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75. Jahrestagung 2016 Gesellschaft für Nervenheilkunde des Landes Mecklenburg Vorpommern e.V. www.schaeferevent.de RATHAUS STRALSUND A BSTRACTS Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. med. JÖRN PETER SIEB Chefarzt der Neurologischen Klinik HELIOS Hanseklinikum Stralsund Prof. Dr. med. HARALD J. FREYBERGER Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Greifswald am HELIOS Hanseklinikum Stralsund Veranstalter: SCHÄFER EVENT & KOMMUNIKATION

ABSTRACTS · * Klinik für Neurologie, HELIOS Hanseklinikum Stralsund § Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin, Institut für Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin

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RATHAUS STRALSUND

ABSTRACTS

Wissenschaftliche Leitung:

Prof. Dr. med. JÖRN PETER SIEB

Chefarzt der Neurologischen Klinik HELIOS Hanseklinikum Stralsund

Prof. Dr. med. HARALD J. FREYBERGER

Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Greifswald am HELIOS Hanseklinikum Stralsund Veranstalter:

SCHÄFER EVENT & KOMMUNIKATION

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Freie Vorträge

NEUROLOGIE Vorsitz: S. Mehnert, Wismar/ M. Roth, Güstrow

15:30 – 17:45 Uhr Konferenzsaal im Rathaus Stralsund

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NEU01 Mutation im COL4A1-Gen als seltene Ursache von spontaner intracerebraler Blutung und

Leukenzephalopathie bei einem jungen Patienten Christoph Kamm1, Jessica Hoffmann2, Saskia Biskup2 1 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock 2 CeGaT GmbH, Center for Genomics and Transcriptomics und Praxis für Humangenetik, Tübingen

Hintergrund/Fragestellung: Cerebrale Mikroangiopathien sind eine sehr häufige Ursache von Schlaganfällen. Bei jungen Patienten ohne bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren müssen, auch bei negativer oder scheinbar negativer Familienanamnese, differentialdiagnostisch auch seltene monogenetische Ursachen berücksichtigt werden. Mutationen im COL4A1-Gen sind eine sehr seltene Ursache erblicher Formen von zerebraler Mikroangiopathie/Leukoaraiose mit einem breiten Spektrum möglicher Phänotypen mit Manifestation im Kindes- oder frühen bis mittleren Erwachsenenalter, die häufig mit einer erhöhten Anfälligkeit für intracerebrale Blutungen und mit lakunären Schlaganfällen assoziiert sind. Methodik/Ergebnisse: Vorgestellt wird der Fall eines mittlerweile 35jährigen Patienten mit einer spontanen intrakraniellen Blutung links hochparietal, symptomatisch mit armbetonter Hemiparese rechts und Aphasie. cMRT-bildmorphologisch zeigte sich zusätzlich eine ausgedehnte Leukaraiose unklarer Genese bei fehlenden kardiovaskulären Risikofaktoren. Familienanamnestisch wurde über eine Systemerkrankung des Vaters berichtet mit Leber- und Nierenbeteiligung, die bei diesem mit 51 Jahren zum Tod führte, nicht jedoch über Schlaganfälle. Biochemische Enzymdiagnostik hinsichtlich häufigerer Formen von Leukodystrophien erbrachte keine wegweisenden Befunde. In der anschließend durchgeführten molekulargenetischen Stufendiagnostik mittels „next generation sequencing (NGS)“ mit Analyse eines Panels von 61 Genen, die mit Leukodystrophien bzw. Leukenzephalopathien assoziiert sind, fand sich eine Mutation im COL4A1-Gen, c.236G>T, p.Gly79Val, in heterozygoter Ausprägung. Diese wurde bislang erst bei einem Patienten mit unvollständigem HANAC-Phänotyp beschrieben [Caetano et al., Synapse 2015, 15(1):23-26]. Sie führt zum Austausch einer phylogenetisch hochkonservierten Aminosäure in der Propeptiddomäne. Diskussion: Wir berichten den Fall eines jungen Patienten mit einer spontanen intracerebralen Blutung und Leukaraiose, als deren Ursache mittels „next generation sequencing „(NGS) eine Mutation im COL4A1-Gen identifiziert wurde. Dieser Fall zeigt, dass es möglich ist, mittels NGS auch sehr seltene monogenetische Ursachen cerebraler Mikroangiopathien und intracerebraler Blutungen zu erkennen, auch um ein adäquates Monitoring hinsichtlich möglicher weiterer Organmanifestationen (bei COL4A1-assoziierten Erkrankungen: u.a. Nephropathie mit Nierenzysten, cerebrale Aneurysmata, kardiovaskuläre Manifestationen mit Arrythmien, okuläre Manifestationen etc.) und eine genetische Beratung von Angehörigen zu ermöglichen. Zu weiteren seltenen Differentialdiagnosen monogenetisch bedingter cerebraler Mikroangiopathien gehören CADASIL/NOTCH3, CARASIL/HTRA1, Morbus Fabry/GALA, und AD-RVLC/TREX1.

