohl durch Bewegungen im kHz-

als auch MHz-Bereich induziert werden. Auf die Relaxation durch die Anisotropie in der chemischen

Verschiebung soll hier nicht näher eingegangen werden. Für eine eingehende Behandlung dieser

Thematik sei der interessierte Leser auf die weiterführende Literatur verwiesen18.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 49 -

3.4 Methoden in der Festkörper-NMR-Spektroskopie

3.4.1 Das Magic Angle Spinning (MAS)

Die MAS (Magic Angle Spinning)-Technik2,6,21,22 lässt den TensorPAS der Anisotropie in der

chemischen Verschiebung auf seinen isotropen Wert “zusammenfallen” (Gleichung 3.14). Der

spurlose TensorPAS der dipolaren Kopplung würde unter optimalen MAS-Bedingungen den

isotropen Wert null annehmen. Beides führt zu einer Verschmälerung der Linienbreiten, was die

Auflösung in der Festkörper-NMR-Spektroskopie entscheidend verbessert.

Bei der MAS-Technik wird die Probe in einem Winkel von 54.7° bezüglich des äußeren

Magnetfeldes mit hoher Drehzahl, z. B. im kHz-Bereich rotiert. Der “magische Winkel” hat seinen

Ursprung in dem winkelabhängigen Term (3cos2θ-1) der Hamilton-Operatoren in den Gleichungen

3.20 und 3.21. Für θ = 54.7° nimmt dieser Term den Wert null ein. Die Rotation der Probe hat den

Effekt, dass im zeitlichen Mittel alle Spins einen magischen Winkel zum statischen Magnetfeld

einnehmen. Ein isotropes Signal wird allerdings nur dann erreicht, wenn die Winkelgeschwindigkeit

der Rotation ωR grösser ist als die Linienbreite, die ohne Rotation gefunden würde. Wenn die

Winkelgeschwindigkeit kleiner ist als die statische Spektrenbreite ωP, treten Seitenbanden auf, deren

Abstände ganzzahligen Vielfachen von ωR entsprechen. Diese führen zu Intensitätsverlusten des

Hauptsignals und zu Überlagerungen mit anderen Signalen.

B0

ω R

54 7. °

isoω

0R

PRω<ω

PRω>ω

Abb. 3.10: Probenanordnung beim MAS-Experiment.Der Probenrotor wird in einem Winkel von 54.7° in dasäußere Magnetfeld gebracht und mit ωR rotiert2.

Abb. 3.11: Signalentwicklung einer Festkörper-Probeunter MAS-Bedingungen bei unterschiedlichen Winkel-geschwindigkeiten der Rotation.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 50 -

Durch das Magic Angle Spinning können die Anisotropie der chemischen Verschiebung und die

Wechselwirkungen schwach dipolar koppelnder Kerne effektiv herausgemittelt werden. Bei stark

koppelnden Kernen ist diese Technik alleine nicht ausreichend. Unter diesen Bedingungen wird die

MAS-Technik kombiniert mit der Hochleistungsentkopplung12, welche im nächsten Abschnitt erklärt

werden soll.

3.4.2 Die heteronukleare Entkopplung

Im Gegensatz zum Magic Angle Spinning wird bei der heteronuklearen Entkopplung3 der Spin-Term

in Gleichung 3.21 genullt und damit die Wechselwirkungen zwischen den I- und S- Spins

aufgehoben. Praktisch wird dies durch das permanente Einstrahlen eines starken

Radiofrequenzfeldes B1 mit der Resonanzfrequenz des I-Kernes senkrecht zu B0 (z.B. entlang der

x´-Achse) erreicht. Für eine effektive Entkopplung muss die Stärke des B1-Feldes in der

Größenordnung der Stärke der dipolaren I-S-Kopplung liegen. Da dipolare Kopplungen sehr stark

sein können (kHz-Bereich) spricht man von einer Hochleistungsentkopplung. In der Abbildung 3.12

sind die Auswirkungen dieses sogenannten Entkoppelpulses im rotierenden Koordinatensystem

aufgezeigt.

