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2 Funktionentheorie im Gebiet Die von uns betrachteten Funktionen leben immer auf einem Gebiet G (das ist eine offene zusammenh¨ angende Teilmenge) der komplexen Ebene oder der Riemannschen Zahlenkugel C. Oft handelt es sich dabei um Standardgebiete: die komplexe Einheitskreisscheibe D oder die obere (manchmal auch die rechte) Halbebene C + . Ein Gebiet G heißt einfach zusammenh ¨ angend, wenn sein Rand ∂G eine zusammenh¨ angende Teilmenge von C ist. Ein Gebiet G heißt nfach zusammenh ¨ angend, sein Rand ∂G aus ge- nau n paarweise disjunkten abgeschlossenen zusammenh¨ angenden Teil- mengen von C besteht.

2 Funktionentheorie im Gebiet - TU Freibergwegert/Lehre/FkthRwp/FkthCrash... · 2009-04-07 · 2 Funktionentheorie im Gebiet Die von uns betrachteten Funktionen leben immer auf einem

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2 Funktionentheorie im Gebiet

Die von uns betrachteten Funktionen leben immer auf einem Gebiet G(das ist eine offene zusammenhangende Teilmenge) der komplexen Ebeneoder der Riemannschen Zahlenkugel C. Oft handelt es sich dabei umStandardgebiete: die komplexe Einheitskreisscheibe D oder die obere(manchmal auch die rechte) Halbebene C+.

Ein Gebiet G heißt einfach zusammenhangend, wenn sein Rand ∂Geine zusammenhangende Teilmenge von C ist.Ein Gebiet G heißt n–fach zusammenhangend, sein Rand ∂G aus ge-nau n paarweise disjunkten abgeschlossenen zusammenhangenden Teil-mengen von C besteht.

2.1 Holomorphe und harmonische Funktionen

Definition 2.1 Eine Funktion f : G → C heißt im Gebiet G holomorph(oder analytisch), wenn sie in jedem Punkt von G (komplex) differen-zierbar ist, d.h. fur jedes z0 ∈ G existiert die Ableitung

f ′(z0) := limz→z0

f(z)− f(z0)z − z0

. (1)

Mit z = x + iy und Trennung in Real- und Imaginarteil erhalt man dieDarstellung f(x + iy) = u(x, y) + iv(x, y) mit reellen Funktionen u undv.

Satz 2.1 (Cauchy-Riemann-Gleichungen) Die Funktion f = u + iv istgenau dann im Gebiet G holomorph, wenn u und v in G einmal (unddann beliebig oft) stetig differenzierbar sind und dort die Differentialglei-chungen

∂xu = ∂yv, ∂yu = −∂xv (2)

erfullen.

Mit den komplexen Differentialoperatoren (Wirtinger-Kalkul)

∂z :=12

(∂x − i∂y), ∂z :=12

(∂x + i∂y)

nehmen die C.-R.-Gleichungen die einfache Gestalt

∂zf = 0

an. Der Operator ∂z wird deshalb auch Cauchy-Riemann-Operatorgenannt. Ist f holomorph, gilt

f ′ = ∂zf.

Funktionen mit der komplementaren Eigenschaft

∂zf = 0

heißen auch antiholomorph.

Definition 2.2 Eine zweimal stetig differenzierbare (reell oder komplex-wertige) Funktion f heißt im Gebiet G harmonisch, wenn dort gilt

∆f := (∂2x + ∂2

y) f = 0.

Harmonische Funktionen sind der Untersuchungsgegenstand der Poten-tialtheorie. Der Differentialoperator ∆ heißt Laplace-Operator. DieGleichung

∆u = 0

wird Laplacegleichung genannt, ihre inhomogene Spielart

∆u = f

wird als Poissongleichung bezeichnet.

Aus der Darstellung ∆f = 4 ∂z∂zf = 4 ∂z∂zf des Laplace-Operatorsfolgt

Satz 2.2 Jede in G holomorphe Funktion ist dort auch harmonisch.

Insbesondere sind Real- und Imaginarteil jeder holomorphen Funktion(reell) harmonische Funktionen. Jedoch erzeugt nicht jedes Paar harmo-nischer Funktionen u und v eine holomorphe Funktion f = u + iv.