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NEU02 Intravenöse Thrombolyse nach Antagonisierung von Dabigatran durch Idarucizumab bei

einem Ponsinfarkt Lydia Kabus*, Leif Lorenz*, Thomas Thiele§, Jörn Peter Sieb* * Klinik für Neurologie, HELIOS Hanseklinikum Stralsund § Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin, Institut für Transfusionsmedizin der

Universitätsmedizin Greifswald

Einleitung: Heute werden in erster Linie die neuen, direkt wirkenden, oralen Antikoagulantien zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern eingesetzt. Der Einsatz ist mit dem Risiko schwerer, gegebenenfalls auch lebensbedrohlicher Blutungskomplikationen behaftet. Ende des Jahres 2015 wurde der monoklonale Antikörper Idarucizumab (Praxbind®) innerhalb der Europäischen Union und in den USA zugelassen, um in Notfallsituationen und bei ansonsten nicht handhabbaren Blutungen Dabigatran (Pradaxa®) zu antagonisieren. Schäfer et al. berichteten 2016 über die Verwendung von Idarucizumab beim akuten Schlaganfall, um Dabigatran vor einer systemischen Thrombolyse zu antagonisieren [1]. Dieses Vorgehen bei der Behandlung des akuten Schlaganfalls birgt aber aufgrund einer daraus eventuell resultierenden, prothrombogenen Situation auch Risiken. Dies muss aber mit dem zu erwartenden Nutzen einer nach Gabe von Idarucizumab dann möglichen systemischen Thrombolyse abgewogen werden. Derzeit fehlen noch Behandlungsprotokolle, um in der Notfallsituation rasch Risiko und Nutzen beim einzelnen Patienten sicher abwägen zu können. Wir berichten hier über die sekundäre Verschlechterung eines Patienten mit Ponsinfarkt 32 Stunden nach Antagonisierung von Dabigatran mit Idarucizumab, der eine intravenöse Thrombolyse erhielt. Methoden: Fallbericht und systematische Literaturübersicht. Ergebnisse: Die erste stationäre Aufnahme des 66-jährigen Mannes (Körpergewicht: 93 kg, CHADSVasc Score: 3, HASBLED Score 2, normale Nierenfunktion) erfolgte nach einer zirka eine Stunde andauernden Episode mit einer linksseitigen Hemiparese und einer Dysarthrie. Bei Aufnahme hatte sich die neurologische Symptomatik zurückgebildet und es erfolgte keine intravenöse Thrombolyse. Kernspintomografisch fand sich keine akute Ischämie im Hirnstamm. In der EKG-Überwachung zeigte sich eine kurze Episode einer Tachyarrhythmia absoluta. Sekundärprophylaktisch stellten wir den Patienten auf eine orale Antikoagulation mit Dabigatran ein. Nach 5 Tagen der antikoagulatorischen Behandlung mit Dabigatran wurde der Patient mit neurologischen Defiziten ähnlich denjenigen kurz vorab notfallmäßig erneut uns zugewiesen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme bestanden die neurologischen Defizite bereits zirka 60 Minuten. Nun entschlossen wir uns, um eine intravenöse Thrombolyse durchzuführen, zur i.v.-Gabe von 5 g Idarucizumab. Dieses wurde 80 Minuten nach Beginn der Symptomatik verabreicht. Anschließend erfolgte eine intravenöse Thrombolyse (81 mg rt-PA, Actilyse®) und zwar 135 Minuten nach Schlaganfallbeginn (= ‚Onset-to-needle-time‘). Dies führte zu einer deutlichen Verbesserung. Dreißig Minuten nach der rt-PA-Infusion bestand nur noch eine leichtgradige Parese des linken Beins. Bereits am selben Abend war er ohne neurologische Defizite. In der MRT konnte eine kleine parapontine Ischämie rechts gesichert werden [Abb. 1A]. Die Dabigatran-Medikation wurde 26 Stunden nach der systemischen Thrombolyse wieder begonnen. Fünf Stunden nach der Einnahme von Dabigatran entwickelte der Patient wiederum eine ausgeprägte Hemiparese links (NIHSS Score 6). Diese verschlechterte sich weiter bis zur Plegie des linken Armes. Die Kontroll-MRT 44 Stunden nach der Anwendung von Idarucizumab zeigte einen ausgeprägten pontinen Infarkt [Abb. 1B]. Der NIHSS Score betrug 48 Stunden nach der systemischen Thrombolyse 11. Diskussion: Idarucizumab ist zugelassen, um bei erwachsenen Patienten in Notfallsituationen und bei lebensbedrohlichen Blutungen eine schnelle Antagonisierung der gerinnungshemmenden Wirkung von Dabigatran zu erreichen. Es ist jedoch nicht ausdrücklich vor einer intravenösen Thrombolyse bei akuten Schlaganfällen unter Dabigatran zugelassen. Das erst wenige Monate verfügbare Idarucizumab wurde bislang nur selten in der Situation des akuten Schlaganfalls eingesetzt [1]. Die antithrombotische Therapie mit Dabigatran kann im Rahmen der Zulassung 24 Stunden nach der Anwendung von Idarucizumab wieder aufgenommen werden, wenn der Patient klinisch stabil ist und eine angemessene Hämostase erreicht wurde [6].