ω0

′x

′y

′z

B1

ΜΜ z S′

ω1I

ΜΜ z Iir

M tz I I′ ∝ cos( )ω1

0B

Abb. 3.12: Modell für die heteronukleare, dipolare Entkopplung zwischen I- und S-Spins im rotierendenKoordinatensystem.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 51 -

Unter der Einwirkung des B1-Feldes rotiert der Magnetisierungsvektor der I-Kerne ΜΜ z Iir′ mit der

Winkelgeschwindigkeit 1I1I Bγ=ω in der y´z´-Ebene. Die Projektion der rotierenden ΜΜ z Iir′ -

Magnetisierung wird damit durch eine oszillierende Funktion M tz I I′ ∝ cos( )ω1 beschrieben.

Dadurch spürt der vom B1-Feld unbeeinflusste S-Spin nur den zeitlichen Mittelwert des Betrages

dieser Projektion. Wenn die Winkelgeschwindigkeit ωI1 größer ist als die Winkelgeschwindigkeit aus

der dipolaren Kopplung, nimmt dieser Betrag im zeitlichen Mittel den Wert null an. Unter diesen

Bedingungen ist die Voraussetzung für eine dipolare Kopplung zwischen den I- und S-Spins nicht

mehr gegeben und man detektiert das vom I-Kern unbeeinflusste S-Spinspektrum. In der 13C-

NMR-Spektroskopie (S = 13C) spielen die dipolaren Kopplungen der 13C-Kerne untereinander,

wegen der großen “Verdünnung”, keine Rolle. Hier werden die Spektren unter Protonenentkopplung

(I = 1H) während der Akquisitionszeit aufgenommen.

3.4.3 Die Kreuzpolarisation

Es gibt weitere entscheidende Nachteile der kernmagnetischen Resonanz an Festkörpern. Oft

werden lange Spin-Gitter-Relaxationszeiten gefunden. Außerdem sind die T2-Zeiten kurz, ein

Umstand, der Signale mit geringer Amplitude zur Folge hat. Damit ist es schwierig, Spektren mit

guten Signal-Rausch-Verhältnissen bei angemessenem Zeitaufwand zu detektieren. Neben der

bereits besprochenen Abhängigkeit der longitudinalen Relaxationszeit von den fluktuierenden

Magnetfeldern, ist diese auch abhängig vom gyromagnetischen Verhältnis. Besonders problematisch

werden deshalb Festkörperuntersuchungen unter der Detektion von 13C-, 29Si- und 15N-Kernen, die

eine geringe relative Häufigkeit zeigen. Zufällig haben diese Spins betragsmäßig niedrige

gyromagnetische Verhältnisse und allein aus diesem Grunde lange longitudinale Relaxationszeiten,

verglichen mit z.B. 1H, 19F und 31P.

Die Signalintensität kann zwar durch höhere Magnetfelder verbessert werden, doch wird es unter

diesen Bedingungen auch schwieriger, besonders bei 13C-Kernen, die Anisotropie der chemischen

Verschiebung herauszumitteln. Ein anderer effektiver Ansatz zur Verbesserung der Signalintensität

wäre die Isotopenanreicherung. Diese ist aber entweder sehr zeitintensiv oder teuer. Außerdem

erhöht man mit der Isotopenanreicherung die dipolaren Kopplungen innerhalb des Spinsystems mit

geringer Häufigkeit und damit die Halbwertsbreite der Peaks.

Die T1-Zeiten können durch paramagnetische Zusätze18 oder durch Temperaturänderungen der

Probe verkürzt werden, doch führt dies gleichzeitig zu einer häufig unerwünschten Vergrößerung der

Linienbreite.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 52 -

Zur Verbesserung der Signalintensität und Verringerung der Zeitspanne zweier aufeinander-

folgender Experimente (recycle-delay) ist die sogenannte Kreuzpolarisation6 die Technik der Wahl.