Definition 2.3 Gelten fur die stetig differenzierbaren reellen (harmoni-schen) Funktionen u und v die C.-R.-Differentialgleichungen, so heißt vzu u konjugiert harmonisch.

Satz 2.3 Jede in einem einfach zusammenhangenden Gebiet G har-monischen Funktion u besitzt eine konjugiert harmonische Funktion v.Diese ist bis auf eine addititive Konstante eindeutig bestimmt.

Der Satz gilt nicht in mehrfach zusammenhangenden Gebieten. Dort istdie konjugiert harmonische “Funktion” im allgemeinen mehrdeutig.

Eine praktische Bedeutung konjugiert harmonischer Funktion liegt infolgendem Resultat (U).

Satz 2.4 Die Niveaulinien konjugiert harmonischer Funktionen sind zuei-nander orthogonal.

Mit Hilfe konjugiert harmonischer Funktionen (oder holomorpher Funk-tionen) kann man also Scharen orthogonaler Kurven konstruieren. Sindz.B. in der Elektrostatik die Potentiallinien (Niveaulinien einer harmoni-scher Funktion) bekannt, so ergeben sich die Feldlinien als Niveauliniender konjugiert harmonischen Funktion.

2.2 Anwendung: Ebene Potentialstromungen

Es gibt verschiedene Probleme der mathematischen Physik, bei denen dieCauchy-Riemannschen Differentialgleichungen eine Rolle spielen. Wirgeben eine Anwendung auf Probleme der ebenen Stromungslehre.

Wir betrachten eine stationare quellen- und wirbelfreie Stromung einesinkompressiblen und reibungsfreien Mediums. Die Geschwindigkeits-komponenten bezuglich eines kartesischen Koordinatensystems (x, y, z)seien u, v, w. Ferner soll die Stromung parallel zur x-y-Ebene verlaufenund von z unabhangig sein: u = u(x, y), v = v(x, y), w = 0. Eine solcheStromung wird ebene Potentialstromung genannt (z.B. Umstromungeines unendlich langen Zylinders quer zu seiner Achse).Ist D der von der Flussigkeit ausgefullte Bereich der x-y-Ebene, so lautendie Bedingungen der Quell- und Wirbelfreiheit (Divergenz und Rotation)

∂xu + ∂yv = 0, ∂yu− ∂xv = 0.

Die komplexwertige Funktion f := u − iv erfullt also in D die C.-R.-Differentialgleichungen. Diese im Stromungsbereich holomorphe Funk-tion wird komplexe Geschwindigkeit genannt.

Speziell fur die im Gebiet C \ {0} holomorphen Funktion

f(z) =1z, f(z) =

iz

besitzen die Stromungsfelder folgenden Verlauf:

Ein anderer Zugang zu ebenen Stromungsproblemen fuhrt uber das Ges-chwindigkeitspotential. In einem einfach zusammenhangenden Gebietbesitzt das Geschwindigkeitsfeld (u, v) wegen der Rotationsfreiheit einPotential (s. Analysis II), d.h. es gibt eine Funktion Φ mit

u = ∂xΦ, v = ∂yΦ.

Weiter gilt wegen der Divergenzfreiheit

∆Φ = ∂2xΦ + ∂2

yΦ = ∂xu + ∂yv = 0,

d.h. Φ ist harmonisch. Die Funktion Φ wird (reelles) Geschwindig-keitspotential genannt. Die (bis auf eine Konstante bestimmte) zu Φkonjugiert harmonische Funktion Ψ ist die sogenannte Stromfunktion.Ihre Niveaulinien sind die Stromlinien. Die holomorphe Funktion Φ+iΨheißt komplexes Geschwindigkeitspotential. Der Zusammenhangzwischen komplexer Geschwindigkeit und komplexem Potential ist

u− iv = (Φ + iΨ)′.

Beispiel 2.1 (Umstromung eines Kreiszylinders)Die holomorphe Funktion

w = f(z) = Φ + iΨ =12

(z +

1z

)(|z| > 1)

wird als Joukovskiabbildung bezeichnet. Diese Funktion bildet dasaußere des Einheitskreises auf die langs der Strecke [−1, 1] aufgeschlitztekomplexe Ebene ab.Die Urbildkurven horizontaler Geraden sind die Niveaulinen des Ima-ginarteils und Stromlinien einer (von verschiedenen moglichen) ebenenPotentialstromung um einen (unendlich) langen Kreiszylinder.Der Imaginarteil Ψ ist dann die Stromfunktion und der Realteil Φ istdie Potentialfunktion der Stromung. Hieraus kann man das Geschwin-digkeitsfeld der Stromung bestimmen.