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Eine prokoagulatorische Aktivität von Idarucizumab wurde bislang nicht nachgewiesen [2]. Allerdings kann ein erhöhtes Risiko einer Verschlechterung einer Ischämie aus den verschiedenen pharmakokinetischen Eigenschaften der einzelnen Medikamente resultieren: Die anfängliche Halbwertszeit (im Blut) des monoklonalen Antikörpers Idarucizumab beträgt 45 Minuten. Die terminale Halbwertszeit (Nachweisbarkeit im Körper) wird mit 10,3 Stunden angegeben [2], diese kann aber bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion verlängert sein. 30 Stunden nach der intravenösen Applikation kann im Kreislauf bei Patienten mit normaler Nierenfunktion noch 2-3% der Anfangsdosis nachgewiesen werden. Dagegen beträgt die anfängliche Halbwertzeit von Alteplase (rt-PA) 4 bis 5 Minuten [3]. Nach 20 Minuten sind weniger als 10% der Anfangsmenge von Alteplase im Blut vorhanden. Die terminale Halbwertszeit von Alteplase beträgt zirka 40 Minuten. Weniger als 0,1% der ursprünglichen Dosis von Alteplase sind nach 440 min (zirka 7 Stunden) nachweisbar. Diese unterschiedlichen pharmakokinetischen Eigenschaften können in einen Zeitraum von mehreren Stunden bei einem nicht ausreichenden Schutz gegen thrombembolische Komplikationen eine Ischämie hervorrufen. Zusätzlich ist auch einen teilweise Antagonisierung der dann im Verlauf wieder eingenommenen Dabigatran-Dosis denkbar. Hieraus sind die folgenden Konsequenzen aus unserer Sicht klinisch zu ziehen:

Erstens muss die Möglichkeit von Dabigatran-Nonrespondern beachtet werden. [7].

Zweitens ist aus unserer Sicht in dieser klinischen Situation eine Überbrückung mit einem kurzwirksamen Heparin eine zu erwägende Option, um das Risiko sekundärer Ischämien zu reduzieren.

Drittens ist zu fragen, ob die Weiterbehandlung mit Dabigatran nach Idarucizumab-Gabe schon nach 24 Stunden begonnen werden sollte. Möglicherweise ist es dann besser, von Dabigatran auf ein anderes Antikoagulanz zu wechseln, um sekundäre Ischämien zu verhindern.

Literatur: 1. Schäfer N, Müller A, Wüllner U. Systemic Thrombolysis for Ischemic Stroke after Antagonizing Dabigatran with

Idarucizumab-A Case Report. J Stroke Cerebrovasc Dis. 2016 May 25. [Epub ahead of print] 2. Glund S, Moschetti V, Norris S, Stangier J, Schmohl M, van Ryn J,Lang B, Ramael S, Reilly. P A randomised study in

healthy volunteers to investigate the safety, tolerability and pharmacokinetics of idarucizumab, a specific antidote to dabigatran. Thromb Haemost 2015:113(5):943–951.

3. Murray V, Norrving B, Sandercock PAG, Terént A, Wardlaw JM, Wester P. The molecular basis of thrombolysis and its clinical application in stroke. J Intern Med 2010;267:191–208.

4. Glund S, Stangier J, Schmohl M, et al. Safety, tolerability and efficacy of idarucizumab for the reversal of the anticoagulant effect of dabigatran in healthy male volunteers: a randomised, placebo-controlled, double-blind phase 1 trial. Lancet 2015;386:680-690.

5. Pollack CV Jr, Reilly PA, Eikelboom J, et al. Idarucizumab for dabigatran reversal. N Engl J Med 2015;373:511-520. 6. Fachinformation Pradaxa® Stand Januar 2016 Boehringer Ingelheim International GmbH Ingelheim am Rhein,

Zulassungsnummer EU/1/08/442/005. 7. DeFelipe-Mimbrera A, Cánovas AA, Guillán M, et al. Dabigatran in Secondary Stroke Prevention: Clinical Experience

with 106 Patients. BioMed Research International. 2014;2014:567026. doi:10.1155/2014/567026.

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NEU03 Der Einfluss von Hörstörungen auf das Demenzrisiko

Thomas Fritze1,2, Stefan Teipel1,3, Attila Óvári4, Ingo, Kilimann1,3, Gabriele Witt4, Gabriele Doblhammer5,6

1. Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Rostock/Greifswald

2. Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels, Rostock 3. Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Universitätsmedizin

Rostock 4. Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie,

Universität Rostock 5. Institut für Soziologie und Demografie, Universität Rostock 6. Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Bonn

Die zukünftige Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen und Demenzerkrankten hängt wesentlich mit der demografischen Entwicklung Deutschlands zusammen. Prävention und Behandlung von Demenz sind von wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaft. Da die Demenz selbst nicht heilbar ist, könnte die zukünftige Zahl der Menschen mit Demenz durch krankheitsmodifizierende Interventionen beeinflusst werden. Die Demenz soll so verhindert oder deren Fortschreiten verlangsamt werden. Eine mögliche Intervention könnte die Behandlung von Hörstörungen sein. Auf individueller Ebene konnte ein Zusammenhang von Hörstörungen und Demenz bereits festgestellt werden. In einer vorhergehenden Studie konnten wir diesen auch auf regionaler Ebene zeigen. Basierend auf Krankenkassendaten untersuchen wir nun den Einfluss von Hörstörungen auf die Demenzinzidenz. Wir nutzen Abrechnungsdaten der AOK als größter deutscher Krankenkasse. Im Rahmen der Longitudinalanalyse wird basierend auf einem diagnosefreien Zeitraum 2004-2005 die Demenzinzidenz für 154.784 Personen im Alter 65+ im Zeitraum 2006-2010 festgestellt. Cox Proportional Hazard-Modelle ermitteln das relative Risiko von Demenz in Abhängigkeit von Hörstörungen, adjustiert für HNO-Arzt Beanspruchung, Pflegestufe, Institutionalisierung, Depression, Alter, Geschlecht und verschiedenen Komorbiditäten. Die zugrunde liegenden Diagnosen von Demenz, Hörstörungen und Komorbiditäten beruhen jeweils auf der ICD-10-Klassifikation. Die Ergebnisse zeigen, dass im Zeitraum 2006-2010 14602 der beobachteten Personen erstmals die Diagnose Demenz erhielten. Das Risiko einer Demenzinzidenz war, verglichen mit Personen ohne Hörstörungen und kontrolliert für alle zuvor genannten Informationen, für Personen mit einer beidseitigen (HR=1,43; p<0,001) oder seitenunspezifischen Hörstörung (HR=1,20; p<0,001) signifikant erhöht. Neben anderen Interaktionseffekten weist die Interaktion zwischen beidseitiger Hörstörung und HNO-Arzt Beanspruchung auf ein geringeres Inzidenzrisiko hin (HR=0,83, p=0,004). Der Zusammenhang von Hörstörungen und Demenz wurde in epidemiologischen Studien wiederholt auf individueller Ebene dargestellt. Die Ergebnisse der Sekundäranalyse zeigen, dass Hörstörungen das Risiko der Demenzinzidenz erhöhen. Die Behandlung einer Hörstörung kann soziale Isolation verringern, die Kognition stimulieren und somit das Risiko einer Demenz vermindern.