Dabei findet ein Magnetisierungstransfer (Polarisierungstransfer) von einem Spinsystem hoher

relativer Häufigkeit und hoher Polarisierung (I-Spin) zu einem Spinsystem niedriger relativer

Häufigkeit (S-Spin) statt. Der “recycle delay” ist dabei nur von der longitudinalen Relaxationszeit der

I-Spins abhängig (≈ 5 T1). Der Schlüssel zum Verständnis der Kreuz-polarisation liegt in den flip-

flop-Prozessen dipolar gekoppelter Kerne. Dabei kommt es zu einer gleichzeitigen Änderung der

Spinzustände in einem gekoppelten Spinsystem ( α β β α1 2 1 2↔ ). Die Wahrscheinlichkeit, mit der

flip-flop-Prozesse ablaufen, hängt nicht nur von der Stärke der dipolaren Kopplung ab; für einen

effizienten Spin-Austausch-Prozess muss der flip-flop-Mechanismus vielmehr energieerhaltend sein.

Die Energie, die benötigt wird, um den Kern eins von einem spin-down- in einen spin-up-Zustand zu

bringen, muss identisch mit der sein, um den Kern zwei von einem spin-up- in einen spin-down-

Zustand zu bringen. Aus diesem Grund treten flip-flop-Prozesse spontan in einem gekoppelten

homonuklearen Spin-System auf. Dieser Umstand wird durch die Leiteroperatoren im Spin-Term in

der Gleichung 3.20 ausgedrückt.

Flip-flop-Prozesse finden im S-Spin-System wegen der fehlenden dipolaren Kopplungen

(“Verdünnung”) nicht statt. Zwischen S- und I-Spins sind flip-flop-Prozesse spontan nicht möglich,

weil hierbei das Energieerhaltungskriterium nicht erfüllt ist. Außerdem sind die nötigen

Leiteroperatoren in Gleichung 3.21 nicht vorhanden.

Hartmann und Hahn23,24 führten eine Methode ein, die flip-flop-Prozesse zwischen Spin-Systemen

ungleicher Resonanzfrequenzen möglich macht. Die Abbildung 3.13 zeigt ein Beispiel für eine

entsprechende Pulssequenz.

1H

13C

CP

90°

HP-Entkopplung

CP

Abb. 3.13: Pulssequenz für das 1H→13CCP-Experiment. Der FID wird in der Akquisitionszeitunter Hochleistungsentkopplung (HP-Entkopplung)aufgenommen.

Ein anfänglicher 90°-Puls dreht den Magnetisierungsvektor der I-Spins (1H) im rotierenden

Koordinatensystem z.B auf die y´-Achse. Anschließend werden während der

Kreuzpolarisationsphase (CP) gleichzeitig im S (13C)- wie auch im I-Kanal Radiofrequenzpulse mit

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 53 -

der entsprechenden Resonanzfrequenz der S- und I-Kerne entlang der y´-Achse eingestrahlt. Damit

wird auf beide Spinsysteme gleichzeitig ein “Spin-Lock-Puls” eingestrahlt. Im rotierenden

Koordinatensystem der I-Spins bedeutet dies, dass das einzig wirksame Magnetfeld das statische

B1I-Feld ist, während im rotierenden Koordinatensystem der S-Spins nur das B1S-Feld wirkt.

Wählt man nun die Stärke der B1-Felder entsprechend der Hartmann-Hahn-Bedingung

γ γI I S SB B1 1= , (3.33)

so sind die Resonanzfrequenzen und damit die Energiedifferenzen im I- und S-Spinsystem gleich.

Anschaulich bedeutet die Hartmann-Hahn-Bedingung, dass für beide Spin-Systeme der 90°-Puls

dieselbe Länge besitzt.

I Spins−

S Spins−

ω γ0 0I IB= ω γ0 0S SB= γ γI I S SB B1 1=

I Spins− S Spins−

Laborkoordinatensyst em rotierendes Koordinatensystem

Abb. 3.14: Zeeman-Energien im Laborkoordinatensystem und im rotierenden Koordinatensystem nach Einstellungder Hartmann-Hahn-Bedingnung.

In der Sprache der Operatoren heißt das: Durch die Transformation des Operators der dipolaren

Kopplung für den heteronuklearen Fall (s. Gleichung 3.21) in die rotierenden Koordinatensysteme

werden die nötigen Leiteroperatoren erzeugt25. Dies ist die Voraussetzung für die nun eintretenden

energieerhaltenden flip-flop-Prozesse entlang der Spin-Lock-Felder. Die zuvor isolierten Spin-

Systeme sind nun energetisch gekoppelt. Während der Kreuzpolarisationszeit, die im

Millisekundenbereich liegt, nimmt die Magnetisierung im I-Spinsystem entlang des B1I-Feldes relativ

schwach ab, gleichzeitig aber nimmt die Magnetisierung des S-Spinsystems entlang des B1S-Feldes

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 54 -

relativ stark zu. Nach der Kreuzpolarisationszeit erfolgt die Akquisition des free induction decays

(FID) unter Hochleistungsentkopplung.