Zylinderumstromung ohne Zirkulation und Parallelstromungflow around circular cylinder, circulation = 0

parallel flow, angle = 0

Das linke Bild entsteht aus dem rechten durch “Zuruckziehen” mit derJoukovski-Abbildung

w = f(z) = Φ + iΨ =12

(z +

1z

)(|z| > 1)

Die Stromlinien links sind die Niveaulinien des Imaginarteils von f .

Durch Uberlagerung einer reinen Wirbelstromung konnen weitere Zylin-derumstromungen (mit Zirkulation) berechnet werden.

flow around circular cylinder, circulation = 0.3 flow around circular cylinder, circulation = 1

Ist die Zirkulation groß, so entsteht ein Staupunkt der Stromung. DieZirkulation ist verantwortlich fur den “Auftrieb” des Zylinders.

2.3 Integralsatze und Integralformeln

Eine komplexwertige Funktion f : G → C kann langs einer (differenzier-baren) orientierten Kurve Γ integriert werden. Ist

γ : [α, β] → G

eine Parameterdarstellung der Kurve (man nennt γ auch einen Weg), sodefiniert man

γ

f(z) dz :=∫ β

α

f(γ(t))dγ

dt(t) dt.

Weil der Wert dieses Integrals von der konkreten Parameterdarstellungunabhangig ist, setzt man

Γ

f(z) dz :=∫

γ

f(z) dz.

Satz 2.5 (Cauchyscher Integralsatz) Ist die Funktion f im einfach zu-sammenhangenden Gebiet G holomorph, so hangt der Wert des Integralsnur vom Anfangs- und Endpunkt des Weges (in G) ab. Fur geschlosseneWege γ gilt dann

γ

f(z) dz = 0.

In mehrfach zusammenhangenden Gebieten gilt dies i.a. nicht. Sind aberzwei Wege γ1 und γ2 in G homotop, d.h. besitzen sie gleiche Anfangs-und Endpunkte und konnen (unter Erhalt der Anfangs- und Endpunkte)in G stetig ineinander deformiert werden, so gilt wiederum fur jede in Gholomorphe Funktion f

γ1

f(z) dz =∫

γ2

f(z) dz.

Multipliziert man die gegebene Funktion f vor der Integration mit derCauchyschen Kernfunktion

K(z, z0) :=1

2πi1

z − z0,

so besitzt der Integrand im allgemeinen (falls f(z0) 6= 0 ist) im Punktz0 eine Polstelle, ist also nur im mehrfach zusammenhangenden (“punk-tierten”) Gebiet G \ {z0} holomorph.Die Bedeutung der Integrale dieses Typs ist aus dem folgenden Satzersichtlich.

Satz 2.6 (Cauchysche Integralformel) Sei f im einfach zusammenhan-genden Gebiet G holomorph und γ ⊂ G \ {z0} ein (stetig differenzierba-rer) geschlossener Weg der z0 einmal in mathematisch positiver Richtungumlauft. Dann gilt

f(z0) =1

2πi

γ

f(z)z − z0

dz.

Eine wichtige Folgerung ist:

Satz 2.7 (Mittelwerteigenschaft harmonischer Funktionen) Ist f in Gharmonisch und liegt die abgeschlossene Kreisscheibe

K := {z ∈ C : |z − z0| ≤ r}

in G, so gilt die Mittelwertformel

f(z0) =12π

∫ 2π

0

f(z0 + reit) dt.

Fur holomorphe Funktionen folgt die Aussage aus der Cauchyschen Inte-gralformel. Harmonische Funktionen erganzt man durch eine konjugiertharmonische Funktion zu einer holomorphen Funktion und trennt dannwieder Real- und Imaginarteil.

Aus der Mittelwertformel folgen weitere Resultate:

Satz 2.8 (Maximumprinzip fur harmonische Funktionen) Sei u eine reell-wertige harmonische Funktion im Gebiet G. Wenn u in G ein Maximum(oder ein Minimum) annimmt, so ist u in G konstant.