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NEU04 Klinische Ähnlichkeit einer atypischen kortikobasalen Degeneration (CBD) mit einer

ALS-FTD 1Johannes Prudlo, 2Stefan Teipel, 3Andreas Büttner, 4Manuela Neumann

1Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock und Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Rostock 2Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Universitätsmedizin Rostock und Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Rostock 3Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Rostock 4Institut für Neuropathologie, Universität Tübingen und Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Tübingen

Der Assoziation aus amyotropher Lateralsklerose und frontotemporaler Demenz (ALS-FTD) liegt eine TDP-43- oder eine FUS-Pathologie zugrunde (FTLD-TDP bzw. FTLD-FUS). Diesen beiden Pathologien frontotemporaler Lappendegenerationen stehen als dritte Gruppe die Tauopathien gegenüber (FTLD-TAU). Zu den 4 Repeat (4R)-Tauopathien zählen die kortikobasale Degeneration (CBD) und die progressive supranukleäre Blickparese (PSP). Selten können sporadische 4R-Tauopathien klinisch einer ALS-FTD ähnlich sehen. Dies soll am Beispiel einer 77 Jährigen Patientin dargestellt werden, die jahrelang an einer bulbären Symptomatik litt, bevor eine Verhaltensvariante einer FTD (bvFTD) hinzutrat. Der Autopsiebefund erbrachte eine atypische CBD Pathologie. Atypisch deshalb, weil neben CBD-typischen, Tau-positiven, histopathologischen Merkmalen, darunter astrocytic plaques, zahlreiche „büschelige Astrozyten“ (tufted astrocytes) zu finden waren, die wiederum typisch sind für die PSP und gewöhnlich nicht zusammen mit astrocytic plaques auftreten. Da die bulbäre Symptomatik, beginnend mit einer Dysphagie, den Anfang der Erkrankung bildete und sich über 16 Jahre erstreckte, könnte der vorliegende Fall als „CBD-MND-like“ (motor neuron disease-ähnlich) bezeichnet werden. Dies entspräche einem neuen CBD Subtyp, der den vier aktuell gültigen CBD Subtypen (Armstrong 2013) als fünfter hinzugefügt werden müsste. Alternativ wäre zu fragen, ob dieser außergewöhnliche Fall nicht eine eigenständige nosologische Entität darstellt, die von der CBD abzugrenzen ist. Dies sollte durch weitere kliniko-pathologische Untersuchungen geklärt werden und unterstreicht die Bedeutung des Brain bankings in der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen.

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NEU05 Die reversible Spleniumläsion und das visuelle Diskonnektionssyndrom: Über einen

eigenartigen MRT-Befund und sein mögliches klinisches Korrelat 1Stefan Niemuth, 2Volker Hingst, 2Annette Großmann, 1Johannes Prudlo

1Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock und Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Rostock 2 Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsmedizin Rostock

Das Corpus callosum besteht aus Kommissurenfasern, die spiegelbildlich gelegene Abschnitte der Großhirnhemisphären verbinden. Im hinteren Abschnitt des Balkens, dem Splenium corporis callosi, verlaufen okzipitale Fasern, die für eine interhemisphärische Übertragung von visuellen Informationen sorgen. Beschrieben werden die Krankheitsverläufe zweier Patienten (44 und 28 Jahre) mit milden viralen Miningoenzephalitiden. Beide Patienten zeigten in der kranialen MRT ovaläre, scharf begrenzte Spleniumläsionen mit Charakteristika, die an MRT Veränderungen bei subaktuten Schlaganfällen erinnern: Diffusionsrestriktion in der DWI/ADC, hypointens in T1, hyperintens in T2. Diese sehr charakteristischen Läsionen, die sich innerhalb von Tagen zurückbilden, wurden seit 1996 vereinzelt beschrieben, meist im Zusammenhang mit Infektionen oder Epilepsie. Sie sollen asymptomatisch sein. Wären sie es nicht, müßten sie zu einem visuellen Diskonnektionssyndrom führen mit einer Anomie (nicht benennen können) für Buchstaben, Zahlen und Farben, die in Form von Kärtchen der linken Gesichtshälfte präsentiert werden, um von der rechten Sehrinde über den funktionsgestörten hinteren Balken nicht dem Sprachzentrum in der linken dominanten Hemisphäre zugeführt werden zu können.