3.4.3.1 Das thermodynamische Modell der Kreuzpolarisation

Um einen Einblick in die treibende Kraft des Magnetisierungstransfers zu bekommen, soll das

Modell der Spintemperaturen13 eingeführt werden. Wenn ein einzelner I-Kern (z.B. 1H) seinen

Spinzustand wechselt, indem er Energie mit dem Gitter austauscht, so wird diese energetische

Änderung durch Spin-Diffusion über das gesamte I-Spinsystem verteilt. Diese Einstellung des inneren

Gleichgewichts erfolgt wegen der starken dipolaren Kopplungen in Zeitintervallen, die im

Mikrosekundenbereich liegen. Zwischen dem I-Spinsystem und dem Gitter stellt sich in einem

Magnetfeld ein thermisches Gleichgewicht ein. Das I-Spinsystem nimmt die Gittertemperatur TG an.

Die Größe der Magnetisierung im I-Spinsystem M0I ist über das Curie-Gesetz definiert:

MC B

TII

G0

0= (3.34)

Dabei ist CI die Curie-Konstante des I-Spinreservoirs. Durch das Anlegen einen Spin-Lock-Pulses

wird die I-Magnetisierung entlang des B1I-Feldes fokussiert. Das Curie-Gesetz für diesen Fall lautet:

MC B

TII I

I0

1= (3.35)

TI ist die Spintemperatur des I-Spinsystems im rotierenden Koordinatensystem unter dem Einfluss

des Spin-Lock-Pulses. Aus der Kombination der Gleichungen 3.34 und 3.35 ergibt sich:

TB

BTI

IG= 1

0

(3.36)

Weil das B1I-Feld näherungsweise um den Faktor 1000 kleiner als das B0-Feld ist, wird durch den

Spin-Lock-Puls ein Kühlen des I-Systems erreicht. Das I-Spinreservoir ist während des Spin-Lock-

Pulses in einem Nicht-Gleichgewichtszustand, da die Gleichgewichtsmagnetisierung entlang des Spin-

Lock-Pulses um den Faktor 1000 niedriger sein müsste. Durch das Einstellen der Hartmann-Hahn-

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 55 -

Bedingung werden die beiden zunächst isolierten I- und S-Spinsysteme gekoppelt. Die

Magnetisierung des S-Spinsystems ist niedrig . Dies entspricht nach dem Curie-Gesetz einer hohen

Spintemperatur TS. Magnetisierung “fließt” vom kälteren I-Spinreservoir zum S-Spinreservoir, bis

der Gleichgewichtszustand mit einer identischen Spintemperatur für beide Reservoirs erreicht wird.

Die Effektivität dieser Magnetisierungsübertragung wird durch die Zeitkonstante TCP bestimmt. Diese

ist abhängig von der dipolaren Kopplung der Kerne untereinander6,13. Aus diesem Grund lässt das

Kreuzpolarisationsexperiment keine quanti-tativen Aussagen über die Anzahl der detektierten S-

Kerne zu, weil nicht nur der detektierte Kern selbst, sondern auch die Anzahl der I-Kerne in

nächster Umgebung für die Signalintensitäten verantwortlich ist. Es kann gezeigt werden, dass bei

einer Vernachlässigung von Relaxationseffekten die letztendlich durch das

Kreuzpolarisationsexperiment erreichte Magnetisierung in einem S-Spinsystem, das an ein I-

Spinsystem gekoppelt ist,

[ ] S01

S

ICPS M1M −ε+

γγ= (3.37)

)1I(IN

)1S(SN

I

S

++=ε (3.38)

beträgt6,26. Hierbei ist M0S die Gleichgewichtsmagnetisierung des S-Spinsystems im statischen

Magnetfeld. Die Parameter NS und NI stehen für die Anzahl der Kerne in der entsprechenden

Probe. S und I sind die Spinquantenzahlen der Kerne.