Satz 2.9 (Maximumprinzip fur holomorphe Funktionen) Sei f im Ge-biet G holomorph. Wenn |f | in G ein Maximum annimmt, so ist f inG konstant.

Aus der Tatsache, daß |f | in G ein Minimum annimmt, folgt i.a. nichtdie Konstanz von f . Ist dieses Minimum |f(z0)| jedoch positiv, so istf wiederum konstant. Zum Beweis betrachte man die in G holomorpheFunktion g(z) = 1/f(z).

Differentiation der Cauchyschen Integralformel nach z0 ergibt eine Dars-tellung der Ableitungen holomorpher Funktionen durch ein Integral.

Satz 2.10 (Cauchysche Integralformel II) Sei f im einfach zusammen-hangenden Gebiet G holomorph und γ ⊂ G \ {z0} ein (stetig differen-zierbarer) geschlossener Weg der z0 einmal in mathematisch positiverRichtung umlauft. Dann gilt fur k = 0, 1, 2, . . .

f (k)(z0) =k!2πi

Γ

f(z)(z − z0)k+1

dz

Man kann ein Analogon der Cauchyschen Integralformel fur Funktionenangeben, die reell differenzierbar aber nicht notwendig holomorph sind.

Satz 2.11 (Borel-Pompeiu) Sei f im Gebiet G stetig differenzierbarnach x und y und G0 ein einfach zusammenhangendes Teilgebiet mitG0 ⊂ G und positiv orientierter Randkurve Γ. Dann gilt fur alle z0 ∈ G0

f(z0) =1

2πi

Γ

f(z)z − z0

dz − 1π

∫∫

G0

∂zf(z)z − z0

dxdy,

wobei z = x + iy.

2.4 Reihenentwicklungen

Ein alternativer Zugang (Weierstrass) zu holomorphen Funktionen ver-wendet Darstellungen als Potenzreihen.

Satz 2.12 (Taylorreihe) Eine Funktion ist f ist genau dann in der Kreis-scheibe

K = {z ∈ C : |z − z0| < R}holomorph, wenn sie als in K konvergente Potenzreihe darstellbar ist,

f(z) =∞∑

k=0

ck (z − z0)k.

In diesem Fall gilt fur die Koeffizienten

ck =f (k)(z0)

k!=

12πi

γ

f(z)(z − z0)k+1

dz

wobei γ ein in K verlaufender Weg ist, der z0 einmal in positiver Rich-tung umlauft.

Mit Hilfe des Identitatssatzes fur Potenzreihen kann man zeigen, dasszwei holomorphe Funktionen bereits dann ubereinstimmen mussen, wennsie auf einer “genugend grossen” Punktmenge die gleichen Werte anneh-men.

Satz 2.13 (Eindeutigkeitssatz fur holomorphe Funktionen) Sind f undg im Gebiet G holomorph, gilt f(zk) = g(zk) fur k = 1, 2, 3, . . . undbesitzt die Punktmenge {zk} einen Haufungspunkt in G, so ist f = g.

Die Aussage gilt nicht, wenn der Haufungspunkt auf dem Rand von Gliegt.Harmonische Funktionen konnen durchaus auf “großeren” Mengen (z.B.auf Linien) ubereinstimmen, ohne identisch zu sein, man braucht alsostarkere Voraussetzungen.

Satz 2.14 (Eindeutigkeitssatz fur harmonische Funktionen) Sind f undg im Gebiet G holomorph und gilt f(z) = g(z) auf einer offenen Teil-menge von G, so ist f = g.

2.5 Das Argumentprinzip

Das Argument arg z (der Polarwinkel) einer komplexen Zahl z 6= 0 istnur bis auf Vielfache von 2π definiert. Ist γ : [α, β] → C \ {0} ein Weg,so kann man fur den Anfangspunkt γ(α) einen Wert des Argumentesfestlegen und dann fur jedes t ∈ [α, β] das Argument von γ(t) so wahlen,daß die Abbildung

ϕ : [α, β] → R, t 7→ arg(γ(t))

stetig wird. Ist γ ein geschlossener Weg, so unterscheiden sich ϕ(α) undϕ(β) (hochstens) um Vielfache von 2π. Die ganze Zahl

wind γ :=12π

(ϕ(β)− ϕ(α))

wird dann Windungszahl des Weges γ genannt. Die Windungszahleiner geschlossenen orientierten Kurve ist gleich der Windungszahl einer(jeder) ihrer Parameterdarstellungen.Analog kann man die Windungszahl um einen Punkt z0 definieren, wenndieser nicht auf dem Weg (der Kurve) liegt.