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NEU06 Akutes Einsetzen einer kombinierten Demyelinisierung im zentralen und peripheren

Nervensystem. Therapie eines Falls ohne Nachweis von anti-Neurofascin-Antikörpern Katja Borgmann, Leif Lorenz, Matthias Grothe*. Jörn Peter Sieb Neurologische Klinik, HELIOS Hanseklinikum Stralsund * Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Greifswald

Einleitung: Das akute Einsetzen einer Demyelinisierung zentral-nervös und im Bereich des peripheren Nervensystems ist überaus selten. Bislang gibt es nur wenige Fallberichte. 2013 wurden bei dieser klinischen Konstellation erstmals Antikörper gegen das Zelladhäsionsmolekül Neurofascin identifiziert als Hinweis auf das mögliche Zielantigen im Rahmen dieses autoimmunologischen Krankheitsprozesses. Diese Antikörper waren in einem japanischen Kollektiv bei 86% der Patienten nachweisbar [1]. Neurofascin-Antikörper finden sich aber auch gelegentlich bei anderen autoimmunologischen Erkrankungen, wie z.B. bei Multipler Sklerose und bei CIDP. Insgesamt scheint eine klinische, radiologische und serologische Heterogenität dieses Krankheitsbildes gegeben zu sein. Wie die betroffenen Patienten am besten zu behandeln sind, ist unklar. Methoden: Fallbericht mit Videodokumentation. Ergebnisse: Wir berichten über einen vorab gesunden 52-jährigen Mann, den wir nach einem bronchopulmonalen Infekt Wochen zuvor, mit einer sich subakut entwickelnden Tetraparese behandelten. Tage vor der stationären Aufnahme kam es zu kolikartigen Beschwerden. Das Wasserlassen war erschwert, so dass er zunächst mit einer Überlaufblase nephrologisch aufgenommen wurde. Bereits stationär kam es dann rasch zunehmend zu einer distal und rechts betonten, schlaffen Beinparese. Anfänglich waren die Arme noch ausgespart. Neurologisch zeigten sich eine neben der Beinparese und dem Harnverhalt abgeschwächte Reflexe an den unteren Extremitäten. Keine Pyramidenbahnzeichen. Diagnostisch erfolgten zunächst ein lumbales MRT und CT Abdomen / Becken, die unauffällige Befunde erbrachten. Liquordiagnostisch zeigte sich eine granulozytäre Pleozytose mit einer Zellzahl von 68 Mpt/l (Normalbereich <5 Mpt/l) bei einem deutlich erhöhten Gesamteiweiß von 980 mg/ l(Normalbereich <450mg/l), keine oligoklonalen Banden. Kernspintomographischen wurden dann eine langstreckige (8 Wirbelkörpersegmente), zerviko-thorakale Myelonläsion und eine Kleinhirnläsion rechts festgestellt. Überraschend fanden sich neurographisch zunehmend und schließlich deutliche Hinweise auf eine demyelinisierende, motorische Polyneuropathie. Schließlich waren in der motorischen Neurographie u.a. die distal-motorische Latenzen an den untersuchten Beinnerven deutlich verlängert (N. peroneus links 6,1 ms, rechts 5,3 ms; N. tibialis links 6,4 ms, rechts 6,8 ms) verbunden mit einer teilweisen deutlichen temporalen Dispersion der Summenaktionspotenziale bei einem Rückgang der Nervenleitgeschwindigkeiten. Elektromyographisch ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine axonale Schädigung. Anti-Neurofascin- (NF-155), anti-Aquaporin 4-, GM1- und GQ1b-Antikörper (Euroimmun, Lübeck) waren im Serum nicht nachweisbar. Somit bestand eine Myelitis verbunden mit einer demyelinisierenden Polyneuropathie. Der therapeutische Ansatz war polypragmatisch und orientierte sich an der klinischen Entwicklung des Krankheitsbildes. Es erfolgte eine Behandlung mit Ceftriaxon, Ampicillin sowie Aciclovir sowie gleichzeitig eine gewichtsadaptierte Behandlung mit i.v.-Immunglobulinen (Gesamtdosis 200g Privigen® = 2g/kg Körpergewicht). Ab dem 4. Tag begannen wir überlappend mit einer i.v.-Pulstherapie mit 1000 mg Methylprednisolon täglich über 5 Tage und Clarithromycin. Bei klinischer Progredienz wurden zusätzlich ab dem 10. Tag Plasmapheresen (5 Behandlungen innerhalb von10 Tagen) eingeleitet, welche bei uns zu einer leichten klinischen Besserung führten. Im Anschluss entschieden wir uns für einen zweiten Zyklus mit Immunglobulinen (Gesamtdosis 200g = 2g/kg Körpergewicht). Nach Verlegung in die BDH-Klinik Greifswald kam es zu einer erneuten Verschlechterung mit Parästhesien der Arme und einer dazu korrelierenden Zunahme der Leitungsverzögerung in den SSEP sowie einer Befundverschlechterung im cervicothorakalen MRT. An der Universitätsmedizin Greifswald erfolgten dann Plasmapheresen (7 Zyklen) und die Gabe von Rituximab. Elektrophysiologisch wurde nun von einer axonalen Polyneuropathie ausgegangen. Aktuell besteht eine ausgeprägte Tetraparese mit Gehunfähigkeit.