Für das System I = 1H und S = 13C nimmt ε annähernd den Wert null an und die Gleichung 3.37

vereinfacht sich zu MCPS = (γI/γS)M0S. In dem konkreten Beispiel wird demnach die 13C-

Magnetisierung im Kreuzpolarisationsexperiment um den Faktor vier erhöht.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 56 -

3.5 Beschreibung der NMR-Experimente

3.5.1 Die Bestimmung der Kreuzpolarisationskonstanten

Das Pulsexperiment zur Ermittlung der Kreuzpolarisationskonstanten TCP ähnelt im Aufbau der

Pulssequenz für die Kreuzpolarisation (s. Abbildung 3.13). Allerdings wird jetzt die

Kreuzpolarisationsphase (CP) zeitlich variiert (variable Kontaktzeit tCP).

1H

13C

CP

90°

HP-Entkopplung

CP

tCP

Abb. 3.15: Pulssequenz zur Ermittlung derKreuzpolarisationskonstanten TCP im 1H-13C-Spinsystem durch Variation der KontaktzeittCP.

Der Magnetisierungsverlauf im S-Spinsystem in Abhängigkeit von der Kontaktzeit tCP gehorcht dem

Zusammenhang6.

M tM

a aa tT

a tTS CP

CP

CP

CP

CP( ) exp exp=

−−

− −

+ −

− +0 (3.39)

mit

−+=+ 2

0

0 ab11aa

−−=− 2

0

0 ab11aa

S1

CP

S1

CP

I1

CP

T

T

T

T1

T

Tb

ρρρ

ε+

+=

++ε+=

ρρ S1

CP

I1

CP0 T

T

T

T1

21a

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 57 -

Dabei ist M0 die Maximalmagnetisierung, die vom I-Spinsystem (hier 1H) auf das S-Spinsystem (hier

13C) übertragen werden kann, wenn Relaxationsprozesse gänzlich vernachlässigt werden. Zur

Anpassung werden die Signalintensitäten gegen tCP aufgetragen und ein Least-Square-Fit

durchgeführt. In vielen Fällen kann die Gleichung 3.39 vereinfacht werden, wenn für die zu

untersuchende Probe folgende Bedingungen gelten: T1ρS >> T1ρI > TCP. Für NI >> NS kann der

Parameter ε (s. Gleichung 3.38) mit dem Wert null angenähert werden. Damit vereinfacht sich die

Gleichung 3.39 zu27:

∑ρ

ρ

−−

=i

Ii1

CPi

CPi

CP

Ii1

CP

i0CPS

T

T1

T

texp

T

texp

M)t(M (3.40)

Die Laufvariable i impliziert dabei, dass prinzipiell mehrere TCP- und T1ρI-Zeiten gefunden werden

können.

Die Gleichung 3.40 beschreibt den folgenden Kurvenverlauf:

0 5 10 15 200

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

T1ρ I

T

CP

TCP

= 0.3 ms

T1ρ I

= 10 ms

Inte

nsitä

t [a.

u.]

CP-Kontaktzeit (tCP

) [ms]

Abb. 3.16: Typischer Verlauf einer “Kreuzpolarisationskurve” mit einem kombinierten Aufbau und Abklingen derMagnetisierung im S-Spinsystem. Die “Kreuzpolarisationskurve kann näherungsweise in einen TCP- und T1ρ-Astunterteilt werden.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 58 -

Die Kreuzpolarisationsrate 1/TCP ist proportional zur flip-flop-Wahrscheinlichkeit zwischen beiden

Spin-Systemen und daher auch abhängig von der dipolaren Kopplung zwischen den heteronuklearen

Spins. Es kann gezeigt werden, dass die Kreuzpolarisationsrate umgekehrt proportional zur sechsten

Potenz des Abstandes zwischen den I- und S-Kernen ist28. Des weiteren wird der winkelabhängige

Term im Operator der dipolaren Kopplung durch Molekülbewegungen teilweise ausgemittelt und

man erhält im Vergleich zu völlig rigiden Bedingungen erniedrigte Kreuzpolarisationsraten. Durch

diesen Umstand ist man in der Lage, Komponenten mit unterschiedlichen Mobilitäten innerhalb einer

Probe zu differenzieren. Später wird in dieser Arbeit gezeigt werden, dass die Kreuzpolarisation bei

angemessener Kontaktzeit als Filter für weniger bewegliche Bestandteile eines flüssigen

Mehrkomponentensystems dienen kann.