Satz 2.15 (Argumentprinzip) Ist f im einfach zusammenhangenden Ge-biet G holomorph und liegen auf der einfachen geschlossenen positivorientierten Kurve Γ ⊂ G keine Nullstellen von f , so ist die Anzahlder Nullstellen von f im Inneren von Γ gleich der Windungszahl derBildkurve f(Γ) um den Nullpunkt.

Der Satz ist geeignet, um die Anzahl der Nullstellen in einem bestimm-ten Gebiet festzustellen. Insbesondere kann man damit auch zeigen,daß keine Nullstellen in einem bestimmten Gebiet liegen. z.B. ist esfur Stabilitatsuntersuchungen von dynamischen Systemen wichtig, daßeine zugeordnete holomorphe Funktion keine Nullstellen in der rechtenHalbebene hat.

2.6 Die kolorierte analytische Landschaft

Das Argument einer Funktion spieltauch bei Visualisierungen eine wich-tige Rolle. Reellwertige Funktio-nen eines reellen Arguments lassensich durch ihren Graph veranschau-lichen. Der Graph einer holomor-phen Funktion f lebt jedoch im vier-dimensionalen Raum. Die besteMoglichkeit zur Veranschaulichungsolcher Funktionen ist die kolorierteanalytische Landschaft, das ist derGraph von |f |, dessen Flache ents-prechend dem Argument von f ein-gefarbt wird. Zur Festlegung derFarbe bedient man sich des ublichenFarbkreises.

Farbdarstellung des Arguments des Einheitskreises

Die Bilder zeigen die analytische Landschaft und das “Phasendiagramm”der Funktion f(z) = z.

−2.5 −2 −1.5 −1 −0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5−2

−1.5

−1

−0.5

0

0.5

1

1.5

2Phasenplot von z

Re z

Im z

In vielen Fallen ist das Phasendiagramm viel aussagekraftiger, als die(ungefarbte) analytische Landschaft.

Die gefarbte analytische Landschaft enthalt die komplette Informationuber die Funktion.

−2−1.5

−1−0.5

00.5

11.5

2−2

−1

0

1

2

0.5

1

1.5

2

2.5

Im z

Kolorierte analytische Landschaft von z

Re z

Wenn die Funktionswerte sehr groß sind, empfiehlt sich die Verwendungdes Graphen von log f .

Mit Hilfe des Argumentprinzips kann man aus dem Phasendiagramm dieOrdnungen von Null- und Polstellen bequem ablesen.

−1

−0.5

0

0.5

1

1.5

2 −1

0

1

0

1

2

3

4

5

Im z

Kolorierte analytische Landschaft von (z−1)./(z.2+1)

Re z −1 −0.5 0 0.5 1 1.5 2−1.5

−1

−0.5

0

0.5

1

1.5Phasenplot von (z−1)./(z.2+1)

Re z

Im z

Das Bild zeigt das Phasendiagramm der Funktion f(z) = e1/z, die einewesentliche Singularitat bei z = 0 hat.

Hier sehen wir das Phasendiagramm der Funktion f(z) = 1/(1− z) undder 100-ten Partialsumme ihrer Taylorreihe bei z0 = 0.

Wie erklart sich das rechte Bild?

2.7 Konforme Abbildungen

Der dritte Zugang (von Riemann) zur Funktionentheorie beginnt miteiner geometrischen Betrachtung.

Eine Abbildung der Ebene heißt (eigentlich) winkeltreu oder konform,wenn sie die (orientierten) Schnittwinkel beliebiger glatter Kurven inva-riant laßt.Man betrachtet dann komplexwertige Funktionen w = f(z) als Ab-bildung der komplexen z-Ebene auf die komplexe w-Ebene und fragt,welche dieser Abbildungen winkeltreu sind.

Satz 2.16 Eine (stetig reell differenzierbare) Abbildung f : D ⊂ C→ Cist genau dann in D konform, wenn f : x+ iy 7→ u+ iv in D holomorphist und dort f ′(z) 6= 0 gilt.