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Diskussion: Die Literatursuche ergab ähnliche Fälle mit aktiver Erkrankung, früh einsetzender Schädigung peripherer Nerven und zentraler Demyelinisierung [2]. Patienten mit einer kombinierten zentralen und peripheren Demyelinisierung scheinen eine heterogene Gruppe zu sein. Bei einigen Patenten kann ein Antikörper-vermitteltes Syndrom mit anti-Neurofascin-Antikörper vorliegen, wobei es auch Patienten ohne Nachweis dieser Antikörper gibt. Rezidive können vorkommen. Differentialdiagnostisch besteht auch die Möglichkeit einer Neuromyelitis optica-Spektrumerkrankung ohne Nachweis von Aquaporin 4-Antikörpern. Durch unseren polypragmatischen Ansatz konnte nur passager eine Besserung erreicht werden. Insbesondere fragen wir uns, ob eine längerfristig ausgerichtete Immunsuppression z.B. mit einer B-Zell-Depletion durch Rituximab angebracht gewesen wäre. Literatur: 1. Kawamura N, Yamasaki R, Yonekawa T, et al. Anti-neurofascin antibody in patients with combined central and

peripheral demyelination Neurology 2013;81:714–722. 2. Cortese A, Devaux JJ, Zardini E, et al. Neurofascin-155 as a putative antigen in combined central and peripheral

demyelination. Neurology Neuroimmunology & Neuroinflammation. 2016;3(4):e238. doi:10.1212/NXI.0000000000000238.

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Freie Vorträge

PSYCHIATRIE Vorsitz: A. Broocks, Schwerin/ J. M. Langosch, Greifswald/

15:30 – 17:45 Uhr Löwenscher Saal im Rathaus Stralsund

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PSY01 Detektion von desorientiertem Bewegungsverhalten in der Alltagsmobilität bei Demenz

für proaktive Navigationsassistenz Philipp Koldrack1, Christina Heine1,2, Thomas Kirste3, Stefan Teipe1,2 1Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Standort Rostock/ Greifswald 2Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Universität Rostock 3Institut für Informatik, Universität Rostock

Einleitung: Räumliche Desorientierung tritt im Verlauf der Alzheimer Krankheit häufig schon in der prädemenziellen Phase auf. Betroffene berichten über Erlebnisse der Orientierungslosigkeit außer Haus, die in der Regel als sehr dramatisch und beängstigend empfunden werden. Das Fortschreiten demenzieller Erkrankungen ist mit verminderter Mobilität sowie sozialer Aktivität assoziiert. Technische Assistenz für Mobilität kann daher einen Beitrag zum Erhalt des individuellen Lebensraumes, mit den sozialen und instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens, leisten. Tragbare Sensorik und Methoden der Aktivitätserkennung und Kontextanalyse erlauben heute eine potenziell feinere Differenzierung unerwünschter Zustände, als es gegenwärtig durch den Einsatz kommerzieller Tracking- und Geofencing- Anwendungen möglich ist. Eine frühzeitige Erkennung desorientier Zustände im Aktivitätskontext bietet die Gelegenheit den Anwender durch geeignete Hinweise zunächst selbst zu reorientieren und aktiv bei der Wegefindung zu unterstützen. Methoden: Im Rahmen der SiNDeM Studie (BMBF, FKZ: 16SV7091) wurden Personen mit leichter kognitiver Störung bis leichter Demenz bei Alzheimer Krankheit auf einem Spaziergang in urbaner Umgebung begleitet. Die Aufgabe für den Probanden bestand im selbstständigen Finden des Rückweges. Dabei erfolgte eine Aufzeichnung mittels Videokamera, GPS-Log sowie Sensoren für Bewegung und Biofeedback. Die erfassten Datenströme wurden in Segmente von 10s Dauer unterteilt und das Verhalten unter Verwendung der Videoprotokolle sowie eines formalen Begriffsrasters annotiert. Statistische Kennwerte des Bewegungsmusters innerhalb der Segmente charakterisieren das Verhalten zum betrachteten Zeitpunkt. Mittels maschineller Lernverfahren werden Kennwerte mit optimaler Diskriminationsfähigkeit der Verhaltensmuster identifiziert und die erreichbare Erkennungsleistung quantifiziert. Ergebnisse: Der Zustand der Desorientierung manifestiert sich im Bewegungsverhalten durch zögerlich-stockende Bewegungsmuster, welche mit tragbaren Sensoren erfassbar sind. Eine proaktive Assistenzfunktion für Alltagsmobilität kann jedoch nicht allein auf diesen Kennwerten gründen, da entsprechendes Verhalten häufig auch durch rein äußerliche Umstände induziert wird, ohne das Desorientierung vorliegt. Weiterhin wird die Nutzbarkeit zusätzlicher Kontextinformationen in den folgenden Analysen betrachtet werden.