3.5.2 Die Bestimmung der Protonen-Spin-Gitter-Relaxationszeiten im rotierenden

Koordinatensystem

In diesem Kapitel sollen die Pulssequenzen vorgestellt werden, mit denen man die Relaxationszeiten

von NMR-aktiven Kernen, speziell von Protonen im rotierenden Koordinatensystem (T1ρH) messen

kann6,7,13. Dabei kann die Ermittlung der T1ρH-Zeiten prinzipiell mit oder ohne Kreuzpolarisation

erfolgen. Beide Pulssequenzen sind in der Abbildung 3.17 im direkten Vergleich dargestellt.

DE-T1ρH

1HtSL

90°

Abb. 3.17: Pulssequenzen zur Bestimmung derT1ρH-Zeitkonstanten. Im Vergleich zurDirektanregung (DE-T1ρH) wird in derKreuzpolarisation (CP-T1ρH) die Protonen-Restmagnetisierung auf das 13C-Spinsystemübertragen und detektiert.

CP-T1ρH

1H

13 C

tSL CP

90°

HP-Entkopplung

CP

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 59 -

Bei beiden Experimenten wird nach dem 90°-Anregungspuls parallel zum Protonen-

Magnetisierungsvektor ein Spin-Lock-Puls (B1H-Feld) eingestrahlt. Die Protonen relaxieren nun, in

Abhängigkeit von der Spin-Lock-Dauer tSL entlang dieses Spin-Lock-Pulses. Anschließend wird die

Protonen-Restmagnetisierung entweder direkt detektiert (DE-T1ρH) oder durch einen Kontaktpuls

(CP-T1ρH) auf das 13C-Spinsystem übertragen und das Signal unter 1H-Hochleistungsentkopplung

detektiert. Durch eine Vergrößerung der Spin-Lock-Zeit erhält man Spektrenreihen, die sich

aufgrund der Relaxationseffekte durch eine abnehmende Protonenrestmagnetisierung auszeichnen.

Der Verlauf der Signalintensitäten entspricht einem exponentiellen Zerfall mit der Zeitkonstanten

T1ρH.

−=

ρi Hi1

SLi0SL T

texpM)t(M (3.41)

Die Laufvariable impliziert auch hier, dass prinzipiell, abhängig von der Morphologie der Probe ein

multiexponentielles Relaxationsverhalten gefunden werden kann.

3.5.3 Das Inversion-Recovery-Experiment zur Ermittlung der Protonen Spin- Gitter-

Relaxationszeit

Zur Ermittlung der T1-Zeiten von NMR-aktiven Kernen (hier 1H) wird im allgemeinen die 180°-tD-

90°-Pulsfolge, das sogenannte “Inversion-Recovery-Experiment angewendet (s. Abb. 3.18)5,9,13.

DE-T1H

tD1H

90°180°

Abb. 3.18: Das Inversion-Recovery-Experiment zur Ermittlung von DE-T1H-Relaxationszeiten.

Der anfängliche 180°-Puls (z.B. aus der x´ Richtung) invertiert die Magnetisierung entlang der z´-

Achse. In einer anschließenden Delay-Zeit tD findet eine longitudinale Relaxation statt. In

Abhängigkeit von der Delay-Länge relaxiert die Magnetisierung entlang der z´-Achse von ihrem

Anfangswert -M0 über den Wert null bis zurück zu ihrer Gleichgewichtsmagnetisierung M0

entsprechend der Boltzmann-Verteilung.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 60 -

Ein anschließender 90°-Puls (ebenfalls aus der x´-Richtung), der sogenannte Detektionspuls dreht

den Magnetisierungsvektor M auf die y´-Achse. Nun kann der FID aufgenommen werden. In der

Abbildung 3.19 ist eine Modifikation des Inversion-Recovery-Experimentes dargestellt. Hierbei wird

nach dem 90°-Puls eine Kreuzpolarisationsphase angeschlossen (CP), in der die aktuelle

Protonenmagnetisierung auf das 13C-Spinsystem übertragen wird.