Holomorphe Funktionen f vermitteln lokale Ahnlichkeitstransformatio-nen mit dem Streckungsfaktor |f ′| und dem Drehwinkel arg f .

Beispiel: Die Funktion

w = f(z) =z − iz + i

wird Cayley-Abbildung genannt. Sie vermittelt eine umkehrbar eindeu-tige konforme Abbildung der (offenen) oberen Halbebene auf die (offene)Einheitskreisscheibe.

−5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5

−1

0

1

2

3

4

5

6

−0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

Die Umkehrabbildung der Cayley-Abblidung ist z = i1 + w

1− w.

−0.8 −0.6 −0.4 −0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

−5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5−1

0

1

2

3

4

5

6

7

Beispiel: Die im Einheitskreis D definierte Funktion

w = f(z) = eiα z − z0

1− z0z, z0 ∈ D, α ∈ R

heißt Blaschkefaktor. Sie vermittelt eine biholomorphe Abbildung desEinheitskreises D auf sich, wobei der Punkt z0 in 0 abgebildet wird. DerParameter α beschreibt einen Drehwinkel.

Eine zentrale Frage der Existenz von konformen Abbildungen lautet:Welche Gebiete G lassen sich konform und bijektiv (man sagt traditio-nell auch schlicht) auf die Einheitskreisscheibe abbilden? Aus rein topo-logischen Grunden konnen dies nur einfach zusammenhangende Gebietesein.Das folgende Resultat zeigt, dass diese Bedingung auch (fast) hinreichendist.

Satz 2.17 (Riemannscher Abbildungssatz) Jedes einfach zusammenhan-gende Gebiet G ⊂ C mit mindestens zwei Randpunkten laßt sich konformund bijektiv auf die Einheitskreisscheibe abbilden.Ist z0 ∈ G beliebig gewahlt, so ist diese Abbildung durch die Zusatzbedin-gungen

f(z0) = 0, f ′(z0) > 0

eindeutig bestimmt.

Sind nun G1 und G2 zwei einfach zusammenhangende Gebiete und f1, f2

konforme Abbildungen von Gj auf D, so kann eine konforme Abbildungvon G1 auf G2 als Komposition f := f−1

2 ◦ f1 gebildet werden.

Wann kann eine konforme Abbildung bis auf die Rander der Gebietestetig fortgesetzt werden?

Definition 2.4 Eine Abbildung ϕ : X → Y heißt Homoomorphis-mus zwischen (metrischen Raumen) X und Y , wenn ϕ bijektiv ist undsowohl ϕ als auch ϕ−1 stetig sind.

Definition 2.5 Ein Gebiet G heißt Jordangebiet, wenn sein Rand ∂Ghomoomorph zur Einheitskreislinie ist.

Satz 2.18 (Caratheodory-Osgood) Sei G ein Jordangebiet. Dann laßtsich jede bijektive (“schlichte”) konforme Abbildung f : G → D zu einemHomoomorphismus zwischen G und D fortsetzen.

Eine wichtige Frage ist die Regularitat von konformen Abbildungen aufder Abschließung des Gebiets, also insbesondere auf dem Rand (im Inne-ren des Gebiets sind konforme Abbildungen als holomorphe Funktionenbeliebig oft differenzierbar).

Definition 2.6 Es sei k eine positive ganze Zahl. Ein Jordangebiet Ggehort zur Glattheitsklasse Ck wenn sein Rand Γ eine Parameterdars-tellung γ : R → Γ mit einer k-mal stetig differenzierbaren periodischenFunktion γ besitzt, deren Ableitung nirgends Null wird.

Satz 2.19 (Warschawski) Ist G ein Jordangebiet der Glattheitsklasse Ck

mit k ≥ 1, so ist die Fortsetzung jeder konforme Abbildung f : G → Dauf G dort (k − 1)-mal stetig differenzierbar, kurz f ∈ Ck−1(G).

Dieser Satz laßt sich verscharfen. Z.B. gilt unter Verwendung von Holder-Raumen f ∈ Ck−1,α(G) fur beliebiges α < 1. Man kann aber k−1 nichtdurch k ersetzen, d.h. es gibt einen gewissen Glattheitsverlust.