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PSY02 Differentialdiagnostische Erwägungen bei spongiformer Enzephalopathie – Kasuistik

einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungsvariante Catharina Sieveking, Dr. Monique Görke, Prof. Dr. Jacqueline Hoeppner Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Vor dem Hintergrund der Seltenheit und der zusätzlich durch die Vielfalt an Symptomatik häufigen Fehldiagnostik, stellen wir anhand einer Kasuistik einen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungsfall (CJD) vor und diskutieren anhand der Befunde differentialdiagnostisch. Unterformen der sporadischen CJD unterscheiden sich beispielsweise in den klinischen Charakteristika, im Verlauf und in den zusatzdiagnostischen Befunden. Unsere Patientin litt in Zusammenschau aller Befunde wahrscheinlich an einer seltenen Form eines VV2-Subtypes einer CJD. Die 66-jährige Patientin stellte sich initial wegen einer unspezifischen Schwindelsymptomatik vor. Klinisch fanden sich eine dementielle Entwicklung in Verbindung mit einer ausgeprägten Ataxie, Defizite in der verbalen und non-verbalen Neugedächtnisbildung sowie Störungen der Exekutivfunktionen. Im cerebralen MRT zeigten sich progrediente Signalanhebungen im Bereich des Caput nuclei caudati rechts bis hin zum Hippocampus. Das EEG war paroxysmal dysrhythmisch ohne schwerwiegende Allgemeinveränderungen. Wir untersuchten die Patientin zusätzlich mittels FDG-PET. Es fand sich ein asymmetrischer Hypometabolismus im Nucleus caudatus, Putamen und Thalamus. Im Liquor massiv erhöhtes Tau-Protein, leicht erhöhtes Phospho-Tau, aber negatives Protein 14-3-3 bei sonst unauffälligem Liquorbefund. Klinisch wies die Patientin im zeitlichen Verlauf eine rasche Zunahme des dann auch rumpfbetonten ataktischen Syndroms mit sich entwickelnden schweren Dyskinesien auf. Die Patientin verstarb ca. ein halbes Jahr nach den initialen Symptomen. Neuropathologisch wurden ungewöhnlich viel PrPSc –Ablagerungen im temporalen Allo- und Isokortex, eine schwere Atrophie des Kleinhirnwurms, ausgeprägte Spongiose und Gliose auch im Striatum und im Thalamus sowie im Großhirnkortex ein deutlich laminäres Muster der reaktiven Gliose beschrieben. Vor dem Hintergrund einer fraglichen Erkrankung der Mutter der Patientin, die Jahre zuvor an ähnlichen Symptomen rasch verstorben sein soll, wird differentialdiagnostisch auch eine familiäre Form einer spongiformen Enzephalopathie diskutiert und ggw. noch genetisch weiter verifiziert.

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PSY03 Die Folgen der Selbststigmatisierung bei Alkoholabhängigkeit für die soziale Integration

Alkoholabhängiger Susanne Stolzenburg (1,2), Claudia Tessmer (2), Hanne Melchior (3), Ingo Schäfer (3), Harald J. Freyberger (1,2), Georg Schomerus (1) 1) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Universitätsmedizin Greifswald 2) Helios Hanseklinikum Stralsund 3) Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Ziel der Studie: Menschen mit Alkoholabhängigkeit sind eine besonders schwer stigmatisierte Gruppe unter den psychisch Kranken. Selbststigmatisierung aufgrund der eigenen Alkoholabhängigkeit hat vielfältige soziale Folgen. In Anwendung des progressiven Modells zur Selbststigmatisierung (Corrigan et al., 2011, [10]) soll der Zusammenhang zwischen geringer sozialer Integration und Selbststigmatisierung bei Alkoholabhängigen näher untersucht werden. Methodik: Es wurden N=112 Alkoholabhängige Patienten interviewt. Dabei wurde ein objektives Maß zur sozialen Integration (SIX), die Skala zur Selbststigmatisierung bei Alkoholabhängigen (SSAD), die Skala zur Erfassung der Schwere der Alkoholabhängigkeit (SESA) und das Ausmaß an Depressivität über das Brief Symptom Inventory (BSI) erfasst. Ergebnisse: Es zeigte sich ein negativer signifikanten Zusammenhang zwischen dem Selbstwertverlust aufgrund der eigenen Alkoholabhängigkeit und der sozialen Integration (SSAD ‚Selbstwertverlust‘; β = -0.23, p = .040). Ein marginal signifikanter Zusammenhang zeigte sich zwischen der Anwendung negativer Stereotype auf sich selbst und geringerer sozialer Integration (SSAD ‚Anwendung‘; β = -0.19, p = .085). In allen Analysen wurde für konfundierende Variablen (Depressivität, Schwere der Alkoholerkrankung, Alter und Geschlecht) kontrolliert. Schlussfolgerung: Selbststigmatisierung aufgrund der eigenen Alkoholabhängigkeit ist neben häufig bestehenden komorbiden Depressionen ein wichtiges Korrelat fehlender sozialer Integration. Die therapeutische Bearbeitung von Selbststigmatisierungsprozessen könnte helfen, die soziale Integration von Menschen mit Alkoholabhängigkeit zu verbessern.

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PSY04 Erfassung von herausforderndem Verhalten von Menschen mit Demenz in einem

Seniorenheim als Grundlage zur Entwicklung einer technisch unterstützten Diagnose- und Entscheidungshilfe für pflegende Angehörige Christina Heine, Philipp Koldrack, Kristina Yordanova, Sebastian Bader, Frank Krüger, Albert Hein, Sven Kernebeck, Margareta Halek, Thomas Kirste, Stefan Teipel