CP-T1H

tD1H

90°180°

HP-Entkopplung

13C

CP

CP

Abb. 3.19: Das Inversion-Recovery-Experiment mit anschließender Kreuzpolarisationsphase (CP) zur Ermittlungvon CP-T1H-Relaxationszeiten.

Quantitativ werden diese Zusammenhänge durch die Gleichung 3.42 wiedergegeben.

−−=

i Hi1

Di0D T

texp21M)t(M (3.42)

Auch hier können bei unterschiedlichen Mobilitäten innerhalb der untersuchten Probe mehrere

longitudinale Relaxationszeiten gefunden werden. Für i = 1 findet man folgende Relaxationskurven:

5 10 15

-100

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

100

tD0

= ln2 T1

M0

-M0

Delay-Zeit tD [s]

Inte

nsitä

t [a.

u.]

Abb. 3.20: Typischer Verlauf einer Relaxationskurve in einem “Inversion-Recovery-Experiment”.Der Nulldurchgang erfolgt bei tD0 = ln2T1.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 61 -

3.5.4 Das Single-Pulse-Experiment

Bei diesem Experiment wird z.B. die 1H-Magnetisierung durch einen 90°-Puls (B1-Feld aus der x´-

Richtung im rotierenden Koordinatensystem) von der z´-Achse auf auf die y´-Achse gedreht.

Danach erfolgt die Akquisition.

Im Gegensatz dazu wird beim 13C-Single-Pulse-Experiment zur Verbesserung der spektralen

Auflösung der FID unter Protonen-Hochleistungsentkopplung aufgenommen.

90°

1H

Abb. 3.21: 1H-Single-Pulse-Experiment.

90°

1H

13C

HP-Entkopplung

Abb. 3.22: 13C-Single-Pulse-Experiment mitProtonen-Hochleistungsentkopplung währendder Akquisitionszeit.

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- 62 -

3.5.5 Die zweidimensionale heteronuklear (C, H)-korrelierte NMR-Spektroskopie

(HETCOR oder C, H-COSY)

Ein zweidimensionales (C,H)-Korrelationsexperiment zeigt sogenannte Kreuzpeaks für alle Protonen

und 13C-Kerne, die direkt aneinander gebunden sind und somit untereinander skalar koppeln. Das in

dieser Arbeit verwendete Experiment ist in der Abbildung 3.23 dargestellt. Der genaue

Entwicklungszustand beider Spinsysteme kann bei dieser Pulsfolge nicht mehr über die anschauliche

Vektordarstellung erfolgen. Für eine genaue Beschreibung wird der Produkt-Operator-Formalismus

verwendet, auf den nicht eingegangen werden soll. Ausführliche, theoretische Beschreibungen

wurden durch A. Bax, G. Bodenhausen et al. vorgestellt29-33. Allgemeinere Betrachtungen dieser

Thematik wurden durch Atta-ur-Raman und H. Friebolin bekannt gemacht34,35.

∆1t1/2 t1/2 ∆2

90°90°

180° 90°

H1

C13

Breitband-Entkopplung

t2

Abb. 3.23: Das HETCOR-Experiment.

Das in der Akquisitionsphase t2 detektierte 13C-Signal ist durch eine Variation der t1-Zeit

(Evolutionsphase), bei konstanten ∆1- und ∆2-Zeiten (Mischphase) mit den Lamorfrequenzen der

Protonen moduliert. Dieser Umstand hat wichtige Konsequenzen: Eine Fourier-Analyse bezüglich t2

ergibt Peaks bei den Resonanzfrequenzen der 13C-Kerne. Durch eine zweite Fourier-Analyse

bezüglich t1 erhält man Peaks mit den Resonanzfrequenzen der skalar koppelnden Protonen. Die

Peaks zeigen praktisch gekoppelte Frequenzpaare direkt aneinander gebundener 13C- und 1H-Kerne

an. Damit lassen sich, bei Kenntnis der Zuordnung einer Kernsorte, die Resonanzfrequenzen der

anderen Kernsorte festlegen.

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3 Theoretische Grundlagen der Festkörper-NMR-Spektroskopie

- 63 -

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