Einleitung und Fragestellung: Zwischen 51 und 88 Prozent der Menschen mit Demenz (MmD), die zu Hause leben, zeigen herausfordernde Verhaltensweisen, welche eine große Belastung für pflegende Angehörige darstellen. Gegenstand des insideDEM-Projektes (BMBF FKZ 16SV7348K und 16SV7349) ist die Entwicklung einer technischen Entscheidungshilfe, um die Angehörigen beim Umgang mit solchen Verhaltensweisen individual und situationsadaptiv zu unterstützen. Für die Entwicklung eines automatisierten Erkennungssystems von diesem Verhalten werden herausfordernde Verhaltensweisen strukturiert beobachtet und mit synchron erhobenen Sensordaten zusammengeführt. Das Auftreten von herausforderndem Verhalten bei MmD im Seniorenheim wird untersucht. Methodik: Häufig auftretende herausfordernde Verhaltensweisen wurden in der Studienstichprobe bestehend aus MmD im mittleren bis schweren Krankheitsstadium (gemessen anhand des MMSE und GDS) im Seniorenheim erfragt (anhand des Cohens-Mansfield Agitation Inventar, CMAI, und des Neuropsychiatrischem Inventar, NPI). Eine Auswahl der sensorisch erfassbaren Verhaltenskategorien wurde in ein Annotationsschema aufgenommen. Zusätzlich wurde ein etabliertes Beobachtungsverfahren von MmD (Dementia Care Mapping, DCM) angewendet. Parallel zu den Beobachtungen trugen die Studienteilnehmer ein nicht-invasives Sensorsystem (Sensor-Bracelet) und es wurden Videoaufnahmen aufgezeichnet. Ergebnisse und Schlussfolgerung: In zwei Seniorenheimen nahmen insgesamt 17 Bewohner an der Studie teil. Die Beobachtung und die parallele Aufzeichnung mittels der Sensor-Bracelets betrugen 3,5 bzw. 4 Wochen und fanden morgens (4,5h) und nachmittags (4h) statt. Videoaufnahmen konnten in einem Seniorenheim an 8 Probanden durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Analyse des Auftretens von herausforderndem Verhalten mittels strukturierter Beobachtung und Videoaufnahmen wird auf der Tagung vorgestellt. In einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Kognitionspsychologen, Informatikern, Pflegewissenschaftlern und Ärzten gelang uns die Implementierung einer komplexen technologischen Plattform zur synchronen Aufzeichnung von beobachtergestützten Verhaltensdaten, multimodalen Sensordaten und Videodaten von MmD auf der Station zweier Pflegeheime. Komplexe Forschung in der Realumgebung bietet die Voraussetzung, um Interventionen unter Berücksichtigung der Würde der Betroffenen und der Belange des Datenschutzes auf ihren Nutzen hin zu evaluieren. Nur so können wir der besonders vulnerablen Gruppe der Personen mit fortgeschrittener Demenz und ihren Angehörigen evidenzbasierte Unterstützungsangebote machen. Die Studie wurde durch das BMBF (Nr. BMBF FKZ 16SV7348K und 16SV7349) unterstützt.

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PSY05 Schwerwiegende Konsequenzen? Assoziation zwischen Serum Neuron-spezifischer

Enolase (sNSE) , Alter, Adipositas und grauer Substanz bei 901 Probanden Deborah Janowitz a, Johanna Hoffmann a, Sandra van der Auwera a, b, Jan Terock c, Katharina Wittfeld b, Matthias Nauck d, Nele Friedrich d, Mohamad Habes e,f, Hans Jörgen Grabe a, b a. Department of Psychiatry and Psychotherapy, University Medicine Greifswald, Greifswald, Germany b. German Center for Neurodegenerative Diseases (DZNE), Site Rostock/Greifswald, Germany c. Department of Psychiatry and Psychotherapy, University Medicine Greifswald,

HELIOS Hospital Stralsund, Germany d. Institute of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine, University Medicine Greifswald,

Greifswald, Germany e. Institute for Community Medicine, University Medicine Greifswald, Germany f. Section of Biomedical Image Analysis, Department of Radiology, University of Pennsylvania,

Philadelphia, PA, USA

Serum Neuron-spezifische Enolase (sNSE) ist ein Marker für neuronale Schäden vornehmlich in der grauen Substanz, im Hippocampus und im Kleinhirn. sNSE kann im Serum unproblematisch bestimmt werden und ist ein hilfreicher Marker bekannt bei strukturellen oder funktionellen Gehirnschäden. Sowohl Alterungsprozesse als auch Adipositas sind epidemiologisch relevante Faktoren, die zu funktionellen und strukturellen Veränderungen des Gehirns führen. Wir gingen folgenden Fragestellungen nach: Gibt es eine Assoziation zwischen sNSE und dem Alter? Gibt es eine Assoziation zwischen sNSE und Adipositas (BMI)? Gibt es eine Assoziation zwischen sNSE und der grauen Substanz (cMRT)? Wir bestimmten sNSE bei 901 Probanden mit cMRT (499 Frauen, 22-81 Jahre, Body mass index ((BMI) 18-48 kg/m2), die an der epidemiologischen Studie (SHIP-TREND) in Mecklenburg-Vorpommern teilnahmen. Wir beschreiben eine unterschiedliche Verlaufsform der Werte mit ansteigendem Alter bei Männern und Frauen: Frauen zeigten eine steigende und Männer eine fallende Tendenz der sNSE-Werte. sNSE Werte und BMI waren non-linear assoziiert mit einer parabelförmigen und negativen Assoziation bei einem BMI>25. Die graue Substanz und sNSE waren nicht assoziiert. Pathomechanismen könnten geschlechtsspezifische hormonelle Veränderungen, Nervenzellschäden, veränderter Glukosemetabolismus und Veränderungen in der neuronalen Differenzierung darstellen.

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KONGRESSBÜRO HAMBURG Dürerstraße 1 22607 Hamburg

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